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{"created":"2022-01-31T14:35:54.186004+00:00","id":"lit33345","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"M\u00fcller, Robert","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 30: 340-390","fulltext":[{"file":"p0340.txt","language":"de","ocr_de":"340\nZur Kritik\nder Verwendbarkeit der plethysmographischen Curve\nf\u00fcr psychologische Fragen.\nVon\nRobert M\u00fcller.\n1. Der Plethysmograph und die einzelne Volum-\npulscurve.\n1. Nachdem W. Wukdt im ersten Bande seiner damals erscheinenden V\u00f6lkerpsychologie bestimmten Anschauungen \u00fcber die Ausdruckserscheinungen von Gef\u00fchlen und Affecten am Circulations- und Respirationsapparat Ausdruck verliehen hatte, wobei er auch eingehend das Plethysmogramm ber\u00fccksichtigte, (vgl. S. 40\u201444), veranlasste er im Winter 1899 im Institut f\u00fcr experimentelle Psychologie zu Leipzig eine Untersuchung dar\u00fcber, bei der zum Ausgangspunkt der Einflufs gef\u00fchlsbetonter Sinnesreize auf den Gef\u00e4fsapparat genommen wurde. Das Ergebnis derselben war zun\u00e4chst, dafs nach jener Einwirkung von (\u201egef\u00fchlsbetonten\u201c) Sinnesreizen ausgesprochene und ziemlich mannigfaltige Erscheinungen am Circulationsapparat auftreten, welche mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vorwiegend als Gef\u00e4fsreflexe aufgefafst werden k\u00f6nnen. Da aber die Ergebnisse wesentlich von den Angaben der bisherigen Autoren differiren, bezw. zu Gesichtspunkten f\u00fchrten, die bisher von Seiten der Psychologen keine Ber\u00fccksichtigung gefunden haben, so empfiehlt es sich vielmehr, auf diese Dinge einzugehen, als sich sofort an die Besprechung jener Erscheinungen zu wenden, da es ohne eine eingehende Er\u00f6rterung des Wesens des Plethysmogramms unm\u00f6glich ist, eine einigermaafsen sichere Grundlage f\u00fcr die weitere Untersuchung zu gewinnen.\nDa die schliefsliche Aufgabe der Fragestellung eine psychologische ist, so war von selbst das Untersuchungsobject im","page":340},{"file":"p0341.txt","language":"de","ocr_de":"Verwendbarkeit dei* * plethysmographischen Curve f\u00fcr psychol. Fragen. 341\nMenschen gegeben und damit waren selbstverst\u00e4ndlich alle Wege directer Ermittelungen, die irgendwelche pr\u00e4paratorische oder vivisectorische Eingriffe voraussetzen, ausgeschlossen; der einzig m\u00f6gliche Weg bestand darin, aus den Aenderungen der am Menschen gewinnbaren graphischen Aufzeichnungen der circula-torischen und respiratorischen Erscheinungen den physiologischen Charakter jener Processe zu erschliefsen. Es erschien aber w\u00fcnschenswerth, soweit irgend m\u00f6glich die physiologischen Verh\u00e4ltnisse jener weiterhin als Ausdruckserscheinungen gedeuteten Vorg\u00e4nge zu ermitteln. Da bei der Verwerthung der Curven f\u00fcr psychologisch gerichtete Schlufsfolgerungen die Schwierig-keiten ganz au\u00dferordentlich grofse sind, so mag jene vorl\u00e4ufig ganz ausgeschlossen bleiben, indem vorher eine ganze Reihe anderer Dinge zu bearbeiten ist. Bis jetzt scheinen mir aber die Grundlagen der Benutzung und Interpretation der plethysmographischen Curve von Seiten der Psychologen durchg\u00e4ngig unklare und unsichere zu sein. So schreibt z. B. Wundt: \u201eAuch kommt in Betracht, dafs die plethysmographischen Curven \u00fcberhaupt, da sie Superpositionen von Puls-, Gef\u00e4fs- und eventuell Athmungswirkungen sind, eine erg\u00e4nzende Untersuchung dieser Partialsymptome erfordern.\u201c1 Zur Gewinnung der plethysmographischen Curven, oder, wie wir sie von vornherein bezeichnen wollen, der Volumpulscurven, diente die von Lehmann * angegebene Form des Plethysmographen.\n2. Das Princip, auf dem der Plethysmograph beruht, ist eigentlich schon von Poise\u00fcille in die physiologische Technik eingef\u00fchrt wordenu; denn dieser hat bereits zur Untersuchung der Volum Schwankungen und Form\u00e4nderungen einer Arterie w\u00e4hrend einer vollst\u00e4ndigen Pulsphase eine Vorrichtung benutzt, welche auf dem Princip der Fl\u00fcssigkeitsverdr\u00e4ngung bei der pulsatorischen Volumschwankung beruht, nur dafs er dasselbe auf die einzelne blofsgelegte Arterie \u00fcbertr\u00e4gt. Der Apparat besteht aus einem etwa 30 mm langen und 15 mm breiten K\u00e4stchen, an dem eine graduirte Manometerr\u00f6hre angebracht ist, in der das Wasser bei zunehmender F\u00fcllung steigt und bei abnehmender\n1 Wundt. V\u00f6lkerpsychologie. I. Erster Theil. S. 44 Anm.\n* A. Lehmann. Die k\u00f6rperlichen Aeufserungen psychischer Zust\u00e4nde. Uebersetzt von T. Bendixen. Erster Theil. S. IS\u201432.\n\u00ae Vgl. Landois. Arterienpuls. 1873. S. 31 ; Cyon. Methodik. S. 153,\nAnm.","page":341},{"file":"p0342.txt","language":"de","ocr_de":"342\nJRobert M\u00fcller.\nBlutf\u00fclle des Gef\u00e4fses sinkt. Das K\u00e4stchen besteht aus zwei aufeinanderpassenden H\u00e4lften ; an den beiden gegen\u00fcberstehenden schmalen Seiten desselben befindet sich je eine runde Oeffnung, welche halb dem Bodenst\u00fcck, halb dem Deckelst\u00fccke des K\u00e4stchens angeh\u00f6rt. In diese wird die Arterie nach ihrer Freipr\u00e4parirung eingelegt und sorgf\u00e4ltig sowohl die R\u00e4nder wie die Eintrittsstelle des Gef\u00e4sses abgedichtet. Poise\u00fcille f\u00fcllte dann das K\u00e4stchen mit Wasser von der Manometerr\u00f6hre aus so hoch, bis das Wasser im unteren Theile der Ansatzr\u00f6hre steht. Da das Wasser aber namentlich die Contractionsf\u00e4higkeit der glatten Gef\u00e4fsmusculatur beeinflussen wird, so schlug Lanbois (Arterienpuls S. 32) vor, anstatt dessen erw\u00e4rmtes Blutserum oder defibrinirtes Blut zu benutzen. Die Fl\u00fcssigkeit wird nun in dem R\u00f6hrchen in demselben Maafse steigen als die Arterie w\u00e4hrend der Herzsystole sich ausdehnt, und die Raumvergr\u00f6fserung des in dem K\u00e4stchen befindlichen Arterienst\u00fcckes ist gleich dem Inhalte eines Cylinders vom lichten Querschnitte des R\u00f6hrchens -mal der beobachteten Elevation der Fl\u00fcssigkeit Ist der cubische Inhalt des im K\u00e4stchen eingeschlossenen Arterienst\u00fcckes bekannt, so kann man die Volumschwankung der Arterie als einen Bruch-theil des Gesammtvolums darstellen. Der cubische Inhalt des Arterienst\u00fcckes l\u00e4fst sich bestimmen, indem man nach dem Versuche dasselbe unterbindet, ausschneidet und nun durch Eintauchen in Oel das Gesammtvolum der Schlagader bestimmt oder nur das der eingeschlossenen Blute\u00e4ule.\nDie von Poise\u00fcille angegebene Vorrichtung enth\u00e4lt in ihrem Constructionsprincip den wesentlichsten Grund, der eine genaue Ermittelung der thats\u00e4chlichen Verh\u00e4ltnisse ausschliefst und der auch f\u00fcr den Plethysmographen gilt Bereits Valentin 1 betonte die Fehlerquelle, dafs die Schlagader nicht frei liegt, sondern unter dem Drucke des im K\u00e4stchen enthaltenen Wassers. Dieser Druck wird noch bedeutend gesteigert durch die im Seitenr\u00f6hrchen anstehende Fl\u00fcssigkeit, und dieser Druck ist aufserdem ein variabeler, in jedem Momente der Arterienausdehnung verschiedener, da ja die Fl\u00fcssigkeit in dem R\u00f6hrchen in stetem Steigen und Fallen begriffen ist\nWenn wir zun\u00e4chst annehmen, dafs das Wasser frei von\n1 Valentin. Lehrbuch d. Physiol, des Menschen. Braunschweig 1847. *2. Aufl., Bd. I, S. 450.","page":342},{"file":"p0343.txt","language":"de","ocr_de":"Vencendbarkeit der plethysmographischen Curve f\u00fcr psychol. Fragen. 343\nEigenbewegungen bleibe, so m\u00fcfste in jedem Zeittheilchen Gleichgewicht zwischen dem Gewichte der Wassers\u00e4ule und dem Arteriendrucke vorhanden sein, und es w\u00e4re, wenn die Druck\u00e4nderung eine stetige ist, leicht, auf rechnerischem Wege die Volum\u00e4nderung des Gef\u00e4fses f\u00fcr einen bestimmten Fl\u00fcssigkeits-\u25a0druck zu bestimmen. Von diesem k\u00f6nnte man dann zur Ermittelung der Gleichgewichtsverh\u00e4ltnisse bei variabelem Druck \u00fcbergehen. Thats\u00e4chlich liegen die Verh\u00e4ltnisse noch nicht einmal so g\u00fcnstig, vielmehr wird das Wasser, bezw. die F\u00fcllungsfl\u00fcssigkeit des K\u00e4stchens und der R\u00f6hre durch die rhythmischen Druck\u00e4nderungen der Arterie Eigenschwingungen aufweisen, die in der Phase mit dem Arterien puls \u00fcbereinstimmen, ihrer Form nach aber Pendelschwingungen sind, die \u00fcberdies in ihrer Form durch die Reibung an der Wand des engen Manometerr\u00f6hrchens verunstaltet sind, wie aus ihrer raschen D\u00e4mpfung nach Unterbindung der Arterie hervorgeht.\nWeitere Bedenken treten dazu, die in der Natur und Wirkung des Eingriffs, welcher der Application des Apparates vorausgeht, ihren Grund haben. Valentin hat mit dem Apparate gearbeitet und beschreibt des Genaueren die Versuche und ihr Ergebnifs; im Uebrigen hat der Apparat nur noch historisches Interesse, das eben in der ersten Anwendung des plethysmographischen Princips, der Beobachtung des Ablaufs der Fl\u00fcssigkeitsverdr\u00e4ngung, besteht.\n3. Der erste, der mittels der plethysmographischen Methode die Volumschwankungen der Extremit\u00e4ten beobachtete, war, soweit ich weifs, Pl\u00e9gu.1 Dann hat Chelius 2 dieselbe Methode angegeben. Er construirte einen blechernen mit Wasser angef\u00fcllten Beh\u00e4lter, welcher dazu diente, eine ganze Extremit\u00e4t aufzunehmen ; ist das Glied eingef\u00fchrt, so wird die Oeffnung um dasselbe v\u00f6llig luftdicht verschlossen. Seitlich in der Wandung des Blechkastens befand sich ein Manometer, das mit Wasser angef\u00fcllt war und mit dem Wasser innerhalb des Beh\u00e4lters communicirte. Chelius argumentirte, dafs die Wassers\u00e4ule im Manometerrohre den Grad der Blutzufuhr in der eingeschlossenen Extremit\u00e4t anzeigen k\u00f6nne, deren Volum mit jedem Arterienpuls anschwelle. Da Vierorbt das Instrument als unbrauchbar verwarf, wurde es vergessen.\n1 Pi\u00eaou. Comptes rendus de Vaead. des sciences 22, S. 682. 1846. 8 Chelius. Frager Vierteljahrsschnft 21. 1850.","page":343},{"file":"p0344.txt","language":"de","ocr_de":"344\nRobert M\u00fcller.\nDarauf construirte Fick1 1869 den Apparat, unbekannt mit Chelius\u2019 Gedanken, aufs Neue, um messende Untersuchungen \u00fcber die Geschwindigkeit des Blutstromes in der oberen Extremit\u00e4t des Menschen damit auszuf\u00fchren. Er liefs durch einen in der U-f\u00f6rmigen Manometerr\u00f6hre angebrachten Schwimmer zuerst den Puls auf eine Kymographiontrommel aufzeichnen und erhielt Curven, die den Sphygmogrammen \u00e4hnlich waren und ausgesprochene Dikrotie zeigten. Wurde der Vorderarm oder nur die Hand in das Instrument eingepafst, so wurden die Curven unregelm\u00e4fsiger und dikrot, und die letzte der dikroten Erhebungen war relativ am st\u00e4rksten, wenn die Hand allein zur Gewinnung der Curven gedient hatte. Wesentlich verschieden, aber immerhin hierhergeh\u00f6rig sind weiter die Apparate, welche H\u00e9risson 2 * 4, Scott Alison 3 und Naumann 4 angegeben haben, bei denen ebenfalls die Bewegungen von Fl\u00fcssigkeitss\u00e4ulen zur Sichtbarmachung und Untersuchung des Pulses benutzt werden. Mit einem solchen Apparate entdeckte Chelius die Dikrotie und gewann ferner Naumann die in seinen \u201eBeitr\u00e4gen zur Lehre vom Puls44 mitgetheilten Beobachtungen.\nEs ist eigentlich von vornherein erstaunlich, dafs beim Plethysmographen eine Fehlerquelle sich nicht in bemerkbarer Weise geltend macht, deren Existenz sicher zuzugeben ist, n\u00e4mlich Complicationen von Seiten des ven\u00f6sen Abflusses und der Lymphbewegung. Der ven\u00f6se Abflufs ist zun\u00e4chst con-tinuirlich bedingt durch das Verschieben der Bluts\u00e4ule in den Venen durch das aus den Capillaren sich sammelnde Blut Die Hauptfactoren f\u00fcr die ven\u00f6se Blutbewegung sind aber die Muskelbewegungen und an einzelnen Stellen, wie in der Hohl-hand (Ligamentum natatorium) der Schulterh\u00f6hle (LANGER\u2019scher Achselbogen) und am Oberschenkel besondere Saugvorrichtungen, welche im Wesentlichen durch Muskelcontractionen, dann auch durch den Arterienpuls in Function treten. Der ven\u00f6se Blutstrom wird weiterhin zu einem discontinuirliehen gemacht durch\n1 Fick. Untersuchungen aus d. physiolog. Laborator, der Z\u00fcricher Hochschule. Wien 1869. S. 50-70.\n8 H\u00e9risson cf. Piorry. Trait\u00e9 de diagnostic et de s\u00e9miologie. S. 238. Paris 1837.\n* Scott Alison. Philosophical Magazine and Journal of Science 12, Nr. 80.\n4 Naumann. Henle und Pf eu ff er\u2019 s Zeitsckr. f. rationelle Medicin 18. 1863. Archiv f\u00fcr Heilkunde S. 403. 1864.","page":344},{"file":"p0345.txt","language":"de","ocr_de":"Verwendbarkeit der plethysmographischen Curve f\u00fcr psychol. Fragen. 345\ndie Venenklappen und diese Stromunterbrechung ist haupts\u00e4chlich von der Lage der Venenklappen, in geringem Grade vom Arterienpulse und der Respiration abh\u00e4ngig. Ebenso k\u00f6nnte die Lymphbewegung als Fehlerquelle sich im Plethysmogramm bemerkbar machen ; thats\u00e4chlich aber fanden sich keine Anhaltspunkte daf\u00fcr, und dies ist auch durchaus verst\u00e4ndlich, wenn man bedenkt, um ein Wievielfaches die Triebkr\u00e4fte der arteriellen Circulation die der Lymphbewegung \u00fcbertreffen. Dafs thats\u00e4chlich zuerst eine Beeinflussung der ven\u00f6sen und Lymphcirculation ein tritt, halte ich f\u00fcr wahrscheinlich, wenn auch nicht f\u00fcr bindend bewiesen. Das Vorw\u00f6lben des Gummi\u00e4rmels an dem proximalen Ende des benutzten Extremit\u00e4tenabschnittes ist \u00fcberdies als Fehlerquelle sehr st\u00f6rend. Es wurde versucht, durch einen starken Pappering, der dem Vorderarme angepafst war, diesem Vorw\u00f6lben zu begegnen. Der Arm wurde dann in der Ellenbeuge festgelegt und der Zwischenraum bis zum Blech\u00e4rmel so fest wie m\u00f6glich mit Watte ausgestopft, um ebensowohl diesem Vorg\u00e4nge wie weiterhin den Verschiebungen des Armes, welche sowohl passiv durch den Druck der F\u00fcllungsfl\u00fcssigkeit, wie activ durch unwillk\u00fcrliche Bewegungen der Versuchsperson eintreten k\u00f6nnen, entgegenzuwirken.\nBei der Darstellung des Arterienpulses mittels des Plethysmographen hat man nun mit eigenth\u00fcmlichen Verh\u00e4ltnissen zu rechnen, die daher r\u00fchren, dafs der auf der Arterie lastende Druck ein ver\u00e4nderlicher ist, der sich eventuell weiterhin in einen constanten und variabelen Theil zerlegen liefse. Der constante Factor, die mittlere Niveauh\u00f6he, beeinflufst bei sonst gleichen \u00e4ufseren Bedingungen die Gr\u00f6fse der Pulswelle und es existirt ein Betrag dieser mittleren Niveauh\u00f6he, bei der die Pulsationen ganz unterdr\u00fcckt werden, n\u00e4mlich wenn der Druck von aufsen gleich dem Maximum des Arteriendruckes bei der prim\u00e4ren Pulswelle ist. Auf dieser Thatsache beruht die Construction des Sphygmomanometers, bei dem man annahm, dafs man dann den \u00e4ufseren Druck direct dem Arteriendrucke gleichzusetzen berechtigt sei.\nDer variabele Factor wird dargestellt durch die Druckschwankung bei der einzelnen Pulsation. Da er relativ kleiner wird mit dem Wachsen des Constanten, so erg\u00e4be sich die Conse-quenz, dafs man, um m\u00f6glichst richtige Bilder zu erhalten, der mittleren Niveauh\u00f6he einen gewissen numerischen Betrag er-","page":345},{"file":"p0346.txt","language":"de","ocr_de":"846\nRobert MiUlet'.\ntkeilen m\u00fcfste, der aber darin seine obere Grenze findet, dafs er die Gr\u00f6fse der Pulsation nicht wesentlich vermindern darf.\nHier ergiebt sich nun weiter folgendes Bedenken: \u201eDa der aufzeichnende Apparat eine Gleichgewichtslage haben mufs, so ist nothwendig auch ein gewisser Druck erforderlich, um ihn in Be wegung zu setzen. Druckschwankungen im Inneren des Cylinders finden demgem\u00e4fs bei der Aufzeichnung der Volumpulse auch immer statt. Bei der Anwendung eines Schwimmers betragen sie schon zufolge der Niveauschwankungen mehrere Millimeter Wasser, arbeitet man mit dem Tambour, so kann man die Niveauschwankung des Wassers beliebig gr\u00f6fser oder kleiner machen, indem man die freie Oberfl\u00e4che des Wassers in einem engeren oder weiteren Steigrohre anbringt. Daf\u00fcr ist aber die Spannung der Membran eine wechselnde. Selbst bei einem \u00e4ufsert empfindlichen Tambour sind diese Druckschwankungen nicht ganz unerheblich. So fand sich, dafs die Druckschwankungen mehr als 10 mm H20 betrugen, wenn die Schreibspitze Excursionen von 10 mm, die Membran von 0,3 mm ausf\u00fchrte. Der Druck, welcher auf die Oberfl\u00e4che des Armes ausge\u00fcbt wird, mufs aber noch bedeutender schwanken, da bei der schnellen Bewegung ziemlich langen Wassers\u00e4ulen gewisse Beschleunigungen ertheilt werden m\u00fcssen.441\nWenn man die Druck\u00e4nderung genauer betrachtet, so l\u00e4fst sich noch Folgendes sagen: mit dem Steigen der Fl\u00fcssigkeit wird die Luft im Steigrohr comprimirt und diese Compression gleicht sich in zwei Richtungen aus, einerseits durch die Lage\u00e4nderang der Membran des Schreibtambours, wodurch weiterhin das Aufschreiben zu Stande kommt und andererseits durch die Lage\u00e4nderung des Niveaus des Wassers im Steigrohre. Man k\u00f6nnte aus dem Luftraum der ganzen Anordnung und den Niveauschwankungen des Wassers im Wasserstandsrohre die Druck\u00e4nderung bestimmen und man k\u00f6nnte wohl die Ausgleichung derselben aus diesen beiden Gr\u00f6fsen berechnen. F\u00fcr uns gen\u00fcgt die Einsicht, dafs der d\u00e4mpfende Einfiufs der Druckschwankung im Apparat sich darstellt als die Differenz aus der Ausgleichung durch Volum\u00e4nderung der Schreibtrommel und der Druck\u00e4nderung durch Erniedrigung des Niveaus in der Wasserstandsr\u00f6hre. Machten wir die [\u00fcbrigens unstatthafte) Annahme, dafs\n1 v. Kriks. Archiv f. Anatomie n. Physiol., physiol. Abth-, S. 259. 1887.","page":346},{"file":"p0347.txt","language":"de","ocr_de":"Verwendbarkeit der plethysmographischen Curve f\u00fcr psychol. Fragen.\t347\ndi\u00a9 Schreibtrommel momentan und vollst\u00e4ndig den Druckschwankungen des Luftraumes folgte, so w\u00fcrde der d\u00e4mpfende Einflufs der Druck\u00e4nderung \u00fcberhaupt hinwegfallen. Aus dieser Ueberlegung ergiebt sich als weitere Folgerung, dafs, je kleiner der Luftraum ist, um so gr\u00f6fser die relative Druck\u00e4nderung sein wird.\nUm nun den Einflufs des Luftraumes und der Wasserstandsh\u00f6he zu untersuchen, wurde systematisch eine gr\u00f6fsere Anzahl Versuche durchgef\u00fchrt. Da mir nur zwei Wasserstandsr\u00f6hren zur Verf\u00fcgung standen, eine von 13 cm und eine von 25 cm L\u00e4nge, so wurden diese Versuche in der Art ausgef\u00fchrt, dafs nach einander die Wasserstandsh\u00f6hen von 0\u201425 cm untersucht wurden, so dafs das Verh\u00e4ltnifs der Wasserstandsh\u00f6he zum Luftraum variirte, die Summe der beiden aber im ersten Falle stets 13, im zweiten stets 25 cm war. Dabei ergab sich nun, dafs die Puls-curven viel mehr von einander abweichend ausfielen, als sich von vornherein erwarten liefs. Es ergab sich aber auch, dafs die Ver\u00e4nderungen nicht sprungweise stattfanden, sondern in stetiger Abh\u00e4ngigkeit von der Wasserstandsh\u00f6he und der Gr\u00f6fse des Luftraumes, so dafs diese Factoren als die wesentlichen anweisbar waren, welche die Curvenform ver\u00e4nderten.\nAus diesen Versuchen wurde dann der Schlufs gezogen, dafs es wahrscheinlich \u00fcberhaupt unm\u00f6glich sei, ein quantitatives Bild des Volumpulses zu erhalten, so dafs es illusorisch sei, aus den Ordinatenwerthen der Curvenpunkte zun\u00e4chst irgendwelche Folgerungen zu ziehen. Das einzig Erreichbare schien darin zu bestehen, dafs die Bedingungen ermittelt wurden, wo man m\u00f6glichst gleichm\u00e4fsige Curven erh\u00e4lt. Es erwies sich dann als das Bequemste und Zweckm\u00e4fsigste, bei einem Luftr\u00e4ume von etwa 7 cm H\u00f6he im Wasserstandsrohre und einem Wasserstande von etwa 18 cm zu arbeiten. Wenn dieses Verh\u00e4ltnifs eingehalten wurde, so war zu hoffen, dafs die Curven derselben Versuchsperson, wenigstens von diesem rein technischen Gesichtspunkte aus, unter einander vergleichbar seien.\nMan kann sich leicht subjectiv davon \u00fcberzeugen, dafs dieser Druck ein ziemlich betr\u00e4chtlicher ist, was auch leicht verst\u00e4ndlich ist, wenn man bedenkt, dafs derselbe das Product aus der Oberfl\u00e4che des Vorderarmes und der Wasserstandsh\u00f6he ist. Bei einer Wasserstandsh\u00f6he von 20 cm kann derselbe einen Betrag von 9\u201411 kg erreichen. Die Anwendung eines solchen Fl\u00fcssigkeits-","page":347},{"file":"p0348.txt","language":"de","ocr_de":"348\nRobert M\u00fcller.\nVolumens hat aber den Fehler zur Folge, dafs durch den Rhythmus des Pulses das Wasser Eigenschwingungen ausf\u00fchren wird. Hier hegen durchaus analoge Verh\u00e4ltnisse vor, wie sie bei der Discussion der Anwendung des Poisk\u00fcille sehen Manometers zur Aufzeichnung der Pulsform seiner Zeit in Betracht kamen. Diese Eigenschwingungen werden pendelf\u00f6rmige sein, ged\u00e4mpft durch die Reibung an der Wand des Wasserstandsrohres und durch die Druckschwankungen der Luft Da man annehmen kann, dafs der Arterienpuls der Fl\u00fcssigkeitsmenge immer etwa gleiche Beschleunigungen ertheilen wird, so wird die lebendige Kraft dieser Eigenschwingungen von der Gr\u00f6fse der Fl\u00fcssigkeitsmenge, also von der Wasserstandsh\u00f6he abh\u00e4ngen, denn diese lebendige Kraft ist das Product aus dem Volum des Wassers mal dem specifischen Gewicht bei der Temperatur, bei welcher gearbeitet wurde, mal der H\u00e4lfte des Quadrates der Geschwindigkeit beim Passiren der Gleichgewichtslage. Da aber die Reibung an der Wand des Wasserstandsrohres nicht nur f\u00fcr die D\u00e4mpfung der Eigenschwingungen in Betracht kommt, sondern auch die Curvenform ver\u00e4ndern k\u00f6nnte, so ist es unstatthaft, etwa durch ein enges Steigrohr die Fl\u00fcssigkeitsmenge vermindern und die Reibung vermehren zu wollen; die Verringerung der Fl\u00fcssigkeitsmenge auf diesem Wege h\u00e4tte auch keinen wesentlichen Einflufs, da deren Betrag im Steigrohr gegen\u00fcber derjenigen in dem Cylinder, welcher den Arm umgiebt, sehr gering ist.1\nUm nun die Druckschwankungen m\u00f6glichst zu vermindern, wurde versucht, mit m\u00f6glichst grofsem Luftraum und m\u00f6glichst geringer Fl\u00fcssigkeitsmenge die Volurapulse aufzuzeichnen. Die Luft f\u00fcllte das Steigrohr ganz aus und bildete unterhalb desselben noch eine ziemlich grofse Blase. Weiter l\u00e4fst sich nicht gehen, da dies der Grenzfall war, wo der Gummi\u00e4rmel glatt und fest anlag und hier bedurfte es schon zur gen\u00fcgenden Aufzeichnung der Volumpulse Vergr\u00f6fserungen, bei welchen die M\u00f6glichkeit der Eigenschwingungen der Schreibfeder keineswegs ausgeschlossen waren.\n1 Die Bedingung f\u00fcr das Fehlen der Eigenschwingungen l\u00e4fst sich dahin auesprechen, dafs in jedem Zeittheilchen Gleichgewicht zwischen den Kr\u00e4ften der Pulsbewegung und denen der Fl\u00fcssigkeitsbeweguog herrschen mufs. Fehlt dieses Gleichgewicht, so wird die Fl\u00fcssigkeit unabh\u00e4ngig von dem Arterienpuls Bewegungen ausf\u00fchren.","page":348},{"file":"p0349.txt","language":"de","ocr_de":"Verwendbarkeit (let plethysmographischen Curve f\u00fcr psychol. Fragen. 349\nEine weitere Schwierigkeit hat v. Kries hervorgehoben : \u201eNun ist es aber wohl ganz unm\u00f6glich, den Arm im Glascylinder so zu befestigen, dafs er nicht durch den steigenden Druck ein wenig hinausgetrieben wurde. K\u00f6nnte man selbst die Haut vollst\u00e4ndig unbeweglich mit dem Cylinder verbinden, so w\u00e4re immer noch der ganze Arm in dem fixirten Hautst\u00fccke wie in einer ziemlich lockeren Manschette beweglich. Selbst eine minimale Verschiebung, die hier stattfindet, kann aber, da sie eine sehr erhebliche Fl\u00e4che betrifft, die Volumpulse schon sehr stark de-formiren.\u201c v. Kries hat sich durch Versuche davon \u00fcberzeugt, dafs diese Bedenken gegen die bisher ge\u00fcbten Methoden der Volumsphygraographie nicht blofse Phantasiegebilde sind; er verschlofs einen Plethysmographencylinder, wie er zur Aufnahme von Hand und Unterarm verwendet wird, derart, dafs er in die Gummimanschette statt eines Armes ein rundes Holzst\u00fcck einsetzte. Der Cylinder wurde mit Wasser gef\u00fcllt, welchem gerade wie bei der Beobachtung der Volumpulse der Ausweg in ein Steigrohr von 9,4 mm Durchmesser offen stand. Er \u00fcberzeugte sich, dafs die Fixirung durch die Manschette selbst bei dem festen Holzcylinder nicht in ganz gen\u00fcgender Weise gelingt; man kann denselben stets in den Plethysmographen etwas hineindr\u00e4ngen, und wenn man ihn pl\u00f6tzlich losl\u00e4fst, Eigenschwingungen im Steigrohre beobachten. Die Periode derselben ist nat\u00fcrlich je nach der Beschaffenheit der Manschette verschieden, aber keineswegs sehr kurz, sondern betr\u00e4gt oft mehr als 3/s Secunde.\nUm weiterhin den Einflufs der Verh\u00e4ltnisse im Wasserstandsrohre durch das Experiment zu controliren, beobachtete v. Kries die Volumpulse eines im Plethysmographen eingeschlossenen Armes unmittelbar nach einander in zwei R\u00f6hren von verschiedenem Querschnitt. \u201eDie Erhebungen m\u00fcfsten sich (mittels Schwimmer aufgezeichnet) umgekehrt wie die Querschnitte verhalten. Sie thun das aber niemals, sondern fallen stets im engen Rohr relativ zu klein aus\u201c (S. 260). So erhielt v. Kries z. B. bei Beobachtung der Volumpulse des ganzen Unterarmes und halben Oberarmes mittels zweier Ansatzr\u00f6hren von bezw. 8 und 14,2 mm Durchmesser die Niveauschwankungen im engen Rohre weniger als doppelt so grofs wie im weiteren, w\u00e4hrend das Verh\u00e4ltnifs der Querschnitte 1 :3,1 betrug. Als weiteren Beleg theilt v. Kries einen Versuch mit, welcher recht","page":349},{"file":"p0350.txt","language":"de","ocr_de":"350\nRobert Matter.\ndeutlich zeigt, wie sehr die Form der aufgezeichneten Volumpuls-curven von kleinen Differenzen der Methode abh\u00e4ngt\nDie Versuche von v. Kries zeigen, wie mifslich es um eine zuverl\u00e4ssige Gewinnung der Pulsform und Pulsh\u00f6he bestellt ist, wenn diese gleichzeitig mit nennenswerthen, langsameren Volumschwankungen des Armes, also mit wesentlichen Niveauschwankungen verbunden sind. Wenn also von psychologischen Autoren auf Grund des Plethysmogramms einhergehend mit den Volumschwankungen von langsamer Periodik bestimmte Aende-rungen der Pulsh\u00f6he und eventuell der Pulsform angegeben werden, so kann man diesen Angaben von vornherein nur ein skeptisches non liquet gegen\u00fcberstellen, solange nicht bewiesen ist, dafs diese Puls\u00e4nderungen in derselben Weise auch bei ganz anderen relativen Wasserstands Verh\u00e4ltnissen oder an gleichzeitig auf genommenen Druckpulscurven unabh\u00e4ngig von den Volum\u00e4nderungen des Vorderarmes nachgewiesen sind; sicherlich gen\u00fcgt die Volumpulscurvenreihe, sobald sie bedeutendere, l\u00e4nger dauernde Schwankungen des Armvolumens aufweist, nicht zur Statuirung solcher Behauptungen.\nEine ganze Reihe von Verh\u00e4ltnissen wird nun in den vorliegenden Versuchen durch die Luft\u00fcbertragung auf den Marey-schen Tambour geschaffen. Diese Verh\u00e4ltnisse bilden z. Th. den Inhalt einer gr\u00f6fseren Anzahl von Arbeiten, welche sich mit der Leistung der Pulsschreiber \u00fcberhaupt besch\u00e4ftigen. Es gen\u00fcgt hier, auf die Arbeiten von v. Frey, Fr\u00e9d\u00e9ricq, Hurthle, Marey, Knoll, Grummach1, abgesehen von den \u00e4lteren von Mach und Donders, hinzuweisen, da die vorliegenden Versuche zu dieser Frage nichts Neues ergeben haben. Es sei nur angef\u00fchrt, dafs weder der Hebel des MAREY\u2019schen Tambours, noch ein Schwimmer in absolut treuer Weise den Bewegungen des Wasserniveaus folgen. \u201eDer Schwimmer stellt sich vielmehr,\n1 Es seien nur angef\u00fchrt: v. Frey. Die Ermittelung absoluter Werth\u00a9 f\u00fcr die Leistung von Pulsschreibern. Archiv f. Anat. u. Physiol., physiolog. Abth., S. 17\u201448 (besonders S. 42 ff.). 1893. Das Plateau des Kammerpulses. Ebenda S. 1\u201417. Der Tonograph mit Luftf\u00fcllung. Physiolog. CentraUbl. 7, S. 453. Die Untersuchung des Pulses. 1892. \u2014 L\u00e9on Fr\u00e9d\u00e9ricq. Das Plateau des Kammer- und Aortenpulses. Physiolog. Centralbl. 7, S. 39. Travaux du laboratoire. II. 1887\u201488. \u2014 K. H\u00fcrthle. Beitr\u00e4ge zur H\u00e4modynamik. VIII. Abhandlung: Kritik des Lufttransmissionsverfahrens. Pfl\u00fcger18 Archiv 53, S. 281. \u2014 W. Townsend Porter. Researches on the Filling of the Heart. Journal of Physiol. 13, S. 513.","page":350},{"file":"p0351.txt","language":"de","ocr_de":"Verwendbarkeit der plethysmographischen Curve f\u00fcr psychol. Fragen. 351\nwenn man ihn etwa bei festgestelltem Wasserniveau heruntergedr\u00fcckt hat, mit einer nur sehr m\u00e4fsigen Geschwindigkeit ein, da sein Gewicht, wenn er zur Registrirung brauchbar sein soll, sich unter einen gewissen Werth schliefslich doch nicht vermindern l\u00e4fst. Der Tambour stellt sich weit schneller ein, ist aber auch nicht frei von Eigenschwingungen, welche namentlich bei st\u00e4rkeren Bewegungen erheblich deformirend wirkenu (v. Kkies).\nZur Registrirung der Bewegung der Fl\u00fcssigkeitss\u00e4ule wurde in unseren Versuchen, wie schon aus dem vorhergehenden ersichtlich ist, Luft\u00fcbertragung und ein MAREY\u2019scher Tambour benutzt Der Abstand des Drehpunktes von der festen Axe betrug bei diesem 3 mm. Als Schreibhebel dienten entweder schmale aus Strohhalmen geschnittene Strohstreifen mit Pergamentpapier-Schreibspitze oder leichte stumpfwinklig gebogene Glascapillaren. Es wurde auf berufstes Glanzpapier geschrieben, die Schreibung war eine tangentiale und Bogenschreibung. Die Vergr\u00f6fserung war eine verschiedene, die gr\u00f6fste Schreibfederl\u00e4nge war 18 cm, woraus sich als Vergr\u00f6fserung eine 60 fache ergiebt. Durchg\u00e4ngig bei allen Versuchen wurde auf die Verh\u00e4ltnisse der Kapselspannung, der Reibung an der Schreibfl\u00e4che und der Eigenbewegungen des Registrirapparates geachtet, so dafs es einigermaafsen wahrscheinlich ist, dafs grobe Versuchsfehler dieser Art ausgeschlossen sind.\nWie schwierig es ist, brauchbare Volumpulscurven zu erhalten, geht wohl aus den Mittheilungen Fick\u2019s hervor. Die Volumpulscurve der Hand, welche er 1886 abbildet, sieht ganz anders aus, als die, welche er 1869 mitgetheilt hat. Zur Aufzeichnung der \u00e4lteren Curven diente der Schwimmer, bei den neueren der Mare y'sehe Tambour; sicherlich ist die neuere Curve als die zuverl\u00e4ssigere zu betrachten, aber auch sie zeigt accidentelle Wellen, die von Ficic auf die Unsicherheit der Befestigung der Hand im Plethysmographen zur\u00fcckgef\u00fchrt werden. Dieser Uebelstand wird um so geringer, ein je kleinerer Abschnitt der Extremit\u00e4t zur Beobachtung herangezogen sind. Thats\u00e4chlich sind auch die Curven verschieden, je nachdem der ganze Arm oder nur der Vorderarm oder die Hand zur Gewinnung derselben benutzt werden. Die Bewegungen der Wassers\u00e4ule im Wasserstandsrohr des Plethysmographen lassen sich also in verschiedener Weise auf zeichnen, entweder mittels","page":351},{"file":"p0352.txt","language":"de","ocr_de":"352\nRobert M\u00fcltor.\neines Schwimmers (Fick 1869) oder besser mittels eines Marey\u2019-schen Tambours (Mosso 1879, Fran\u00e7ois-Franck 1876, Fick 1886).1\n4. Wie nun schon Fick gezeigt hat, sind die Pulscurven, welche man auf diese Weise erh\u00e4lt, principiell verschieden von Pulscurven anderer Art, wie man sie etwa mittels des M\u00e4ret*-schen Sphygmographen etwa von der Radialarterie erh\u00e4lt Bei diesen Apparaten dr\u00fcckt eine gespannte Feder oder ein belastendes Gewicht auf die Arterie, es werden also die Druckschwankungen der Gef\u00e4fse auf gezeichnet, so dafs diese Curven als Druckpulscurven zu bezeichnen sind. Die Druckpulscilrven gen\u00fcgen aber allein nicht zur Erkenntnifs der Blutbewegung in den Arterien. Sie geben nur ein einseitiges Bild der variirenden Erscheinungen, indem sie nur den zeitlichen Verlauf und die relative Gr\u00f6fse der Druck\u00e4nderungen wiedergeben, w\u00e4hrend sich gleichzeitig die Volum Verh\u00e4ltnisse der Arterien \u00e4ndern. Diese werden nun bei den plethysmographischen Curven aufgezeichnet, f\u00fcr wrelche daher der Ausdruck \u201e Volumpulscurven\u201c zu gebrauchen ist. (v. Kries 1883). Principiell d\u00fcrfte beim Aufschreiben der Volum-pulscurve \u00fcberhaupt kein Druck auf den Arm ausge\u00fcbt werden, und man hat durch die Construction verschiedenartiger Apparate wenigstens die Druckvariationen auszuschliefsen versucht; so hat man selbst auf die Anwendung der Registrirtrommel Marey\u2019s ganz verzichtet, weil deren wechselnde Membranspannung f\u00fcr die Druckvariationen mit in Betracht kommt.* Beide Arten von Curven sind zwar als Pulscurven zu bezeichnen, weil sie einen von der Herzth\u00e4tigkeit abh\u00e4ngigen periodischen Vorgang im Gef\u00e4fssystem zur Darstellung bringen, im Uebrigen aber sind sie strenge zu scheiden. Wenn man sagt, man beobachte bei der\n1 Fick. Die Geschwindigkeitscurve in der Arterie des lebenden Menschen. Untersuchungen aus dem physiolog. Laboratorium der Z\u00fcricher Hochschule. Wien 1869. S. 50\u201470. \u2014 Mosso. Diagnostik des Pulses. Leipzig 1879. \u2014 Fran\u00e7ois - Franck. Du volume des organes dans ses rapports avec la circulation du sang. Travaux du laboratoire du M. Mare y 2, S. 15. Paris 1876. \u2014 v. Kries. Ueber die Beziehungen zwischen Druck und Geschwindigkeit, welche bei der Wellenbewegung in elastischen Schl\u00e4uchen bestehen. Festschrift der 56. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte, gewidmet von der Naturforschenden Gesellschaft zu Freiburg i. B. Freiburg u. T\u00fcbingen 1883. Suppl, z. Bd. VIII d. Bor. d. Naturforsch. Gesellsch. zu Freiburg.\n* Mosso. Ber. d. s\u00e4chs. Gesellschaft d. Wissetisch., math.-phys. Cl., S. 208. 1874. \u2014 v. Basch. Medicin. Jahrb\u00fccher 4, S. 8 ff. 1876. \u2014 Fran\u00e7ois-Franck. 1876 (vorhergehendes Cit\u00e2t). Archives de 2>hysiologie S. 118\u2014132. 1890.","page":352},{"file":"p0353.txt","language":"de","ocr_de":"Verwendbarkeit der plethysmographischen Curve f\u00fcr psychol. Fragen. 353\nplethysmographischen Methode den Puls statt an einem Gef\u00e4fse gleichzeitig an einer gr\u00f6fseren Zahl von Gef\u00e4ssen, indem ge-wissermaafsen der ganze Vorderarm selbst als Sphygmoskop diene, so ist dies nicht zutreffend. Ein derartiger Uebergang vom Druckpuls als Puls von einer kleinen circumscripten Stelle \u2014 \u201ePunktpuls\u201c wenn dieser Ausdruck erlaubt w\u00e4re \u2014 zum Volumpuls als Fl\u00e4chenpuls eines r\u00e4umlichen Gebildes w\u00fcrde nur dann statthaft sein, wenn Druck und Volumen im Gef\u00e4fs-system unaufl\u00f6slich mit einander verkn\u00fcpft w\u00e4ren, und wenn man ann\u00e4hme, dafs die Pulsbewegung in allen Gef\u00e4fsen ganz gleichartig und genau gleichzeitig stattfinde. Da aber diese beiden Annahmen unzutreffend sind, so geht daraus hervor, dafs die Unterschiede zwischen Druckpuls und Volumpuls nicht nur solche sind, welche durch den Uebergang der Untersuchung von -einem circumscripten Arterienfl\u00e4chenst\u00fcck zu einem gr\u00f6fseren r\u00e4umlichen Gebilde bedingt sind, sondern dafs noch weitere qualitative Differenzen in Betracht kommen. Diese werden es dann zur Folge haben, dafs die Volumpulse einer Arterie von den Druckpulsen einer bestimmten Stelle dieser Arterie verschieden sein k\u00f6nnen, und von diesen Verschiedenheiten kann man sich durch den Versuch \u00fcberzeugen. \u00bbHiernach erkennt man in den Volumpulsen Effecte, welche aus verschiedenen Theilen der Gef\u00e4fsbahn combinirt sind, und es erscheint fast unm\u00f6glich, aus ihnen einen Schlufs auf irgend welche bestimmte Vorg\u00e4nge der Wellenbewegung zu ziehen.\u00ab (v. Kries.)\nDiese Schwierigkeit hatte schon Rollett 1 erkannt, der aber nur die Ungleichzeitigkeit des Pulses in den verschiedenen Ge-f\u00e4fsabschnitten ber\u00fccksichtigt. Er sagt: \u201eWas man durch die Application des Sphygmographen erreichen will, n\u00e4mlich einen m\u00f6glichst richtigen Ausdruck jenes Gesetzes \u2014 (desjenigen n\u00e4mlich, nach welchem sich das Wandtheilchen der Arterie in Folge der durch das Arterienrohr tretenden Welle bewegt) \u2014 das wird bei dem Hydrosphygmographen von vornherein in Frage gestellt; denn wenn wir auch annehmen, dafs die Volum-Schwankungen der Hand und des Armes nur von der Systole und Diastole der Arterien herr\u00fchren, so ist doch der Stand des Wasserniveaus im Hydrosphygmographen in jedem Moment\n1 Rollett. Hermann\u2019s Handbuch d. Physol. Bd. IV, S. 261. Vgl. v. Kries 8. 256 Anm.\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie 30.\n23","page":353},{"file":"p0354.txt","language":"de","ocr_de":"354\nRobert M\u00fctter.\nnicht der Ausweichung eines bestimmten Wandtheilchens entsprechend, sondern eine Resulitirende der gleichzeitigen Ausweichung aller in den Arterien des untersuchten K\u00f6rpertheils aufgereihten Wandtheilchen. Man m\u00fcfste also eine deformirte Pulscurve erwarten.\u201c\nDas Interesse, welches sich an die Unterscheidung dieser Pulsarten kn\u00f6pft, liegt in der Frage, ob in den Arterien periphere Reflexionen stattfinden, eine Frage, die in verschiedenstem Sinne beantwortet wurde, indem man sie bald bejahte (z. B. Fick, v. Kries 1887, v. Frey und Krehl, 1890) bald verneinte (z. B. H\u00fcrthle 1890, Hoorweg 1889). Wenn es nun auch m\u00f6glich sein sollte, auf irgend welche andere Weise die Frage nach den peripheren Reflexionen zu entscheiden, so verl\u00f6re zwar die Unterscheidung an actuellem Interesse f\u00fcr weitere Folgerungen, trotzdem bleibt sie von dauerndem Werthe f\u00fcr das richtige Verst\u00e4ndnis der vorliegenden Erscheinungen*\nUm nun zu einer theoretischen Verwerthung der Volum-pulscurve zu kommen, schl\u00e4gt v. Kries einen Weg ein, den schon Fick 1869 angegeben hatte, der aber im Allgemeinen von den anderen Autoren keine eingehendere Beachtung gefunden hat v. Kries schreibt: \u201eMan kann mit H\u00fclfe der Volumpulse ein Bild von der Stromst\u00e4rke an einer ganz bestimmten Stelle des Arterienrohres bekommen, n\u00e4mlich an eben jener Stelle, wo das Blut in das abgeschlossene Extremit\u00e4tenst\u00fcck einfliefst, also da wo die Extremit\u00e4t von der Gummimanchette umfafst ist Es ist besonders bemerkenswert!!, dafs die Beobachtung zun\u00e4chst ein ganzes ausgedehntes Gef\u00e4fsgebiet (Arterien verschiedenen Calibers und Capillaren) betrifft und trotzdem einen Schlufs auf die hydraulischen Verh\u00e4ltnisse an einer bestimmten Stelle der Gef\u00e4fsbahn gestattet. Es beruht dies, wie man sieht, lediglich auf dem vereinfachenden Umstande, dafs innerhalb des abgeschlossenen St\u00fcckes die Welle erlischt und somit in den abf\u00fchrenden Gef\u00e4fsen gar keine Wellenbewegung mehr stattfmdet W\u00e4re dies nicht der Fall, so w\u00e4re eine einfache Deutung der Volumcurve \u00fcberhaupt unm\u00f6glich.\u201c \u201eAuch so aber ist die Interpretation noch eine indirecte. Keineswegs n\u00e4mlich geben die Volumpulse unmittelbar ein Bild von dem zeitlichen Verlaufe der arteriellen Stromst\u00e4rken. Vielmehr zeigt ja ein Ansteigen des Volums eine grofse, das Absinken eine geringe, das Constant-bleiben die mittlere (der ven\u00f6sen gleiche) Stromst\u00e4rke in der","page":354},{"file":"p0355.txt","language":"de","ocr_de":"Verwendbarkeit der plethysmographischen Curve f\u00fcr psychol. Fragen. 355\nArterie an. Der zeitliche Verlauf der Stromst\u00e4rke wird also zur Darstellung kommen, wenn man aus der Volumpulscurve eine andere derart bildet, dafs man ihr f\u00fcr jeden Zeitpunkt eine Ordinatenh\u00f6he ertheilt, welche proportional ist der Steilheit, mit welcher in dem entsprechenden Zeitpunkt die Volumpulscurve ansteigt oder absinkt.w \u201eDabei ist zu ber\u00fccksichtigen, dafs f\u00fcr die mittlere oder ven\u00f6se Stromst\u00e4rke eine Ordinatenh\u00f6he willk\u00fcrlich gew\u00e4hlt werden mufs; steigt das Volumen in einem gewissen Zeitpunkte an, so ist die Ordinate der Stromcurve f\u00fcr diesen Punkt h\u00f6her als der Mittelwerth, und zwar um so mehr, je steiler das Ansteigen stattfindet. Sinkt das Volum ab, so ist die Ordinate niedriger als der Mittelwerth und zwar um so mehr, je st\u00e4rker das Absinken stattfindet. Es lassen sich also aus den Volumpulsen die jeweiligen (positiven oder negativen) Ueber-sch\u00fcsse der arteriellen Stromst\u00e4rke \u00fcber ihren Mittelwerth ermitteln. Wir wollen nun die von der Herzth\u00e4tigkeit abh\u00e4ngige periodische Schwankung der Stromst\u00e4rke als Strompuls oder Geschwindigkeitspuls und eine sie darstellende Curve als Strompulscurve oder kurz als Stromcurve oder Ge-schwindigkeitscurve bezeichnen\u201c (v. Kries S. 257).\nDie Relation zwischen Volum\u00e4nderungen und Strompulsen l\u00e4fst sich in der Weise formuliren, dafs, wenn man die Volum\u00e4nderungen von einer Reihe von Curven V \u2014 f (t) sich dargestellt denkt, die Stromgeschwindigkeit von Curven U0 dargestellt werden k\u00f6nnen, welche die abgeleitete Function der Volumpulscurven sind, also Un = f (t). Man findet demgem\u00e4fs die Strompulscurven durch Differenzirung der Volumpulscurven. Denn ist F das Volumen, t die Zeit, s die arterielle und v die\nox\ti\t^F\t,\tdV .\nven\u00f6se Stromst\u00e4rke, so ist = s \u2014 v oder s =\t+ v.\nDa\nnun v\neine Constante ist, so wird der periodische Theil des\ndV\narteriellen Blutstromes direct durch dargestellt Um also\ndiese Curven zu erhalten, bildet man durch eine Reihe von Tangenten die Ordinatenwerthe, welche die Strompulscurve charakterisiren, dann l\u00e4fst sich der Strompuls durch Tangentenmessung aus der Volumpulscurve ableiten. Eine absolute Berechnung der Werthe ist nat\u00fcrlich nicht m\u00f6glich, solange es unbekannt ist, wie schnell das Blut in ununterbrochener Str\u00f6mung\ndurch die Venen fliefst; wenn man die von Fick 1886 ab-\n23*","page":355},{"file":"p0356.txt","language":"de","ocr_de":"358\nRobert M\u00fcller.\ngebildeten Strom pulscurven betrachtet, so tritt deren Aehnlich-keit mit den von Lobtet 1 mitgetheilten, direct aufgezeichneten Geschwindigkeitscurven klar hervor, und vor Allem bemerkt man die Geschwindigkeitszunahme bei der dikrotischen Erhebung.\n5. Auf diese Weise gliedert sich die Discussion der Ge-schwindigkeitscurve einem gr\u00f6fseren Complex von Fragen ein, n\u00e4mlich dem nach der Geschwindigkeit der arteriellen Blutbewegung \u00fcberhaupt. Bei der Untersuchung derselben kann es sich einerseits darum handeln, die mittlere Geschwindigkeit des Blutstromes in der Zeiteinheit zu bestimmen, andererseits darum, die bei jedem Herzschlage stattfindende Variation dieser Str\u00f6mungsgeschwindigkeit zu ermitteln.\nUm die bei jedem Herzschlage stattfindenden Variationen der Geschwindigkeit zu bestimmen, wandte Vierokdt1 1858 zuerst das Princip des hydrometrichen Pendels an. Nach diesem Princip hat dann Chauveau (1860) die Methode ausgebildet und mit anderen zusammen am Pferde eine Reihe sehr interessanter Untersuchungen ausgef\u00fchrt.2 Dieselbe Curve nun, welche die von Vierordt angegebene, von Chauveau und seinen Sch\u00fclern weitergebildete Methode beim Thiere unmittelbar gewinnen l\u00e4lst, wird auf dem von Fick angegebenen und von v. Kries\u2019 weiter verfolgten Wege beim Menschen mittelbar erhalten.\nAus den lichtvollen Darlegungen v. Kries ist wohl ersichtlich geworden, welches das Wesen der Volumpulscurve ist und welches Interesse an die Verwerthung derselben gekn\u00fcpft ist; es zeigte sich, dafs das Plethysmogramm als solches nur ein\u00a9 Pulscurve ist und nur in seiner Charakterisirung als Volumpulscurve sich von andersartigen Pulscurven unterscheidet Eine einzelne Volumpulscurve enth\u00e4lt an Herz- und Gef\u00e4fswirkungen dasselbe wie jede andere Pulscurve, auch die Beeinflussung durch die Athmung zeigt sich in derselben Weise wie beim Sphygmo-gramm. Andere Erscheinungen der Volumpulscurven, welche von Seiten der Psychologen bei der Verwendung des Plethysmographen \u00fcberhaupt nicht erkannt worden sind, geh\u00f6ren \u00fcbrigens\n1 Lobtet. Recherches sur la vitesse du cours du sang. Paris 1867. S. 9 ff.\n*\tVierordt. Die Erscheinungen und Gesetze der Stromgeschwindigkeiten des Blutes. Frankfurt a. M. 1858. S. 10ff.\n*\tChavf.au, Bertolus et Leroyenne. Journal de physiol. 3, S. 695. 1860. \u2014 Markt. La m\u00e9thode graphique. Paris 1878. S. 235, 634 ff.","page":356},{"file":"p0357.txt","language":"de","ocr_de":"Verwendbarkeit der plethysmographischen Curve f\u00fcr psychol. Fragen. 357\neinem ganz anderen Thatsachencomplex an und werden weiter unten zu besprechen sein.\nWenn man nun durch Rechnung oder Construction die Strompulscurve aus der Volumpulscurve abgeleitet hat, so k\u00f6nnte diese, indem man sie mit den Druckpulsen derselben Stelle der arteriellen Blutbahn vergleicht, dadurch von besonderem Interesse f\u00fcr die Theorie des Arterienpulses werden, dafs aus der Verschiedenheit des Druckablaufes und der Strompulscurve eine Sonderung der centrifugal und centripetal verlaufenden Wellen m\u00f6glich w\u00e4re (Fick 1886). Zu dieser Ableitung der Strompuls-curven ist aber eine absolute Richtigkeit des Plethysmogramms Voraussetzung, da diese Curve die Aenderung der Ordinaten-werthe der Volumpulscurve selbst darstellt. Dazu ist es aber nothwrendig, dafs nicht nur der zeitliche Verlauf der Volumschwankungen richtig zum Ausdruck kommt, sondern auch, dafs die relative Steilheit des Ansteigens und Abfallens der Curve die thats\u00e4chlichen Erscheinungen an der Arterien wand wiedergiebt. Durch Vergleichung einer gr\u00f6fseren Anzahl Curven kann man aus dem Maafse der Aehnlichkeit derselben schliefsen, dafs die erste Bedingung \u00f6fter und in h\u00f6herem Grade erf\u00fcllt sein kann als die zweite, die vollkommen \u00fcberhaupt nicht zu erf\u00fcllen ist, da dieselbe eine absolut momentane Einstellung des Registrir-apparates und dabei absolute Freiheit von Eigenschwingungen voraussetzen w\u00fcrde. Solange aber \u00fcberhaupt unsere Pulsschreiber w\u00e4gbar sind, ist die Forderung einer Einstellung ohne Zeitfehler absolut \u00fcberhaupt nicht zu erf\u00fcllen, ebensowenig wie die zweite, da wir es immer mit Beschleunigungen materieller Systeme zu thun haben. Es ist also unm\u00f6glich, eine absolut richtige Pulsschreibung zu erhalten, man kann nur die optimalen Verh\u00e4ltnisse derselben ermitteln. Diese Sachlage ist aber keineswegs bei jeglicher Bewegungsregistrirung vorhanden, sondern nur bei solchen Bewegungsvorg\u00e4ngen, die an und f\u00fcr sich nicht darauf eingerichtet sind, \u00e4ufsere Arbeit an anderen materiellen Systemen zu leisten.\nUm nun die Strompulscurve direct, und nicht durch Ableitung aus der Volumpulscurve zu erhalten, hat v. Kkiks eine neue Methode angegeben, welche er als Gas-Tachographie bezeichnet, und hat mittels derselben Curven gewonnen, welche er Tachogramme nennt. Sowohl die rechnerische Ableitung der Strompulscurve aus der Volumpulscurve mittels der Tangenten-","page":357},{"file":"p0358.txt","language":"de","ocr_de":"368\nRobert M\u00dcUer.\nmessungen, wie die Folgerungen, welche Fick und v. Kries aus der Form Verschiedenheit der Strompulscurve und Druckpuls-curve gezogen haben, sind nun theoretisch durchaus einwandfrei und zul\u00e4nglich begr\u00fcndet Trotzdem kann man keineswegs sagen, dafs damit die Existenz der peripheren Reflexion sicher bewiesen w\u00e4re, zun\u00e4chst eben wegen der Unzuverl\u00e4ssigkeit der Volumpulscurve. Hoorweg1 hat dargelegt, wie die Ableitung der wesentlichsten Eigenschaft der Strompulscurve von einer geringen Formeigenth\u00fcralichkeit der Volumpulscurve herr\u00fchrt, von der er behauptet, dafs gerade diese fehlerhaft sei (vgL Hoorweg, Fig. 3, S. 443, 444). Ebenso lassen sich gegen die tachographische Methode v. Kries\u2019 schwerwiegende Bedenken geltend machen. Das erste besteht darin, dafs v. Kries nicht gen\u00fcgend widerlegt hat, dafs die Gasflamme wirklich als Manometer functionire, und so nicht bindend bewiesen hat, dafs dieselbe als Geschwindigkeitsmesser wirke. Thats\u00e4chlich sind bei der v. KRiEs\u2019schen Anordnung die Verh\u00e4ltnisse der Druckaus-gleichung analoge, wie bei derjenigen Aenderung des Plethysmographen, die Mosso als Hydrosphygmographen bezeichnet hat, oder aber bei einem lecken, undichten Sphygmographen, bei dem die eingeschlossene Luft entweichen kann, so dafs nur sehr rasche Druckschwankungen sich aufzeichnen, w\u00e4hrend langsamere durch Ausgleichung des Druckes nach aufsen nicht in der Curve aufgezeichnet werden k\u00f6nnen. Ebenso sind, wie Hoorweg darlegt, die Druck\u00e4nderungen im Tachographen\u00e4rmel andere und viel verwickeltere als v. Kries anniramt, so dafs nur eine ganz entfernte Relation zwischen der Bewegung der Flamme und der Strompulsbewegung des Blutes in der Arterie bestehen k\u00f6nne. Ferner ist es sehr wohl denkbar, dafs die Str\u00f6mungsgeschwindigkeit sich \u00e4ndert und abnehmen kann, ohne dafs die Druck\u00e4nderung gleichzeitig und streng in demselben Sinne erfolgen mufste. Dagegen sind Druck- und Volumschwankung an derselben Arterien stelle wegen der Incompressibilit\u00e4t des Blutes untrennbar mit einander verbunden, und da die Volum Vermehrung herr\u00fchrt aus dem Ueberschufs der einstr\u00f6menden Blutmenge \u00fcber die Anstr\u00f6mende, so wird der Druck diesem Ueberschufe entsprechend sich ver\u00e4ndern, aber nicht der Geschwindigkeit der\n1 Hoorweg. Ueber die Blutbewegung in den menschlichen Arterien. Pfl\u00fcger\u20198 Arch. 47, S. 439-457.","page":358},{"file":"p0359.txt","language":"de","ocr_de":"Verwendbarkeit der plethysmographischen Curve f\u00fcr psychol. Fragen. 359\neinstr\u00f6menden Blutmenge, also der Strompulscurve, folgen m\u00fcssen. Da dieser Ueberschufs noch wachsen kann, wenn die Anfangsgeschwindigkeit des Blutstromes bereits nachgelassen hat, so ist eine Incongruenz der Form der Strompulscurve und Druckpuls-curve auch ohne die Annahme einer Wellenreflexion durchaus begreiflich, zumal da der Satz v. Kries\u2019, dafs in gen\u00fcgend weiten elastischen Schl\u00e4uchen der Druck an jedem Punkte des Schlauches der daselbst stattfindenden Geschwindigkeit proportional sei, an Bedingungen gekn\u00fcpft ist, welche in der arteriellen Blutbewegung sicher nicht realisirt sind.* 1 *\nEs w\u00fcrde aber zu weit gehen, wenn man auf Grund dieser Einw\u00e4nde die M\u00f6glichkeit einer Wellenreflexion in den Arterien durchaus verneinen wollte, zumal sie nach den auf andere Art vorgehenden Versuchen von v. Frey und Krehl 2 wahrscheinlich gemacht ist.3 * * * * 8 Man kann nur sagen, dafs die Ableitung der Strompulscurve aus der Volumpulscurve einerseits und die tacho* graphische Methode v. Kries\u2019 nicht so einwandfrei sind, dafs sie einen bindenden Beweis f\u00fcr die Existenz dieser Reflexionswellen erbr\u00e4chten.\n6. Nicht klar \u00fcber das Wesen des Plethysmogramms scheint A. Lehmann gewesen zu sein, denn er schreibt: \u201eEs ist der Plethysmograph ein ganz besonders zweckm\u00e4fsiger Apparat, weil er in einer einzigen Curve die Resultante aller derjenigen Kr\u00e4fte (Umfang der Herzbewegung, Zustand der Gef\u00e4fse und ven\u00f6ser Blutabflufs) giebt, welche auf den Kreislauf Einflufs haben. Andererseits ist es dann freilich schwer zu entscheiden, inwiefern eine vorliegende Ver\u00e4nderung in einem Plethysmogramm von dem einen oder dem anderen oder mehreren dieser Factoren im Verein herr\u00fchrt. Diese Schwierigkeit l\u00e4fst sich jedoch zum Theil\nv\n1 Die von v. Kbies aufgestellte Relation v = gilt n\u00e4mlich nur\nf\u00fcr eine Wellenbewegung einer reibungslosen Fl\u00fcssigkeit in einem elastischen Schlauch von unendlicher L\u00e4nge. Die Reibung des Blutes hat aber zur Folge, dafs der maximale Druck gegen\u00fcber der maximalen Geschwindigkeit eine Verz\u00f6gerung erleidet, die ausgedr\u00fcckt wird durch die Formel\ntang qS =\na\nzu Versuchen mit elastischen Schl\u00e4uchen bestimmte Hoorweg den Werth\ndieser Versp\u00e4tung zu 0,12\" (vgl. Hoorweg. Pfl\u00fcgcr\u2019s Arch. 52, S. 481 ff. 1892).\n* v. Fbey u. Krehl. Arch. f. Anat. u. Physiolphysiolog. Abth., 1890.\n8 Vgl. aber Hoobweg. Pfl\u00fcg er fa Arch. 47, S. 447; 52, S. 487.","page":359},{"file":"p0360.txt","language":"de","ocr_de":"360\nRobert M\u00fcller.\nmittels gleichzeitig aufgenommener Sphygmogramme \u00fcberwinden, aus welchen man \u2014 in gewissen F\u00e4llen wenigstens \u2014 durch Zusammenstellung mit den Plethysmogrammen Schl\u00fcsse \u00fcber die Verh\u00e4ltnisse des Herzens und der Gef\u00e4fse ziehen kann. Da es indes mehr in meiner Aufgabe lag, dar\u00fcber zur Entscheidung zu gelangen, ob unter den physiologischen Aeufserungen der einzelnen Gem\u00fcthszust\u00e4nde bestimmte, leicht erkennbare Verschiedenheiten stattfinden, als ins Reine zu bringen, welchen An-theil an diesen Aeufserungen die einzelnen Organe haben, so benutzte ich vorz\u00fcglich den Plethysmographen und nahm nur gelegentlich den Sphygmographen zur H\u00fclfe, um mir einen \u2014 wenngleich ziemlich zweifelhaften \u2014 St\u00fctzpunkt f\u00fcr die Deutung der Curven zu schaffen\u201c (a. a. O. S. 5).\nLehmann sucht also unter Umgehung der physiologischen Analyse der in seine Untersuchungen eingehenden Erscheinungen durch eine Art statistischer Methode die Beziehungen bestimmter Erscheinungen am Circulationsapparat und gleichzeitig ablaufender psychischer Vorg\u00e4nge zu ermitteln. Abgesehen von dem Mifslichen, welches im Verzicht auf eine Untersuchung der physiologischen Vorg\u00e4nge im vorliegenden Falle enthalten ist, und dessen schwerwiegende Folgen wir weiter kennen lernen werden, ist, wie dies im Einzelnen leicht nachzuweisen w\u00e4re, eine derartige statistische Correlationsmethode in diesen Gebieten \u00fcberhaupt unzul\u00e4ssig.\nEs wird darauf verzichtet, hier weiter auf die verwickelten Verh\u00e4ltnisse der Wellenreflexion und der M\u00f6glichkeiten der Beeinflussung der dikrotischen Welle einzugehen, ebenso wenig sollen die weiteren Elevationen der Pulscurve besprochen werden, es sei nur darauf hingewiesen, dafs die Volumpulscurve im katakroten Theile durchaus analoge Erscheinungen zeigt, wie die Druckpulscurve. Da nun das Plethysmogramm des Vorderarmes sich auf einen Theil des Gef\u00e4fssystems bezieht, in dem die prim\u00e4re Welle erlischt und in dem periphere Reflexion wahrscheinlich stattfindet, so ist es keineswegs undenkbar, dafs die Formunterschiede der Druckpulscurve und Volumpulscurve auch direct, unter Umgehung der Strompulscurve, zur Discussion jener Fragen benutzt werden k\u00f6nnten. Da es aber der Zweck dieser Arbeit ist, zu untersuchen, welches ganz im Allgemeinen das Wesen und die Eigenschaften des Plethysmogramraes seien und welchen Standpunkt man kritisch den Angaben, welche sich auf","page":360},{"file":"p0361.txt","language":"de","ocr_de":"Verwendbarkeit der plethysmographischen Curve f\u00fcr psychol Fragen. 361\nden Zusammenhang plethysmographisch registrirter Erscheinungen am Circulationsapparat mit psychischen Vorg\u00e4ngen beziehen, gegen\u00fcber einzunehmen habe, so m\u00f6gen alle auf die physiologischen Einzelheiten der Pulslehre bez\u00fcglichen Ermittelungen hier \u00fcbergangen werden. Die vorhergehenden Er\u00f6rterungen zeigen wohl zur Gen\u00fcge, wie eigenartig der Charakter des Plethysmogrammes, wie einfach zwar seine Gewinnung ist, wie verwickelt aber die Fehlerm\u00f6glichkeiten sind und wie schwierig seine Interpretation, welche sich vielfach mit den am meisten strittigen Punkten der Pulslehre ber\u00fchrt, erscheint.\nDenn wenn wir die Einfl\u00fcsse, welche die Gef\u00fchlsbetonung von Sinnesreizen, oder welche sogenannte psychische Reize \u00fcberhaupt auf die Form und H\u00e4ufigkeit des Pulses haben, ermitteln wollen, so ist es noth wendig, alle anderen Verh\u00e4ltnisse, welche diese Form und H\u00e4ufigkeit beeinflufsen, zun\u00e4chst zu ber\u00fccksichtigen. Logischerweise darf man doch nur so vergehen, dafs zun\u00e4chst die Pulseurve als Resultante der sie beeinflufsenden stets wirkenden Bedingungen zergliedert und erkl\u00e4rt wird ; aus dem Einfl\u00fcsse dieser Bedingungen ergeben sich die Gesetzm\u00e4fsig-keiten in den Aenderungen der Normalcurve. Wenn deren Erkl\u00e4rung f\u00fcr uns l\u00f6sbar war, und wir finden dann noch Erscheinungen in der Pulseurve, welche auf die allgemeinen, stets wirkenden physiologischen Factoren nicht zu beziehen sind, dann erst d\u00fcrfen wir sagen : es liegen Erscheinungen vor, welche speciell mit den Bedingungen unserer Versuche zusammenhingen. Eine einigermaafsen richtige Deutung der unter speciellen Versuchsbedingungen gewonnenen Pulscurven ist also \u00fcberaus schwierig, und er fragt sich, wenn wir von dem Problem der Richtigkeit, Zuverl\u00e4ssigkeit und der Grenzen der speciellen Fragestellung nach Ausdruckserscheinungen ganz absehen, wie weit es zur Zeit m\u00f6glich ist, eine geschlossene Darstellung der Beziehungen zwischen gewissen psychischen und circulatorischen Vorg\u00e4ngen zu geben. Sicher ist wenig Grund vorhanden, den bekannten Schemata, etwa dem von Lange1 oder den S\u00e4tzen, welche Lehmann2 aufstellt, die Anerkennung einer irgend wie sicher erwiesenen Berechtigung zuzugestehen.\n1 Lange. Ueber Gemtithsbe wegungen. Uebersetzt von Kurella. S. 40,\n* Lehmann. Die Hauptgesetze des menschlichen Gef\u00fchlslebens. 1892. 8. 86 : \u201eEinfache unlusterregende Sinneseindr\u00fccke rufen, wenn sie schwach sind, sogleich eine Verminderung des Armvolumens und der H\u00f6he der","page":361},{"file":"p0362.txt","language":"de","ocr_de":"362\nRobert M\u00fcller.\nIL Die periodischen Schwankungen der Volum-\npulscur ve.\n1. Die wellenf\u00f6rmigen Schwankungen der Volumpulscurve erfordern deshalb eine eingehendere Betrachtung, weil dieselben des \u00f6fteren mehr oder minder unmittelbar zu psychischen Vorg\u00e4ngen in Beziehung gesetzt werden. Da aber die Statuirung dieser Beziehungen physiologisch nicht gen\u00fcgend begr\u00fcndet, ja selbst gerechtfertigt erscheint, so ist es veranlagst, diese Schwankungen genauer zu besprechen, indem zun\u00e4chst die Frage vorliegt, welche Wellenerscheinungen \u00fcberhaupt in einer Puls-curvenreihe oder in einer Blutdruckcurve bekannt sind. Dann fragt es sich, ob die Wellen, welche in der Volumpulscurve auf-treten, mit den bekannten Wellenerscheinungen identificirt werden k\u00f6nnen, oder bis zu welchem Grade sie denselben entsprechen. Wenn sich eine Identificirung oder der Nachweis der Analogie durchf\u00fchren liefse, so w\u00e4re damit zugleich bis zu einem gewissen Grade ein Einblick in die Genese jener wellenf\u00f6rmigen Schwankungen der Volumpulscurve gewonnen und diese Einsicht b\u00f6te zugleich eine Handhabe zur Kritik jener Anschauungen, welche diese Schwankungen zu psychischen Vorg\u00e4ngen bestimmter Art in Beziehung setzen.\nWenn man die Aufzeichnung der Pulscurve oder Blutdrucks-curve am Menschen oder am Thiere mit geeigneten Instrumenten vornimmt, dann ist die Fufslinie der einzelnen Pulse im Allgemeinen keine horizontale, sondern sie kann wellenf\u00f6rmige Schwankungen verschiedener Art auf weisen. Wenn man z. R die bei Thieren mittels des Quecksilbermanometers aufgezeichnete arterielle Blutdruckcurve betrachtet, so lassen sich darin im Allgemeinen drei Wellenformen unterscheiden.1 Als Schwankungen erster Ordnung lassen sich die Pulswellen bezeichnen ; diese sind\neinzelnen Pulsschl\u00e4ge hervor. Das Volumen nimmt bald wieder zu, trotz der Verkleinerung der Pulsschl\u00e4ge und \u00fcberschreitet gew\u00f6hnlich die Norm, wenn die Pulsschl\u00e4ge ihre vorige Gr\u00f6fse erreicht haben, die \u00fcbrigens im Allgemeinen ebenfalls \u00fcberschritten wird.\u201c S. 89: \u201eEinfache lustbetonte Sinnesempfindungen werden von einer Gef\u00e4fserweiterung begleitet und vielleicht auch zugleich von einer Vergr\u00f6fserung des Umfanges der Herz-contractionen in Verbindung mit einer Erh\u00f6hung der Innervation der willk\u00fcrlichen Muskeln, jedenfalls der Athmungsmuskeln.\u201c Oder gar S. 91, Posit 115.\n1 L\u00e9on Fr\u00e9d\u00e9ric^. Arch. f. Anai. u. Physiologic, physiolog. Abth., 1887, S. 311. Verhandlungen der Berliner physiolog. Gesellsch. am 25. III. 1887.","page":362},{"file":"p0363.txt","language":"de","ocr_de":"Verwendbarkeit der plethysmographischen Curve f\u00fcr psychol. Fragen. 363\ndie kleinsten, h\u00e4ufigsten und regelm\u00e4fsigsten Wellen. Als Schwankungen zweiter Ordnung oder Athemschwankungen sind solche Wellen zu bezeichnen, welche synchron mit den Bewegungen der Athemmuskeln auftreten, und auf deren gr\u00f6fsere Berge und Th\u00e4ler die Pulsschwankungen als kleinere Berge und Th\u00e4ler aufgesetzt sind. Die Genese dieser Wellen ist eine recht verwickelte ; einerseits m\u00fcssen zu ihrer Erkl\u00e4rung die Aenderungen der mechanischen Verh\u00e4ltnisse des Gef\u00e4fsapparates bei der Athmung, vor Allem der Einflufs des intrathorakalen Druckes auf die Blutstr\u00f6mung und den Blutdruck ber\u00fccksichtigt werden. Scharf davon zu sondern sind die nerv\u00f6sen Bedingungen, die in periodischen Th\u00e4tigkeits\u00e4ufserungen der mit dem Respirations-centrum verbundenen Vasomotorencentren bestehen. Diese Wellen lassen sich am curarisirten Thiere besonders beim Aussetzen der k\u00fcnstlichen Ventilation hervorrufen und werden als \u00bbWellen im ruhenden Gef\u00e4fssystem \u00ab oder Traube-HERiNo\u2019sche Wellen bezeichnet.\nDann k\u00f6nnen periodische Schwankungen dritter Ordnung vorhanden sein, welche in viel l\u00e4ngeren Perioden verlaufen und deren jede mehrere Athemschwankungen im Allgemeinen zu umfassen pflegt. Diese Schwankungen wurden zuerst von S. Mayer j untersucht, der sie als spontane Blutdruckschwankungen bezeichnete. Diese Wellen sind weder immer vorhanden, noch in ihrem Verlaufe durchaus regelm\u00e4fsig. Indem S. Mayer versucht, die Beziehungen dieser Wellen zu den Traube -Hering-schen Wellen zu ermitteln, hat er ihre Scheidung von letzteren nicht in dem Maafse betont, dafs die grundlegende Verschiedenheit beider stets gen\u00fcgend hervorgetreten w\u00e4re. Dadurch ist es veranlafst, dafs dieselben vielfach mit den Traube - Hering-schen Wellen confundirt wurden. Beide haben den Ort ihres Entstehens, die vasomotorischen Centren, gemeinsam, aber nicht in dem Sinne, dafs beide an die identischen Centren gebunden w\u00e4ren; es ist vielmehr wahrscheinlich, dafs die Traube - Hering-schen Wellen in einem niedereren mit dem Respirationscentrum inniger verkn\u00fcpften Centrum entstehen, w\u00e4hrend bei den Mayer-schen Wellen ein h\u00f6her gelegenes Centrum in Action tritt, dessen Rhythmus nicht in so unmittelbarer Weise von dem Respirations-\n1 Sigmund Maybr. Sitzungsberichte d. Akud. d. Wissenschaften, 1 Vien, 74, VIL Abth., S. 281-306. 1876.","page":363},{"file":"p0364.txt","language":"de","ocr_de":"364\nRobert M\u00fcller.\ncentrum abh\u00e4ngig ist. Die Periodik dieser Wellen ist eine ganz andere, langsamere, so dafs sie mehrere Tkaube-HERixG'sche Wellen umfassen und nicht mit einer solchen zu identificiren sind. Diese Wellen sollen als S. MAYEa\u2019sche Wellen bezeichnet werden.\nNim wurde im ersten Abschnitt gezeigt, dafs nach den physikalischen Verh\u00e4ltnissen der Blutbewegung, da wo Druck\u00e4nderungen im Gef\u00e4fssystem stattfinden, in genau bestimmbarer, ann\u00e4hernd gleicher Weise Volum\u00e4nderungen stattfinden, und dafs beide so innig miteinander verkn\u00fcpft sind, dafs ihre Scheidung l\u00e4ngere Zeit gar nicht in ihrer vollst\u00e4ndigen Durchf\u00fchrung zum Ausdruck gekommen war, da jeder Ver\u00e4nderung der Druck-curven im Allgemeinen dieselben Aenderungen in den Volum-curven entsprechen. Defshalb ist es statthaft, Druckcurven, wie sie etwa mittelst des Quecksilbermanometers aufgezeichnet wurden, mit den Volumpulscurven, die mittels des Plethysmographen gewonnen wurden, zu vergleichen. In den Volumpuls-curvenreihen lassen sich nun ebenso wie in den Blutdruckcurven Wellen dreier Ordnungen unterscheiden, n\u00e4mlich erstlich Pulswellen, die als Volumpulse den Druckpulsen gegen\u00fcberzustellen sind, zweitens Wellen zweiter Ordnung, also Wellen vom Rhythmus der Respirationsbew^egungen. Die Traube - Hering-schen Wellen sind im Centralnervensystem bedingte Blutdruckwellen im peripherischen Gef\u00e4fsapparat. Es wird nachzuweisen sein, dafs die Wellen zweiter Ordnung im Plethysmogramm den Traube-HERiNo\u2019schen Wellen entsprechen, dafs es m\u00f6glicherweise auch Traube - HERiNo\u2019sche Wellen sind. Dann treten Wellen dritter Ordnung auf, periodische Schwankungen im Volumen der Gef\u00e4fse, von denen zu untersuchen ist, welches ihre Beziehungen zu den Blutdruckwellen S. Mayers seien. Man findet also bei der Aufzeichnung der Volumschwankungen im peripheren Gef\u00e4fsapparat die drei Wellenordnungen wieder, die sich bei der Druckaufzeichnung ergeben haben.\nCohnheim und Roy 1 haben bei der Niere und Roy 2 bei der Milz mittels plethysmographischen Methoden nachgewiesen, dafs diese Organe Schwankungen der Blutf\u00fclle aufweisen, welche den\n1 Cohn heim und Roy. Yircho ic 's Archiv 92, S. 436. \u2014 Roy. Journal of Physiol. 3, S. 219. 1882.\n* Roy. Ebenda S. 217\u2014221.","page":364},{"file":"p0365.txt","language":"de","ocr_de":"Vtncendbarkeit der plethysmographischen Curve f\u00fcr psychol. Fragen. 365\nWellen zweiter und dritter Ordnung der Blutdruckcurve vollst\u00e4ndig entsprechen. Allerdings fanden sich bei der Milz, in geringerem Grade auch hei der Niere, Volumschwankungen, welche von denjenigen des Blutdruckes ganz unabh\u00e4ngig verlaufen. Diese letzteren Beobachtungen d\u00fcrften aber kaum einen Anlafs geben, die durchg\u00e4ngige Parallelisirung der Druck- und Volumschwankungen zu durchbrechen, sie m\u00f6gen vielmehr wohl aus den besonderen capillaren Kreislaufverh\u00e4ltnissen und den abweichenden Verh\u00e4ltnissen des capillaren Blutdrucks in diesen Organen zu erkl\u00e4ren sein. Auf Grund der physikalischen Verh\u00e4ltnisse des Circulationsapparates haben wir wohl kein Recht, anzunehmen, dafs die Volum\u00e4nderungen und die Druck\u00e4nderungen im peripheren Gef\u00e4fsapparat in dem Maafse von einander unabh\u00e4ngig verliefen, dafs ein die Wellen der Volumcurve als ganz neue, unbeschriebene Erscheinungen auffassen d\u00fcrften, vielmehr ist anzunehmen, dafs diese Wellen der Volumcurven mit den Wellen der Druckcurven im Allgemeinen identisch sind.\nAlle Ermittelungen, die sich auf den Verlauf von Volumcurven auf gr\u00f6fsere Strecken beziehen, verlangen demgem\u00e4fs eine eingehende Kenntnifs dieser Wellen. Es kann im Einzelfalle auch f\u00fcr denjenigen, der diese Dinge kennt, nicht ganz leicht werden, die vorliegenden Erscheinungen in einer Volum-pulscurve richtig zu interpretiren, vor Allem, wenn der periodische Charakter der l\u00e4ngeren Wellen nicht scharf hervortritt; f\u00fcr einen aber, der in das Zustandekommen der Wellen zweiter und dritter Ordnung keinen gen\u00fcgenden Einblick hat, ist es ganz aufser-ordentlich nahe liegend, Schwankungen in der Volumcurve als die Wirkung besonderer Vorg\u00e4nge, darunter eventuell auch psychischer \u2014 aufzufassen, die thats\u00e4chlich Th eile von Wellen gr\u00f6fserer Periodendauer sind, die auf ganz andere Ursachen zur\u00fcckgehen.\nDieser Gesichtspunkt wird es vor Allem sein, der bei der Besprechung der Versuche Lehmann1 zu ber\u00fccksichtigen ist Diesem waren weder die Entstehungsbedingungen der Wellen zweiter noch die derjenigen dritter Ordnung bekannt. Von letzteren nimmt er durchg\u00e4ngig an, sie seien \u201epsychisch bedingt\u201c.\n2. Im Jahre 1847 ver\u00f6ffentlichte C. Ludwig eine Arbeit unter\n1 A. a. 0.","page":365},{"file":"p0366.txt","language":"de","ocr_de":"366\nRobert M\u00fcller.\ndem Titel \u201eBeitr\u00e4ge zur Kenntnifs des Einflusses der Respirationsbewegungen auf den Blutlauf im Aortensystem14 \\ welche mit neuen Il\u00fclfsmitteln die Frage des Einflusses der Athembewegungen auf die Blutbewegung in Angriff nimmt. Die Untersuchungen, welche Ludwig dann in Gemeinschaft mit Gerau anstellte, f\u00fchrten beim Pferde sowohl wie beim Hunde zum Resultat, dafs der respiratorische Luftdruck im Verh\u00e4ltnis zum Gesammt-betrag des Blutdrucks h\u00f6chst unbedeutende Schwankungen des Blutdrucks in der Mehrzahl der F\u00e4lle bedingt. Gerau zog daraus den Schlufs, dafs die Blutdruckerh\u00f6hung im Gef\u00e4fssysteme w\u00e4hrend der Exspiration nicht allein vom Luftdruck abh\u00e4ngen k\u00f6nne, und suchte die weiteren Zusammenh\u00e4nge zu ermitteln. Mit diesen Arbeiten setzt die lange Reihe von Untersuchungen ein, welche im Wesentlichen mit den von Ludwig geschaffenen H\u00fclfsmitteln den Zusammenhang zwischen Circulation und Respiration zu ermitteln suchen.\nGleichzeitig mit der Blutdruckcurve zeichnete Ludwig die pulmonalen Druckschwankungen auf und es ergab sich, dafs mit der Exspiration der Druck in den Lungen steigt, so dafs eine Compression der Aorta und eine Beschleunigung des Abflusses des Blutes in den kleinen Arterien stattfindet. In entgegengesetztem Sinne wTie die Exspiration beeinflufst die Inspiration den Blutdruck. Auch die Beeinflussung der Geschwindigkeit und der Intensit\u00e4t der Herzschl\u00e4ge durch die Exspiration wurde von Ludwig bemerkt. Die gewonnenen Resultate waren schliefs-lich so verwickelt, dafs sich Ludwig einfach mit der Feststellung derselben begn\u00fcgte und auf alle Hypothesen zur Interpretation derselben verzichtete. 13 Jahre sp\u00e4ter bearbeitete Einbrodt - das gleiche Thema; er untersuchte durch abnorme Verst\u00e4rkung vor Allem den Einflufs des positiven und negativen Respirationsdruckes. Er fand, dafs der positive Respirationsdruck bis zu 125 mm Hg den Zuflufs des Blutes zum Herzen erschwert, den Nutzeffect der Herzarbeit vermindert und den Druck des Blutes im Aortensystem herabsetzt. Zuerst allerdings w\u00e4chst der Blutdruck mit dem Respirationsdruck, eine secund\u00e4re Wirkung ist dann das Entstehen von Himdruckerscheinungen durch ven\u00f6se\n1\tArchiv f\u00fcr Anatomie und Physiologie 1847. S. 242.\n2\tEinbrodt. Ueber den Einflufs der Athembewegungen auf Herzschlag und Blutdruck. Sitzungsberichte der Wiener Akademie der Wissenschaften 40, S. Mo. 1860.","page":366},{"file":"p0367.txt","language":"de","ocr_de":"Verwendbarkeit der plethysmographischen Curve f\u00fcr psychol. Fragen. 367\nStauung, welche mit dem Absinken des arteriellen Druckes verbunden ist Dann wird durch die Steigerung des Respirations-druckes der Vagus gereizt und so ist reflectorisch eine Verlang-samung des Herzschlages m\u00f6glich, ohne dafs ein directer Reiz auf das Herz wirkt. Als Angriffspunkt der Reizung k\u00e4men einerseits die terminalen Vagusfasern in der Lunge, andererseits die centrale Ursprungstelle des Vagus in Betracht. Einbrodt entscheidet sich f\u00fcr die zweite M\u00f6glichkeit und nimmt den vermehrten Druck der Hirnvenen als Grund der Vagusreizung an. Wenn der positive intrathorakale Druck aufgehoben wird, dann steigt der arterielle Blutdruck in der weitaus gr\u00f6fsten Mehrzahl der F\u00e4lle rasch und bedeutend an, denn das im Herz aus den Venen ankommende gestaute Blut wird sogleich f\u00fcr den arteriellen Blutstrom nutzbar gemacht und so eine rasche Ausgleichung erzielt, nach welcher dann der arterielle Blutdruck rasch wieder \u00e4bsinkt. Ludwig und Einbrodt betrachteten \u201ediese Untersuchung nur als eine Vorarbeit, die in Folge der erlangten sicheren Einsicht in die Grundelemente der Frage ein weiteres Vordringen wesentlich unterst\u00fctzen wird\u201c. Einzelne dieser Gesichtspunkte waren schon lange vorher von James Carson1 (1815) geltend gemacht worden, der darlegte, wie die bei der Ein-athmung gebl\u00e4hten Lungen sich durch ihre Elasticit\u00e4t zusaramen-zuziehen suchen und hierdurch einen Theil des Druckes der Atmosph\u00e4re auf das Herz auf heben. Hierduich wird die Diastole bef\u00f6rdert, der Einflufs des Venenblutes ins Herz beg\u00fcnstigt, die Systole dagegen erschwert\nDiesen Einflufs der Lungenelasticit\u00e4t auf die Verminderung des intrathorakalen Druckes hatte auch Donders 2 (1853) betont Er gab an, dafs die Erh\u00f6hung des pulmonalen Druckes bei der Exspiration auf das Herz im Sinne einer Erschwerung der Diastole wirken m\u00fcsse und so zur Ursache ven\u00f6ser Hyper\u00e4mie und arterieller An\u00e4mie werden k\u00f6nne; sinkt dagegen bei der Inspiration der Druck in den Lungen, so tritt auch eine Er-\n1 James Cabbon. An inquiry into the causes of the motion of the blood. Liverpool. Citirt in Buzdach\u2019s Physiol., Bd. IV, S. 446. 1815. \u2014 On the elasticity of the lungs. Philos. Transactions 110. 1820.\n8 Donderb. Beitr\u00e4ge zum Mechanismus der Respiration und Circulation im gesunden und kranken Organismus. Zcitschr. f. rat. Medicin, Neue Folge 3. 1853. Bijdraege tot het Mechanisme van Ademhaling en Bloed-samloop. Neederlandsch Lancet 5, 2. Serie, S. 359. 1859.","page":367},{"file":"p0368.txt","language":"de","ocr_de":"368\nRobert M\u00fctter.\nniedrigung des Druckes auf die Oberfl\u00e4che des Herzens ein. Dadurch wird die Erweiterung des Herzens bei der Diastole gef\u00f6rdert und die Blutmenge, die in die Arterien str\u00f6mt, stark vermehrt, wenn nicht die Abnahme des Druckes so bedeutend wird, dafs die Systole und damit die Austreibung des Blutes in alle K\u00f6rperarterien dadurch gehemmt wird. Donders \u00fcbersch\u00e4tzt aber hier den Einflufs der intrathorakalen Druckschwankungen bedeutend. Dafs der Herzmuskel schon in seiner Eigenschaft, sich stets maximal zu contrahiren, man m\u00f6chte fast sagen eine Art Schutzvorrichtung gegen derartig intensive \u00e4ufeere Einwirkungen hat, war zu jener Zeit noch nicht bekannt. Bei den Aenderungen der Circulation durch die Athmung wirken wenigstens schon drei Factoren zusammen : die Schnelligkeit und die Kraft der Herzcontractionen, die Blutmenge, welche durch die Venen dem Herzen zugef\u00fchrt wird, und der Druck unter dem die Herzarterien in der Brusth\u00f6he stehen (ein-schliefslich der reciproken Verh\u00e4ltnisse der Meiocardie und Auxo-cardie). So kommt es, dafs der arterielle Blutdruck thats\u00e4chlich viel betr\u00e4chtlichere Unterschiede darbietet, als der Druck der Ein- und Ausathmung, von dem er abh\u00e4ngt Die Bedeutung der ven\u00f6sen inthrathorakalen Druckverh\u00e4ltnisse wurden eingehend von Eduard Weber * er\u00f6rtert, nachdem bereits etwa 100 Jahre vorher Lam\u00fcre8 und sp\u00e4ter Albrecht von Haller4 dar\u00fcber eingehende und richtige Angaben gemacht hatten.\n1\tEduard Weber. Ueber ein Verfahren, den Kreislauf des Blutes und die Function des Herzens willk\u00fcrlich zu unterbrechen. Archiv f. Anat. u. Physiol 1851, S. 88.\n2\tLamure. Recherches sur la pulsation des art\u00e8res sur le meuvement du cerveau dans les tr\u00e9pan\u00e9s et sur la couenne du sang. Montpellier 1749.\nHaller recapitulirt in seinen Elementis physiologiae Bd. II, S. 335 La-mure's Ergebnifs mit folgenden Worten : \u201eIn exspi ration\u00a9 semper imprimis thorax contrahitur, comprimuntur pulmones \u201eauriculae\u201c venae cavae, fit re-fiuxus sanguinis in venas cerebri, eae ergo in exspiratione tangent.\u201c\n* Haller. Elementa physiologiae corporis humani. Lausannae. Vol. II. S. 236; III, S. 246. 1760-61.\nEine eingehende Darstellung der weiteren Entwickelung dieses Fragen-complexes auf Grund der zahlreichen bis 1880 dar\u00fcber erschienenen Arbeiten hat Rollett in Hermann's Handbuch der Physiologie Bd. IV, Theil 2, Cap. IV u. V gegeben. Ebenso findet sich eine Zusammenstellung der hierhergeh\u00f6rigen Literatur bei G. Hein rictus und H. Kroneckkr, Beitr\u00e4ge zur Kennt-nifs des Einflusses der Respirationsbewegungen auf den Blutlauf im Aortensysteme. Nr. IX des XIV. Bandes der Abhandlungen der matheniat.-physikal Classe der Kgl s\u00e4chs. Gesellsch. d. Wissenschaften 1888.","page":368},{"file":"p0369.txt","language":"de","ocr_de":"Verwendbarkeit der plethysmographischen Curve f\u00fcr psychol. Fragen. 369!\n3. Die Versuche ergeben aber schliefslich, dafs die respiratorischen Blutdruckschwankungen nicht allein erkl\u00e4rbar sind aus den mechanischen Verh\u00e4ltnissen in Thorax und Bauchh\u00f6hle bei der Athmung. Namentlich ist der Einflufs der Aenderungen im Lungenkreislauf auf die Druckschwankungen im Aortensystem \u00abin sehr geringer oder verschwindender; Verschlufs oder Oeffnung eines Hauptastes der Pulmonalis beeinflussen den \u00fcbrigen Cir-culationsapparat nur in sehr geringem Maafse (Lichtheim). Die Lunge verh\u00e4lt sich also in diesem Falle ganz wie die anderen Organe, etwa wie die Niere, wo die Verh\u00e4ltnisse ja, wegen der Frage der Herzhypertrophie bei chronischen Nephritiden, allgemein bekannt sind. Uebrigens kommt auch die Dehnbarkeit des Herzens in Betracht, die unter nerv\u00f6sen Einfl\u00fcssen stehen kann, wie die Versuche von Baxt1 mit Acceleransreizung zeigten. Weitere nerv\u00f6se Zusammenh\u00e4nge zwischen Circulation und Ath-mung sind von W. P. Lombabd und Pillsbuby2 angegeben worden. Nach diesen h\u00e4ngen die Aenderungen des Rhythmus der Herzcontractionen bei der Athmung nicht ab von den durch die Thoraxbewegungen gesetzten physikalischen Einfl\u00fcssen, sondern sind centralen Ursprunges, abh\u00e4ngig von den Erregungen des Athemcentrums selbst. Sie bestehen beim normalen ruhig athmenden Menschen in einer Beschleunigung des Herzschlages bei der Inspiration, in einer Verlangsamung desselben bei der Exspiration. Der centrale Ursprung der respiratorischen Schwankung wird bewiesen durch ihre Unabh\u00e4ngigkeit von willk\u00fcrlicher Hemmung oder Beschleunigung der Athembewegungen. Wenn diese Auffassung richtig w\u00e4re, so w\u00fcrde daraus folgen, dafs die willk\u00fcrliche Regulirung der Athmung nicht durch das coordi-nirende Athemcentrum in der Medulla, sondern in irgend welcher Weise vermittels der subordinirten Athemmuskelcentren in der Medulla spinalis erfolge. Da es aber wohl noch sehr fraglich ist, ob die spinalen Athemmuskelcentren eigentlich respiratorische Centren zeigen, so darf man wohl dieser Argumentation mit Reserve gegen\u00fcberstehen, und dieselbe Stellungnahme ist wohl gegen die Behauptung gerechtfertigt, dafs mit der Entstehung\n1 N. Baxt. Berichte der Kgl s\u00e4chs. Gesellschaft d. Wissenschafteyi, Math phys. CI, 1875.\n9 W. P. Lombabd u. Pillsbuby. Secondary rhythmus of the normal human heart. American Journal of Physiol 3 (5), S. 201.\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie 80.\n24","page":369},{"file":"p0370.txt","language":"de","ocr_de":"370\nR\u00f6b&'t M\u00fcller.\nder respiratorischen Blutdrackschwankungen central eine Ver\u00e4nderung der Herzfrequenz in dem Sinne verkn\u00fcpft sei, data die Entwickelung inspiratorischer Wirkung seitens des Respirationscentrums und vasoconstriktorischer Wirkung seitens des Gef\u00e4fscentrums in gleicher Weise hemmend auf ein Herzhemmungscentrum, also beschleunigend auf den Herzschlag wirken sollen.\nAuf nerv\u00f6sen Zusammenh\u00e4ngen beruhen auch die Erscheinungen, welche sich bei weitergehenden St\u00f6rungen des Blutgagwechsels finden und die ihre extremste Ausbildung in der Ver\u00e4nderung des Blutdrucks und der Herzth\u00e4tigkeit bei der Erstickung zeigen und die auch dann auftreten, wenn die \u00e4ufseren Athembewegungen der quergestreiften Musculatur durch Curare ausgeschaltet sind. So beobachtete Thiry 1 an biosgelegten S\u00e4ugethierherzen bei Unterbrechung der k\u00fcnstlichen Respiration eine dauernde, rasch oder nur allm\u00e4hlich eintretende starke Erweiterung des Herzens, die sich sowohl bei intacten wie bei durchschnittenen Vagis findet, also nicht mit den Vaguswirkungen Zusammenh\u00e4ngen kann. Daher suchte er den Grund dieser Herzerweiterung in der Contraction der kleinen peripheren Arterien, welche er direct bis beinahe zum Verschwinden ihres Lumens sich contrahiren sah. Indem er diese Versuche zu den Beobachtungen, welche er mit Ludwig \u00fcber die Th\u00e4tigkeit der Vasomotorencentren im Halsmarke angestellt hatte, in Beziehung brachte, sprach er die Meinung aus, dafs bei dem Aussetzen der k\u00fcnstlichen Respiration das mit C02 beladene Blut nicht direct oder local auf die glatte Gef\u00e4fsmuskulatur wirke und diese zur Contraction bringe, sondern, dafs der kohlens\u00e4urehaltige Blut auf das Centralnervensystem und zwar wohl auf die Gef\u00e4fs-centren der Medulla oblongata wirke und von dort aus vielleicht s\u00e4mmtliche Gef\u00e4fsnerven beeinflusse.\n4. Bereits in den Jahren 1862 und 63 hatte Traube 2 nicht nur die Erweiterung des Herzens an Kaninchen beobachtet, welche ein 20% C02, 31% O und 41% N enthaltendes Gas-\n1\tThiry. Medicin. Centralbl. (46), S. 722. 1864. Vgl. Hering a. a. 0. 1869.\n2\tTraube. Versuche Ober den Einflufs des Woraragiftes auf die Herz* th\u00e4tigkeit. Centralblatt f\u00fcr die medicinischen Wissenschaften (4 u. 5). 1863. \u2014 \\ ersuch \u00fcber den Einflufs des Lungengaswechsels auf das dem Einflufs der Nervi vagi entzogene Herz. Gesammelte Beitr\u00e4ge zur Pathologie u. Physio-logic 13, S. 310. Berlin 1871.","page":370},{"file":"p0371.txt","language":"de","ocr_de":"Verwendbarkeit der plethysmographischen Curve f\u00fcr psychol Fragen. 371\ngemisch wiederholt passiv geathmet hatten *, sondern er hatte auch gesehen, dafs bei curaresirten Thieren, bei denen nach Durchschneidung der Vagi die Lungenventilation mit einem kohlens\u00e4urehaltigen Gasgemisch erfolgte, der Blutdruck anstieg. Er zog daraus den Schlufs, dafs die Kohlens\u00e4ure direct erregend auf die Centren der motorischen Herznerven wirke. Dann aber \u00e4nderte er infolge der Untersuchungen von Ludwig und Thiby \u00fcber die Wirkung der Halsmarkreizung auf die Gef\u00e4fse seine Meinung, indem er sich im Jahre 1865 in folgender Weise ausspricht * : \u201eEs ergiebt sich nicht nur direct die Richtigkeit der Erkl\u00e4rung, welche Thiry von dem Ansteigen des Druckes im Aortensystem bei Untersuchung der Respiration gab, sondern auch der Schlufs, dafs das in der Medulla oblongata befindliche Centrum des vasomotorischen Nervensystems unter dem erregenden Einflufs der C02 in eine periodische Th\u00e4tigkeit gerathen kann, mit anderen Worten, dafs die C02 durch ihre erregende Wirkung auf das vasomotorische Nervencentrum abwechselnd und in rhythmischer Weise Contraction und Erschlaffung der K\u00f6rperarterien hervorzurufen vermag. Dafs diese Wirkung der C02 nicht darauf beruht, dafs sie abwechsend in gr\u00f6fserer und geringerer Menge dem vasomotorischen Nervencentrum zugef\u00fchrt wird, liegt auf der Hand. Denn unzweifelhaft w\u00e4chst der Gehalt des Blutes an C02 mit der Zeit der Erstickung, d. h. mit der Zeit, die seit dem Augenblick der Unterbrechung der k\u00fcnstlichen Respiration verflossen ist.\u201c \u201eDie periodische Contraction und Erschlaffung der K\u00f6rperarterien unter dem Einflufs der C02 h\u00e4ngt also von der abwechselnden Erregung und Erm\u00fcdung des vasomotorischen Nervencentrums ab.\u201c\nDie Meinungen Traube\u2019s und Thiry\u2019s decken sich also in allen wesentlichen Punkten, indem beide annehmen, dafs die bei der Erstickung eintretende Steigerung des arteriellen Blutdruckes durch eine Erregung eines im verl\u00e4ngerten Mark angenommenen Nervencentrums und die dadurch hervorgerufene Contraction der kleinen Arterien stattfindet. Diese Hypothese erweitert dann Traube, indem er eine rhythmisch abwechselnde Erregung und Erm\u00fcdung des vasomotorischen Centrums unter\n1 Traube. Centralblatt f. d. medicin. Wissenschaften 1862.\n9 Traube. lieber periodische Th\u00e4tigkeits\u00e4ufserungen des\u2019 vasomotorischen und Hemmungsnerven - Centrums. Centralblatt f\u00fcr d. medicin. Wissenschaften (56), S. 881. 1865. Vgl. auch Gesammelte Beitr\u00e4ge 1, S. 389.\n24*","page":371},{"file":"p0372.txt","language":"de","ocr_de":"372\nRobert M\u00fcller.\ndem Einflufs der als Reiz wirkenden C\u00d6.2 annimmt, um so zu einer Erkl\u00e4rung der wellenf\u00f6rmigen Schwankungen zu gelangen.\nIm Gegens\u00e4tze dazu behauptete Pokrowsky 1 auf Grund von Erstickungsversuchen an Kaninchen, dafs das Ansteigen des Blutdrucks nur aus der Aenderung der Pulsfrequenz zu erkl\u00e4ren sei, und nicht aus der Verengerung der kleinen Arterien, welche erst ein trete, wenn durch die Vaguswirkung die Herzschl\u00e4ge seltener geworden seien und so der Blutdruck gesunken sei.\n\u201eNehmen wir Pokrowsky aus\u201c, so resumirt Hering die Sachlage, \u201eso stimmen alle angef\u00fchrten Forscher darin \u00fcberein, dafs bei der Erstickung, gleich viel ob dieselbe durch Aussetzen der k\u00fcnstlichen Athmung oder durch Einblasen sauerstoffloser Luft oder durch Aufhebung der Blutcirculation herbeigef\u00fchrt wird, eine vitale Gef\u00e4fscontraction eintritt. Dieselbe ist nach Thiry, Traube, v. Bezold und Gscheidlen bedingt durch eine unter den genannten Umst\u00e4nden eintretende Erregung eines oberhalb des R\u00fcckenmarkes angenommenen vasomotorischen Centrums, w\u00e4hrend Kowalewsky und Adamuck zwar die M\u00f6glichkeit einer solchen Erregung eines vasomotorischen Centrums nicht bestreiten, aber auf eine von diesem Centrum unabh\u00e4ngige vitale Gef\u00e4fscontraction das Hauptgewicht legen. Pokrowsky allein sucht die Ursache der bei der Erstickung eintretenden Blutdrucksteigerungen in einer erh\u00f6hten Th\u00e4tigkeit des Herzens\u201c (Hering 1869).1 2 3 * * *\nAuf Grund der Funde Traube\u2019s behauptete Schiff8, dafs die Bewegungen der Organe im Thorax nur ganz ausnahmsweise die Ursache der respiratorischen Blutdruckschwankungen sein k\u00f6nne. Bei der normalen Respiration ist eine Erh\u00f6hung und Erniedrigung des Blutdruckes, welche die Phasen derselben begleitet, nicht als mechanischer Effect der Respiration aufzufassen, sondern nur als ein damit gleichzeitig verkn\u00fcpfter Vorgang, der auf derselben Ursache wie die Respiration selbst beruht Es treten die respiratorischen Oscillationen des Blutdruckes\n1 Pokrowsky. Archiv f\u00fcr Anatomie und Physiologie 1866, S. 59.\n1 Hbring. Ueber Athembewegungen des Gef\u00e4fssystems. Sitzungsberichte dei' kais. Akademie der Wissenschaften 40, IL Abth., S. 837. 1869.\n3 M. Schiff. Cenno sulle Ricerohe fatte dal Prof. M. Schipp nel labora-\ntorio di tisiologia del Mas. di Firenze durante il I. Trimestre 1872. Rel&zione\ndel Dot tore A. Mosso estratto del Giornale ~La ?mrioneu. Referat von Roll\nim Central Natt f. rf. med. Wissenschaften S. 756. 1S72.","page":372},{"file":"p0373.txt","language":"de","ocr_de":"Verwendbarkeit der plethysmographischen Curve f\u00fcr psychol. Fragen. 373\nimmer dann auf, wenn in dem Blute Sauerstoffmangel und Kohlens\u00e4ure\u00fcberschufs vorhanden ist, und so das Respirationscentrum gereizt wird. Zu der gleichen Zeit oder doch kurz darauf erregt der gleiche Reiz auch das Innervationscentrum der Gef\u00e4fse und es erfolgt eine Contraction der kleinen Arterien, welche den Blutdruck etwas erh\u00f6ht. Schiff meinte, dafs die sogenannten respiratorischen Oscillationen des Blutdruckes alle* mal dann eintreten, wenn in der chemischen Zusammensetzung des Blutes gleichfalls periodische Aenderungen eintreten. Diesen Schwankungen der chemischen Zusammensetzung entsprechen die respiratorischen Oscillationen des Blutdruckes v\u00f6llig und begleiten sie in vollkommen entsprechender Regelm\u00e4fsigkeit Diese specielle Zuformung der Theorie wurde sp\u00e4ter von Tbaubb verlassen, und er sah dieselben an als bedingt durch periodische Th\u00e4tigkeits\u00e4ufserungen des vasomotorischen Nervensystems. Diese periodischen Blutdruckschwankangen sind nicht bedingt durch periodisch hervortretende Aenderungen in der Frequenz der Herzschl\u00e4ge. Wenn im Verlaufe einer Blutdruckwelle Aenderungen im Herzschlage eintreten, so sind diese nur ganz mittels bar verbunden, eine urs\u00e4chliche Verkn\u00fcpfung besteht nicht Beim Kaninchen treten gar nicht selten Variationen in der H\u00e4ufigkeit des Herzschlages auf, deren Ursachen sich nicht unmittelbar angeben lassen. Diese erscheinen zuweilen mit einer gewissen Rhythmicit\u00e4t und an denselben Stellen im Verlaufe einer wellenf\u00f6rmigen Schwankung ; dadurch k\u00f6nnen sie der Curve ein eigenth\u00fcmliches Aussehen verleihen. Es ist demgem\u00e4fs anzunehmen, dafs diese von Traube entdeckten Wellen in keiner Weise durch die Herzth\u00e4tigkeit hervorgerufen sind, sondern im Gef\u00e4fssystem entstehen.\n5. Die ausf\u00fchrlichste und beste Untersuchung dieser Wellen wurde von Hering 1869 1 gegeben.\nTraube hatte, um diese Wellen zur Anschauung zu bringen, beim curarisirten Thiere die Respiration vollst\u00e4ndig ausgesetzt und diese Wellen in dem besonderen Falle der Erstickung beschrieben. Hering f\u00fchrte zun\u00e4chst den Nachweis, dafs das Auftreten derselben ein allgemeines ist.\nIn der Erkl\u00e4rung dieser Wellen h\u00e4lt sich Hering der speciellen Form der von Traube und Thiry vertretenen Hypo-\nJ A. a. O. S. 829.","page":373},{"file":"p0374.txt","language":"de","ocr_de":"374\nRobert M\u00fcller.\nthese feme, er sieht ganz davon ab, die Frage nach dem Stoffe im Blute, welcher den eigentlichen Reiz abgiebt \u2014 ob es etwa die Kohlens\u00e4ure sei, welche ebenso das vasomotorische wie das Athmungscentrum in Erregung bringe \u2014 zu er\u00f6rtern. Er stellt vielmehr den Satz auf, dafs die Bedingung f\u00fcr den Eintritt der beschriebenen rhythmischen Hebungen und Senkungen des Blutdrucks in einem gewissen Grad der Venosit\u00e4t des arteriellen Blutes zu suchen sei, und dafs diese \u00fcberhaupt diejenigen Erscheinungen herbeif\u00fchre, welche die Dyspnoe und die Erstickung charakterisiren. Um nun die jeweilige Beschaffenheit des Arterienblutes, von welcher das Auftreten dieser Wellen abh\u00e4ngt, n\u00e4her zu bestimmen, schl\u00e4gt Hering vor, vier Hauptarten von Arterienblut zu unterscheiden und dieselben der K\u00fcrze wegen mit besonderen Namen zu belegen.\nDurch weitere Versuche kommt nun Hering zu dem Schlufs, dafs die periodischen wellenf\u00f6rmigen Schwankungen des Blutdruckes durch die periodische Th\u00e4tigkeit des Athmungscentrums bedingt sind, \u201edenn Niemand wird eine pr\u00e4stabilirte Harmonie zwischen dem Rhythmus der Athembewegungen und dem Rhythmus der genannten Druckschwankungen annehmen wollen\u201c.\n\u201eDurch den Nachweis, dafs die Ursache der periodischen Schwankungen des Blutdruckes im Athmungscentrum gelegen ist, wird zuv\u00f6rderst die Hypothese Traube\u2019s ausgeschlossen, welcher eine rhythmische Erregung und Erm\u00fcdung des vasomotorischen Centrums unter dem unmittelbaren Einflufs der Kohlens\u00e4ure annahm. Traube meinte offenbar, dafs das dvs-pnoische Blut, so gut es das respiratorische Nervencentrum in erh\u00f6hte periodische Th\u00e4tigkeit bringe, in analoger Weise auch auf das vasomotorische Centrum direct wirken k\u00f6nne.\u201c Ebensowenig ist es dann statthaft, die eigentliche Ursache dieser Wellen in rhythmischen Contractionen der glatten Gef\u00e4fsmuscu-latur zu suchen, welche von dem centralen Nervensysteme ganz unabh\u00e4ngig seien, eine Annahme, der Kowalewsky und Adam\u00fcck sich zuneigen. Denn die Wellenerscheinungen, welche nach Durchschnei dung der Vagi und Sympathici am Halse und des R\u00fcckenmarkes zwischen Atlas und zweitem Halswirbel auftreten, erscheinen, sp\u00e4ter, sind l\u00e4nger und sind flacher und zeigen keinen streng rhythmischen Charakter, so dafs es sich dabei um ganz andere Erscheinungen handelt, zu der die weiteren Blutdruckerscheinungen bei der Erstickung und nach Halsmark-","page":374},{"file":"p0375.txt","language":"de","ocr_de":"Verwendbarkeit der plethysmographischen Curve f\u00fcr psychol. Fragen.\t376\ndurehschneidung geh\u00f6ren, und schliefslich ist die Annahme ausgeschlossen, welche Traube zuerst vertreten hatte, dafs diesen Wellen eine vom centralen Nervensystem unabh\u00e4ngige Periodi-cit\u00e4t der Herzth\u00e4tigkeit zu Grunde liege.\nDurch die eingehenden Er\u00f6rterungen Hebin g\u2019s \u00fcber den Ein-flufs der Herzth\u00e4tigkeit auf diese Wellen wird zun\u00e4chst per ex-clusionem hinreichend sicher gestellt, dafs die Gef\u00e4fsmusculatur und nicht das Herz als Erzeuger dieser wellenf\u00f6rmigen Schwankungen anzunehmen ist Dies wurde dann weiterhin durch Versuche mit Abbindung des Herzens im Stadium der dyspnoischen Drucksteigerung und in solchen mit k\u00fcnstlicher Circulation bewiesen, wobei Hering die m\u00f6glichen Einw\u00e4nde gegen letztere selbst in objectivster Weise hervorhebt Aus der Argumentation \u00fcber die Betheiligung des Herzens und aus diesen Versuchen l\u00e4fst sich der Schlufs ziehen, dafs auch das Gef\u00e4fs-system Athembewegungen ausf\u00fchrt, welche sich den schon bekannten Athembewegungen associiren und wie diese vom sogenannten Athemcentrum ausgel\u00f6st werden.\nEs ist aber von Wichtigkeit, dafs Hering in dieser Arbeit es unentschieden gelassen hat, ob diese Bewegungen schon im Zustand der Eupnoe vorhanden sind und erst mit der beginnenden Dyspnoe deutlicher hervortroten, oder ob sie erst bei Dyspnoe \u00fcberhaupt entstehen, denn dies macht es wohl statthaft, Wellenbewegungen im Gef\u00e4fssystem, welche dieselbe Periodik und im Allgemeinen dasselbe Aussehen zeigen wie diese Traube-Hering-schen Wellen, zu diesen in Beziehung zu bringen, auch wenn die Versuchsbedingungen einigermaafsen abweichende waren. Beim Menschen, wo die Ausschaltung der Athembewegungen durch Curare und die k\u00fcnstliche Respiration nicht ang\u00e4ngig sind, k\u00f6nnen selbstverst\u00e4ndlich die Traube - Hering\u2019sch en Wellen in dieser Weise nicht nachgewiesen werden, es kann aber doch die Bedingung der Venosit\u00e4t des Blutes soweit erf\u00fcllt sein, dafs die unter bestimmten Bedingungen in den Curven auftretenden Wellen als Traube-Hering\u2019sehe bezeichnet werden d\u00fcrften. Wie Hering selbst ausf\u00fchrt, ist das Blut in den Arterien unter normalen Verh\u00e4ltnissen nicht absolut arteriell, denn es kann, wie J. Rosenthal zeigte, durch k\u00fcnstliche Ventilation der Lunge noch arterieller gemacht werden, ebenso wie das Blut im rechten Herzen nicht absolut ven\u00f6s ist, da es durch Beeintr\u00e4chtigung des respiratorischen Luftwechsels noch ven\u00f6ser werden kann.","page":375},{"file":"p0376.txt","language":"de","ocr_de":"376\nRobert M\u00fctter*\nHering stimmt also mit der Ansicht Tra\u00fcbe\u2019s darin \u00fcberein, dafs diese Schwankungen des Blutdruckes durch rhythmische Erregung der Gef\u00e4fsnerven bedingt seien und suchte den An-stofs f\u00fcr diese Erregung in der periodischen Th\u00e4tigkeit des respiratorischen Nervensystems; er bezeichnet daher auch diese Circulationserscheinungen geradezu als Atbembewegungen des Gef\u00e4fssystems.\nTraube\u2019s Ermittelungen beziehen sich durchg\u00e4ngig auf curarisirte Hunde, \u00fcber den Befund bei Kaninchen ist nirgends bei ihm eine Mittheilung gemacht Hering arbeitete mit curare-sirten Hunden, Katzen und Kaninchen* Dann besch\u00e4ftigten sich Latschenberger und Deahna 1 und CroN1 * 3 mit diesen Traube-HERiNG\u2019schen Wellen. Es wurde von diesen Autoren eine von Hering abweichende Erkl\u00e4rung dieser Wellen versucht, aber es scheint, dafs diesem abweichenden Interpretationsversuche eine gen\u00fcgende Berechtigung nicht zugestanden werden k\u00f6nne. Wie Latschenberger und Deahna annehmen, gehen von jedem Bezirk des Blutgef\u00e4fssystems elevirende und deprimirende Fasern zu den vasomotorischen Centren, in denen den letzteren best\u00e4ndig Erregungen zufliefsen. \u201eErh\u00f6hung des Druckes in den Gef\u00e4fsen hat sofort Erregung der deprimirenden Fasern und Herabsetzung des Druckes zufolge und umgekehrt.44 Bald \u00fcber wiegen die eie-virenden Fasern, dadurch wird der Blutdruck erh\u00f6ht; dies hat reflectorisch wieder Erregung der deprimirenden Fasern zufolge. Die so entstehenden Schwankungen sollen isorhythmisch mit den Athembewegungen sein, und so die Traube -HE\u00dfiNo\u2019schen Wellen zu Stande kommen. Cfon sah den TfiA\u00fcBE\u2019schen Wellen gleichende Schwankungen des Blutdruckes bei selbst\u00e4ndig athmenden Kaninchen und diese identifient er geradezu mit den Traube-HERiNG'schen Wellen. Er fafst sie als spontane rhythmische Erregungsschwankungen auf, die durch Reizung der im Gehirn und in der Peripherie gelegenen vasomotorischen Centren durch O-Armuth und CCh- Anh\u00e4ufung im Blute bedingt seien und w\u00e4hrend der Apnoe in Folge des Ausfalls dieser Reizung des Gef\u00e4fsnervensystems verschwinden. Damit stellt er sich wieder auf den Boden der von Schiff zwei Jahre zuvor ver-\n1 Latschenbebgeb und Deahna. Beitr\u00e4ge zur Lehre von der reflectori*\nsehen Erregung der Gef\u00e4fsmuskeln. Pfl\u00fcg er\u2019s Archiv 12, S. 157. 1876.\n3 E. C\u00efon. Zur Physiologie des Gef\u00e4fenervencentrume. Pfl\u00fcger\u2019s Arch. 9. 1874. (Ges. Abhandlungen S. 149 u. 170, Berlin 1888.)","page":376},{"file":"p0377.txt","language":"de","ocr_de":"Vcmcendbarkeit der plethysmographischen Curve f\u00fcr psychol. Fragen. 377\ntretenen Anschauungen. Diese von Cyon beobachteten wellenf\u00f6rmigen Schwankungen des Blutdruckes bei spontan athmenden Kaninchen hat S. Mayer sehr eingehend untersucht und beschrieben und er verwahrt sich gegen die Identificirung dieser Wellen mit den Traube - HERiNG\u2019schen Wellen. \u201eKeineswegs scheint es gerechtfertigt, die beim selbst\u00e4ndig athmenden Kaninchen hervortretenden wellenf\u00f6rmigen Schwankungen schlechtweg als TRA\u00fcBE\u2019sche Wellen zu bezeichnen, wie dies Cyon und Latschenberger und Deahna gethan haben. Die genannten Autoren haben sich nicht bem\u00fcht, f\u00fcr die von ihnen adoptirte Identit\u00e4t der in Frage stehenden Erscheinungen Beweise vorzubringen.\u201c\nEiner davon scharf zu sondernden Gruppe geh\u00f6ren nun die folgenden Erscheinungen an.\n6. Im Jahre 1874 machte Aubert1 eine kurze Mittheilung \u00fcber spontane Blutdruckschwankungen; in der f\u00fcnften Abhandlung seiner Studien zur Physiologie des Herzens und der Blut-gef\u00e4fse behandelte dann S. Mayer, gest\u00fctzt auf ein im Verlauf von f\u00fcnf Jahren gesammeltes Material, diese Frage.\nEs kommt nun eine neue Erscheinungsreihe hinzu, welche Latschenbdrger und Deahna1 bereits beobachtet haben. Diese f\u00fchren aufser den Traube\u2019sehen Wellen noch eine andere Art Weilen an, die weit regelm\u00e4fsiger seien als jene und von ihnen als Reizr wellen bezeichnet werden. Wenn auch die eigentliche Ursache dieser scheinbar spontan auftretenden Wellen, die bei unvollkommen curarisirten Thieren von einzelnen Muskelzuckungen begleitet seien, nicht bekannt ist, so sei man doch berechtigt, die Vermuthung auszusprechen, dafs diesen Wellen den Centren zufliefsende Reize zu Grunde liegen, weil sie vollst\u00e4ndig den Blutdruckschwankungen gleichen, welche man bei Reizung des centralen Stumpfes sensibeler Nerven durch elektrische oder mechanische Reize erh\u00e4lt. Auch diese Wellen werden von S. Mayer besprochen. Sie treten auch bei Thieren auf, bei denen Sauerstoffarmuth und Kohlens\u00e4urereichthum des Blutes nicht angenommen werden k\u00f6nnen, bei denen die Venosit\u00e4t des arteriellen Blutes in Nichts von der Norm ab weicht und die Genese dieser Wellen ist unbedingt auf die Intervention der cerebralen Centren f\u00fcr die Gef\u00e4fsinnervation angewiesen.\n1 Aubert. Tageblatt der 47. Versammlung deutscher Naturforscher und Aei'zte in Breslau 1874, S. 209.","page":377},{"file":"p0378.txt","language":"de","ocr_de":"378\nRobert M\u00fcller.\nEs existirt nun noch eine ganz besondere Art von rhythmischen Blutdruckschwankungen, von denen es m\u00f6glich ist, dafs sie zu einer Confusion mit den Traube - HERiNG\u2019schen Wellen Veranlassung geben. Auch \u00fcber diese giebt S. Mater's Arbeit Aufkl\u00e4rung. Diese Schwankungen hat Hering seiner Zeit sowohl in ihrer Erscheinungsweise als in ihren Ursachen im Prager physiologischen Institute an Hunden, Katzen und Kaninchen demonstrirt (S. Mayer).\nDie in Frage stehenden periodischen Druckschwankungen sind bedingt durch Interferenz der durch jeden Herzschlag hervorgerufenen Druckwelle, mit den durch den mechanischen Einflufs der k\u00fcnstlichen Lufteinblasungen bedingten Wellen des Blutdruckes. Die Schwankungen k\u00f6nnen nur dann hervortreten, wenn die Zahl der Herzschl\u00e4ge nahezu mit der in derselben Zeitr einheit vorgenommenen Zahl von Lufteinblasungen zusammenf\u00e4llt. Diese Wellen werden als Schwankungen durch Interferenz bezeichnet. Nach einer genauen Darstellung derselben stellt er dann die Punkte zusammen, welche bei der Unterscheidung derselben von den Traube-HERiNG'schen Wellen zu ber\u00fccksichtigen sind.\nAls Grundursache der rhythmischen Blutdruckschwankungen bei spontan athmenden Thieren sieht nun Mayer, wie Hering dies hinsichtlich der TnAUBE\u2019schen Wellen bei eurarisirten Thieren gethan hat, vom Athemcentrum aus dem vasomotorischen Nervensystem zufliefsende Impulse an, und da diese Schwankungen weit seltener auftreten als die Athembewegungen, so kommt er zur Ansicht, dafs \u201ezwischen das Athemcentrum und den peripheren gef\u00e4fsbewegenden Apparat ein Centrum eingeschaltet sei, welches in tonischer Erregung sich befindet Diese tonische Erregung kann in ihrer Intensit\u00e4t vom Athemcentrum her in der Weise beeinflufst werden, dafs bei normaler Action des letzteren sich erst mehrere von dort kommende Innervationen summiren m\u00fcssen, um gleichsam eine Entladung des Centrums f\u00fcr die Gef\u00e4fsinnervation hervorzurufen.\u201c\nDemnach wendet Mayer sich auch gegen die Ansicht von Latschenberger und Deahna , der zufolge s\u00e4mmtliche nicht durch Dyspnoe hervorgerufene, wellenf\u00f6rmige, scheinbar spontane Blutdruckschwankungen auf reflectorische Erregung des vasomotorischen Centrums zur\u00fcckzuf\u00fchren seien, giebt aber die M\u00f6glichkeit zu, \u201edafs stetig wirkende, wie immer eingeleitete","page":378},{"file":"p0379.txt","language":"de","ocr_de":"Verwendbarkeit der plethysmographischen Curve f\u00fcr psychol. Fragen. 379\nsensibel\u00a9 Reize hier und da zu einer periodisch auftretenden Innervation der Gef\u00e4fsnerven Anlafs geben k\u00f6nnen\u201c.\nZur Vervollst\u00e4ndigung der von S. Mayer gegebenen Beschreibung der Schwankungen durch Interferenz f\u00fchrt Knoll1 an, dafs man auch bei gleichbleibendem Rhythmus der Einblasungen manchmal eine durch Wechsel in der Frequenz der Herzschl\u00e4ge bedingte Ver\u00e4nderung in der L\u00e4nge der Wellen beobachten kann.\nUeberblickt man die Reihe der hierher geh\u00f6rigen Erscheinungen, so ergiebt sich, dafs vier Arten von periodischen wellenf\u00f6rmigen Schwankungen des Blutdruckes zu unterscheiden sind :\n1.\tDie durch Venosit\u00e4t des Arterienblutes bedingten Traube-HERiN\u00fc\u2019schen Wellen beim curarisirten Thiere, als deren Grundbedingung Hering vom Athemcentrum dem vasomotorischen Centrum periodisch zufliefsende Erregungen ansieht.\n2.\tDie spontanen Blutdruckschwankungen bei selbst\u00e4ndig athmenden Thieren, deren Grundursache S. Mayer gleichfalls in vom Athemcentrum h\u00f6heren vasomotorischen Centren zukommenden Impulsen sieht.\n3.\tDie Reizwellen Latschen bergers und Deahna\u2019s, die bei nicht dyspnoischen, curarisirten Thieren auftreten und als re-flectorisch bedingte Wellen anzusehen sind.\n4.\tDie Schwankungen durch Interferenz.\nBei seinen Versuchen \u00fcber Athmungsinnervation wurde Knoll darauf aufmerksam, dafs die S. MAYER\u2019schen Wellen verbunden sein k\u00f6nnen mit periodischen Ver\u00e4nderungen in der Frequenz und Tiefe der Athmungen. Daraus gewann er einen Ausgangspunkt zu einem eingehenderen Studium der bei spontan athmenden oder curarisirten Thieren auftretenden periodischen Blutdruckschwankungen und im weiteren Verlaufe auch des Einflusses sensibeler Reizungen auf den Blutdruck. Seine Beobachtungen wurden durchweg an Kaninchen angestellt.\nEine genauere Betrachtung der aufgezeichneten Athmungs-curven lehrt, dafs die Athembewegungen der Kaninchen sehr h\u00e4ufig einen bald deutlich ausgesprochenen, bald nur leicht an-\n1 Philipp Knoll. Ueber periodische Athmungs- und Blutdruckschwankungen. Sitzungsberichte der math.-naturw. Classe d. k. Akad. d. Wissenschaften Wien 91 (1\u20145), III. Abth. 1885.","page":379},{"file":"p0380.txt","language":"de","ocr_de":"380\nRobert M\u00fcller\ngedeuteten Wechsel in der Frequenz oder Tiefe oder in beiden zugleich und auch in der Mittellage des Zwerchfelles erkennen lassen.\nBei bestimmten Athmungstypen giebt sowohl die Verbindung der Fufs- als der Gipfelpunkte der Athmungscurven ausgepr\u00e4gte Wellenlinien. Knoll behauptet nun, dafs die Betrachtung der gleichzeitig aufgeschriebenen Blutdruckcurve ergebe, dafs den durch Verbindung der Fufs- oder Gipfelpunkte der Athmungscurven zu erhaltenden Wellenlinien in der Regel Wellen auf der Blutdruckcurve entsprechen, welche vollst\u00e4ndig mit den von S. Mayer geschilderten spontanen Blutdruckschwankungen \u00fcbereinstimmen sollen.\n\u201eAuch bei Thieren, denen das Grofshim exstirpirt wurde, sind die Athmungschwankungen und Blutdruckschwankungen oft zu finden. (Die einzelnen Perioden sind hierbei gew\u00f6hnlich von auffallend langer Bauer. )u\nWie Knoll schon in seiner Mittheilung \u00fcber die Athmung bei Erregung sensibeler Nerven bemerkte, sieht man den jeweiligen Eintritt der Athmungsbeschleunigung sehr oft mit einem schauerartigen Erzittern der Thiere verbunden. S. Mayer hat bereits fr\u00fcher auf dies Erzittern der Thiere aufmerksam gemacht und nahm an, dafs die Schwankungen im arteriellen Blutdrucke, die er regelm\u00e4fsig hierbei beobachtete, durch die Muskelcontrac-tionen beim Erzittern bedingt seien. S. Mayer scheint diese Erscheinung nur aperiodisch beobachtet zu haben. Knoll sah diese Schauer gew\u00f6hnlich in Verbindung mit den Athmungs-und Blutdruckschwankungen periodisch wiederkehren, zuweilen aber auch ein Verschwinden derselben bei Fortbestehen der Blutdruck- und Athmungsschwankungen, so dafs er dieselben nicht als durch die Muskelbewegungen beim Erzittern bedingt annehmen will. Durch periodische Application sensibeler Reize kann man periodische Schwankungen der Athmung und des Blutdruckes, verbunden mit schauerartigem Erzittern der Thiere her vorruf en, welche nach Knoll dieselbe Beschaffenheit haben wie die scheinbar spontan auftretenden Schwankungen. \u201eBeginn der Beschleunigung der Athmung und Blutdrucksteigerung fallen dabei gew\u00f6hnlich genau zusammen. Indessen kann man hierbei wie bei den scheinbar spontanen Schwankungen in einzelnen F\u00e4llen auch eine Coincidenz von Athmungsbeschleunigung und Blutdrucksenkung beobachten.u","page":380},{"file":"p0381.txt","language":"de","ocr_de":"Verwendbarkeit der plethysmographischen Curve f\u00fcr psychol. Fragen. 381\nDie vollst\u00e4ndige Uebereinstimmung dieser k\u00fcnstlich hervorgerufenen Erscheinung mit dem h\u00e4ufigsten Grundtypus der scheinbar spontan auftretenden Athmungs- und Blutdruckschwankungen bestimmten Knoll zu der Annahme, dafs auch die letzteren reflectorisch ausgel\u00f6st sind, wobei er meint, dafs die abnormen Verh\u00e4ltnisse, unter denen das auf dem Czermak-schen Kaninchenhalter gefesselte Versuchsthier sich befindet, einen dauernden Reiz f\u00fcr die sensibelen Nerven mit sich bringen d\u00fcrften, der nur zu einer zeitweisen Entladung in den hierdurch erregten Centren f\u00fchrt, eine Ansicht, deren Berechtigung S. Mayer bereits anerkannt hat.\nKnoll n\u00e4hert sich also wieder den Anschauungen von Latschenberger und Deahna, nach welchen s\u00e4mmtliche zur Beobachtung kommende wellenf\u00f6rmige spontane Blutdruckschwankungen auf reflectorische Erregungen des vasomotorischen Centrums zur\u00fcckzuf\u00fchren seien. Die M\u00f6glichkeit, dafs stets wirkende sensibele Reize, die irgendwie in den Versuchen auf-treten, in einzelnen F\u00e4llen zu einer periodisch auftretenden Innervation der Gef\u00e4fsnerven Anlafs geben k\u00f6nnen, kann nicht in Abrede gestellt werden. \u201eWir m\u00fcssen aber ausdr\u00fccklich hervorheben, dafs wir durch die bis jetzt vorliegenden Thatsachen zu dem Schl\u00fcsse gef\u00fchrt werden, dafs die Erregungsnormen des vasomotorischen und des respiratorischen Nervencentrums im Wesentlichen dieselben sind, d. h. dafs automatische und reflectorische Erregung in denselben stattfindet.\u201c\n\u201eF\u00fcr beide Centren sind wir trotz ihres in vielen Punkten differenten Verhaltens geneigt, im Anschl\u00fcsse an die Rosenthal-sch\u00a9 Lehre von den Ursachen der Athembewegungen, der Automatie eine wichtige Rolle zuzuschreiben\u201c (S. Mayer).\nDaraus geht also die Nothwendigkeit hervor, die Selbst\u00e4ndigkeit und centrale Entstehung der S. MAYER\u2019schen Wellen aufrecht zu erhalten und weiterhin scharf von den von Latschenberger und Deahna und vielen Anderen beobachteten reflectorisch bedingten Wellen zu sondern, zu denen auch die von Knoll weiterhin besprochenen Erscheinungen geh\u00f6ren. Da die Besprechung der von Latschenberger und Deahna untersuchten Wellen zu einer h\u00f6chst verwickelten und \u00fcberaus umfangreichen Fragegruppe, n\u00e4mlich der der Gef\u00e4fsreflexe f\u00fchren w\u00fcrde, so sollen diese zur Zeit ausgeschlossen bleiben, da wir hoffen, in weiteren Auseinandersetzungen auf dieselben eingehen zu k\u00f6nnen.","page":381},{"file":"p0382.txt","language":"de","ocr_de":"882\nRobert M\u00fcller.\n7. Der ungef\u00e4hre Einblick in die Sachlage, der immerhin auf Grund der vorhergehenden Ausf\u00fchrungen m\u00f6glich ist, erlaubt es wenigstens, in einem wichtigen Punkte Kritik zu \u00fcben an den von Seiten von Psychologen vorliegenden Angaben \u00fcber die wellenf\u00f6rmigen Schwankungen der Volumpulscurve. Die folgenden Ausf\u00fchrungen wenden sich zun\u00e4chst vorwiegend gegen Lehmann, weil dessen Angaben der directe Anl&fs f\u00fcr die vorliegende Arbeit waren, es mufs aber besonders hervorgehoben werden, dafs Lehmann nicht der einzige ist, dem hier weitgehende Irrtb\u00fcmer untergelaufen sind. Wie dargelegt wurde, ist auch das Plethysmogramm eine Pulscurve. Bei den innigen Beziehungen, die bei den Erscheinungen des Arterienpulses zwischen Blutgeschwindigkeit, Volum und Blutdruck bestehen, ist es erlaubt, die Volumschwankungen als parallelgehend den Druckschwankungen aufzufassen und demgem\u00e4fs in den Wellen der Volumpulscurve Wellen erschein ungen zu erblicken, die denen der Blutdruckcurve durchaus entsprechen, so daXs m\u00f6glicherweise eine Identificirung, mindestens aber eine durchg\u00e4ngige Paralleli-sirung beider gestattet ist\nDie Fragestellung, von der Lehmann ausgeht, ist folgende (Vorrede S. Ill, IV). \u201eEs handelt sich n\u00e4mlich darum, inwiefern Ver\u00e4nderungen der vegetativen Functionen, welche bestimmte Bewufstseinszust\u00e4nde normal begleiten, sich auch refiectorisch durch einen \u00e4ufseren Reiz ausl\u00f6sen lassen, ohne dafs der Be-wufstseinszustand mitwirkte. Mit anderen Worten: Ist der psychische Zustand, an welchen gewisse k\u00f6rperliche Erscheinungen normal gekn\u00fcpft sind, etwas Wesentliches, so dafs die k\u00f6rperlichen Ver\u00e4nderungen nur dann zu Stande kommen k\u00f6nnen, wenn der seelische Zustand gegeben ist: oder ist letzterer etwas ganz unwesentliches, ein Plus, das je nach den Umst\u00e4nden vorhanden oder abwesend sein kann.\u201c Wir haben nun keinen Grund, auf diese Fragestellung und das Bedenkliche in derselben irgendwie einzugehen, da wir zu den folgenden Ausf\u00fchrungen irgendwelcher besonderer psychologischer Annahmen nicht be-n\u00f6thigen.\nLehmann\u2019s Versuche sind nur qualitativ. Er verwirft im Hinweis auf Shield\u2019s Arbeit, die er als vollst\u00e4ndig verfehlt bezeichnet, den Versuch quantitativer Ermittelungen in den vorliegenden Fragen, er scheint aber in der qualitativen Analyse gerade in physiologischer Richtung nicht weit genug gelangt zu","page":382},{"file":"p0383.txt","language":"de","ocr_de":"Verwendbarkeit der plethysmographischen Curve f\u00fcr psychol. Fragen. 383\nsein, er tlieilt hier leider die Anspruchslosigkeit gar mancher experimentellen Psychologen hinsichtlich der Kenntnisse und der Erkenntnifs in physiologischer Beziehung. Seine Auseinandersetzungen \u00fcber den Normalzustand beginnt er folgender-maafsen :\n\u201eIn einem Plethysmogramm, an einem Menschen genommen, der wenigstens dem Anschein nach sowohl in psychischer als in physischer Beziehung v\u00f6llig ruhig ist, wird man h\u00e4ufig, jedoch keineswegs immer, Volumschwankungen erblicken, denen sich eine \u00e4ufsere Ursache \u00fcberhaupt nicht nachweisen l\u00e4fst. Mosso (Ueber den Kreislauf des Blutes, Leipzig 1881. S. 104 ff.) hat \u00a9s versucht, aus der Form dieser Oscillationen und Undulationen deren physiologische Ursachen, Ver\u00e4nderungen der Geschwindigkeit des Herzschlages, Contractionen und Dilatationen der Ge-f\u00e4fse zu bestimmen, giebt \u00fcbrigens aber zu, dafs eine solche Bestimmung nicht in allen F\u00e4llen m\u00f6glich sei. Mit Bezug auf di\u00a9 folgenden Versuche ist es offenbar von gr\u00f6fster Bedeutung, dafs wir vor allen Dingen die Erkl\u00e4rung dieser spontanen Volum\u00e4nderungen finden, weil es sonst schwer oder geradezu unm\u00f6glich zu entscheiden sein kann, ob eine gegebene Volumver\u00e4nderung durch den angewandten Reiz verursacht wird, oder dafs sie m\u00f6glicherweise spontan ist, so dafs sie entstanden sein w\u00fcrde, auch wenn der Reiz gar nicht stattgefunden hatte.\u201c\n\u201eDiese Schwierigkeit ist von verschiedenen Forschern gef\u00fchlt worden und hat grofse Irrth\u00fcmer veranlafst (z. B. Shield). Bei der Untersuchung der Undulationen \u2014 so k\u00f6nnen wir all\u00a9 scheinbar spontanen Volumver\u00e4nderungen mit einem einzigen Namen bezeichnen \u2014 sind wir doch etwas g\u00fcnstiger gestellt als Mo sso ; f\u00fcr uns handelt es sich n\u00e4mlich nicht um den Nachweis der schwer zug\u00e4nglichen physiologischen Ursachen, sondern nur um die Bestimmung der allgemeinen Bedingungen, unter welchen Undulationen \u00fcberhaupt entstehen. Sie kommen, wie gesagt, keineswegs stets bei einem normalen ruhigen Menschen vor; es mufs also m\u00f6glich sein, die ihr Auftreten bedingenden Umst\u00e4nde zu finden.\u201c\nDafs es nothwendig sei, eine Erkl\u00e4rung der \u201espontanen\u201c Schwankungen der Volumcurve zu finden, sagt Lehmann selbst, zu dieser \u201eErkl\u00e4rung\u201c ist er aber keineswegs gesonnen, n\u00e4mlich auf die \u201eschwer zug\u00e4nglichen physiologischen Ursachen\u201c zur\u00fcckzugehen, sondern er meint, es gen\u00fcge die Bestimmung der \u201eall-","page":383},{"file":"p0384.txt","language":"de","ocr_de":"384\nRobert Malier.\ngemeinen Bedingungen, unter welchen die Undulationen \u00fcberhaupt entstehen44. Aufser Mosso giebt Lehmann nichts \u00fcber die Literatur jener Undulationen an, und es ist nicht ersichtlich, ob ihm etwas dar\u00fcber bekannt ist. Nicht einmal die Bezeichnung der Traube-HE\u00dfiNG\u2019schen Wellen habe ich in seiner Arbeit gefunden. Demgem\u00e4fs ist von einer Erkl\u00e4rung bei ihm keine Rede, sondern seine Ermittelungen st\u00fctzen sich auf ein Herum-probiren \u00fcber jene Undulationen, das selbst, wenn seine aus den Tafeln II, III, V, VI, VII, IX\u2014XIII herangezogenen Versuche richtig w\u00e4ren, nicht stringent sein w\u00fcrde. Lehmann scheint dar\u00fcber anderer Meinung zu sein, denn er f\u00e4hrt fort: rund kennen wir erst diese, so haben wir alles, was erforderlich ist, um zu entscheiden, ob eine gegebene Volum Ver\u00e4nderung spontan ist oder nicht. Um diese Verh\u00e4ltnisse zu erhellen, beginnen wir also damit, eine Reihe unter verschiedenen Umst\u00e4nden genommener Normalcurven durchzugehen.\u201c Es ist nun interessant, Lehmann bei diesem Durchgehen seiner Normalcurven zu begleiten ; schon bei der ersten, auf Tabelle IIA vom 3. X. 95 findet L. hier bei einer psychisch anscheinend ruhigen Versuchsperson Undulationen, die jenen auffallend \u00e4hnlich sein sollen \u201ewelche w\u00e4hrend Denkth\u00e4tigkeit irgend einer Art ein-treten.\u201c \u201eMan k\u00f6nnte deshalb zu dem Glauben versucht werden, die V.-P. sei nicht v\u00f6llig gedankenleer gewesen, sondern habe unwissentlich einen Gedanken verfolgt.\u201c Es m\u00f6chte scheinen, als ob diese Art der Argumentation nicht recht zul\u00e4ssig sei, denn sie enth\u00e4lt eine petitio probandi ; weil bei der anscheinend ruhigen Versuchsperson doch Undulationen auftraten, hat sie gedacht, und zwar unwissentlich; man w\u00e4re fast versucht zu fragen, ob die Versuchsperson nicht \u00bbunbewufst\u00ab gedacht hat.\nWenn man ferner Tab. II B beide Curven mit den von S. Mayer und bei Knoll reproducirten Curven vergleicht, so ist die Uebereinstimmung der Curven im Aussehen sehr auffallend.\nAuch die Behauptung Lehmann\u2019s, dafs die respiratorischen Volumpulsschwankungen nur bei sehr tiefen Athemz\u00fcgen auf-treten, scheint nach unseren Versuchen nicht durchaus zutreffend, diese lassen sie. wohl unter bestimmten Umst\u00e4nden gr\u00f6fser werden, aber man sieht sie auch recht h\u00e4ufig bei normaler, und bei flacher, m\u00e4fsig beschleunigter Athmung, und was die Wirkung des Stickoxyduls anlangt, so liegt es doch wohl am n\u00e4chsten, an eine Ver\u00e4nderung des Gasgemisches bei der Respiration zu","page":384},{"file":"p0385.txt","language":"de","ocr_de":"Verwendbarkeit der plethysmographischen Curve fur psychol. Fragen.\t386\ndenken, welche vollst\u00e4ndig in Analogie zu den Versuchen Traube\u2019s steht\nAm normalen Plethysmogramm, das an einer Versuchsperson in anscheinend psychischer und physischer Ruhe . genommen ist, lassen sich nach Lehmann wenigstens drei verschiedene Formen der Undulationen im Plethysmogramme unterscheiden \u201en\u00e4mlich 1. mit der Respiration synchrone Oscillationen, 2. sanfte und 3. j\u00e4he Undulationen, die in keiner Beziehung zur Respiration stehen.\u201c Abgesehen von dem letzten Relativsatz kann man diese Unterscheidung in der That f\u00fcr die \u00e4ufserliehe Beschreibung der Curven zugeben. Dann untersucht Lehmann die Curven, die er als Respirationsoscillationen bezeichnet, indem er die Tiefe und Dauer des Athemhohlens willk\u00fcrlich yariiren l\u00e4fst.\n\u201eAls Ergebnifs dieser Betrachtungen k\u00f6nnen wir nun folgenden Satz auf stellen: Die Respirationsoscillationen der Volum-pulscurve sind erstens von der Tiefe und Dauer der Athmung abh\u00e4ngig, indem sie um so mehr hervortreten, je tiefer und l\u00e4nger die Respiration ist Ferner sind sie von der Pulsh\u00f6he abh\u00e4ngig, indem jeder Zustand oder jedes Aufh\u00f6ren eines Zustandes, der eine Steigerung der Pulsh\u00f6he mit sich bringt, zugleich die Oscillationen st\u00e4rker hervortreten l\u00e4fst\u201c\nDiesem Ergebnifs von Betrachtungen kann ich nicht zustimmen. Dafs die respiratorischen Schwankungen der Volum-pulscurve von der Tiefe und Dauer der Athmung abh\u00e4ngen, ist gewifs, aber dafs sie um so mehr hervortreten, je tiefer und l\u00e4nger die Respiration ist, gilt nicht in dieser Allgemeinheit Vielmehr erlaubt die Complicirtheit der hier vorliegenden Verh\u00e4ltnisse \u00fcberhaupt nicht die Statuirung so einfacher Beziehungen, ebenso bestreite ich ihre durchg\u00e4ngige Abh\u00e4ngigkeit von der Pulsh\u00f6he, da ich Curven erhalten habe, welche beide vollst\u00e4ndig unabh\u00e4ngig von einander zeigen und dann ist die Registrirung der Pulsh\u00f6he mittels des Plethysmographen bei Niveauschwankungen nicht so zuverl\u00e4ssig, dafs irgend welche bindende Schl\u00fcsse auf dieser Grundlage gezogen werden d\u00fcrften.\n\u201eDa die Respirationsoscillationen so leicht erkennbar \u00dfind, weil ihre Periode stets mit der der Respiration zusammentrifft, findet selten die Gefahr statt, dafs man eine Undulation dieser Art mit einer auf anderem Wege hervorgerufenen Volum Ver\u00e4nderung verwechselt wird. Es m\u00f6chte deshalb \u00fcberfl\u00fcssig erscheinen, dafs wir die Bedingungen ihres Entstehens sorgf\u00e4ltig\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie 30.\t25","page":385},{"file":"p0386.txt","language":"de","ocr_de":"386\nRobert M\u00fcller.\nzu erhellen gesucht haben. In diagnostischer Beziehung ist es jedoch von nicht geringer Bedeutung, diese Bedingungen zu kennen, weil man schon hierdurch ein Mittel hat, zu entscheiden, ob ein Individuum sich in v\u00f6llig normalem Gleichgewicht des Gem\u00fcths befindet.\u201c\n\u201eAus dem Vorhergehenden folgt n\u00e4mlich: wenn in der Volumcurve einer bestimmten V.-P. Respirationsoscillationen stark hervortreten, ohne dafs ein \u00e4ufserer Reiz (W\u00e4rme, K\u00e4lte u. s. w.) supernormale Pulsh\u00f6hen erzeugt hat, so ist die V.-P. entweder schl\u00e4frig oder in Gem\u00fcthsbewegung bestimmter Art Unter solchen Verh\u00e4ltnissen angestellte Versuche werden also nicht rein sein, weil die V.-P. nicht als in normalem Gleichgewicht des Gem\u00fcths befindlich betrachtet werden kann.\u201c1 Nach den vorhergehenden Ausf\u00fchrungen \u00fcber die mechanisch und nerv\u00f6s bedingten Blutdruckschwankungen soll dieser Satz nur angef\u00fchrt werden.\nDarauf geht Lehmann auf eine zweite Erscheinung ein, die er als das \u201ej\u00e4he Sinken der Volumencurve\u201c bezeichnet Von diesem behauptet er, dafs es nicht unter solchen Verh\u00e4ltnissen vorkommt, wo willk\u00fcrliche Denkarbeit als ausgeschlossen zu betrachten ist, so dafs die Vermuthung nahe l\u00e4ge, dafs diese Un-dulationen die Folge psychischer Th\u00e4tigkeit w\u00e4ren. \u201eDiese Ursache l\u00e4fst sich mit Sicherheit offenbar nur mittelst Selbstbeobachtung feststellen und jedesmal, wenn ich selbst als V.-P: beth\u00e4tigt war, achtete ich genau auf alle pl\u00f6tzlich auftauchenden Gedanken und zeigte sogleich deren Existenz an, um m\u00f6glicherweise ihre Gleichzeitigkeit mit bestimmten Volumschwankungen zu constatiren. Es scheint denn auch kein Zweifel dar\u00fcber herrschen zu k\u00f6nnen, dafs alle j\u00e4hen und weniger regel-m\u00e4fsigen Undulationen wirklich von Gedanken herr\u00fchren. Die beiden folgenden Gurven geben den ersten Theil wieder, in welchem ich im Stande war, das Verhalten zu constatiren\u201c (Tab. X B, G, D; XI A). L. kommt dann zu dem Resultat, dafs das j\u00e4he Sinken der Volumcurve durch Gedanken, durch psychische Zust\u00e4nde ohne Gef\u00fchlsbetonung hervorgerufen wurde.\n1 Nach L.*s Anschauungen ist also der Schlufs zu ziehen, dafs jenes Schwein (oder jene Schweine), bei dem die der Athmung isorhythmischen Blutdruckschwankungen untersucht wurden (vgl. Hermann's Lehrb. d. Physiol. 1806. S. 79), sich nicht im Gleichgewicht des Gem\u00fcths befunden habe.","page":386},{"file":"p0387.txt","language":"de","ocr_de":"Verwendbarkeit der plethysmographischen Curve f\u00fcr psychol. Fragen. 387\nVon diesem \u201ej\u00e4hen Sinken der Volumpulscurve\u201c scheidet L. ein anderes Ph\u00e4nomen, das er als \u201edie sanften Undulationen\u201c bezeichnet.\n\u201eWenn ein Mensch in normalem Gleichgewicht des Gem\u00fcths sich eine Zeit lang frei von Gedanken h\u00e4lt, wird man sehen, dafs das Armvolumen sanfte, ziemlich regelm\u00e4fsige Ver\u00e4nderungen erleidet. Diese Undulationen gewahrt man am leichtesten, wenn man sich eine Linie quer durch die Fufspunkte der Pulse im Plethysmogramm gelegt, denkt Diese Linie wird keine gerade, sondern eine wellenf\u00f6rmige. Gute Typen geben schon Tab. III C, D; IV D; X B. Ueber die Ursache dieser Undulationen weifs man nichts. Mosso, der sie namentlich in den Volumen-curven des Gehirns untersuchte, hat allerdings nachgewiesen, dafs sie bald auf Ver\u00e4nderungen des Herzschlages, bald auf reih vasomotorischer Th\u00e4tigkeit zu beruhen scheinen, was aber diese Ver\u00e4nderungen wieder bedingt, ist noch nicht entschieden (Mosso, Kreislauf des Blutes. 1881, S. 104 ff.). Dagegen sagt er von analogen Ver\u00e4nderungen der Blutgef\u00e4fse im \u00e4ufseren Ohre des Kaninchens \u00bbdafs sie mit den Sinnes- und Gef\u00fchlseindr\u00fccken und dem jeweiligen Geisteszust\u00e4nde dieser Thiere Zusammenh\u00e4ngen\u00ab (ibid. S. 121). Es ist nun auch nicht wahrscheinlich, dafs die sanften Undulationen in Plethysmogrammen von Menschen rein physiologischen Ursprunges sind.\u201c\nOhne auf die logische Zergliederung der S\u00e4tze L.\u2019s eingehen zu wollen, m\u00f6chte es uns doch scheinen, dafs seine Beweisf\u00fchrung keine irgendwie bindende sei, indem in allen seinen Versuchen und Ausf\u00fchrungen gerade der springende Punkt nicht bewiesen ist, da gar kein irgendwie bindender Grund vorhanden ist, eine thats\u00e4chliche Abh\u00e4ngigkeit jener Undulationen von psychischen Vorg\u00e4ngen anzunehmen. Von den Experimenten mit schlafenden Versuchspersonen ist kein einziger beweisend und dann ist es doch ein unzul\u00e4ssiges Schlufsverfahren, aus der einfachen Gleichzeitigkeit ohne weiteres irgend welche Beziehungen ableiten zu wollen; das ist doch nur unter Verh\u00e4ltnissen erlaubt, die im vorliegenden Falle gerade nicht erf\u00fcllt sind. L.\u2019s Verfahren ist etwa dasselbe, wie wenn jemand daraus, das beim wachen Menschen die Hamsecretion gr\u00f6fser als beim Schlafenden ist und regelm\u00e4fsige Schwankungen zeigt, eine Beziehung zwischen der Hammenge und dem psychischen Geschehen annehmen wollte und die Schwankungen desselben zum\n25*","page":387},{"file":"p0388.txt","language":"de","ocr_de":"388\nRobert M\u00fcller.\nIndicator und als Ausdruckserscheinung der psychischen Processe annehmen wollte. Man gestatte dies Beispiel, da die thats\u00e4ch-lichen Verh\u00e4ltnisse einander hier Glied f\u00fcr Glied parallel gehen. Auch wenn in der Volumpulscurve des wachen Menschen Schwankungen auftreten und die Volumpulscurvenreihe des Wachenden von der der Schlafenden deutlich unterschieden ist, ist es unstatthaft, aus der einfachen Gleichzeitigkeit irgend welche Beziehungen zum psychischen Geschehen herzustellen. Darauf kann eigentlich nur jemand gerathen, der die ganze Complicirtheit der Physiologie des Gef\u00e4fsapparates nicht kennt oder gr\u00f6blich vernachl\u00e4ssigt; nur dann sind solche Behauptungen m\u00f6glich wie: \u201eDiejenigen Oscillationen der Volumpulscurve, welche nicht von der Athmung oder von Muskelbewegungen herr\u00fchren, sind psychischen Ursprungs.\u201c 1\nEine derartige Zuordnung w\u00e4re nur statthaft, wenn alle jene wellenf\u00f6rmigen Schwankungen nicht auf einfachere und n\u00e4herliegende Weise erkl\u00e4rt werden k\u00f6nnten, wenn \u00fcberhaupt eine andere Beziehung nicht denkbar, oder durch eine besondere Beweisf\u00fchrung ausgeschlossen w\u00e4re. Diese andersartige Entstehung ist aber nicht nur denkbar, sondern auch durch zahlreiche und sorgf\u00e4ltige Versuche am Thiere direct erwiesen. Wenn auch dieselben Versuche f\u00fcr den Menschen nicht vorliegen und in diese Weise nicht ausf\u00fchrbar sind, so haben wir doch das Recht, anzunehmen, dafs bei ihm die Verh\u00e4ltnisse ebenso liegen wie beim Thiere, da dieselben morphologischen und mechanischen Voraussetzungen nicht nur ann\u00e4hernd, sondern absolut erf\u00fcllt sind. Dafs das psychische Geschehen beim Menschen auf ein nachweislich in seinen Eigenschaften so stabiles Organsystem wie den Circulationsapparat in ganz singu-l\u00e4rer Weise einen derartigen Einflufs gewinne, dafs damit die Analogie zu den Blutdruckschwankungen beim Thiere aufgehoben w\u00e4re, erscheint uns eben in Anbetracht der morphologischen und functioneilen Identit\u00e4t als so willk\u00fcrlich, dafs wir diese Annahme a limine ablehnen und lieber versuchen, diese beim Menschen beobachteten Wellen im Gef\u00e4fssystem, soweit als irgend statthaft und ang\u00e4ngig ist, nach den so wohl bekannten Erscheinungen aus dem Thierversuch zu erkl\u00e4ren. Es h\u00e4ngt th&t-\n1 Lehmann. Bericht \u00fcber den dritten internationalen Congrefs f\u00fcr Psychologie, S. 285. M\u00fcnchen 1896.","page":388},{"file":"p0389.txt","language":"de","ocr_de":"Verwendbarkeit der plethysmographischen Curve f\u00fcr psychol. Fragen. 389\ns\u00e4chlich im Wesentlichen von der sorgf\u00e4ltigen Pr\u00fcfung der gewonnenen Curven im Hinblick auf das aus dem Thierversuch bekannte, und von weiter auszuf\u00fchrenden und durchf\u00fchrbaren Versuchen ab, dafs diese Erkl\u00e4rung nicht nur einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit, sondern auch eine durchaus zureichende Vollst\u00e4ndigkeit und L\u00fcckenlosigkeit bekommt\nDie Annahmen Lehmann\u2019s \u00fcber die Beschaffenheit des Plethysmogramms im Normalzustand ist unrichtig. Wie einerseits der Vergleich mit dem Thierversuch und andererseits meine eigenen Versuche ergeben, sind die \u00bbUndulationen\u00ab keine durch psychische Processe hervorgerufene ' Erscheinungen. Die Beziehungen , welche Lehmann zwischen dem psychischen Geschehen und dem Verlaufe des Plethysmogramms aufstellt, sind Unzutreffend, die Verh\u00e4ltnisse sind anders und viel verwickeltet.\ni \u2022*\t!\t,\t*\nDas Resultat, mit dem ich diese Arbeit schliefsen m\u00f6chte, ist :\nI. Dafs sich in der Volumpulscurvenreihe des Menschen Wellen nachweisen lassen, welche die Periodik der Respirationsbewegungen haben. Bei der innigen Beziehung der Druck\u00e4nderungen und Volum\u00e4nderungen bei den Pulsationserscheinungen im Arteriensystem ist anzunehmen, dafs diesen Wellen der Volumpulscurve in derselben Weise Blutdruckschwankungen entsprechen. Es zeigt sich, dafs bei ihnen in der Mehrzahl der F\u00e4lle die Pulsfrequenz im auf steigenden und absteigenden Schenkel dieselbe ist ; darin stimmen sie mit den Traube-Hering\u2019sehen Wellen \u00fcberein.\nH. Eine Sonderung der mechanischen und der nerv\u00f6s bedingten Ver\u00e4nderungen w\u00e4hrend der Respiration war in den vorliegenden Versuchen am Menschen nicht durchf\u00fchrbar und in Folge dessen der Antheil beider Factoren nicht von einander zu scheiden. Dies verhindert zur Zeit eine Identificirung dieser Wellen mit den Traube - HE\u00dfiNo\u2019schen Wellen.\nIII. Aufser den Wellen von der Periodik der Respiration treten noch andere auf, welche von l\u00e4ngerer Dauer sind, und ebenfalls periodischen Charakter haben. Indem wir es wiederum f\u00fcr statthaft halten, von den Wellen der Volumpulscurvenreihe auf die Blutdruckschwankungen zur\u00fcckzugehen, halten wir es f\u00fcr sehr wahrscheinlich, dafs diese Wellen den von S. Mayer beim spontan athmenden Kaninchen beschriebenen Druckschwankungen entsprechen. Wenn wir an den von Hering und","page":389},{"file":"p0390.txt","language":"de","ocr_de":"390\nBoberl Mit\u00dcer\nS. Mater gegebenen Erkl\u00e4rungen festhalten, so gewinnt durch letztere Ermittelung die Parallelisirung der zuerst angef\u00fchrten Wellen mit den Traube-HERDio\u2019schen Wellen eine weitere St\u00fctze.\nIV. Weder die erste, noch die zweite Art von Wellen ist in ihrem Auftreten irgend wie an ein psychisches Geschehen gebunden.\nDamit wird weiterhin behauptet, dab es sich bei den neuen Untersuchungen \u201ezur experimentellen Psychologie der Gef\u00fchle ^ um Erscheinungen handelt, die l\u00e4ngst bekannt sind und diese Behauptung l\u00e4bt sich auch f\u00fcr die Erscheinungen in den Athmungscurven aufstellen. Wenn der Satz, dab es sich hierbei durchg\u00e4ngig um Erscheinungen handle, die (reflexartiger oder automatischer Beschaffenheit) infracorticalen Ursprungs sind, richtig ist, dann sind die vorliegenden Versuche, eine derartige Symptomatologie der Gef\u00fchle zu schaffen, wie sie Wundt und Lehmann sich denken, als unrichtig abzulehnen.\n(FAngegangen am 27. Juli 1902.)","page":390}],"identifier":"lit33345","issued":"1902","language":"de","pages":"340-390","startpages":"340","title":"Zur Kritik der Verwendbarkeit der plethysmographischen Curve f\u00fcr psychologische Fragen","type":"Journal Article","volume":"30"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:35:54.186010+00:00"}