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{"created":"2022-01-31T14:41:21.010636+00:00","id":"lit33351","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Piper, H.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 30: 134-136","fulltext":[{"file":"p0134.txt","language":"de","ocr_de":"134\nLi teratur\u00f6erich t.\nleisten (z. \u00df. Sensibilit\u00e4tsst\u00f6rungen, Heilnng durch psychische Einwirkung). Andererseits kann aber auch die Psychopathologie der normalen Psychologie von grofsem Nutzen sein, indem sie uns durch die Kenntnifs isolirter Ausfallserscheinungen Analysen erm\u00f6glicht, die durch die Beobachtung des normalen Menschen nicht zu erreichen w\u00e4ren. Zum Schlufs weist Verf. noch auf die Bedeutung der Psychologie f\u00fcr die Sociologie, die Criminalogie und die P\u00e4dagogik hin.\tKramer (Breslau).\nO. Bitschl. Di\u00a9 G&ua&lbetr&chtang ia den fteteteswlssenschaften. Bonn, Markus und Weber. 1901. 137 S.\nDie Schrift d\u00e8s Bonner Theologen ist hervorgerufen durch M\u00fcnster* berg's Principien der Psychologie und enth\u00e4lt eine gr\u00fcndliche Polemik gegen M.\u2019s These, dafs die Causalbetrachtung in den Geisteswissenschaften keine Stelle haben k\u00f6nne. R. f\u00fchrt (\u00e4hnlich wie Bef. in seiner Besprechung des M\u00fcNSTERBKRo\u2019schen Buches; e. diese Zeitschr. 28, S. 266) aus, dafs der Grundfehler M.'s in der Identification von Cauaalit\u00e4t \u00fcberhaupt mit mechanistischer Causalit\u00e4t bestehe. Der Ursprung aller Causalit\u00e4t liegt in den Acten der Zurechnung und Vergeltung; und diese personalistische Form der Causalit\u00e4t ist nicht etwa durch die mechanistische aufgehoben, sondern hat neben ihr ihr gutes Recht; sie ist die unentbehrliche Causalit\u00e4t der Geisteswissenschaften, ja sogar zum Theil auch der Psychologie, die ihren Namen nicht mehr verdienen w\u00fcrde, wenn man sie in eine Art Atomistik der Bewufstseinselemente aufl\u00f6sen wollte.\tW. Stern (Breslau).\nJohannes Classen. Die Anwe\u00dfdlUBg der Mechanik auf Verginge des Leherns. . Jahrb. d. Hamburgwehen Wissenschaftl, Anstalten 18, S. 1\u201418. 1901.\nEs wird die Frage aufgeworfen und discutirt, ob die Gesetze und Principien der Mechanik ausreichen k\u00f6nnen. 1. Die Erscheinungen in der unbelebten, 2. die der belebten Natur umfassend und ausnahmlos zu erkl\u00e4ren. Die Antwort auf die erste Frage lautet: kaum, auf die zweite: nein.\nZun\u00e4chst werden die Begriffe und Vorstellungen, mit denen bei rein mechanischer Denkweise operirt wird, n\u00e4her bestimmt und gezeigt, dafs hier zweierlei Bedingungen zu gen\u00fcgen ist: 1. Die Mechanik mufs den Charakter der Mathematik haben, d. h. sie mufs von Grund aus ein einheitliches Geb\u00e4ude von selbstverst\u00e4ndlichen Entwickelungen sein. Die Erscheinungen werden also durch das Begriffsyetem der Mathematik zun\u00e4chst rein beschreibend dargestellt. Die Mathematik aber ist die Kunst, neue Begriffe zu schaffen, dann systematisch durch Combination dieser Begriffe alle M\u00f6glichkeiten aufzusuchen und auf diesem Wege selbstverst\u00e4ndliche Wahrheiten zu finden. Das Wesentliche ist: sie arbeitet mit selbst-geschaffenen, der Phantasie entsprungenen Begriffen. 2. Die Mechanik dagegen mufs die Eigenschaft haben, dafs wir mit ihren Vorstellungen das Bewufstsein verkn\u00fcpfen, dafs sie nicht wie die Vorstellungen der reinen Mathematik-Erfindungen unserer Phantasie sind, sondern dafs sie Darstellungen der wirklichen Vorg\u00e4nge in der Natur sind oder wenigstens sein k\u00f6nnen ; sie mufs anschaulich sein. In diesem Sinne fragt sie weitergehend nach Ursachen f\u00fcr die Erscheinungen.\nDie Grenze zwischen diesen beiden Betrachtungsweisen in der Mechanik ist also durch folgenden Gegensatz markirt: Solange mit fingirten Massen","page":134},{"file":"p0135.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n135\n(also selbstgeschaffenen Begriffen) in Raum und Zeit operirt wird (Kinematik), bleibt man auf rein mathematischem Gebiet. Die wissenschaftliche Mechanik dagegen f\u00e4ngt erst mit der Einf\u00fchrung von Newton\u2019s Principien an, welche den Anspruch erheben, die Natur zu beschreiben, wie sie wirklich schafft, welche eine Ursache f\u00fcr die mathematischen Gleichungen (z. B. der Planetenbahnen) angeben, indem sie den Kraftbegriff einf\u00fchren und zeigen, dafs die Bewegung eines K\u00f6rpers durch die Anwesenheit anderer bestimmt ist. Erst die Principien Newton\u2019s zusammen mit mathematischen Bedingungsgleichungen, durch welche die unendliche Zahl der ins Spiel kommenden Kr\u00e4fte auf eine oder zwei - gerade zu Untersuchende reducirt wird, zeitigt L\u00f6sungen allgemeiner Probleme.\nFragt man nun, wie weit diese Principien den thats\u00e4chlich zu beobachtenden Erscheinungen entsprechen, so stellt sich heraus, dafs sie keine klaren unanfechtbaren Gesetze darstellen. Hertz zeigte, dafs Newton\u2019s Principien mehr enthielten als in der Natur m\u00f6glich ist und Helmholtz fand, dafs erst Hamilton\u2019s Princip der kleinsten Wirkung (resp. das Gesetz von den Bewegungen in den geradesten Bahnen) den thats\u00e4chlichen Vorg\u00e4ngen in der Natur entspricht. \u201eDie Beschreibung aller Bewegungen, welche in den geradesten Bahnen verlaufen, enth\u00e4lt Schilderungen von Vorg\u00e4ngen, die in der Natur wirklich Vorkommen, und ist ein beobachteter Vorgang auf einen derartigen Bewegungszustand zur\u00fcckgef\u00fchrt, so kann diese Darstellung das richtige mechanische Bild f\u00fcr denselben sein\u201c (Hertz). Damit ist der Zusammenhang zwischen rein mathematischer Kinematik und Beschreibung thats\u00e4chlicher Naturvorg\u00e4nge nach mechanischen Vorstellungen formulirt.\nDie in der Eingangs gestellten ersten mitinbegriffene Frage, ob sich die Mechanik in mathematischer Formulirung so darstellen l\u00e4fst, dafs sie uns ein richtiges Bild von Naturvorg\u00e4ngen zu geben scheint, ist auf Grund des \u00dcAMiLTON\u2019schen Principe zu bejahen ; die Anwendbarkeit dieses Principe ist durch bisher eindeutige Erfahrung erwiesen, die M\u00f6glichkeit von Ausnahmen aber zuzugeben.\nIndessen reicht dieser Satz nicht zur Deutung alles Geschehens, nicht einmal in der unbelebten Natur aus. Unerkl\u00e4rt bleibt der II. Hauptsatz der W\u00e4rmetheorie, welcher die Tendenz in der Natur feststellt, Bewegung von einer von uns sichtbaren Energieform in eine hypothetische in viel gr\u00f6fserer Menge \u00fcbergehen zu lassen als umgekehrt. Umkehrbarkeit aber ist ein wesentliches Merkmal aller mechanich zu beschreibenden Vorg\u00e4nge,\nViel gr\u00f6fser noch sind die Schwierigkeiten bei der Anwendung der Mechanik auf die belebte Natur. Zwar ist principiell nicht zu leugnen, dafs belebte Systeme keinen Einflufs aus\u00fcben k\u00f6nnen und unter keinem stehen, als welcher auch bei unbelebten Systemen vorkommt. Aber das ist nicht mechanisch beweisbar.\nSucht man eine Definition des Begriffes \u201eLeben\u201c, so findet man bald, dafs man mit der Mechanik entnommenen Bestimmungen nicht auskommt, denn die Form- und Stoffgesetze und die in der Mechanik festgestellten Wachsthums- und Vermehrungsthatsachen treffen den specifischen Begriff des Lebens nicht. Das Merkmal \u201edes erhaltungsm\u00e4fsigen Baues\u201c reicht nicht aus, auch f\u00fchrt es mathematisch gesprochen dahin, dafs man eine","page":135},{"file":"p0136.txt","language":"de","ocr_de":"136\nl\u00c0leraturberickt.\nunendliche Reihe von Bedingungsgleichungen mit ebenso vielen Unbekannten einf\u00fchrt deren L\u00f6sung dem endlich sehr begrenzten Menschenverst\u00e4nde nicht m\u00f6glich ist.\nMan kann sich vorstellen, dafs das Wesentliche durch die Structur der kleinsten Theilchen bedingt ist; aber diese sind der Beobachtung nicht zug\u00e4nglich und wir sind deshalb gen\u00f6thigt, deren Eigenschaften und Einflufs als eine mechanisch f\u00fcr uns nicht begreifbare \u201ePr\u00e4disposition\u201c anzunehmen. Damit aber ist in den Begriff des Lebens ein schon von Kart als noth wendig erkanntes teleologisches Princip, eine anthropomorphe Vorstellung hineingelegt. Dann kann man folgende Definition formuliren: \u201eEin K\u00f6rper ist lebendig, wenn er unter best\u00e4ndigem Wechsel des Stoffes immer wieder dieselbe typische Form erzeugt. Welches die typische Form ist, ist in jedem Fall zu bezeichnen, dafs sie immer neu entsteht ist zu beobachten, der Stoffwechsel ist zu beweisen\u201c.\nZwar kann man den Begriff des Lebens ebensogut wie den des Be-wufstseinB \u00fcberhaupt leugnen, aber damit setzt man ein Nichts an Stelle von Realit\u00e4ten, die ihrem Begriffsinhalt thats\u00e4chlich entsprechen. Hier ist eben die Mechanik f\u00fcr die Naturerkl\u00e4rung nicht zureichend und anthropomorphe Vorstellungen m\u00fcssen aushelfen.\tH. Piper (Berlin).\nObersteiger. Anleitung beim Studium des Sines der nerv\u00f6sen Gentralorgsne Im gesunden und kranken Zustande. 4. verm. und umg. Auflage. Wien und Leipzig, Franz Deutike, 1901. 680 S.\nDie Aufgabe, welche der Herr Herausgeber dieser Zeitschrift gestellt hat, hier Obersteiner\u2019b bekanntes Buch neu anzuzeigen, f\u00e4llt mir pers\u00f6nlich nicht ganz leicht, da meine Anschauungen \u00fcber die Art wie, resp. auf welcher Basis die F\u00f6rderung der Hirnanatomie zu suchen ist, von denjenigen des Verf., wie ich an anderem Orte gezeigt habe, ab weich en. Aber offenbar lassen sich beide Auffassungen mit Nutzen an wenden, denn das OBERSTEiNER\u2019sche Werk ist seit langem in den H\u00e4nden der Arbeitenden, es erlebt eben die vierte Auflage, ist in alle Weltsprachen \u00fcbersetzt und hat also seine T\u00fcchtigkeit und Brauchbarkeit bewiesen. In der That w\u00fcfste ich f\u00fcr Denjenigen, welcher nur das menschliche Centralnervensystem und die Ver\u00e4nderungen, welche es in krankem Zustande erleidet, s tu dir en will, augenblicklich keinen besseren F\u00fchrer. Das erneute Buch hat durch die sehr vermehrte Seitenzahl und vor Allem durch eine Anzahl guter Abbildungen wieder sehr gewonnen. Namentlich erscheint ganz neu eine sehr gute Ber\u00fccksichtigung der Zellver\u00e4nderungen im kranken Zustande, die auch mancherlei Originales \u2014 Phagocyten an den Ganglienzellen z. B. \u2014 das bisher von 0. nicht ver\u00f6ffentlicht wurde, enth\u00e4lt. Ueberhaupt hat der pathologische Abschnitt des Buches \u00fcberall gewonnen und \u00fcberall st\u00fctzt sich die Darstellung auf eigene Pr\u00e4parate. Die Neuauflagen des OBERSTEiNER\u2019schen Buches zeugen jedesmal von einer aufserordentlichen kritischen Vorsicht in der Auswahl der ver\u00e4nderten oder zugef\u00fcgten Dinge. Doch scheint es, dafs Verf. darin manchmal zu weit geht, wie z. B. hier die Segmentinnervation, die Bedeutung der einzelnen Zellgruppen in den Vorderh\u00f6rnern verschiedener H\u00f6he nicht so eingehend behandelt ist, wie Anderes vom Baue des R\u00fcckenmarkes. Ebenso sind, wahrscheinlich weil f\u00fcr","page":136}],"identifier":"lit33351","issued":"1902","language":"de","pages":"134-136","startpages":"134","title":"Johannes Classen: Die Anwendung der Mechanik auf Vorg\u00e4nge des Lebens. Jahrb. d. Hamburgischen Wissenschaftl. Anstalten 18, S. 1-18. 1901","type":"Journal Article","volume":"30"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:41:21.010642+00:00"}