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{"created":"2022-01-31T14:44:57.475840+00:00","id":"lit33395","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"Lohmann, W.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 41: 395-398","fulltext":[{"file":"p0395.txt","language":"de","ocr_de":"395\n\u00ab \u2022\nUber eine interessante subjektive Gesichtsempfindung.\nVon\nDr. med. W. Lohmann,\n1. Assistenzarzt an der kgl. Universit\u00e4ts-Augenklinik M\u00fcnchen.\nWenn ich morgens, oder besonders tags\u00fcber, nachdem ich zuvor l\u00e4ngere Zeit die Augen geschlossen hielt oder mich im d\u00e4mmrigen bzw. dunklen Raum befand, mir ein Nachbild verschaffe, in dem nicht Einzelheiten der Formen und Farben st\u00f6rend wirken, so nehme ich folgendes wahr : inmitten des grauen Nachbildes tauchen kurze Zeit, nachdem ich das Auge schliefse oder mit der Hand beschatte, blitzartig, feine, scharf umrissene P\u00fcnktchen hervor, die, ebenso schnell wie sie kamen, nach kurzer Zeit in dem Nebel der Nachbilder wieder zerfliefsen. Diese P\u00fcnktchen sind in der Mitte, in der Ausdehnung von F\u00fcnfmarkst\u00fcckgr\u00f6fse bis doppelt so grofs, dicht gedr\u00e4ngt und stehen peripherw\u00e4rts vereinzelter; sie erscheinen in einer Entfernung von beil\u00e4ufig 2 m. Die Stelle, an welcher die P\u00fcnktchen dichter stehen, entspricht der Foveagegend, wie man sich durch h\u00e4ufige Wiederholung des Versuches und Vergleichung mit der Stelle des Fixierpunktes bei der Exposition .des Auges \u00fcberzeugen kann.\nDas Auffallende an den P\u00fcnktchen nun ist vor allen Dingen, dafs sie eine verschiedene F\u00e4rbung zeigen ; und zwar erkenne ich deutlich 3, und nur 3 Farben: ein Gr\u00fcn, das zum Blauen \u00fcbergeht, ein vielleicht etwas zum Purpur neigendes Rot und ein Gelb.\nIch betone, dafs es darauf ankommt, sich ein Nachbild zu verschaffen, in dem Form und Farbe nicht st\u00f6rend wirken. So habe ich es als das Zweckm\u00e4fsigste gefunden, wenn man durch das Fenster einen nicht auffallenden Punkt am grau bew\u00f6lkten Himmel fixiert. Bei unbew\u00f6lktem Himmel habe ich die Gesichtsempfindung bei mir gar nicht oder nur unvollkommen hervor-rufen k\u00f6nnen. Offenbar stand hier wohl die Intensit\u00e4t des Nach-","page":395},{"file":"p0396.txt","language":"de","ocr_de":"396\nW. Lohmann.\nbildes dem Hervortauchen der verschiedenfarbigen Punkte hindernd im Wege.\nEbenso bestimmt wie ich dieses Ph\u00e4nomen mitzuteilen vermag, ebensosehr m\u00f6chte ich mir bez\u00fcglich seiner Deutung Reserve auferlegen. Wie sich aus der obigen Beschreibung ergibt, ist es zu naheliegend, es als eine entoptische Wahrnehmung anzusprechen. Vor allen Dingen spricht hierf\u00fcr der Umstand, dafs die P\u00fcnktchen dicht an der Stelle des deutlichsten Sehens stehen, und peripherw\u00e4rts, je mehr, um so weitere Zwischenr\u00e4ume aufweisen, genau wie wir diese Anordnung von den Zapfen in der Retina kennen. Die dreifache F\u00e4rbung der Punkte w\u00fcrde f\u00fcr getrennt qualitativ spezifisch empfindende Elemente sprechen und dem in der HelmholtzscIien Farbentheorie angenommenen Standpunkt dreier Einzelelemente des farbenempfindenden iVpparates durchaus gem\u00e4fs sein, ja sogar ihn zu st\u00fctzen verm\u00f6gen. Ob und inwieweit die Farben, die ich empfinde (Rot, Blaugr\u00fcn, Gelb), als Urempfindung der Elemente, oder als komplement\u00e4re Empfindungen derselben aufgefafst werden m\u00fclsten, und ob das physikalische reizende Lichtgemisch (Armut an violetten Strahlen bei bedecktem Himmel), ferner verschiedenes Abklingen der einzelnen Farben mit bei der Beurteilung in Rechnung zu ziehen w\u00e4re, soll als offene Frage nur angedeutet werden.\nEs fragt sich jedoch vor allem, ob die Annahme denn \u00fcberhaupt ang\u00e4ngig ist, dafs die Empfindung jedes einzelnen Zapfens m\u00f6glich sein k\u00f6nnte. Darauf ist zu antworten: Ebenso wie das k\u00f6rperliche Sehen ein intellektualer Akt ist, eine Zusammenfassung verschiedener Sinnesempfindungen, die zumeist dem Sehorgan entstammen, zu einer Anschauung, so kann man auch die qualitative Empfindung als eine Apprehension der Psyche auf fassen. Sehen wir z. B. eine farbige Fl\u00e4che an, so erscheint sie uns zusammenh\u00e4ngend farbig, ohne Unterbrechung, obschon die den Lichtreiz aufnehmenden Elemente r\u00e4umlich getrennt sind. (Auch unser Auge ist, wenn man die perzipierenden Elemente ansieht, ein musivisches ; wie es ja auch h\u00f6chstwahrscheinlich ist, dafs die Sehsch\u00e4rfe, d. i. die F\u00e4higkeit, zwei Punkte getrennt zu sehen, in ihrer H\u00f6chstleistung an die r\u00e4umliche Entfernung der einzelnen Zapfenelemente gebunden ist.) Wird die gewohnte Sehweise unterbrochen, dann k\u00f6nnte die M\u00f6glichkeit der r\u00e4umlich abgegrenzten qualitativen Empfindung des Auges in Frage kommen. Und so liefse sich die Deutung des oben mit-","page":396},{"file":"p0397.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber eine interessante subjektive Gesichtsempfindung.\n397\ngeteilten Ph\u00e4nomens als entoptische Wahrnehmung der Zapfen rechtfertigen.\n(Eingegangen am 10. November 1906.)\nNachschrift.\nNach Beendigung dieser Mitteilung und Ablieferung an Herrn Professor Dr. Nagel hatte dieser die G\u00fcte, mich darauf hinzuweisen, dafs von Herrn Professor Dr. Hess eine ganz \u00e4hnliche Gesichtsempfindung vor kurzem ver\u00f6ffentlicht worden sei. Herr Professor Dr. Hess sandte mir auf meine Anfrage in liebensw\u00fcrdiger Weise seine betreffende Publikation, die ich \u00fcbersehen hatte. Diese ist im 3. Heft des LVIII. Bandes des Gr\u00e4feschen Archives f\u00fcr Ophthalmologie erschienen unter dem Titel: \u201e\u00dcber einen eigenartigen Erregungsvorgang im Sehorgan.4\u2019\nHess beobachtet, wenn er die Lider in m\u00e4fsig hellem Zimmer f\u00fcr einige Minuten geschlossen hielt und dann das Auge 1/2 bis 1 Sekunde gegen den gleichm\u00e4fsig grauen Himmel richtete, nach abermaligem Schlufs des Auges das Auftreten einer Gruppe von \u00e4ufserst feinen, leuchtend hellen Punkten. W\u00e4hrend diese zun\u00e4chst an der Stelle des direkten Sehens wahrgenommenen P\u00fcnktchen nach dem Bruchteil einer Sekunde verschwinden, treten peripherw\u00e4rts von ihnen in ihrer n\u00e4chsten N\u00e4he andere, meist eine Spur gr\u00f6fsere und etwas heller erscheinende Punkte auf.\nWas die F\u00e4rbung anlangt, so hat Hess die Punkte meistens farblos gesehen, w\u00e4hrend er eine unges\u00e4ttigte r\u00f6tliche F\u00e4rbung der Punkte erkennt, wenn er bei Tageslicht die Lider 10 Min. geschlossen h\u00e4lt und dann 1 Sek. lang gegen den blauen oder grauen Himmel schaut. Bei Anwendung ges\u00e4ttigter farbiger Reizlichter erscheinen Hess die P\u00fcnktchen stets nahezu farblos ; niemals erscheinen sie in der F\u00e4rbung des Reizlichtes, doch manchmal gegenfarbig; doch war die F\u00e4rbung stets so unges\u00e4ttigt, dafs eine ganz sichere Beurteilung nicht m\u00f6glich war.\nIm Gegensatz hierzu empfinde ich bei den leuchtenden Punkten stets sehr ges\u00e4ttigte Farben, und zwar immer nebeneinander drei. Ihre S\u00e4ttigung ist bei mir so auffallend, dafs ich durch sie \u00fcberhaupt erst auf diese Erscheinung aufmerksam wurde.\nEin weiterer Unterschied tritt bei meiner Empfindung gegen\u00fcber der HEssschen darin zutage, dafs ich alle gef\u00e4rbten P\u00fcnktchen","page":397},{"file":"p0398.txt","language":"de","ocr_de":"398\nW. Lohmann.\nauf einmal oder h\u00f6chstens regellos zeitlich different sehe. An der Stelle des deutlichsten Sehens stehen die P\u00fcnktchen dichter und werden peripherw\u00e4rts je mehr um so bedeutender vereinzelter.\nHess dagegen beobachtet ein scheinbares Fortschreiten, das eine gewisse \u00c4hnlichkeit mit den durch die bekannten Feuerwerksk\u00f6rper hervorgerufenen Bildern habe, bei welchen gleichfalls von einem Punkte aus nach allen Pichtungen hin leuchtende Kugeln fahren, nur mit dem Unterschiede, dafs die leuchtenden Punkte an Ort und Stelle bleiben und zeitlich different perzipiert werden.\nAuch Hess h\u00e4lt sein Ph\u00e4nomen nicht f\u00fcr ein gew\u00f6hnliches Nachbild und spricht, nat\u00fcrlich mit grofser Reserve, die Vermutung aus, dafs die ErregungsVorg\u00e4nge irgendwie zu einer\nZapfenerregung in Beziehung st\u00fcnden.\n\u2022 \u2022 _____________________________\nObschon eine grofse \u00dcbereinstimmung des HEssschen Ph\u00e4nomens und meines oben mitgeteilten besteht, so meine ich doch, dafs dieses letztere, namentlich wegen der bei mir mit der Gesichtsempfindung verkn\u00fcpften Farbenempfindungen, auch noch einiges Interesse zu erregen vermag.","page":398}],"identifier":"lit33395","issued":"1907","language":"de","pages":"395-398","startpages":"395","title":"\u00dcber eine interessante subjektive Gesichtsempfindung","type":"Journal Article","volume":"41"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:44:57.475845+00:00"}