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Einige Bemerkungen über die Wirkung von Santonin auf die Farbenempfindungen

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{"created":"2022-01-31T14:12:35.615864+00:00","id":"lit33396","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"Vaughan, C. L.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 41: 399-407","fulltext":[{"file":"p0399.txt","language":"de","ocr_de":"399\n(Aus der physikalischen Abteilung des physiologischen Instituts in Berlin.)\nEinige Bemerkungen \u00fcber die Wirkung von Santonin\nauf die Farbenempfindungen.\nVon\nC. L. Vaughan,\nVolont\u00e4rassistent am Institut.\nW\u00e4hrend des Sommersemesters 1906 machte ich auf Veranlassung und unter der Leitung von Herrn Professor Nagel Versuche mit Santonin, welche den Zweck hatten, \u00fcber einige streitige Punkte Aufkl\u00e4rung zu schaffen. Solange verschiedene Beobachter in bezug auf Tatsachen zu verschiedenen Resultaten kommen, ist es ja nat\u00fcrlich ausgeschlossen, eine befriedigende Hypothese \u00fcber die Art und Weise aufzustellen, in welcher das Santonin auf die Sehorgane wirkt.\nMein Farbensinn ist, soweit bis jetzt festgestellt worden ist, in jeder Hinsicht normal. Ich experimentierte mit 3 verschiedenen Santoninpr\u00e4paraten. Aus der Apotheke bezogenes Santonin in der Dosis von 0,05 g bewirkt bei mir \u00fcberhaupt keine merkbaren Erscheinungen, ebenso blieb ein MERCKsches Pr\u00e4parat von Natrium santonicum in der Dosis von 0,5\u20140,7 g bei Herrn Prof. Nagel und Herrn Dr. Angier ohne deutliche Wirkung. Dagegen wirkte ein \u00e4lteres, fr\u00fcher von Prof. Nagel aus einer Apotheke bezogenes und als wirksam befundenes Pr\u00e4parat bei Prof. Nagel wie bei mir prompt. Allerdings brauche ich im allgemeinen etwa die doppelte Dosis (1 g), um gleich starke Wirkung wie Prof. Nagel zu erhalten.\nDie Versuche wurden gew\u00f6hnlich vormittags ungef\u00e4hr eine Stunde nach einem leichten Fr\u00fchst\u00fcck von Kaffee und Br\u00f6tchen angestellt. Die folgenden (im allgemeinen den bisher beschriebenen\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 41.\t26","page":399},{"file":"p0400.txt","language":"de","ocr_de":"400\nC. L. Vaughan.\nentsprechenden) Erscheinungen traten etwa 15\u201430 Min., nachdem ich das Nat. sant. eingenommen hatte, auf. Unter den gedruckten Buchstaben einer Zeitung erschien auf Augenblicke eine violette Farbe, besonders wenn der eine etwas schw\u00e4rzer war als seine Nachbarn oder wenn ein Schatten darauf fiel. Im Anf\u00e4nge ist diese Erscheinung sehr schwankend, ein Buchstabe kann violett erscheinen und wenn man den Blick darauf richtet, sieht er im n\u00e4chsten Moment wieder schwarz aus.\nAllm\u00e4hlich h\u00e4lt die violette Farbe l\u00e4nger an und beim Umherblicken im Zimmer bemerkt man in den dunkleren Ecken violette Schatten, die bei direkter Fixierung verschwinden.\nBis zu diesem Stadium konnte ich auch nicht die leiseste Ver\u00e4nderung entdecken in der Erscheinung der Aufsenwelt, soweit man sie aus dem Fenster erblickt, d. h. kein Anzeichen von Vorhandensein von \u201eGelbsehen\u201c in diesem Anfangsstadium. Allerdings ist es auch sehr schwer festzustellen, wTann die Gesamtheit der hellen Fl\u00e4chen um uns beginnt, einen Stich ins gelbliche zu bekommen, wenn die Ver\u00e4nderung so langsam, im Laufe von Minuten vor sich geht, wie bei einer m\u00e4fsigen Santoninvergiftung. Jedenfalls bemerke ich ebenso wie Prof. Nagel das Gelbsehen merklich sp\u00e4ter als das Violettsehen.\nEtwa 10\u201420 Min. nachdem das Violettsehen bemerkbar wird, scheint es mir draufsen etwas heller zu werden als gew\u00f6hnlich und die Gegenst\u00e4nde nehmen ein etwas unnat\u00fcrliches Aussehen an, sehr \u00e4hnlich dem bei einer partiellen Sonnenfinsternis. Nach wenigen Minuten wechselt die Erscheinung schnell, der Himmel und die \u00e4ufseren Gegenst\u00e4nde wrerden hell und alles, wTas sonst weifs ist, erh\u00e4lt die sonderbare gr\u00fcnlich-gelbe F\u00e4rbung, der dieses Stadium der Vergiftung seinen Namen des \u201eGelbsehens\u201c verdankt.\nAuch innerhalb des Zimmers erscheinen hellfarbige Gegenst\u00e4nde gelblich und dunkle, besonders solche in tiefem Schatten, violett. Durch die Fenster scheint gelbes Licht hereinzustrahlen.\nWenn das Zimmer verdunkelt und das Gas angez\u00fcndet wird, so erscheinen die Z\u00fcge derjenigen Personen, deren Gesicht beleuchtet wird, in ein tiefes Violett getaucht. Dunkel violettes Papier erscheint schwarz.\nDies waren die auffallendsten Ver\u00e4nderungen, die wahrgenommen werden konnten. Das Stadium des Gelbsehens dauerte, allm\u00e4hlich schw\u00e4cher werdend, gew\u00f6hnlich bis zum Abend. Am folgenden Morgen erschienen die Gesichtsempfindungen voll-","page":400},{"file":"p0401.txt","language":"de","ocr_de":"Einige Bemerkungen \u00fcber die Wirkung von Santonin etc.\n401.\nst\u00e4ndig normal. Ich hatte keine Geruchshalluzinationen aber stets eine unangenehme Geschmacksempfindung, welche einige Male zu Erbrechen f\u00fchrte. Nur einmal fiel mir ein heftiges Kribbeln in den Fingerspitzen auf. Bei dieser Gelegenheit entwickelten sich die St\u00f6rungen sehr schnell und heftig und es kam zu Erbrechen.\nEs schien mir, als ob dieselbe Dosis bei den sp\u00e4teren Versuchen immer st\u00e4rker wirkte. Dies steht im Widerspruch mit der Ansicht von Arthur K\u00f6nig 3, der den Eindruck bekam, dafs das Nervensystem sich an das Gift gew\u00f6hnt und so bis zu einem gewissen Grade immun wird. Prof. Nagel teilt mir mit, dafs er bei seinen zahlreichen Versuchen mit Santonin im allgemeinen auch eher eine Gew\u00f6hnung beobachtete, eine Steigerung der Wirkung nur dann, wenn die einzelnen Versuche sich schnell; folgten, also mehrere Tage hintereinander oder gar mehrere am gleichen Tage.\nDa begreiflicherweise nicht lange Zeit hindurch mit diesen Vergiftungen experimentiert werden kann, zog ich von den verschiedenen an die Santonin Wirkung sich kn\u00fcpfenden Fragen nur die folgenden in den Kreis meiner Betrachtung: 1. Das Aussehen des Spektrums; 2. Das Verhalten von Fovea und Peripherie, insbesondere Siv\u00e8ns Angabe, dafs die Fovea bei dem Gelbsehen unbeteiligt sei; 3. Die Wirkung der Santoninvergiftung auf den Dunkeladaptations-V organg.\n1. Aussehen des Spektrums.\nIch beobachtete das Aussehen der Spektralfarben am objektiven wie am subjektiven Spektrum. Ersteres wurde in bekannter Weise mit einer Bogenlampe als Lichtquelle erzeugt und entweder auf einem weifsen Schirm im ganzen aufgefangen, oder es wurden nur schmale weifse Papierstreifen verwendet, die einzelne Strahlenarten abfingen und so den betreffenden Teil des Spektrums isoliert zu sehen gestatteten.\nF\u00fcr die Beobachtungen am subjektiven Spektrum diente der HELMHOLTzsche Farbenmischapparat, da es im wesentlichen auf die Vergleichung zweier isoliert aus dem Spektrum herausgeschnittener Lichter, oder auf Mischungsgleichungen ankam.\nStets f\u00fchrte ich die Beobachtungen, die nachher im Stadium\n1 Akthur K\u00f6nig: Zentralblatt f\u00fcr 'praktische Augenheilkunde. 1888. Dezemberheft.\n26*","page":401},{"file":"p0402.txt","language":"de","ocr_de":"402\nG. L. Vaughan.\nder Santoninwirkung gemacht werden sollen, auch kurz vor dem Einnehmen der Substanz aus, um einen Vergleich zu haben. Aufserdem waren immer eine oder zwei Vergleichspersonen bei den Versuchen anwesend, die die Beobachtungen ebenfalls ausf\u00fchrten.\nIm Stadium des Violettsehens konnte ich keine Ver\u00e4nderung am Spektrum bemerken, insbesondere keine Verl\u00e4ngerung am violetten Ende. Wir sorgten bei unseren Versuchen daf\u00fcr, dafs die Versuchsperson, die Santonin genommen hatte, sich w\u00e4hrend der ersten Zeit im hellen Zimmer aufhielt und nur zur Beobachtung des Spektrums auf kurze Zeit das Dunkelzimmer betrat. Das ist deshalb wichtig, weil bei etwas l\u00e4ngerem Aufenthalt im Dunkeln die Dunkeladaptation das Spektrum am violetten Ende wesentlich verl\u00e4ngert erscheinen l\u00e4fst. Nichtbeachtung dieses Umstandes k\u00f6nnte vielleicht fr\u00fcheren Beobachtern eine durch Santonin bewirkte \u201eVerl\u00e4ngerung\u201c vorget\u00e4uscht haben.\nDeutliche Ver\u00e4nderungen im Aussehen des Spektrums treten auf, wenn sich das Gelbsehen kr\u00e4ftig entwickelt hat. Die auff\u00e4lligste \u00c4nderung ist die im Violett. Dieses verblafst und verliert schliefslich seine Farbigkeit beinahe vollst\u00e4ndig; man sieht an seiner Stelle ein bl\u00e4uliches Grau, das allerdings, soweit sich das vergleichen l\u00e4fst, etwas dunkler erscheint als das Violett im normalen Spektrum (vergl. unten die Beobachtungen mit Farbengleichungen am HELMHOLTZschen Apparat). Zu einem Verschwinden des vorher violett gewesenen Teiles sah es weder ich noch Prof. Nagel jemals kommen. (Auch hierbei wurde daf\u00fcr gesorgt, dafs eine ziemlich gute Helladaptation beibehalten wurde.)\nWenn man also von \u201eVerk\u00fcrzung des Spektrums am violetten Ende\u201c spricht, so w\u00fcrde das nach unseren Beobachtungen nur in dem Sinne zutreffend sein, dafs der lebhaft farbige Teil des Spektrums k\u00fcrzer wird, nicht aber dessen absolute L\u00e4nge.\nBei der Betrachtung des objektiven Spektrums unter den angegebenen Umst\u00e4nden beschr\u00e4nkt sich nun \u00fcbrigens die Ver\u00e4nderung keineswegs auf das Violett. Das Blau erscheint ebenfalls abgeblafst, doch immer noch deutlich farbig. Die Grenze zwischen Gr\u00fcn und Blau (die sich freilich nur sehr unbestimmt angeben l\u00e4fst) ist gegen das Rot zu verschoben. Ein vorher blaugr\u00fcnes Licht erscheint nun rein gr\u00fcn.\nAber auch das Gr\u00fcn, welches sichtbar bleibt, ist affiziert,","page":402},{"file":"p0403.txt","language":"de","ocr_de":"Einige Bemerkungen \u00fcber die Wirkung von Santonin ete.\n403\ndenn wenn ich es einen Augenblick fixierte, verwandelte es sich in Blau. Wenn ich das Auge ganz langsam \u00fcber den gr\u00fcnen Teil des Spektrums wandern lasse, so wird diese Erscheinung sehr auffallend, da die gr\u00fcne Farbe zu fliehen scheint und blau hinterl\u00e4fst, sowie der Blick auf sie f\u00e4llt.\nAm roten Ende des Spektrums findet ebenfalls eine Ver\u00e4nderung statt. Das Spektrum erscheint nicht verk\u00fcrzt, aber das \u00e4ufsere Rot erscheint in einer Farbe zwischen Purpur und Violett gef\u00e4rbt. So haben wir die sonderbare Tatsache, dafs wir im vergifteten Zustand das Violett nicht da sehen, wo es normalerweise ist, sondern dort, wo f\u00fcr das normale Sehen kein Violett vorhanden ist. Das Purpurviolett am roten Ende umgreift auch noch die ganze Endpartie des Spektrums, etwa bis zum Gelb hin, so dafs das Spektrum hier purpurn um s\u00e4umt erscheint.\nIm IlELMHOLTzschen Apparat, wo nur ein kleines Feld sichtbar ist, erscheinen alle Farben vom gr\u00fcnlichen Blau bis zum Violett (inklusive) in einem bl\u00e4ulichen Schatten; reines Gr\u00fcn erscheint zuerst als solches und verblafst dann rasch zu einem bl\u00e4ulichen Grau mit gelegentlichem gr\u00fcnen Schimmer, der, wie ich vermute, von unwillk\u00fcrlichen Augenbewegungen herr\u00fchrt, die neue Teile der Retina mit ins Spiel bringen.\nUm die Wirkung des Santonin auf das violette Ende noch etwas genauer zu pr\u00fcfen, stellten wir am Farbenmischapparat heterochrome Helligkeitsgleichungen zwischen Blau und Violett ein, und zwar eine Reihe vor und eine zweite Reihe nach dem Einnehmen des Giftes.\nDie folgenden Tabellen geben den Vergleich der Einstellungen vor und nach Einnahme von Santonin. Die Helligkeit des Blau wurde unver\u00e4ndert gelassen, die des Violett jedesmal neu eingestellt. Die Zahlen geben also die Spaltweite bei dem Violett an.\nEin anderer Versuch, bei dem ich nur zu schwachem Gelbsehen kam, ergab ebenfalls im vergifteten Zustand h\u00f6here Werte wie im normalen, doch war der Unterschied nicht so grofs, wie in dem angef\u00fchrten Beispiel. Die Zahlen bringen eine relative Verdunklung des Violett zum Ausdruck, die sich bei der Beobachtung am objektiven projizierten Spektrum nicht so deutlich erkennen l\u00e4fst.\nSo interessant es gewesen w\u00e4re, gerade dieser Erscheinung noch mehr nachzugehen, so glaubte ich doch darauf verzichten zu sollen, da die allgemeinen Wirkungen des Santonin, namentlich","page":403},{"file":"p0404.txt","language":"de","ocr_de":"404\nC. L. Vaughan.\ndie Wirkungen auf den Magen zu ung\u00fcnstig waren, als dafs h\u00e4ufige Wiederholung der Experimente angezeigt geschienen h\u00e4tte.\nTabelle 1.\nVor Einnahme des Natrium santonicum 145 0\t136\n140 133 150 133 140 152 135 140\nMittel 140.4 mittlere\nAbweichung 4,36\nTabelle 2.\nNach Einnahme des Natrium santonicum 240 235 218 215\n191 240\n192 203 201 194\nMittel 212.9 mittlere\nAbweichung 16.7\nIch gebe daher die obenstehenden Zahlen auch nur mit allem Vorbehalt hinsichtlich ihrer Deutung.\n2. Siv\u00e8n und v. Wendt berichten \u00fcber die Ergebnisse ihrer Santonin versuche u. a. folgendes.1 \u201eFixiert man eine gr\u00f6lsere Fl\u00e4che bei vollem Tageslichte, so ist die zentrale fixierte Stelle vollst\u00e4ndig weifs, mehr peripher hingegen schimmert die weifse Fl\u00e4che in Gelb. Dieser bemerkenswerte Umstand wird auf folgende Weise noch besser festgestellt. Zwei kleine weifse Papierst\u00fcckchen werden in einer Entfernung von 15 bis 20 cm voneinander plaziert, das eine wird in einer Entfernung von 30 bis 40 cm mit dem Auge fixiert; man bemerkt dann, dafs dieses rein weifs leuchtet, das andere hingegen gelb. Dieses deutet darauf, dafs nicht der zentrale Teil der Retina (die Macula) das Gelbsehen perzipiert, sondern der periphere Teil derselben.\u201c Weil Siv\u00e8n diese Beobachtung als St\u00fctze benutzt f\u00fcr eine neue Theorie, die unvereinbar ist mit der \u201eDuplizit\u00e4tstheorie\u201c von v. Keies , und aufserdem mit den fr\u00fcheren Befunden von Prof. Nagel, so unternahm ich eine Nachpr\u00fcfung der Siv\u00e8n-schen Versuche. Ich schnitt 5 runde St\u00fcckchen weifsen Papiers\n1 Skand. Arch. f. Physiol 14, 1903.","page":404},{"file":"p0405.txt","language":"de","ocr_de":"Einige Bemerkungen \u00fcber die Wirkung von Santonin etc.\n405\naus von 3 cm Durchmesser und befestigte sie auf einem schwarz-angestrichenen Brett, eins in der Mitte und die anderen 4 in einer Entfernung von 18 cm dar\u00fcber, darunter, rechts und links-Beim n\u00e4chsten Santoninversuch fixierte ich dann im Stadium des Gelbsehens den mittleren Punkt und beobachtete seine Farbe in verschiedenen Entfernungen. Aus der N\u00e4he erschien der mittlere Punkt gelb wie die anderen, aber in einer geeigneten Entfernung verlor er seine Farbe und erschien weifs, w\u00e4hrend die Punkte, die indirekt gesehen wurden, ihr vorheriges Aussehen beibehielten.\nBei einem Beobachtungsabstand von 185 cm konnte ich sagen, dafs der mittlere Punkt weifs erschien und die anderen gelb, w\u00e4hrend ich bei 170 cm noch einen Schimmer von gelb in dem fixierten Punkt wahrnehmen konnte. Dies ist im wesentlichen eine Best\u00e4tigung der Siv\u00c8Nschen Angabe.\nHerr Prof. Nagel hatte fr\u00fcher ausgepr\u00e4gtes Gelbsehen auch an nur foveal sichtbaren Objekten konstatiert und auch der mit ihm beobachtende normale Trichromat Dr. Piper kam zu dem gleichen Ergebnis. Nagel und Piper hatten die Gelbf\u00e4rbung besonders stark beim Betrachten von brennenden Gaslaternen beobachtet. Der Widerspruch zwischen ihrem und dem Siv\u00e8n-scheii Befunde konnte in der verschiedenen Reizintensit\u00e4t begr\u00fcndet sein. Ich unternahm daher auf den Rat Prof. Nagels systematische Versuche in dieser Richtung, bei denen ein und dasselbe Objekt mit stark wechselnden Lichtintensit\u00e4ten beleuchtet wurde.\nAuf schwarzem Sammet wurden wiederum 5 weifse Papierst\u00fcckchen befestigt und eine Projektionsbogenlampe so auf gestellt, dafs sie die Papierst\u00fccke gl\u00e4nzend hell oder nach Belieben schwach beleuchten konnte.\nEs zeigte sich, dafs bei ziemlich schwacher Beleuchtung dasselbe Ergebnis wie oben bei den Versuchen mit Tageslicht erhalten wurde, d. h. der mittlere Fleck konnte weifs gesehen werden. Wenn jetzt unter Beibehaltung des gleichen Beobachtungsabstandes die Helligkeit gesteigert wurde, so bekam auch das Mittelfeld einen gelben Schein und bei grofser Intensit\u00e4t erschien es gerade so gelb wie die \u00fcbrigen Felder.\nDer tats\u00e4chliche Widerspruch zwischen den Angaben von Siv\u00e8n und Nagel ist somit aufgekl\u00e4rt, er beruhte auf den ver-","page":405},{"file":"p0406.txt","language":"de","ocr_de":"406\nC. L. Vaughan.\nschiedenen Beobachtungsbedingungen in den Versuchen der beiden Autoren.\nMit derTatsache aber, dafs einGelbsehen in der Fovea bei Santoninvergiftung unter geeigneten Umst\u00e4nden \u00fcberhaupt zu beobachten ist, entf\u00e4llt die M\u00f6glichkeit, aus dem Santoninversuch eine St\u00fctze f\u00fcr Siv\u00e8ns Theorie zu gewinnen, nach der Violettempfindung durch die St\u00e4bchen vermittelt w\u00fcrde und das Gelbsehen im Santoninrausch auf Beeinflussung gerade der St\u00e4bchen und des Sehpurpurs Zusammenh\u00e4ngen soll.\nAuch die Beobachtungen an Spektralfarben st\u00fctzen, wie hier bemerkt werden m\u00f6ge, die K\u00f6nig sehe, jetzt von Siv\u00e8n wieder auf genommene Theorie keineswegs. Will man die durch Santonin bewirkte Anomalie des Farbensinnes als Violettblindheit bezeichnen, so mufs man sich doch dar\u00fcber klar sein, dafs es sich um eine Keduktionsform des normalen trichromatischen Systems, analog dem protanopischen oder deuteranopischen System, also ein tritanopisches System, ganz bestimmt nicht handeln kann. Sowohl die \u00e4ltere Beobachtung wie auch meine oben mitgeteilten Ergebnisse lassen in dieser Hinsicht keinen Zweifel aufkommen.\n3. Was den dritten Punkt betrifft, auf den sich meine Experimente bezogen, die etwaige Beeinflussung der Dunkeladaptation durch Santonin Vergiftung, so konnte ich hier durchaus Prof. Nagels fr\u00fchere Beobachtung best\u00e4tigen, dafs eine irgendwie wesentliche Beeintr\u00e4chtigung des Adaptationsprozesses nicht eintritt. Allerdings fand ich es schwerer, im Santoninrausch die Beobachtung hinreichend genau zu machen. Die Schwankungen des Eigenlichtes, die \u00fcber das Gesichtsfeld hinziehenden Lichtnebel, sind entschieden deutlicher und st\u00f6render als in der Norm. Zeitweise ist man aufserstande, zu sagen, ob das Adaptometerfeld sichtbar ist oder nicht. Bei wiederholten Bestimmungen sind auch die Werte recht schwankend.\nBen\u00fctzt man aber einen von subjektiven Lichtnebeln gerade freien Augenblick zur Beobachtung und Messung des Empfindlichkeitsgrades, so erh\u00e4lt man durchaus normale Werte. Nimmt man eine vollst\u00e4ndige Kurve des Adaptationsanstieges auf, so f\u00e4llt sie unregelm\u00e4fsiger aus als in der Norm. Der nach einer Stunde erreichte Endwert aber ist normal.","page":406},{"file":"p0407.txt","language":"de","ocr_de":"Einige Bemerkungen \u00fcber die Wirkung von Santonin etc.\n407\nAuch bei diesen Versuchen gewann ich den Eindruck, dais die Erm\u00fcdung des Auges im Santoninrausch wesentlich schneller als normal eintritt; man sieht das Adaptometerfeld unter Umst\u00e4nden f\u00fcr einen Augenblick, es entschwindet jedoch dem Blick alsbald wieder.\nHerr Prof. Nagel hat die von mir oben beschriebenen Versuche auch ausgef\u00fchrt (nach jedesmaliger Einnahme von 0,5 g Natr. santonicum). Seine Angaben stimmen mit den meinigen im wesentlichen \u00fcberein, soweit das zwischen einem Dichromaten und einem Trichromaten m\u00f6glich ist. Das Spektrum verblafste f\u00fcr ihn ebenfalls sehr bedeutend, namentlich wenn es aus mehreren Metern Abstand gesehen wurde. Das \u00e4ufserste rote Ende erschien dann blau (entsprechend meinem Purpur-Violett), aus geringerer Distanz gesehen purpurn. Das innere Rot, Orange und Gelb schienen ihr normales Aussehen zu behalten. Von Verl\u00e4ngerung oder Verk\u00fcrzung des Spektrums war nichts zu bemerken.\nOrangefarbenes Papier sah im Halbdunkel rosa aus (wie es Siv\u00e8n und v. Wendt beschrieben hatten).\nAn den 5 weifsen Flecken auf schwarzem Grunde fand Prof. N. bei ged\u00e4mpftem Tageslicht den direkt fixierten deutlich blasser als die \u00fcbrigen, bei starker Beleuchtung aber kr\u00e4ftig gelb. Weifs erschien er mir. Vielleicht h\u00e4ngt dies mit der erh\u00f6hten Unterschiedsempfindlichkeit der Dichromaten f\u00fcr die schw\u00e4chsten gelblichen und bl\u00e4ulichen T\u00f6ne zusammen.\nBez\u00fcglich der Dunkeladaptation gilt dasselbe wie f\u00fcr mich.\n(Eingegangen am lo. November 1906.)","page":407}],"identifier":"lit33396","issued":"1907","language":"de","pages":"399-407","startpages":"399","title":"Einige Bemerkungen \u00fcber die Wirkung von Santonin auf die Farbenempfindungen","type":"Journal Article","volume":"41"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:12:35.615870+00:00"}

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