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{"created":"2022-01-31T16:12:08.629671+00:00","id":"lit33432","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"D\u00fcrr","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 30: 234-235","fulltext":[{"file":"p0234.txt","language":"de","ocr_de":"234\nLiteratur bericht.\ndingungen zu urtheilen : 1. mit verbundenen Augen, den Ball mit einer m\u00f6glichst grofsen Flache der Hand umspannend ; 2. sehend, nicht ber\u00fchrend: der Ball liegt in einem Netze, das mit langer Schleife \u00fcber den Daumen geh\u00e4ngt ist; 3. stehend und umfassend. \u2014 Die T\u00e4uschung war am gr\u00f6fsten im 1., am geringsten im 2. Falle; von mittlerer Gr\u00f6fse dann, wenn 3. weder das Sehen noch das Ber\u00fchren ausgeschlossen war. Wog der kleinere Ball constant 55 gr, so wurde der andere bezw. bei 125,22 ; 74,04 ; 108 gr als gleich schwer gesch\u00e4tzt. (Weitere Mittelwerthe und eine Rohtabelle im Original.) Der Verf. schliefst hieraus, dafs die tactile Vorstellung des Umfanges \u201eviel intensiver und genauer sei\u201c als die visuelle. \u2014 Den Ausschlag giebt wohl vielmehr, dafs der Ber\u00fchrungseindruck in festeren Beziehungen steht, als die Gesichtswahmehmung : einmal zu der erfahrungsm\u00e4fsig gewonnenen Durchschnittsvermuthung \u00fcber das Verh\u00e4ltnifs von Gr\u00f6fse und Gewicht; und dadurch zweitens zu dem motorischen Impulse beim Heben. \u2014 Lehrreich ist, dafs 10 im w\u00e4genden Sortieren von Briefen und Zeitungen ge\u00fcbte Postbeamte der Illusion durchschnittlich in h\u00f6herem Maafce unterlagen als die \u00fcbrigen Beobachter.\tF. Krueger (Leipzig).\nPaul Hartenberg. Le\u00bb timides et la timidit\u00e9. Paris, Alcan. 1901. 265 S.\nEinen Beitrag zur wissenschaftlichen Psychologie will Verf. mit seiner Monographie \u00fcber die Sch\u00fcchternheit liefern und als wesentliches Kriterium wissenschaftlicher Psychologie betrachtet er es, dafs die Bewufstseins-erscheinungen in engste Beziehung zu physiologischen Vorg\u00e4ngen zun\u00e4chst des Gehirns, dann aber auch des ganzen Organismus gebracht werden. Die Methode seiner Untersuchung besteht daher wesentlich zun\u00e4chst in der \u201eklinischen\u201c Beobachtung der Symptome, sodann in der Feststellung der psychischen Erscheinungsweise der in Rede stehenden Gem\u00fctsbewegung, wobei die Ergebnisse der eigenen Erfahrung mit den Aussagen anderer, besonders mit den in der Literatur bereits vorliegenden Zeugnissen und mit den Resultaten allgemeiner Umfragen verglichen werden. Auch die Ausdrucksmethode der experimentellen Psychologie findet, jedoch ohne wesentliches Ergebnis, Verwendung.\nIn der allgemeinen Theorie der Gem\u00fctsbewegungen schliefst sich Hartenberg der jAMRS-LANGE\u2019schen Lehre an und obwohl er bei der Beschreibung der Sch\u00fcchternheit als einer Bewufstseinserscheinung mehr als die Begr\u00fcnder der genannten Theorie auf die psychische Repr\u00e4sentation des physiologischen Symptomencomplexes Werth legt, bleibt doch auch sein\u00a9 Darstellung von Unklarheiten nicht ganz frei. Wenn er etwa die \u201esympt\u00f4mes sensitifs\u201c von den \u201esympt\u00f4mes psychiques\u201c unterscheidet, ohne beide als irgendwie enger zusammengeh\u00f6rig der dritten Classe von Symptomen, zu denen die motorischen, vasomotorischen, respiratorischen, sekretorischen Affect\u00e4ufserungen gerechnet werden, gegen\u00fcberzustellen, so fragen wir uns vergeblich nach dem Eintheilungsgrund dieser Classification. Und wenn er sich gegen die Ansicht wendet, wonach ein einziges oder einige Symptome die Ursache der anderen sind, so scheint seine Auffassung f\u00fcr das Verh\u00e4ltnifs der \u201esympt\u00f4mes sensitifs\u201c zu den motorischen, vasomotorischen, kurz zu den nicht auf das Nervensystem beschr\u00e4nkten somatischen Vorg\u00e4ngen unter keinen Umst\u00e4nden zuzutreffen. Wenn er z. B.","page":234},{"file":"p0235.txt","language":"de","ocr_de":"Litera turberich t.\n235\ndie Empfindung des Herzklopfens unter den \u201esympt\u00f4mes sensitifs\u201c anf\u00fchrt, so mufs er doch mindestens an successiven, in Causalbeziehung stehenden Vorg\u00e4ngen folgende annehmen : 1. Den thats\u00e4chlich von ihm als Ausgangspunkt des Affectverlaufs betrachteten psychischen Act, das Bewufstsein von der Gegenwart eines Menschen bezw. den correspondirenden Nerven-procefs in der Hirnrinde; 2. die Innervationsvorg\u00e4nge im Sehh\u00fcgel, indem er das Centrum der untersuchten Gem\u00fctsbewegung sieht; 3. die ver\u00e4nderte Herzth\u00e4tigkeit und 4. die centripetal geleitete Erregung, welcher die Empfindung des Herzklopfens entspricht.\nWas die psychologische Analyse anlangt, so ergiebt sie als Bestand-theile der Sch\u00fcchternheit Z\u00fcge der elementareren Gem\u00fctsbewegungen Scham und Furcht. Falsche Scham und unbegr\u00fcndete Furcht in individuell verschiedenem Mischungsverh\u00e4ltnifs machen nach Hartenberg das Wesen der Sch\u00fcchternheit aus.\nAbgesehen von dem \u201eacc\u00e8s de timidit\u00e9\u201c, dem Sch\u00fcchternheitsanfall, widmet nun aber Verf. den gr\u00f6fsten Theil seines Buches einer Darstellung des Charakters der Sch\u00fcchternen, sowohl des allgemeinen geistigen Habitus, der die Sch\u00fcchternheit selbst als einen Specialfall umschliefst, als auch der bleibenden Ver\u00e4nderungen, welche gerade die in Rede stehende Gem\u00fctsbewegung im Gesammtcharakter hervorbringt. Es sind keine klar und scharf definirten Begriffe (zu solchen hat es die psychologische Charakterologie \u00fcberhaupt noch nicht gebracht), in denen das Lebensbild des Sch\u00fcchternen gezeichnet wird. Aber eine eingehende Ber\u00fccksichtigung all der Verzweigungen, mit denen die Disposition zu einem scheinbar so untergeordneten Affect wie die Sch\u00fcchternheit das ganze psychische Dasein durchsetzt\u00bb und eine lebensvolle, mit zahlreichen Belegen aus der sch\u00f6nen Literatur durch-wobene Darstellung machen die Lekt\u00fcre des HARTENBERG\u2019sch^n Buches zu einer sehr anregenden. Die Typen der Sch\u00fcchternheit, denen unser Autor einen besonderen Abschnitt seines Werkes widmet, sind gr\u00f6fstentheils dichterische Charakterzeichnungen, zum Theil Autobiographien entnommen, wie derjenigen des klassischen Beispiels der Sch\u00fcchternheit, Rousseau\u2019s. Von den typischen Erscheinungsformen der Sch\u00fcchternheit unterscheidet Verf. \u00fcbrigens die besondere Auspr\u00e4gung, welche die besprochene Gem\u00fctsbewegung und die ihr entsprechende Charaktereigenth\u00fcmlichkeit je nach Lebensalter, Geschlecht und Rasse gewinnt. Doch betrachtet er die Ursachen, die bei dieser verschiedenartigen Entwickelung der Sch\u00fcchternheit maafsgebend sind, die \u201ecauses d\u00e9terminantes\u201c und die \u201ecauses occasionnelles\u201c als blos secund\u00e4r gegen\u00fcber der Hauptursache f\u00fcr die Entstehung der Sch\u00fcchternheit \u00fcberhaupt, der vererbten Disposition (\u201ecause pr\u00e9disposante\u201c).\nDie Betrachtung der pathologischen Sch\u00fcchternheit, die sich durch Geringf\u00fcgigkeit des ausl\u00f6senden Moments, durch abnorme St\u00e4rke, Nachwirkung und Ausbreitung der Symptome charakterisirt, leitet endlich \u00fcber zu einer kurzen Darstellung der Prophylaxe und Therapeutik. Dabei zeigt sich, dafs Verf. als besonders wirksame Heilmittel psychische Momente, die Bek\u00e4mpfung der Sch\u00fcchternheit durch den Willen des \u201ePatienten\u201c, die Suggestion des Geheiltseins gegen\u00fcber dem vom Willen unabh\u00e4ngigen Symptom des Err\u00f6thens betont und nur nebenbei in besonderen F\u00e4llen auf \u00e4rztliche Einwirkung zur Kr\u00e4ftigung des Nervensystems verweist. D\u00fcrr (Leipzig).","page":235}],"identifier":"lit33432","issued":"1902","language":"de","pages":"234-235","startpages":"234","title":"Paul Hartenberg: Les timides et la timidit\u00e9. Paris, Alcan. 1901. 265 S.","type":"Journal Article","volume":"30"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:12:08.629676+00:00"}