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{"created":"2022-01-31T16:24:38.611558+00:00","id":"lit33456","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"D\u00fcrr","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 30: 446-448","fulltext":[{"file":"p0446.txt","language":"de","ocr_de":"446\nLiteraturbericht\nein. Die Reizstelle wechselte nach jedem einzelnen Versuche. Als Maafs etab f\u00fcr das Localisationsverm\u00f6gen diente der durchschnittliche Fehler, berechnet aus der Distanz zwischen dem ber\u00fchrten und an gezeigten Punkte.\nDie Correctheit der Verauchsanordnung, die Gr\u00fcndlichkeit der Beobachtungen und die Sachlichkeit der Schlu\u00dffolgerungen verrathen Web-mcKB*sche Schule.\nDie erBte Gruppe von Versuchen erstreckt eich auf 10 Krankheitsf\u00e4lle, die insgesammt St\u00f6rungen der Hautsensibilit\u00e4t bei intacter Bewegungs-empfindlichkeit aufweisen. So verschieden Grad und Oertlichkeit der An\u00e4sthesie, ob diese organisch oder functionell bedingt, centralen oder peripheren Ursprungs ist: in keinem Falle ist das Localisationsverm\u00f6gen gesch\u00e4digt.\nSchon dies Ergebnifs ist bedeutungsvoll, da bisher in neurologischen Kreisen die Ansicht verbreitet war, dafs eine Sch\u00e4digung des tactilen Localisationsverm\u00f6gens mit St\u00f6rungen der Hautempfindung in untrennbarem Zusammenh\u00e4nge st\u00e4nde, ja dafs jene als der feinste Ausdruck dieser St\u00f6rungen anzusehen sei. F/s Untersuchungen best\u00e4tigen die alte LEYDRjj\u2019sche Auffassung.\nDie zweite Gruppe umfafst 9 Kranke, darunter 6 F\u00e4lle von Tabes dorsalis: Das Localisationsverm\u00f6gen ist durchgehende gest\u00f6rt bei intacter oder mehr oder weniger gesch\u00e4digter Hautsensibilit\u00e4t. Im Gegensatz zur ersten Gruppe haben alle diese F\u00e4lle eine St\u00f6rung der Bewegungsempfindungen gemeinsam.\nDies Abh\u00e4ngigkeitsverh\u00e4ltnifs von Localisation und Bewegungsempfindung steht im Einklang mit der empiristisehen Theorie der Raumauffassung. Zwei Beobachtungen an fr\u00fch erworbenen L\u00e4hmungen, die mit mangelhafter Localisationsf\u00e4higkeit einhergingen, sprechen im gleichen Sinne. F\u00e4lle frischer St\u00f6rung der Bewegungsempfindung lassen dagegen keine Sch\u00e4digung des Localisationsverm\u00f6gens erwarten, da sich das associative Gef\u00fcge zwischen Ber\u00fchrungs- und Bewegungsempfindung erst allm\u00e4hlich lockert.\nNeben der Bewegungsempfindung kommt die optische Componente hei der Bildung der tactilen Localzeichen in Betracht; sie spielt nach F. beim neugeborenen Kinde wahrscheinlich die Hauptrolle. Auch f\u00fcr den Gesichtssinn, hofft Verf., wird sich durch die Pathologie eine Best\u00e4tigung f\u00fcr die genetische Raumsinnauffassung gewinnen lassen.\nKalmus (L\u00fcbeck).\nC. R. Squire, \u00e2 \u00dfemetle Study of Rhythm. Am. Journ. of Psychol. 12 (4), 492 - 689. 1901.\nDie Genesis des Rhythmusbewufstseins will Verf. untersuchen nicht in einer historischen Er\u00f6rterung vom Ursprung und den Bedingungen desselben sondern durch eine psychologische Analyse, welche in dem allgemeinen Begriff \u201eRhythmusbewufstsein\u201c verschiedene Arten rhythmischer Auffassung von verschiedener Complication und Vollkommenheit zu unterscheiden lehrt. Es handelt sich vor Allem um motorischen Rhythmus, besonders um rhythmisches Sprechen. Mifs Squire l\u00e4fist n\u00e4mlich eine Anzahl deutscher und amerikanischer Schulkinder eine Anzahl gleicher Silben, die in gleichen Abst\u00e4nden auf einer rotirenden Trommel auf geschrieben","page":446},{"file":"p0447.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n447\nsind, laut ablesen. Die Kinder lesen entweder nach eigenem Belieben (erste Versuchsreihe) oder sie erhalten den Auftrag, einzelne Silben zu betonen (zweite Versuchsreihe). Jede Versuchsreihe wird wieder insofern nach zwei Methoden ausgef\u00fchrt als der Experimentator einmal ohne besondere H\u00fclfsmittel die einzelnen ausgesprochenen Silben auf ihre Intensit\u00e4t, Qualit\u00e4t, Dauer und die Pausen zwischen den Silben auf ihre L\u00e4nge vergleicht, und als im zweiten Fall die Intensit\u00e4ts-, Qualit\u00e4ts- und Zeitverh\u00e4ltnisse objectiv durch Anwendung eines RoussELOT\u2019schen Mikrophons registrirt werden.\nF\u00fcr die zweigliedrigen Rhythmen gebraucht nun Verf., je nachdem beide Silben gleichm\u00e4fsig betont sind, oder die erste oder die zweite Silbe den Accent hat, die Bezeichnungen Spond\u00e4us, Troch\u00e4us und Jambus. Die dreigliedrigen unterscheidet sie, je nachdem die erste, zweite oder dritte Silbe betont ist, als Daktylus, Amphibrach und Anap\u00e4st. Als Rhythmus bezeichnet Mifs Squire aber auch eine Form der Zusammenordnung der Silben, bei welcher gar keine Gruppenbildung mehr zu constatiren ist, die Aufeinanderfolge gleicher, gleichbetonter, gleichlanger Silben in gleichen Zeitabst\u00e4nden. Diesen \u201eUrrhythmus\u201c betrachtet sie als die primitivste Form des Rhythmus und auf sein Vorhandensein gr\u00fcndet sie die Behauptung, dafs es einen Rhythmus ohne \u00e4sthetische Wirkung gebe. Als zweite Stufe in der Entwickelung der rhythmischen Auffassung ergiebt sich sodann die Bildung von Spond\u00e4en. Dreigliedrige Rhythmen ohne Accent kommen ohne objective Veranlassung zu derartiger Gliederung in den mitgetheilten Versuchen nicht vor. Unter den durch Accent ausgezeichneten Rhythmen findet Verf. den Troch\u00e4us und Daktylus urspr\u00fcnglicher als Jambus und Anap\u00e4st, weil jene in der ersten Versuchsreihe h\u00e4ufiger Vorkommen und in der zweiten nicht so oft verfehlt werden als diese. Aufserdem macht sie f\u00fcr ihre Ansicht eine Thatsache geltend, die sie als Inversion bezeichnet. Sie findet n\u00e4mlich, w\u00e4hrend f\u00fcr gew\u00f6hnlich in der betonten Silbe intensive, temporale und h\u00e4ufig auch qualitative Eigenart sich vereinigen, besonders in den F\u00e4llen, wo die Kinder anap\u00e4stische Rhythmen sprechen sollen, eine Neigung, den intensiven und den temporalen Accent zu trennen, um den Anap\u00e4st dem Daktylus zu n\u00e4hern. Als sp\u00e4teste, wenn \u00fcberhaupt vorkommende Form dreigliedriger Rhythmen bezeichnet sie den Amphibrach.\nDer Accent wird beschrieben als ein in seinen Hauptformen intensiver und temporaler, als Verst\u00e4rkung oder Verl\u00e4ngerung einer Silbe. Der qualitative Accent kann nach den Ergebnissen einer eigens zu seiner Untersuchung angestellten Versuchsreihe, in welcher Erwachsene sensorischen Rhythmus beobachten, in einer Erh\u00f6hung oder in einer Vertiefung des Tons bestehen. Die qualitative Eigenart der betonten Silbe, die beim rhythmischen Sprechen h\u00e4ufig eine Folge der Intensit\u00e4tsverst\u00e4rkung ist, soll daher \u00fcberhaupt kein wesentliches Merkmal der Rhythmen sein, in denen sie vorkommt, sondern nur einen intensiven Accent verst\u00e4rken oder ersetzen.\nIn einigen Versuchen richtet Verf. ihre Aufmerksamkeit besonders auf den Zusammenhang der Gliederung rhythmischen Sprechens mit den Perioden der Athmung. Sie findet theils ein Zusammenfallen je einer Respirationsperiode mit je einer Silbengruppe, theils eine Ausdehnung der","page":447},{"file":"p0448.txt","language":"de","ocr_de":"448\nLitera turbericht.\nExpirationszeit \u00fcber mehrere Gruppen. Im ersteren Fall ist die normale H\u00f6he der Athemcurve gesteigert, im letzteren verringert. Die Ueberein-stimmung der in diesem letzteren Fall gewonnenen Curve mit einer solchen, wie sie den Zustand gespanntester Aufmerksamkeit charakterisirt, und die Beobachtung einer in demselben Fall besonders vollkommenen Rhythmisirong veranlafst Verf., die Ursache des Rhythmisirens in einem \u201epsychischen Factor\u201c zu suchen, der Athmung und Sprechrhythmus gleichzeitig be-einflufst. Dieser psychische Factor wird gelegentlich n\u00e4her bestimmt als ein Zustand lustvollen Interesses. Die beiden verschiedenen Athmungs-curven erscheinen dann als Symptome eines Functionirens der Aufmerksamkeit, wie es abgestufter Vollkommenheit der rhythmischen Leistung zu Grunde liegend gedacht werden kann.\nAufser einer Anzahl mehr untergeordneter Probleme wie der Frage nach dem Einflufs der Begleitung auf das Tempo rhythmischer Th\u00e4tigkeit oder derjenigen nach dem Zusammenhang rhythmischen Sprechens mit anderweitigen rhythmischen Bewegungen wird ferner er\u00f6rtert, wodurch sich nun eigentlich rhythmische Auffassung von gew\u00f6hnlicher Wahrnehmung successiver Eindr\u00fccke unterscheide. Aber diese Frage findet nicht die ph\u00e4nomenologische Beantwortung, die wir umsomehr erwarten d\u00fcrften, als Verf. den Begriff Rhythmus ungew\u00f6hnlich erweitert und schon die Wahrnehmung gleicher, in gleichen Pausen auf einander folgender Eindr\u00fccke dem Rhythmusbewufstsein zurechnet. Wir erfahren nur, dafs Rhythmus ausschliefslich im Gebiet der Geh\u00f6rs- und Bewegungsempfindungen zu Stande kommt. Im Uebrigen m\u00fcssen wir uns damit begn\u00fcgen, dafs uns die objectiven und subjectiven Bedingungen aufgez\u00e4hlt werden, unter denen Rhythmus allein m\u00f6glich wird.\nAuch die Theorie des Rhythmusgef\u00fchls, das nur gelegentlich zum \u201ewahrgenommenen Rhythmus\u201c hinzutreten soll, ist nicht sehr befriedigend. Zwar die merkw\u00fcrdige Polemik gegen Wundt, dessen Ansicht auf Seite 583 richtig mitgetheilt ist, und von dem kurz darauf (S. 589) eine Lehre, die er nie aufgestellt hat, mit eben jener, seiner eigenen Theorie kritisirt wird, kann nur auf einem lapsus calami beruhen. Aber ganz und gar unklar bleibt gegen\u00fcber dem Versuch von Lipps und Groos, das Rhythmusgef\u00fchl durch Berufung auf den associativen Factor zu erkl\u00e4ren, die kritische Bemerkung, daraus lasse sich die St\u00e4rke, welche das Rhythmusgeftihl in gewissen F\u00e4llen zeige, nicht begreifen. Als ob jedes aus sinnlicher Wahrnehmung entspringende Gef\u00fchl jedes aus einer noch so grofsen Summe wirkungsvoller reproducirter Vorstellungen hervorgehende Gef\u00fchl an St\u00e4rke \u00fcbertr\u00e4fe! Und als ob die Ausbreitung rhythmischer Th\u00e4tigkeit, wie sie etwa in der Begleitung eines sensorischen durch motorischen Rhythmus die besondere Intensit\u00e4t des Rhythmusgeftihls erkl\u00e4ren soll, in dem Begriff des associativen Factors nicht mit enthalten w\u00e4re! Die abschliefsende Bemerkung endlich, dafs das Rhythmusgef\u00fchl nicht nur der Summe der Partialgef\u00fchle entspreche, wie sie durch die den Rhythmus bildenden Sinneseindr\u00fccke ausgel\u00f6st werden, sondern dafs ihm ein aus der rhythmischen Verbindung der Eindr\u00fccke resultirendes Gesammtgef\u00fchl wesentlich sei, ist ein l\u00e4ngst gel\u00e4ufiger Ausdruck der Thatsachen, der aber eine Erkl\u00e4rung derselben noch nicht im geringsten in sich schliefst. D\u00fcrr (Leipzig).","page":448}],"identifier":"lit33456","issued":"1902","language":"de","pages":"446-448","startpages":"446","title":"C. R. Squire: A Genetic Study of Rhythm. Am. Journ. of Psychol. 12 (4), 492-589. 1901","type":"Journal Article","volume":"30"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:24:38.611563+00:00"}