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{"created":"2022-01-31T16:32:08.728135+00:00","id":"lit33489","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"K\u00f6llner, H.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 42: 15-23","fulltext":[{"file":"p0015.txt","language":"de","ocr_de":"(Aus der k\u00f6niglichen Universit\u00e4tsklinik f\u00fcr Augenkranke, Berlin.\nDirektor Geh.-Rat v. Michel.)\nUnvollkommene\nFarbenblindheit bei Sehnerverkrankung.\nVon\nDr. H. K\u00f6llner,\nAssistent der Klinik.\nIn der k\u00f6niglichen Universit\u00e4tsklinik f\u00fcr Augenkranke gelangte Ende des vergangenen Jahres folgender Fall zur Beobachtung, der mir zur Ver\u00f6ffentlichung von Herrn Stabsarzt Collin in liebensw\u00fcrdiger Weise zur Verf\u00fcgung gestellt wurde.\nHerr cand. med. W. bemerkte seit dem 31. November, dafs das Sehverm\u00f6gen auf dem rechten Auge ziemlich stark gesunken ist. Er gibt an, vor einiger Zeit eine Reihe alkoholischer Exzesse begangen zu haben.\nBefund am 3. Dezember. Das linke Auge ist normal. Rechts reagiert die Pupille auf Lichteinfall sehr tr\u00e4ge, sonst sind keine Abweichungen vom normalen zu erkennen.\nDas Sehverm\u00f6gen ist auf dem rechten Auge auf Fingerz\u00e4hlen in 20 cm gesunken, es besteht eine Myopie von 4,0 D, linkes Auge: \u2014 4,0 Du. \u2014 cyl 0,5 D || S = l. Am Perimeter ist rechts ein zentrales absolutes Skotom nachweisbar.\nDie Allgemeinuntersuchung ergibt keinen pathologischen Befund. Von seiten des Nervensystems sind ebenfalls, abgesehen von einem leichten Tremor manuum keine St\u00f6rungen nachzuweisen.\nAm 10. Dezember erscheint die rechte Sehnervenpapille leicht \u00f6demat\u00f6s, das Sehverm\u00f6gen betr\u00e4gt Fingerz\u00e4hlen in 80 cm. Mit dem Perimeter ist ein zentrales absolutes Skotom nachweisbar,","page":15},{"file":"p0016.txt","language":"de","ocr_de":"16\nH. K\u00f6ttner.\nAm 14. Dezember ist die temporale Papillenh\u00e4lfte etwas blasser wie die des linken Auges, S = Finger in 3 m, zentral werden am Spektralapparat noch keine Farben erkannt.\nAm 17. Dezember ist das Sehverm\u00f6gen auf ein 1/i bis 1/3 des normalen gestiegen, am Perimeter kann ein zentrales relatives Skotom von gr\u00f6fserer Ausdehnung nachgewiesen werden.\nDie Pr\u00fcfung der zentralen Farbenwahrnehmung wurde zun\u00e4chst mit dem NAGELschen Farbengleichungsapparat vorgenommen. Hierbei fiel sofort auf, dafs der Patient mit dem rechten Auge das rote Objekt stets als gelblich oder strohgelb sah. Eine Gleichung zwischen Rot und Gelb wurde bei maximaler Helligkeitseinstellung beider Objekte nur ann\u00e4hernd angenommen, da die rote Scheibe noch immer als wesentlich heller abgegeben wurde. Es bestand somit ein grofser Unterschied zwischen der Einstellung der Rot-Gelb-Gleichung f\u00fcr den Patienten und derjenigen f\u00fcr die Deuteranopen und Protanopen, bei denen die gelbe Scheibe bis zur Marke 2 bzw. 1 verdunkelt werden mufs.\nDie Einstellungen von gelben, gr\u00fcnen und blauen Gl\u00e4sern ergab keine Abweichung von dem Verhalten des normalen Trichromaten. Die Pr\u00fcfung wurde in 3/2 m Entfernung vom Apparat vorgenommen, der geringen Sehsch\u00e4rfe wegen.\nBei der Untersuchung des linken Auges wurden die Angaben des normalen Trichromaten gemacht.\nDie Untersuchung mit dem NAUELschen Anomaloskop1, einem kleinen Spektralfarbenmischapparat, der durch das ganze Spektrum hindurch die Einstellung spektraler Gleichungen gestattet, ergab f\u00fcr das linke Auge normale Verh\u00e4ltnisse. Das Spektrum wurde bis zu einer Wellenl\u00e4nge von ca. 400 farbig gesehen. Die Angaben f\u00fcr das rechte Auge stimmten vollkommen mit denen am Farbengleichungsapparat \u00fcberein. Rot wurde durchg\u00e4ngig als strohgelb bezeichnet, das Licht der Natriumlinie als hellgelb, Licht von 575 w als gelbgr\u00fcn und 536 als gr\u00fcn. Das kurzwellige Ende des farbigen Spektrums f\u00fcr das rechte Auge lag ungef\u00e4hr bei 430 juj\u00ab, also ungef\u00e4hr an der Grenze zwischen Indigo und Violett nach Helmholtz.\nAm 18. Dezember wurde mit dem rechten Auge am Spektral-\nNagel: Zwei Apparate f\u00fcr die augen\u00e4rztlidie Funktionspr\u00fcfung Zeitschrift f\u00fcr Augenheilkunde 17, Heft 3. Das Anomaloskop in der k\u00f6nigl Klinik wurde ans Mitteln d\u00e7r Gr\u00e4fin Bose-Stiftung angeschafft.","page":16},{"file":"p0017.txt","language":"de","ocr_de":"Unvollkommene Farbenblindheit bei Sehnerverkrankung.\n17\nfarbenmischapparat Licht von 730\u20141720 ^Wellenl\u00e4nge als dunkelgelb bezeichnet, Natriumlicht als strohgelb, 560 fifi als gr\u00fcnlich, 415 /i/i als veilchenblau, die Verk\u00fcrzung des Spektrums hatte somit wieder abgenommen.\nIn den bisher beschriebenen Pr\u00fcfungsergebnissen lag, soweit Rot, Orange und Gelb in Betracht kam, ein entschiedener Hinweis auf ein dichromatisches System, das vor\u00fcbergehend aufgetreten sein m\u00fcfste. Die zeitweilige Unf\u00e4higkeit im Erkennen violetter Lichter sprach in demselben Sinne. Dagegen mufste die M\u00f6glichkeit, Gr\u00fcn zu erkennen, bzw. die Unm\u00f6glichkeit am Farbengleichungsapparat und Anomaloskop Gleichungen zwischen Gr\u00fcn und Gelb oder Gr\u00fcn und Rot zu erhalten, die Annahme eines dichromatischen Systems zum mindesten zweifelhaft machen.\nBestimmteres liefs sich hier\u00fcber am HELMHOLTzschen Farbenmischapparat ermitteln, an dem ich den Patienten an demselben Tage in Gemeinschaft mit Herrn Prof. Nagel im hiesigen physiologischen Institut untersuchte.\nHier ergab sich sogleich wieder die Unm\u00f6glichkeit, zwischen Lichtern aus der Gegend der Lithiumlinie (670 fifi) oder Natriumlinie (589 /tu) einerseits und der Thalliumlinie (536 fifi) andererseits Gleichungen zu erhalten. ,Wohl aber gelang auch hier die Gewinnung von Rot-Gelb-Gleichungen. W\u00e4hlten wir die Lichter 670 und 589 fifi zur Gleichung, so sahen beide Feldh\u00e4lften nach richtiger Regulierung der Helligkeit f\u00fcr den Patienten gleich-m\u00e4fsig gelb (\u201estrohgelb\u201c) aus. Das Helligkeitsverh\u00e4ltnis stimmte aber weder mit dem f\u00fcr den Deuteranopen noch mit dem f\u00fcr den Protanopen g\u00fcltigen \u00fcberein. Das Rot war f\u00fcr den Deuteranopen entschieden zu dunkel, in noch viel h\u00f6herem Grade nat\u00fcrlich f\u00fcr den Protanopen. Stellte beispielsweise der Patient die Spaltweite des gelben Lichtes auf 20\u201422 ein, so brauchte der Deuteranop bei der gleichen Helligkeit des Rot Spaltweite 11, der Protanop Spaltweite 3\u20144.\nDie Endstrecke im Sinne A. K\u00f6nigs, d. h. der Spektralteil, innerhalb dessen Gleichungen verschiedener homogener Lichter lediglich durch Helligkeitsregulierung zu erhalten sind, erstreckte sich bei dem Patienten bis ins Gr\u00fcngelb, etwa bei der Wellenl\u00e4nge 580 fift, also viel weiter als beim Normalen (etwa 660\u2014650 fifi), aber audi nicht so weit, wie beim Rot- oder Gr\u00fcnblinden (540 bis 535 ft(t).\nMit Lichtern von kleinerer Wellenl\u00e4nge als 580 fifi gab\nZeitschr. f. Sinnespkysiol. 42.\t2","page":17},{"file":"p0018.txt","language":"de","ocr_de":"18\nH. K\u00f6ttner.\n670 (i(i, wie gesagt, keine Gleichung mehr. Zumischung violetten Lichtes, die beim Rot-Gr\u00fcnblinden bekanntlich Gewinnung von Gleichungen \u00fcber die Endstrecke hinaus durch das ganze Spektrum erm\u00f6glicht, gab f\u00fcr den Patienten keine Gleichung. Stand beispielsweise auf der einen Seite ein Licht von 570 \\i(i, auf der anderen 670 p/i, so blieb die Ungleichung bestehen, auch wenn dem Rot Licht von 430 (A(i beigemischt wurde.\nDagegen konnten wir Gleichungen auch mit den Lichtern zwischen 580 und 536 (i(t erhalten, wenn dem Rot Gr\u00fcn von 536 (i(i zugemischt wurde. Hier verhielt sich also der Patient \u00e4hnlich wie der normale Trichromat, d. h. insofern, als diese Gleichungen f\u00fcr ihn \u00fcberhaupt m\u00f6glich waren. Jedoch mufste er das Rot-Gr\u00fcngemisch \u00e4ndern, n\u00e4mlich mehr Rot beimischen. Lag hierin wieder eine Ann\u00e4herung an das Verhalten des Rotanomalen , so schieden die f\u00fcr die Gleichung notwendigen Helligkeitsverh\u00e4ltnisse das Sehen des Patienten scharf von dem des Rotanomalen, da der Reizwert des Rot f\u00fcr ihn nicht nur nicht herabgesetzt, sondern sogar erh\u00f6ht erschien. Ob diese Erh\u00f6hung, die ja schon in den ungew\u00f6hnlichen Rot-Gelbgleichungen ihren Ausdruck findet, eine absolute oder nur eine relative, durch herabgesetzte Erregbarkeit f\u00fcr Gelb vorget\u00e4uschte war, vermochten wir leider bei der K\u00fcrze der Zeit, in der wir den Patienten untersuchen mufsten, nicht festzustellen. Der Gesamteindruck sprach mehr f\u00fcr die Annahme einer absolut erh\u00f6hten Roterregbarkeit.\nNoch in einem anderen Punkte zeigte das Verhalten des Patienten eine gewisse Analogie mit dem des anomalen Trichro-maten, indem bei Nebeneinanderstellung zweier Farben der simultane Farbenkontrast betr\u00e4chtlich erh\u00f6ht war.\nGleichungen zwischen einem homogenen Licht, etwa 600 (i(i und dem RATLEiOHschen Gemisch (670 -f- 536 (i(i), die vom Normalen eingestellt waren, erschienen dem Patienten als Ungleichungen, er sah diese n\u00e4mlich zu gr\u00fcnlich und das Rot-Gr\u00fcn-gemisch mufste stark zugunsten des Rot verschoben werden, um eine Gleichung zu erm\u00f6glichen.\nEbenso war es bei Gleichungen zwischen 550 (i(i und ^em RAYLEiGH-Gemisch. Die Grenze f\u00fcr die Einstellung des Rot-Gr\u00fcn-gemisches war hier nach der Gr\u00fcnseite hin recht scharf, ganz unscharf nach der Rotseite zu. Dieses Verhalten ist leicht be-","page":18},{"file":"p0019.txt","language":"de","ocr_de":"Unvollkommene Farbenblindheit bei Sehnerverkrankung.\n19\ngreiflich, wenn man ber\u00fccksichtigt, dafs Rot und Gelb bei dem Patienten unter sich qualitativ gleich wirkten.\nDas letzterw\u00e4hnte Verhalten stellt ein Gegenst\u00fcck dar zu dem gewisser anomaler Trichromaten, die Prof. Nagel provisorisch als extrem anomale bezeichnet hat. Diese stellen eine Gleichung zwischen 550 und 670 -f- 536 fi/n ebenfalls unscharf ein, aber die unscharfe Grenze liegt auf der Gr\u00fcnseite, w\u00e4hrend nach Rot hin die Grenze ganz scharf ist.\nEin Verhalten gegen die RAYLEiGHschen Mischungsgleichungenr wie unser Patient sie zeigte, ist bei angeborenen Farbensinnst\u00f6rungen niemals auch nur angedeutet.\nDie weitere Beobachtung des Patienten ergab folgenden Befund :\nAm 20. Dezember war das Sehverm\u00f6gen rechts wieder auf 2/s des normalen gestiegen, in der N\u00e4he wurde feinste Druckschrift gelesen. Ein Skotom war im Gesichtsfeld nicht mehr nachzuweisen. Die Untersuchung am Farbengleichungsapparat ergab, dafs die Rot-Ungleichung und -Gleichung nunmehr wieder erkannt und die Farben als r\u00f6tlich bezeichnet wurden. Bei der Rot-Gelbeinstellung wurden die Farben r\u00f6tlich und gr\u00fcnlich genannt, bei der Gr\u00fcn-Gelbeinstellung blau und grau, die Blau-Gr\u00fcn einstellung wurde richtig erkannt. Es war somit noch immer eine St\u00f6rung im Bereich der roten und gelben Lichter, sowie ein gesteigerter Farbenkontrast bemerkbar.\nVom 7. Januar an war Sehverm\u00f6gen und Farbenempfindung wieder vollkommen normal.\nDer Fall ist also dadurch ausgezeichnet, dafs bei derR\u00fcckkehr eines absoluten z entralen Skotoms f\u00fcr Weifs und Farben zum normalen trichromati-schen Farbensinn entsprechend dem Netzhautzentrum eine charakteristische St\u00f6rung auftrat, derart, dafs sich der Patient am langwelligen Ende des Spektrums vollkommen wie ein Dichromat verhielt, jedoch mit ganz ungew\u00f6hnlicher Helligkeitsverteilung.\nMan k\u00f6nnte daran denken, die Farbenst\u00f6rung auf eine Absorption bestimmter Strahlen zur\u00fcckzuf\u00fchren und zwar m\u00fcfste es sich dabei vorwiegend um Absorption gelber Lichter handeln.1\n1 Als Beispiel daf\u00fcr, dafs durch Absorption von Lichtern durch eine Substanz in der Netzhaut \u00e4hnliche Helligkeitsverschiebungen im Spektrum\n2*","page":19},{"file":"p0020.txt","language":"de","ocr_de":"20\nH. K\u00f6llner.\nIch habe bereits darauf hingowiesen, dafs diese Annahme wenig wahrscheinlich ist.\nDafs unter pathologischen Verh\u00e4ltnissen, d. h. bei erworbenen Farbensinnst\u00f6rungen auch die Kurven der einzelnen Farbenkomponenten eine abweichende Lage im Spektrum einnehmen k\u00f6nnen, daf\u00fcr spricht der von mir1 angef\u00fchrte Fall erworbener Tritanopie bei Netzhautabl\u00f6sung.\nNach dem klinischen Bilde mufs \u00fcbrigens als wahrscheinlich eine Herderkrankung im Verlaufe des Sehnerven entsprechend dem papillomakul\u00e4ren B\u00fcndel angenommen werden.\nDurch die, wenn auch teilweise nur skizzenhafte Mitteilung dieses Falles mit bisher noch nicht beschriebener Farbenst\u00f6rung m\u00f6chte ich nur die Aufmerksamkeit auf klinisch \u00e4hnlich verlaufende lenken und zur weiteren Untersuchung derartiger interessanter Farbenst\u00f6rungen anregen, die f\u00fcr die Kenntnis der Farbenempfindung \u00fcberhaupt von der gr\u00f6fsten Bedeutung werden k\u00f6nnen.\n(Eingegangen am 15. Februar 1907.)\nNachtrag.\nW\u00e4hrend der Drucklegung kam mir ein zweiter Fall zur Beobachtung, bei dem eine ganz \u00e4hnliche Farbensinnst\u00f6rung vorhanden war.\nDer 50 j\u00e4hrige Patient bemerkte seit Weihnachten eine Abnahme des Sehverm\u00f6gens. Bei der Pr\u00fcfung ergab sich, dafs auf beiden Augen keine Refraktionsanomalie vorhanden war, und\nhervorgerufen werden k\u00f6nnen, will ich einen Fall von pr\u00e4retinaler Blutung in der Makula anf\u00fchren. Hier wurde am Farbengleichungsapparat ebenfalls zwischen Rot und Gelb eine Gleichung nur angenommen, wenn im Gegensatz zur Einstellung des Rotgr\u00fcnblinden das rote Objekt bis fast zur Mitte zwischen Marke 1 und 2 des Apparates verdunkelt wurde, d. h. das Helligkeitsmaximum war nach dem langwelligen Ende bin verlagert. Am Anomaloskop wurde das Spektrum nur bis ungef\u00e4hr 570 farbig (als rot) wahrgenommen. Lichter geringerer Wellenl\u00e4nge wurden als schwarz bezeichnet, ebenso das gr\u00fcnlichblaue Objekt des Farbengleichungsapparates. Die ungew\u00f6hnliche Helligkeitsverteilung im Rot ist nat\u00fcrlich durch die Absorption gr\u00fcner Lichter, der Ausfall des ganzen kurzwelligen Teiles des Spektrums durch die vollkommene Absorption blauer und violetter Strahlen durch den Blutfarbstoff bedingt.\n1 K\u00f6\u00fclner: Untersuchungen \u00fcber die Farbenst\u00f6rung bei Netzhaut-abl\u00f6sungen. Zeitschrift f\u00fcr Augenheilkunde 17, Heft 3.","page":20},{"file":"p0021.txt","language":"de","ocr_de":"Unvollkommene Farbenblindheit bei Sehnerverkrankung.\n21\ndafs die Sehsch\u00e4rfe rechts ]/6, links V2 der normalen betrug. Mit dem Perimeter konnte kein zentrales Skotom nachgewiesen werden, jedoch gab der Patient an, dafs ihm beispielsweise beim Schreiben die eine H\u00e4lfte der Buchstaben meist verschw\u00e4nde, es scheint sich also um ein ganz kleines zentrales Skotom zu handeln.\nOphthalmoskopisch zeigte sich ein ganz leichtes Verwaschensein der Grenzen der Sehnervenpapillen bei sonst normalem Befunde. Die Allgemeinuntersuchung. ergab keine Abweichungen vom Normalen, jahrzehntelanger Abusus von Tabak wird zugegeben, nicht von Alkohol.\nInteressante Ergebnisse lieferte die Farbenpr\u00fcfung. Die Untersuchung mit dem NvoELschen F\u00e4rb en gleichungs apparat gab zun\u00e4chst Aufschlufs \u00fcber die Lage der zentralen Skotome. Wenn der Patient, der aufserordentlich zuverl\u00e4ssige Angaben machte, mit dem rechten oder linken Auge aus 11/2 m Entfernung die zwischen den beiden erleuchteten Feldern befindliche schwarze Br\u00fccke fest fixierte, so wurde das eine (nasalw\u00e4rts gelegene) Feld nur als dunkel bezeichnet; die andere (temporale) farbige Scheibe wurde, wenn gelbe, gr\u00fcne und blaue Gl\u00e4ser eingestellt waren, richtig benannt. Wurde dem Patienten dagegen die rote Scheibe eingestellt, so erschien sie ihm weifsgelb und sehr hell, bei geringer exzentrischer Fixation nannte er sie sofort rot. Dieses Spiel liefs sich beliebig wiederholen. Da das Skotom, innerhalb dessen sich diese Farbenst\u00f6rung fand, so klein war, dafs stets nur eine der beiden farbigen Scheiben in sein Bereich fiel, so konnte eine Helligkeitsgleichung zwischen roten und gelben Lichtern nicht gewonnen werden, andererseits war eine Yergr\u00f6fserung des Abstandes vom Apparat nicht ratsam wegen der Erschwerung der Erkennung der farbigen Objekte. Die St\u00f6rung liefs sich auf dem rechten, st\u00e4rker betroffenen Auge etwas leichter nachweisen.\nDie Pr\u00fcfung mit dem Anomaloskop konnte mit dem linken Auge nicht durchgef\u00fchrt werden, weil sich auch die kleinste Blende noch als zu grofs erwies. Die Farbenst\u00f6rung war stets nur in einem Teil der \u00e4ufseren H\u00e4lfte der Scheibe vorhanden. Besser gelang es mit dem rechten Auge. Auch hier mufste das kleinste Diaphragma eingeschaltet werden. Wurde dem Patienten nun homogenes Natrium- und Lithiumlicht in den beiden (oberen und unteren) Feldh\u00e4lften eingestellt, so unterschied er zun\u00e4chst mehrere Sekunden lang rot und gelb, wobei","page":21},{"file":"p0022.txt","language":"de","ocr_de":"22\nH. K\u00f6llner.\ner letzteres als schmutzig gelb mit violettem Farbenton be-zeicbnete. Bald sah er jedoch die ganze Scheibe einfarbig weifsgelb und bell, nach seiner Angabe \u00e4hnlich dem Mondlicbt. Um gleiche Helligkeit in beiden Feldb\u00e4lften zu haben, mufste der Spalt des Natriumlichtes auf ca. 50 gestellt werden, w\u00e4hrend f\u00fcr Deuteranopen die Spaltweite bei unserem Apparat 38, f\u00fcr Prota-nopen 19 betr\u00e4gt. Die Deuteranopengleicbung wird von dem Patienten nicht angenommen, das rote Feld erscheint ihm gegen\u00fcber dem gelben zu hell. Kleine Ersch\u00fctterungen des Tisches gen\u00fcgen, um wieder gelb und rot getrennt wahrnehmen zu k\u00f6nnen.\nWird dem Patienten nur homogenes Spektrallicht im Apparat bei weitem Spalt und engstem Diaphragma gezeigt, so nennt er Lichter zwischen der Natrium- und Lithiumlinie ziemlich in gleicher Weise blendend weifslich gelb. Dabei wird in den ersten Augenblicken rot gesehen, das dann \u00fcber dunkelgelb in ein helles gelbweifs \u00fcbergeht. Auch ca. 700 w* wird noch heilgelbweifs genannt , mit zunehmender Wellenl\u00e4nge wird die Farbe jedoch schnell dunkler gelb, w\u00e4hrend 750 nicht mehr farbig gesehen wird, der Patient nimmt nur noch einen schwachen Lichtschimmer wahr, \u201eals ob der Mond hinter Wolken steht\u201c. Das Spektrum zeigt somit, wie ja nicht anders zu erwarten stand, am langwelligen Ende keine Verl\u00e4ngerung, auch vom Normalen wird an unserem Apparat das Spektrum bis ungef\u00e4hr 750 farbig wahrgenommen.\nAm kurzwelligen Ende ist keine Verk\u00fcrzung festzustellen, das Spektrum wird fast bis 400 farbig gesehen, blau und violett werden sicher unterschieden.\nIch versuchte ferner dem Patienten weitere Einstellungen 2 verschiedener homogener Spektralfarben dadurch zu geben, dafs ich den einen Kollimatorspalt ganz schlofs und bis \u00fcber 'die Thalliumlinie hinaus die Wellenl\u00e4nge ver\u00e4nderte. Es zeigte sich, dafs nach l\u00e4ngerem Hinsehen dem Patienten auch gr\u00fcne Lichter (530 ^i) verschwanden und einem intensiven Weifs, hier mehr Bl\u00e4ulich weifs, Platz machten, jedoch nur auf wenige Augenblicke und lange nicht so leicht und anhaltend, wie die Ver\u00e4nderung des roten Lichtes.\nDie f\u00fcr den Normalen geltende RAYLEiGH-Gleichung wurde von dem Patienten ann\u00e4hernd angenommen, jedoch konnte beliebig viel Rot beigemischt werden bis zum reinen Lithiumlicht,","page":22},{"file":"p0023.txt","language":"de","ocr_de":"Unvollkommene Farbenblindheit bei Sehnerverkrankung.\n23\nohne dafs dem Patienten eine Farben\u00e4nderung bemerkbar wurde. Eine erh\u00f6hte Beimischung gr\u00fcnen Lichtes wurde in der Regel schnell empfunden.\nEine genauere Untersuchung des Patienten war wegen der erschwerten Einstellung des kleinen Skotoms nicht m\u00f6glich.\nWir haben es somit in diesem 2. Falle mit einer ganz \u00e4hnlichen Farbenst\u00f6rung zu tun, wie im ersten, d. h. der Patient verh\u00e4lt sich auch hier am langwelligen Ende des Spektrums \u00e4hnlich wie ein Dichromat mit ver\u00e4nderter HelligkeitsVerteilung, die wir vielleicht als Erh\u00f6hung der Erregbarkeit f\u00fcr Rot anzusehen haben. Vielleicht ist die Helligkeitsverschiebung nicht so deutlich ausgepr\u00e4gt wie im 1. Fall, auch fehlt die Verk\u00fcrzung des Spektrums am kurzwelligen Ende, die Ausdehnung der gest\u00f6rten Farbenempfindung im Gesichtsfeld ist ebenfalls wesentlich kleiner. Der Fall bietet jedenfalls insofern eine wichtige Erg\u00e4nzung zu dem vorhergehenden, als festgestellt werden konnte, dafs eine Verl\u00e4ngerung des Spektrums am langwelligen Ende sicher nicht vorhanden war, sondern dafs es sich lediglich um eine ver\u00e4nderte Helligkeits Verteilung innerhalb des an Ausdehnung normalen Spektrums handelte.\nDerartige F\u00e4lle, wie die vorstehend beschriebenen, scheinen mir gar nicht so sehr selten zu sein und die Farbensinnst\u00f6rung k\u00f6nnte vielleicht dabei eine wichtige Rolle f\u00fcr die Diagnose spielen.\nHerrn Professor Nagel spreche ich f\u00fcr die liebensw\u00fcrdige Unterst\u00fctzung meinen verbindlichsten Dank aus.","page":23}],"identifier":"lit33489","issued":"1908","language":"de","pages":"15-23","startpages":"15","title":"Unvollkommene Farbenblindheit bei Sehnerverkrankung","type":"Journal Article","volume":"42"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:32:08.728141+00:00"}