The Virtual Laboratory - Resources on Experimental Life Sciences
  • Upload
Log in Sign up

Open Access

Zur Nomenclatur der Farbensinnsstörungen

beta


JSON Export

{"created":"2022-01-31T17:01:24.962226+00:00","id":"lit33491","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"Nagel, W. A.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 42: 65-68","fulltext":[{"file":"p0065.txt","language":"de","ocr_de":"65\nZur Nomenclatur der Farbensinnsst\u00f6rungen.\nVon\nProf. W. A. Nagel (Berlin).\nDafs der Farbensinn aller anomalen Trichromaten gegen\u00fcber dem der normalen eine gewisse Minderwertigkeit auf weist, kann nach den Mitteilungen von Dondeks sowie nach den in den letzten Jahren gewonnenen Erfahrungen wohl kaum mehr bezweifelt werden. Dafs der Begriff des \u201eanomalen Trichromaten\u201c jedoch sich mit dem des \u201eFarbenschwachen\u201c v\u00f6llig decke, wie Guttmann annimmt, ist meines Erachtens nicht erwiesen. Ich habe allerdings eine Zeitlang auch zu dieser Anschauung hingeneigt, als ich bei jahrelanger Besch\u00e4ftigung mit dem Gegenst\u00e4nde in jeder einzigen Person mit minderwertigem, aber nicht dichromatischem Farbensinn Anomale erkannte. In meinen \u201efortgesetzten Untersuchungen zur Symptomatologie etc.\u201c, in dieser Zeitschrift 41, 251 habe ich dies auch mit dem Vorbehalt mitgeteilt, dafs ich nat\u00fcrlich nicht behaupten wolle, Farbenschw\u00e4che beruhe stets auf anomalem trichromatischem System.\nWie berechtigt diese Zur\u00fcckhaltung war, ergab sich schon w\u00e4hrend des Druckes jener Arbeit, indem ich einen Herrn kennen lernte, der die typischen Erscheinungen der Farbenschw\u00e4che (Unsicherheit namentlich im Erkennen von Gr\u00fcn, Unsicherheit in allen Farben bei sehr kleinem Gesichtsfeld oder geringer Intensit\u00e4t, teilweises Versagen gegen\u00fcber Stillings Tafeln) ausgepr\u00e4gt zeigte, und doch bei Untersuchung mit spektralen Lichtermischungen ein unzweifelhaft \u201enormales\u201c trichro-matisches System aufwies. \u00c4hnliche, wenn auch nicht ganz so ausgepr\u00e4gte F\u00e4lle habe ich seitdem mehrere zu sehen Gelegenheit gehabt.\nAus diesem Grunde vermag ich dem Vorschl\u00e4ge Guttmanns, die Anomalen \u201eFarbenschwache\u201c zu nennen, nicht zuzustimmen,\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 42.\t5","page":65},{"file":"p0066.txt","language":"de","ocr_de":"66\nW. A. Nagel.\nnrnfs ihn vielmehr als direkt irref\u00fchrend bezeichnen. Auch die Bezeichnungen rotschwach und g\u00fcnschwach statt der von v. Kries provisorisch vorgeschlagenen Ausdr\u00fccke rotanomal und gr\u00fcnanomal zu verwenden, scheint mir nicht ratsam.\nNachdem durch die Arbeit der letzten Jahrzehnte aus dem fr\u00fcher so verwirrenden Gesamtbilde der angeborenen Farbensinnsst\u00f6rungen die typischen Formen der totalen und partiellen Farben* blindheit scharf Umrissen herausgehoben worden sind, war es ein weiterer grofser Gewinn, dafs die Vertreter der beiden anomalen triehromatischen Systeme als das Hauptkontingent f\u00fcr die grofse Sammelgruppe der Farbenschwachen erkannt wurden. Wir sollten diesen Gewinn nicht aufs Spiel setzen und einen R\u00fcckschritt machen, indem wir voreilig Farbenschwache und Anomale identifizieren.\nEs kommt noch ein anderer, ein historischer Gesichtspunkt hinzu. Der erste Autor, der den Begriff des schwachen Farbensinns zu definieren und eine Theorie f\u00fcr diese Anomalie zu geben suchte, F. Holmgren,1 fafste als Gruppe der Farbenschwachen ganz sicher nicht das zusammen, was wir heute Anomale nennen, sondern diese fielen f\u00fcr ihn zum Teil unter die nach dem Verhalten gegen die Wollprobe Normalen, w\u00e4hrend andererseits ein sehr grofser Teil der Anomalen in Holmgrens zweite Kategorie, die der unvollst\u00e4ndig Farbenblinden, geh\u00f6rt, wenn man auf Grund des Ausfalls der Wollprobe urteilt (das gilt namentlich f\u00fcr Rotanomale, doch auch f\u00fcr manche Gr\u00fcnanomale).\nTheoretisch suchte sich H. das Wesen des schwachen Farbensinns durch einen gestreckteren Verlauf aller 3 Valenzkurven, also durch geringere Erhebung \u00fcber die Abscissenachse, zu veranschaulichen. Dadurch w\u00fcrde, wie H. mit Recht bemerkt, die besondere Sch\u00e4digung gerade im Gr\u00fcn einigermafsen verst\u00e4ndlich.\nOb es solche F\u00e4lle mit Modifikation aller 3 Komponenten tats\u00e4chlich gibt, wissen wir zur Zeit noch nicht. Dagegen wissen wir, dafs das Valenzkurvensystem der Anomalen dem Holmgren-schen Schema ganz sicher nicht entspricht.\nGerade im jetzigen Stadium der Forschung \u00fcber die anomalen Systeme, wo manches wichtige festgestellt ist, manche Fragen,\n1 Fk. Holmgken, Om den medf\u00f6dda f\u00e4rgblindhetens diagnostik och. teori. Nordist med. Ark. 1874 und: Om F\u00e4rgbiindheten i dess f\u00f6rhallande til jerjiv\u00e4gstraflk och Sj\u00f6v\u00e4sendet. Upsala 1877 (auch deutsch erschienen).","page":66},{"file":"p0067.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Nomenclatur der Farbensinnsst\u00f6rungen.\n67\nzum Teil von prinzipieller theoretischer Bedeutung, aber noch im Dunklen liegen, kann es kein gl\u00fcckliches Bem\u00fchen genannt werden, den in Holmgeens klassischem Werke eingef\u00fchrten Begriff umzupr\u00e4gen.\nF\u00fcr die Formen der dichromatischen Systeme haben sich die Bezeichnungen von v. Keies \u201eProtanopen\u201c und \u201eDeuteranopen\u201c in erfreulicher Weise eingeb\u00fcrgert. Was die Worte rotanomal und gr\u00fcnanomal betrifft, so hat sie v. Keies ausdr\u00fccklich zur vorl\u00e4ufigen Verwendung empfohlen, mit der Begr\u00fcndung, dafs durch x\\uffindung etwaiger neuer Formen sich eine \u00c4nderung der Bezeichnungen als zweckm\u00e4fsig erweisen k\u00f6nnte. Da die nahe Beziehung der beiden bekannten Formen von anomalen Prichromaten zu den beiden Arten der Dichromaten unverkennbar ist, liegt es nahe, die Anomalen mit verminderter Roterregbarkeit als Protanomale, entsprechend den Protanopen, die anderen den Deuteranopen entsprechend als Deuteranomale zu bezeichnen. Aber auch diese \u00c4nderung schiene mir im jetzigen Zeitpunkt verfr\u00fcht, da die Beziehungen zwischen Anomalen und Dichromaten noch nicht hinreichend klar gestellt sind und durch die neuerdings gemachte Erfahrung des gleichzeitigen Vorkommens von anomal-trichromatischem und dichromatischem System in einem und demselben Auge zum mindesten nicht klarer geworden sind.\nEs steht fest, dafs die dichromatischen Systeme Reduktionsformen , die anomal-trichromatischen Alterationsformen, Modifikationen, bzw. Spielarten des gew\u00f6hnlichen trichromatischen Systems sind. Die theoretische Deutung der anomalen Systeme, wie sie A. K\u00f6nig gab, \u2014 Verschiebung einer der beiden Valenzkurven im l\u00e4ngerwelligen Teil des Spektrums, im Sinne der Ann\u00e4herung an die andere \u2014 ist zur Zeit durch keine bessere ersetzt, denn Tscheenings1 Versuch kann doch wohl nur als mifs-gl\u00fcckt gelten.2 Solange wir aber auf dem Boden der K\u00d6NiGschen Auffassung stehen und die Gr\u00fcnanomalen als dadurch charakterisiert annehmen, dafs bei ihnen die Gr\u00fcnkomponente in der \u00fcblichen kurvenf\u00f6rmigen Darstellung der Rotkomponente \u00e4hnlicher verl\u00e4uft als beim normalen Trichromaten, solange m\u00fcssen wir auch die M\u00f6glichkeit offen lassen, dafs es viererlei Typen\n1\tTscherningt, Le daltonisme. X. Congr\u00e8s d\u2019Opht. Luzern. 1904.\n2\tDafs die Valenzkurven sich auch beim Individuum infolge erworbener pathologischer Zust\u00e4nde betr\u00e4chtlich verschieben k\u00f6nnen, habe ich neuerdings in einigen F\u00e4llen \u00fcberraschend deutlich gesehen.\n5*","page":67},{"file":"p0068.txt","language":"de","ocr_de":"68\nW. A. Nagel.\nvon rotgr\u00fcnblinden Dichromaten gebe, n\u00e4mlich Protanopen (Roh blinden) mit normalem und mit anomalem Verlauf der TP-Kurve (Gr\u00fcnwerte), und ebenso zweierlei Deuteranopen mit verschiedenen IP-Kurven (Rotwerten). Ich kenne keinen bestimmten Hinweis auf solche anomal-dichromatischen Systeme, aber ihre M\u00f6glichkeit besteht auf Grund der jetzigen Anschauung wohl. Ob weiteres Eindringen in das Wesen der anomalen Systeme hieran etwas \u00e4ndern wird, mufs dahingestellt bleiben. Die Dinge liegen jedenfalls weit verwickelter, als es auf den ersten Blick scheint. Mit der Ermittlung gewisser, einstweilen als sekund\u00e4r zu bezeichnender, Eigenschaften der anomalen Systeme, zu der Guttmann in der vorstehenden Arbeit einen sch\u00e4tzenswerten Beitrag gegeben hat, sind wir dem Kern des Anomalen-Problems nicht n\u00e4her ger\u00fcckt. Ehe man tiefer ins Innere des Problems eingedrungen ist, sollte meines Erachtens mit m\u00f6glichster Vorsicht weitere Verwirrung vermieden werden. Die Nomenklaturfrage, so geringf\u00fcgig sie an sich scheint, spielt hierbei eine nicht zu untersch\u00e4tzende Rolle.\nAus diesem Grunde kann ich mich den \u00dcberlegungen und Vorschl\u00e4gen Guttmanns bez\u00fcglich der Benennungsfrage nicht anschliefsen. Auch den \u00fcbrigen Ausf\u00fchrungen in der Abhandlung stehe ich fern.\n(Eingegangen am 25. Februar 1907.)","page":68}],"identifier":"lit33491","issued":"1908","language":"de","pages":"65-68","startpages":"65","title":"Zur Nomenclatur der Farbensinnsst\u00f6rungen","type":"Journal Article","volume":"42"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T17:01:24.962232+00:00"}

VL Library

Journal Article
Permalink (old)
http://vlp.uni-regensburg.de/library/journals.html?id=lit33491
Licence (for files):
Creative Commons Attribution-NonCommercial
cc-by-nc

Export

  • BibTeX
  • Dublin Core
  • JSON

Language:

© Universitätsbibliothek Regensburg | Imprint | Privacy policy | Contact | Icons by Font Awesome and Icons8 | Powered by Invenio & Zenodo