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Zum Studium des Bewegungsnachbildes

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{"created":"2022-01-31T13:22:13.685627+00:00","id":"lit33495","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"Szily, A. v.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 42: 109-114","fulltext":[{"file":"p0109.txt","language":"de","ocr_de":"109\nZum Studium des Bewegungsnachbildes.\nVon\nA. v. Szily, Budapest.\nIm Rahmen einer Abhandlung (Bewegungsnaehbild und Bewegungskontrast1) wurden von mir Versuche beschrieben, durch welche es mir gelungen war, in der Erscheinung der sog. Nachbewegung eine Reihe bis dahin unbekannter Eigent\u00fcmlichkeiten aufzudecken. Diese reihten sich den Beweisen f\u00fcr die physiologische Urspr\u00fcnglichkeit der Erscheinung an. Die F\u00fclle des auf einmal Gebotenen mag schuld daran sein, dafs die Beachtung einzelner Versuchsergebnisse weit hinter ihrer Bedeutung zur\u00fcckgeblieben ist. Das veranlafst mich, die Wesenheit des Bewegungsnachbildes in einer h\u00f6chst merkw\u00fcrdigen Erscheinung, durch eindringlichere Gestaltung des Experimentes, jetzt neuerdings zur Anschauung zu bringen.\n*\nDas Vorhandensein eines Bewegungsnachbildes \u00e4ufsert sich an ruhenden Gegenst\u00e4nden in einer Scheinbewegung, die der Richtung des vorhergehenden optischen Bewegungseindruckes entgegengesetzt ist. Diese Scheinbewegung in umgekehrter Richtung ist bisher allen theoretischen Meinungsverschiedenheiten gegen\u00fcber die allbekannte, unumst\u00f6fsliche Tatsache geblieben. Das hat man bei Anstellung der folgenden Versuche im Ged\u00e4chtnisse zu behalten.\nVersuchsanordnung.\nEntsprechend meiner Beobachtung, dafs durch langsame Bewegung dicht angereihter Konturen vor fixiertem Blick Bewegungsnachbilder von h\u00f6chster Intensit\u00e4t zu erzielen sind, habe\n1 Zeitschr. f. Psychol, u. Physiol, d. Sinnesorg. 38, S. 81. 1905.","page":109},{"file":"p0110.txt","language":"de","ocr_de":"110\nA. v. Szily.\nich zu den hier geplanten Versuchen ein System von gleichbreiten schwarz - weifsen Streifen mit 5 mm Konturendistanz in Anwendung gezogen. Die Beschaffung macht keine Schwierigkeit, daman derartig gestreiften Kattun in jeder Leinenhandlnng vorr\u00e4tig h\u00e4lt. Der Stoff wird zwischen zwei kreisrunden Reifen von 1 m Durchmesser auf gespannt, so dafs dadurch ein Hohlzylinder (mit senkrechtem Streifenmuster) von etwa 1 m H\u00f6he entsteht. An einer Stelle wird von oben bis unten ein Spalt von etwa 30 cm Weite freigelassen. Dieser Hohlzylinder wird frei aufgeh\u00e4ngt, so dafs er ohne Hindernis nach rechts und links drehbar ist, und dafs die Augen des Beobachters, der innerhalb der Vorrichtung Platz nimmt, sich daselbst in mittlerer H\u00f6he befinden. Die Innenwand des Zylinders wird durch eine Gl\u00fchlampe beleuchtet.\nZur Ausr\u00fcstung geh\u00f6rt ferner noch: 1. Ein kurzes Sehrohr f\u00fcr beide Augen zur Einengung des Sehfeldes und ein Karton mit mittlerem viereckigem Ausschnitt (Breite etwa 20, H\u00f6he 15 cm) in dessen Zentrum eine Fixationsmarke (Perle auf ausgespanntem Faden) angebracht ist. 2. Ein kleines Kartonblatt, viereckig oder rund, von einer Fl\u00e4chenausdehnung, die derjenigen des Ausschnittes nahezu gleichkommt ; dieses Blatt hat in der Mitte eine Fixationsmarke und ist zum Halten an einen Drahtstiel befestigt. 3. Ein besonderes langgestieltes Fixationszeichen (etwa eine Damenhutnadel mit einfachem Knopf). Als Aufsenraum kann jedes beliebige Zimmer dienen, das dem Blick, wenn er durch den Zylinderspalt nach aufsen f\u00e4llt, eine Wand mit irgend welchen kr\u00e4ftigen Konturen (Bildern oder Gegenst\u00e4nden) darbietet.\nZur Erzielung des optischen Bewegungseindruckes wird der Zylinder von aufserhalb mit gleichbleibender Geschwindigkeit von etwa 2 Grad in der Zeitsekunde gedreht.1 W\u00e4hrend der Dauer der Drehung fixiert der Beobachter im Inneren des Zylinders das nahe an die Wand gehaltene Fixationszeichen (die Perle im Ausschnitt, eventuell den Punkt auf dem Kartonblatt, oder den gestielten Knopf). Es ist zumeist unn\u00f6tig, von dem einen Rande des Spaltes bis zu dem anderen das ganze Liniensystem vor den Augen vorbeizieheu zu lassen. F\u00fcr viele gen\u00fcgt schon eine halbe Umdrehung und noch weniger. Dementsprechend\n1 Langsame Bewegung, bei der das Liniensystem keinerlei Flimmern zeigt, wirkt am g\u00fcnstigsten.","page":110},{"file":"p0111.txt","language":"de","ocr_de":"Zum Studium des Beivegungsnachbildes.\n111\nmufs dann der Zylinder so eingestellt werden, dafs nach Ab-drehung der gew\u00fcnschten Strecke der Spalt nahezu in die Fixationsrichtung f\u00e4llt. Um den empfangenen Reiz nicht abzuschw\u00e4chen, empfiehlt es sich, die Drehung nicht so lange fortzusetzen, bis sich die Einstellung des Spaltes vor der Fixationsmarke g\u00e4nzlich vollzogen hat, sondern schon etwas fr\u00fcher mit pl\u00f6tzlicher Wendung des Kopfes von der Marke fort durch den Spalt zu blicken, indem man zugleich durch verabredeten Zuruf die weitere Drehung des Zylinders einstellen l\u00e4fst.\nVersuchsergebnisse.\nI.\tUm durch Drehung des Liniensystems im Hohlzylinder ein regelrechtes Bewegungsnachbild: Scheinbewegung der ruhenden Gegenst\u00e4nde in entgegengesetzter Richtung hervorzurufen, ist es n\u00f6tig den optischen Bewegungseindruck auf einen verh\u00e4ltnism\u00e4fsig kleinen Teil des Sehfeldes zu beschr\u00e4nken. Das geschieht dadurch, dafs man mit der einen Hand den Karton mit zentralem Ausschnitt an die Wand, mit der anderen Hand das binokulare Sehrohr vor die Augen h\u00e4lt und die Perle im Ausschnitt fixiert.\nZur Erzielung einer guten Nachbewegung ist es in diesem Falle aufserdem noch w\u00fcnschenswert, dafs die Projektionswand schwach beleuchtet sei. Es ist allen Beobachtern bekannt, dafs die Eindringlichkeit der sichtbaren Konturen im zweiten Sehfelde die Erscheinung in ihrer freien Entfaltung hemmt.\nII.\tWenn man jedoch umgekehrt (durch Vorhalten des kleineren Kartons mit zentraler Fixationsmarke) den Bewegungseindruck von der mittleren Partie des Sehfeldes ausschliefst, hingegen von der Peripherie her in weiter Ausdehnung empf\u00e4ngt, stellt sich das \u00fcberraschende, meines Wissens bisher noch von keinem anderen beschriebene Ergebnis ein, dafs die nachfolgende Scheinbewegung mit dem vorhergehenden objektiven Bewegungseindruck gleichgerichtet ist.\nIII.\tVon h\u00f6chster Merkw\u00fcrdigkeit ist die Tatsache, dafs diese gleichgerichtete Nachbewegung auch dann mit gleicher Intensit\u00e4t auftritt, wenn das ganze Sehfeld (ohne jedweden Ausfall) den Be-wegungs eindru ck darbietet. Bei diesem Versuch fixiert man den vorgehaltenen Nadelknopf oder blofs dessen Schattenbild auf der bewegten Wand.","page":111},{"file":"p0112.txt","language":"de","ocr_de":"112\nA. v. Szily.\nDie durch Versuch II und III hervorgerufene Scheinbewegung ist (im Gegensatz zu derjenigen von Versuch I) um so auffallender, je heller beleuchtet die unmittelbar nach empfangenem Bewegungseindruck betrachteten ruhenden Gegenst\u00e4nde sind und je kr\u00e4ftiger sie sich vom Hintergrund abheben.\n*\nAus diesen Versuchen geht zun\u00e4chst hervor, dafs ein gleichgerichteter optischer Bewegungseindruck unter Umst\u00e4nden zweierlei einander entgegengesetzte Nachbewegungserscheinungen her-vorrufen kann.\nWer meine fr\u00fcheren mannigfaltigen Versuche nachgepr\u00fcft hat oder sonst mit dem Gegenst\u00e4nde gen\u00fcgend vertraut ist, d\u00fcrfte mit mir \u00fcberzeugt sein, dafs in der Scheinbewegung, die dem objektiven Bewegungseindruck entgegengesetzt ist (wie im Versuch I), das Bewegungsnachbild direkt zum Ausdruck gelangt. Nun sehen wir, dafs ein Bewegungseindruck von derselben Qualit\u00e4t und der gleichen Richtung, gerade dann, wenn er nahezu das ganze Sehfeld ausf\u00fcllt, eine gleichgerichtete Nachbewegung einleitet. Dafs es sich hier um zwei verschiedene Bewegungsnachbilder handle, ist aus dem Grunde nicht anzunehmen, weil die gleichgerichtete Scheinbewegung, wie wir sofort sehen werden, aus dem Vorhandensein des entgegengesetzten Nachbildes abzuleiten ist.\nHalten wir uns zun\u00e4chst an den Versuch II. Hier war von einem zentralen Teil des Sehfeldes der Bewegungseindruck ausgeschlossen. Diesem Orte entsprechend ist nun w\u00e4hrend des Abklingens des Reizes inmitten des in entgegengesetzter Richtung subjektiv bewegten Sehfeldes eine ruhende Insel vorhanden. In deren Bereich fallende Gegenst\u00e4nde unterliegen einer Scheinbewegung, die offenbar nicht zu dem vorhergehenden Bewegungseindruck, sondern zu dem in der Peripherie abklingenden Be-wegungsnachbilde in direkter Beziehung steht. Es ist somit eine sekund\u00e4re T\u00e4uschung des Sehens ; eine relative Schein-bewegung, die dem Bewegungsnachbilde entgegengesetzt ist, und darum mit dem vorhergehenden Bewegungseindruck gleichgerichtet sein mufs.\nNichts hindert uns, auch f\u00fcr den Versuch III, bei dem das eigentliche Bewegungsnachbild sich auch auf das Zentrum des Sehfeldes erstreckt, dieselbe Erkl\u00e4rung gelten zu lassen. Ich habe","page":112},{"file":"p0113.txt","language":"de","ocr_de":"Zum Studium des Bewegungsnachbildes.\n113\nschon in meiner eingangs erw\u00e4hnten Arbeit auf die h\u00f6here Suszeptibilit\u00e4t der Peripherie f\u00fcr Bewegungsnachbilder hingewiesen, die darin begr\u00fcndet ist, dafs Sehsch\u00e4rfe und Bewegungsempfindlichkeit, die sich zentral so ziemlich die Wage halten, gegen die Peripherie hin nicht gleichm\u00e4fsig abnehmen, sondern so, dafs im exzentrischen Sehen ein erhebliches \u00dcberwiegen der Bewegungsempfindlichkeit Platz greift. Man erinnere sich an den klassischen Nachweis von Exner, dafs im exzentrischen Sehen \u00c4nderungen der Distanz zweier Punkte schon innerhalb jener Grenze, wo sie selbst noch nicht gesondert wahrnehmbar sind, mit voller Deutlichkeit den Eindruck der Bewegung machen. Nun ist es ferner bekannt, dafs die Deutlichkeit des Sehens, namentlich im zentralen Teil des Sehfeldes, die freie Entfaltung des Bewegungsnachbildes hemmt, Dem entspricht es auch, dafs (im Gegensatz zu Versuch I) hellbeleuchtete scharf hervortretende Konturen hier das Versuchsergebnis- beg\u00fcnstigen. Auf jener offenbar sehr weitgehenden Differenz zwischen Peripherie und Zentrum in der Wahrnehmbarkeit des Bewegungsnachbildes beruht zweifellos auch im Versuch III die dem vorhergehenden Bewegungseindruck gleichgerichtete Scheinbewegung. Dem umsichtigen Beobachter wird es \u00fcbrigens kaum entgehen, dafs (namentlich im Anfang der Erscheinung) in der Peripherie und an schw\u00e4cher beleuchteten Stellen des Sehfeldes tats\u00e4chlich ein flimmernder nebelhafter Schleier in entgegengesetzter Dichtung hinzieht.\nWir sind hier derselben zwingenden T\u00e4uschung ausgesetzt, wie bei der Betrachtung eines festgeankerten Nachens inmitten eines Stromes oder des Mondes hinter vor\u00fcbereilenden Wolken. Nur sind wir bei unserem Versuch um so weniger f\u00e4hig, uns von der T\u00e4uschung zu befreien, als die sie veranlassende Be-wegungserscheinung einer subjektiven Empfindung entspricht und mit dem Blick nicht verfolgt werden kann.\nHier mufs daran erinnert werden, dafs Johannes M\u00fcller und sp\u00e4ter Wundt gerade als Grundlage der entgegengesetzten Nachbewegung ein Bewegungsnachbild supponiert haben, das, im Verh\u00e4ltnis zu den im Sehfeld befindlichen Objekten, selbst zu schwach ist, um deutlich wahrgenommen zu werden, jedoch gen\u00fcgt, um entsprechend dem Prinzip der relativen Bewegungsvorstellung auf das fixierte ruhende Objekt die zu seiner eigenen Bewegung entgegengesetzte Bewegung zu \u00fcbertragen (Wundt). Das w\u00e4re also ein der vorher angeschauten Bewegung gleich-","page":113},{"file":"p0114.txt","language":"de","ocr_de":"114\nA. v. Szily.\ngerichtetes Bewegungsnachbild. Diese theoretische Annahme fand, in j\u00fcngster Zeit einen neuen Vertreter in WIlliam Steen.\nDem gegen\u00fcber suchte ich in meiner wiederholt erw\u00e4hnten Arbeit den experimentellen Nachweis zu liefern, dafs es in der Tat ein Bewegungsnachbild gibt, welches aber dem objektiven Bewegungseindruck entgegengesetzt ist. Warum es untei gewissen Umst\u00e4nden (blofs auf einen verh\u00e4ltnism\u00e4fsig kleinen Teil des Sehfeldes beschr\u00e4nkt) eine Scheinbewegung der ruhenden Gegenst\u00e4nde in seiner eigenen Richtung veranlafst, mag vorderhand als unerkl\u00e4rt hingestellt sein. Wenn aber, vielleicht gerade darum, bez\u00fcglich des entgegengesetzten Bewegungsnachbildes noch immer Zweifel bestehen, so finden wir die unumst\u00f6fslichen Beweise seines Vorhandenseins in der dem vorhergehenden Bewegungseindruck gleichgerichteten Scheinbewegung und deren Nebenerscheinungen bei den oben beschriebenen Versuchen.\n(Eingegangen am 26. April 1907.)","page":114}],"identifier":"lit33495","issued":"1908","language":"de","pages":"109-114","startpages":"109","title":"Zum Studium des Bewegungsnachbildes","type":"Journal Article","volume":"42"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:22:13.685635+00:00"}

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