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{"created":"2022-01-31T16:32:22.735342+00:00","id":"lit33504","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"Siv\u00e9n, V. O.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 42: 224-228","fulltext":[{"file":"p0224.txt","language":"de","ocr_de":"224\nEinige Bemerkungen \u00fcber die Wirkung von Santonin\nauf die Farbenempfindungen.\nEine Antwort an Herrn Vaughan.\nVon\nY. 0. Siven (Helsingfors, Finnland).\nUnter dem obigen Titel ver\u00f6ffentlicht Herr Vaughan 1 einige Untersuchungen \u00fcber die Einwirkung des Santonins auf den Farbensinn, welche er unter der Leitung Prof. Nagels ausf\u00fchrte um die fr\u00fcheren Versuche von v. Wendt und mir zu kontrollieren.\nIn der Hauptsache stellt Herr Vaughan die Richtigkeit unserer Beobachtungen fest. Gleichwohl scheint mir, als ob er nicht alle die technischen Hilfsmittel, die ihm zu Gebote standen, angewandt hat um tiefer in die Frage einzudringen, sondern sich mit einer ziemlich oberfl\u00e4chlichen Untersuchung begn\u00fcgte. So z. B. benutzte Vaughan zur Untersuchung des Unterschiedes zwischen dem peripheren und dem zentralen Sehen nicht den Perimeter, welcher doch sicherere Resultate liefert als die primitive Anordnung von Papierbl\u00e4ttchen auf einer schwarzen Fl\u00e4che, die in verschiedenen Abst\u00e4nden betrachtet werden. Ferner vermifst man eine Untersuchung der eigent\u00fcmlichen Gelbblindheit im Halbdunkel mit gleichzeitig erhaltener Perzeption f\u00fcr Rot und Gr\u00fcn. Diesen besonders interessanten und speziell f\u00fcr die HELMHOLTzsche Farbentheorie bedeutungsvollen Umstand konnten v. Wendt und ich nicht n\u00e4her untersuchen, da unser Laborato-\n1 Zeitschr. f. Sinnesphysiologie 41, S. 399, 1907.","page":224},{"file":"p0225.txt","language":"de","ocr_de":"Einige Bemerkungen \u00fcber die Wirkung von Santonin etc. 225\nrium keinen Apparat f\u00fcr die Mischung von Spektralfarben besitzt. Da Prof. Nagel in seiner Kritik unserer ersten Abhandlung speziell diese Beobachtung ber\u00fchrt, so hatte ich erwartet diese Frage in Herrn Vaughans Aufsatz ausf\u00fchrlich behandelt zu finden. Dies ist aber nicht der Fall. Nur beil\u00e4ufig sagt Vaughan, dafs ein \u201eorangefarbenes Papier im Halbdunkel\u201c rosa erscheint, \u201esowie es Siv\u00e9n und v. Wendt beschrieben hatten\u201c, erw\u00e4hnt aber nicht, ob gleichzeitig die Perzeption f\u00fcr Rot und Gr\u00fcn erhalten war. F\u00fcr einen Anh\u00e4nger der HELMHOLTzschen Farbentheorie w\u00e4re es gleichwohl von Bedeutung gewesen, diese Frage er\u00f6rtert zu sehen, da sie auf das Engste mit dem Sein oder Nichtsein der Theorie zusammenh\u00e4ngt. Ein derartiger Tatbestand ist bekanntlich mit dieser Theorie absolut unvereinbar.\nEiner der interessantesten Umst\u00e4nde bei der Santoninver-giftung ist \u2014 wie v. Wendt und ich fanden \u2014, dafs die Netzhautperipherie sich anders verh\u00e4lt als die Makula, so zwar, dafs das Gelbsehen an die erstere gebunden ist, w\u00e4hrend die letztere fortfahrend normale Farbenempfindungen vermittelt. Da dieses Verhalten nach Vaughan mit Nagels fr\u00fcheren Untersuchungen nicht \u00fcbereinstimmt, so hat Vaughan eine Nachpr\u00fcfung vorgenommen, wobei er die Richtigkeit unserer Untersuchungen konstatiert. \u201eHerr Prof. Nagel hatte\u201c \u2014 sagt Vaughan hierauf \u2014 \u201efr\u00fcher ausgepr\u00e4gtes Gelbsehen auch an nur foveal sichtbaren Objekten konstatiert und auch der mit ihm beobachtende normale Trichromat Dr. Piper kam zu dem gleichen Ergebnis\u201c. Auf Grund dieser \u00c4ufserung Herr Vaughans sollte man glauben, dafs Nagel und Piper diese Frage fr\u00fcher untersucht und ihre Aufmerksamkeit speziell auf einen etwaigen Unterschied zwischen der Fovea und der Netzhautperipherie w\u00e4hrend der Santoninvergiftung gerichtet h\u00e4tten. Ich meinerseits kenne keine einzige Stelle in den fr\u00fcheren Arbeiten Nagels und Pipers, die auf etwas derartiges hinweisen w\u00fcrden. Aus den ver\u00f6ffentlichten Versuchen Nagels \u00fcber die Einwirkung des Santonins auf den Farbensinn ergibt sich \u2014 soweit ich finden kann \u2014, dafs er nicht einmal an eine solche M\u00f6glichkeit gedacht hat. Durch einen reinen Zufall entdeckten v. Wendt und ich diesen interessanten Tatbestand, und erst nach unserer Beobachtung gelangte diese Frage zur Diskussion.\nDafs das Ph\u00e4nomen nicht fr\u00fcher von Nagel beobachtet","page":225},{"file":"p0226.txt","language":"de","ocr_de":"226\nV. 0. Siv\u00ean.\nwurde, w\u00fcrde nach Vaughan darauf beruhen, dafs es nur bei schw\u00e4cherer Beleuchtung hervortritt und hierin l\u00e4ge auch die Erkl\u00e4rung zu Nagels und meinem tats\u00e4chlichen Widerspruche.\nVaughan untersuchte daher das Ph\u00e4nomen n\u00e4her bei wechselnder Lichtintensit\u00e4t1 und findet, dafs bei ziemlich schwacher Beleuchtung dasselbe Ergebnis wie bei den Versuchen mit Tageslicht erhalten wurde, d. h. der mittlere Fleck konnte weifs gesehen werden. Bei Erh\u00f6hung der Lichtst\u00e4rke perzipiert die Makula schwach gelb und bei starker Intensit\u00e4t des Lichtes erscheint das fixierte weifse Papierbl\u00e4ttchen ebenso gelb wie die \u00fcbrigen Bl\u00e4ttchen.\nMir scheint jedoch Vaughans Versuchsanordnung nicht ganz gl\u00fccklich gewesen zu sein, da er k\u00fcnstliche Beleuchtung anwandte und das k\u00fcnstliche Licht. bekanntlich nie so rein weifs zu erhalten ist wie das Sonnenlicht. Bei starkem Sonnenlicht konnten v. Wendt und ich konstatieren, dafs in der Santoninvergiftung die Makula fortfahrend weifs perzipiert. Ganz beliebig tritt das Ph\u00e4nomen bei vollst\u00e4ndig lichtadaptiertem Auge hervor und ist in keiner Weise vom Adaptionszustande des Auges abh\u00e4ngig. Auch Vaughan findet, dafs die Santonin Vergiftung durchaus nicht auf die Dunkeladaption influiert.\nAber selbst, wenn die Beobachtung Vaughans, dafs bei starker Lichtintensit\u00e4t auch die Makula Sitz von Farbenst\u00f6rungen sei, richtig w\u00e4re, was ich aus oben angef\u00fchrten Gr\u00fcnden nicht als v\u00f6llig bewiesen ansehen kann, so ist doch sowohl durch v. Wendts und meine als jetzt zuletzt durch Vaughans und Nagels Versuche festgestellt, dafs Netzhautperipherie und Makula sich w\u00e4hrend der Santoninvergiftung verschieden verhalten. Mit logischer Notwendigkeit ist aus diesem Tatbestand der Schlufs zu ziehen, dafs das Santonin in erster Eeihe die Netzhautelemente angreift, die sich in der Peripherie befinden, die Elemente in der Makula aber frei l\u00e4fst. Und dieses Verhalten l\u00e4fst sich durchaus nicht durch die v. KRiESsche Duplizit\u00e4tstheorie erkl\u00e4ren. \u2014\nWenn nun \u2014 wie v. Kries und seine Schule behaupten \u2014 nur die Zapfen den chromatischen Apparat bildeten, so w\u00e4re zu erwarten, dafs die durch das Santonin hervorgerufene Farben-\n1 Die Beleuchtung wurde durch eine Projektionsbogenlampe erzeugt.","page":226},{"file":"p0227.txt","language":"de","ocr_de":"Einige Bemerkungen \u00fcber die Wirkung von Santonin etc.\n227\nSt\u00f6rung sich, gerade in der Makula am st\u00e4rksten zu erkennen geben w\u00fcrde. Das intensivste Gelbsehen mufste durch diese vermittelt werden, w\u00e4hrend in der Netzhautperipherie, wo nach der v. KaiESschen Lehre die farbenblinden St\u00e4bchen dominieren, dieses Gelbsehen weniger ausgepr\u00e4gt sein m\u00fcfste. Nun verh\u00e4lt es sich aber gerade umgekehrt und dieser Umstand scheint mir in hohem Grade gegen die v. K\u00dfiESsche Theorie zu sprechen, abgesehen von vielen anderen Tatsachen, welche ich schon fr\u00fcher hervorgehoben habe.\nAus dem Umstande, dafs die Fovea bei Santoninvergiftung \u201eunter geeigneten Umst\u00e4nden \u00fcberhaupt\u201c gelb perzipieren kann, zieht Vaughan den Schlufs, dafs die Theorie, nach welcher die Violettempfindung durch die St\u00e4bchen vermittelt w\u00fcrde und das Gelbsehen im Santoninrausche auf Beeinflussung gerade der St\u00e4bchen und des Sehpurpurs Zusammenh\u00e4ngen soll, jeglicher St\u00fctze ermangele.\nIch habe oben die Gr\u00fcnde meiner Deutung des Ph\u00e4nomenes dargelegt und kann nicht umhin hervorzuheben, dafs Herrn Vaughans Beweisf\u00fchrung gezwungen und hinkend erscheint. Mit Fug l\u00e4fst sich fragen, wie Herr Vaughan den auch von ihm selbst w\u00e4hrend der Santoninvergiftung konstatierten Tatbestand erkl\u00e4ren will, dafs bei gew\u00f6hnlichem Tageslichte die Makula normale Farbenempfindungen (weifs) vermittelt, w\u00e4hrend die Netzhautperipherie gelb sieht? Wie stimmt dies mit der Theorie \u00fcberein, dafs die Zapfen die einzigen farbenperzipierenden Apparate seien?\nWie dem auch sei, soviel ergibt sich gleichwohl aus Vaughans und meinen Untersuchungen, dafs die Farbenst\u00f6rungen im Santoninrausche in erster Reihe in der Netzhautperipherie hervortreten.\nBei der Deutung dieser Tatsache k\u00f6nnen die Meinungen geteilt sein.\nIch meinerseits habe ohne jede vorgefafste Meinung nach der ungezwungensten Erkl\u00e4rung des Ph\u00e4nomenes gesucht und schien mir die von mir dargelegte Ansicht das Verh\u00e4ltnis am besten und einfachsten zu deuten, ebenso wie die Theorie von den St\u00e4bchen als Vermittlern der Farbenempfindungen des kurzwelligen Lichtes auch die Erkl\u00e4rung vieler anderer Fakta in der Farbenlehre bietet (z. B. des PuBKiNJEschen Ph\u00e4nomenes, der","page":227},{"file":"p0228.txt","language":"de","ocr_de":"228\nV. 0. Siv\u00e9n:\nBlaublindheit bei der Hemeralopie, der eigent\u00fcmlichen Ausbreitung des Gesichtsfeldes f\u00fcr verschiedene Farben usw.).\nSchliefslich will ich noch erw\u00e4hnen, dafs ich k\u00fcrzlich in der Lage war einen Fall von ikterischem Gelbsehen zu untersuchen und auch bei dieser Farbenst\u00f6rung die gleiche eigent\u00fcmliche Lokalisation derselben konstatieren konnte wie beim santoninvergifteten Auge.1\n1 Skandinav. Archiv 19. 1907.\n(Eingegangen am 25. Juli 1907.)","page":228}],"identifier":"lit33504","issued":"1908","language":"de","pages":"224-228","startpages":"224","title":"Einige Bemerkungen \u00fcber die Wirkung von Santonin auf die Farbenempfindungen: Eine Antwort an Herrn Vaughan [anl\u00e4\u00dflich Vaughans Artikel \"Einige Bemerkungen \u00fcber die Wirkung von Santonin etc.\", Zeitschr. f. Sinnesphysiol., 1907, Bd. 41, S. 399-407]","type":"Journal Article","volume":"42"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:32:22.735348+00:00"}