The Virtual Laboratory - Resources on Experimental Life Sciences
  • Upload
Log in Sign up

Open Access

Eine Notiz über Farbenermüdung

beta


JSON Export

{"created":"2022-01-31T15:40:25.187104+00:00","id":"lit33545","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"Wanach, Bernhard","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 43: 443-446","fulltext":[{"file":"p0443.txt","language":"de","ocr_de":"443\nEine Notiz \u00fcber Farbenerm\u00fcdung.\nVon\nProf. Bernhard Wanach,\nObservator am K\u00f6nigl. geod\u00e4tischen Institut Potsdam.\nVerharrt man einige Zeit in solcher Stellung, dafs eine Lichtquelle (Fenster oder Lampe) seitlich nur auf das eine Auge \u25a0wirkt, so erscheint eine w^eifse Fl\u00e4che dem beleuchteten Auge gr\u00fcnlich oder bl\u00e4ulich, dem beschatteten r\u00f6tlich oder gelblich. Diese schon von Smith ton Fochambers beschriebene und von Ernst Br\u00fccke erkl\u00e4rte Erscheinung (s. Helmholtz, Physiologische Optik, 2. Aufh, S. 562) erregte dadurch mein besonderes Interesse, dafs ich ganz unabh\u00e4ngig schon als Knabe darauf aufmerksam geworden war. Herr Prof. Dr. W. Naoel hatte die Liebensw\u00fcrdigkeit, mir die eingehenden Untersuchungen von Prof. S. Exnee \u00fcber diesen und einige \u00e4hnliche Versuche in der Festschrift Adole Lieben (Wien 1906, S. 332\u2014338) zug\u00e4nglich zu machen. Der folgende einfache Versuch scheint mir zu zeigen, dafs bei der Erkl\u00e4rung dieser Erscheinungen noch ein auch von Exner nicht ber\u00fccksichtigter Faktor eine wesentliche Rolle spielt, n\u00e4mlich die verschiedene Erm\u00fcduntgsgeschwindigkeit des Auges f\u00fcr verschiedene Farben.\nSehe ich 10\u201420 Sekunden lang mit einem Auge durch ein 2 mm grofses Loch in einem dicht vor das Auge gehaltenen schwarzen Schirm nach der Milchglaskuppel einer brennenden Lampe (Petroleum oder Gasgl\u00fchlicht), und halte das andere Auge geschlossen, so erscheint die Lampe dem erholten Auge sofort viel r\u00f6tlicher, selbst vrenn ich es nicht mit der Hand verdeckt hatte, sondern dem schwachen diffusen roten Licht, das durch die Augenlieder eindrang, ausgesetzt liefs (beleuchte ich aber das geschlossene Auge intensiv, etwa durch eine dicht davor gehaltene Gl\u00fchlampe, so kehrt sich die Erscheinung um, wie zu erwarten war). Von einer f\u00fcr Rot erm\u00fcdenden Wirkung des diffusen roten Lichts, das bei dem Versuch von Smith von der Lichtseite durch die Sclerotica eindringt, kann hier, da der schwarze Schirm alles\n9Q\nZeitsclir. f. Sinnesphysiol. 13.","page":443},{"file":"p0444.txt","language":"de","ocr_de":"444\nBernhard Wanach.\nseitliche Licht abblendet, keine Rede sein. Bei den Blitzversuchen von Exner ist gewifs die von ihm gegebene Erkl\u00e4rung ersch\u00f6pfend ; Exxer macht aber (1. c. S. 337) schon selbst darauf aufmerksam, dafs hierbei der Farbenkontrast weniger kr\u00e4ftig auf tritt. Die gr\u00f6fsere Deutlichkeit des Kontrastes bei andauernder Belichtung schien mir schon darauf hinzudeuten, dafs das Auge f\u00fcr die schw\u00e4cher brechbaren Strahlen schneller erm\u00fcdet, als f\u00fcr die brechbareren, und durchaus not wendig erscheint mir diese Annahme zur Erkl\u00e4rung meines oben geschilderten Versuchs. Noch deutlicher tritt diese Erm\u00fcdung bei folgender Versuchsanordnung zutage : betrachte ich einen weifsen, wenige cm breiten vertikalen Streifen auf schwarzem Grunde mit parallel gerichteten Augenachsen (Exn\u00e9es Versuch 1. c. S. 333), beleuchte aber den Streifen durch eine hinter mir stehende Lichtquelle, so erscheinen die beiden Bilder zun\u00e4chst nat\u00fcrlich gleich. Schalte ich hierauf ein Gl\u00fchl\u00e4mpchen dicht neben dem einen Auge ein (obwohl es kaum n\u00f6tig sein d\u00fcrfte, setzte ich einen Schirm zwischen Gl\u00fchl\u00e4mpchen und Streifen), so nimmt der Farbenunterschied der beiden Bilder zwar schnell, aber deutlich fortschreitend zu, und erreicht erst nach mehreren Sekunden das Maximum der S\u00e4ttigung; schalte ich das Gl\u00fchl\u00e4mpchen wieder aus, so bleibt der Farbenunterschied anfangs fast unver\u00e4ndert bestehen und schwindet erst nach mehreren Minuten ganz, nimmt jedenfalls viel langsamer ab, als er zuerst zunahm. Bei diesem Versuch w\u00e4re freilich die Erkl\u00e4rung m\u00f6glich, dafs die Erm\u00fcdung des bestrahlten Auges f\u00fcr Rot durch das diffuse rote Licht, das die Sclerotica durchl\u00e4fst, bewirkt wird, nicht aber bei meinem Schirm versuch.\nDafs das Auge f\u00fcr die brechbareren Strahlen weniger schnell erm\u00fcdet, zeigt sich auch an der Farbe des Nachbildes eines nur 1 Sekunde lang angesehenen Osraml\u00e4mpchens mit Nickelreflektor, wenn man den Blick danach auf eine weifse Fl\u00e4che richtet1; besonders 7\u20148 Sekunden nach der Blendung erscheint mir dann das Nachbild prachtvoll violett, nach l\u00e4ngerer Blendung (4 Sekunden) ist es bl\u00e4ulicher, bei 10 Sekunden nur dunkel ohne ausgesprochene F\u00e4rbung. Ob die E r m \u00fc d u n g s geschwindigkeit f\u00fcr die verschiedenen Farben sich gleichm\u00e4fsig mit der Wellenl\u00e4nge, oder vielleicht sprungweise \u00e4ndert, ist mir nicht gelungen festzustellen ;\n1 Die Beleuchtung dieser Fl\u00e4che darf nicht zu grell sein ; am besten ist eine Petroleumlampe. Bei hellem Tageslicht (Sonnenschein und Schnee) tritt das Violett kaum merklich hervor.","page":444},{"file":"p0445.txt","language":"de","ocr_de":"Eine Notiz \u00fcber Farbenerm\u00fcdung.\n445\ndafs aber die Erholung fast sprungweise f\u00fcr ganze Farbengruppen eintritt, scheint mir aus der Farbenfolge von Blendungsnachbildern bei l\u00e4ngerer Dauer der Blendung hervorzugehen. Fixiere ich 1 Minute lang eine Petroleumflamme und schliefse darauf die Augen, so erscheint mir das Nachbild zun\u00e4cht hell gr\u00fcnlich gelb ; der Rand wird sehr bald r\u00f6tlich purpurfarbig und breitet sich, immer mehr violett werdend, langsam nach innen aus. Nach s/4 Minuten etwa wird der \u00e4ufserste Rand dunkel gr\u00fcnlich blau und die Purpurzone zwischen ihm und dem gr\u00fcngelben Kern wird immer enger, bis schliefslich der Kern selbst rein violett geworden ist und ziemlich gleichzeitig mit der schwarz-blauen Umgebung verschwindet. Merkw\u00fcrdig ist dabei, dafs die Verdr\u00e4ngung des gelben Kerns durch den Purpurrand nicht stetig fortschreitet, sondern dafs zeitweilig stofsweise ein Zur\u00fcckdr\u00e4ngen des Randes, eine kurzdauernde Ausbreitung des Kerns auf-tritt; ferner, dafs die Farben des Nachbildes, wenn ich eine weifse Fl\u00e4che ansehe, keineswegs komplement\u00e4r zu denen beigeschlossenen Augen verlaufen. Auf der weifsen Fl\u00e4che erscheint anfangs ein farblos dunkles Nachbild; nachher, wenn ich bei geschlossenen\nAugen im Kern noch genau dasselbe gr\u00fcnliche Gelb wahrzu-\n\u2022 \u2022\nnehmen glaube, erscheint beim Offnen der Augen auf der weifsen Fl\u00e4che momentan ein tief blaugr\u00fcnes, im Laufe etwa einer Viertelsekunde in Violett umschlagendes Nachbild, dessen Rand aber blaugr\u00fcn bleibt; vorher kommt es zuweilen auch vor, dafs ich beim Offnen der Augen auf der weifsen Fl\u00e4che em blaugr\u00fcn umrandetes, im Kern ganz ebenso hell gr\u00fcngelbes Nachbild sehe, wie mit geschlossenen Augen.\nDas Nachinnenwandern der Farbenzonen des Nachbildes mag zum Teil an der Unm\u00f6glichkeit starren Fixierens liegen, wodurch die Partien der Retina, auf die der Rand des Flammenbildes f\u00e4llt, zeitweise unbelichtet bleiben und daher weniger stark erm\u00fcden; da ich aber bei dem Versuch bis 20 cm an die 2 cm breite Flamme herankam und mich bem\u00fchte, ein Luftbl\u00e4schen im Lampenzylinder m\u00f6glichst fest zu fixieren, so glaube ich sicher, dafs nur ein sehr schmaler Rand des Flammenbildes nicht dauernd auf dieselben Netzhautstellen fiel ; zum Bewufstsein kamen mir wenigstens nur zeitweilige kurze Abweichungen der Fixationsrichtung um h\u00f6chstens 3/20 der Flammenbreite. Da der gr\u00fcngelbe Kern des Nachbildes trotzdem ganz allm\u00e4hlich von der\nvollen Ausdehnung des Flammenbildes bis zu einem ganz kleinen\n29*","page":445},{"file":"p0446.txt","language":"de","ocr_de":"446\nBernhard Wanach.\nFleckchen einschrumpft, namentlich auch von oben und unten aus, so glaube ich annehmen zu m\u00fcssen, dafs die Erm\u00fcdung der Macula lutea am l\u00e4ngsten dauert, und dafs die benachbarten Netzhautpartien sich desto schneller erholen, je weiter sie vom gelbem Fleck entfernt sind. Vor allem aber m\u00fcfsten, wenn die Erholungsgeschwindigkeit f\u00fcr die Farben sich ganz gleichm\u00e4fsig mit der Wellenl\u00e4nge \u00e4ndern w\u00fcrde, die Grenzen zwischen den verschiedenfarbigen Teilen des Nachbildes viel allm\u00e4hlicher verlaufen, als es in der Tat der Fall ist; sie sind im Gegenteil so scharf, dafs ich durchaus keine Ubergangsfarbe zwischen dem Gr\u00fcngelb und Purpur und zwischen diesem und dem Blaugr\u00fcn wahrnehme. \u00dcbrigens k\u00f6nnte die Tatsache vielleicht farbentheoretisch verwertbar sein, dafs die beiden Komponenten des Purpur, Violett und Kot, gerade komplement\u00e4r zu Gr\u00fcngelb und Blaugr\u00fcn sind ; bemerkenswert ist auch, dafs die Purpurzone anfangs, wo der gr\u00fcngelbe Kern vorherrscht, nicht etwa komplement\u00e4r dazu, also violett erscheint, und am Schlufs, wo der blaugr\u00fcne Rand vorherrscht, r\u00f6tlicher wird, sondern gerade umgekehrt.\nNoch eine interessante Erscheinung, f\u00fcr die ich keine Erkl\u00e4rung zu geben weifs, mag hiermit der Beachtung der Physiologen empfohlen sein. Bei astronomischen Messungen wird das Gesichtsfeld des Beobachtungsfernrohrs in der Regel durch schwaches diffuses Licht beleuchtet, um die Mikrometerf\u00e4den als dunkle Linien auf schwach hellem Grunde sichtbar zu machen. Je lichtschw\u00e4chere Sterne man beobachten will, desto schw\u00e4cher mufs nat\u00fcrlich die Feldbeleuchtung gew\u00e4hlt werden, und man kommt schliefslich an eine Grenze, wo man bei weiterer Schw\u00e4chung der Feldbeleuchtung die F\u00e4den, bei hellerem Felde den Stern nicht mehr wahrnimmt. W\u00e4hlt man nun zur Feldbeleuchtung statt gew\u00f6hnlichen weifsen Lichtes rotes, so kann man viel schw\u00e4chere Sterne (von etwa halber Helligkeit) beobachten. Die zun\u00e4chst ganz plausibel erscheinende Erkl\u00e4rung durch den Kontrast des weifsen Sternlichts gegen das rote Feld gen\u00fcgt aber nicht, denn ein anders, etwa gr\u00fcn oder blau gef\u00e4rbtes Feld bietet keinen merklichen Vorteil gegen das weifse. Diese Erscheinung tritt nicht etwa individuell auf, sondern ist auf mehreren Sternwarten stets mit demselben Erfolge in Benutzung genommen worden.\n(Eingegangen am 28. Dezember 1908.)","page":446}],"identifier":"lit33545","issued":"1909","language":"de","pages":"443-446","startpages":"443","title":"Eine Notiz \u00fcber Farbenerm\u00fcdung","type":"Journal Article","volume":"43"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:40:25.187110+00:00"}

VL Library

Journal Article
Permalink (old)
http://vlp.uni-regensburg.de/library/journals.html?id=lit33545
Licence (for files):
Creative Commons Attribution-NonCommercial
cc-by-nc

Export

  • BibTeX
  • Dublin Core
  • JSON

Language:

© Universitätsbibliothek Regensburg | Imprint | Privacy policy | Contact | Icons by Font Awesome and Icons8 | Powered by Invenio & Zenodo