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Die Umkehr des Versuchs von Aristoteles

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{"created":"2022-01-31T16:31:14.252773+00:00","id":"lit33547","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"Ewald, J. Rich.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 44: 1-4","fulltext":[{"file":"p0001.txt","language":"de","ocr_de":"1\n(Aus dem physiologischen Institut der Universit\u00e4t Strafsburg.)\nDie Umkehr des Versuchs von Aristoteles.\nVon\nJ. Rich. Ewald.\nF\u00fcr die Physiologie des Tastsinnes ist der Versuch des Aristoteles von grofser Wichtigkeit. Er beruht bekanntlich darauf, dafs eine von zwei gekreuzten Fingern ber\u00fchrte Kugel Tastempfindungen ausl\u00f6st, welche von zwei Kugeln auszugehen scheinen. Es braucht hier weder auf eine genaue Beschreibung des Versuchs noch auf seine Erkl\u00e4rung eingegangen zu werden. Man findet beides in der trefflichen Arbeit von Henki \\ die auch die einschl\u00e4gige Literatur ber\u00fccksichtigt. Nur der Einflufs der Gew\u00f6hnung auf den Erfolg des Versuchs, den ich an mir beobachtet habe, sei bei dieser Gelegenheit kurz erw\u00e4hnt.\nBei Anstellung des Versuchs soll man die Finger nicht sehen, denn die \u201eIllusion\u201c wird weniger deutlich oder verschwindet ganz, wenn man die Finger, die die Kugel ber\u00fchren, w\u00e4hrend des Versuchs betrachtet, auch ist dies, wenn auch nur in geringerem Mafse schon der Fall, wenn man sich die Lage der gekreuzten Finger m\u00f6glichst klar vorstellt. Dieser Einflufs der Versuchsbedingungen auf den Erfolg ist von vielen Beobachtern hervorgehoben worden. Ich habe nun den Versuch w\u00e4hrend einiger Tage hunderte von Malen in der Weise wiederholt, dafs ich dabei mit gr\u00f6fster Aufmerksamkeit meine Finger und die Kugel betrachtete. Der Erfolg war ein sehr deutlicher. Die Illusion kam bald nicht mehr zustande, wenn ich auf die Finger sah und war schliefslich am Ende der Versuche \u00fcberhaupt nicht mehr hervorzurufen, auch dann nicht mehr, wenn ich die Finger nicht\n1 Victor Henri. \u00dcber die Raumwahrnehungen des Tastsinnes. Berlin. Verlag von Reuther u. Reichard. 1898.\nZeitschr. f. Sirmesphysiol. 44.\n1","page":1},{"file":"p0002.txt","language":"de","ocr_de":"2\nJ. Rich. Eivald.\nbetrachtete und gar nicht an die Lage der Finger dachte. Ich hatte also die F\u00e4higkeit des Doppelf\u00fchlens der Kugel verloren\u00bb Aber nicht f\u00fcr die Dauer. Nach einer Pause von wenigen Tagen trat die Illusion wieder deutlich hervor. Ich bin daher \u00fcberzeugt, dafs hier keine angeborene Funktion der tastenden Handfl\u00e4che vorliegt und dafs, wenn jemand von Jugend auf oft den Mittel- und Zeigefinger in der Weise, wie es der Versuch verlangt, zu halten gezwungen w\u00e4re \u2014 etwa infolge einer fehlerhaften Stellung der Finger nach einem operativen Eingriff \u2014 bei ihm die Illusion niemals eintreten w\u00fcrde.\nWenn man den Versuch des Aristoteles im Kolleg bespricht, bedient man sich mit Vorteil der folgenden 3 Abbildungen.\nEs stellt A dar, welche Punkte der Finger bei Anstellung des Versuchs ber\u00fchrt werden. B zeigt die normale Lage der Finger, bei der nur eine Kugel gef\u00fchlt wird und bei C sieht man, wo die bei A ber\u00fchrten Hautpunkte bei gew\u00f6hnlicher Stellung der Finger sich befinden und bemerkt, dafs diese Punkte unter diesen normalen Verh\u00e4ltnissen eben nur von zwei Kugeln gleichzeitig ber\u00fchrt werden k\u00f6nnen.\nDa nun bei A eine Kugel mit gekreuzten Fingern gef\u00fchlt wird, wie mit ungekreuzten Fingern zwei Kugeln bei C gef\u00fchlt v/erden, so war zu untersuchen, ob auch zwei Kugeln, die in Wirklichkeit die Finger ber\u00fchren, wie es bei B die eine Kugel tut, mit gekreuzten Fingern als eine Kugel gef\u00fchlt werden, so dafs die umgekehrte Illusion zustande kommt.\nDer Versuch wurde folgendermafsen ausgef\u00fchrt. Am Ende von zwei etwa 5 cm langen dicht gewundenen Spiralen aus Stahl-","page":2},{"file":"p0003.txt","language":"de","ocr_de":"Die Umkehr des Versuchs von Aristoteles.\n3\ndraht war je eine kleine Kugel von 7 mm Durchmesser angebracht. Die Spiralen waren auf fester Grundlage derart befestigt, dafs sie aufrecht stehend nach oben konvergierten. Die beiden Kugeln hatten daher nur geringen Abstand voneinander, konnten aber leicht nach jeder Richtung hin bewegt und voneinander entfernt werden, da ja die Spiralen jede Biegung zuliefsen. Brachte man nun die gekreuzten Finger \u2014 man benutzt am besten immer den Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand \u2014 so zwischen die Kugeln, dafs diese die gekreuzten Finger von aufsen her ber\u00fchrten, also die linke Kugel an die Daumenseite des Mittelfingers und die rechte Kugel an die Kleinfingerseite des Zeigefingers zu liegen kam, und bewegte man \u2014 wie es bei diesen Versuchen immer n\u00f6tig ist \u2014 die Finger etwas um die Kugeln herum, so hatte man deutlich den Eindruck nur eine Kugel zu f\u00fchlen, die man von verschiedenen Seiten her betastet.\nDer Versuch ist aber in dieser Form nicht so leicht auszuf\u00fchren, wie es scheinen m\u00f6chte und bei unge\u00fcbten Personen mifslingt er fast immer. Offenbar hat auch Rivers1, auf dessen Versuch der Umkehrung der Illusion des Aristoteles ich erst nach Beendigung der obigen Beobachtungen gestofsen bin, diese Schwierigkeit empfunden. Rivers l\u00e4fst daher die Haut der beiden gekreuzten Finger statt mit zwei Kugeln mit zwei runden St\u00e4bchen (Federhalter oder Bleistifte) ber\u00fchren und f\u00fchlt sie beide dann wie einen Stab. Aber in dieser Form ist der Versuch f\u00fcr den Unge\u00fcbten nach meinen Erfahrungen noch schwerer anzustellen als mit den beiden auf Spiralfedern befestigten Kugeln. Ich habe deshalb dem Versuch die folgende Form gegeben, bei der sowohl die Illusion wie auch die Umkehr des Versuchs fast ebenso leicht gelingt, wie bei dem einfachen Versuch des Aristoteles.\nZwischen dem Boden und dem horizontalen Arm eines eisernen Stativs sind zwei dicke Bindf\u00e4den in einem Abstande von 18 mm stark gespannt. Bringt man nur den einen der beiden Bindf\u00e4den zwischen die gekreuzten Finger (Fig. 2 \u00c4) und l\u00e4fst man diese an ihm etwas hinauf- und hinuntergleiten, wobei man zu gleicher Zeit kleine drehende Bewegungen mit der Hand aus-f\u00fchrt, so f\u00fchlt man deutlich zwei F\u00e4den, zwischen denen man die Finger zu haben glaubt und die man nach rechts und links\n1 W. H. R. Rivers. A Modification of Aristoteles Experiment. Mind 1894. S. 583.","page":3},{"file":"p0004.txt","language":"de","ocr_de":"4\nJ. Rich. Ewald.\nleicht fortdr\u00fccken kann. Wenn man dagegen die gekreuzten Finger zwischen die beiden Bindf\u00e4den bringt, wie es Fig. 2 B darstellt und dann die gleichen eben angegebenen Bewegungen ausf\u00fchrt, so glaubt man nur einen Faden zwischen den Fingern zu haben, den man von zwei Seiten her ber\u00fchrt.\nMit Hilfe dieses einfachen Apparats1 kann sich jeder leicht von der Umkehrung des Versuchs von Aristoteles \u00fcberzeugen: Bei gekreuzten Fingern wird ein Gegenstand, der die beiden Finger innerhalb der Kreuzung ber\u00fchrt \u2014 an den gew\u00f6hnlich nicht benachbarten Fl\u00e4chen \u2014 doppelt wahrgenommen; Umkehrung: Bei gekreuzten Fingern werden zwei gleichartige Gegenst\u00e4nde, die die beiden Finger von aufsen her ber\u00fchren \u2014 an den gew\u00f6hnlich benachbarten Fl\u00e4chen \u2014 einfach wahrgenommen.\nDie Umkehrung von Lehrs\u00e4tzen ist in der Mathematik fast immer m\u00f6glich, in der Physik in sehr vielen F\u00e4llen, in der Physiologie nur verh\u00e4ltnism\u00e4fsig selten, und so finden wir die drei genannten Wissenschaften auch in dieser Beziehung in derselben Reihenfolge, in der sie uns so oft bei unseren Betrachtungen entgegentreten.\n1 F\u00fcr wenige Mark erh\u00e4ltlich bei Bosch, Mechaniker in Strafsburg Eis., M\u00fcnstergasse 15.","page":4}],"identifier":"lit33547","issued":"1910","language":"de","pages":"1-4","startpages":"1","title":"Die Umkehr des Versuchs von Aristoteles","type":"Journal Article","volume":"44"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:31:14.252778+00:00"}

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