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{"created":"2022-01-31T14:27:35.627342+00:00","id":"lit33558","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"Haberlandt, Ludwig","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 44: 231-253","fulltext":[{"file":"p0231.txt","language":"de","ocr_de":"231\n(Aus dem Physiologischen Institute der Wiener Universit\u00e4t.)\nStudien zur optischen Orientierung im Baume und zur Pr\u00e4zision der Erinnerung an Elemente derselben.\nVon\nDr. med. Ludwig H aberl andt.\nDie Orientierung im Raume findet bekanntlich durch verschiedene Mittel statt.\nVor allem kommt das Lokalisationsverm\u00f6gen oder der sog. Ortssinn der Netzhaut in Betracht, das, was Lotze Lokalzeichen genannt hat. Bei unbewegtem Auge spielt f\u00fcr die Lokalisierung dieser Ortssinn die Hauptrolle. Um von der gegenseitigen Lage der einzelnen Punkte im Sehfelde eine deutliche Vorstellung zu gewinnen, pflegen wir aber Augenbewegungen mit oder ohne gleichzeitige Kopfbewegungen auszuf\u00fchren, so dafs der Blick den Sehraum durchstreift und verschiedene Punkte desselben nacheinander in bestimmter Reihenfolge auf der Fovea centralis abgebildet werden. Die dabei auftretenden sog. \u201eInnervationsempfindungen\u201c (Helmholtz, Wundt, Meynert) und die \u201eMuskel-, gef\u00fchle\u201c oder kin\u00e4sthetischen Empfindungen sind nun f\u00fcr die Orientierung im Raume von mafsgebender Bedeutung und zwar sowohl betreffs des Erkennens der Fl\u00e4chenausdehnung als auch der Tief en Wahrnehmung ; f\u00fcr letztere geben ja die Empfindungen bei der Kontraktion des Ciliarmuskels w\u00e4hrend der Akkommodation, sowie der Konvergenzmuskeln wichtige Anhaltspunkte, wenn auch gerade hier noch zahlreiche andere Momente in Betracht kommen, Avie vor allem die Beziehungen zwischen den sog. identischen Netzhautstellen beider Augen u. a. m.\nFerner ist f\u00fcr die Ausbildung der Raumvorsteilungen im allgemeinen und f\u00fcr die Orientierung im Raume im speziellen die Gesamtheit der Tast- und BeAvegungsempfindungen \u00fcberhaupt\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 44.","page":231},{"file":"p0232.txt","language":"de","ocr_de":"232\nLudwig Haberlandt.\nvon beachtenswerter Bedeutung, wie dies vor allem Helmholtz dargetan hat. Desgleichen m\u00fcssen als hier in Betracht kommend auch jene Eindr\u00fccke genannt werden, die vom Ohrlabyrinth aus \u00fcber die Lage und Lage Ver\u00e4nderung unseres Kopfes und damit \u00fcber die Orientierung unseres K\u00f6rpers erhalten werden. Zu all\u2019 dem kommt endlich noch jenes h\u00f6chst merkw\u00fcrdige \u201eRichtungs-bewufstsein\u201c, wie es S. Exxer1 genannt hat, und das von ihm als \u201eaus dunklen Wahrnehmungen von der Ver\u00e4nderung in der Lage der Medianebene des K\u00f6rpers hervorgehend\u201c erkl\u00e4rt wurde, wobei er als \u201edunkle Wahrnehmungen\u201c jene Rindenprozesse bezeichnet, \u201ederen Resultate dem Bewufstsein einverleibt werden, ohne dafs die b aktoren derselben nachtr\u00e4glich vom Bewufstsein noch erfafst werden k\u00f6nnen\u201c.\nDas Zusammenwirken aller dieser erw\u00e4hnten Umst\u00e4nde f\u00fchrt nun zu dem, was mit einem Worte allgemein als \u201eRaumsinn\u201c bezeichnet wird, dem also ein h\u00f6chst kompliziert zusammengesetzter Mechanismus entspricht.\nDer nachfolgenden Untersuchung liegt zun\u00e4chst die Aufgabe zugrunde, auf experimentellem Wege zu pr\u00fcfen, ob jene Be-wegungen, die mit den Augen einerseits, andererseits mit dem Kopfe zum Zwecke der Orientierung im R\u00e4ume ausgef\u00fchrt werden, mit gleicher oder ungleicher Pr\u00e4zision bewufst reproduziert werden k\u00f6nnen, und wie sich in dieser Beziehung die Kombinationen der Augen- und Kopf be wegungen verhalten.\nZur L\u00f6sung dieser Aufgabe sollten folgende Versuche ausgef\u00fchrt werden:\nIm Dunkeln wird ein leuchtendes Zeichen fixiert ; dann taucht, w\u00e4hrend dieses verschwindet, irgendwo an der Peripherie des Sehfeldes ein zweites Signal auf. Es wird bei Feststellung des Kopfes fixiert, dann erlischt es, und es leuchtet wieder das erstere auf, das abermals fixiert werden mufs. Nachdem auch dieses wieder erloschen ist, hat der Beobachter ein an einem Stabe angebrachtes Leuchtsignal an den Ort des Sehfeldes hinzubringen, an welchem ihm das zweite Signal erschienen war. Dabei begeht er Fehler von mefsbarer Gr\u00f6fse. Indem man nun denselben Versuch mit der Modifikation ausf\u00fchrt, dafs das Signal nicht durch wahre Blickbewegung, sondern dadurch fixiert wird, dafs der Kopf bei wom\u00f6glich vollkommener Erhaltung der Bulbi in\n1 S. Exneb, Entwurf zu einer physiologischen Erkl\u00e4rung der psychischen Erscheinungen. 1. Teil. Leipzig u. Wien, 1894. S. 236 u. 237.","page":232},{"file":"p0233.txt","language":"de","ocr_de":"Studien zur optischen Orientierung im Raume usw.\nder Prim\u00e4rstellung nach dem Signale gewendet wird, gewinnt man die hierbei vorkommenden Fehler. Weiter wurden die im Leben gew\u00f6hnlich ausgef\u00fchrten Kombinationen von Augen- und Kopfbewegungen (\u201eSchaubewegungen\u201c) angewendet, und neuerdings die Fehler bestimmt. Selbstverst\u00e4ndlich m\u00fcssen, um die Fehler vergleichbar zu machen, in diesen verschiedenen Versuchsreihen die zeitlichen Verh\u00e4ltnisse, sowie alle \u00fcbrigen Umst\u00e4nde die gleichen sein. Ich erreichte dies in der folgenden Weise:\nIn einem verdunkelten Zimmer wurde ein mit mattschwarzer Wachsleinwand \u00fcberspannter, quadratischer Rahmen von \u00fcber zwei Meter Seitenlange senkrecht aufgestellt. Auf der Hinter-\nfl\u00e4che der Wachsleinwand war eine Einteilung in der Art angebracht, dafs vom Mittelpunkte aus zun\u00e4chst eine horizontale, eine vertikale und die beiden unter 450 gegen diese geneigten Geraden gezogen wurden. Auf diesen Geraden wurde sodann eine Einteilung nach Tangenten f\u00fcr den Radius gleich 1 von Grad zu Grad auf getragen. In den Mittelpunkt der Vorderfl\u00e4che dieser Wachsleinwand wurde ein kleines, elektrisches Gl\u00fchl\u00e4mpchen eingesteckt, das der Versuchsperson bei Prim\u00e4rstellung der Augen als \u201eFixationsmarke\u201c zu dienen hatte. Der Beobachter, dessen Augen sich mit dieser stets in gleicher H\u00f6be befanden, safs in der Entfernung von einem Meter vor der schwarzen Seite dieser Tafel, so dafs die Fixationsmarke in die Medianlinie der Blickebene zu liegen kam. Auf jenen Geraden wurde dann an irgend einer anderen Stelle der Tafel, deren Entfernung vom Fixationspunkte an der r\u00fcckw\u00e4rts befindlichen Einteilung genau bestimmt werden konnte, ein zweites, gleich grofses, elektrisches Gl\u00fchl\u00e4mpchen befestigt, das die \u201eReizmarke\u201c bildete. Ein drittes derartiges L\u00e4mpchen war an der Spitze eines schwarzen Stabes so angebracht, dafs der Beobachter, der den Stab in der rechten Hand hielt, das L\u00e4mpchen, wenn es im Dunkeln leuchtete, in allen Lagen gut sehen konnte. Damit der Stab stets in der dazu erforderlichen Weise gehalten wurde, waren an seinem Handgriffe entsprechende Einkerbungen f\u00fcr den Daumen der Hand eingeschnitten. Alle drei L\u00e4mpchen, die vollkommen dieselbe Form und Gr\u00f6fse besafsen, waren mit Stanniolkappen umh\u00fcllt, in die nur vorne kleine Fensterchen \u2014 ebenfalls von gleicher Gr\u00f6fse \u2014 eingeschnitten waren, so dafs von ihnen seitlich fast kein Licht ausstrahlen konnte. Durch einen f\u00fcr diese Versuche konstruierten\nApparat, auf dessen n\u00e4here Beschreibung hier aber nicht ein-\n15*","page":233},{"file":"p0234.txt","language":"de","ocr_de":"Ludwig Haberlandt.\ngegangen werden soll \\ wurden nun diese drei elektrischen L\u00e4mpchen in folgender Weise abwechselnd ins Leuchten versetzt, Nach Verdunkelung des Versuchszimmers leuchtet zun\u00e4chst die Fixationslampe im Mittelpunkte der Tafel auf. Nach einer Sekunde verlischt dieselbe, gleichzeitig beginnt die Reizlampe an irgend einer Stelle der Tafel zu leuchten. Nachdem diese zwei Sekunden lang gebrannt hat, erlischt sie, und daf\u00fcr leuchtet die Fixationslampe wieder auf. Nach abermals zwei Sekunden langem Leuchten erlischt letztere, w\u00e4hrend die an der Spitze des Stabes befindliche Lampe zu leuchten beginnt, bis auch diese nach drei Sekunden erlischt. W\u00e4hrend dieser Zeit hat der Beobachter die letztgenannte Lampe an die Stelle der Reizlampe zu bringen, worauf der Experimentator an der hinteren Fl\u00e4che der Wachsleinwand den Punkt abzulesen hatte, an welchem der Stab die vordere Fl\u00e4che ber\u00fchrte.\nDiese Aufgabe des Beobachters kann in den genannten drei Modifikationen an ihn gestellt werden, so dafs dementsprechend zun\u00e4chst drei Versuchsreihen in Betracht kommen. Anschliefsend daran wurde noch eine vierte Versuchsreihe durchgef\u00fchrt, wobei die Genauigkeit der Erinnerung an die Lokalzeichen bei fixer Blickrichtung im indirekten Sehen gepr\u00fcft wurde. Des N\u00e4heren sei noch erw\u00e4hnt, dafs der Beobachter bei der ersten Versuchsreihe mit geradeaus gerichtetem und vollst\u00e4ndig fixiertem Kopfe in Prim\u00e4rstellung der Augen zun\u00e4chst die leuchtende Fixationslampe fixiert. Zum Zwecke einer wirklich vollst\u00e4ndigen Kopffixation wurden Einbeifsvorrichtungen aus Stents Composition verwendet. Leuchtet nun gleichzeitig mit dem Erl\u00f6schen der Fixationslampe die Reizlampe auf, so mufste diese mittels entsprechender reiner Blickbewegung fixiert und w\u00e4hrend ihrer Leuchtdauer (2 Sekunden) in Fixation gehalten werden, bis nach dem Erl\u00f6schen der Reizlampe wieder die Fixationslampe zu leuchten begann, die dann abermals zu fixieren war, solange sie brannte. Hierauf \u2014 also, wie schon erw\u00e4hnt, nach zwei weiteren Sekunden \u2014 mufste der Beobachter, nachdem mit dem Erl\u00f6schen\n1 Er besteht im wesentlichen aus einer gleichm\u00e4fsig rotierenden, vertikalen eisernen Achse, an welcher verschiedene, in ihrer Lage verstellbare Daumen angebracht sind, welche Kontaktschl\u00fcssel, die in die Leitungen der Gl\u00fchl\u00e4mpchen eingeschaltet waren, schlossen bzw. \u00f6ffneten. Die Intervalle konnten bei gegebener Rotationszeit durch Verstellung der Daumen beliebig variiert werden.","page":234},{"file":"p0235.txt","language":"de","ocr_de":"Studien zur optischen Orientierung im Baume usiv.\n235\nder Fixationslampe jene an der Spitze des Stabes zu leuchten begonnen hatte, mit dieser die Stelle an der dafel so genau wie m\u00f6glich bezeichnen, an welcher nach seinem Daf\u00fcrhalten die Reizlampe geleuchtet hatte. Zu diesem Zwecke mufsten also die Augen des Beobachters jene \u201eBlickbewegung\u201c wiederholen, die fr\u00fcher beim Aufleuchten der Reizlampe ausgef\u00fchrt worden war, d. h. die Augenmuskeln mufsten dieselben Kontraktionsgrade zu gewinnen suchen, in denen sie sich befanden, als sie nach der leuchtenden Reizlampe geblickt hatten. Von dem Momente an, in welchem das L\u00e4mpchen am Stabe ausl\u00f6schte, durfte der Beobachter die Stellung desselben nicht mehr ver\u00e4ndern, so dafs ihm zur Ausf\u00fchrung seiner Aufgabe stets dieselbe Zeitdauer von drei Sekunden zur Verf\u00fcgung stand. Es soll noch bemerkt werden, dafs sowohl hier als auch bei den anderen Versuchen der im Dunkelzimmer unsichtbare Stab schon vorher vom Beobachter meist in die N\u00e4he der anzugebenden Stelle gebracht worden war, ohne dafs dabei nat\u00fcrlich die geh\u00f6rige Fixation aufgegeben wurde. Die Lage des bezeichneten Punktes, an welchem der Beobachter die leuchtende Reizlampe gesehen zu haben glaubte, wurde, wie gesagt, an der auf der R\u00fcckseite der Tafel angebrachten Einteilung bestimmt. Der Fehler in der betreffenden Angabe wurde durch die Gr\u00f6fse des Winkels gemessen, der zwischen dem Orte der Reizmarke und dem der Stabmarke vorhanden war. Dieser wurde entweder an der r\u00fcckw\u00e4rtigen Einteilung direkt abgelesen oder, wenn dies nicht m\u00f6glich war, dadurch bestimmt, dafs von einem fixen Punkte, der auf der Medianlinie der Blickebene bei Prim\u00e4r Stellung der Augen ein Meter hinter der Tafel sich befand, zwei Seidenf\u00e4den zu den beiden in Betracht kommenden Punkten der Tafel gespannt wurden, worauf der von ihnen gebildete Winkel mittels eines\nTransporteurs gemessen wurde.\nIn entsprechender Weise wurde auch die zweite Versuchsreihe ausgef\u00fchrt, die sich, wie erw\u00e4hnt, von der ersten dadurch unterschied, dafs der Kopf der Beobachters nicht mittels Einbeifs-vorrichtung fixiert wurde, da dieser nun die Aufgabe hatte, zu der aufleuchtenden Reizlampe \u201ewie gew\u00f6hnlich\u201c hinzuschauen. Er f\u00fchrte also bei diesen \u201eSchaubewegungen\u201c kombinierte Augen-und Kopf be wegungen aus, w\u00e4hrend der Rumpf dabei nicht bewegt wurde. In gleicher Weise mufste er diese Bewegungen wiederholen und in die m\u00f6glichst gleiche Schlufsstellung zu","page":235},{"file":"p0236.txt","language":"de","ocr_de":"236\nLudwig Haberlandt.\ngelangen suchen, wenn er zuletzt wieder den Ort des fr\u00fcheren Aufleuchtens der Reizlampe anzugeben hatte.\nEine dritte Versuchsreihe bestand endlich darin, dafs der Beobachter intendierte, nur mittels Kopfbewegungen nach der Reizlampe zu sehen, wobei also seine Bulbi in der Prim\u00e4rstellung verbleiben sollten. Es mufs schon hier betont werden, dafs diese letzteren Versuche keineswegs als einwandfreie aufgefafst werden d\u00fcrfen. Denn es l\u00e4fst sich leicht beobachten, dafs stets, auch wenn die Versuchsperson sich noch so sehr bem\u00fcht, nur mittels Kopfbewegungen die n\u00f6tige Einstellung zu gewinnen, die Augen doch in der Orbita Blickbewegungen ausf\u00fchren und sich erst zuletzt, wahrscheinlich nur n\u00e4herungsweise, wieder in die Prim\u00e4rstellung einstellen. Dann kommen hier auch jene reflektorischen Augenbewegungen in Betracht, die bei Kopfdrehungen vom Ohrlabyrinth ausgel\u00f6st werden. Immerhin kann man aber doch sagen, dafs bei dieser Art der Versuche die Kopfbewegungen im A ordergrunde stehen und vorherrschen, w\u00e4hrend die Augenbewegungen im Vergleich dazu eine untergeordnete Rolle spielen.\nWie man aus dem bisher Mitgeteilten entnommen haben wird, sind zur Durchf\u00fchrung dieser Versuche zwei Personen n\u00f6tig. Es stellte sich mir dazu Herr stud. med. F. Wantschuea mit dankenswerter Bereitwilligkeit zur Verf\u00fcgung. Einer von uns fungierte abwechselnd als Beobachter, der andere sorgte als Experimentator f\u00fcr die Anbringung der Reizlampe und die Ablesungen. Jene wurde von ihm jedesmal nach ihrem Erl\u00f6schen von der Tafel entfernt, so dafs der Beobachter sp\u00e4ter mit seinem Stabe nicht mehr an sie anstofsen konnte. Ferner wrurde die Reizlampe nicht an beliebigen Punkten der Tafel angebracht, sondern der bequemeren Ablesung wegen jedesmal in einem der vier genannten Meridiane und in einer Entfernung von der Blickrichtung bei Prim\u00e4rstellung der Augen, die 10, 20, 30 oder 40n betrug. Es w7aren dies sowohl in den geraden als auch in den schr\u00e4gen Meridianen je 16 Punkte, die, um vergleichbare Resultate zu gewinnen, bei jeder Versuchsreihe zur Pr\u00fcfung kamen. F\u00fcr diese Gruppen von je 16 Einzelversuchen wurden dann auch die durchschnittlichen Fehlergr\u00f6fsen berechnet, von denen sp\u00e4ter eine Anzahl mitgeteilt werden soll. Zun\u00e4chst m\u00f6chte ich aber aus meinem Versuchsprotokolle, in welchem im Verlaufe der in dieser Abhandlung besprochenen Untersuchungen \u00fcber 1100 Einzelversuche genau auf gezeichnet w-urden, folgende Tabellen als Bei-","page":236},{"file":"p0237.txt","language":"de","ocr_de":"Studien zur optischen Orientierung im Raume usw.\n237\nspiele anf\u00fchren. Sie beziehen sieh auf die Versuche in den Hauptmeridianen, in denen ich sie zun\u00e4chst ausf\u00fchrte. Die Bestimmung der einzelnen Punkte erfolgte hierbei durch Angabe ihrer Koordinaten entsprechend der oben beschriebenen Einteilung.\nBeobachter: W. ; Experimentator: H. \u2014 Datum : 18. 6.1909.\n1. Versuche mit Augenbewegungen bei fixiertem Kopfe\n(Blickbewegungen).\nPr\u00fcfungen im horizontalen Meridian Pr\u00fcfungen im vertikalen Meridian\nOrt der Reizmarke 1\t\t\tAngabe desselben\t\t\tAbweichungswinkel 2\t\tOrt der Reizmarke\t\t\tAngabe desselben\t\t\tAb- weichungs- winkel\t\n+\t10\t0\t+\t10 +\t0,5\t0,5\u00b0;\t| 0.\t0\t+\t10\t0\t+\t8\t2\u00b0;\tu.\n+\t20\t0\t+\t18\t0\t2\u00b0;\t1.\t0\t+\t20\t0\t+\t21,5\t1,50;\t0.\n+\t30\t0\t+\t30 \u2014\t0,5\t0,5\u00bb;\tu.\t! 0\t+\t30\t0\t+\t32\t2\u00bb;\t0.\n+\t40\t0\t+\t40 +\t1\t1\u00b0;\t0.\ti o\t_1_ I\t40\t0\t+\t41\t1\u00b0;\t0.\n\u2014\t10\t0\t\t8,5\t0\t1,5\u00b0;\tr.\t0\t\u2014\t10\t0\t\u2014\t8,5\t1,5\u00b0;\t0.\n\u2014\t20\t0\t\u2014\t22,5\t0\t2,5 \u00b0;\t1.\t0\t\u2014\t20\t+1\t\u2014\t21,5\t1,5\u00b0;\tr. u.\n\u2014\t30\t0\ti\t32,5 \u2014\t1\t2,5 0 ;\t1. u.\t0\t\u2014\t30\t\u2014 1\t\u2014\t30\t! 1\u00b0;\t1.\n\u2014\t40\t0\t\u2014\t40,5\t0\t0,5\u00bb;\t1.\t0\t\u2014\t40\t0\t\u2014\t41\t| 1\u00b0;\tu.\nFerner m\u00f6ge als Beispiel f\u00fcr die Versuchsreihe mit den Schaubewegungen folgende Tabelle dienen:\nBeobachter: W.; Experimentator: H. \u2014 Datum: 17. 6. 1909.\n2. Versuche mit Augen- und Kopfbewegungen\n(Schaubewegungen).\nPr\u00fcfungen im horizontalen Meridian Pr\u00fcfungen im vertikalen Meridian\nOrt der Reizmarke\tAngabe desselben\tAb- weichungs- winkel\tj Ort der Reizmarke\tAngabe desselben\tAb- wreichungs winkel\n+ 10 0 + 20 0 + 30 0 + 40 0\t+ 10 0 + 18 0 + 29,5 +1 + 40.3 \u20140,3\t! 00; _ 2\u00b0; 1. 1\u00b0;\t1. o. 0,3\u00b0; r. u.\t0 +10 0+20 0+30 0+40\t0\t+ 9 0 +20 0\t+31 \u2014 0,5 + 39,5\t1\u00b0; u. 0 \u00ab ; -10; o. 0,5\u00b0; 1. u\n1\tDiese Reihenfolge wurde nat\u00fcrlich bei den Versuchen nicht eingehalten, sondern nur in den Tabellen der \u00dcbersicht wegen ben\u00fctzt.\n2\tDie hier verwendeten Abk\u00fcrzungen sind folgende: o. = oben; u. = unten; r. = rechts; 1. = links. \u2014 Durch diese Bezeichnungen wurde die Richtung (vom Orte der Reizmarke aus) angegeben, nach welcher hin die fehlerhafte Angabe gemacht worden war.","page":237},{"file":"p0238.txt","language":"de","ocr_de":"238\nLudwig Haberlandt.\nPr\u00fcfungen im horizontalen Meridian\nPr\u00fcfungen im vertikalen Meridian\nOrt der Reizmarke\t\tAngabe desselben\t\tAb- weichungs- winkel\tOrt der Reizmarke\t\tAngabe desselben\t\tAb- weichungs- winkel\n\u2014 10\t0\t\u2014 10\t0\t00; _\t0\t\u2014 10\t0\t\u2014 9\t1\u00b0; o.\n\u2014 20\t0\t\u2014 20,7\t0\t0,3\u00b0; 1.\t0\t\u2014 20\t0\t\u2014 19,5\t0,5\u00b0; o.\n\u2014 30\t0\t\u2014 30\t0\tO\u00ab;\t_\t0\t\u2014 30\t0\t\u2014 29,5\t0,5\u00b0; o.\n\u2014 40\t0\t\u2014 37\t0\t3\u00b0; r.\t0\t\u2014 40\t0\t\u2014 39,7\t0,3\u00b0; o.\nAuch sei hier noch eine Tabelle aus den Versuchsreihen mit den vorwiegenden Kopfbewegungen mitgeteilt:\nBeobachter: W.; Experimentator: H. \u2014 Datum: 18. 6. 1909\n3. Versuche mit vorwiegenden Kopfbewegungen.\nPr\u00fcfungen im horizontalen Meridian\t\t\tPr\u00fcfungen\tim vertikalen Meridian\t\nOrt der Reizmarke\tAngabe desselben\tAb- weichungs- winkel\tj Ort der Reizmarke\tAngabe desselben\tAb- weichungs- winkel\n+ 10 0\t+11,5\t0\t1,5\u00bb; r.\t0+10\t0 + 9,5\t0,5 0; u.\n+ 20 0\t+ 20,5 +0,5\t0,5 0 ; r. o.\t0+20\t0+18\t2\u00bb;\tu.\n+ 30 0\t+ 31\t+1\t1\u00b0; r. o. !\t0 +30\t0 +31\t1 \u00b0;\to.\n+ 40 0\t+ 38,5 +1\t1,5\u00b0; ko.\t0+40\t0 +41,5\t1,5\u00b0; o.\n\u2014 10 0\t\u2014 9\t0\t1\u00bb; r.\t0\u201410\t0 \u2014 9,5\t0,5\u00b0; o.\n\u2014 20 0\t\u2014 23\t0\t3\u00b0;\t1.\t0-20\t0 \u2014 20,5\t0,5 0 ; u.\n\u2014 30 0\t\u2014 32\t0\t2\u00b0-\t1 j\t1.\t0 \u2014 30 1\t0\u201431\t1\u00b0;\tu.\no o 1\t-41,5 +1\t1,5\u00b0; 1. o. j Jj\t0\u201440 1\t0\u201441\t1\u00b0;\tu.\nEs zeigte sich also, dafs bei dem Beobachter W. im Durchschnitt der Fehler in den Angaben bei den Versuchen mit den \u201eSchaubewegungen\u201c am kleinsten war. Einige Male war hier sogar die Angabe als fehlerfrei zu bezeichnen. Den h\u00f6chsten Durchschnittswert erreichte dagegen der Fehler bei den Versuchen mit den Blickbewegungen (den reinen Augenbewegungen), wobei dei durchschnittliche Fehler ungef\u00e4hr doppelt so grofs wrurde als fi\u00fcher und ann\u00e4hernd 1,5\u00b0 betrug. Die Gr\u00f6fse des Durchschnittsfehlers bei den vorwiegenden Kopfbewegungen kam zwischen diese beiden extremen Werte zu liegen. Dementsprechend wrurde auch die Angabe gemacht, dafs bei den Versuchen mit den Blickbewegungen die Schwierigkeit und Unsicherheit merklich st\u00e4rker","page":238},{"file":"p0239.txt","language":"de","ocr_de":"Studien zur optischen Orientierung im Raume usw.\n239\nempfunden wird als bei jenen mit den Schaubewegungen, w\u00e4hrend die Versuche mit den vorwiegenden Kopfbewegungen auch hierin eine Mittelstellung einnehmen. Der Fehler in den Angaben bestand meist darin, dafs die Stelle, an der die Versuchsperson die Reizlampe gesehen zu haben meinte, zwar ziemlich richtig auf dem entsprechenden Meridiane, aber auf demselben entweder zu nahe oder zu weit vom Mittelpunkte angegeben wurde \u2014 ersteres besonders oft bei den Versuchen mit den Schaubewegungen \u2014, w\u00e4hrend die Abweichung vom Meridiane oft ganz vermifst wurde oder doch unbedeutend war. Dies zeigte sich besonders bei den Pr\u00fcfungen im vertikalen Meridiane. Bemerkenswert ist auch der Umstand, dafs bei dem Hinzeigen mit der leuchtenden Stablampe zum Zwecke der Bestimmung des Ortes, wto die Reizmarke sich befand, zuletzt meist kleinere, gleichsam suchende Kopf- bzw. Augenbewegungen ausgef\u00fchrt wurden, bis der Eindruck gewonnen war, dafs nun die Stellung des Kopfes bzw. der Augen dieselbe sei wie fr\u00fcher, da man zu der Reizlampe hinsah.\nHierauf f\u00fchrte ich die entsprechenden Pr\u00fcfungen in den schr\u00e4gen Meridianen aus. Auch hier will ich zun\u00e4chst als Beispiele f\u00fcr die einzelnen Versuchsreihen einige Tabellen anf\u00fchren und zwar in derselben Reihenfolge wie fr\u00fcher:\nBeobachter: W.; Experimentator: H. \u2014 Datum: 21. 6. 1909.\nPr\u00fcfungen in den schr\u00e4gen Meridianen.\n1. Versuche mit Augenbewegungen bei fixiertem Kopfe\n(Blickbewegungen).\nOrt der Reizmarke 1\tAbweichungs- winkel i\tOrt der Reizmarke\tAbweichungs- winkel\n90 \u2014 45\u00b0; 10\t0,3 0 ; r.\t= 225 \u00b0 ; 10\t0,5\u00b0; 1. 0\n20\t1,5\u00b0; 1. u.\t20\t4\u00b0;\t1. u\n30\t0,5\u00b0; 1. 0.\t30\t1\u00bb;\t1. u.\n40\t2,5\u00b0; 1. u.\t40\t2,5\u00b0; r. u.\n-2i f = 135\u00b0; 10\t0,5\u00b0; u.\t^90 = 315\u00b0; 10\t0,5\u00b0; u.\n20\t2,5\u00b0; r. u. !\t20\t1,5\u00b0; r. u.\n30\t1,5\u00b0; r. u.\t30\t1\u00b0;\t1. 0.\n40\t3\u00b0; r. u. j 1\t40 !\t1,5\u00b0; 1.\n1 Hier wurde zur Bezeichnung der betreffenden Punkte die Bestimmung mittels der Polarkoordinaten gew\u00e4hlt; im \u00fcbrigen siehe S. 237, Anmerkung.","page":239},{"file":"p0240.txt","language":"de","ocr_de":"240\nLudwig Haberlandt.\n2. Versuche mit Augen- und Kopfbewegungen\n(Schaubewegungen).\n1 Ort der Reizmarke\tAbweichungs-Winkel\t,\t\tOrt der Reizmarke\t\tAbweichungs- winkel\t\n4 (f = 45 0: 10\t0,5 0 ;\t1. u.\t.4 <f =-225\u00b0;\t10\t0,5\u00b0;\t1. 0.\n20\t0,5\u00bb;\t1. u.\t1\t\t20\t1\u00b0;\t0.\n30\t0,3\u00b0;\tr. 0.\t!\t\t30\t3\u00b0;\tu.\n40\t2\u00b0;\t0.\t\t40\t3\u00b0;\tr. u.\n4-V \u2014 135\u00b0; 10\t0,5 0 ;\t1 u.\t4 (f \u2014 315 0 ;\t10\t1\u00b0;\tr.\n20\t0,5\u00b0;\tu. 1\t\t20\t0,7\u00b0;\tr.\nso\t1,5\u00b0;\tr. 0.\t\t30\t1\u00b0;\tr. 0.\n40\t1\u00b0;\t! r. 1\t\t40\t0,5 0 ;\t0.\n3. Versuche mit vorwiegenden Kopfbewegungen\t\t\t\t\t\t\nOrt der Reizmarke\tAbweichungs- winkel\t\tOrt der Reizmarke 1\t\tAbweichungs- winkel\t\n= 45\u00b0; 10\t0,5\u00bb;\t1.\t-4 7 \u2014 225 0 ;\t10\t0,2\u00ab;\t1.\n20\t0,5\u00b0;\t1. 0.\t\t20\t3,5\u00b0;\t1. u.\n30\t40.\t1. u.\tj\t30\t1\u00b0;\tr.\n40\t1\u00b0;\t1. u.\t1 1\t40\t2,5\u00b0;\tr. 0.\n4y = 135\u00b0; 10\t0,5\u00b0;\tr. u.\t.2$ <f. =315\u00bb;\t10\t1\u00b0;\t1.\n20\t1\u00b0;\t1. 0.\t;\t20\t0,3\u00b0;\tu.\n30\t1\u00b0;\tr.\t\t30\t3\u00b0;\tr. u.\n40\t1\u00b0;\t0.\t\t40\t2\u00b0;\tr. 0.\nAuch hier waren demnach die Fehler im Durchschnitt bei den Versuchen mit den Schaubewegungen am kleinsten, gr\u00f6fser j bei jenen mit den vorwiegenden Kopf be wegungen und am gr\u00f6fsten bei den Versuchen mit den Blickbewegungen. Es stimmen also diese Ergebnisse mit den fr\u00fcheren f\u00fcr die Hauptmeridiane gewonnenen \u00fcberein, nur ist zu bemerken, dafs hier die Durchschnittsfehler in s\u00e4mtlichen Versuchsreihen etwas gr\u00f6fser gefunden wurden.\nAls vierte Versuchsreihe endlich wurden Pr\u00fcfungen vorgenommen, welche bezweckten, die Genauigkeit der Erinnerung j an die Lokalzeichen im indirekten Sehen zu bestimmen.\nVor Besprechung dieser Versuche m\u00f6ge jedoch einiges \u00fcber die Sehsch\u00e4rfe der peripheren Netzhaut und \u00fcber das Lokalisations-","page":240},{"file":"p0241.txt","language":"de","ocr_de":"Studien zur optischen Orientierung im Raume usw.\n241\nverm\u00f6gen daselbst erw\u00e4hnt werden, da diese Verh\u00e4ltnisse hier gewifs von grofser Bedeutung sind.\nSchon Purkinje 1 hatte gefunden, dafs die Sehsch\u00e4rfe von der Fovea gegen die Peripherie der Netzhaut sehr rasch abnimmt. Nach Untersuchungen von Aubert und F\u00f6rster1 2 findet diese Abnahme der Sehsch\u00e4rfe in verschiedenen Meridianen der Netzhaut gegen die Peripherie ungleich rasch statt; auch fanden sie die Sehsch\u00e4rfe im indirekten Sehen bei verschiedenen Augen verschieden stark ausgebildet, Guillery3 4 konnte dies best\u00e4tigen und beobachtete \u00fcberdies bez\u00fcglich der Sehsch\u00e4rfe im indirekten Sehen eine deutliche Bevorzugung des inneren Netzhautmeridianes. \u00dcber das Lokalisationsverm\u00f6gen an der peripheren Netzhaut hat Ohas. B. Morre y 4 ebenfalls am Wiener physiologischen Institute Untersuchungen angestellt, die ihn u. a. zu der Vermutung f\u00fchrten, dafs jene F\u00e4higkeit in den beiden Hauptmeridianen in erh\u00f6htem Mafse entwickelt sei.\nNach diesen Bemerkungen will ich mich nun der Besprechung meiner fr\u00fcher erw\u00e4hnten Versuche zuwenden. Die Versuchsanordnung blieb dieselbe wie fr\u00fcher, der Kopf des Beobachters war mittels EinbeifsVorrichtung vollkommen fixiert. Der Beobachter mufste auch nach Erl\u00f6schen der Fix\u00e4tionslampe die Blickrichtung beibehalten, so dafs ihm die Reizlampe im indirekten Sehen erschien. Desgleichen hatte er bei gleichbleibender Blickrichtung nach Aufleuchten der Stablampe anzugeben, wo ihm die Reizlampe erschienen war. Auf diese Weise konnte also der Beobachter sowohl die Reizlampe als auch die Stablampe nur im indirekten Sehen wahrnehmen. Anf\u00e4nglich bereitete die Beibehaltung der urspr\u00fcnglichen Blickrichtung nach Erl\u00f6schen der Fixationslampe und gleichzeitigem Aufleuchten der Reiz- oder Stablampe in der Peripherie ziemliche Schwierigkeiten, da die unwillk\u00fcrliche Neigung, den einzig leuchtenden Punkt im sonst ganz dunklen Gesichtsfelde zu fixieren und so die geforderte Blickrichtung aufzugeben, recht grofs war und derselben tat-\n1\tBeobachtungen und Versuche zur Physiologie der Sinne, II. 1825.\n2\tArchiv f\u00fcr Ophthalmologie 3 (2), 1; 1857.\n3\tPfl\u00fcgers Archiv 68, 120; 1897.\n4\tChas. B. Morrey, \u201eDie Pr\u00e4zision der Blickbewegung und der Lokalisation an der Netzhautperipherie.\u201c \u2014 Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 20. 1899. S. 322.","page":241},{"file":"p0242.txt","language":"de","ocr_de":"242\nLudwig Haberlandt.\ns\u00e4chlich auch bisweilen dann nachgegeben wurde, wenn die leuchtende Reizlampe sich in der N\u00e4he des Mittelpunktes befand. Aus diesem Grunde \u00e4nderte ich dann die Versuchsanordnung in der Art, dafs die Fixationslampe dauernd brannte. Davon bin ich aber bald wieder abgekommen, da dadurch ein erleichternder Anhaltspunkt f\u00fcr die Orientierung gegeben war und so auch der Vergleich dieser Versuche mit den fr\u00fcheren gest\u00f6rt worden wT\u00e4re. Bei einiger \u00dcbung gelang dann meistens die Beibehaltung der Blickrichtung auch bei zeitweiligem Erl\u00f6schen der Fixationslampe, da diese Beibehaltung hier nur 2 und 3 Sek. lang erfordert wurde. Allerdings wichen manchmal die Augen von der geforderten Blickrichtung im Dunkeln etwas ab, was dem Beobachter dann beim Wiederaufleuchten der Fixationslampe zum Bewufstsein kam ; dieser Umstand spielte aber bei den anzuf\u00fchrenden Versuchen keine nennenswerte Rolle.\nAuch hier f\u00fchre ich zun\u00e4chst als Beispiele f\u00fcr diese Versuchsreihe folgende Tabellen an ; die Pr\u00fcfungen wurden zuerst in den beiden Hauptmeridianen, hierauf in den schr\u00e4gen Meridianen vorgenomraen :\nBeobachter: W.; Experimentator: H.\n4. Versuche im indirekten Sehen bei fixiertem Kopfe und\nfixer Blickrichtung.\nDatum : 18. 6. 1909.\nPr\u00fcfungen im horizontalen Meridian !\t\t\tPr\u00fcfungen\tim vertikalen Meridian\t\nOrt der Reizmarke\tAngabe desselben\tAb- weichungs- winkel\tOrt der Reizmarke\tAngabe desselben\tAb- weichungs- winkel\n+ 10 0\t+ 9,5\t0\t0,5\u00b0; 1.\t0 +10\t0+10\t0\u00ab; -\n+ 20 0\t+ 19 +0,5\t1\u00b0; l.o.\t0 +20\t0+20\t0\u00b0; -\n+ 30 0\t+ 28,5\t0\t1,5\u00b0; 1.\t0 +30\t0+31\t1\u00b0; o.\no o\t+ 40,5 +0,5\to o< o O\t0+40\t0 +41,5\t1,5\u00b0; o.\n\u2014 10 0\t\u2014 10 \u20141\t1\u00b0; u.\t0\u201410\t0\u201410\t00; -\n\u2014 20 0\t\u2014 20,5\u20140,5\t0,5\u00b0; 1. u.\t0\u201420\t0 \u201420,5\t0,5\u00b0; u.\n\u2014 30 0\t\u2014 32,3\t0\t2,3\u00b0; 1.\t0\u201430\t0 \u201430,5\t0,5 \u00b0; u.\n\u2014 40 0\t\u2014 38,5\u20141\t1,5\u00b0; r. u.\t0\u201440\t0\u201441\t1\u00b0; u. -","page":242},{"file":"p0243.txt","language":"de","ocr_de":"Studien zur optischen Orientierung im Raume usw.\n243\nDatum: 22. 6. 1909.\nPr\u00fcfungen in den schr\u00e4gen Meridianen\nOrt der Reizmarke\tAbweichungs- winkel\tOrt der Reizmarke\tAbweichungs- winkel\ncp = 45\u00b0; 10\t10;\t1. U.\t2$ p \u2014 225 \u00b0; 10\t0,5\u00b0; u.\n20\t0,5\u00b0; 1. u.\t20\t0\u00b0; -\n30\t\u00f6 r-i O\t30\t3\u00b0;\t1. u.\n40\t1,5\u00b0; 1. u.\t40\t2\u00b0;\tr. u.\n=135\u00b0; 10\t1\u00b0;\tU.\t;\t=315\u00b0; 10\t2\u00b0;\tu.\n20\t0\u00b0; -\t20\t1 \u00b0;\tr. u.\n30\t4,5\u00b0; r. ii.\t30\t1,5\u00b0; 1. u.\n40\t3\u00b0; n. i\t40\t3\u00b0:\tu.\nBei diesen Versuchen ergab sich also, dafs die Genauigkeit der Erinnerung an die Lokalzeichen besonders bei den Pr\u00fcfungen in der Umgebung der Fovea als eine recht grofse zu bezeichnen ist, indem der durchschnittliche Fehler in den Angaben nicht sehr viel grofser ausfiel als der geringste Fehler, der in den ersten drei Versuchsreihen sich bei denVersuchen mit den Schaubewegungen feststellen liefs. Auffallend war aber die Tatsache, dafs bei den Pr\u00fcfungen in den schr\u00e4gen Meridianen der durchschnittliche Fehler betr\u00e4chtlich und zwar fast um das Doppelte\ngrofser gefunden wurde.\n\u2022 \u2022\nDer Einflufs der \u00dcbung macht sich nat\u00fcrlich auch bei derartigen Untersuchungen geltend, indem die Fehler an Gr\u00f6fse abnehmen ; die erw\u00e4hnten Unterschiede bleiben aber deutlich erhalten. Selbstverst\u00e4ndlich ist es wohl auch, dafs gerade bei solchen Versuchen das Moment der Aufmerksamkeit von grofser Bedeutung ist, so dafs jene Versuche, bei denen dieselbe aus irgendeinem Grunde abgelenkt war (der Fehler fiel dann auffallend grofs aus), ausgeschaltet wurden.\nIm folgenden m\u00f6chte ich nun noch einige Durchschnittszahlen aus meinem Beobachtungsmateriale anf\u00fchren, welche vielleicht die Darstellung der bisher besprochenen Verh\u00e4ltnisse noch \u00fcbersichtlicher gestalten. Es seien dies z. B. die durchschnittlichen Fehlergr\u00f6fsen, die f\u00fcr die einzelnen Versuchsreihen aus den mitgeteilten Tabellen berechnet wurden :","page":243},{"file":"p0244.txt","language":"de","ocr_de":"244\nLudwig Haberlandt\nDurchschnittliche Fehlergr\u00f6fsen (Beobachte\t\t\t\tr: W.).\nPr\u00fcfungen der : !\tBlick- bewegung\tSchau- bewegung\tKopf- bewegung\tIm indirekten Sehen\nIm horizontalen und vertikalen Meridian\ti 1 1,40\u00b0\t0,71\u00b0\t1,25 0\t0,83\u00b0\nIn den schr\u00e4gen Meridianen\t1,55 0\t1,09 0\t1,43\u00b0\t1.62 0\nNunmehr ging ich daran, die im vorstehenden besprochenen Versuche auch an mir selbst durchzuf\u00fchren. Da zeigte sich nun bald die \u00fcberraschende Tatsache, dafs die Verh\u00e4ltnisse andere waren. Die geringsten Fehler in den Angaben fanden sich bei mir in der Versuchsreihe mit den Blickbewegungen (den reinen Augenbewegungen) bei vollst\u00e4ndig fixiertem Kopfe, w\u00e4hrend die Fehler bei den kombinierten Augen- und Kopfbewegungen (den Schaubewegungen) im Durchschnitt am gr\u00f6fsten waren. Dem* gem\u00e4fs hatte ich auch von Anfang an ein st\u00e4rkeres Gef\u00fchl der Sicherheit betreffs der Orientierung im Raume bei den Versuchen mit den Blickbewegungen, wobei ich \u00fcber das Ausmafs der ausgef\u00fchrten Augenbewegungen genauer unterrichtet zu sein die Empfindung hatte, als bei den Versuchen mit den Schaubewegungen, bei welchen kombinierten Bewegungen ich mir der Gr\u00f6fse des Anteiles, den jede der beiden Komponenten daran genommen hatte, nie recht klar bewufst war. Daher war mir wohl bei der Wiederholung der betreffenden Schaubewegung, als ich die Stelle der Reizlampe anzugeben hatte, die Erinnerung, an diese unklare Empfindung auch nur ein unzuverl\u00e4ssiges Hilfsmittel f\u00fcr mein Raumurteil, w\u00e4hrend mir im Gegens\u00e4tze dazu dieses bei den Versuchen mit den Blickbewegungen leichter und auch sicherer gelang, da ich in der entsprechend lebhafteren Erinnerung an die betreffenden, recht ausgesprochenen Bewegungsempfindungen einen wertvollen und wichtigen Anhaltspunkt besafs. Das Ergebnis dieser Versuche war demzufolge verschieden von jenem, das bei den Versuchen mit W. erhalten worden war. Im \u00fcbrigen ist noch hervorzuheben, dafs bei mir die Fehler in den Angaben bei den Versuchen mit den vorwiegenden Kopfbewegungen ann\u00e4hernd gleich grofs wie jene bei den Versuchen mit den Schaubewegungen waren, meistens","page":244},{"file":"p0245.txt","language":"de","ocr_de":"Studien zur optischen Orientierung im Raume usw.\t245\nallerdings etwas geringer. Dies spricht auch daf\u00fcr, dafs diese sogenannten \u201evorwiegenden Kopfbewegungen\u201c \u2014 wenigstens bei mir \u2014 mehr oder minder auch kombinierte Kopf- und Augenbewegungen darstellen, wie dies oben schon erw\u00e4hnt wurde.1\nWas ferner die Fehler bei den Versuchen im indirekten Sehen betrifft, so waren dieselben im Durchschnitt etwas gr\u00f6fser als jene bei den Versuchen mit den Blickbewegungen, mehr als doppelt so grofs aber wie jene, die bei den entsprechenden Versuchen von W. gefunden wurden. Ich glaube, dafs dies vielleicht teilweise mit meiner Myopie von n\u00e4herungsweise 7 Dioptrien zusammenh\u00e4ngt, um so mehr als ich nicht die voll korrigierenden Gl\u00e4ser trage 2, w\u00e4hrend bei W. Emmetropie besteht. Es ist nicht ausgeschlossen, dafs der Myop, welcher Brillengl\u00e4ser zu tragen pflegt, weniger ge\u00fcbt im indirekten Beobachten ist, da die schlechten Bilder der Linsenperipherie, sowie die St\u00f6rung durch den Brillenrand das Beobachten mit der Netzhautperipherie erschwert.\n\u00dcbrigens d\u00fcrften wohl auch hier nicht geringe individuelle. Verschiedenheiten bestehen. Aber auch bei mir zeigte sich in. auffallender Weise, dafs die Genauigkeit der Erinnerung an die Lokalzeichen in den beiden Hauptmeridianen eine entschieden gr\u00f6fsere ist als in den schr\u00e4gen Meridianen. W\u00e4hrend ferner bei W. dieser Unterschied in gleichem Sinne, wenn auch lange nicht in so betr\u00e4chtlichem Mafse, sich auch bei den anderen drei Versuchsreihen bemerkbar machte, konnte dies bei den an mir ausgef\u00fchrten anderen drei Versuchsreihen nicht beobachtet werden. Im Gegenteil wurden hier die Fehler f\u00fcr die schr\u00e4gen Meridiane, die sp\u00e4ter untersucht wurden, infolge der \u00dcbung sogar etwas kleiner als jene f\u00fcr die Hauptmeridiane gefunden, ohne dafs aber das entsprechende Verh\u00e4ltnis in den Fehlergr\u00f6fsen bei diesen drei Versuchsreihen nennenswert ge\u00e4ndert worden w\u00e4re. Sie blieben aber im allgemeinen auf entschieden h\u00f6heren Werten als\n1\tEs w\u00e4re recht interessant, diesbez\u00fcgliche Untersuchungen auch in pathologischen F\u00e4llen von totalen Augenmuskell\u00e4hmungen oder konjugierten Blickl\u00e4hmungen vorzunehmen, da hier diese Versuche mit wom\u00f6glich reinen Kopfbewegungen \u2014 bei konjugierten Blickl\u00e4hmungen wenigstens nach einer Richtung hin \u2014 durch den vorhandenen pathologischen Zustand gleichsam durch ein Naturexperiment in vollkommener Weise erm\u00f6glicht w\u00fcrden.\n2\tBei den an mir ausgef\u00fchrten Versuchen ben\u00fctzte ich mein gew\u00f6hnliches Glas.","page":245},{"file":"p0246.txt","language":"de","ocr_de":"246\nLudwig Hdberlandt.\nbei W., bo zwar, dafs die kleinsten, bei mir gefundenen Durchschnittsfehler in den Versuchen mit den Blickbewegungen ann\u00e4hernd gleich grofs ausfielen wie die betreffenden Fehler bei W. in denselben Versuchen, die aber bei ihm die gr\u00f6fsten waren.\nDer \u00dcbersicht wegen will ich auch f\u00fcr die an mir ausgef\u00fchrten Versuche einige Durchschnittszahlen bez\u00fcglich der Fehlergr\u00f6fsen angeben, welche in analoger Weise wie die fr\u00fcher mitgeteilten gewonnen wurden.\nDurchschnittliche Fehlergr\u00f6fsen (Beobachter: FI.).\nPr\u00fcfungen der:\tBlick- bewegung 1\tSchau- bewegung\tKopf- bewegung\tIm indir. Sehen\nIm horizontalen u. vertikalen Meridian\t1,65\u00b0\t2,21\u00b0\t2,12\u00b0\t1,75\u00b0\nIn den schr\u00e4gen Meridianen\t1,25\u00b0\t2,12\u00b0\t2,06\u00b0\t2,56\u00b0\nVergleicht man nun die Ergebnisse bei Hrn. W. und mir, so mufs man zu dem Schl\u00fcsse gelangen, dafs die verschiedenen, hier in Betracht kommenden Arten von Bewegungen von einem und demselben Individuum in konstanter Weise mit verschiedener Genauigkeit zum Zwecke der Raumorientierung reproduziert werden, dafs aber die so aufstellbare Pr\u00e4zisionsskala f\u00fcr dieses Reproduktionsverm\u00f6gen bei einem anderen Individuum keine G\u00fcltigkeit hat oder zum mindesten nicht haben mufs. Auch ist die Gen a nig-keitderErinnerung andieLokalzeichen individuell verschieden und im allgemeinen verh\u00e4ltnism\u00e4fsig grofs unter besonderer Bevorzugung der beiden Hauptmeridiane.\nIch habe nun diese Versuche derart abge\u00e4ndert, dafs die Zeit, die zwischen der beendigten Fixation der Reizlampe und dem Zeigen mit der Stablampe lag, betr\u00e4chtlich l\u00e4nger gew\u00e4hlt wurde, um daraus zu erkennen, welchen Einflufs die Zeitdauer auf die Genauigkeit in den Angaben aus\u00fcbt, d. h. welche Rolle die Zeit f\u00fcr die Lebhaftigkeit des Ged\u00e4chtnisbildes in solchen F\u00e4llen spielt.\nZu diesem Zwecke wurde bei den beschriebenen, sonst ganz gleichartigen Versuchsreihen jenes Zeitintervall, das zwischen dem","page":246},{"file":"p0247.txt","language":"de","ocr_de":"Studien zur optischen Orientierung im Raume usw.\n247\nVerl\u00f6schen der Reizlampe und dem Aufleuchten der Stablampe liegt, und in dem die leuchtende Fixationslampe fixiert werden mufste, von 2 auf 60 Sekunden ausgedehnt. Ich hatte n\u00e4mlich schon seinerzeit bei den zuerst ausgef\u00fchrten Versuchen gelegentlich diesen Zeitraum von 2 Sekunden auf 20 Sekunden verl\u00e4ngert und dabei beobachtet, dafs dies auffallenderweise von keinem merklichen Einflufs auf die Fehlergr\u00f6fse war. Die Erinnerung an jene Empfindungen, die bei den betreffenden Bewegungen zustande kommen, wird also innerhalb dieser Zeit nicht in merklichem Mafse abgeschw\u00e4cht.\nDabei fand ich nun folgendes :\nBei den Versuchen mit den reinen Blickbewegungen machte sich \u00fcberhaupt kein Einflufs der weiteren 58 Sekunden bemerkbar, so dafs die Gr\u00f6fse des durchschnittlichen Fehlers unver\u00e4ndert blieb. Hier war also die Erinnerung f\u00fcr diese reinen Augen-Bewegungen bzw. f\u00fcr die dabei entstehenden Bewegungsempfindungen, sowie f\u00fcr die Endstellung der Augen als eine vorz\u00fcgliche zu bezeichnen. Bedeutend unvollkommener zeigte sich bei dieser Pr\u00fcfung dagegen das Ged\u00e4chtnis f\u00fcr die Empfindungen bei den kombinierten Augen- und Kopf bewegungen (den Schaubewegungen), indem die Fehler bei diesen Versuchen gr\u00f6fser ausfielen als bei den Versuchen mit der Pause von 2 Sekunden. In der Versuchsreihe mit den vorwiegenden Kopfbewegungen zeigte sich, dafs diese auch hier im allgemeinen eine Mittelstellung zwischen den beiden erst besprochenen einnimmt. Was endlich die analogen Versuche im indirekten Sehen betrifft, so machte sich der Einflufs einer Pause von 60 Sekunden ebenfalls dadurch kenntlich, dafs der durchschnittliche Fehler merklich gr\u00f6fser ausfiel als fr\u00fcher. Besonders auffallend war dies bei der Pr\u00fcfung in den schr\u00e4gen Meridianen, in denen, wie ja schon fr\u00fchere Versuche ergeben haben, das Lokalged\u00e4chtnis geringer ausgebildet ist als in den beiden Hauptmeridianen.\nUm die hier in Betracht kommenden Unterschiede in den durchschnittlichen Fehlergrofsen gegen\u00fcber jenen bei den zuerst ausgef\u00fchrten Versuchen zu zeigen, seien auch hier noch entsprechende Durchschnittszahlen angef\u00fchrt, die auf gleiche Weise wie die fr\u00fcheren berechnet wurden, um einen einwandfreien Vergleich zu erm\u00f6glichen.\nZeitsehr. f. Sinnesphysiol. 44.\n16","page":247},{"file":"p0248.txt","language":"de","ocr_de":"248\nLudwig Haberlandt.\nDurchschnittliche Fehlergr\u00f6fsen. (Mit 60\" Pause.)\na) Beobachter : W.\nPr\u00fcfungen der: 1\tBlick- bewegungen\tSchau-\tKopf- bewegungen Bewegungen\t\tIm indir. Sehen\nIm horizontalen u. vertikalen Meridian\t1,18\u00b0\t1,150\t1,15\u00b0\t1,26\u00b0\nIn den schr\u00e4gen Meridianen |\t1,18\u00b0\tO O r-H\t1,21\u00b0\t1,81\u00b0\nb) Beobachter : H.\nPr\u00fcfungen der:\tBlick- bewegungen\tSchau- bewegungen\tKopf- bewegungen\tIm indir. Sehen\nIm horizontalen u. vertikalen Meridian\t1,65\u00b0\t2,59\u00b0\t1,68\u00b0\t2,59\u00b0\nIn den schr\u00e4gen Meridianen\t1,96\u00b0\t3,59\u00b0\t2,56\u00b0\t2,96\u00b0\nDiese Versuche f\u00fchrten also bei uns beiden in dieser Beziehung zu demselben Ergebnis. In den Versuchen mit W., in denen die Durchschnittsfehler bei den Schaubewegungen merklich kleiner waren als in jenen bei den Blickbewegungen, wurden nunmehr jene Fehler den letzteren ann\u00e4hernd gleich oder sogar gr\u00f6fser. Dafs hier die durchschnittlichen Fehler bei den Blickbewegungen trotz der 60-Sekunden-Pause sogar noch kleiner waren\nals bei den fr\u00fcheren Versuchen, ist wohl durch die nunmehr \u2022 \u2022\ngr\u00f6fsere \u00dcbung zu erkl\u00e4ren. Dasselbe gilt auch f\u00fcr die durchschnittlichen Fehlergr\u00f6fsen bei den Versuchen mit den vorwiegenden Kopfbewegungen. Dagegen wurde bei den an mir ausgef\u00fchrten Versuchen, bei denen fr\u00fcher die Fehler sich anders verhalten haben, dies nur noch deutlicher. Die Fehler bei den Versuchen mit den reinen Augenbewegungen blieben hier also ann\u00e4hernd gleich grofs, die schon fr\u00fcher merklich gr\u00f6fseren Fehler dagegen bei den Versuchen mit den kombinierten Augen- und Kopfbewegungen wurden noch gr\u00f6fser.\nDie Reproduktion des Ged\u00e4chtnisbildes der Empfindungen bei reinen Augenbewegungen (Blickbewegungen) ist, wTie die zuerst ausgef\u00fchrten \\ ersuche gezeigt haben, schon nach den ersten zwei Sekunden, wie nicht anders zu erwarten war, mit einem","page":248},{"file":"p0249.txt","language":"de","ocr_de":"Studien zur optischen Orientierung im Raume usic.\n249\ngewissen Fehler behaftet, doch nimmt derselbe in den weiteren 58 Sekunden nicht merklich an Gr\u00f6fse zu. Anders verh\u00e4lt es sich jedoch mit den kombinierten Bewegungen, die nach zwei Sekunden recht verschieden genau entsprechend der wohl verschieden stark ausgepr\u00e4gten Erinnerung reproduziert werden, bei denen sich aber das Ged\u00e4chtnis bei der Pause von einer Minute als deutlich unvollkommener erweist. Dafs die Erinnerung an die Empfindungen bei reinen Augenbewegungen sich l\u00e4nger in einer bestimmten St\u00e4rke erh\u00e4lt als jene an Empfindungen bei kombinierten Bewegungen, wie sie die Schaubewegungen darstellen, kann dahin gedeutet werden, dafs dort nur im Gebiete der Augenmuskeln, hier aber auch noch in anderen Muskelgebieten Bewegungen ausgef\u00fchrt werden. So sind hier an das Ged\u00e4chtnis gr\u00f6fsere Anforderungen gestellt, denen es minder vollkommen gerecht zu werden vermag.\nEs interessierte mich aufserdem noch zu erfahren, in welchem Mafse sich die Sicherheit der Lokalangaben vermindert, wenn zwischen dem Signal und der Angabe eine Lage\u00e4nderung des Fixationspunktes vorgenommen wird.\nDie \u00c4nderung in der Versuchsanordnung bestand demnach zuerst darin, dafs die Fixationslampe, die sich zun\u00e4chst wie in den fr\u00fcheren Versuchen im Mittelpunkte der Tafel befand, bei ihrem zweiten Aufleuchten, d. i. nach erfolgtem Verl\u00f6schen der Reizlampe auf den Punkt mit den Koordinaten (\u2014 20,0) der Einteilung versetzt wurde. Die so abge\u00e4nderten Versuche wurden nur mit den Blickbewegungen und den Schaubewegungen ausgef\u00fchrt, von denen zun\u00e4chst die ersteren im folgenden besprochen werden. Der Beobachter mufste hier bei konstant beibehaltener Kopffixation die Fixationslampe zum zweiten Male in ihrer ge\u00e4nderten Stellung fixieren, so dafs also dabei seine Augen um 20\u00b0 nach links in der horizontalen gewendet waren. Von dieser neuen Fixation aus mufste er dann wie sonst nach Aufleuchten der Stablampe und Verl\u00f6schen der Fixationslampe die Stelle an-blicken und bezeichnen, an der er die Reizlampe gesehen zu haben glaubte. Zu diesem Zwecke war nunmehr eine andere Augenbewegung auszuf\u00fchren, als jene, mit der er fr\u00fcher zur leuchtenden Reizlampe geblickt hatte, w\u00e4hrend die Schlufs-stellung der Augen und der dabei vorhandene Kontraktions-","page":249},{"file":"p0250.txt","language":"de","ocr_de":"250\nLudwig Haberlandt.\nzustand der verschiedenen Augenmuskeln beide Male derselbe war. Es zeigte sich nun, dafs bei den so variierten Versuchen der durchschnittliche Fehler bei uns beiden \u2014 bei mir noch in h\u00f6herem Mafse \u2014 gr\u00f6fser wurde als in den analogen fr\u00fcheren Versuchen. Das Zeitintervall, w\u00e4hrend dessen die leuchtende Fixationslampe an die betreffende Stelle vom Mittelpunkte aus gebracht wurde, habe ich zun\u00e4chst (aus technischen Gr\u00fcnden) mit 20 Sekunden bemessen. Ich hatte mich n\u00e4mlich schon, wie oben bereits erw\u00e4hnt wuirde, bei den zuerst beschriebenen Versuchen gelegentlich davon \u00fcberzeugt, dafs diese Zeitdauer keinen merkbaren Einflufs auf die Fehlergrofse bei den Angaben auszu\u00fcben vermag. Trotzdem habe ich aber dann sp\u00e4ter dieses Zeitintervall um die H\u00e4lfte verringert, da bei der l\u00e4nger dauernden Fixation nach der Seite m\u00f6glicherweise doch eine, wenn auch nicht bedeutende Erm\u00fcdung in den betreffenden Augenmuskeln eingetreten sein k\u00f6nnte, die dann vielleicht zur gr\u00f6fseren Unsicherheit in den Angaben etwas beigetragen h\u00e4tte. In der Tat fielen nun die Fehler auch um ein gewisses Mafs kleiner aus. Aber auch in den an mir selbst ausgef\u00fchrten Versuchen, bei welchen von Anfang an die Dauer der seitlichen Fixation nur 10 Sekunden oder noch weniger betrug, also das erw\u00e4hnte Moment nicht nennenswert in Betracht kommen konnte, waren die Durchschnittsfehler betr\u00e4chtlich gr\u00f6fser als in den fr\u00fcheren Versuchen. Um nicht zu viel Zahlen anzugeben, will ich hier nur ein Beispiel aus meinem Versuchsprotokoll anf\u00fchren. W\u00e4hrend in den zuerst ausgef\u00fchrten Untersuchungen mit den Blickbewegungen bei mir in einer Gruppe von 16 Einzelversuchen der durchschnittliche Fehler, wie aus der fr\u00fcher mitgeteilten Tabelle ersichtlich ist, 1,25\u00b0 betragen hatte, wurde hier in einer entsprechenden Serie von Versuchen eine durchschnittliche Fehlergrofse von 3,28\u00b0 gefunden.\nDa jetzt bei der Angabe eine andere Augenbewegung aus-' gef\u00fchrt werden mufste wie fr\u00fcher, konnte die Erinnerung an die Empfindung bei der zuerst ausgef\u00fchrten Bewegung, als nach der Reizlampe geblickt wurde, nicht mehr als Anhaltspunkt f\u00fcr die Orientierung im Raume benutzt werden, der Beobachter war so eines wertvollen Hilfsmittels beraubt und konnte sich daher weniger sicher und vollkommen orientieren.\nDie betreffenden Versuche mit den Schaubewegungen wurden nun derart ausgef\u00fchrt, dafs der Beobachter zu der in gleicher","page":250},{"file":"p0251.txt","language":"de","ocr_de":"Studien zur optischen Orientierung im Raume usiu.\n251\nWeise seitlich versetzten Fixationslampe \u201ewie gew\u00f6hnlich\u201c hin-schauen mufste, wobei aber der Rumpf nicht bewegt wurde. Auch hier war also die beim Zeigen mit der Stablampe ausgef\u00fchrte kombinierte Augen- und Kopfbewegung eine andere als jene, mit welcher zuerst zur Reizlampe geschaut wurde, w\u00e4hrend die Schlufsstellung ann\u00e4hernd dieselbe war. Ganz analog dem Ergebnis bei den eben erw\u00e4hnten Versuchen mit den Blickbewegungen war auch hier der Durchschnittsfehler in den Angaben betr\u00e4chtlich gr\u00f6fser als in den entsprechenden Versuchen, die zu Beginn dieser Abhandlung beschrieben wmrden.\nEndlich wurden die Versuche noch in einer weiteren Variation ausgef\u00fchrt :\nDie Fixationslampe, die sich bei allen bisherigen Versuchen wenigstens am Anfang des Versuches im Mittelpunkte befand, wurde zuerst auf den Punkt (-j- 20,0) also um 20 Winkelgrade nach rechts vom Beobachter versetzt. Derselbe mufste sie bei eingebissenem Kopfe \u2014 ich spreche zun\u00e4chst von den Versuchen mit den Blickbewegungen \u2014 und ein gehaltener Prim\u00e4r Stellung der Augen fixieren und, nachdem er zur aufleuchtenden Reizlampe geblickt hatte, beim Erl\u00f6schen derselben wieder zur fr\u00fcheren Fixation zur\u00fcckkehren. Nun wurde die jetzt leuchtende Fixationsmarke auf den Punkt (\u2014 20,0) gebracht, w\u00e4hrend der Beobachter durch entsprechende Kopfdrehung sie bis zu ihrer neuen Stelle verfolgen und nun weiterhin bei abermaliger Prim\u00e4rstellung seiner Augen fixieren mufste. Dies wurde auf einfache Weise mit einer drehbaren Einbeifsvorrichtung erreicht, wobei die Drehung um 40\u00b0 genau bestimmt werden konnte. Von dieser neuen Augenstellung aus mufste der Beobachter sodann bei beginnendem Aufleuchten der Stablampe mit dem Stabe jene Stelle angeben, wo die Reizlampe nach seiner Meinung geleuchtet hatte. In diesen Versuchen war also nicht nur die auszuf\u00fchrende Augenbewegung eine vollkommen andere als jene, mit welcher von dem zuerst fixierten Punkte nach der Reizlampe geblickt wurde, sondern es war auch die Schlufsstellung der Bulbi und somit der Gesamtkontraktionszustand der verschiedenen Augenmuskeln bei der Fixation der Reizlampe g\u00e4nzlich verschieden.\nHier fielen nun die Fehler im Durchschnitt am allergr\u00f6fsten aus und betrugen ungef\u00e4hr das Doppelte oder noch mehr von jenen, die bei den anfangs er\u00f6rterten Versuchen gefunden worden waren. So wurde z. B. hier bei den an mir ausgef\u00fchrten Unter-","page":251},{"file":"p0252.txt","language":"de","ocr_de":"Ludwig Haberlandt.\n252\nsuchungen in einer Versuchsgruppe eine durchschnittliche Fehler-gr\u00f6fse von 3,780 bestimmt. Es war hier eben dem Beobachter nicht nur wie in den fr\u00fcher beschriebenen, variierten Versuchen die Erinnerung an die entsprechende Bewegungsempfindung als Anhaltspunkt und Erleichterung zur L\u00f6sung seiner Aufgabe un-verwertbar geworden, er konnte aufserd ein auch nicht mehr die Empfindung von der Schlufsstellung seiner Augen, als er zur Reizlampe geblickt hatte, bzw. die Erinnerung daran f\u00fcr seine Orientierung verwerten.\nZu demselben Ergebnis f\u00fchrten auch die analog abge\u00e4nderten Versuche mit den Schaubewegungen, wobei der Beobachter auf einem drehbaren Sessel sitzend die zuerst auf dem Punkte (-f- 20,0) der Einteilung befindliche Fixationslampe unter entsprechender Wendung seines ganzen K\u00f6rpers bei gerader Kopfhaltung und Prim\u00e4rstellung der Augen fixieren mufste. Wurde dann im entsprechenden Momente die Fixationslampe auf den korresjiondierenden Punkt (\u2014 20,0) links vom Mittelpunkte versetzt, so hatte der Beobachter sich mit dem Sessel derart zu drehen, dafs er die Fixationslampe auch in ihrer neuen Stellung bei Prim\u00e4r Stellung seiner Augen fixierte. Auch hier sind also die Augen- und Kopfbewegungen sowie die Schlufsstellungen beim Hinschauen nach der Reizlampe vollkommen andere als beim Hinschauen nach der Stablampe, mit welcher die betreffende Stelle angegeben werden soll.\nWie schon erw\u00e4hnt, erreichten auch in dieser Versuchsreihe bei uns beiden die durchschnittlichen Fehler die h\u00f6chsten Werte und waren ann\u00e4hernd doppelt so grofs oder noch gr\u00f6fser als jene, mit denen die bei sonst gleichen Bedingungen zuerst aus-gef\u00fchrten Schaubew^egungen behaftet waren.\nSo erwies sich also die Orientierung bei den derart variierten Versuchen, bei denen die Erinnerung sowohl an die entsprechenden Bewegungsempfindungen als auch an die Empfindungen von dem schliefslichen Endkontraktionszustand der in Betracht kommenden Muskeln als Anhaltspunkt und Hilfsmittel ausgeschaltet sind, als eine wesentlich unvollkommenere.\nDadurch erscheint die Bedeutung dieser Empfindungen f\u00fcr die optische Raumorientierung in klarem Lichte.","page":252},{"file":"p0253.txt","language":"de","ocr_de":"Studien zur optischen Orientierung im Raume nsiv.\n253\nZum Schl\u00fcsse erlaube ich mir, Herrn Hofrat Prof. Dr. S. Exner f\u00fcr die Anregung, die ich von ihm zu dieser Arbeit empfangen habe, sowie f\u00fcr sein \u00fcberaus freundliches Interesse, das er mir dabei entgegenbrachte, meinen aufrichtigsten und besten Dank auszusprechen. Desgleichen bin ich Herrn Dr. R. Stigler, Assistenten am Institute, f\u00fcr die liebensw\u00fcrdige Unterst\u00fctzung, die er mir zuteil werden liefs, vielen Dank schuldig.","page":253}],"identifier":"lit33558","issued":"1910","language":"de","pages":"231-253","startpages":"231","title":"Studien zur optischen Orientierung im Raume und zur Pr\u00e4zision der Erinnerung an Elemente derselben","type":"Journal Article","volume":"44"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:27:35.627348+00:00"}