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{"created":"2022-01-31T14:51:56.985139+00:00","id":"lit33560","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"K\u00f6llner","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 44: 269-292","fulltext":[{"file":"p0269.txt","language":"de","ocr_de":"269\n(Aus der Kgl. Universit\u00e4ts-Augenklinik zu Berlin,\nDirektor Geh. Rat v. Michel.)\nZur Entstehung der erworbenen Rotgr\u00fcnblindheit.\nVon\nPrivate!ozent Dr. K\u00f6llner,\nAssistent der Klinik.\nDie erworbene Rotgr\u00fcnblindheit wird am h\u00e4ufigsten bei Erkrankungen der Leitungsbahnen des Sehorgans an getroffen ; sie kann jedoch streng genommen bedingt sein durch Krankheitsprozesse, welche sich an irgend einer Stelle der Sehbahn von der Netzhaut bis zur Hirnrinde lokalisieren, wenigstens soweit die bisherigen klinischen Beobachtungen ein Lrteil erlauben.\nWie ich bereits an anderen Stellen ausf\u00fchrlicher besprochen habe, kann unter dem Begriff der \u201eerworbenen Rotgr\u00fcnblindheit\u201c kein einheitliches Farbensystem aufgefafst werden, etwa wie die Protanopie oder Deuteranopie. Die bisherigen Beobachtungen lehren vielmehr, dafs es verschiedenartige St\u00f6rungen der \u201eRotgr\u00fcnempfindung\u201c gibt, die wohl unter dem Sammelnamen \u201eerworbene Rotgr\u00fcnblindheit\u201c zusammengefafst werden k\u00f6nnen, die sich aber keineswegs einheitlich erkl\u00e4ren lassen, ja die sogar nicht einmal s\u00e4mtlich einfache Reduktionsformen des normalen trichromatischen Farbensystems darstellen k\u00f6nnen.1 Trotzdem habe ich betont, dafs man unter den eventuellen verschiedenen Formen erworbener Rotgr\u00fcnblindheit wenigstens vorl\u00e4ufig eine bestimmte als typische erworbene Rotgr\u00fcnblindheit herausheben kann, da sie sich regelm\u00e4fsig bei denjenigen Sehnerven-\n1 K\u00f6llner, Unvollkommene FarbenblincUieit bei Sehnervenerkrankung. Diese Zeitschrift 4*2, S. 15. 1908.","page":269},{"file":"p0270.txt","language":"de","ocr_de":"270\nK\u00f6llner.\nerkrankungen fand, welche anatomisch relativ einfache degenerative Prozesse darstellen, wie bei der tabischen Sehnervenatrophie und der chronischen Alkoholintoxikation, anfserdem bei einer Reihe anderer Erkrankungen des Sehnerven, wie Neuritis u. a. in. beobachtet wurde.1\nDiese Form der erworbenen Rotgr\u00fcnblindheit stellt ebenfalls ein dichromatisches Farbensystem dar, wenn man die gleichen Untersuchungsbedingungen w\u00e4hlt, wie sie f\u00fcr die angeborenen Farbensysteme \u00fcblich sind. (Da die Farbenempfindung bei dieser erworbenen St\u00f6rung des Farbensinnes in erheblichem Mafse von den Untersuchungsbedingungen, wie Lichtintensit\u00e4t usw. abh\u00e4ngig ist, so gilt die Feststellung eines dichromatischen Systems stets nur f\u00fcr die gew\u00e4hlte Versuchsanordnung.)\nSie stimmt in ihren Symptomen weder mit der Protanopie noch mit der Deuteranopie vollkommen \u00fcberein. Von ersterer ist sie stets sicher zu unterscheiden, schon in dem Helligkeitsverh\u00e4ltnis, in welchem die Lichter Natriumgelb und Lithiumrot wahrgenommen werden. Das Lithiumlicht, welches der Protanop zu dieser Rotgelbgleichung verlangt, erscheint ihm stets zu hell.\nVon der Deuteranopie ist die erworbene Farbensinnst\u00f6rung schwerer zu unterscheiden. Das Helligkeitsverh\u00e4ltnis, welches der Deuteranop bei der Rotgelbgleichung beansprucht, wird auch bei der erworbenen Rotgr\u00fcnblindheit meist anerkannt, nur macht sich hier fast regelm\u00e4fsig \u2014 d. h. sowie die Farbensinn St\u00f6rung auch nur etwas fortgeschritten ist \u2014 eine charakteristische Unempfindlichkeit gegen\u00fcber Helligkeitsdifferenzen bei der Gleichung bemerkbar, so dafs die Rotgelbeinstellung noch in einem Helligkeitsverh\u00e4ltnis anerkannt wird, das seinerseits der Deuteranop wieder ablehnt. N\u00e4here Untersuchungen an einer gr\u00f6fseren Anzahl von F\u00e4llen frischer Rotgr\u00fcnblindheit mit gleichzeitiger Gegen\u00fcberstellung mit Deuteranopen w\u00e4ren noch erw\u00fcnscht. Sie sind deswegen nicht leicht, weil das Krankenmaterial sorgf\u00e4ltig ausgew\u00e4hlt sein mufs ; es eignen sich nur tabische Atrophien bzw. \u00e4hnliche Degenerationen der Sehbahn, bei welchem das Sehverm\u00f6gen 1/6 des Normalen weder \u00fcbersteigt noch dahinter zur\u00fcckbleibt. Bez\u00fcglich der Einzelheiten verweise ich auf meine anderen Arbeiten (a. a. O.).\nDer Vollst\u00e4ndigkeit wegen seien als Beispiel die Ergebnisse\n1 Zeitschr. f. Augenheilk. 22, S. 193. Vgl. auch das Folgende.","page":270},{"file":"p0271.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Entstehung der erworbenen Tiotgr\u00fcnblindheit.\n271\nder Aichung einer typischen erworbenen Rotgr\u00fcnblindheit hier angef\u00fchrt. Die Untersuchung wurde am HELMHOLTzschen Apparat des Berliner physiologischen Instituts in der f\u00fcr angeborene Farbenblindheit bekannten Weise vorgenommen und zwar bei guter Helladaptation bei einer Feldgr\u00f6fse von 2\u00b0 Durchmesser. Die eine H\u00e4lfte des Objektfeldes wurde mit den verschiedenen homogenen Lichtern beschickt, die andere mit dem konstanten Lichtgemisch, dessen Mengenanteile bestimmt werden sollten. (\u00dcber die Technik siehe auch v. Kries.1)\nAicliwerte eines Falles erworbener Rotgr\u00fcnblindheit.\nSpektraler Ort der homogenen Lichter in u/u\tWerte des langwelligen Aichlichtes : 661 itf-i\tWerte des kurzwelligen Aichlichtes : 441 g g\n660\tl 10 |\t\u2014\n631\t30\t\u2014\n605\t50\u201470\t\u2014\n695\t50\u201480\t\u2014\n581\t40\u201460\t\u2014\n563\t35\u201450\t\u2014\n546\t30\t\u2014\n530\t25\u201430\t\u2014\n516\t10\u201415\t\u2014\n503\t6,6\t0,9\n491\t1\t2,5\t0\n480\t0,7\t24 i\n470\tj\t0,2\t27\n461\t\t1\t23\nInfolge der aus der Tabelle ersichtlichen z. T. erheblichen Schwankungen der Einstellungsbreite erschien es zwecklos Mittelwerte zu berechnen und zu bestimmen, sie w\u00fcrden zu willk\u00fcrlich sein. Aus diesem Grunde sah ich mich veranlafst, bei dei graphischen Darstellung ebenfalls nur die Grenzwerte anzugeben. Sie erfolgte in der bekannten Weise, indem in einem Koordinatensystem die Wellenl\u00e4ngen der homogenen Lichtei als\n1 in Nagel, Handbuch d. Physiologie des Menschen, III. Bd. lSOo.","page":271},{"file":"p0272.txt","language":"de","ocr_de":"272\nK\u00f6llner.\nAbszissen, die Aich werte als Ordinaten eingetragen wurden. Indem dann die oberen und unteren Grenzwerte durch je eine Linie verbunden wurden, entstand an Stelle der \u00fcblichen einfachen Kurve teilweise eine Doppelkurve. Man kann sich vorstellen, dafs die wahren Werte in dem Zwischenraum zwischen beiden verlaufen k\u00f6nnten.\n630 620 610 600 590 580 570 560 550 540 530 520 510 500 490 480 470 460\nFig. 1.\nDie beiden Grenzlinien f\u00fcr die Kurve des langwelligen (roten) und die\nKurve des kurzwelligen (blauen) Aichlichtes.\nWelche Farbenempfindungen die einzelnen Spektrallichter bei dieser erworbenen Kotgr\u00fcnblindheit ausl\u00f6sen, dar\u00fcber sind in fr\u00fcheren Zeiten schon wiederholte Dntersuchungen durch Benennenlassen verschiedener Lichter erfolgt. Wichtig sind ferner die Beobachtungen von Hess 1 und Hering 2 durch Vergleichen zwischen gesunder und kranker Netzhauth\u00e4lfte bzw. mit binokularen Gleichungen mit erkranktem und gesundem Auge. Ich will hier auf die Farbenempfindung nicht n\u00e4her eingehen.\nVon grofsem Interesse ist nun die Entstehung dieses erworbenen dichromatischen Farbensystems aus dem urspr\u00fcnglichen normalen triehromatischen. Bei dem chronischen Verlauf der Mehrzahl der Sehnervenerkrankungen liegt es ja nahe, dafs dieser \u00dcbergang ein allm\u00e4hlicher sein wird.\nEine sehr einfache \u00dcberlegung f\u00fchrt dazu, dafs die RATLEiGH-Gleicbung zur Untersuchung dieser allm\u00e4hlichen Degeneration des normalen Farbensinnes aufserordentlich ffe-\n1\tArchiv f. Ophthalmol. 38 (3), S. 21.\n2\tEbenda S. 1.","page":272},{"file":"p0273.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Entstehung der erworbenen Rotgr\u00fcnblindheit.\n273\neignet sein mufs. Bekanntlich ist das Mischungsverh\u00e4ltnis von Rot und Gr\u00fcn bei dieser Gleichung f\u00fcr den normalen Beobachter ein aufserordentlich scharfes, es schwankt nur innerhalb geringer Grenzen. Andererseits hegen aber sowohl Lithiumrot wie Thalliumgr\u00fcn innerhalb der Endstrecke des erworbenen dichro-matischen Systems. In diesem Stadium kann somit das Mischungsverh\u00e4ltnis Rot/Gr\u00fcn von reinem Rot bis zum reinen Gr\u00fcn beliebig ge\u00e4ndert werden, ohne dafs eine Differenz im\nFarbenton gegen\u00fcber dem Natriumgelb entsteht. Es steht dem-\n\u2022 \u2022\nnach theoretisch zu erwarten, dafs sich der allm\u00e4hliche \u00dcbergang vom normalen Farbensinn zum dichromatischen System durch\neine allm\u00e4hliche Verbreiterung des zur Gleichung erforderlichen\n\u2022 \u2022\nRotgr\u00fcngemisches kundtut. Best\u00e4tigt sich diese \u00dcberlegung, so w\u00e4re gleichzeitig auch eine einfache klinische Methode gefunden, das Fortschreiten der Farbensinnst\u00f6rung quantitativ zu messen, da die Ver\u00e4nderung des Rotgr\u00fcngemiscbes an geeigneten Apparaten leicht zahlenm\u00e4fsig abgelesen werden kann.\nZur Untersuchung eignet sich das Anomaloskop nach Nagel besonders f\u00fcr klinische Institute. Die Erfahrung lehrt, dafs der Apparat befriedigend exakt arbeitet. Bei meinen Untersuchungen wTaren die Bedingungen stets die gleichen; es wurde bei Helladaptation gearbeitet, die Feldgr\u00f6fse war durch das mittlere Diaphragma bestimmt, als Lichtquelle diente eine Nernstlampe, deren Intensit\u00e4tsschwankungen f\u00fcr den Normalen zwar zuweilen merklich, aber f\u00fcr die vorstehenden Untersuchungen ohne besondere Bedeutung waren. Die Beobachtungen des Objektfeldes waren nur kurzdauernd, um Erm\u00fcdung auszuschalten, und wurden dann zur Kontrolle mehrmals wiederholt. Es erwies sich als zweck-m\u00e4fsig, beim Einstellen der Gleichung so vorzugehen, dafs von deutlichen Differenzen im Farbenton, d. h. von den Gleichungen Na/Tl und Na/Li ausgegangen und dann allm\u00e4hlich immer mehr von der anderen Farbe zugemischt wurde, bis die Gleichheitsbedingungen erreicht waren, d. h. die Gleichung wurde gewisser-mafsen von beiden Seiten eingeengt. Wurde umgekehrt vorgegangen, d. h. von der RAYLEioH-Gleichung des Normalen aus, so wurden die Bestimmungen erheblich unsicherer. Zu Beginn der Untersuchung wurde dem Patienten die RAYLEiGH-Gleichung des Normalen eingestellt; sie wurde ausnahmslos1 anerkannt\n1 nur in 2 oder 3 F\u00e4llen unter 60\u201480 wurde bei beginnender Seli-\nnervenatrophie (Sehverm\u00f6gen 2/3\u2014V) die Einstellung des anomalen Trichro-","page":273},{"file":"p0274.txt","language":"de","ocr_de":"274\nK'\u00f6llner.\n(event, mit Ber\u00fccksichtigung der individuellen Schwankungen infolge der Makulapigmentierung). Das f\u00fcr diese Einstellung erforderliche Helligkeitsverh\u00e4ltnis konnte stets f\u00fcr die ganze Dauer der Untersuchung beibehalten werden, ohne dafs die Gleichheitsbedingungen gest\u00f6rt worden w\u00e4ren.\nEs wird im allgemeinen schwer sein, ein und denselben Fall von Sehnervenerkrankung so lange zu beobachten, bis der normale Farbensinn in das Stadium der Farbenblindheit verwandelt ist, in welchem Lithiumrot und Natriumgelb, wie Natrium-gelb und Thalliumgr\u00fcn gleich erscheinen. Es ist mir in einem Falle gelungen, und zwar bei einer schnell verlaufenden tabischen Sehnervenatrophie. Ich gebe im folgenden die Einstellungen wieder, die mit der oben erw\u00e4hnten Versuchsanordnung festgestellt werden konnten:\nDatum\tSeh- verm\u00f6gen\tSpaltwTeite des Kollimators f\u00fcr das Rotgr\u00fcngemisch, mit welcher die Gleichung angenommen wurde\tBemerkungen\n13./3.\tVa\u2014V*\t37\t35 sowie 40 deutlich verschiedenfarbig, daher abgelehnt\n13. 7.\tV 4\t0\u201450 d. h. TI = Na (mehrmalige Pr\u00fcfung)\tB0 wird stets als verschiedenfarbig angegeben. Nur bei langer Erm\u00fcdung hin und wieder auch noch angenommen\n19.\t/7. 20.\t/7. | i\tV\u00ab.- 7* 1/e V*\t0\u2014100 d. h. TI = Na = Li 0\u2014100 d. h. Tl = Na = Li (sehr h\u00e4ufige Einstellung)\t(Daraus folgt \u00fcbrigens noch nicht ohne weiteres TI = Li. Erfahrungs-gem\u00e4fs ist es allerdings meist der Fall.)\nEs zeigt sich somit, dafs eine Zwischenstufe in der Farbensinnst\u00f6rung bestand, die sich darin ausdr\u00fcckte, dafs das Rotgr\u00fcn-Mischungsverh\u00e4ltnis bei der RAYLEiGH-Gleichung in grofser Ausdehnung ver\u00e4ndert werden konnte, ohne die Gleichung zu st\u00f6ren, dafs bereits zwischen homogenem Natriumgelb und\nmaten gew\u00e4hlt. Ich gehe wohl nicht fehl, wenn ich annehme, dafs es sich tats\u00e4chlich nm solche gehandelt hat. W\u00e4re es doch auch wunderbar, wenn unter den vielen untersuchten F\u00e4llen nicht auch derartige Anomale vorhanden w\u00e4ren. Auf alle F\u00e4lle k\u00f6nnen diese Ausnahmen vorl\u00e4ufig nicht mit ber\u00fccksichtigt werden.","page":274},{"file":"p0275.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Entstehung der erworbenen Rotgr\u00fcnblindheit.\n275\nThalliumgr\u00fcn eine Gleichung angenommen wurde, w\u00e4hrend Natrium- und Lithiumlicht noch sicher unterschieden werden konnte.\nBesser lassen sich die Verh\u00e4ltnisse aber an einer m\u00f6glichst grofsen Zahl verschiedener Beobachter verfolgen, die sich in verschiedenen Stadien einer progressiven Sehnervenerkrankung befinden, sobald eben nur feststeht, dafs im Beginn der Erkrankung die Einstellung der Rayleigh - Gleichung v\u00f6llig normal ist, m einem bestimmten Stadium dagegen Gelb mit Rot und Gr\u00fcn eine Gleichung ergibt. Dafs dies beides der Fall ist, habe ich an weit \u00fcber 50 Augen mit entsprechenden Stadien tabischer\nSehnervenatrophie nachweisen k\u00f6nnen.\nAn weiteren 31 Angen, welche an tabischer Atiophie und\nchronischer Alkoholintoxikation litten, konnten die Zwischenstufen der Farbensinnst\u00f6rung verfolgt werden. Die Einstellungswerte sind auf folgender Tabelle enthalten.\nTabische Atrophien.\n1.\t35-40\n2.\t40\u201445\no O.\t30-38\n4.\t37-41\n5. !\t40\u201443\n6.\t40-43\n7.\t33\u201438\n8.\t38-42\n9.\t35-40\n10. 1\t30-40\n1 11.\t30\u201450\n12.\t0-38\n13.\t0\u201465\n14.\t0\u201465\n15.\t0\u201470\n16.\t0\u201470\n17.\t0-60\n18.\t10-80\n19.\t0\u201460\nwenn erm\u00fcdet 30\u201445.\nnur sehr sp\u00e4rliche Farbendifferenz nach lot und gi\u00fcn hin wrahrgenommen. Bei dem ersten Blick wild zuweilen eine Gleichung zwischen Na und TI, sowie zwischen Na und Li angenommen, die erst bei genauerem Hinsehen wieder abgelehnt vird.\nEs bestand auf beiden Augen eine tabische Atrophie verschiedenen Grades. Da auf dem anderen Auge der Farbensinn noch normal war, konnte diese Einstellung durch wechselseitige Kontrolle sicher festgestellt werden.\nzuweilen auch Gleichung zwischen Na und TI (also 0\u201480).\nzuweilen besonders bei Erm\u00fcdung auch Gleichung zwischen Na und Li.","page":275},{"file":"p0276.txt","language":"de","ocr_de":"276\nK\u00f6llner.\nChronische Alkoholintoxikation des Sehnerven.\n20.\t,\t35\u201445\t\t\t\u2014\t \t\t\t\t *\n21.\t35\u201445\t\n22.\t35\u201440\t\n23.\t20\u201440\t\n24.\tiR4Q\u201445 j\tnur sehr sp\u00e4rliche Farbendifferenz nach rot und gr\u00fcn\n\ti\thin. Nur auf genaues Befragen wird 35 und 50 als\n\t\\\\\tverschiedenfarbig angegeben. Bei Erm\u00fcdung nahezu 0\u201445.\n25. 1 ! I I 1 ! i\to \u00bbo 1 o\tDie Funktionspr\u00fcfung ergibt auf diesem Auge fast die gleiche Sehsch\u00e4rfe (etwas geringer!), wie auf dem rechten (= % des Normalen). Trotzdem ist hier die geringe Farbendifferenz nicht mehr nachweisbar.\n26. !\t10\u201450\t\n27. |\t0\u201460\t\n28. |\t0\u201470\t\n29. 1\t0-80\t\n30. ! i\t0\u2014 etwa 80\t\n31. ! I ! ii\t0-60\t\nAus den Zahlen ergibt sich sofort, dafs vom Verhalten des Normalen bis zum ausgesprochenen Rot-Gelb-Gr\u00fcnverwechsler vollkommene \u00dcberg\u00e4nge bestehen. Ganz, wie es schon theoretisch angenommen worden war, zeigen sie sich darin, dafs das Rot-Gr\u00fcn-Verh\u00e4ltnis, das zur Gelbmischung erforderlich ist und f\u00fcr den Normalen so scharf begrenzt ist, in immer gr\u00f6fserer Breite ver\u00e4ndert werden kann, ohne die Gleichung zu st\u00f6ren.\nIm einzelnen gestaltet sich danach die Entwicklung der erworbenen Rotgr\u00fcnblindheit folgendermafsen. Zun\u00e4chst erscheint die Einstellung des Rotgr\u00fcngemisches f\u00fcr den Normalen, welche auch bei Unge\u00fcbten h\u00f6chstens 1\u20143 Teilstriche umfafst, verbreitert, bis auf 10 20 Teilstriche der Stellschraubeneinteilung. Das liefs sich besonders gut verfolgen bei dem Beobachter 11, bei welchem durch direkten Vergleich mit dem anderen Auge,' das noch normale scharfe Einstellung des Rotgr\u00fcngemisches verlangte, diese Verbreiterung nachgewiesen werden konnte. Bereits zeigt sich nunmehr der Einflufs der Erm\u00fcdung, indem bei l\u00e4ngerem Hinsehen auch gr\u00f6fsere Ver\u00e4nderungen des Farbengemisches nicht mehr erkannt werden.\nDer weitere Fortschritt der Farbensinnst\u00f6rung zeigt sich in einer betr\u00e4chtlichen Verbreiterung der Einstellung des Rotgr\u00fcngemisches, und zwar wird die Begrenzung besonders nach dem","page":276},{"file":"p0277.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Entstehung der erworbenen Rotgr\u00fcnblindheit.\n277\nGr\u00fcn hin unscharf. Es kommen hier h\u00e4ufige Fehler vor. Ge\u00fcbte Beobachter erkennen noch Unterschiede im Farbenton, aber f\u00fcr Unge\u00fcbte erscheint die Differenz zwischen Natriumgelb und Thalliumgr\u00fcn so gering, dafs sie sofort oder nach kurzer Erm\u00fcdung erlischt und nunmehr eine vollkommene Gleichung zwischen den beiden homogenen Lichtern angenommen wird. Schliefslich wird diese Gleichung stets und auch vom nicht erm\u00fcdeten Auge angenommen, w\u00e4hrend die RAYLEiGH-Gleichung nach Lithiumrot hin noch relativ scharf begrenzt bleibt. Schliefs-lich wird auch zwischen Natrium- und Thalliumlicht die Gleichung angenommen, aber stets erst, nachdem schon vorher die Gleichung zwischen Natrium- und Thalliumlicht m\u00f6glich war.\nMan kann zuweilen beobachten, wie einige Patienten zun\u00e4chst beim Betrachten der Vergleichsfelder eine Gleichung zwischen Na und TI annehmen, wenn sie aber auf die Bedeutung kleiner Farbendifferenzen besonders hingewiesen werden, doch noch Unterschiede sehen, so dafs sich die Einstellungsbreite des Rotgr\u00fcngemisches nach dem Gr\u00fcn hin nachtr\u00e4glich wesentlich reduzieren l\u00e4fst. Bei weniger intelligenten Patienten ist dies oft nicht m\u00f6glich. Scharfe Zahlenwerte f\u00fcr die Begrenzung des Rotgr\u00fcngemisches, das zur RAYLEiGu-Gleichung erforderlich ist, sind somit immer mehr oder weniger schematisch und von individuellen Nebenumst\u00e4nden (Intelligenz, Aufmerksamkeit, Erm\u00fcdung usw.) abh\u00e4ngig. Trotzdem lassen sich schon bei geringer Erfahrung brauchbare Mittelwerte als Mafsstab f\u00fcr den Grad der Farbensinnst\u00f6rung erhalten.\nDafs die Begrenzung der Gleichung nach Lithiumrot hin l\u00e4nger und sch\u00e4rfer bestehen bleibt, wie nach dem Thalliumgr\u00fcn zu, bedeutet noch nicht ohne weiteres, dafs die \u201eGr\u00fcnempfindung\u201c eher erlischt wie die Rotempfindung. Hier\u00fcber m\u00fcfsten gesonderte Untersuchungen vorgenommen werden, \u00e4hnlich etwa wie Hess 1 f\u00fcr die Peripherie des Normalen die Abnahme der Rot- und Gr\u00fcnempfindung bestimmt hat.\nDie gleiche Entstehung der typischen erworbenen Rotgr\u00fcnblindheit konnte auch bei zahlreichen anderen Sehnervenerkrankungen (Neuritis usw.) beobachtet werden. Da die Einstellungen der RAYLEiGH-Gleichungen sich von den oben aufgef\u00fchrten in nichts unterscheiden, soll hier von einer Wiedergabe abgesehen werden. Nebenbei bemerkt, k\u00f6nnen die Anf\u00e4nge\n1 Archiv f. Ophthalmol. 35 (4), S. 1.","page":277},{"file":"p0278.txt","language":"de","ocr_de":"278\nK\u00f6ttner.\neiner erworbenen Rotgr\u00fcnblindheit z. B. mit gen\u00fcgend kleinen Perimeterobjekten (etwa 1 mm \u25a1) schon zu einer Zeit nachgewiesen werden, wo die RAYLEiGH-Gleiehung von der Normalen noch nicht abweicht.\nGegen\u00fcber dem Verhalten der Farbent\u00fcchtigen bei entsprechend herabgesetzter Sehsch\u00e4rfe hebt sich die \u201ebeginnende erworbene Rotgr\u00fcnblindheit\u201c von vornherein deutlich ab. Denn eine Herabsetzung des Sehverm\u00f6gens auf 3/4\u20141/6 \u00fcbt auf die Sch\u00e4rfe der Einstellung der RAYLEiGH-Gleiehung \u00fcberhaupt kaum einen nennenswerten Einflufs aus.1 Zeigt sich eine St\u00f6rung, so ist es eine m\u00e4fsige Verbreiterung der Einstellung des Rotgr\u00fcngemisches bei relativ gleich scharfer Begrenzung der Gleichung nach der roten und gr\u00fcnen Seite hin.\nDazu kommt noch die Ver\u00e4nderung des Tones der farbigen Empfindung bei der erworbenen Rotgr\u00fcnblindheit, f\u00fcr welche die Benennung einen gewissen Anhaltspunkt gibt (im Gegensatz zu der angeborenen Farbenblindheit): es wird sehr bald nicht mehr von \u201egr\u00fcn\u201c und \u201erot\u201c gesprochen, wrie es der Normale auch bei st\u00e4rker herabgesetztem Sehverm\u00f6gen noch tut, sondern von \u201eblafs\u201c bzw. \u201ehell\u201c (f\u00fcr gr\u00fcn) und \u201eorange\u201c bzw. \u201egelb\u201c (f\u00fcr rot).\nNicht bemerkt habe ich (vgl. Anmerkung S. 273) Abweichungen von der Rayleigh-Gleichung des Normalen im Sinne der angeborenen Protanomalen oder Deuteranomalen, d. h. also, dafs die f\u00fcr den Normalen g\u00fcltige RAYLEiGH-Gleiehung abgelehnt und eine vermehrte Zumischung von Rot oder Gr\u00fcn zu dem bin\u00e4ren Gemisch gefordert wurde. Ich m\u00f6chte dieses Verhalten besonders betonen mit Hinsicht auf die Sehlufsfolgerungen, welche Guttmann2 zieht beim Vergleich seiner Beobachtungen an anomalen Trichromaten mit einigen Beobachtungen \u00fcber erworbene Farbensinnst\u00f6rungen in der Literatur. Wenn es zuweilen im Anf\u00e4nge einer Sehnervenerkrankung vorkommt, w\u00e4re dies nicht verwunderlich, da eben eine ziemlich bedeutende Prozentzahl von M\u00e4nnern anomale Trichromaten sind. Eine \u201eerworbene Prot- oder Deuteranomalie\u201c bei Sehnervenleiden kann bei vereinzelten Beobachtungen nat\u00fcrlich nur dann angenommen werden, wenn vorher (oder nachher) eine normale Trichromasie festgestellt worden ist.\n1\tK\u00f6llner, Zeitschr. f. Augenheilk. 22, S. 200 ff.\n2\tDiese Zeitschrift 43, S. 276 ff.","page":278},{"file":"p0279.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Entstehung der erworbenen JRotgr\u00fcnblmdheit.\n279\nAnders ist bei der erworbenen Violettblindheit die Beurteilung der Abweichung von der normalen RAYLEiOH-Gleichung, da hier die Notwendigkeit einer vermehrten Rotzumischung die Regel bildet. Dafs diese vermehrte Rotzumischung durch eine erworbene St\u00f6rung des Farbensinnes bedingt ist, konnte ich wiederholt dadurch nachweisen, dafs sie sich mit Abheilung des zugrundeliegenden Krankheitsprozesses wieder verlor.1 2\nDie erworbene Rotgr\u00fcnblindheit scheint nach den bisherigen Beobachtungen somit auch in ihren Anfangsformen stets eine reine Reduktionsform des normalen Farbensinnes darzustellen.\nDamit sind wir bei der Frage angelangt, ob sich die Anfangsstadien der erworbenen Rotgr\u00fcnblindheit von den anomalen Trichromaten (Protanomalen und Deuteranomalen) in \u00e4hnlicher Weise unterscheiden, wie das ausgebildete Stadium der Rotgr\u00fcn-blindheit von der Protanopie und Deuteranopie. Das Verhalten bei der RAYLEiGH-Gleichung deutet darauf hin, dafs in der Tat ein Unterschied auch zwischen der erworbenen und der angeborenen anomalen Trichromasie (wenn der Ausdruck der K\u00fcrze wegen erlaubt ist) besteht. Nagel 2 betonte zuerst bei einem von ihm beobachteten Fall, der zweifellos ebenfalls hierher geh\u00f6rt, dafs sich die Farbensinnst\u00f6rung nicht mit den anomalen trichromatischen Systemen deckt. Seine Beobachtungen konnte ich regelm\u00e4fsig best\u00e4tigen. Ich halte es aber f\u00fcr verfr\u00fcht auf diese Frage n\u00e4her einzugehen, bevor nicht sorgf\u00e4ltige Gegen\u00fcberstellungen zweier entsprechender Vergleichspersonen vorgenommen worden sind. Sie ist wichtig genug, um einmal gesondert behandelt zu werden.\nII.\nUm die Entstehung der typischen erworbenen Rotgr\u00fcnblindheit genauer zu verfolgen, ist die quantitative Untersuchung der Lichtmischungsverh\u00e4ltnisse erforderlich, mit anderen Worten die Aichung der entsprechenden Farbensysteme.\nDiese Aichung w\u00fcrde auf beinahe un\u00fcberwindliche Schwierigkeiten stofsen, da die \u00dcbergangsformen vom normalen Farben-\n1\tAn dieser Stelle will ich als Berichtigung anf\u00fchren, dafs der von Guttmann auf S. 278 seiner Arbeit erw\u00e4hnte Fall von Neuritis nervi optici, welchen ich beobachtete, in der Tat Tritanop war. An anderer Stelle hatte ich die Ergebnisse der Aichung seines tritanopischen Systems ver\u00f6ffentlicht (Zeitsehr. f. Augenheilk. 19, Erg\u00e4nzungsheft, S. 18 [Fall VII]).\n2\tKlin. Monatsbl\u00e4tter f. Augenheilk. 48.\n1 ft\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 44.\t\u00b10","page":279},{"file":"p0280.txt","language":"de","ocr_de":"280\nK\u00f6llner.\nsinn zur Rotgr\u00fcnblindheit ja noch trichromatische Systeme darstellen und die Aichung demnach mit drei Aichlichtern erfolgen m\u00fcfste.\nMan kann sich aber helfen, indem man violettblinde bzw. tritanopische Farbensysteme w\u00e4hlt. Bei allen Tritanopen ist die Aichung technisch leicht, da bei ihnen als bei Dichromaten nur zwei Aichlichter erforderlich sind.\nDie Berechtigung, tritanopische Systeme zur Untersuchung heranzuziehen, ergibt sich ohne weiteres daraus, dafs von den drei Aich wertkurven, welche dem normalen Farbensinn entsprechen (Deuteranopen -W- Kurve, Protanopen - W- Kurve und K-Kurve nach v. Kries x), die beiden ersten bei den Tritanopen (erworbenen und angeborenen) nahezu unver\u00e4ndert nachweisbar sind. Umgekehrt liegt bei der erworbenen Rotgr\u00fcnblindheit die Abweichung vom Normalen gerade im Bereich dieser beiden ersten Kurven, w\u00e4hrend die dritte (K-Kurve nach v. Kries) nahezu in gleicher Form erhalten bleibt, d. h. eben diejenige, deren Nachweis bei der Violettblindheit nicht mehr gelingt.1 2 Violettblindheit und erworbene Rotgr\u00fcnblindheit bilden also hierin gewissermafsen direkte Gegens\u00e4tze.\nGeeignet zur Untersuchung sind F\u00e4lle, bei denen eine entsprechende Sehnervenerkrankung zu einer Tritanopie (angeboren oder erworben) hinzutritt, oder bei welchen ein Sehnervenleiden (z. B. Neuritis) gleichzeitig erworbene Tritanopie (durch Netzhaut\u00f6dem) und Rotgr\u00fcnblindheit bedingt.\nFreilich konnte bisher nicht an ein und demselben Falle das allm\u00e4hliche Fortschreiten der erworbenen Rotgr\u00fcnblindheit durch die Aichung festgestellt werden. Wir m\u00fcssen uns daher darauf beschr\u00e4nken, einschl\u00e4gige Beobachtungen so anzuordnen, dafs sie eine Stufenleiter bilden.\nAls Ausgangspunkt f\u00fcr die Entstehung der erworbenen Rotgr\u00fcnblindheit sei der \u00dcbersichtlichkeit wegen nochmals die Darstellung der Aichwertkurven einer erworbenen Tritanopie beigef\u00fcgt, bei welchen die \u00dcbereinstimmung mit den Deuteranopen-\n1 v. Kries, Nagels Handbuch der Physiologie des Menschen III S. 152 ff. 1905.\n2 K\u00f6llner, Zeitschrift f. Augenheilk. 22, S. 336.","page":280},{"file":"p0281.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Entstehung der erworbenen Rotgr\u00fcnblindheit.\n281\nund Protanopen-W-Kurven eine so befriedigende ist1, dafs sie nahezu als unver\u00e4ndert gelten k\u00f6nnen (Fig. 2).\n660 650 640 630 620 610 600 590 580 570 560 550\t540 530 520 510 500 490 480 470\nFig. 2.\nDie beiden Aicliwertkurven einer erworbenen Violettblindheit (Sehsch\u00e4rfe \u2014 V2) nach K\u00f6llner (keine Pr\u00e4zisionsbestimmungen).\nFall 1, ein von mir2 beobachteter Mann, bei welchem neben einer Violettblindheit (ob angeboren oder erworben, mag dahingestellt bleiben) eine doppelseitige Sehnervenatrophie verschiedenen Grades bestand.\nDas Sehverm\u00f6gen des linken Auges betrug noch 2/3 des normalen, die Untersuchung mittels der Rayleigh-Gleichung ergab normale Verh\u00e4ltnisse, wie es bei derartigem guten Sehverm\u00f6gen die Regel bildet.3\n1\tS\u00e4mtliche angef\u00fchrten Kurven und Aichwertbestimmungen sind am HELMHOLTZSchen Spektralfarbenmischapparat des hiesigen physiologischen Instituts vorgenommen. Als Lichtquelle dienten Nernstlampen. Die Untersuchungen wurden bei Helladaptation vorgenommen.\n2\tZeitschrift f. Sinnesphysiologie 42, S. 281 ff. (1. Untersuchung des dort mitgeteilten Falles.)\n2\tK\u00f6llner, erworbene totale Farbenblindheit mit Bericht \u00fcber einen weiteren Fall. Zeitschr. f. Augenh. 21, S. 195 ff. Die Aichwerte sind dort angegeben.\n3\tInzwischen ist die Sehnervenatrophie so weit vorgeschritten, dafs das Auge nahezu erblindet ist.\n18*","page":281},{"file":"p0282.txt","language":"de","ocr_de":"282\nK'\u00f6llner.\nIm Gegensatz zur BAYLEiGH-Gleichung ergibt die Aichung bereits von der sozusagen typischen Tritanopie abweichende Verh\u00e4ltnisse (Fig. 3).\n630\t620\nFig. 3.\nDie beiden Aichwertkurven eines violettblinden Systems mit beginnender Sehnervenatrophie (Sehsch\u00e4rfe = 2/3) nach Iy\u00f6llner (keine Pr\u00e4zisionsbestimmungen).\nDie kurzwellige Endstrecke ist l\u00e4nger als bei den unkomplizierten tritanopischen Systemen, d. h. sie beginnt bereits zwischen 542 und 526 Hier konnten bereits homogene Lichter untereinander v\u00f6llig gleich gemacht wTerden, wobei der Beobachter allerdings auch geringe Zumischungen des langwelligen (roten) Aich-lichtes nicht wahrnahm.\nDa keine Pr\u00e4zisionsbestimmungen vorgenommen werden konnten, mag es zweifelhaft erscheinen, ob die Verbreiterung der kurzwelligen Endstrecke hier bereits als \u201eSchw\u00e4che der Potgr\u00fcnempfindung\u201c aufgefafst werden mufs, oder ob sie noch im Bereich der Beobachtungsfehler liegt. Es existieren ja noch keine gesonderten Bestimmungen \u00fcber die L\u00e4nge der Endstrecke bei der erworbenen Tritanopie und die Beobachtungen \u00fcber reine ange-","page":282},{"file":"p0283.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Entstellung der erworbenen Motgr\u00fcnblindheit.\n283\nborene Tritanopie sind zu sp\u00e4rlich, um hier\u00fcber ein endg\u00fcltiges Urteil zu f\u00e4llen.\nFall 2. Viel auff\u00e4lliger ist die Ver\u00e4nderung bei dem \u00e4hnlichen Falle Pipeks1 wahrnehmbar. Auch hier handelt es sich nach dem mitgeteilten klinischen Befunde wahrscheinlich um eine beginnende Sehnervenatrophie (temporal abgeblafste Papillen, herabgesetzte Sehsch\u00e4rfe, Gesichtsfeldst\u00f6rung im Sinne eines zentralen Skotoms). Das Sehverm\u00f6gen betrug nur noch Vs des normalen. \u00dcber das Verhalten gegen\u00fcber der RAYLEioH-Gleichung sind keine Beobachtungen gemacht worden (Fig. 4).\n660 650 640 630 620 610 600 590 580 570 560 550 540 530 520 510 500 490 480 470 460\nFig. 4.\nDie beiden Aichwertkurven eines violettblinden Systems mit beginnender Sehnervenatrophie (Sehsch\u00e4rfe = V3) nach Pipers Aichwerten konstruiert.\nDie kurzwellige Endstrecke beginnt hier bereits zwischen 562 und 554 w, d. h. an einer Stelle, welche der Normale noch gelbgr\u00fcn sieht. Sie ist also erheblich breiter als in dem vorhergehenden Falle und weicht von der, wie sie in der Regel bei der erworbenen Violettblindheit gefunden wird (von etwa 490 uu abw\u00e4rts), so erheblich ab, dafs Beobachtungsfehler g\u00e4nzlich ausgeschlossen sind.\nDie notwendige Folge dieser Verbreiterung der kurzwelligen Endstrecke ist, dafs der absteigende Schenkel der Kurve des\n1 Piper, diese Zeitschrift 88, S. 155 ff.","page":283},{"file":"p0284.txt","language":"de","ocr_de":"284\nK\u00f6lln er.\nroten Aichlichtes viel steiler abfallen mufs wie sonst (vgl. Fig. 4 u. 1).\nIm \u00fcbrigen stimmen die beiden Aichwertkurven ungef\u00e4hr mit denen des vorhergehenden Falles \u00fcberein. Insbesondere ist bei beiden eine Ver\u00e4nderung in der L\u00e4nge der langwelligen (roten) Endstrecke gegen\u00fcber den Kurven in Fig. 2 noch nicht bemerkbar. Auch der aufsteigende Schenkel der langwelligen (roten) und der absteigende der kurzwelligen (blauen) Kurve haben ann\u00e4hernd die gleiche Lage.\nFall 3. Es gelang mir nun einen bisher noch nicht publizierten, sehr interessanten Fall zu beobachten.\nEs handelte sich um eine etwa 25j\u00e4hrige Patientin mit einer frischen luetischen Neuritis nervi optici des linken Auges. Die Gesichtsfeldaufnahme am Perimeter ergab ein grofses zentrales relatives Skotom von etwa 20 0 Durchmesser. Gleichzeitig bestand eine m\u00e4fsige diffuse Tr\u00fcbung des Glask\u00f6rpers und das Sehverm\u00f6gen war auf Vio\u2014'Ve des normalen herabgesetzt.1\nDie Untersuchung mittels der KAYLEiGH-Gleichung an dem Anomaloskop, bei welcher die Patientin erfreulich gute Angaben machte, ergab, dafs das Kotgr\u00fcngemisch von 0\u201460 der Stellschraubeneinteilung ver\u00e4ndert werden konnte, ohne dafs eine Farbendifferenz der Vergleichsfelder auftrat. Bei der Stellung 70 wurde das obere Feld mit dem Kotgr\u00fcngemisch zu r\u00f6tlich gesehen.\nEs handelte sich also um eine Einstellung der Gleichung, welche f\u00fcr ein gewisses Stadium der progressiven Kotgr\u00fcnblindheit typisch ist (vgl. Tab. S. 275 u. 276) ; Natrium- und Talliumlicht wurden gleich gesehen, w\u00e4hrend Natriumgelb und Lithiumrot noch verschiedenfarbig erscheinen. Nebenbei bemerkt sei, dafs das HelligkeitsVerh\u00e4ltnis der beiden Vergleichsfelder dasselbe war, wie es der Normale bei der Kayleigh-Gleichung beansprucht. Die Farbe, in welcher die Felder gleich gesehen wurden, nannte die Patientin gr\u00fcnlichgelb.\nAm Nagelschen Farbengleichungsapparat wurde in 1/2 m Entfernung eine Gleichung zwischen dem gelben und gr\u00fcnen Glase, sowie zwischen dem gr\u00fcnen und weifsen ange-\n1 Nach einigen Wochen war die Patientin geheilt, das Sehverm\u00f6gen und der Farbensinn waren wieder vollkommen normal geworden.","page":284},{"file":"p0285.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Entstellung der erworbenen Rotgr\u00fcnblindheit.\n285\nnommen (nat\u00fcrlich nach Regulierung der Helligkeit). Keine Gleichung konnte erzielt werden bei der Einstellung rot/gelb, welche bekanntlich bei der angeborenen Tritanopie und Deuteranopic, sowie in dem Stadium der vollendeten erworbenen Rot-gr\u00fcnblinclheit gleich gesehen werden m\u00fcssen. Wie man siebt, ist die \u00dcbereinstimmung mit dem Verhalten gegen\u00fcber der RAYLEiGH-Gleichung eine durchaus befriedigende (Annahme der Gleichung Na/Tl, Ablehnung der Gleichung Na/Li).\nDie Untersuchung mit dem NAOELschen Adaptometer ergab eine m\u00e4fsige Herabsetzung der Dunkeladaptation gegen\u00fcber dem gesunden Auge. Die Werte will ich hier nicht mitteilen, um den Untersuchungsbefund nicht zu umfangreich zu gestalten.\nAm nachfolgenden Tage wurde die quantitative Untersuchung mit dem HelmholtzscIien Spektralfarbenmischapparat vorgenommen. Wie bei den vorher mitgeteilten Aiehungen wurde f\u00fcr Helladaptation gesorgt, welche allerdings nur m\u00e4fsig ausfiel, da es ein dunkler Tag war. Da das Objektfeld nur knapp 20 grofs war, eine Tritanopie vorlag und die Adaptation sowieso herabgesetzt war, kann der Einflufs des D\u00e4mmerungsapparates vernachl\u00e4ssigt werden, um so mehr als es sich nicht um Pr\u00e4zisionsbestimmungen handeln konnte.\nAls Misch- oder Aichlichter dienten Lithiumrot und ein Blau von etwa 480 juf.i Wellenl\u00e4nge.\nSpektraler Ort der homogenen Lichter in gg\tAichwei Aichlichtes von 760 g g\t\u25a0te des Aichlichtes von 480 gg\tAngewendete Spaltweite f\u00fcr die homogenen Lichter\n652\t10\u201415\t\u2014\t10\n624\t30-40\t\u2014\t10\n611\t60\u201470\t\u2014\tr>\n600\t90\u2014100\t\u2014\tr>\n589\t90\u2014140\t\u2014\t\u00bb\n578\tetwa 27\t123\t)i\n568\t26\tum 140\tn\n559\t18\tum 100\tr>\n542\t\u2014\t100\tn\n513\t\u2014\t70\t>:\n489\t\u2014\t30\t40","page":285},{"file":"p0286.txt","language":"de","ocr_de":"286\nK\u00f6llner.\nDie Regulierung der Helligkeit wurde stets erst vorgenommen, nachdem der Farben ton durch \u00c4nderung des Rot-Blau-Mischungs-verh\u00e4ltnisses bestimmt worden war. Die Schwankungen der Helligkeitseinstellung, die zuweilen 20 \u00b0/0 betrugen, liefsen sich trotz aller Bem\u00fchungen nicht vermeiden, obwohl die Patientin sonst sehr gute Angaben machte. Ich hatte dabei den Eindruck, als ob im Bereiche des Skotoms die einzelnen Teile der Netzhaut in der Makulagegend verschieden stark affiziert waren.\nBesonderer Wert wurde auf die Feststellung der Ausdehnung der End strecken gelegt.\nDie graphische Darstellung der Aich werte ist auf Figur 5 sichtbar1, die 1. Kurve wird wahrscheinlich in ihren auf steigenden Aste bis 600 [i(.i etwas h\u00f6her liegen m\u00fcssen ; die Bestimmung bei 589 ptw war eben zu unsicher.\n660 650 640 630 620 610 600 590 580 570 560 550 540 530 520 510 500 490 480\nFig. 5.\nBeginnende Verschmelzung der beiden Aichwertkurven eines erworben violettblinden Systems mit Sebnervenerkrankung (Neuritis luetica) (8= y6\n\u2014 V4). Keine Pr\u00e4zisionsbestimmungen.\n1 Bei allen hier mitgeteilten F\u00e4llen ist der Mafsstab der Kurven willk\u00fcrlich so ge\u00e4ndert worden, dafs die Gipfel der langwelligen, wie die der kurzwelligen ann\u00e4hernd auf gleicher H\u00f6he liegen. Die \u00dcbersichtlichkeit wird dadurch wesentlich erleichtert.","page":286},{"file":"p0287.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Entstehung der erworbenen Rotgr\u00fcnblindheit.\n287\nAus der quantitativen Untersuchung ergeben sich folgende wichtige Punkte f\u00fcr Entstehung der erworbenen Rotgr\u00fcnblindheit.\na)\tDie kurzwellige Endstrecke ist von derselben L\u00e4nge, wie in dem ebenbeschriebenen Falle Pipers, d. h. ihr Beginn liegt zwischen 560 und 542 trotzdem die St\u00f6rung im Bereiche der \u201eRotgr\u00fcnempfindung\u201c zweifellos dem Stadium der erworbenen Rotgr\u00fcnblindheit schon viel n\u00e4her steht.\nb)\tDer Abfall der langwelligen Kurve nach dem blauen Ende des Spektrums hin vollzieht sich jedoch bereits viel steiler wie in den vorhergehenden F\u00e4llen.\nc)\tDer wichtigste Unterschied zeigt sich in der Ausdehnung der langwelligen (roten) Endstrecke, sie reicht bereits bis zum Natriumgelb, so dafs die Mittelstrecke zwischen den beiden Endstrecken auf die Lichter von h\u00f6chstens etwa 589 bis 550 beschr\u00e4nkt ist.\nGleichzeitig geht daraus hervor, dafs die Farbensinnst\u00f6rung seit dem vorhergehenden Tage noch zugenommen haben mufs, denn nunmehr wird ja auch eine Gleichung zwischen reinem Lithiumrot und Natriumgelb angenommen, was bei der Voruntersuchung, wie erw\u00e4hnt, nicht m\u00f6glich war. Damit ist ferner der Beweis geliefert f\u00fcr den von mir bereits fr\u00fcher gemachten Einwand : bei der erworbenen Farbenblindheit ist die Tatsache, dafs Gleichungen zwischen Lithiumrot und Natriumgelb, sowie zwischen Thalliumgr\u00fcn und Natriumgelb angenommen werden noch nicht gleichbedeutend damit, dafs nun wirklich auch 670 bis 540 w eine Endstrecke bildet. W\u00e4re dies der Fall, so m\u00fcfsten in dem vorliegenden Falle die beiden Aich wertkurven zu einer verschmolzen sein (z. B. Fall 4 und 5).\nDie Folge der Ausdehnung der beiden Endstrecken ist, dafs nunmehr die beiden nach der Mitte zu liegenden Schenkel der Kurven sehr steil verlaufen und sich unter einem sehr spitzen Winkel kreuzen m\u00fcssen, da die Gipfel der Kurven ihre Lage kaum ge\u00e4ndert haben.\nDamit ist die Verschmelzung der beiden Aichwertkurven des tritanopischen violettblinden Farbensystems zu einer einzigen durch die progressive erworbene Rotgr\u00fcnblindheit nahezu vollzogen. Es bedarf nur noch einer geringen Zunahme der Farbensinnst\u00f6rung, um den Prozefs zu vollenden; das Ergebnis mufste dann eine totale Farbenblindheit sein, die ihre Entstehung einer","page":287},{"file":"p0288.txt","language":"de","ocr_de":"288\nK\u00f6ttner\nKombination von erworbener Rotgr\u00fcnblindheit und einer Trit-anopie zu verdanken hat.\nZwei F\u00e4lle, die meiner Ansicht nach diesen Ausgang darstellen, sind bereits beschrieben worden :\nFall 4 und 5. Es handelt sich um das andere Auge der eben auf gef\u00fchrten F\u00e4lle 11 und 2 (K\u00f6llner und Piper). Bei beiden war in den zentralen Netzhautpartien totale Farbenblind-heit vorhanden, w\u00e4hrend die Peripherie anscheinend noch dichro-matisch war. (Der ophthalmoskopische Befund zeigte ebenso wie auf dem anderen Auge (s. o.) eine atrophisch gef\u00e4rbte Sehnervenpapille, w\u00e4hrend das Sehverm\u00f6gen 1/10 bzw. 1/6 des normalen betrug, ein Grad der Fierabsetzung, bei welchem erfahrungs-gem\u00e4fs bei einfachen degenerativen Atrophien das Stadium der Rotgr\u00fcnblindheit ausgesprochen zu sein pflegt.)2\nDie Aichwerte m\u00fcssen in den betreffenden Arbeiten eingesehen werden. Die resultierende Kurve der beiden F\u00e4lle ist auf Fig. 6 dargestellt (in etwas kleinerem Mafsstabe, wie die vorhergehenden Kurven, daher der flachere Verlauf).\npp 650 40\t30\t20\t10 600\t590 80\t70\t60\t50\t40\t30\t20\t10 500 490\t80\t70\t60\nFig. 6.\nVollendete Verschmelzung der beiden Aichwertkurven bei der Violettblindheit zu einer einzigen durch Hinzutreten einer erworbenen Rotgr\u00fcnblindheit,\n------ untere und obere Grenze des Falles K\u00f6llner, ............ konstruiert\nnach den Werten des Falles Piper (Mittelwerte aus je 6 Einstellungen).\nDiese Kurve ist nunmehr identisch mit der langwelligen Aichwertkurve der erworbenen Rotgr\u00fcnblindheit, wie sie eingangs beschrieben wurde (S. 272).\n1\tWie erw\u00e4hnt, war sp\u00e4ter auch das erste Auge totalfarbenblind geworden (vgl. Anmerkung S. 281).\n2\tEin dritter von Nagel (vgl. Klin. Monatsbl. f. Augenheilk. 43, S. 9) beobachteter Fall ist wahrscheinlich ebenfalls hierher zu rechnen.","page":288},{"file":"p0289.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Entstellung der erworbenen Rotgr\u00fcnblindheit.\n289\nInwieweit durch die Tritanopie die H\u00f6he der Reizwerte in dem kurzwelligen Teile des Spektrums beeinflufst wird, kann hier unber\u00fccksichtigt bleiben.\nNach v. Kries 1 stellen die drei verschiedenen Aichwert-kurven, welche bei der Aichnng der Deuteranopen und Prot-anopen gefunden werden (Protanopen -W- Kurve, Deuteranopen-W-Kurve und K- Kurve) zugleich die Kurven des normalen trichromatischen Farbensystems dar. (Bekanntlich stufst die direkte Aichung des normalen Farbensystems auf grofse technische Schwierigkeiten.)\nBereits an anderer Stelle1 2 habe ich gezeigt (vgl. auch eingangs), dafs die dritte Aichwertkurve (iT-Kurve), deren Gipfel bei etwa 470 im Spektrum liegt, durch die erwmrbene Rotgr\u00fcnblindheit in ihrer Lage keine nachweisbare Ver\u00e4nderung erleidet. Der Prozefs der Reduktion des normalen Farbensinns spielt sich also lediglich im Bereich der ersten beiden Aichwertkurven ab, die, wie im vorhergehenden gezeigt wurde, zu einer zusammenschmelzen. Diese eine Kurve, die langwellige \u2014 rote \u2014 Aich-wertkurve der erworbenen Rotgr\u00fcnblindheit stellt also die Resultante der ersten beiden Aichwertkurven des normalen Farbensystems dar. Bei dem Verschmelzungsprozefs ver\u00e4ndern beide Kurven ihre Gestalt wesentlich, nicht nur die eine von beiden. Es ist daher schon aus diesem Grunde wahrscheinlich, dafs die resultierende Kurve weder mit der ersten noch mit der zweiten Kurve des normalen Systems v\u00f6llig \u00fcbereinstimmen, mit anderen Worten, dafs sie dem deuteranopischen oder prot-anopischen System gleichen wird; vielmehr wird sie gewisser-mafsen eine Art Mittelstellung zwischen beiden einnehmen.\nIch habe auch bereits3 gezeigt, dafs in der Tat bei dem erworbenen rotgr\u00fcnblinden Farbensystem die Farbenempfindung weder mit dem deuteranopischen noch mit dem protanopischen Sehen v\u00f6llig \u00fcbereinstimmt, sondern eine derartige Mittelstellung zwischen beiden einnimmt.\nDagegen stimmt die Farbenempfindung bei der erworbenen Rotgr\u00fcnblindheit sehr gut \u00fcberein mit der Farbenempfindung in\n1\tv. Krirs, \u00dcber Farbensysteme, Zeitschr. f. Psychol, u. Physiol, der Sinnesorgane 13, S. 241 ff.\n2\tK\u00f6llner, Zeitschr. f. Augenheilk. 22, S. 193 ff.\n3\tK\u00f6llner, Zeitschr. f. Augenheilk. 23, erscheint demn\u00e4chst.","page":289},{"file":"p0290.txt","language":"de","ocr_de":"290\nK\u00f6lln er.\nder peripheren rotgr\u00fcnblinden Zone des Normalen. Hierauf ist ; schon fr\u00fcher wiederholt hingewiesen worden, besonders von Heeing und Hess, Nagel (a. a. 0.).\nMan kann nun ferner die Aichwertkurven der Rotgr\u00fcnblinden mit den Peripheriewertkurven des Normalen vergleichen. Der Vergleich ist dadurch erschwert, dafs die Helligkeitsverteilung in der Peripherie, welche als* sog. \u201ePeripheriewerte\u201c bestimmt wurde, sich auf ein total farbenblindes System bezieht, w\u00e4hrend wir bei der Helligkeitsverteilung des erworbenen dichromatischen Systems ein zweikomponentiges System vor uns haben. Es m\u00fcssen also zum Vergleich entweder wieder ehemals violettblinde Sehorgane herangezogen werden, z. B. Fall 4 und 5 (s. o.), oder die Kurve des blauen Aichlichtes mufs einfach vernachl\u00e4ssigt werden. Letzteres kann ruhig geschehen, weil einerseits die Werte des blauen Aichlichtes bei der Anwendung der gebr\u00e4uchlichen Lichtquellen im Verh\u00e4ltnis zu denen des roten Aichlichtes bei den \u00fcberhaupt unsicheren Bestimmungen nicht hoch steigen ; andererseits beginnen ja die ersten \u201eBlauwerte\u201c sich erst von jenseits 540 qq bemerkbar zu machen, und gerade der langwellige Teil des Spektrums von etwa 540 qq an aufw\u00e4rts ist der weitaus wichtigere.\n\u2022 \u00ab\nEs zeigt sich in der Tat eine befriedigende \u00dcbereinstimmung der langwelligen Aich wertkurve der erworbenen Rotgr\u00fcnblindheit ! mit den Peripheriewerten des Normalen, soweit dies bei dem Fehlen von Pr\u00e4zisionsbestimmungen \u00fcberhaupt erwartet werden kann. Auch Pipee hat in seinem Fall (s. o. Fall 5) auf die \u00c4hnlichkeit bereits hingewiesen, ebenso Nagel (a. a. 0.) bei seinen Beobachtungen. F\u00fcr die \u00dcbereinstimmung spricht auch die direkte Gegen\u00fcberstellung von erworbenen Rotgr\u00fcnblinden und Deuteranopen. Denn hier zeigt sich die gleiche Abweichung in den langwelligen Kurven der beiden Beobachter, wie sie v. Keies zwischen dem peripheren Sehen des Normalen und Deuteranopen fand : n\u00e4mlich in der Peripherie des Normalen und bei dem erworbenen Rotgr\u00fcnblinden haben die spektralen Lichter, welche dem Gr\u00fcn entsprechen, einen h\u00f6heren Reizwert als bei dem Deuteranopen. Die Abweichung ist beide Male gleich geringf\u00fcgig, so dafs die \u00c4hnlichkeit des erworbenen Rotgr\u00fcnblinden mit den Deuteranopen viel gr\u00f6fser ist als mit den Protanopen. Ich habe hierauf bereits an anderer Stelle hingewiesen (a. a. 0.), und f\u00fcr","page":290},{"file":"p0291.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Entstellung der emuorbenen Rotgr\u00fcnblindheit.\n291\ndas Peripheriesehen des Normalen ist diese Eigenschaft ja ebenfalls bekannt genug (y. Kries x).\nDie Helligkeitsverteilung, wie sie durch die Peripherie werte dargestellt werden, sind bekanntlich die gleichen, wie im Netzhautzentrum des Normalen. Bei der erworbenen Rotgr\u00fcn-blindheit bleiben danach die Helligkeitsverh\u00e4ltnisse des Normalen unver\u00e4ndert bestehen, oder mit anderen Worten, die relativen Reizwerte, welche die einzelnen homogenen Lichter auf das Sehorgan aus\u00fcben, werden durch die erworbene Rotgr\u00fcnblindheit nicht beeinflufst.\nTrifft dieser Satz zu, dann m\u00fcfsten z. B. auch bei Protanopen, bei denen je die Reizwerte eine am Normalen ganz abweichende Verteilung im Spektrum haben, durch eine hinzutretende Sehnervenatrophie mit gleichzeitig erworbener Rotgr\u00fcnblindheit, die Helligkeitsverteilung im Spektrum erhalten bleiben ; bei der Aichung solcher Patienten mit \u201eZusammentreffen von Protanopie und erworbener Rotgr\u00fcnblindheit\u201c m\u00fcfsten sich dann nach wie vor die Aichwerte des Protanopen unver\u00e4ndert erhalten haben. Der Nachweis dieser Verh\u00e4ltnisse w\u00e4re gleichsam die Probe aufs Exempel. Ich glaube in 2 F\u00e4llen wenigstens mit Wahrscheinlichkeit (leider nicht mit Sicherheit) diesen Nachweis gef\u00fchrt zu haben.1 2\nDie Ver\u00e4nderung, welche die beiden ersten Aichwertkurven des normalen Farbensystems durch die allm\u00e4hliche Entwicklung erworbener Rotgr\u00fcnblindheit erleiden, zeigt zugleich, dafs keinesfalls unter allen Umst\u00e4nden die drei Aichwertkurven des Normalen zugleich drei Erregbarkeitskomponenten der Netzhaut darstellen. Diese hypothetische \u00dcbereinstimmung w\u00e4re nur dann m\u00f6glich, wenn eine normale Reizleitung dieser Erregungsvorg\u00e4nge nach den zerebralen Zentren besteht.\nIn allen F\u00e4llen erworbener Farbensinnst\u00f6rungen kann jedenfalls zun\u00e4chst in den Aichwertkurven nur die graphische Darstellung daf\u00fcr gesehen werden, in welchem Verh\u00e4ltnisse zwei Lichter aus den Enden des Spektrums gemischt werden m\u00fcssen, um die gleiche Farbenempfindung auszul\u00f6sen wie die Reihe der homogenen Lichter.\nAnderenfalls m\u00fcfste man ja bei Betrachtung der obigen\n1\tZeitschrift f. Psychol, u. Physiol, d. Sinnesorgane 15, S. 268.\n2\tZeitschr. f. Augenheilk. 23, erscheint demn\u00e4chst.","page":291},{"file":"p0292.txt","language":"de","ocr_de":"292\nK\u00f6llner.\nAichwertkurven zu dem Schlufs kommen, dafs sich mit Entstehung der erworbenen Rotgr\u00fcnblindheit die hypothetischen Erregbarkeitskomponenten st\u00e4ndig ver\u00e4ndern.\nDa aber ihre Gesamtsumme immer gleich bleibt, d. h. keine Abweichung von der Helligkeitsverteilung des Normalen im Spektrum eintritt, liegt die Annahme n\u00e4her, dafs die Erregbarkeitsverh\u00e4ltnisse des Sehorgans bei der erworbenen Rotgr\u00fcnblindheit \u00fcberhaupt keine relative Ver\u00e4nderung erleiden. Auch das Verhalten der Patienten im Anfangsstadium gegen\u00fcber der RAYLEiGH-Gleichung bietet ja keinen Anhalt daf\u00fcr, dafs bei der erworbenen Rotgr\u00fcnblindheit irgendwelche Ver\u00e4nderungen in den vom Lichte erregbaren Teilen des Sehorgans vor sich gehen. Die erworbene Rotgr\u00fcnblindheit beruht vermutlich nur in einer zunehmenden Unf\u00e4higkeit der Sehbahnen, die Erregungsvorg\u00e4nge gen\u00fcgend differenziert weiter zu leiten.\nInteressant ist, dafs hierdurch die Farbenempfindung in \u00e4hnlicher Weise reduziert wird, wie unter physiologischen Verh\u00e4ltnissen in der Peripherie des Normalen, bei der Einwirkung abnorm hoher Lichtintensit\u00e4ten oder bei der Erm\u00fcdung f\u00fcr farbige Reize (vgl. v. Kries, in Nagels Handbuch der Physiologie des Menschen).","page":292}],"identifier":"lit33560","issued":"1910","language":"de","pages":"269-292","startpages":"269","title":"Zur Entstehung der erworbenen Rotgr\u00fcnblindheit","type":"Journal Article","volume":"44"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:51:56.985144+00:00"}