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Die physiologische Psychologie des Hungers

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{"created":"2022-01-31T16:48:49.315773+00:00","id":"lit33565","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"Turro, R.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 44: 330-370","fulltext":[{"file":"p0330.txt","language":"de","ocr_de":"330\nDie physiologische Psychologie des Hungers.\nVon\nProfessor R. Turro,\nDirektor des st\u00e4dt. bakteriolog. Laboratoriums zu Barcelona.\nI. Der physiologische Ursprung des Hungers.\na)\tDefinition des Hungers.\nDer ihn veranlassende Reiz geht nicht vom Magen aus. Die Nahrungsmittel stillen den Hunger, sobald sie in die Zusammensetzung des Gewebssaftes \u00fcbertreten. Die urs\u00e4chliche Veranlassung des Hungers liegt in den Verlusten, die der Gewebssaft infolge der Zellern\u00e4hrung erleidet.\nb)\tZusammensetzung des Gewebssaftes.\nDas gegenseitige Verh\u00e4ltnis seiner Bestandteile.\nDer trophische Reflex.\nDie Autoregulation der Ern\u00e4hrungsvorg\u00e4nge zeigt, dafs der trophische Reflex sich qualitativ und quantitativ den Bed\u00fcrfnissen des Gewebssaftes anpafst.\nDie spezifische Natur der trophischen Empfindungen.\nVergleich dieser Empfindungen mit der sekretorischen Sensibilit\u00e4t.\nc)\tPhysiologische Bedingungen in Abh\u00e4ngigkeit vom Hungergef\u00fchl.\nDie Hypothese von Leopoldo Levi \u00fcber den Ursprung des Hungers.\nHunger und trophischer Reflex.\nII. Die Natur des Hungergef\u00fchles.\nHunger im allgemeinen. \u2014 Seine Zusammensetzung aus einer Reihe von Elementarempfindungen. \u2014 Der Durst bei Chlor\u00e4mie und Hyperglyk\u00e4mie. \u2014 Die Regulierung der Wasserverh\u00e4ltnisse im Gewebssaft. \u2014 Der Durst ist eine grundlegende und spezi-","page":330},{"file":"p0331.txt","language":"de","ocr_de":"Die physiologische Psychologie des Hungers.\n331\nfische Empfindung. \u2014 Folgen der Entsalzung des Organismus. \u2014 Der Salzhunger. \u2014 Hunger auf Kalk und andere mineralische K\u00f6rper. \u2014 Die Ursache des Hungers auf S\u00fcfsstoffe bei Kindern. \u2014 Physiologische Grundlage des Fetthungers. \u2014 Der Eiweifshunger. \u2014 Der Kohlehydrathunger. \u2014 Der Hunger in seiner allgemeinen Bedeutung ist eine Summe elektiver trophischer Bestrebungen. \u2014 Das Ern\u00e4hrungsgleichgewicht und die Spezifit\u00e4t trophischer Empfindungen. \u2014 Der trophische Instinkt von experimentellen Gesichtspunkten.\nIII. Die quantitative Autoregulation trophischer\nEmpfindungen.\nFestsetzung der Nahrungsmenge. \u2014 Ver\u00e4nderlichkeit der Menge nach der chemischen Zusammensetzung der Nahrung. \u2014 Ursachen die die Festsetzung der Nahrungsmenge st\u00f6ren. \u2014 Die Menge der Nahrung und der n\u00e4hrenden Substanzen. \u2014 Quantitative Regulierung des Hungers bei Pflanzen- und Fleischfressern sowie bei Omnivoren. \u2014 Die Festlegung der Nahrungsmenge entsprechend ihrem N\u00e4hrwert stammt von Erinnerungen an fr\u00fchere Erfahrungen. \u2014 Die Ver\u00e4nderungen dieser Erinnerungsbilder, bei anderem Ablauf des Ern\u00e4hrungsvorganges. \u2014 Anpassung der Nahrung an die Verarmung des Gewebssaftes. \u2014 Autoregulation der trophischen Empfindungen bei erh\u00f6hter Energie der Ern\u00e4hrungsvorg\u00e4nge. \u2014 Zusammenfassung und Schlufs.\nI. Ursprung des Hungergef\u00fchles.\nUnter Hunger im gew\u00f6hnlichen Sinne verstehen wir das Gef\u00fchl von der Notwendigkeit, unserem Organismus etwas zuzuf\u00fchren, was ihm fehlt; dieses Etwas bezeichnen wir als Speisen, wenn es sich um feste K\u00f6rper, im gel\u00f6sten oder ungel\u00f6sten Zustande, als Getr\u00e4nke, wenn es sich um fl\u00fcssige Stoffe handelt. Das Hungergef\u00fchl nimmt seinen Ursprung scheinbar vom Magen, als ob von ihm die urs\u00e4chliche periphere Reizung ausginge. Dem ist aber nicht so. Das physiologische Experiment hat gezeigt, dafs durch Magenresektion bei Hunden die Notwendigkeit der Nahrungszufuhr weder aufgehoben, noch in ihrem zeitlichen Ablauf alteriert wird. Ebenso hat man bei Menschen, die wegen\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 44.\t21","page":331},{"file":"p0332.txt","language":"de","ocr_de":"332\nR. Turro.\nMagenleidens sieh umfangreicher Magenresektionen mit gl\u00fccklichem Erfolge unterzogen haben, beobachtet, dafs das Hungergef\u00fchl genau wie vor der Operation auftrat. Ebensowenig wird das Entstehen dieser Empfindung durch Durchschneidung der Nervi vagi gehindert. Diese und andere klassische Erfahrungen beweisen, dafs die im Magen lokalisierte Empfindung nicht mit dem Hungergef\u00fchl zusammengeworfen werden darf, da dieses unabh\u00e4ngig von jener kommt und geht.\nIn Wirklichkeit entspricht das Hungergef\u00fchl der Notwendigkeit, die Verluste des Organismus wieder aufzuf\u00fcllen. Dieser Ersatz kommt nicht dadurch zustande, dafs eine effektive N\u00e4hrstoffzufuhr zum Magen stattfindet, sondern dadurch, dafs auf diesem Wege dem Gewebssaft Elemente zufliefsen, die sich in integrierende Bestandteile desselben verwandeln. Wasser und Salz beispielsweise k\u00f6nnen in die Gewebsfl\u00fcssigkeit \u00fcbertreten, ohne dabei chemische Umwandlungen zu erleiden. Die Mehrzahl der Nahrungsmittel aber mufs vorher tiefgreifende Ver\u00e4nderungen ihrer Zusammensetzung oder molekularen Struktur eingehen. Von ihnen kann man sagen, dafs sie so wie sie dem K\u00f6rper zugef\u00fchrt werden, nur virtuelle Nahrungsmittel darstellen. Damit diese nun, nachdem sie schon zu N\u00e4hrstoffen umgewandelt sind, in die K\u00f6rpers\u00e4fte eintreten und auf die chemische Anziehung der Zellelemente reagieren k\u00f6nnen, m\u00fcssen sie derartig verarbeitet sein, dafs die Einheitlichkeit in der Zusammensetzung der Gewebsfl\u00fcssigkeit wieder hergestellt wird. Erst dann ist der Hunger tats\u00e4chlich gestillt.\nDie eingef\u00fchrten Nahrungsmittel enthalten den Grundstoff, der den Gewebss\u00e4ften die durch die Zellfl\u00fcssigkeit in Anspruch genommenen Bestandteile liefert und zuf\u00fchrt. Hierzu m\u00fcssen sie sich so umwandeln, dafs sie die chemische Form der zu erg\u00e4nzenden Stoffe annehmen. Wenn die Umwandlung eine unvollst\u00e4ndige ist, und der N\u00e4hrstoff nicht in einer Form in die Gewebsfl\u00fcssigkeit eintritt, die geeignet ist, den urspr\u00fcnglichen Gleichgewichtszustand in ihrer Zusammensetzung wieder herzustellen, so ist der Nahrungsausfall nicht geb\u00fchrend gedeckt, und durch dieses Defizit oder durch sein psychisches \u00c4quivalent wird der Hunger hervorgerufen. Wenn andererseits der Fehlbetrag ausgeglichen ist, und die Zellen, von Gewebsfl\u00fcssigkeit umsp\u00fclt, die f\u00fcr ihre physiologische T\u00e4tigkeit n\u00f6tigen Elemente vorfinden, so entsteht die erw\u00e4hnte psychische Notwendigkeit","page":332},{"file":"p0333.txt","language":"de","ocr_de":"Die physiologische Psychologie des Hungers.\n333\nnicht. Ebenso wie man in einem leuchtenden K\u00f6rper den Ursprung oder die Ursache dessen zu suchen hat, w^as die T\u00e4tigkeit des Gesichtssinnes anregt, so mufs man auch in den K\u00f6rpers\u00e4ften die Ursache des Hungergef\u00fchles sehen. Was nun f\u00fcr die vielf\u00e4ltigen M\u00f6glichkeiten auf dem Gebiete der Gesichtsempfindung gilt, die unter verschiedenen physikalischen Bedingungen auf-treten, das l\u00e4fst sich auch f\u00fcr die Ersch\u00f6pfung an Bestandteilen zeigen, die in der K\u00f6rperfl\u00fcssigkeit durch die Zellern\u00e4hrung entsteht, d. h. f\u00fcr alle Erscheinungsformen des Hungergef\u00fchles. Der Trieb, der das Tier veranlafst, in der umgebenden Welt die Eiweifsk\u00f6rper oder Kohlehydrate, Salz oder Wasser zu suchen, w\u00fcrde nicht in die Erscheinung treten, wenn den K\u00f6rpers\u00e4ften durch eine vorl\u00e4ufige physiologische Einrichtung, wie im intrauterinen Leben, alle verbrauchten Stoffe wieder zugef\u00fchrt w\u00fcrden. Es versteht sich von selbst, dafs wenn wir durch eine geniale Erfindung imstande w\u00e4ren, die verbrauchten Stoffe in der Form einzuf\u00fchren, in der sie die Zellfl\u00fcssigkeit assimiliert, ein so behandeltes Tier niemals Hunger empfinden w\u00fcrde. Ebenso wie es nie Durst leiden k\u00f6nnte, wenn man ihm, unter der Voraussetzung, dafs man seine Wasserausscheidung und -verbrauch kennt, diese Menge intraven\u00f6s, rektal oder subkutan in angemessener Weise injizierte. Vorl\u00e4ufig sind solche Bedingungen noch imagin\u00e4r. Die Lebewesen verlangen die Zuf\u00fchrung von Nahrungsmitteln und Getr\u00e4nken und zwar im gegebenen Falle bestimmter Lebensmittel und in feststehender Quantit\u00e4t. Wir wollen uns also darauf beschr\u00e4nken, die Ph\u00e4nomene festzustellen, die uns durch Selbstbeobachtung kundwerden, wenn uns auch ihre tiefere Veranlassung ewig unbekannt bleiben wird. Wenn wir aber den Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung oder zwischen der Empfindung und der urs\u00e4chlichen peripheren Beizung darlegen, so kommen wir der Erkenntnis dieser bis heute noch unbekannten Vorg\u00e4nge einen Schritt n\u00e4her. Wenn also der Gewebssaft im Unterbewufstsein in Form eines instinktiven Antriebes den vorhandenen Substanzdefekt zu unserer Kenntnis bringt, so m\u00fcssen wir vor allem die Natur dieser Fl\u00fcssigkeit sowie die Gesetze der Verarmung und des Ersatzes ihrer N\u00e4hrstoffe auf ihre allgemeine G\u00fcltigkeit pr\u00fcfen, gerade so wie wir die Dichtigkeit der brechenden Medien genau kennen m\u00fcssen, wenn wir uns \u00fcber die Ablenkung der Strahlen bei der Reflexion des Lichtes Rechenschaft geben wollen.\n21*","page":333},{"file":"p0334.txt","language":"de","ocr_de":"334\nII. Turro.\nZusammensetzung des Gewebssaftes.\nDer Muskel, der sich kontrahiert, die Dr\u00fcsen, die sezernieren, der Nerv, der reagiert, sie alle leben auf Kosten ihrer eigenen Substanz, indem sie diese in andere Energieformen \u00fcberf\u00fchren, die sich mehr oder weniger vom Typus ihrer urspr\u00fcnglichen Zusammensetzung entfernen. Das Leben stellt eine ununterbrochene Umsetzung und einen dauernden Verbrauch der Materie dar. Claude Bernard vergleicht das Leben mit dem Minotauros, der sich selbst auffrifst. Als der ruhende Pol in den dauernden Verwandlungen verbleibt wie eine mechanische Einrichtung ein gewisses Etwas, m\u00f6ge es nun Organ, Gewebe, Zelle, biogenetisches Molek\u00fcl oder dergl. heifsen. Diese Kraft hat die Eigenschaft, nach Mafsgabe ihres Verbrauches ihre eigne Substanz umzuwandeln und aus sich selbst heraus mittels elektiver Anziehung die brauchbaren Stoffe zu assimilieren, um so durch eine st\u00e4ndige Arbeit die vorher abgebauten Substanzen wieder zu erg\u00e4nzen. Auf diese Weise wird die Einheit der Zusammensetzung immer wieder hergestellt.\nAufbau der Materie aus sich selbst und spezielle Zurichtung je nach der Zusammensetzung der betreffenden Zelle; Abbau der so hergestellten Materie bis zum Verlassen der urspr\u00fcnglichen Zusammensetzung und bis zur g\u00e4nzlichen Ver\u00e4nderung des Typus : das ist das Bild, das den Ern\u00e4hrungsvorgang darstellt. Ein Molek\u00fcl von derartiger Struktur, dafs es bei Abgabe einer bestimmten Anzahl Atome Kohlenstoff, Sauerstoff, Stickstoff die Tendenz bewahrt, aus dem Rest das Verlorene in gleicher Form wie vorher zu ersetzen: So stellt sich die treibende Kraft dieser unendlichen Bewegung dar.\nFassen wir dieses beides zusammen, so haben wir das Leben reduziert auf seine grundlegende Funktion: die Ern\u00e4hrung. Durch die aufbauende Kraft ist das biogenetische Molek\u00fcl bestrebt, st\u00e4ndig das zu ersetzen, was die abbauende unter Schaffung neuer Produkte von der einheitlichen Zusammensetzung abzuwandeln sucht. F\u00fcr diese dauernde Auslese, die das durch Abbau Verlorene ersetzt, ist es unerl\u00e4fslich, dafs das Medium in dem das biogenetische Molek\u00fcl arbeitet, diesem die Ersatzstoffe liefert, da sonst, ein nie vorkommender Fall, die Avidit\u00e4t der Molek\u00fcle nicht ges\u00e4ttigt und der Kreislauf der Ern\u00e4hrung unterbrochen w\u00fcrde. \u2014 Der Ern\u00e4hrungsvorgang setzt also die Gegen-","page":334},{"file":"p0335.txt","language":"de","ocr_de":"Die physiologische Psychologie des Hungers.\n335\nwart eines brauchbaren Mediums (Gewebssaft) voraus, das die Grundsubstanz liefert, gerade so wie die Unterhaltung der Flamme die Anwesenheit der Luft verlangt, die eines der zur Verbrennung n\u00f6tigen Elemente bietet. Wenn diese Grundsubstanz fehlt, zu schwach oder nicht geh\u00f6rig vorbereitet ist, um alle freien Rezeptoren abzus\u00e4ttigen, so steht die Ern\u00e4hrung still, verz\u00f6gert sich, oder wird sonst irgendwie gest\u00f6rt.\nDie Gewebsfl\u00fcssigkeit formt sich nicht allein auf Kosten der Darmabsorption; ihre Zusammensetzung ist vielmehr der Erfolg einer physiologischen Auslese, einer echten Dr\u00fcsenfunktion sowohl im Darmepithel, wie in der Leber, Milz, Pankreas, Thyreoidea usw. Durch den Katabolismus werden der Gewebsfl\u00fcssigkeit die Stoffe zugef\u00fchrt, die die Zellern\u00e4hrung verarbeitet hat und zwar teils in Form der inneren Sekretion, teils als Substanzen, die f\u00fcr das Leben der biogenetischen Einheiten, die die Abfallstoffe umwandeln und zu anderen Ersatzelementen gruppieren sollen, sch\u00e4dlich sind. Zwischen den bei der Magen-Darmverdauung entstehenden Produkten und der chemischen Form, in der sie in den Gewebssaft \u00fcbertreten, liegt ein weiter Zwischenraum, ein \u00e4ufserst komplizierter Prozefs von Zwischenverwandlungen. So sehen wir, wie die eingef\u00fchrten Eiweifsstoffe zuerst in Albumosen, in Propeptone, Peptone und schliefslich in Aminos\u00e4uren umgesetzt und dann durch die Darmepithelien und lymphatischen Ganglien in eigentliche Albumine verwandelt werden. Ebensowenig sind die Glykosen in der Form in der Gewebsfl\u00fcssigkeit vorhanden, in der sie eingef\u00fchrt werden. Sie entstehen vielmehr in bestimmter, gew\u00f6hnlich unver\u00e4nderlicher Menge, aus dem gespaltenen Glykogen durch Hydrolyse. Weder das Eisen noch das Jod gehen ins Blut \u00fcber, ohne vorher in der Thyreoidea oder in der Milz gewisse Eiweifsverbindungen eingegangen zu sein. Andererseits treten die Produkte des Zellaufbrauches als l\u00f6sliche Substanzen in den Gewebssaft. So werden die in der Leber verarbeiteten Abk\u00f6mmlinge des H\u00e4moglobins f\u00fcr die Gallenfunktion verwendet, ein Ph\u00e4nomen das Pi y Suneb sogar im Reagensglas gezeigt hat.\nFassen wir zusammen; Die Gewebsfl\u00fcssigkeit, die eigentliche Zellnahrung, erh\u00e4lt ihre Bestandteile nicht direkt durch Absorption, sondern ist im Grunde das Produkt der physiologischen T\u00e4tigkeit der verschiedensten zeitigen Elemente. Das funktionelle Leben dieser gleichartigen Zellgruppierungen, die wir Gewebe","page":335},{"file":"p0336.txt","language":"de","ocr_de":"f\n336\tB. Turro.\nnennen, w\u00fcrde nicht m\u00f6glich sein, wenn sich einige Gewebe nicht anderen Ersatzstoffen unterordnen w\u00fcrden, die die Darmabsorption allein nicht gleichm\u00e4fsig verteilen kann. Gerade wie zwischen den verschiedenen Teilen des Organismus eine Wechselwirkung besteht, durch die die einzelnen Funktionen verkn\u00fcpft und in Einklang gebracht werden, so besteht auch eine chemische Einstimmigkeit, auf Grund deren eine Funktion die andere voraussetzt.\nIst der Ge webssaft wie beschrieben zusammengesetzt, so vollziehen sich im Innern der Zelle und in ihrer Umgebung Prozesse, wie G\u00e4hrung, Wasseraufnahme und Abgabe, Oxydierung, Festwerden, L\u00f6sung, Synthese usw., alles Erscheinungsformen des Metabolismus, von dessen T\u00e4tigkeit dem Bewufstsein nichts Kunde bringt.\nDie Zahl der die Gewebsfl\u00fcssigkeit zusammensetzenden Stoffe steht unter normalen Bedingungen in einem bestimmten Verh\u00e4ltnis zueinander. Wenn dieses gegenseitige Verh\u00e4ltnis sich verschiebt, so kommt es zu schweren St\u00f6rungen der Funktion. Wie die Zu- und Abnahme des Sauerstoffes in der Luft die respiratorische Blutbildung st\u00f6rt, so m\u00fcssen die Elemente, aus denen sich die umgebende Zellmasse zusammensetzt, nicht nur geeignet sein, die Affinit\u00e4t der biogenetischen Molek\u00fcle zu s\u00e4ttigen, sondern sie m\u00fcssen auch genau in der Menge vorhanden sein, die die S\u00e4ttigung verlangt. Wenn wir uns vorstellen, dafs diese Stoffe fehlen, oder nicht in gen\u00fcgender Menge da sind, so verursacht die Ver\u00e4nderung, die diese Abwesenheit oder der Mangel im Zustande der Zelle hervorrufen, ihrerseits eine Ver\u00e4nderung der Nervenendigungen in der Zelle. Dieser Zustandswechsel veranlafst von sich aus eine Reizung, die, auf noch v\u00f6llig unbekannten Bahnen, die T\u00e4tigkeit eines oder mehrerer Organe anregt, die in der Lage sind, entweder die fehlenden Substanzen zu liefern, oder fermentartige Zwischenk\u00f6rper, welche jene so vorzubereiten haben, dafs sich der Gewebssaft aus ihnen die Materialien entnehmen kann, an denen er verarmt ist. Diese Nervent\u00e4tigkeit bezeichnet die Physiologie als trophischen Reflex.\nWir sehen also, wie die Beobachtung uns lehrt, dafs die Vorg\u00e4nge der Ern\u00e4hrung weise reguliert werden. Wenn diese Regulierung aufh\u00f6rt, stellen sich sofort schwerste pathologische Erscheinungen ein. Dem Gewebssaft fliefsen nur gerade soviel","page":336},{"file":"p0337.txt","language":"de","ocr_de":"Die physiologische Psychologie des Hungers.\n337\nSubstanzen zn, wie er braucht, als ob die sie liefernden Organe einen Verstand bes\u00e4fsen, und eine Sch\u00e4tzung f\u00fcr das Mafs des Fehlenden. Das ist nat\u00fcrlich nur scheinbar. In Wirklichkeit-handelt es sich um eine spezifische, fein differenzierte Nervenaktion. Durch sie wird ein Organ, in dessen ern\u00e4hrendem Gewebssaft das Element fehlt, das es zum Ersatz seiner Ausgaben braucht, zum Ausgangspunkt eines nerv\u00f6sen Reizes gemacht, der \u00fcber viele Zwischenstationen, die er zu lebhafterer Arbeit anregt, das Organ in T\u00e4tigkeit setzt, das entweder aus sich heraus, die fehlenden Substanzen liefert oder die Fermente frei macht, die jene bilden. Die durch solche Reflext\u00e4tigkeit zur Erreichung eines bestimmten Zieles hervorgebrachten Wirkungen scheinen bewufste zu sein. Wenn man sie aber genau betrachtet, stellen sie doch nur das Resultat einer vorbedingten mechanischen T\u00e4tigkeit dar.\nDie Selbstregulierung der Ern\u00e4hrungsvorg\u00e4nge zeigt uns, dafs die Anpassung der trophischen Reflexe eine qualitative und quantitative ist.\nWir wollen z. B. als Tatsache annehmen, dafs eine l\u00e4ngere Muskelanstrengung die im Umlauf befindliche Glukose auf-braucht. Die Notwendigkeit, diesen durch die Arbeit kontraktiler Elemente hervorgerufenen Verlust zu decken, verursacht einen Reiz, der entweder eine direkte Fernwirkung auf die Zellen aus\u00fcbt, in denen das Glycogen hervorgebracht und aufgespeichert ist, oder sie setzt, und das ist das rationellere, andere Organe in Betrieb, die hydrolytische Enzyme zu seiner Spaltung frei machen. Der anf\u00e4ngliche Reiz, der den trophischen Reflex gleichg\u00fcltig auf welchen Bahnen und \u00fcber welche Organe ausl\u00f6st, ist die Folge eines Substanzmangels im Gewebssaft, dessen S\u00e4ttigung die chemische Avidit\u00e4t des Biogens verhindert. Solange diese Avidit\u00e4t und mit ihr der Substanzmangel besteht, dauert auch die nerv\u00f6se Fern Wirkung, die der Gewebsfl\u00fcssigkeit- Glykosen zuzuf\u00fchren bestrebt ist, bis die Einheit ihrer Zusammensetzung wieder hergestellt ishj Dann h\u00f6rt die Ver\u00e4nderung im Zellzustand und damit der durch sie bedingte Nervenreiz auf. Wir unterscheiden demnach an diesem Reflex eine spezifische oder unterschiedliche Reizung und eine zentrifugale Aktion mit Selbsthemmung, die dazu bestimmt ist, die Glukose der Gewebsfl\u00fcssigkeit in der Form zuzuf\u00fchren, die gerade n\u00f6tig ist, um die urs\u00e4chliche Reizung nach Erf\u00fcllung ihrer Pflicht zum Verschwinden zu","page":337},{"file":"p0338.txt","language":"de","ocr_de":"338\nR. Turro.\nbringen. So pafst sich die in gewissen, der Anreicherung des Gewebssaftes an verlorengegangenen Prinzipien dienenden, Zellelementen auftretende T\u00e4tigkeit derjenigen anderer Zellelemente an, die jenen Verlust hervorgerufen haben, indem sie zwischen beiden ein harmonisches Verh\u00e4ltnis herstellt.\nNehmen wir nun an, dafs zum Ausgleich einer Herabsetzung der umgebenden Temperatur der Organismus sich veranlafst sieht, einige Kalorien mehr wie vorher zu entwickeln, um seine konstante Eigentemperatur zu erhalten. Die zu diesem Zwecke vorzugsweise ben\u00f6tigten w\u00e4rmebildenden Stoffe sind die Fette, da sie bei gleichen Gewichtsverh\u00e4ltnissen die meisten Kalorien produzieren. Um nun im Zelleinschlufs die Verbrennung zu unterhalten, nehmen die umlaufenden Fette rapide ab, und wenn sich nicht auf die fettbildenden Organe eine Fern Wirkung im Sinne erh\u00f6hter T\u00e4tigkeit geltend machen w\u00fcrde, so w\u00fcrden die aufgespeicherten Reservefette nicht frei werden und so diese Elemente im Gewebssaft gerade in dem Augenblicke sich ersch\u00f6pfen, wo sie am wenigsten entbehrlich sind. ./ Die Erfahrung lehrt uns, dafs diese Reserven in der Tat mobilisiert werden und der K\u00f6rperfl\u00fcssigkeit nach Mafsgabe des Bedarfs zufliefsen. Die Anpassung dieses Reflexes ist eine qualitative, sofern sie sich das fehlende Element und nicht ein anderes verschafft, und sie ist quantitativ, soweit sie in dem Mafse auftritt, in der die periphere Reizung, die die sie verursachenden zeitigen Elemente frei macht, seine Anwesenheit erfordert. Unter der Voraussetzung, dafs die Verminderung der umgebenden Temperatur erheblich ist, wird auch der Zuflufs an Fetten reichlicher, die die Verbrennung im Organismus unterhalten ; wenn der Temperaturabfall geringer ist, so werden auch die Fette weniger angegriffen und fliefsen dem Gewebssaft in geringerer Menge zu.\nWas wir soeben an dem Beispiel der Glukosen und Fette ausgef\u00fchrt haben, gilt in extenso f\u00fcr alle integrierenden Bestandteile der Gewebsfl\u00fcssigkeit. Alle Ph\u00e4nomene, die sich im K\u00f6rperhaushalt abspielen, laufen darauf hinaus, uns zu zeigen, wie eng die Funktionen der verschiedenen Organe, aus denen er zusammengesetzt ist, untereinander verbunden sind. Bei dem gegenw\u00e4rtigen Stande der Wissenschaft k\u00f6nnen wir nicht \u00fcberall den Mechanismus erkennen, mittels dessen die innere Sekretion der Thymus, der Thyreoidea, der Hypophysis, der Nebennierenkapsel usw. ihren Einflufs auf die Abwicklung des Ern\u00e4hrungs-","page":338},{"file":"p0339.txt","language":"de","ocr_de":"Die physiologische Psychologie des Hungers.\n339\nProzesses geltend macht. Dafs aber ein solcher Einflufs besteht und sehr genau geregelt ist, ist unzweifelhaft. Alles veranlafst uns zu glauben, dafs wie der Rhythmus und die Energie der Herzt\u00e4tigkeit sich den Bed\u00fcrfnissen des Organismus anpafst, wie die Sekretion des Verdauungsapparates der chemischen Natur der eingef\u00fchrten Nahrungsmittel, wie die Eingeweide sich in ihren Bewegungen der physikalischen Natur des Nahrungsmittels anpassen, so sich auch die Organe mit innerer Sekretion den Anforderungen der Ern\u00e4hrung unterordnen m\u00fcssen, indem sie der Gewebsfl\u00fcssigkeit Zwischenk\u00f6rper zuf\u00fchren, die sie zum intermolekularen Bindeglied geeignet machen. Wir k\u00f6nnen hier nicht Schritt f\u00fcr Schritt zeigen, wie diese Anpassung auf dieselbe Weise zustande kommt, wie es Cyon bei dem kardiovaskul\u00e4ren System, Pawlofe f\u00fcr die Verdauungsdr\u00fcsen, und eine grofse Anzahl Physiologen f\u00fcr die gastrointestinalen Dr\u00fcsen nachgewiesen hat, deren Sekret von Pi y S\u00fcner in gl\u00e4nzender Weise synthetisch dargestellt worden ist. Im ganzen gen\u00fcgt es uns, in grofsen Z\u00fcgen den Einflufs zu schildern, den beispielsweise die Atrophie der Thyreoidea auf die ganze Ern\u00e4hrung aus\u00fcbt, um zu begreifen, dafs sich normalerweise der Reiz, der ihre Sekretion veranlafst, in vollendeter Weise den Bed\u00fcrfnissen der individuellen Ern\u00e4hrung anpafst. Wenn wir einem Myxoedemat\u00f6sen experimentell Thyreoideaextrakt darreichen, so kr\u00e4ftigt und st\u00e4rkt sich seine verlangsamte Ern\u00e4hrung, um beim Aufh\u00f6ren der Medikation von neuem darniederzusinken. Man k\u00f6nnte sagen, dafs dieser Einflufs auf den Ern\u00e4hrungsvorgang in gewissem Sinne mit dem vergleichbar ist, den der Magen- und Pankreassaft auf die zu verdauenden Substanzen aus\u00fcbt. Wie sich unter ihrer Einwirkung der Kreislauf bis zu den letzten Abbauprodukten, Plarnstoff und Kohlens\u00e4ure vollzieht, um bei ihrer Abwesenheit oder fehlerhafter Zusammensetzung langsamer zu wirken, so tritt eine St\u00f6rung ein, wenn der Ge webssaft nicht die n\u00f6tige Zusammensetzung hat, um dem Zellk\u00f6rper die zu seiner T\u00e4tigkeit und seinem Verbrauch n\u00f6tigen Mittel zu liefern. Es besteht kein Zweifel, dafs der Einflufs dieser Sekretion auf bestimmte Produkte genau geregelt ist. Geben wir Thyreoideaextrakt in der Schwangerschaft, so wird der Foetus eine \u00fcber-m\u00e4fsige Entwicklung durchmachen. Er bekommt Kropf und Exophthalmus, Hyperthyreoidismus, und kann die pathologischen Erscheinungen schwerster Erkrankung auf weisen.","page":339},{"file":"p0340.txt","language":"de","ocr_de":"340\nR. Turro.\nDasselbe was wir dereinstiger vivisektorischer Beweisf\u00fchrung vorauseilend, von der inneren Sekretion gesagt haben, darf man von allen noch verwendbaren Abfallstoffen versichern. Die verschiedenen Organe, die in ihrer Gesamtheit den Organismus darstellen, sind in ihrer Funktion nicht so selbst\u00e4ndig, dafs sie unabh\u00e4ngig voneinander arbeiten k\u00f6nnen. Es besteht zwischen ihnen eine funktionelle Wechselwirkung. Von der Leber an, die die Produkte der Darmabsorption empf\u00e4ngt und umwandelt, bis zur unt\u00e4tigsten und niedrigststehenden Faser eines Gewebsverbandes tragen alle zelligen Elemente, jedes in seiner Art dazu bei, sich ein Medium zu schaffen, von dem umsp\u00fclt sie leben und dem sie die zur Bildung ihrer Eigensubstanz n\u00f6tigen K\u00f6rper entnehmen. Da nun die Anziehungskr\u00e4fte elektiv arbeiten, so lehnt sich die Zelle dagegen auf, wenn das Medium ihr die Grundsubstanz nicht darreicht, und dieser Zustandswechsel ist das, was wir oben trophischen Reiz genannt haben.\nDie trophische Sensibilit\u00e4t ist nicht etwa eine indifferente in dem Sinne, dafs sie auf jeden sie treffenden Reiz, sei er mechanischer, physikalischer oder chemischer Natur, ohne Unterschied reagiert. Vielmehr handelt es sich um eine spezifische Sensibilit\u00e4t f\u00fcr die Ver\u00e4nderungen der Gewebsfl\u00fcssigkeit. Sie ist also in dieser Hinsicht eine Empfindung f\u00fcr chemische Reize, insofern sie imstande ist, die verschiedenen Substanzen, aus denen sich der Ge webssaft zusammensetzt, zu differenzieren. W\u00fcrde die trophische Sensibilit\u00e4t auf jeden indifferenten Reiz reagieren, so w\u00e4re es unverst\u00e4ndlich, wie sie die gleichm\u00e4fsige Zusammensetzung der Gewebsfl\u00fcssigkeit aufrecht erhalten k\u00f6nnte, und wenn ferner diese Gleichm\u00e4fsigkeit nicht bewahrt w\u00fcrde, so w\u00e4re die Selbsthemmung des Ern\u00e4hrungsprozesses nicht erkl\u00e4rlich. Diese Autoregulation aber ist eine so selbstverst\u00e4ndliche Tatsache, dafs sie aulser jeder Diskussion steht. Alle unsere heutigen Kenntnisse sprechen daf\u00fcr, dafs die umlaufenden Glukosen, sowie sie verbraucht werden, sich sofort wieder erg\u00e4nzen. Wenn innere Vorg\u00e4nge W\u00e4rmeerzeugung verlangen, so werden die Reservefette mobilisiert, wenn Elemente zum Aufbau gebraucht werden, so liefern sie die Gewebe in der einen oder anderen Form ebenso wie sie das zur\u00fcckgehaltene Salz und Wasser abgeben, wenn es in der Gewebsfl\u00fcssigkeit fehlt. Der zwischen der Zusammensetzung des Gewebssaftes und der der zelligen Elemente bestehende Gleichgewichtszustand ist zweifellos physikalisch-chemi-","page":340},{"file":"p0341.txt","language":"de","ocr_de":"Die 'physiologische Psychologie des Hungers.\n341\nsehen Eigenschaften unterworfen. Aber dies schliefst nicht das Vorhandensein eines trophoregulatorischen Systems aus, mittels dessen der vorzugsweise Verbrauch einer gegebenen Substanz durch einen Reflexakt ausgeglichen wird, der eine Fernwirkung auf das Organ aus\u00fcbt, das das betreffende Produkt oder die \u00e9s bildende Zwischensubstanz zu liefern hat. Der funktionelle Zusammenhang zwischen den verschiedenen, den Gesamtorganismus zusammensetzenden Einzelorganen erfordert mit zwingender Notwendigkeit die Existenz des trophischen Reflexes, durch dessen Vermittlung dem Gewebssaft die verlorenen Substanzen in dem Mafse wie sie beim Abbau umgewandelt werden, wieder zu gehen.\nVon diesem Gesichtspunkte aus kann man die trophisehe Sensibilit\u00e4t der sekretorischen an die Seite stellen, indem zwischen den Erregungen, die durch die Ver\u00e4nderungen in der Zusammensetzung des Gewebssaftes hervorgerufen werden, und den Stoffen, die die zentrifugale Wirkung ihm zum Ersatz des Verlustes zuf\u00fchrt, doch offenbar dieselbe Anpassungsf\u00e4higkeit besteht, wie sie die PAWLOwsche Schule zwischen der chemischen Natur des Nahrungsmittels und der Konzentration resp. Zusammensetzung der Verdauungss\u00e4fte gefunden hat. Der Chymus z. B., den der Magen in das Duodenum entleert, reizt die peripheren Enden der sekretorischen Nerven, und je nach seiner chemischen Zusammensetzung pafst sich die Trypsinmenge der Eiweifsmenge der Nahrung an. Ebenso variieren Fett und Amylaceen, folglich m\u00fcssen sich die sezernierten Lipasen und Amylasen der Quantit\u00e4t jener adaptieren. In eigent\u00fcmlicherweise und mit bewunderungsw\u00fcrdiger Genauigkeit pafst sich die Magensekretion qualitativ und quantitativ der chemischen Natur der Nahrungsmittel an, wie sich die Speichelabsonderung gewissen physikalischen Bedingungen der Nahrung unterordnet, die zum Schlucken schl\u00fcpfrig-gemacht werden mufs. In derselben Weise unterscheiden die einander zugeordneten Zellelemente, die ihren Teil zur Schaffung des Gewebssaftes durch Abgabe ihrer ganz unterschiedlichen Abfallsprodukte geliefert haben, die Substanzen, f\u00fcr die sie elek-tive Affinit\u00e4ten besitzen, und melden deren Fehlen, wenn sie ihnen nicht in der n\u00f6tigen Menge dargereicht werden. Diese spezifische initiale Reizung, die nur einer bestimmten Substanz und keiner anderen eigen ist, wirkt durch zentrifugale Reizung auf das Organ, das sie hervorbringen kann, wie der Eiweifssaft auf das Pankreas wirkt und es zwingt, Trypsin in der zur Ver-","page":341},{"file":"p0342.txt","language":"de","ocr_de":"342\nR. Turro.\ndarning n\u00f6tigen Menge zu liefern. Die Lehre, wie wdr sie soeben \u00fcber die trophische Sensibilit\u00e4t aufgestellt haben, verdient zurzeit nicht mehr als den Namen einer Hypothese, da wir mit dem Gewebssaft, einer so kompliziert gebauten und nur ganz ungenau bekannten Fl\u00fcssigkeit nicht experimentieren k\u00f6nnen, wTie es Pawlow mit den eingef\u00fchrten Nahrungsmitteln vermochte, deren Zusammensetzung er im voraus genau wufste. Wenn wir in der Lage w\u00e4ren, ein gegebenes Produkt, dessen erzeugende Zellen wir vorher kennten, dem K\u00f6rper zu entziehen, so w\u00fcrden wir zweifellos feststellen, wie dieser Ausfall durch eine entsprechend h\u00f6here T\u00e4tigkeit ausgeglichen wird, die die Gleichm\u00e4fsigkeit seiner Zusammensetzung wieder herstellt. Indessen lassen sich mit unseren jetzigen Hilfsmitteln diese Ideen nicht verwirklichen. Wir k\u00f6nnen uns nur auf die Tatsache der Selbsthemmung des Ern\u00e4hrungsprozesses st\u00fctzen, die f\u00fcr sich allein spricht. Ein Zellausfall fordert von der Gewebsfl\u00fcssigkeit einen k\u00f6rperlichen Verlust der Teile, die ihn auszubessern haben. Offenbar ersetzt sie der Organismus, indem er dem Gewebssaft die fehlenden Prinzipien entzieht, und ohne Zweifel bleibt seine Zusammensetzung doch unver\u00e4ndert. Wieso werden nun gerade nur die Produkte geliefert, und nicht andere, unverbrauchte? Die Ursache liegt in der T\u00e4tigkeit der trophisehen Sensibilit\u00e4t und der besonderen Funktion, die sie zu verrichten hat. Gesetzt den Fall, dafs dieses die verschiedenen Teile des Organismus verbindende Medium nicht existierte und dafs die (durch das in der Zelle liegende Nervengeflecht, welches sich zu trophisehen Zentren vereinigt, geleiteten) Heize nicht unterschiedlich w\u00e4ren, wde w\u00e4re es dann zu verstehen, dafs beim Verbrauch der Elemente a. b. c. . . . n im Gewebssaft, der Reflexakt sie unterschiedlich lieferte? Und wenn die Grundlage der Hypothese falsch w\u00e4re und die Elemente gar nicht durch einen trophisehen Reflex beschafft w\u00fcrden, wie w7ollte man da die absolut gleichm\u00e4fsige Zusammensetzung des Gewebssaftes erkl\u00e4ren?\nWie die nerv\u00f6sen Elemente, die der Sekretion der Verdauungsdr\u00fcsen vorstehen, die spaltende F\u00e4higkeit und die Menge des Sekretes der Natur der Nahrung anpassen, auf die es wirken soll, so weist uns alles darauf hin, uns vorzustellen, dafs die trophische Sensibilit\u00e4t, die einen funktionellen Zusammenhang zwischen den verschiedensten Teilen des Organismus unterh\u00e4lt, die zentrifugale T\u00e4tigkeit der Erregung anpafst. Die geniale","page":342},{"file":"p0343.txt","language":"de","ocr_de":"Die physiologische Psychologie des Hungers.\n343\nEntdeckung Pawlows betreffend die Spezifizit\u00e4t der sekretorischen Empfindung mufs auch auf die Nerven und Zentren der tro-phischen Sensibilit\u00e4t bis zu dem Grade ausgedehnt werden, dafs in bezug auf die Funktion im Grunde direkt eine Identit\u00e4t zwischen dem Zustandekommen der einen und der anderen besteht. Wenn jene die chemische Natur der Nahrung unterscheidet, so unterscheidet diese die chemische Natur des K\u00f6rpers, der den Zellelementen zum Bau dessen fehlt, was ihrer Funktion entspricht.\nDie Entstehung des Hungergef\u00fchls.\nW\u00e4hrend der T\u00e4tigkeit der trophischen Reflexe lebt der Organismus auf eigene Kosten. Nichts ist nat\u00fcrlicher, als dafs dieser Reflex dem Gewebssaft die fehlenden Glukosen liefert, direkt oder indem er Glykogen spaltet oder auf anderen, mehr indirekten und verwickelteren Wegen; nichts ist einleuchtender, als dafs die Gewebe ihm Wasser, Salz oder Plasma abgeben, um ihn wieder zu regenerieren und seine gleichm\u00e4fsige Zusammensetzung zu wahren. Da mit diesem Prozefs aber ein Verlust am Bestand verbunden ist, n\u00e4mlich die chemische Menge, die ausgeschieden wird, so ist es klar, dafs der Organismus sich mit diesem st\u00e4ndigen Selbstverbrauch schliefslich ersch\u00f6pft und damit wird die Fortsetzung des Ern\u00e4hrungsprozesses unterbrochen. Das Wasser, Salz, Plasma, die Zellelemente, die in die umgebenden Medien abgeschieden werden, m\u00fcssen ersetzt werden, soll nicht ein Inanitionsstadium eintreten.\nDie von der Zelle ausgehende trophische Reizung erlischt, wenn sie ihren Zweck erf\u00fcllt hat und die Substanzen, deren Fehlen sie verursachte, dem Gewebssaft zugef\u00fchrt sind. Wenn aber die den Reflex ausl\u00f6senden Zellterritorien trotz ihrer Ersch\u00f6pfung nicht ges\u00e4ttigt werden, so besteht das Defizit im Gewebssaft und damit die Reizung so lange fort, bis der Ersatz da ist. In \u00dcbereinstimmung mit der PnL\u00dcGERschen Theorie haben wfir uns vorzustellen, dafs die Reizung allein verm\u00f6ge ihres Fortbestehens, anstatt den eben zur\u00fcckgelegten Reflexbogen noch einmal zu durchlaufen, immer h\u00f6here Wege einschl\u00e4gt, und wenn dem Gewebssaft die fehlenden K\u00f6rper auch dann noch nicht zugegangen sind, so wird sie schliefslich in unserem Bewufstsein als Mahnung anlangen, dafs die unbewufste und selbst arbeitende Sensibilit\u00e4t, die bis dahin den K\u00f6rper auf seine eigenen Kosten","page":343},{"file":"p0344.txt","language":"de","ocr_de":"344\nR. Turro.\nerhalten hatte, keine Abhilfe mehr schaffen kann. Auf diese Weise entsteht das Hungergef\u00fchl.\nTats\u00e4chlich ist das Hungergef\u00fchl in der psychischen Sph\u00e4re dasselbe, was im organischen oder vegetativen Leben der tro-phische Reflex ist. Die Verluste der Gewebsfl\u00fcssigkeit an Wasser, Zucker, Salz begr\u00fcndeten eine Reizung, die der Ausdruck der Avidit\u00e4t f\u00fcr diese Substanzen war, eine Art Zellhunger, der nicht zum Bewufstsein gelangte, weil der Organismus selbst das Erforderliche zeitigte. Wenn das aber einmal nicht mehr der Fall ist, wenn dem Gewebssaft die durch die Reizung gebieterisch geforderten Substanzen nicht zufliefsen, so k\u00fcndigt sich dies als Bed\u00fcrfnis nach diesen Stoffen im Bewufstsein an. Das Hunger-gef\u00fchl ist, wie wir gleich sehen werden, nicht ein unbestimmtes, indifferentes Verlangen, sondern repr\u00e4sentiert die tats\u00e4chliche Notwendigkeit, solche Nahrung zuzuf\u00fchren, in deren chemischer Zusammensetzung wenigstens virtuell die dem Gewebssaft fehlenden K\u00f6rper enthalten sind. Hunger ist das Bed\u00fcrfnis, eine gewisse Menge Kohlehydrate, Eiweifsstoffe, Salze usw. aufzunehmen. Wie also der trophische Reflex der Gewebsfl\u00fcssigkeit nicht eine indifferente Menge Substanzen zuf\u00fchrt, sondern die ganz bestimmte, seiner chemischen Zusammensetzung fehlende, so verfolgen auch die im Bewufstsein auftretenden Sensationen eine speziflsche Richtung und bringen das Tier dazu, solche Nahrung zu sich zu nehmen, die nach ihrer chemischen Zusammensetzung imstande ist, das Manko zu ersetzen. Diese Auswahl ist elektiv. Was in den niederen Zentren, die die reflektorische Selbstregulation f\u00fcr die Zusammensetzung des Gewebssaftes leiten, so sorgsam differenziert worden ist, erscheint, wenn diese nicht mehr f\u00e4hig sind, die periphere Reizung abzustellen, in den psychotrophischen Zentren in derselben Ordnung, gleichsam als Echo der vorhergehenden, nur in einer h\u00f6heren Rangklasse.\nLeopoldo Levi hat den Satz aufgestellt, Hunger w\u00e4re die bewufst gewordene Empfindung eines krampfartigen Anrufes des in der Oblongata gelegenen Generalregulationszentrums der diastatischen T\u00e4tigkeit.\nDemgegen\u00fcber sehe ich in dem Hunger das, was auf die trophoregulatorische T\u00e4tigkeit folgt, welche ihrerseits durch das Zusammenwirken einer Reihe Zentren zustande kommt, die einem h\u00f6heren untergeordnet sind, und nicht dieses selbst darstellt. Wenn der Organismus dem Gewebssaft mittels dia-","page":344},{"file":"p0345.txt","language":"de","ocr_de":"Die physiologische Psychologie des Hungers.\n345\nstatischer T\u00e4tigkeit die zum Zellstoffwechsel n\u00f6tige Nahrung nicht mehr liefern kann, weil eine Ersch\u00f6pfung eingetreten ist, so kann das Defizit nur durch Einverleibung der fehlenden Substanzen ausgef\u00fcllt werden. Das psychische Verlangen, das dazu treibt, aufserhalb des Organismus das zu suchen, was innerhalb fehlt, und damit zur Aufnahme von Nahrungsmitteln f\u00fchrt, das ist es, was das Hungergef\u00fchl zusammensetzt, der Widerhall der organischen Ern\u00e4hrung. F\u00fcr die trophoregulatorischen Zentren h\u00f6rt die Ern\u00e4hrung nicht auf, wenn auch ihr Vorrat ersch\u00f6pft ist, solange \u00fcberhaupt noch umwandlungsf\u00e4hige Stoffe vorhanden sind, wie die Flamme nicht ausgeht, solange noch Ol auf dem Docht ist. Durch das Hungergef\u00fchl wird der Organismus ver-anlafst, in der Aufsenwelt Nahrung oder Getr\u00e4nke zu suchen, um den Mangel zu ersetzen und der Zelle die Ersatzstoffe zu liefern, deren Fehlen die trophoregulatorischen Zentren zur Ersch\u00f6pfung gebracht hat. Mit dieser Empfindung setzt die psychische T\u00e4tigkeit ein.\nII. Die Natur der Hungerempfindung.\nMan spricht von Hunger wie von einer einheitlichen Empfindung, deren Ziel es ist, das Tier zur Nahrungsaufnahme zu veranlassen, um sich von seinen Verlusten zu erholen. Als solches erscheint er in der Tat im Bewufstsein. Uns aber liegt es ob, das Hungergef\u00fchl zu studieren, indem wir der urs\u00e4chlichen Reizung nachgehen, statt es als ein psychisches Grundph\u00e4nomen ohne genetische Antezedentien hinzunehmen. In diesem Falle erscheint es uns als eine fertige Tatsache, als eine Gabe, ein Instinkt, mit dem uns die Natur versehen hat, damit wir nicht den Folgen des Verhungerns erliegen.\nVerfolgen wir den eigentlichen Ursprung des Hungers, so stofsen wir auf die Substanzdefekte des Gewebssaftes, der unf\u00e4hig ist, den Zellen die n\u00f6tigen Ersatzstoffe zu liefern. Ist die Abnutzung des Organismus eine allgemeine und harmonische, so werden gleichzeitig proportionale Mengen Wasser, Salz, Eiweifsstoffe, Fette, Kohlehydrate verbraucht, und diese Summe mangelnder Substanzen im Gewebssaft k\u00fcndigt sich im Bewufstsein in gemeinsamer Weise als Heifshunger an. Dieser einheitliche, aus der Tiefe des Organismus sich erhebende Zustand ist f\u00fcr die Selbstbeobachtung unzerlegbar und stellt sich als eine unbez\u00e4hmbare Kraft dar, die uns zu essen antreibt. Wenn wir aber","page":345},{"file":"p0346.txt","language":"de","ocr_de":"346\nB. Turro.\ndiese subjektive Anschauungsweise verlassen und unsere Aufmerksamkeit auf die Klasse der eingef\u00fchrten K\u00f6rper lenken, so bemerken wir, dafs diese innere Kraft eine Resultante ist, deren Komponenten der physiologischen und chemischen Untersuchung zug\u00e4nglich und geeignet sind, der Gewebsfl\u00fcssigkeit die gerade fehlenden Elemente zu liefern, damit die Zellern\u00e4hrung sich in normaler Weise vollziehen kann.\nDie Tiere verzehren, sei es auf Grund elterlicher Unterweisung oder eigener Erfahrung, Salz, Wasser, Kohlehydrate und Eiweifsstoffe und zwar jeden dieser K\u00f6rper in einer bestimmten, ihm angemessenen Menge. Wie kommt man nun im U nt erbe wufstsein, wo sich der Hunger bemerkbar macht, zu der Kenntnis, dafs diese K\u00f6rper die zum Ersatz des Verlustes im Gewebssafte n\u00f6tigen Substanzen wenigstens virtuell enthalten? Woher weifs man, dafs man genau 40 oder 80 g Fleisch und 3\u2014400 g Gem\u00fcse einzuf\u00fchren hat, um die Verluste in ad\u00e4quater Weise zu beseitigen?\nHier liegt das eigentliche Problem der Psychophysiologie des Hungers. Wir k\u00f6nnen nicht w\u00fcssen, was diese Empfindung ist, wenn wir sie nicht als die Wirkung der sie verursachenden Reizung untersuchen. Solange wir den Durst als einen Trieb auf fassen, der uns zu trinken veranlafst, werden wir niemals erkennen, wann und wie diese Empfindung entstanden ist ; solange wir den Hunger als Trieb zum Essen ansehen, werden wir ew\u00fcg im unklaren dar\u00fcber bleiben, wie es kommt, dafs dieser Antrieb mit dem Alter, dem Klima, dem Stande usw. wechselt. Nur wenn wir diese Triebe als qualitative und quantitative Modifikationen des Gewebssaftes betrachten, n\u00e4hern wir uns dem Wege, ihre Ursachen zu erforschen und ihr Zustandekommen kennen zu lernen. Bei dem gegenw\u00e4rtigen Stande der Wissenschaft kann man an diese Untersuchungen nur mit mehr oder weniger erfreulichen Aussichten herangehen. Erst mit der Zeit und der fortschreitenden tieferen und umfassenderen Kenntnis der Ern\u00e4hrungsvorg\u00e4nge wird es m\u00f6glich sein, derartiges als streng experimentelle Untersuchungen in Angriff zu nehmen. Vorl\u00e4ufig m\u00fcssen wir uns darauf beschr\u00e4nken, an einer empirischen Beobachtung, die nichts Indiskutables enth\u00e4lt, zu zeigen, dafs das Hungergef\u00fchl auf experimentell zug\u00e4ngliche Erscheinungen zur\u00fcckf\u00fchrbar ist.\nWenn die Gewebe und die Gewebsfl\u00fcssigkeit infolge Polyurie,","page":346},{"file":"p0347.txt","language":"de","ocr_de":"Die physiologische Psychologie des Hungers.\n347\nausgiebiger Diaphorese, ser\u00f6ser Erg\u00fcsse, schwerer Durchf\u00e4lle z. B. bei Cholera, stark Wasser abgeben, so tritt eine Empfindung auf, die die Person zwingt, in der Aufsenwelt nur ein einziges Element zu suchen, das Wasser. Die physiologische Grundlage des Durstes wurzelt immer in dem Verlangen nach Wasser. Aber die Menge des Wassers im Gewebssaft scheint sich zwangsweise zu regulieren, damit gewisse K\u00f6rper ein bestimmtes Verh\u00e4ltnis vorfinden, das das normale nicht \u00fcberschreiten darf. Von diesen K\u00f6rpern kennen wir zwei: Salz und Zucker.\nWenn wir die Salzmenge im Gewebssaft durch Eingeben oder subkutane resp. intraven\u00f6se Injektion erh\u00f6hen, so erscheint der Durst in um so gr\u00f6fserer Intensit\u00e4t, je st\u00e4rker die Salzl\u00f6sung war. Die von den Zellelementen ausgehende trophische Reizung, verlangt, gerade als ob sie das Zuviel empf\u00e4nde, mit Macht, dafs die \u00fcbersch\u00fcssige Menge in einer gr\u00f6lseren Quantit\u00e4t Wasser bis zur Herstellung der normalen Verh\u00e4ltnisse gel\u00f6st wird.\nEs ist wahrscheinlich, dafs die Hyperglyk\u00e4mie den Durst ebenso veranlafst wie die Hyperchlor\u00e4mie. Das Verlangen, das normale Verh\u00e4ltnis des Zuckers im Gewebssaft wieder herzustellen, veranlafst das Individuum zum Trinken. In diesem wie in dem vorhergehenden Fall scheint die Empfindung nicht auf die Polyurie zur\u00fcckzuf\u00fchren zu sein.\nDer Durst entsteht nicht, weil sich die Diurese vermehrt, sondern diese ist vielmehr die Folge. Es wird mehr Urin ausgeschieden, weil man mehr Wasser eingef\u00fchrt hat. Und es wurde mehr Wasser aus Durst getrunken, den der \u00dcberschufs an Salz oder Zucker im Gewebssaft hervorgerufen hat.\nEs ist wohl m\u00f6glich, dafs andere, komplizierter gebaute K\u00f6rper dieselbe Wirkung hervorbringen. Wenn nach einer reichlichen Mahlzeit die Produkte der Darmabsorption auf dem Wege \u00fcber die Vena portae dem Gewebssaft zugef\u00fchrt worden sind, so entsteht ein in der Regel heftiger Durst, als ob die Zellen dem Bewufstsein die dringende Notwendigkeit Vorhalten wollten, Fl\u00fcssigkeit zuzuf\u00fchren, damit konstant ein bestimmtes L\u00f6sungsverh\u00e4ltnis vorhanden ist. Dieses bestimmte, aus tausend Gr\u00fcnden, deren Studium uns von unserem Hauptthema abbringen w\u00fcrde, modifizierbare L\u00f6sungsverh\u00e4ltnis scheint die Hauptursache des Durstes zu sein. Wenn sich infolge Diurese, Diaphorese oder aus anderen Gr\u00fcnden der L\u00f6sungsgrad der Komponenten im Gewebssaft vermindert, so geben die Gewebe an ihn Wasser ab,\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 41.\t22","page":347},{"file":"p0348.txt","language":"de","ocr_de":"348\nR. Turro.\nund sowie der Wasserabflufs sich verst\u00e4rkt, ruft der Verlust in den Zellen Durst in derart bestimmtem Mafse hervor, dafs genau soviel Wasser eingef\u00fchrt wird, wie zur Wiederherstellung des Gleichgewichtes erforderlich ist. So versteht man auch, dafs der innere Vorgang beim Zustandekommen des Durstes im Grunde immer derselbe ist, ob er nun durch Chlor- oder Hyperglyk\u00e4mie, durch Muskel- oder Nervenarbeit, oder durch Plasmaverschiebungen hervorgerufen worden ist, sofern nur die Konzentration des Gewebssaftes erh\u00f6ht worden ist.\nDie Avidit\u00e4t der Molek\u00fcle f\u00fcr Wasser setzt die tropho-regulatorischen Mechanismen in T\u00e4tigkeit, und da die Zelle ihre Verluste nicht ordentlich wieder auff\u00fcllen kann, veranlafst sie, um ihr Umformungsgesch\u00e4ft fortsetzen zu k\u00f6nnen, eine trophische Heizung, die bei steigender Ladung schliefslich im Bewufstsein das Bed\u00fcrfnis nach diesem und zwar nur nach diesem K\u00f6rper hervorruft. Sie wirkt also spezifisch. Diese Spezifizit\u00e4t darf nicht mit der Begierde zusammengeworfen werden, die die Vorstellungsbilder des Wassers erwecken, derart, dafs diese jene her-vorrufen oder umgekehrt. Wir k\u00f6nnen nur feststellen, dafs diese einfache, aus trophischen Vorg\u00e4ngen hervorgegangene Empfindung, die sich durch weitere Prozesse dann mit \u00e4ufseren Eindr\u00fccken vergesellschaftet, zun\u00e4chst den Wunsch nach einer bestimmten und nicht nach einer anderen Substanz der Aufsenwelt darstellt. Wenn dieser Trieb in Gemeinschaft mit den Zentren der sinnlichen Vorstellung uns veranlafst, Wasser zu trinken, und ihn so zum Verschwinden zu bringen, so ist es klar, dafs dies nicht geschieht, weil man es gesehen, seine Frische mittels des Temperaturgef\u00fchls gesch\u00e4tzt, oder seine Anwesenheit durch den Tastsinn festgestellt hat, sondern weil es in den Ge webssaft eindringt und die trophische Reizung zur Ruhe bringt. Diesen Impuls haben wir uns als pr\u00e4existierend vorzustellen mit spezifischer Unterscheidungsf\u00e4higkeit f\u00fcr alle diese \u00e4ufseren Eindr\u00fccke, als den leibhaftigen Ausdruck einer unterschiedlichen, genau bestimmten Substanz als den Hunger nach Wasser, und nichts anderem. Das ist es, was wir mit dem Wort \u201eDurst\u201c bezeichnen. Nehmen wir an, ein Tier entbehrte der Gef\u00fchlseindr\u00fccke, so w\u00fcrde es den Durst doch in derselben Weise empfinden (wde ihn ja auch der grofshirnlose Hund von Goltz empfand), und es w\u00e4re leicht ihn zum Verschwinden zu bringen, indem man Wasser intraven\u00f6s oder subkutan injizierte oder besser, indem","page":348},{"file":"p0349.txt","language":"de","ocr_de":"Die physiologische Psychologie des Hungers.\n349\nman ihm einen Einlauf machte, obwohl man sich von der Anwesenheit des Wassers \u00e4ufserlich keine Rechenschaft geben k\u00f6nnte. Der Gewebssaft k\u00fcndigt also im Bewufstsein mittels der trophi-schen Sensibilit\u00e4t den Mangel dieser Substanz qualitativ in einer Weise an, die unabh\u00e4ngig ist von den \u00e4ufseren Eigenschaften, die uns die Begierde erst sp\u00e4ter klar macht. Der Bewufstseins-grad, auf dem wir zu dieser Kenntnis gelangen, ist also ein niederer und einfach gebauter. Es ist das Gef\u00fchl einer Substanz, der wir keinerlei \u00e4uFsere Kennzeichen beilegen k\u00f6nnen.\nWie der Durst eine elementare, trophische Empfindung ist, so ist es auch der Salzhunger. Der Mensch hat sich so gew\u00f6hnt, das Salz als ein Gew\u00fcrz zu empfinden, dafs wir sein Fehlen am Geschmack vermissen und die Speisen f\u00fcr fade erkl\u00e4ren ; das macht jedoch den Salzhunger nicht aus. Um diesen entstehen zu sehen, mufs man das Individuum auf salzlose Di\u00e4t setzen, wie es h\u00e4ufig bei der Behandlung der \u00d6deme geschieht. Eine Epileptische, die zur Erh\u00f6hung der Bromwirkung dieser Di\u00e4t streng unterworfen war, litt derart an Salzhunger, dafs sie es in einem unbewachten Augenblick hand voll einf\u00fchrte. In derselben Art liefsen sich noch viele F\u00e4lle anf\u00fchren. Besonders f\u00fcr Gefangene ist Salzmangel unertr\u00e4glich und bringt sie in jammervolle Verfassung.\nBei den Schaf- und Ziegenherden, bei Pferden und Rindern \u00e4ufsert sich der Salzhunger als ein unwiderstehlicher Trieb, der um so gr\u00f6fser wird, je l\u00e4nger die Enthaltung von dieser Substanz w\u00e4hrt. Ein besonderes Anpassungsverm\u00f6gen in der Nahrung bewirkt es, dafs er sich bei anderen Tieren nicht in derselben Weise \u00e4ufsert. Doch ist es mit Hilfe besonderer Kunstgriffe dieser Art in den Ern\u00e4hrungs vor Schriften nicht schwierig, diese Begierde hervorzurufen. Stanley erz\u00e4hlt, dafs im Inneren von Afrika, wo sich Salz nicht leicht beschaffen l\u00e4fst, die Neger gewisse Str\u00e4ucher verbrennen, die beim Veraschen gen\u00fcgend mineralische Bestandteile zur\u00fccklassen, welche sie dann mit Vergn\u00fcgen essen.\nBeim Menschen geht es mit dem Salz wie bei den Pflanzenfressern mit gr\u00fcnem und Trockenfutter. Man nimmt die Notwendigkeit dieser Substanz nicht wahr, solange sie mit anderen vermischt, dem Gewebssaft zugef\u00fchrt wird, wie das Vieh keinen Durst hat, solange es Gr\u00fcnfutter frifst und lebhaft darunter leidet,\nwenn es Heu kaut. Niemand kann sagen, dafs in diesem heftigen\n22*","page":349},{"file":"p0350.txt","language":"de","ocr_de":"350\nR. Turro\nTrieb, der uns veranlafst, Brot, gr\u00fcne Bohnen und Fleisch zu essen, eine elementare Empfindung wie diese enthalten ist, die isoliert schwingen kann, wenn wir den Ern\u00e4lirungsprozefs durch die Abstinenz erstetzen.\nVon diesem Gesichtspunkt ist es auch verst\u00e4ndlich, dafs gewisse Nahrungsmittel munden, nicht wegen der Gesamtheit ihrer Zusammensetzung, sondern weil sie das eine oder das andere Element enthalten, dessen Einf\u00fchrung erforderlich ist. Es ist sehr wohl m\u00f6glich, dafs sich der Gebrauch gewisser Pflanzen wegen der Notwendigkeit Jod oder Eisen resp. deren Kalium- oder Natriumsalze, die sie enthalten, zu assimilieren, eingeb\u00fcrgert hat. Bunge konnte mit ziemlicher Sch\u00e4rfe am Besinne der zwei- oder dreiw\u00f6chentlichen Laktationszeit beim Kaninchen eine Verminderung der Eisenreserven feststellen; um diese Zeit beginnen die Tiere Gr\u00fcnes zu fressen. Es ist glaublich, dafs der Mangel an diesem und wahrscheinlich an anderen K\u00f6rpern der Beweggrund ist, allm\u00e4hlich die Nahrung zu wechseln.\nDie Spezialisierung einer elementaren trophischen Empfindung, die wir mittels Abstinenz experimentell hervorrufen k\u00f6nnen, tritt manchmal spontan auf. Wenn bei den H\u00fchnern die Zeit des Eierlegens kommt, so suchen sie am Boden und an den Mauern des Hofes die n\u00f6tigen Kalkst\u00fcckchen; diejenigen, die Tauben z\u00fcchten, kennen diese Eigenschaft und geben ihnen pr\u00e4ventiv zerriebene Eierschalen, damit sie ihren Kalkhunger stillen k\u00f6nnen. Bei den m\u00e4nnlichen V\u00f6geln ist diese Begierde, deren periphere Ursache in die Augen springt, nicht zu beobachten.\nDie elementaren, bei alledem so zahlreichen Gef\u00fchle, die wir eben erw\u00e4hnt haben, veranlassen uns, uns vorzustellen, dafs der Heifshunger auf eine Summe von elementaren, voneinander unterscheidbaren Gef\u00fchlen zur\u00fcckzuf\u00fchren ist, die wir immer dann antreffen, wenn im Gewebssaft ein Ausfall gewisser chemischer Prinzipien gegen\u00fcber anderen hervortritt. Dann beobachten wir, dafs sich der Hunger entweder direkt oder virtuell auf das den betreffenden K\u00f6rper enthaltende Nahrungsmittel beschr\u00e4nkt.\nKinder zeigen eine besondere Vorliebe f\u00fcr zuckerreiche Nahrung. Die Spezialisierung des Hungers auf dieses Produkt erkl\u00e4rt sich \u00e4hnlich der vom Wasser, Salz oder Kalk beschriebenen in erster Linie aus dem in der Kindheit grofsen Verbrauch an Zucker, ferner aus dem Widerstand, den die Gewebe leisten,","page":350},{"file":"p0351.txt","language":"de","ocr_de":"Die physiologische Psychologie des Hungers.\n351\nihn zur Spaltung zu liefern. Es ist in der Tat nicht logisch, die Grundlage des Zuckers in der Umwandlung der Kohlehydrate oder der Eiweifsausscheidung der Gewebe zu suchen, da doch in diesem Lebensabschnitt die Bauelemente f\u00fcr die Anforderungen des Wachstum es bereitgestellt werden m\u00fcssen. In diesem Alter w\u00fcnschen die Zellen die geschaffenen Produkte in grofser Menge aufzuspeichern und so Gewicht und Volumen zu vermehren. Aus diesem schwerwiegenden Grunde haben die Kinder verh\u00e4ltnis-m\u00e4fsig mehr Hunger wie Erwachsene. Die energetischen Erfordernisse verlangen dringend einen grofsen Verbrauch an Elementen, die die n\u00f6tige Energiemenge liefern k\u00f6nnen. Man mufs sich vor Augen halten, dafs der Energieverbrauch der Kinder dem des Erwachsenen aus drei Gr\u00fcnden \u00fcberlegen ist: Erstens das Wachstum (abgesehen von der genau zum Wachstum n\u00f6tigen Materie mufs ein Teil der Nahrung verwandt werden, um das energetische Potential der Nahrung in lebende Kraft zu verwandeln) ; zweitens die Unruhe des Kindes und schliefslich der st\u00e4rkere W\u00e4rmeverlust infolge der gr\u00f6fseren ausstrahlenden Fl\u00e4che im Verh\u00e4ltnis zum Volumen. Aus allen diesen Gr\u00fcnden ist das Nahrungsbed\u00fcrfnis des Kindes verh\u00e4ltnism\u00e4fsig gr\u00f6fser als das des Erwachsenen, und aufserdem richtet sich sein Appetit besonders auf solche N\u00e4hrstoffe, die ihre Energien leicht abgeben.\nWenn sich also der Hunger spezialisiert, so geschieht das, weil er unter diesen Bedingungen durch Vermittlung der Ern\u00e4hrung einerseits die Erfordernisse des Wachstumes, andererseits die dringenden Bed\u00fcrfnisse des Verbrauches zu stillen hat. Das sind Voraussetzungen, die f\u00fcr den Erwachsenen wegfallen, der nur die Verluste ersetzen mufs, die die plastischen Elemente verursachen, dadurch dafs sie dem Gewebssaft Zucker liefern. Wenn dieser spezielle Hunger bei den Kindern nicht gen\u00fcgend gestillt wird, so sieht sich der Organismus gezwungen, dem Gewebssaft den Zucker selbst zu liefern, wie beim Erwachsenen, und nur aus diesem Grunde w\u00e4chst er nicht wie beim Wasser und Salz fortschreitend bis zum Paroxysmus. Aber diese besondere Begierde bleibt latent im Bewufstsein, um sich bei einem \u00e4ufseren Anlafs mit Heftigkeit zu entladen. Daher sehen wir bei den Kindern armer Leute die Zunge mit Entz\u00fccken an den kristallisierten Verzierungen des Zuckerwerkes lecken. Ich werde nie vergessen, wie auf dem Molo in Barcelona ein ganzer Schwarm mit Begeisterung den Sirup aufleckte, der durch die Fugen der","page":351},{"file":"p0352.txt","language":"de","ocr_de":"352\nM. Turro.\nF\u00e4sser, in denen er verpackt war, bei der Sommerhitze herausschmolz. Es war eine lebendige \u00c4ufserung der Heftigkeit eines physiologischen Mechanismus, der dem Erwachsenen, die ihn nicht empfinden, ein L\u00e4cheln abn\u00f6tigt und den verw\u00f6hnten Kindern Ekel, weil sie nicht wissen, wie schmerzlich die Enthaltsamkeit von diesem Produkt empfunden wird.\nMan kann diese tiefgreifenden Spezialisierungsvorg\u00e4nge des Hungergef\u00fchles verallgemeinern, wenn man beim Menschen das Ern\u00e4hrungsregime in verschiedenen Klimaten beobachtet. Ein Individuum, das aus tropischen Gegenden in kalte kommt und umgekehrt, merkt wie ihm Speisen, die es vorher nicht anger\u00fchrt h\u00e4tte, appetitlich erscheinen. In bezug auf die Ern\u00e4hrungsweise erworbene Gewohnheiten erscheinen un\u00fcberwindlich und zweifellos modifizieren sie sich doch unmerklich in dem einen oder dem anderen Sinne, je nachdem die umgebende Temperatur steigt oder f\u00e4llt. Der physiologische Mechanismus, der diese Ver\u00e4nderungen bewirkt, ist leicht zu erkl\u00e4ren. Ein dauernder Temperaturabfall zwingt den Organismus, eine gr\u00f6fsere Anzahl Kalorien zu entfalten, um wenigstens seine Eigentemperatur konstant zu halten. Die Quellen der tierischen W\u00e4rme liegen in den Kohlehydraten, Eiweifsk\u00f6rpern und Fetten. Aber sie sind mehr oder weniger reichlich, je nachdem sie sich mehr oder weniger von dem einen oder dein anderen herleiten. 1 g getrocknete Kohlehydrate gibt nach Rubnee (in grofser Ann\u00e4herung an die Werte von Berte-loth) 4100 Kalorien, 1 g Eiweifs 4424 und 1 g Fett 9300. Ebenso hat Rubnee gezeigt, dafs im lebenden Tier 100 g Fett die gleiche Menge Kalorien hervorbringt wie 243 g trockenes Fleisch, 232 g St\u00e4rke, 234 g Rohr- und 256 g R\u00fcbenzucker. Unter diesen Voraussetzungen ist es begreiflich, dafs in tropischem Klima die Kohlehydrate zusammen mit dem vegetabilischen Eiweifs gen\u00fcgen, um die organische Verbrennung zu unterhalten. So kommt es, dafs die Bewohner heifser L\u00e4nder vorwiegend vegetarisch leben. Wenn man aber mit ungen\u00fcgender Temperatur zu k\u00e4mpfen hat, mufs sich auch die W\u00e4rmebildung entsprechend vermehren, und damit verarmt der Gewebssaft an leicht verbrennbaren K\u00f6rpern. Die trophoregulatorischen Einrichtungen treten in T\u00e4tigkeit und nutzen die Stoffe aus, die die Bed\u00fcrfnisse leichter decken. Von diesen Produkten sind, wie wir gesehen haben, am meisten W\u00e4rme spendend die Fette, weniger die Eiweifsk\u00f6i^er und Kohlehydrate, deren Aufspaltung dem Gewebssaft bei gleicher Gewichtsmenge","page":352},{"file":"p0353.txt","language":"de","ocr_de":"Die physiologische Psychologie des Hungers.\n353\nungef\u00e4hr halb so viel W\u00e4rme liefert. Wir sehen also, wie der steigende Verbrauch gr\u00f6fseren Hunger hervorruft und wie sich dieser spezialisiert, je nachdem der Verbrauch des einen oder des anderen K\u00f6rpers \u00fcberwiegt.\nVon dem Moment an, in dem die trophoregulatorischen Vorg\u00e4nge einen gr\u00f6fseren Zuflufs zur Unterhaltung der organischen Verbrennung geeigneter K\u00f6rper hersteilen und die Zellersch\u00f6pfung einsetzt, besteht nat\u00fcrlich die erste Wirkung, die die Erkaltung hervorruft, in dem Erscheinen des Appetites. So hat es auch die Volksmedizin bezeichnet. Da die bei dieser Gelegenheit in den Gewebssaft \u00fcbertretenden Stoffe aus gewissen Kohlehydraten, Eiweifs- und Fettstoffen hervorgehen, mufs der auftretende Hunger auch eine ausgesprochene Vorliebe f\u00fcr die diese leicht liefernden Nahrungsmittel zeigen und die minder kr\u00e4ftigen verschm\u00e4hen. So werden die vorher mit Entz\u00fccken gegessene Endivie, Sellerie, Rosenkohl, rote R\u00fcbe, Blumenkohl und Fr\u00fcchte nach und nach unmerklich durch Halmfrucht von gr\u00f6fserer N\u00e4hrkraft, mit einer reichlichen Menge \u00d6l oder Butter zubereitet, oder Fleisch ersetzt. Wenn aber die Aufsentemperatur weiter sinkt und das W\u00e4rmebed\u00fcrfnis dr\u00e4ngt, so ist diese Nahrung auch nicht mehr imstande, die zur Unterhaltung der organischen Verbrennung n\u00f6tigen Elemente zu liefern, und es tritt mit besonderer Heftigkeit der Fetthunger auf. Manche Nahrungsmittel, die zu anderen Zeiten als weichlich nur mit gewissem Widerwillen genossen werden, sind jetzt gesucht, als wenn uns etwas, das ihren w\u00e4rmespendenden Wert kennt, veranlafste, sie zu uns zu nehmen. \u2014 Nicht aus Beharrungsverm\u00f6gen, erworbener Gewohnheit, auch nicht infolge phylogenetischer Pr\u00e4disposition (alles Hilfsgr\u00fcnde von nicht zu untersch\u00e4tzendem Wert) geniefsen die Eskimos dasbett als Hauptnahrungsmittel in Mengen, die uns entsetzlich erscheinen. Der Grund liegt darin, dafs sich tief in ihrem Orga nismus das Bed\u00fcrfnis nach Fett geltend macht, und je mehr der Ern\u00e4hrungsumsatz durch Ersatznahrung gestiegen ist, um so weniger kann ein anderer K\u00f6rper als das Fett durch Spaltung genug Brennstoff liefern, und daher kommt eben das Defizit, das sich* im Bewufstsein als Hunger meldet. Wenn die Erscheinungen nicht bis zu diesem Punkt gelangen, so ist die Fettgier darum doch vorhanden ; aber sie tritt nicht isoliert auf, sondern gemeinsam mit dem allgemeinen Hunger nach Brot, Fleisch usw. Ebenso wie der Durst bei Pflanzenfressern unter Gr\u00fcnfutter sich","page":353},{"file":"p0354.txt","language":"de","ocr_de":"354\nR. Turro.\nnicht zeigt, um bei Trockenf\u00fctterung, die dem Gewebssaft das fehlende Wasser nicht bieten kann, zum Vorschein zu kommen. Es besteht also nach wie vor in den psychotrophischen Zentren die Tendenz Fett in bestimmter Menge einzuf\u00fchren. Da sie aber gemeinsam mit dem Verlangen nach Fleisch, Brot, Wasser und Salz erscheint, so kann sie die Selbstbeobachtung nicht aus der Masse scheiden. Wenn aber der Verbrauch steigt und der Mangel an diesem Produkte das \u00dcbergewicht \u00fcber die \u00fcbrigen Bestandteile im Gewebssaft bekommt, so k\u00fcndigt sich das im Bewufstsein als eine spezifische Gier nach diesem Bestandteil an. Eine solche Empfindung ist immer spezifisch. Immer herrscht die Tendenz, das Produkt in der fehlenden Menge einzuf\u00fchren ; nur ist es uns im allgemeinen Hungergef\u00fchl nicht leicht, die Spezifizit\u00e4t einfach durch Selbstbetrachtung darzulegen, bis sie sich uns klarer und deutlicher zeigt. Dieselben \u00dcberlegungen gelten, wie wir oben gezeigt haben, auch f\u00fcr das Salz. Solange wir diesen K\u00f6rper als w\u00fcrzende Beigabe zum Brot, Fleisch oder Peis gebrauchen, wissen wir psychologisch nicht, dafs damit ein organisches Bed\u00fcrfnis gedeckt wird, das sieh im Bewufstsein ank\u00fcndigt. Nur wenn wir den Organismus einer l\u00e4ngeren Abstinenz unterwerfen, dann erscheint der spezifische Hunger nach dem Produkt losgel\u00f6st vom Allgemeinhunger. Aus alledem ergibt sich, dafs der Trieb, auf den hin das Tier Fette, Salz, Zucker einf\u00fchrt, f\u00fcr die physiologische Untersuchung immer auf eine Vereinigung oder eine Summe spezifisch differenzierbarer Gef\u00fchle zur\u00fcckzuf\u00fchren ist, die in ihrer Einzelheit aber der Selbstbeobachtung nur unter besonderen Verh\u00e4ltnissen zug\u00e4nglich sind.\nDiese Schlufsfolgerungen k\u00f6nnen auch auf den Eiweifs- und den Kohlehydrathunger ausgedehnt werden.\nMan hat berechnet, dafs das Verh\u00e4ltnis, in dem die Nahrungsbestandteile Eiweifs, Fett, Kohlehydrate im menschlichen K\u00f6rper zueinander stehen, derart ist, dafs auf 100 Einheiten ersterer 45,4 der zweiten und 374 der letzten kommt. Selbstverst\u00e4ndlich geben diese Zahlen nur relative Werte. Sie m\u00fcssen sich also notgedrungen mit den Anforderungen der Ern\u00e4hrung modifizieren. Es wird demnach ein Eskimo die Fette nicht in derselben Form verzehren wie der am \u00c4quator Lebende. Ebenso stehen die Kohlehydrate zu den Eiweifsen im Sommer und im Winter nicht im gleichen Verh\u00e4ltnis. Dennoch werden wir den absoluten Wert f\u00fcr Individuen, die unter gleichen Vorbedingungen leben, aner-","page":354},{"file":"p0355.txt","language":"de","ocr_de":"Die physiologische Psychologie des Hungers.\n355\nkennen, und wir k\u00f6nnen sehen, wie diese inneren Bed\u00fcrfnisse sich dem zu ihrer Deckung aufgestellten Ern\u00e4hrungsplan anpassen.\nWerden gem\u00e4fs dieser Aufstellung 100 Einheiten Proteine, 374 Kohlehydrate, 45,4 Fette eingef\u00fchrt, so sind die Bed\u00fcrfnisse des Gewebssaftes gen\u00fcgend gedeckt und es wird kein besonderer -Hunger nach einem dieser Produkte auftreten. Wenn aber der Speisezettel die eingef\u00fchrten Mengen nur f\u00fcr die beiden letzteren und blofs 50 Einheiten Eiweifsstoffe liefert, so wird der Hunger nach diesen Substanzen auftreten, weil das Bed\u00fcrfnis auf keine andere Weise gestillt werden kann, da den beiden anderen K\u00f6rpern der Stickstoff fehlt. Wir finden also hier die gleichen Verh\u00e4ltnisse, wie wir sie beim Wasser und Salz beschrieben haben. Der Organismus bedarf einer gewissen Menge Eiweifs und das gew\u00e4hlte Regime bietet ihm nur die H\u00e4lfte, w\u00e4hrend der Fett- und Kohlehydratmangel schon ersetzt ist. Die fehlende H\u00e4lfte wird dem Ge webssaft auf Kosten der zeitigen Elemente verschafft, und diese Abgabe ruft den Wunsch nach Nahrungsmitteln hervor, die der Verarmung abhelfen k\u00f6nnen. Daher r\u00fchrt die Tendenz den N\u00e4hrplan zu \u00e4ndern, z. B. mehr Brot zu essen, das man instinktiv als das Richtige erkannt hat, oder durch Fleisch und leimhaltige Stoffe die Verluste zu ersetzen. M\u00fctter armer Familien wissen ganz gut, dafs die Kinder an Tagen, wo sie zur Mahlzeit R\u00fcben oder Kohl erhalten, mehr Brot essen, als wenn sie Bohnen oder Erbsen bekommen. Dieses instinktive Wissen, das sie veranlafst, eiweifsreichere Nahrung einzuf\u00fchren , zeigt unzweifelhaft die Existenz eines spezifischen Hungers in ihrem psychotrophischen Bewufstsein an, eines elementaren Wunsches nach einem bestimmten Nahrungsmittel, als ob sie durch fr\u00fchere Erfahrung sich gemerkt h\u00e4tten, dafs R\u00fcben oder Kohl keine ausreichenden Nahrungsbestandteile enthalten,\nNehmen wir nun an, dafs der N\u00e4hrplan nicht ge\u00e4ndert werden kann, da in der Umgebung des Individuums die Hilfsmittel zum Ersatz des Eiweifsdefizits nicht zu erlangen sind. In diesem Falle wird das Individuum darauf sehen, eine gr\u00f6fsere Menge der 374 Kohlehydrat- und 45,4 Fetteinheiten enthaltenden Nahrungsmittel aufzunehmen, um so auch gleichzeitig die eingef\u00fchrte Eiweifsmenge zu vermehren. Oder vielmehr sein Appetit wird fr\u00fcher wieder rege werden, wenn die Nahrung statt 100 nur 50 Eiweifseinheiten enth\u00e4lt. Auf diese Weise ist man bestrebt,","page":355},{"file":"p0356.txt","language":"de","ocr_de":"356\nB. Turro.\nsein Teil zu nehmen, woher man es bekommen kann und scheidet\n\u2022 \u2022\nmit den Exkrementen den Uberschufs der anderen Produkte als unn\u00f6tige Aufnahme wieder aus. Ein solcher Mensch w\u00fcrde sich in bezug auf die Proteine so verhalten, wie wir alle bez\u00fcglich des Salzes, wenn sich dieser K\u00f6rper in der Natur mit Ton vermengt f\u00e4nde, und wir es nicht isolieren k\u00f6nnten. Wir w\u00fcrden dann soviel Ton einf\u00fchren, als wir zum Salzersatz in der Gewebsfl\u00fcssigkeit brauchen und w\u00fcrden uns durch Ausscheidung von dem unl\u00f6slichen Bestandteil befreien, dem wir nur die uns fehlenden Substanzen entnommen haben.\nDie Tendenz, die 100 Einheiten Eiweifs einzuf\u00fchren, tritt in den angenommenen F\u00e4llen deutlich zutage. Wir d\u00fcrfen aber nicht annehmen, dafs dieser besondere Hunger dauernd fortbesteht, wenn die Aufsenwelt die zur S\u00e4ttigung n\u00f6tigen Substanzen nicht in hinreichender Menge liefert. Wenn n\u00e4mlich die Unterbilanz nicht zu grofs ist (in diesem Falle unterliegt der Organismus), so gew\u00f6hnt sich das Individuum wieder an die Not seines Gewebssaftes, wie wir es sp\u00e4ter bei der Besprechung der Selbstregulierung trophischer Empfindung sehen werden.\nSetzen wir jetzt den Fall, dafs der aufgestellte N\u00e4hrplan dem Individuum die 100 Einheiten Eiweifs liefert, aber nur 200 statt der f\u00fcr die Norm geforderten 374 Kohlehydrateinheiten. In diesem Falle liegt die Sache schwieriger wie vorher. Weder Fette noch Kohlehydrate k\u00f6nnen Eiweifsk\u00f6rper schaffen. Die Eiweifse aber k\u00f6nnen durch Aufspaltung aus sich die einen wie die anderen hervorbringen. So kommt es, dafs erst beim Erniedrigen der Kation f\u00fcr die letzteren auf 174 Einheiten sich das Bed\u00fcrfnis nach ihnen elementar ank\u00fcndigen kann, wenn n\u00e4mlich der Mangel im Gewebssaft durch die Abgabe der Eiweifsstoffe nicht mehr gedeckt wird. Ist dies aber der Fall, so kann er auch wieder aufh\u00f6ren sich zu melden, da ja das Bewufst-werden einer trophischen Empfindung immer von den sie verursachenden Substanzdefekten der Gewebsfl\u00fcssigkeit abh\u00e4ngt.\nRichten wir unsere Aufmerksamkeit auf diesen letzteren Fall. Angenommen die fehlenden 174 Kohlehydrateinheiten w\u00fcrden durch eine erh\u00f6hte Inangriffnahme des Eiweifses ausgeglichen, so entsteht in dem Betreffenden kein Antrieb, in der Aufsenwelt die sie liefernden Nahrungsmittel zu suchen, wie im vorhergehenden Falle ein Grund vorlag, mehr Eiweifsstoffe einzuf\u00fchren. Aber wie eine so vermehrte T\u00e4tigkeit der Eiweifsmolek\u00fcle einen","page":356},{"file":"p0357.txt","language":"de","ocr_de":"Die physiologische Psychologie des Hungers.\n357\nst\u00e4rkeren Verlust voraussetzt, der ersetzt werden mufs, soll nicht eine Verarmung an umwandlungsf\u00e4higer Materie eintreten, so spezialisiert sich jetzt der Hunger in demselben Mafse auf Eiweifsnahrung, in dem diese zur Neubildung von Kohlehydraten beizutragen hat, und damit sind die 100 Einheiten, die vorher gen\u00fcgten, nicht mehr ausreichend; sie m\u00fcssen vielmehr vermehrt werden. Und weiter: wenn sich die Neuanpassung des Organismus an die ungen\u00fcgende Ern\u00e4hrung mit Kohlehydraten nicht mehr mit 174 Einheiten begn\u00fcgt, sondern auf 374 hebt, dann wird der Mensch doch kein Verlangen f\u00fcr diese Nahrungsmittel empfinden, sondern die Eiweifsration soweit vermehren, dafs sie die f\u00fcr den Verbrauch n\u00f6tigen 374 Kohlehydrateinheiten hergeben kann. Das ist der Fall bei den Fleischfressern. Die von ihnen verzehrte Fleischmenge ist gr\u00f6fser als bei den Omnivoren, da ja das Eiweifsmolek\u00fcl zur Abspaltung der Kohlehydrate sie wenigstens in ihren Bestandteilen in dem Mafse enthalten mufs, in dem sie zur Ausscheidung kommen. Unter diesen Voraussetzungen spezialisiert sich der Hunger also nicht auf die Kohlehydrate, sondern auf die Eiweifsk\u00f6rper.\nNehmen wir jetzt an, dafs die Spaltung der Eiweifsk\u00f6rper die zum Verbrauch n\u00f6tigen 374 Einheiten Kohlehydrate nicht zeitigt, so mufs ihre Ration vermehrt werden und unzweifelhaft veranlafst das Defizit, das sie selbst verursachen, den Organismus in den psychotrophischen Zentren, sie von aufsen einzuf\u00fchren. Wenn also dieser Trieb nicht best\u00fcnde, der Hunger sich nicht auf diese Begierde zuspitzte, so w\u00fcrde sich das Defizit steigend vermehren, bis schliefslich das Leben unm\u00f6glich wird. lat-s\u00e4chlich lehrt uns die Erfahrung, dafs, wenn sich bei Omnivoren die Ern\u00e4hrung hartn\u00e4ckig auf Eiweifsk\u00f6rper beschr\u00e4nkt, von selbst auf nat\u00fcrliche Weise der Wunsch nach einer milderen Ern\u00e4hrung auftritt, die sich mit einer offenbaren Abneigung gegen Fleisch verbindet, dessen Anblick nicht mehr wie fr\u00fcher den Appetit anregt. An den grofsen Festen des Jahres, z. B. Weihnachten, wenn sich die Familien an den Freuden des Mahles erg\u00f6tzen, wobei sie vorzugsweise Eiweifsstoffe geniefsen, kommt rasch ein Augenblick, in dem der Hunger sich abstumpft. Und wenn unter diesen Umst\u00e4nden die trophische Empfindung noch irgend einen Fingerzeig gibt, so ist es der Wunsch nach Reis, zarten gr\u00fcnen Bohnen oder \u00e4hnlichen frugalen Gerichten.\nDie Gesamtheit der dargelegten Beobachtungen, die ein um-","page":357},{"file":"p0358.txt","language":"de","ocr_de":"358\nR. Turro.\nfangreicheres Studium und genauere Experimente erfordern, wie wir sie ausf\u00fchren k\u00f6nnen, zeigt uns, dafs dieser unklare, gestaltlose Trieb, den wir gemeinhin Hunger nennen, nur scheinbar existiert. Wenn die niederen trophischen Zentren dem Gewebs-saft die verbrauchten Elemente nicht mehr regul\u00e4r liefern k\u00f6nnen, so gelangt die periphere Reizung auf immer h\u00f6heren Bahnen bis zu den psychotrophischen Zentren und vermittelt dort die Empfindung einer fehlenden Substanz: dies Gef\u00fchl ist die Grundlage der elementaren Hungerempfindung. Nun wird durch den Ern\u00e4hrungsumsatz der K\u00f6rper gleichzeitig verschiedener Produkte beraubt. Bis zu den niederen Zentren der trophischen Sensibilit\u00e4t dringt die T\u00e4tigkeit jedes einzelnen dieser Produkte in unterschiedlicher Weise und veranlafst sie spezifisch zu reagieren derart, dafs die betreffenden Elemente nach Mafsgabe ihres Verbrauches dem Gewebssaft zugef\u00fchrt werden und damit sich auch dessen einheitliche Zusammensetzung wieder herstellt. Wenn nun diese durch die zentrifugale T\u00e4tigkeit des so komplizierten niedrigen Reflexbogens verarmten zelligen Elemente in den psychotrophischen Zentren die hervorgerufenen Verluste anzeigen, so geschieht dies ebenfalls in spezifischer Weise, als die Empfindung der verlorenen Substanz oder vielmehr als die Gesamtheit der Gef\u00fchle, die die Einf\u00fchrung vieler verschiedener Substanzen fordern, welche dem Organismus den in Verlust geratenen K\u00f6rper ersetzen k\u00f6nnen. Durch Selbstbeobachtung k\u00f6nnen wir die Zusammensetzung der einzelnen, voneinander verschiedenen Gef\u00fchle nicht Schritt f\u00fcr Schritt oder analytisch verfolgen. Wir k\u00f6nnen aber trotzdem feststellen, dafs sie sich als ein elektives Streben kundgeben, das unsere Aufmerksamkeit nur auf den Gegenstand seiner T\u00e4tigkeit richtet. Ferner k\u00f6nnen wir sehen, dafs nur solche K\u00f6rper als Nahrungsmittel gesch\u00e4tzt werden, die direkt oder virtuell dem Gewebssaft einverleibt werden k\u00f6nnen; die \u00fcbrigen werden als trophisch indifferent angesehen. Diese elektive T\u00e4tigkeit ist nie eine unterschiedslose, stets ist sie dinglich und abgegrenzt. Es gen\u00fcgt nicht, dafs ein K\u00f6rper ein Nahrungsmittel ist, um den Wunsch nach seiner Einf\u00fchrung zu erregen, es ist erforderlich, dafs er ein chemisches Bed\u00fcrfnis s\u00e4ttigt, das durch den psychischen Ausdruck der urs\u00e4chlichen Empfindung definiert wird. Aus alledem folgt, dafs wir in einem Irrtum befangen sind, wenn wir den Hunger als einen allgemeinen Trieb ansehen, Nahrung einzu-","page":358},{"file":"p0359.txt","language":"de","ocr_de":"Die physiologische Psychologie des Hungers.\n359\nf\u00fchren. Vielmehr lehrt uns die genaue Beobachtung, dafs von den psyehotrophischen Zentren eine Summe elektiver Bestrebungen ausgeht, von denen jede einzelne der Ausdruck eines wohl umschriebenen Substanzdefektes im Gewebssaft und in den zeitigen Bestandteilen ist.\nOhne die qualitative Unterscheidung der trophischen Empfindung k\u00f6nnte das Leben eines Tieres nicht fortbesteh en. Die Physiologie zeigt uns in unanfechtbarer Weise, dafs zur Aufrechterhaltung des Ern\u00e4hrungsgleichgewichtes die Einnahmen und Ausgaben sich die Wage halten m\u00fcssen; anderenfalls ist der Tod in k\u00fcrzerem oder l\u00e4ngerem Zeitraum unabwendbar. Dieses Gleichgewicht mufs nicht nur ein quantitatives, sondern auch ein qualitatives sein. Denn um allgemein zu sprechen, diese oder jene, chemisch differenten Verluste setzen die Zuf\u00fchrung entsprechender Stoffe voraus, die in ihrer Zusammensetzung in jene \u00fcberf\u00fchrbar sind. Es werden also die Zug\u00e4nge quantitativ und qualitativ genau durch die Verluste reguliert. Fassen wir noch einmal zusammen: Das was die Einfuhr des Organismus reguliert, was sie ausw\u00e4hlt und veranlafst, sind trophische Gef\u00fchle, und wenn nicht jedes von ihnen der empfundene Ausdruck eines bestimmten Substanzverlustes w\u00e4re, so w\u00e4re es auch unverst\u00e4ndlich, wie Zu- und Abgang sich zueinander anpassen k\u00f6nnten. Das unbestreitbare Vorhandensein dieser Anpassung zeigt zur Gen\u00fcge, dafs die trophischen Sensationen in weiser Voraussicht kommender Verluste zur Aufnahme ausschliefslich ad\u00e4quater Nahrungsmittel Veranlassung geben, da ja anderenfalls die durch den Verbrauch geschaffene L\u00fccke nicht auf gef\u00fcllt w\u00fcrde. Diese Empfindungen jedoch, die so vorsichtig die Einfuhr der Bed\u00fcrfnisse dem Verbrauch anzupassen bem\u00fcht sind, entstehen nicht f\u00fcrsorglich in den psyehotrophischen Zentren ; sie entsprechen vielmehr einer durch die Substanzdefekte des Gewebssaftes bedingten Zellerregung, derart, dafs die Gewebsfl\u00fcssigkeit direkt dem Bewmfstsein seine Bed\u00fcrfnisse anzeigt, so dafs also der Verlust allein die Zufuhr reguliert, Nur so erkl\u00e4rt sich die exakte gegenseitige Anpassung. W\u00e4re es anders, so w\u00fcrde nichts dem Tier Kunde davon geben, dafs seinem Organismus Wasser, Fette, Kohlehydrate oder Eiweifsstoffe fehlen; es w\u00fcrde seine Mahlzeiten weder qualitativ noch quantitativ dem organischen Verbrauch, sondern nur den Grillen seines launenhaften Appetites anpassen. In dem Falle w\u00fcrde das Leben","page":359},{"file":"p0360.txt","language":"de","ocr_de":"360\nR. Turro.\nmangels einer M\u00f6glichkeit der Ern\u00e4hrungsregulierung bald aufh\u00f6ren.\nDie biologische Chemie, die uns die hochausgebildete Selbst-regulierung der Ern\u00e4hrung zeigt, ohne sie genauer zu formulieren, stellt gleichzeitig ein psychophysiologisches Problem auf, das auf Grund der gerade von ihr gelieferten Daten gel\u00f6st werden kann. Es gen\u00fcgt die Kenntnis der Verbrauchsprodukte der tierischen Maschine nach Menge und Art zur Berechnung der Nahrungsquantit\u00e4t, die jeder der Substanzen entspricht, aus denen sich jene durch sukzessive Umformung herleiten. Bevor jedoch noch die Wissenschaft diese Berechnungen anstellen konnte, waren Mensch und Tier, als ob sie deren Resultat bereits kannten, dazu geschritten, sich mit den ihnen bek\u00f6mmlichen Substanzen zu n\u00e4hren, und sich eine ihrem organischen Bedarf entsprechende Ration zuzuteilen. Eine Summe elektiven Strebens bringt sie zur Nahrungsaufnahme, und setzt ihre Menge mit solcher Meisterschaft fest, wie man es nicht besser machen k\u00f6nnte, wenn man durch chemische Analyse die genauen N\u00e4hrwerte bestimmt h\u00e4tte. Diese Erkenntnis l\u00e4fst uns mit Sicherheit annehmen, dafs die jeder dieser Substanzen entsprechenden Eindr\u00fccke im Unter-bewufstsein zur Kenntnis gelangen und das Tier veranlassen, in der Aufsenwelt die verschiedenen K\u00f6rper zu suchen, die der Innenwelt seines Organismus fehlen.\nWir bewundern, wie das Huhn sich den Kalk sucht oder das Brustkind seine Milchportion sich abmifst, wie es der hervorragendste Chemiker in m\u00fchsamer Arbeit nicht besser verm\u00f6chte. Wenn wir nun zur Analyse dieser Vorg\u00e4nge schreiten, und sie St\u00fcck f\u00fcr St\u00fcck aufrollen, so sehen wir, wie dieser Kalk im Emp\u00dfndungsbewufstsein zum Ausdruck kommt, und wenn wir h\u00f6ren, dafs jene Milchmenge durch einen von der K\u00f6rperfl\u00fcssigkeit ausgehenden Reiz schon im voraus festgelegt ist, so m\u00fcssen wir zugeben, dafs diese Erscheinungen nicht mehr und nicht minder wunderbar sind, wie die, auf Grund deren das Licht auf die Retina, die Ton wellen auf den Akustikus wirken. Wie wir aus der Aufsenwelt eine Summe von Eindr\u00fccken empfangen, die uns \u00fcber ihre Qualit\u00e4ten Rechenschaft geben und uns \u00fcberhaupt ihre Anwesenheit kund tun, so bekommen wir auch aus dem Inneren unseres Organismus eine Reihe Eindr\u00fccke, die uns lehren, uns \u00fcber die dort fehlenden Substanzen zu unterrichten. Diese Grundkenntnisse, deren Organisation wir noch genau kennen","page":360},{"file":"p0361.txt","language":"de","ocr_de":"Die physiologische Psychologie des Hungers.\n361\nlernen werden, sind unumg\u00e4nglich notwendig, um die allein zur Erhaltung des Lebens geeignete Di\u00e4t festzustellen.\nDie tieferen Zentren, in denen sich dieses Bewufstsein formt, k\u00f6nnen Hemmungen unterliegen, die ihre Funktion aufheben k\u00f6nnen. Dann erf\u00e4hrt der betreffende nichts von den Vorg\u00e4ngen in seinem Innern und k\u00fcmmert sich auch nicht um seine Bed\u00fcrfnisse, als ob ihm sein Schicksal gleichg\u00fcltig w\u00e4re. Das ist der Fall bei jenen bedauernswerten Irren, die mit der Sonde ern\u00e4hrt werden m\u00fcssen. Ein andermal werden die psycho-trophischen Zentren durch Summation \u00fcberreizt und vom Wahnsinn ergriffen, so dafs der Kranke sich wie mais- und urteilslos seinem Hunger gegen\u00fcber verh\u00e4lt, nichts mehr spezialisiert oder nach den wirklichen Bed\u00fcrfnissen des Gewebssaftes reguliert. Man kann diesen Zustand der autochtonen Funktion dem der optischen Zentren analog betrachten, wenn diese halluzinierte Bilder in einen Raum projizieren, wo ihnen keine tats\u00e4chlich vorhandenen Objekte entsprechen.\nWie unscharf und l\u00fcckenhaft diese \u00dcberlegungen auch noch sein m\u00f6gen, so erlauben sie uns doch schon jetzt klarzustellen, dafs wenn das Tier sich so wohl \u00fcberlegt in der Auswahl seiner Nahrungsmittel verh\u00e4lt und sich das ihm zutr\u00e4gliche Mafs so genau zumifst, dies in bestimmten Zentren auf Grund von Eindr\u00fccken geschieht, die vom Zellgewebe ausgehen. Da nun diese Eindr\u00fccke spezifisch verschieden sind, so tritt ein elektives Streben in der Aufnahme der Nahrungsmittel zutage, das sich der chemischen Avidit\u00e4t der Ern\u00e4hrung heischenden Zellen anpafst. Das von der biologischen Chemie aufgestellte Ern\u00e4hrungsgleichgewicht w\u00fcrde keinen Bestand haben, und damit das Leben unm\u00f6glich werden, wenn das Tier nicht mittels dieser niederen Intelligenz fr\u00fcher als die Wissenschaft erkannt h\u00e4tte, welcher Art, wie beschaffen und in welcher Menge die Nahrungsmittel aufgenommen werden m\u00fcssen, die es auf Grund eigener Erfahrung oder rein empirischer, durch keine logischen Schl\u00fcsse beeinflufster Vorg\u00e4nge zu sich nimmt.\nBis jetzt hat man die niedere Erkenntnis als Instinkt bezeichnet, indem man davon ausging, dafs der Instinkt in sich ein intuitives Bewufstsein enthielte, dessen Ursprung geheimnisvoll und unerfindlich w\u00e4re, weil er sich von einer dunklen Kraft ableite. Wenn man die trophische Tendenz auf die Zellerregung, die sie im Bewufstsein hervorruft, zur\u00fcckgef\u00fchrt hat, so mufste,","page":361},{"file":"p0362.txt","language":"de","ocr_de":"362\nR. Turro.\nda ihr wahrer Ursprung unbekannt ist, die Kraft, aut Grund derer sich die Natur des Nahrungsmittels dem Bed\u00fcrfnis des Gewebssaftes anpafst, in der Tat als eine angeborene Erkenntnis erscheinen, etwas das aus einem dunklen Born wie eine spontane T\u00e4tigkeit hervorquillt. Dieser Gesichtspunkt oder vielmehr diese logische Voraussetzung ist falsch. Die Erkenntnis erscheint uns spontan, wenn wir sie von den sie bedingenden Ursachen losl\u00f6sen. Wenn wir aber Ursache und Wirkung aneinander halten, so verschwindet diese Spontaneit\u00e4t von selber. Es ist ein Streit um Grundbegriffe, deren Vorhandensein nicht fraglich ist, die wir aber nicht erkl\u00e4ren k\u00f6nnen, so lange wir ihre wTahre Ursache nicht wissen. Statt diese zu ergr\u00fcnden, st\u00fctzt man sich auf unbekannte Tatsachen um eine Rechtfertigung ihrer selbst zu haben, die uns wenigstens vor der Hand befriedigt. Wenn wir sagen, wir essen aus Instinkt, dieser Instinkt belehrt uns \u00fcber die Sch\u00e4dlichkeit eines gegebenen Nahrungsmittels usw., so reden wir nur der Worte halber, denn das ist dasselbe, als wenn wir sagen, wir wissen nicht, warum wir die Nahrungsmittel ausw\u00e4hlen, oder wieso wir dies oder jenes f\u00fcr sch\u00e4dlich halten.\nEs gen\u00fcgt uns die Erfahrung, die uns die Erkenntnis vermittelt hat, dafs dieses oder jenes Nahrungsmittel ein Bed\u00fcrfnis deckt, ein anderes sch\u00e4dlich ist; dann brauchen wir nicht nach einer instinktiven Kraft zur Erkl\u00e4rung ihres Ursprunges zu suchen.\nIII. Die quantitative Autoregulation trophischer Empfindungen.\nUnter physiologischen Bedingungen h\u00f6rt die trophische Reizung der peripheren Endigungen nicht fr\u00fcher auf, als bis sich der Gewebssaft von den durch den Nahrungsverbrauch bedingten Verlusten erholt hat. Daher kommt es, dafs die urs\u00e4chliche Empfindung um so gr\u00f6fser ist, je st\u00e4rker der Substanzmangel im Gewebssaft ist, und um \u00a7o l\u00e4nger dauern wird, je l\u00e4nger die Einfuhr der zur Wiederherstellung der einheitlichen Zusammensetzung des Gewebssaftes, zur Abs\u00e4ttigung der chemischen Avi-dit\u00e4t seiner zeitigen Elemente, erforderlichen Elemente verz\u00f6gert wird. Wie die Empfindung der umgebenden Temperatur nicht zum Bewufstsein kommt, wenn sie unver\u00e4nderlich gleichf\u00f6rmig bleibt und sofort, wenn sie sich \u00e4ndert, so zeigt auch die tro-","page":362},{"file":"p0363.txt","language":"de","ocr_de":"Die physiologische Psychologie des Hungers.\n363\nphische Sensibilit\u00e4t nicht das Gleichbleiben in der chemischen Zusammensetzung des Gewebssaftes, sondern nur seine Substanzdefekte an. Diese durch den Verbrauch bedingten Defekte sind entsprechend den verwendeten Substanzen gr\u00f6fser oder kleiner, und so kommt es, dafs der Hunger nach jeder von ihnen in den psychotrophischen Zentren mit einer dem Verbrauch proportionalen St\u00e4rke sich bemerkbar macht und zwar um so hartn\u00e4ckiger, je l\u00e4nger mit der Zufuhr der dem Gewebssaft fehlenden K\u00f6rper gez\u00f6gert wird. Wenn wir die Summe der Substanzen, die den vorhandenen Mangel zu decken haben, Nahrungsmenge nennen, so m\u00fcssen wir folgerichtig bemerken, dafs diese Summe aus mehreren Summanden von bestimmter Wertigkeit zusammengesetzt ist. Die Nahrungsmenge f\u00fcr Salz, Fett und Eiweifs-stoffe ist eine ganz verschiedene. Einige Gramm Eiweifs oder Salz mehr gen\u00fcgen schon, um den Mangel an diesen K\u00f6rpern abzus\u00e4ttigen. Andererseits w\u00e4chst die Menge, wenn es sich um Kohlehydrate und ganz unverh\u00e4ltnism\u00e4fsig, sowie es sich um Wasser handelt. Genau gesagt gibt es also nicht eine Ern\u00e4hrungsmenge, sondern nur eine Summe von Nahrungsmengen, die quantitativ f\u00fcr jedes einzelne Nahrungsmittel nach seiner chemischen Natur festgesetzt ist. Daraus folgt, dafs der Trieb, der uns veranlafst, ein salzhaltiges Nahrungsmittel zu ge-niefsen, uns nach Mafsgabe der darin vorhandenen Salzmenge beeinflufst, wie der, der den Pflanzenfresser zur Aufnahme von Gr\u00fcnfutter im Verh\u00e4ltnis zu der darin befindlichen Wassermenge treibt. Angenommen, dafs das eine oder das andere der genannten Elemente nicht in der n\u00f6tigen Menge vorhanden ist, so verbleibt im Gewebssaft eine zu ersetzende L\u00fccke und in den Zellen eine unges\u00e4ttigte, chemische Avidit\u00e4t. Dadurch entsteht, wie oben auseinandergesetzt, isoliert die Empfindung dieser betreffenden Substanzen. Das gleiche gilt von allen anderen denkbaren Nahrungsmengen, die bisher nur ungenau bekannten Substanzdefekten des Gewebssaftes entsprechen.\nDie in den psychotrophischen Zentren durch die periphere Reizung festgesetzte Nahrungsmenge kann quantitative St\u00f6rungen nur aus R\u00fccksichten des pers\u00f6nlichen Geschmackes erleiden. So kann eine unschmackhafte Nahrung wegen ihres Salzgehaltes, eine fade Speise wegen ihres Stickstoffgehaltes gesch\u00e4tzt werde. Diese in den psychotrophischen Zentren durch den Organismus selbst festgelegten St\u00f6rungen der Nahrungsabsch\u00e4tzung werden\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 44.\t23","page":363},{"file":"p0364.txt","language":"de","ocr_de":"364\nR. Turro.\ndurch den Appetit bedingt, wovon wir gleich an seiner Stelle sprechen werden. F\u00fcr den Augenblick beschr\u00e4nken wir uns darauf, die Nahrungsmenge zu untersuchen, wie sie in den basalen Ganglien durch die periphere Reizung bestimmt wird, indem wir von den Ver\u00e4nderungsm\u00f6glichkeiten absehen, die diese Bestrebungen im Austausch mit den \u00e4ufseren Sinneszentren erleiden. \u2014 Nachdem wir die Grenzen des Problems in diesem Umfange festgelegt haben, erkennen wir, dafs sich in diesen \u00e4ufseren Zentren die grundlegende Sch\u00e4tzung der Nahrungsmenge ausschliefslich nach Mafsgabe der Bed\u00fcrfnisse des Gewebssaftes vollzieht. Die entsprechenden Empfindungen veranlassen uns zum Genufs jedes Nahrungsmittels in der zum Ersatz des Verlustes n\u00f6tigen Menge und h\u00f6ren bis zur Deckung dieses Defektes nicht auf, uns zur Weitereinf\u00fchrung anzutreiben. So kommt es, dafs sich die Menge der eingef\u00fchrten Speisen durch die Nahrungsmenge reguliert, die, einmal in geeigneter Weise zum Eintritt in den Gewebssaft vorbereitet, von selbst offenbar wird. Eine relativ kleine Menge Fleisch gen\u00fcgt, um eine zur Deckung der erlittenen Verluste hinreichende Nahrungsmenge zu liefern; andererseits bedarf es einer im Vergleich zur vorigen enormen Menge, wenn die gleiche Ern\u00e4hrungsquantit\u00e4t aus eingef\u00fchrtem Gr\u00fcnfutter erzielt werden soll.\nDie Futtermenge die ein Pflanzenfresser zu sich nehmen mufs, um seinem Nahrungsbed\u00fcrfnis gerecht zu werden, ist sehr betr\u00e4chtlich. Wie viele Substanzen gehen aus dieser ersten, zu der noch das von der Atmung gelieferte hinzukommt, hervor, machen die Bestandteile der physiologischen Maschinerie aus und halten sie in Gang. Da diese Futtersorten die sp\u00e4teren Substanzen nur virtuell und in relativ kleiner Menge enthalten, so mufs das Tier seine Einfuhrration gr\u00f6fser w\u00e4hlen, damit sie ihm die n\u00f6tige Nahrungsmenge ab wirft, die beim Eintritt in den Gewebssaft die periphere Reizung zur Ruhe bringt. Daher h\u00e4lt der Hunger bei diesen Tieren viele Stunden an. Die Dauer verk\u00fcrzt sich aber, wenn statt Weidef\u00fctterung Trockenf\u00fctterung dargereicht wird, die in derselben Gewichtseinheit einen gr\u00f6fseren N\u00e4hrwert repr\u00e4sentiert, und wird immer kleiner, je mehr der Ern\u00e4hrungskoeffizient steigt, wenn man den Tieren Hafer, Bohnen, Gerste, Mais, Kleie u. dgl. darreicht. Wir sehen also, dafs, abgesehen von den erw\u00e4hnten St\u00f6rungen die Ern\u00e4hrungsmenge jedes einzelnen Nahrungsmittels spontan nach seinem N\u00e4hrwert","page":364},{"file":"p0365.txt","language":"de","ocr_de":"Die physiologische Psychologie des Hungers.\n365\nangesetzt wird, genau wie es der Tierkundige durch Rechnung feststellen w\u00fcrde. Ein Pferd z. B. reguliert seine Zufuhr an Streu, Korn-, Johannisbrot, Saubohnen usw., als wenn es ihren N\u00e4hrwert durch chemische Analyse kennte. Das Tagesquantum, das ihm ein guter Pferdeknecht abmifst, pafst sich f\u00fcr jedes Nahrungsmittel der unterschiedlichen Menge an, in der dasselbe beansprucht wird.\nDie eingef\u00fchrte Menge ist beim Fleischfresser relativ klein und doch der abgeworfene N\u00e4hrwert so reichlich, dafs eine einzelne Mahlzeit den Bedarf des ganzen Tags zu decken pflegt, w\u00e4hrend umgekehrt die Pflanzenfresser mehrmals am Tage futtern m\u00fcssen. Aber diese Nahrungsmenge wird auch gut ausgen\u00fctzt und hinterl\u00e4fst nur geringe Mengen Exkremente im Vergleich mit denen der Pflanzenfresser; daf\u00fcr ist der Urin der Fleich-fresser h\u00f6her gestellt als der jener.\nBei den Omnivoren sehen wir, dafs jeder als Nahrungsmittel dienende K\u00f6rper in der Menge aufgenommen wird, die seinem Verbrauch entspricht. Wir brauchen unsere Aufmerksamkeit nur auf die Gem\u00fcse zu richten, auf die trockenen oder jungen H\u00fclsenfr\u00fcchte, auf Fleisch, Eier und anderes, dessen sich der Mensch bedient um festzustellen, dafs eine durch konstante \u00dcbung erworbene Pr\u00e4intuition ihre Einf\u00fchrung nach Mafsgabe ihres N\u00e4hrwertes in Verbindung mit den Bed\u00fcrfnissen des organischen Verbrauches leitet. W\u00e4hrend in bezug auf die ersteren die Vorliebe der Wiederk\u00e4uer noch die gleiche Richtung zeigt, ist sie dem zweiten gegen\u00fcber schon geringer, und die Sparsamkeit w\u00e4chst noch mit den Eiweifsstoffen, von denen er nur eine minimale Menge einf\u00fchrt, im Vergleich zu Reis, Bohnen, Erbsen, Kartoffeln, Kohl und Salat.\nFassen wir zusammen : Die Erfahrung der psychotrophischen Zentren haben sich so organisiert, dafs Mensch und Tier beim Anblick einer Speise im Voraus wissen, wieviel sie von derselben nehmen m\u00fcssen, als ob sie ihren N\u00e4hrwert schon ausprobiert h\u00e4tten. Diese Kenntnisse entstehen nicht durch Erziehung oder durch \u00e4ufsere Anleitung sondern durch interne Erfahrungen, die diesen Wert im Bewufstsein festgelegt haben. So sehen wir, dafs nicht die Mutter f\u00fcr den S\u00e4ugling die Milch abmifst, das Kind selbst teilt sich seine Menge zu; es ist nicht nur ein hergebrachtes \u00dcbereinkommen, wenn man Fleisch, Bohnen oder\nR\u00fcben in bestimmtem Verh\u00e4ltnis geniefst. Der Betreffende hat\n23*","page":365},{"file":"p0366.txt","language":"de","ocr_de":"366\nR. Tiirro.\ndiese Menge aus sich heraus fixiert, und so ist es seit undenklichen Zeiten gewesen. Ein physiologischer Mechanismus hat das mit den Bed\u00fcrfnissen des Gewebssaftes \u00fcbereinstimmende Mafs ein f\u00fcr allemal fest bestimmt, und die st\u00e4ndige Wiederholung dieses Vorganges hat in den psychotrophischen Zentren Erinnerungsbilder festgelegt, durch deren Vermittlung wir beim Anblick eines Nahrungsmittels wissen, in welcher Menge es uns zutr\u00e4glich ist.\nDiese einfache Organisation, ein wahres Spiegelbild der Ausf\u00e4lle im Gewebssaft, bleibt unver\u00e4ndert, solange die sie bedingenden Grundlagen des Ern\u00e4hrungskreislaufes sich nicht \u00e4ndern. Andern sich aber diese Grundlagen und entstehen neue, bis dahin unbekannte W\u00fcnsche, so erhebt sich langsam und unmerklich der Hunger nach einer anderen Sorte Nahrungsmittel oder die gew\u00fcnschte Menge der alten steigert sich bis zu einem fr\u00fcher Widerwillen erregenden Punkte. Dann bilden sich neue Erfahrungen, die alten verschwinden, der Geschmack wechselt und es tritt die Gew\u00f6hnung an ein neues Nahrungsmittel ein. Man braucht sich nur der Vorg\u00e4nge zu erinnern, die eintreten, wenn ein Mensch aus den Tropen in kaltes Klima versetzt wird. Er weifs nicht, was und wie viel er essen soll. Er kann sich mit den Speisen seines neuen Vaterlandes noch nicht auss\u00f6hnen und hat andererseits auch keinen Hunger auf die fr\u00fcheren, mit denen er seine augenblicklichen Bed\u00fcrfnisse nicht mehr befriedigen kann. Schritt f\u00fcr Schritt findet dann eine Umwandlung der alten Di\u00e4t in die neue statt. Da ihm aber noch die Lebenserfahrung \u00fcber den N\u00e4hrwert der neuen Nahrungsmittel mangelt, so beherrscht ihn Zweifel und Unsicherheit \u00fcber sie. Mehr wie in irgend etwas zeigt sich diese trophische Unsicherheit in dem Einflufs auf das zeitliche Auftreten des Hungers. In seiner Heimat beispielsweise hatte er alle sechs Stunden Hunger und jetzt schon nach vier Stunden. Diese ganze Verwirrung und Unsicherheit verschwindet allm\u00e4hlich, sowie neue Erfahrungen und Kenntnisse \u00fcber den tats\u00e4chlichen N\u00e4hrwert der Lebensmittel unter den g\u00e4nzlich ver\u00e4nderten Lebensbedingungen gesammelt worden sind. So entsteht der Appetit auf Fleisch und die besondere Vorliebe f\u00fcr Fette, und ebenso tritt in seiner Heimat der einfache Geschmack und die Freude an pflanzlicher Nahrung in den Vordergrund. Im ersten Augenblick scheint es, als ob die Di\u00e4t bestimmten wohlabgegrenzten \u00e4ufseren Sen-","page":366},{"file":"p0367.txt","language":"de","ocr_de":"Die physiologische Psychologie des Hungers.\n367\nsationen untersteht, die wir hervorzurufen w\u00fcnschen; betrachten w7ir aber die Frage genauer, so erkennen wir, wie sich alles nach der chemischen Zusammensetzung der eingef\u00fchrten Substanzen richtet, die den Bed\u00fcrfnissen des Gewebssaftes angepafst sein mufs, und dadurch best\u00e4tigen wir dann, dafs, wTenn die Ern\u00e4hrungsbedingungen sich \u00e4ndern, auch der Geschmack wechselt, indem sich dann der Appetit dem inneren Zwang neu anpafst, der sich in unbezwinglicher Weise geltend macht. Diese Neuanpassung geht langsam vor sich, denn sie ist das Resultat eines Neuaufbaues trophischer Erfahrungen.\nWir sahen fr\u00fcher, wie sich bei Enthaltung von einer Speise das Bewufstsein auf sie besonders richtet. Wir k\u00f6nnen jetzt gleichzeitig darlegen, wie diese Spezialisierung auch eine quantitative ist, die die erforderliche Menge dem Menschen in \u00dcbereinstimmung mit den Bed\u00fcrfnissen des Gewebssaftes anzeigt. Das Salz, die Proteine, das Wasser sind lebende Erfahrungsbeweise f\u00fcr die Richtigkeit dieses Satzes. Wenn die Abstinenz l\u00e4nger anh\u00e4lt, schr\u00e4nken die trophoregulatorischen Zentren ihren Verbrauch ein; es scheint, als ob die Gewebe das in ihnen befindliche Wasser gierig anziehen, wie auch die Niere, der nat\u00fcrliche Ausscheidungsort des Salzes, sich abschlielst und dabei das Salz mit \u00e4ufserster Kraft zur\u00fcckh\u00e4lt und es nicht unn\u00fctz abgibt. Das Eiweifsmolek\u00fcl scheint bei manchen schweren Diabetesf\u00e4llen das Bestreben zu haben, den Stickstoff so lange wie m\u00f6glich zur\u00fcckzubehalten, um aus der eignen Kraft ihm Kohlehydrate abzuspalten. Aus diesem obersten Grundsatz leitet sich die Erfahrung her, dafs weder der Durst noch der Hunger auf Salze oder Eiweifsstoffe progressiv w\u00e4chst. Sie vermindern sich alsbald und dauern in verminderter St\u00e4rke fort. Der Durst von drei Tagen verlangt mehr Wasser als der von zwT\u00f6lf. Die Neger Innerafrikas empfinden den Salzhunger nicht wie wir oder wie sie ihn empfinden w\u00fcrden, wenn die Zivilisation ihre Ern\u00e4hrung auf dieselbe Grundlage gebracht h\u00e4tte wie die unsere. Der Eiweifshunger bei Leuten, die sich daran gew\u00f6hnt haben, sich desselben teilweise zu enthalten, ist l\u00e4ngst nicht so ausgesprochen, wie wir ihn empfinden w\u00fcrden, die wir an den Gebrauch gew\u00f6hnt sind. Aus alledem ergibt sich, dafs die von einem Produkt aufzunehmende Menge nicht grob nach dem Mangel im Organismus abgesch\u00e4tzt werden darf, sondern nach der Energie des Nahrungsumlaufes, die in Wirklichkeit diesen Mangel anzeigt. SowTie der","page":367},{"file":"p0368.txt","language":"de","ocr_de":"368\nB. Turro.\nAustausch der zeitigen Elemente mit dem Medium, in dem sie leben, schw\u00e4cher wird, werden auch die Verluste desselben weniger empfunden, und schliefslich rufen die trophischen Reize in den h\u00f6heren Zentren Empfindungen mehr dumpfer Art hervor.\nDie graduelle Anpassung der Zellern\u00e4hrung an die durch eine erzwungene Abstinenz erzielte Verarmung des Gewebssaftes h\u00e4lt auch dann noch an, wenn funktionell die Empfindlichkeit der psychotrophischen Zentren, sei es aus zuf\u00e4lligen Gr\u00fcnden oder infolge pathologischer Ver\u00e4nderungen, nachl\u00e4fst. Wenn dieser zuf\u00e4llige Grund auf h\u00f6rt, oder die pathologischen Ver\u00e4nderungen verschwinden, erscheint der Heifshunger, obwohl die Substanzdefekte des Gewebssaftes recht grofs sind, nicht unmittelbar, sondern der Appetit tritt wieder auf, je gr\u00f6fser die Intensit\u00e4t des Ern\u00e4hrungsvorganges wird.\nWenn uns einmal eine psychische Voreingenommenheit befangen h\u00e4lt oder uns ein schwerer moralischer Verdrufs beein\u00ab flufst, so k\u00f6nnen sich offenbar in den psychotrophischen Zentren Hemmungen geltend machen, infolge deren die Bed\u00fcrfnisse des Gewebssaftes kein Hungergef\u00fchl ausl\u00f6sen. Wenn wir unter diesen Umst\u00e4nden essen, so geschieht es mit Widerwillen. Eine solche ungen\u00fcgende Ern\u00e4hnmg, wenn der Appetit mangelt, schw\u00e4cht den Organismus, welcher auf eigne Kosten lebt. So kann man in kurzer Zeit mehrere Kilogramm verlieren. Zun\u00e4chst scheint es selbstverst\u00e4ndlich, dafs beim Nachlassen dieser zentralen Hemmungen der Hunger in \u00dcbereinstimmung mit den Defekten des Gewebssaftes wieder erscheint. Dem ist aber nicht so ; denn die Energie des Ern\u00e4hrungsvorganges hat sich so abgestumpft, dafs sich die chemische Avidit\u00e4t der Zellbestandteile der Verarmung des Gewebssaftes angepafst hat. Trotz alledem besteht sie fort und veranlafst das Individuum die Mahlzeiten nicht wie zuvor aufser Acht zu lassen. Ganz allm\u00e4hlich wie sich der Gewebssaft anreichert, treten dann auch die Zellenergien mit ungewohnter Kraft hervor und sind bestrebt, die Verluste wieder wett zu machen. Erst jetzt macht sich der eigentliche Heifshunger geltend, der andauert, bis der Organismus seinen normalen Tonus wieder gefunden hat.\nDemselben Zustand sind Leute mit ungen\u00fcgender Kostform unterworfen; mehr oder weniger m\u00fchsam gew\u00f6hnen sie sich an ihre Not; wenn sich aber ihr Schicksal wendet, die Di\u00e4t reichlicher wird, so hebt sich nach und nach die Ern\u00e4hrungsenergie","page":368},{"file":"p0369.txt","language":"de","ocr_de":"Die physiologische Psychologie des Hungers.\n369\nund ein lebhafter Appetit stellt sich ein, der nicht eher aufh\u00f6rt, bis idle Verluste wieder eingeholt sind.\n! In der Rekonvaleszenz akuter Krankheiten, wenn eben die krankhaften Ver\u00e4nderungen, die die T\u00e4tigkeit der psychotrophischen Zentren gefangen hielten, geschwunden sind, tritt der Appetit unbestimmt und leise auf. Aber je mehr sich die Ern\u00e4hrungsenergie des verarmten Organismus wiederbelebt, wird auch der Hunger mit jedem Tage heftiger, bis er seine oberste Grenze erreicht hat. Da die dem Ge webssaft zugef\u00fchrte Nahrungsmenge schneller wie unter normalen Verh\u00e4ltnissen verbraucht wird, so macht sich die Notwendigkeit bemerkbar, h\u00e4ufiger zu essen, bis nach der v\u00f6lligen Wiederherstellung der Hunger wieder im gewohnten Zeitverh\u00e4ltnis auftritt. Im Grunde genommen ist die trophische Reizung hier dieselbe, wie bei Menschen, die sich an eine teilweise Abstinenz gew\u00f6hnt haben, denn die eine wie die andere bedeutet f\u00fcr den Hunger dasselbe wie die Wachstumsperiode. Es ist bekannt, dafs Kinder verh\u00e4ltnism\u00e4fsig mehr essen wie Erwachsene. Diese Erscheinung wird immer auff\u00e4lliger, je mehr sich die Pubert\u00e4tsentwicklung n\u00e4hertj Es ist einleuchtend, dafs die Ern\u00e4hrungsmenge nicht nur die zur Inganghaltung der physiologischen Maschinerie n\u00f6tigen Stoffe zu liefern hat, sondern auch die Materialien, deren der Organismus als potentielle Reservekr\u00e4fte nicht entraten kann, um sein Gewicht in so fabelhafter Weise zu vermehren. Diese erh\u00f6hte T\u00e4tigkeit und diese Aufspeicherung lebender Kraft k\u00f6nnten nicht statthaben, wenn der Gew^ebssaft nicht reichlichen Heizstoff auf Grund einer Nahrungszufuhr lieferte, deren Menge in v\u00f6lliger \u00dcbereinstimmung mit der vermehrten Zellt\u00e4tigkeit st\u00fcnde.\nVWir sehen also immer und \u00fcberall, abgesehen von den sekund\u00e4ren Ver\u00e4nderungen des Appetites, dafs der Hunger im ganzen und im besonderen nachdr\u00fccklich von der St\u00e4rke der Ern\u00e4hrungsvorg\u00e4nge abh\u00e4ngig ist. Wenn diese mit f\u00fchlbar gleichm\u00e4fsigem Tonus sich entwickeln, weil sie weder durch Gr\u00fcnde der Aufsenwelt, noch im Inneren einged\u00e4mmt werden, noch das Tier geschw\u00e4cht wird, so kommt es, dafs im Ged\u00e4chtnis der psychotrophischen Zentren infolge der erworbenen Erfahrungen die entsprechende Menge jedes Nahrungsmittels mit einem gut eingearbeiteten Automatismus \u00fcbereinstimmt. Wenn eine \u00e4ufsere Ursache, wie K\u00e4lte, die Verbrennung des Organismus anfacht, so n\u00fctzen die erworbenen Kenntnisse wenig. Es m\u00fcssen","page":369},{"file":"p0370.txt","language":"de","ocr_de":"370\nB. T mro.\nf\u00fcr die andauernde periphere Eeizung erst neue Erfahrungen gesammelt werden: ohne sich dieses Wunsches bewufst zu werden, sondern wie unter dem Eindruck einer Autosuggestion merkt der Mensch die Ver\u00e4nderung seiner Geschmacksrichtung und ifst mehr w\u00e4rmespendende Produkte, anfangs in bedeutender Menge, wenigstens im Verh\u00e4ltnis zu dem was er aufnimmt, sobald sich wieder seine normale t\u00e4gliche Ration eingestellt hat. Ganz das Gegenteil wird eintreten, wenn statt umgebender K\u00e4lte W\u00e4rme die Ern\u00e4hrung beeinflufst. Unter diesen Umst\u00e4nden wird man mehr und mehr zu einer weniger kalorienhaltigen Nahrung \u00fcbergehen, bis man ihr genaues Mafs gefunden hat. Wenn die die Umsetzung beeinflussende Ursache keine \u00e4ufsere, sondern eine innere ist, so reguliert sich der Hunger doch immer in \u00dcbereinstimmung mit ihr. Wenn sich die n\u00f6tigen Ersatzelemente dem Organismus infolge mangelhafter Funktion der psychotrophischen Zentren oder infolge einer tr\u00fcgerischen Teilenthaltung nicht unterordnen, so gew\u00f6hnt sich die Zellern\u00e4hrung allm\u00e4hlich an den Mangel im Ge webssaft und der Hunger reguliert sich nicht mehr nach der Gr\u00f6fse des derzeitigen Substanzdefektes im Ge-webssaft im Verh\u00e4ltnis zu den vorher bestehenden, sondern nur nach der tats\u00e4chlichen Energie des Ern\u00e4hrungsVorganges. Wir sehen also, dafs die Zelle es ist, die die Anreicherung oder Verarmung des Gewebssaftes reguliert und dafs von ihr stets der Reiz ausgeht, der im Unterbewufstsein den mehr oder weniger komplexen trophischen Reflex ausl\u00f6st, der die einheitliche Zusammensetzung der Gewebsfl\u00fcssigkeit wieder herstellt und in h\u00f6heren Bewufstseinssph\u00e4ren das Hungergef\u00fchl hervorruft, mittels dessen alle tats\u00e4chlichen Verluste, die der Organismus erleidet, qualitativ und quantitativ ersetzt werden m\u00fcssen.","page":370}],"identifier":"lit33565","issued":"1910","language":"de","pages":"330-370","startpages":"330","title":"Die physiologische Psychologie des Hungers","type":"Journal Article","volume":"44"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:48:49.315778+00:00"}

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