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Beitrag zur Lehre von der binokularen Tiefenlokalisation

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{"created":"2022-01-31T16:27:21.620123+00:00","id":"lit33567","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"Liebermann, Paul von","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 44: 428-443","fulltext":[{"file":"p0428.txt","language":"de","ocr_de":"428\n(Aus dem Physiologischen Institut zu Freiburg i. B.)\nBeitrag\nzur Lehre von der binokularen Tiefenlokalisation.\nVon\nDr. Paul von Liebeemanx.\nEinen binokular gesehenen Punkt k\u00f6nnen wir entweder in gleiche Tiefe mit dem fixierten, oder um verschiedene Betr\u00e4ge n\u00e4her oder ferner lokalisieren. Es h\u00e4ngt dies vor allem davon ab, auf welchem Punktepaar der Doppelnetzhaut der Objektpunkt abgebildet wird.\nErw\u00e4gt man, welcher Art des genaueren diese Abh\u00e4ngigkeit ist, so darf zun\u00e4chst wohl als feststehend angenommen werden, dafs sie sehr mannigfaltiger und verwickelter Natur ist, sobald f\u00fcr die Tiefenlokalisation auch des exzentrisch gesehenen Objektes die sogenannten \u201eempirischen Momente\u201c ins Spiel kommen. Einfachere V erh\u00e4ltnisse erscheinen dagegen zum mindesten denkbar, wenn solche ganz ausgeschlossen sind und demgem\u00e4fs ganz allein die binokulare Tiefenwahrnehmung in Betracht kommt.\nAus theoretischen Gr\u00fcnden kn\u00fcpft sich dabei ein besonderes Interesse an die Frage, ob der Tiefeneindruck, den ein bestimmtes Paar von Netzhautpunkten hervorruft, unter allen Umst\u00e4nden der gleiche ist, oder ob und inwieweit er von der, sei es wahren, sei es scheinbaren Entfernung des Fixationspunktes abh\u00e4ngt. So kann vor allem gefragt werden, ob, wenn bei einer gewissen Gestaltung der den Fixationspunkt betreffenden Bedingungen ein Paar von Netzhautpunkten den Eindruck der\nTiefe Null d. h. einer mit dem Fixationspunkt gleichen Tiefe\n\u2022 \u2022\nerzeugt, diese Beziehung auch bei beliebiger \u00c4nderung jener","page":428},{"file":"p0429.txt","language":"de","ocr_de":"Beitrag zur Lehre von der binokularen Tiefenlokalisation.\n429\nBedingungen bestehen bleibt, oder ob dasselbe Paar bei ver\u00e4nderten Bedingungen von Null verschiedene Tiefeneindr\u00fccke ergeben kann. W\u00e4re dies der Fall, so w\u00fcrde auch folgen, dafs nunmehr z. B. der betreffende linke Netzhautpunkt mit einem etwas anderen der rechten in jener Beziehung stehen wird, mit ihm zusammenwirkend den Tiefeneindruck Null hervorzubringen.\nWie bekannt, ist die Anschauung, dafs sich dies nicht so verhalte, dafs sich vielmehr die Tiefeneindr\u00fccke aus gewissen, den einzelnen Netzhautpunkten unver\u00e4nderlich zukommenden Tiefenwerten ergeben, von Hering und einer Anzahl sich ihm anschliefsender Forscher vertreten worden. Die experimentelle Pr\u00fcfung dieser Fragen wird zusammengeh\u00f6rige Punktepaare f\u00fcr verschiedene Tiefenabst\u00e4nde des Fixationspunktes oder allgemeiner: f\u00fcr verschiedene Bedingungen seiner Tiefenlokalisation aufzusuchen haben. Die Zusammengeh\u00f6rigkeit wird dabei zu definieren sein als die Eigenschaft, irgend eine bestimmte Tiefenwahrnehmung zu erzeugen. Wie leicht ersichtlich, bietet die oben schon besonders erw\u00e4hnte Forderung, das gesuchte Punktepaar solle Lokalisation in gleiche Tiefe mit dem Fixationspunkt erzeugen, einer exakten Untersuchung die besten Voraussetzungen.\nEine solche Untersuchung wird dadurch wesentlich abgek\u00fcrzt werden, dafs man mit jeder einzelnen Beobachtung unendlich viele Punktepaare feststellt. Man kann dies tun, indem man als Objekte Linien statt Punkte w\u00e4hlt; diese m\u00fcssen nat\u00fcrlich von solcher Form und Lage sein, dafs alle ihre Punkte in derselben Tiefe erscheinen. Diesem Erfordernis entsprechen f\u00fcr symmetrische Konvergenzstellungen u. a. Vertikale mit guter Ann\u00e4herung. W\u00e4hlt man diese, so erh\u00e4lt man also statt zusammengeh\u00f6riger Punkte zusammengeh\u00f6rige L\u00e4ngsschnitte.\nEine derartige Untersuchung hat F. Hillebrand durchgef\u00fchrt; er kam zu dem Ergebnis, dafs die Tiefenwerte auf der Doppelnetzhaut stabil seien. Wir werden auf die uns hier besonders interessierenden Teile dieser Arbeit am Schl\u00fcsse dieser Abhandlung n\u00e4her einzugehen haben.\nHerrn Professor v. Kries verdanke ich die Anregung, neue Versuche \u00fcber diese Frage anzustellen, da solche, abgesehen von sp\u00e4ter anzuf\u00fchrenden Gr\u00fcnden, schon wegen allenfalls m\u00f6glicher individueller Unterschiede w\u00fcnschenswert waren; es ist mir eine liebe Pflicht, ihm hierf\u00fcr sowohl, als auch f\u00fcr die h\u00f6chst liebens-","page":429},{"file":"p0430.txt","language":"de","ocr_de":"430\nPaul von Liebermann.\nw\u00fcrdige Leitung und Unterst\u00fctzung der Arbeit meinen aufrichtigsten Dank zu sagen.\nDie gestellte Aufgabe bestand dem Gesagten zufolge darin, bei verschiedener Entfernung des Fixationspunktes solche Punktpaare der rechten und linken Netzhaut zu ermitteln, die, zur Erzeugung einer binokularen Tiefenwahrnehmung zusammenwirkend, den Eindruck der Tiefe Null, d. h. Lokalisation in einer durch den Fixationspunkt gelegten Frontalebene erzeugten. Dabei sollten, um diesen f\u00fcr die Gestaltung des Verfahrens besonders wichtigen Punkt hier sogleich hervorzuheben, f\u00fcr die Lokalisation der seitlichen Objekte alle empirischen Momente v\u00f6llig ausgeschlossen sein, ihre Tiefenwahrnehmung also rein auf dem Zusammenwirken der beiden Augen beruhen. Dagegen erschien es w\u00fcnschenswert, die Entfernungslokalisation des Fixationspunktes selbst unter Bedingungen zu bringen, die sich denen des normalen, gew\u00f6hnlichen Sehens so vollst\u00e4ndig als m\u00f6glich an-schliefsen, f\u00fcr sie also das Zusammenwirken aller der verschiedenen Momente zuzulassen, die f\u00fcr die Entfernungswahrnehmung \u00fcberhaupt in Betracht kommen k\u00f6nnen.\nEhe wir auf die Beschreibung der Methode eingehen, sei es gestattet, eine terminologische Bemerkung vorauszuschicken.\nBekanntlich hat Hering die Annahme vertreten, dafs denjenigen Punkten der rechten und linken Netzhaut, die gleiche Breitenwerte haben, gleiche und entgegengesetzte Tiefenwerte zukommen; hiernach w\u00fcrden diejenigen \u00e4ufseren Punkte, die sich auf Punkten mit gleichen Breitenwerten abbilden oder im L\u00e4ngshoropteru liegen, in gleicher Tiefe mit dem Fixationspunkt, in der sogenannten Kernfl\u00e4che wahrgenommen werden. Von dieser Anschauung ausgehend hat dann insbesondere Tschermak den geometrischen Ort derjenigen Punkte des \u00e4ufseren Raumes, f\u00fcr die dies letztere zutrifft, ohne weiteres als L\u00e4ngshoropter und die empirischen Ermittlungen solcher Punkte als Bestimmungen des L\u00e4ngshoropters bezeichnet. Diese Benennung ist indessen doch, solange jene Voraussetzung nicht in vollem Umfange sichergestellt ist, wenig ratsam, und wenn (wie es meine Ergebnisse wahrscheinlich machen) die Bedingungen der Tiefenlokalisation andere und verwickeltere sind, ganz unang\u00e4ngig. Da es andererseits w\u00fcnschenswert ist, gerade auch f\u00fcr die hier in Betracht kommenden Verh\u00e4ltnisse der Tiefenlokalisation eine kurze Bezeichnung zu haben, so will ich im folgenden zwei Punkte der","page":430},{"file":"p0431.txt","language":"de","ocr_de":"Beitrag zur Lehre von der binokularen Tiefenlokalisation.\n431\nrechten und linken Netzhaut, die in der uns besch\u00e4ftigenden Beziehung stehen, ein abathisches Punktpaar (oder auch den einen zum anderen abathisch) nennen. Ebenso k\u00f6nnen auch \u00e4ufsere Punkte, die sich auf solchen Netzhautstellen abbilden, also in gleicher Tiefe mit dem fixierten Punkte wahrgenommen werden, abathisehe genannt werden, ihr geometrischer Ort heifse abathisehe Fl\u00e4che. Die hier gestellte Aufgabe w\u00fcrden wir also nicht als eine Horopterermittlung, sondern als die Aufsuchung abathischer Punkte bezeichnen. Dabei w\u00e4re (wie besonders zu beachten) nicht etwa als selbstverst\u00e4ndlich vorauszusetzen, dafs unter allen Umst\u00e4nden dieselben Netzhautpunkte miteinander abathisch zu sein brauchen. Vielmehr ist eben das die vornehmlich interessierende Frage, ob zu einem bestimmten Punkte der rechten Netzhaut immer der n\u00e4mliche oder je nach Umst\u00e4nden ein mehr oder weniger wechselnder der linken abathisch ist.\nDie in meinen Versuchen angewandte Methode besteht nun in einer Bestimmung der abathischen Fl\u00e4che f\u00fcr verschiedene Tiefenabst\u00e4nde des Fixationspunktes. Jede in einer solchen Fl\u00e4che gelegene Vertikale bestimmt durch ihre Abbildung ein Paar von abathischen L\u00e4ngsschnitten, die ganze Fl\u00e4che also eine Menge von solchen; sind diese Mengen f\u00fcr verschiedene Entfernungen des Fixationspunktes identisch, so besagt das eine stabile Zuordnung der L\u00e4ngsschnitte, sind sie verschieden, so ist die Zuordnung variabel.\nDie vollst\u00e4ndige empirische Bestimmung einer Fl\u00e4che ist, wenn die Methode, wie hier, im Bestimmen einzelner darin enthaltener Linien besteht, nat\u00fcrlich unm\u00f6glich; es gen\u00fcgt auch, wie sich zeigen wird, eine beschr\u00e4nkte Anzahl von Kurvenpunkten (genauer: Vertikalen in der fraglichen Fl\u00e4che) aufzusuchen; bei passender Wahl dieser ergeben sich die eigentlich gesuchten Kurvenpunkte durch einfache Interpolation.\nDie Versuchsanordnung nun, wie sie von anderer Seite teils zur Beantwortung der hier gestellten Frage, teils f\u00fcr verwandte Probleme, in \u00e4hnlicher Weise wiederholt angewandt worden ist (Hering, Helmholtz, Hillebrand, Tschermak, Frank), war im wesentlichen die folgende. In der Medianebene des Beobachters befand sich ein Lot, in bestimmtem, von Versuchsreihe zu Versuchsreihe variiertem Tiefenabstand vom Augenpaar. Seitlich davon, symmetrisch, zwei weitere vertikale F\u00e4den, in bestimmten,","page":431},{"file":"p0432.txt","language":"de","ocr_de":"432\nPaul von Lieber mann.\ninnerhalb einer Versuchsreihe variierten Querabst\u00e4nden vom mittleren. Ich hatte die Aufgabe, den Mittelfaden zu fixieren (wobei jedoch der Blick am Faden auf- und ab wandern durfte) und dabei die Seitenf\u00e4den durch sagittale Verschiebung so zu stellen, dafs sie in einer frontalen Ebene mit dem mittleren zu liegen schienen. Ich durfte dabei beliebige Exkursionen vor und hinter die richtige Einstellung ausf\u00fchren. Nach erreichter Einstellung wurden die Abweichungen der Seitenf\u00e4den von der objektiv frontalen Ebene des Mittelfadens gemessen. Das Mittel aus einer gr\u00f6fseren Zahl so gewonnener Einstellungen eines Seitenfadens gab je eine in der abathischen Fl\u00e4che1 gelegene Vertikale.\nVor allem mufste also die Medianebene festgelegt werden; sie wurde bestimmt als die Ebene, die die Basallinie (Verbindungsgerade der Drehpunkte) in ihrem Mittelpunkte schneidet und normal zu ihr steht. Der Kopf des Beobachters wurde durch ein \u00dcELMHOLTzsches Beifsbrettchen fixiert und der Ort der Drehpunkte f\u00fcr diese in allen Versuchen konstant beibehaltene Kopfstellung aufgesucht. Der Beobachter visierte mit dem Auge, dessen Drehpunkt gesucht wurde, in verschiedenen horizontalen Richtungen nach einem Diopter, bestehend aus zwei Fixationszeichen, die in verschiedenen Entfernungen vom Auge angebracht und beliebig verstellbar waren, also in verschiedenen Stellungen zur Deckung gebracht werden konnten. Jede hierbei eingenommene Lage der Hauptvisierlinie wurde nun derart im Raume festgelegt, dafs an Stelle des Kopfes ein Tischchen am Beifsbrett angebracht wurde, das, ebenso wie der Kopf, stets dieselbe Stellung zum Brettchen einnahm. In die Tischplatte wurden nun zwei Stecknadeln vertikal eingestochen, so dafs sich ihre K\u00f6pfe mit den beiden Fixationszeichen deckten ; hierauf verband man die Fufspunkte der Nadeln und hatte so die Projektion der Hauptvisierlinie auf die Tischplatte. Dies wurde f\u00fcr verschiedene Blickrichtungen ausgef\u00fchrt; der Schnittpunkt aller so festgelegten Projektionen der Hauptvisierlinien gab ohne nennenswerten Fehler die vertikale Projektion des Drehpunktes auf die Platte an. (Wie leicht ersichtlich, konnte nun auch der\n1 Die bei solchem Verfahren sich ergebende Fl\u00e4che ist genauer als \u201eabathische Fl\u00e4che f\u00fcr Dauerreize\u201c zu bezeichnen, s. Tschermak, Pf l\u00fcg er s Archiv 81, S. 328.","page":432},{"file":"p0433.txt","language":"de","ocr_de":"Beitrag zur Lehre von der binokularen Tiefenlokalisation.\n433\nDrehpunkt selbst ohne Schwierigkeit erhalten werden; diese Unterscheidung war im vorliegenden Falle ohne Belang.) \u2014 Die so ermittelten Drehpunkte wurden verbunden (Basallinie) und die Mittelsenkrechte gezogen ; zwei in diese vertikal eingestochene Nadeln bestimmten die Medianebene.\nIn der Medianstellung wurde nun das Mittellot festgehalten durch D\u00e4mpfung in geschmolzenem Paraffin, das durch sein Erstarren eine ganz feste Stellung sicherte. Die Seit en -f\u00e4den staken in B\u00fcgeln und wurden durch die Art der Befestigung in vertikaler Lage straff gehalten. Die B\u00fcgel glitten in sagittal gestellten Schlittenf\u00fchrungen mit Millimeterteilung.\nDas mittlere Lot hing von einem \u00fcber den Tisch gespannten Rahmen herab und war der ganzen L\u00e4nge nach, die ca. 45 cm betrug, sichtbar, sowie auch seine obere und untere Befestigung. Es sollten hierdurch (dem oben Gesagten gem\u00e4fs) empirische Motive zu seiner Tiefenlokalisation gegeben werden. Da aber die Befestigungen doch nur bei grofsen Blickexkursionen gen\u00fcgend deutlich gesehen wurden, brachte ich am Faden selbst, etwa 2 V2 cm ober- und unterhalb Augenh\u00f6he, je ein zirka erbsen-grofses (rotes) Wachsk\u00fcgelchen an, nach dem Muster von Helmholtz, der (zu anderen Zwecken) die Schn\u00fcre mit Perlen armiert hat.\nDie B\u00fcgel der Seitenf\u00e4den waren durch sehr nahe davor aufgestellte schwarze Schirme verdeckt, die einen 2 cm breiten Querschlitz in Augenh\u00f6he hatten, welcher von den F\u00e4den ein nur wenig l\u00e4ngeres St\u00fcck, ohne Merkpunkte, freigab. Diese Anordnung diente, wie ersichtlich, dazu, f\u00fcr die Lokalisation der Seitenf\u00e4den keine empirischen Motive wirksam werden zu lassen. \u2014 Die Lote waren d\u00fcnne weifse Zwirnf\u00e4den; nur zu den Versuchen bei grofser Entfernung wurden dickere (ca. '% mm) genommen; als Hintergrund diente ein schwarzer Schirm.\nEs wurden im ganzen drei Versuchsreihen ausgef\u00fchrt, f\u00fcr drei verschiedene Tiefenabst\u00e4nde des Mittelfadens : 250, 500 und 1000 mm. Diese Abst\u00e4nde wurden vom Mittelpunkt der Basallinie aus gemessen, dessen konstante Lage durch die Fixation des Kopfes mit dem Zahnbrettchen gesichert war. Innerhalb jeder Versuchsreihe wurden nun vier verschiedene Querabst\u00e4nde der Seitenf\u00e4den gew\u00e4hlt, d. h. Entfernungen der seitlichen F\u00e4den vom mittleren bei objektiv frontaler Stellung aller drei. Diese Querabst\u00e4nde, und zwar Winkel von 3, 6, 10 und 21\u00b0, sind in","page":433},{"file":"p0434.txt","language":"de","ocr_de":"434\nPaul von Liebermann.\nder Tabelle 1 durch ihre \u201eGesichtswinkel f\u00fcrs Zyklopenauge\u201c angegeben, d. h. durch die Winkel : Mittelfaden\u2014Mittelpunkt der Basallinie\u2014Seitenfaden. F\u00fcr jeden Querabstand wurden mindestens zwei Einstellungsreihen, in der Regel von 20 Einstellungen hintereinander, ausgef\u00fchrt. Nach jeder Einstellung notierte ich die Abweichungen der Seitenf\u00e4den von der objektiv Frontalen (der Nullebene); Ann\u00e4herungen zum Beobachter erhielten negatives Vorzeichen. Aus den 20 Einstellungen wurde das Mittel genommen, aus diesen Reihenmitteln wieder das Mittel; dieses ist in der Tabelle 1 als durchschnittliche Einstellung angef\u00fchrt. Ferner wurden die mittleren Abweichungen der einzelnen Reihen und das Mittel aus diesen berechnet.\nTabelle 1.\n| B\tTiefen- ES\tabstand\t3\u00bb\t\t\t\t\t6\u00b0\t\t\t\t\n\tDurch- schnitt!. Ein- stellung mm\t\tMittel der mittleren Abweichungen mm\t\tZahl der Einstellungen\tDureh- schnittl. Ein- stellung mm\t\tMittel der mittleren . Abweichungen mm\t\tZahl der* Einstellungen\n250\t-0,4\t-0,5\t0,09\t0,07\t60\t-2,0\t-1,8\t0,09\t0,16\t40\n500\t-0,9\t+ 0,6\t0,20\t0,17\t60\t-3,1\t-1,2\t0,26\t0,20\t40\n1000\t-0,6\t0,0\t0,5\t0,5\t40\t-4,6\t-5,0\t0,6\t0,8\t40\n\u2022 '\u00d6 \u00d6 \u00d6 \u00ae o3 \u00a9 0Q\t\t10\u00b0\t\t\t21\u00b0\t\n\tDurch- schnittl.\tMittel der mittleren\tZahl\tDurch- schnittl.\tMittel der mittleren\tZahl\nC\u201dl cs\tEin-\tAb-\tder Ein-\tEin-\tAb-\tder Ein-\n\tStellung\tweichungen\tStellungen\tStellung\tweichungen\tStellungen\nmm\tmm\tmm\t\tmm\tmm\t\n250\n500\n1000\n4,4\n6,0\n11.1\n- 3,8\t0,21\t0,15\t40\tI -18,0\t-20,6\t0,91\n- 3,2\t0,24\t0,36\t49\t- 22,6\t- 25,6\t1,2\n-10,0\t0,9\t0,9\t40\t+ 40 1\t-56\t4,6\n1,31\n1,8\n5,3\n60\n40\n80\nL\u00e4nge der Basallinie \u2014 66 mm.\nUm aus diesem Beobachtungsmaterial zu einer Beantwortung der uns besch\u00e4ftigenden Frage zu gelangen, m\u00fcssen wir die Winkel berechnen, um die die seitlichen F\u00e4den einerseits f\u00fcr das rechte, andererseits f\u00fcr das linke Auge vom Mittelfaden abstehen, also, wenn wir mit Fr und F, die beiden F\u00e4den, mit","page":434},{"file":"p0435.txt","language":"de","ocr_de":"Beitrag zur Lehre von der binokularen Tiefenlokalisation.\n435\nAr und Ai die beiden Augen, mit M den Mittelfaden bezeichnen, die Winkel FrArM, FrAtM usw. Wenn, wie nach den vorliegenden \u00e4lteren Beobachtungen schon zu erwarten (auch meine Ergebnisse best\u00e4tigen es) im allgemeinen F Ar M und F AiM verschieden sind, so wird es die Gr\u00f6fse dieser Differenz, die binokulare Parallaxe des in der Frontalebene gesehenen Fadens sein, was uns vorzugsweise interessiert; und zwar wird es darauf ankommen, ob sie bei verschiedenen Entfernungen des Fixationspunktes ihre Werte \u00e4ndert oder nicht. Ich habe diese Werte aus Tabelle 1 berechnet und in der nachstehenden Tabelle 2 zusammengestellt. In ihr sind die eben erw\u00e4hnten Winkelwerte in einer aus den \u00dcberschriften ohne weiteres verst\u00e4ndlichen Weise zusammen aufgef\u00fchrt.\nDie Versuche lassen unzweideutig erkennen, dafs die binokularen Parallaxen der in der Frontalebene erscheinenden Objekte nicht konstant sind, sondern mit zunehmender Entfernung des Fixationspunktes sich vermindern. Es finden sich zwar einige Abweichungen hiervon, aber nur bei den geringsten Exzentrizit\u00e4ten, wo die Parallaxen \u00fcberhaupt noch sehr gering sind und die zuf\u00e4lligen Fehler der Ermittlung ihren Werten gegen\u00fcber schon sehr ins Gewicht fallen.\nMit einem bestimmten Punkte der linken Netzhaut geh\u00f6rt also nicht immer der gleiche rechts\u00e4ugige zu einem abathischen Paare zusammen, sondern ein um so weiter temporalw\u00e4rts gelegener, je gr\u00f6fser die Entfernung des Fixationspunktes ist.1\nDer aus dieser Tatsache zu ziehende Schlufs wird zun\u00e4chst der sein, dafs die Tiefeneindr\u00fccke nicht aus den den einzelnen Netzhautpunkten fest zukommenden Tiefenwerten abgeleitet werden k\u00f6nnen, sondern in irgend einer verwickelteren Weise zustande kommen, die eine Abh\u00e4ngigkeit davon gestattet, in\n1 Die Versuche sind insofern mit einer kleinen, nicht wohl zu vermeidenden Ungenauigkeit behaftet, als durch die sagittalen Verschiebungen, in denen die Einstellung besteht, sich die Exzentrizit\u00e4t f\u00fcr beide Augen etwas \u00e4ndert. Es h\u00e4tte w\u00fcnschenswert erscheinen k\u00f6nnen, etwa die Exzentrizit\u00e4ten von 3, 6, 10 und 21 Grad f\u00fcr ein Auge genau fixiert zu halten und nun diejenigen Punkte des anderen Auges aufzusuchen, die mit jenen ein abathisches Paar bilden. Indessen h\u00e4tte die Erf\u00fcllung dieser Forderung technisch grofse Schwierigkeiten gemacht. Auch sind jene Ver\u00e4nderungen so geringf\u00fcgig, dafs wir unbedenklich die hier gefundenen binokularen Parallaxen als die den Exzentrizit\u00e4ten von 3, 6, 10 und 21 Grad entsprechenden in Anspruch nehmen d\u00fcrfen.\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 44.\n28","page":435},{"file":"p0436.txt","language":"de","ocr_de":"Tabelle\n436\nPaul von Liebermann.\n\no\nH\nCM\no\nO\no\nCD\no\nCO\nu\n\u00ae fl\n\u25a0t3 \u00a9\n\u2022S-s\n\u00a9 r03\nQ) fl\nmS\n.S*\n1-5^\nU\n\u00a9 \u00d6\nd \u00a9 rG rg\n\u00a9\nPG\nc3\ns fl\n^ G \u00f6d\n\u2022 rH C3\nH fr\nfH\n\u00a9 G\n-+-* \u00f6d pG rrt\n\u00aer^\nS G G ^\n\u2022 \u00bb-h C3\nfr fr\nfH\n\u00a9 G\n'S \u00a9\nrG\n\u00a9 c3\n\u00a9 rv,\nPh^\n\u00a9 G\nP4 \u00ae\nG ^ .0 es\nfr PR\na\na\nCM\nP\u00d6\nG\nc3\nHH\u00bb\nce\npO\no3\nG\n\u00a9\n<*H\n\u00a9\n\u2022fH\nH\n^ \u25a0N.\tr\u00bb\t*% dH d*< O kO CO dH 05 Cd (M dH kO O\tO\tO rH CM rH (M (M\t\t5\t*5\t^ CO O t> \u00bbO CM CM kb OO CM CO rH r\u00ff \u00a9 \u00a9 \u00a9 rH (M O CM (M\t\ti\t\u00ef\ti CD rH kO CO rH CO CD D- \u00d6 kO -H CM \u00a9 \u00a9 \u00a9 rH CM O CM CM\n^\t5*\t^\t\t-5\t>\t-5\t\tX*\t^\t^\nCM CM O\t\t00 rH D*\t\tkO rH dH\ndH CM CM\t\trH CO rH\t\tCM CM\nH\u00bb\t-X\t\u2018X\t\t\"\u25a0\tx\tx*\t\tT\u00bb\t^\nCM CO 05\t\tH [r T\u00ff\t\too \u00bbo co\ndH CO\t\trH CM dH\t\tkO C0 CM\no o o\t\t\u00a9 \u00a9 \u00a9\t\tO\tO\tO\n(M rH rH\t\tCM H O\t\t\u25bcH \u2014fr CD\nCM CM\t\tCM CM\t\tCM CM\n5\t\u00ee\t5\t\t^\t55\t>5\t\ta\u00bb\nrH O 05\t\tCM 05 r-\t\trH -H CO\nO Tic ^c\t\tkO kO\t\tkO co M\n^\t\t\"X\tX\tX\u00bb\t\t\nO d CO\t\tCD CD O\t\tCM O dH\nlO\tt-H\t\tkO\trH\t\t\no o o\t\t\u00a9 \u00a9 \u00a9\t\tO\tO\tO\n05 o O\t\t05 O O\t\to o o\nrH\t\tT\u20141\t\trH rH\n^ ^\t\t5\t5\t?\t\tX\tX\t\"X\nCM iO IC\u2014\t\tC\u2014 rH CD\t\t[> C\u2014 O\nT\u2014( dH\t\tCO CO\t\tC0 Cto\n\"X\t\u2014\tX\t\tx\t'N\u00bb\t\t\nO CO rH\t\t05 O 00\t\toc co dP\nkO rH\t\t\t\t\nO O o\t\t\u00a9 \u00a9 \u00a9\t\tO\tO\tO\nO 05 o\tG\to o o\tG\to o o\nrH\tM a\trH rH\ta\t\u25bcH -rH\n\u00ab\t5\t\u00ab\t1\t\u00ef\t\u00ef\t^\ti\tX\tX\tX\n^ CO 35\t\tCM CO rH\trH\tCM dH CM\nCM rH\til\tkO \u00bbO\t\tCM dH CM\n\u2022x\th\u00bb\til\t^1 ~ -\t\tX\tx\tX\nkO CO CO\t\tc- o co\t1!\tCD rH i-H\nO lO\tT5\tkO\t\t\no o o\tG\t\u00a9 \u00a9 \u00a9\trG\tO\to\tO\n\\0 iO O\tcS\tO CD O\tG\tCO CD O\n\tCB\t\tHJ\t\n\tJD\t\tCE\t\n\to3\t\tpQ\t\n\tG\t\tc3\t\nx\t5\t^\t\u00a9\t\u00ee\t=\t5\tG\t\u00ab\t^\tt;\n35 H CO\t\u00abW\tdH CO rH\t\u00a9\tOO rH C\u2014\nrH dH CO\t\u00a9\tCM rH rH\t<4H\tCO H CM\n\u0153 O N\t\u2022 rH B\trH 05 <M\t\u00a9 \u2022 rH\tH O H\niO iO\t\tkO\tH\t\no o o\t\tO\tO\tO\t\tO\t\u00a9\tO\n*o >o o\t\tCD kO o\t\tCD CD O\n^ ^ Xi\tX\tx.\t\t5\ti\t\u00ef\t\t5\t5\t=5\nC\u2014 D\u2014 O\t\tCD CM CD\t\too o c\u2014\nCO dH \u00bb\u00bbH\t\tkO dH\t\tCM\tCO\nH\u00bb\t-X O CO H\t\tOO 05 H\t\t05 \u00d6 \u00d6\nkO iO\t\tkO kO\t\tkO\no \u00a9 o\t\t\u00a9\t\u00a9 o\t\tO\tO\tO\nCM CM O\t\tCM CM O\t\tCM CO O\nx\t-5\t'\u00ee\t\t\t\t5\t\u00ef\t\u00ef\nOC (M CD\t\tdH OO CO\t\tD- 05\t00\n-H CM kQ\t\tdtC rH CM\t\tC0 CM\ncb o o\t\t*\"\u00bb\tH, 05\t05 O\t\tO 05 \u00d6\nlO iO\t\tkO kO\t\tkO\nO\tO\tO\t\t\u00a9 \u00a9 \u00a9\t\tO\tO\tO\nCM CM O\t\t(M CM O\t\tCO CM O\n\u00a9\t\t\u00a9\t\t\u00a9\n\u00a9 b\u00df\t\t\u00a9 b\u00df\t\t\u00a9 b\u00df\nb\u00df O\t\tb\u00df G\t\tb\u00df o\ng <1\t\tG <H\t\tG <H\n< \u25a0 \u00a9\t\t\t\tH 1\t\u00a9\nCE\tM\t\tco V\u00c0\t\tCD\tVa\nce \u00a9 c3\t\tQQ \u00a9 C3\t\tCE \u00a9 C3\n\u00a9 +\u00e2 2\t\t\u00a9 HJ \u2022\u2014*\t\t\u00a9 HH <\u2014*\npi^l pG o3\t\tM pG \u00dc\t\tM pG 'S\nG \u00b0 fH\t\tG G u\t\tG\tG\tfH\n\u2022 h \u00a9 c3\t\t\u2022 h \u00a9\t03\t\t.G \u00a9 c3\nfr Ph PM\t\t1-5 \u00ab Ph\t\tH fi P","page":436},{"file":"p0437.txt","language":"de","ocr_de":"Beitrag zur -Lehre von der binokularen Tiefenlokahsation.\n437\nwelcher Entfernung der Fixationspunkt selbst liegt und gesehen\nUm f\u00fcr die gefundene Tatsache ein Verst\u00e4ndnis zu gewinnen, d\u00fcrfen wir sie unter dem Gesichtspunkte der Zweckm\u00e4\u00dfigkeit betrachten, d. h. also mit den Bedingungen einer ganz tauschungs-freien, objektiv richtigen Tiefenlokalisation vergleichen. Um dies zu tun, m\u00fcssen wir zun\u00e4chst beachten, dafs die Orte mit den binokularen Parallaxen gleich Null im M\u00dcLLEBSchen Kreise liegen F\u00fcr sehr entfernte Gegenst\u00e4nde f\u00e4llt die frontale Ebene mi diesen auch sehr ann\u00e4hernd zusammen, w\u00e4hrend sie sich bei geringeren Abst\u00e4nden mehr und mehr von ihm entfernt. Die tats\u00e4chlich in der Frontalebene gelegenen Gegenst\u00e4nde haben also mit abnehmender Entfernung zunehmende Parallaxen. Hieraus ist ersichtlich, dafs eine frontale (abathische) Lokalisation, um durchweg richtig zu sein, in der Tat eine Abh\u00e4ngigkeit von der Entfernung in dem Sinne aufweisen mufste, wie sie sich m mein Versuchen herausgestellt hat. Oder, wie man die gleichen Sachverhalte auch ausdr\u00fccken kann, die von mir gefundene h\u00e4ngigkeit ist von dem Sinne, dafs sie die Fehler, die bei v\u00f6lliger Konstanz der abathischen Punktpaare auftreten wurden zu vermindern geeignet ist. Im \u00fcbrigen lehrt ein Blick auf die Tabelle I, dafs bei mir wohl eine Verminderung nicht aber \u00dfue vol jge Aufhebung jener Fehler erreicht ist. Denn die Seitenfaden werden durchweg zu nahe eingestellt, bilden also mit c ein i e faden eine gegen den Beobachter hin konkave Fl\u00e4che und zwar eine um so st\u00e4rker gekr\u00fcmmte, je geringer der Abstand vom Beobachter ist Nehmen wir an, was als wahrscheinlich gelten darf, dafs bei noch gr\u00f6fserem Abstande der Fehler ganz verschwinden, die F\u00e4den um in einer frontalen Ebene gesehen zu werden, auci tats\u00e4chlich in einer solchen liegen m\u00fcssen, so^ kann man sagen dafs mit abnehmender Entfernung die f\u00fcr jenen Seheindruck erforderlichen Parallaxen zwar zunehmen, aber nicht ganz so stark wie es f\u00fcr eine durchweg objektiv richtige Tiefenlokahsation\nerforderlich w\u00e4re.\t.\ti\nFerner mag hier noch bemerkt werden, dafs meine Versuc\n\u00fcber die Verh\u00e4ltnisse der Breitenwerte im HEEixGschen Sinne\nkeine direkte Auskunft geben. Bei der abathischen Ems eBung\nerscheinen die Seitenf\u00e4den nicht in Doppelbildern; aber sie tun\ndies auch bei betr\u00e4chtlich abweichenden Emsteilungen nicht.\nDie Wahrnehmung der Tiefe ist eben, wie bekannt, au seror en","page":437},{"file":"p0438.txt","language":"de","ocr_de":"438\nPaul von Liebermann.\nlieh viel genauer als die Wahrnehmung von Doppelbildern. Nach allem, was wir w\u00fcssen, sind nun die Breitenwerte und (was ja damit zusammenh\u00e4ngt) die Korrespondenzbeziehungen der beiden Augen doch relativ fixiert. Die Verh\u00e4ltnisse derTiefenwahrnehmung dagegen verwickelt und variabel. Gehen wir hiervon aus, so erscheint es zul\u00e4ssig, die ermittelte Tatsache in einerWeise aufzufassen, bei der sie an Interesse und an Durchsichtigkeit gewinnt. Wir k\u00f6nnen dann n\u00e4mlich annehmen, dafs die Beziehung rechts- und links\u00e4ugiger Netzhautpunkte gleiche Breiten werte zu besitzen (und insofern auch der physiologische L\u00e4ngshoropter) unver\u00e4nderlich ist, insbesondere eine Abh\u00e4ngigkeit von der Entfernung nicht aufweist. Und wir k\u00f6nnen dann weiter sagen, dafs nicht durchweg solche Punkte, die f\u00fcr rechtes und linkes Auge gleiche Breitenwerte besitzen (also im physiologischen Horopter liegen), in einer durch den Fixationspunkt gelegten Frontalebene gesehen werden, vielmehr dieser Tiefeneindruck an eine mit abnehmender Entfernung wachsende \u201eQuerdisparation\u201c gekn\u00fcpft ist. Und wir d\u00fcrfen schliefslich hinzuf\u00fcgen, dafs diese verwickelte Gestaltung der Bedingungen binokularer Tiefenwahrnehmungen wenigstens dem Sinne nach (wenn auch nicht quantitativ genau) den beim binokularen Sehen wirklicher \u00e4ufserer Gegenst\u00e4nde bestehenden Verh\u00e4ltnissen entspricht.\nBei der Berechnung ist davon abgesehen wrorden, dafs die Spitze der berechneten Gesichtswinkel streng genommen nicht\nin den Drehpunkt des Auges zu verlegen w\u00e4re. Eine leichte\n* \u2022\n\u00dcberlegung lehrt indessen, dafs das Hauptergebnis der Versuche, die Abnahme der binokularen Parallaxen mit zunehmendem Tiefenabstand, nur noch st\u00e4rker hervortreten wrnrde, wenn man den Scheitel der fraglichen Winkel etwa in den Knotenpunkt oder in den Kreuzungspunkt der Visierlinien verlegte.1 Letztere Berechnungsweise liegt der folgenden kleinen Tabelle zugrunde,\n1 Man sieht dies am einfachsten, wenn man bedenkt, dafs f\u00fcr sehr entfernte Punkte der Unterschied der Berechnungsw'eisen unmerklich werden mufs. F\u00fcr nahe Punkte dagegen mufs ein Kreis, der durch den Fixationspunkt und die Drehpunkte gelegt ist, jedenfalls denjenigen einschliefsen, der durch den Fixationspunkt und zw\u2019ei weiter nach vorn gelegene Punkte (Knotenpunkte oder Kreuzungspunkte der Visierlinien) gelegt wird. Punkte also, die bei der von mir angewandten Berechnungsweise die Parallaxe Null haben, w\u00fcrden bei der Beziehung der Parallaxen auf jene anderen Punkte bereits positive Parallaxen besitzen. Wir w\u00fcrden demgem\u00e4fs f\u00fcr die nahen Punkte noch h\u00f6here Werte der positiven Parallaxen erhalten.","page":438},{"file":"p0439.txt","language":"de","ocr_de":"Beitrag zur Lehre von der binokularen Tiefenlokalisation.\n439\nderen Vergleich mit Tabelle 2 das eben Gesagte best\u00e4tigt. Es wurde angenommen, dafs der Kreuzungspunkt der Visierlinien 10,5 mm vor dem Drehpunkte in der Richtung der Hauptvisierlinie liege, was f\u00fcr meine ann\u00e4hernd emmetrophischen Augen mit gen\u00fcgender Genauigkeit zutreffen d\u00fcrfte.\nQuerabstand = 6 \u00b0. Tiefenabstand \u2014 250 mm.\n\tLinker Faden\tRechter Faden\nLinkes Auge\t6\u00b0 14' 50\"\t6\u00b0 9' 33\"\nRechtes Auge\t6o 10' 13\"\t6\u00b0 14' 54\"\nParallaxe\t0\u00b0 4' 37\"\t0\u00b0 5' 21\"\nTiefenabstand \u2014 500 mm.\n\tLinker Faden\tRechter Faden\nLinkes Auge\t6\u00b0 9' 12\"\t0o 4' 36\"\nRechtes Auge\t6\u00b0 6' 53\"\t6\u00b0 8' 39\"\nParallaxe\t0\u00b0 2' 19\"\t0\u00b0 4' 3\"\nTiefenabstand = 1000 mm.\n\tLinker Faden\tRechter Faden\nLinkes Auge\t6\u00b0 5' 49\"\t6\u00b0 4' 30\"\nRechtes Auge\t6o 4' 19\"\t6\u00b0 5' 55\"\nParallaxe\t0\u00b0 r 30\"\t0\u00b0 V 25\"\nWie schon eingangs erw\u00e4hnt, ist F. Hillebrand in einer experimentellen Untersuchung1 zu entgegengesetztem Ergebnis gelangt. Wo ist der Grund hierf\u00fcr zu suchen?\nVor allem mufs ja mit der M\u00f6glichkeit individueller Unterschiede gerechnet werden. Immerhin erscheint eine solche Annahme bei einer anscheinend doch fundamentalen Eigenschaft unserer Sehorgane wenig ansprechend. Insbesondere w\u00e4re es\n1 Zeitschr. f. Psych. 5, S. 1.","page":439},{"file":"p0440.txt","language":"de","ocr_de":"440\nPaul von Liebermann.\nnicht recht ersichtlich, wie es kommen sollte, dafs bei dem einen ein so streng gesetzm\u00e4fsiges Verhalten, wie die Stabilit\u00e4t der Zuordnung, best\u00fcnde, w\u00e4hrend dies beim anderen nicht der Fall w\u00e4re. Eher d\u00fcrfen wir wohl daran denken, dafs der Unterschied in den tats\u00e4chlich verschiedenen Versuchshedingungen begr\u00fcndet sei. Hillebrand hat nur in einer Reihe von Versuchen eine der hier beschriebenen \u00e4hnliche Versuchsanordnung angewandt.\nEr zeigt, dafs das Ergebnis, betreffend die Form der aba-thischen Fl\u00e4che in verschiedenen Tiefenabst\u00e4nden, mit der Annahme einer stabilen Zuordnung vereinbar ist, bemerkt aber selbst, dafs es diese Annahme nicht beweise, da die Versuche nicht quantitativ gemacht waren (es wurde nur festgestellt, wann die Fl\u00e4che konkav, wann eben und wann konvex war). In seinen weiteren Versuchen hat Hillebrand (aus Gr\u00fcnden, auf die hier nicht eingegangen zu werden braucht) die einzelnen Motive der Tiefenlokalisation des Fixationspunktes isoliert. Bei der einen Anordnung schaltete er den Wechsel von Konvergenz und Akkommodation aus und variierte die scheinbare Entfernung des fixierten Fadens nur durch Variation des Hintergrundes. In einem Teil seiner Versuche mit dem Spiegelhaploskop hingegen variierte er die Konvergenz (und Akkommodation), und schaltete die empirischen Motive aus. Das Prinzip aller dieser Versuche bestand darin, die Lokalisationsmotive bei un verr\u00fcckten Netzhautbildern zu variieren, und zuzusehen, ob eine subjektiv frontale Einstellung von drei F\u00e4den1 bei Ver\u00e4nderung dieser Motive g\u00fcltig bleibt. Die Versuche haben diese Frage stets mit Ja beantwortet, wodurch sich also die Zuordnung vom Wechsel der Lokalisationsmotive unabh\u00e4ngig erwies.\nOffenbar sind nun diese Versuche mit den hier beschriebenen nicht ohne weiteres zu vergleichen, denn es handelt sich bei einer solchen Isolation der Motive um unnat\u00fcrliche Bedingungen.2\n1\tGenauer: der Wahrnehmungen, die den Bilderpaaren entsprachen, welche auf korrespondierenden L\u00e4ngsschnitten erzeugt wurden ; denn es handelt sich um haploskopische Versuche.\n2\tDafs Hillebrands Versuchsanordnung mit dieser Bemerkung nicht etwa kritisiert werden soll, braucht wohl nicht besonders betont zu werden. Es w\u00e4re \u00fcberhaupt sinnlos, vom Werte der einen oder anderen Anordnung zu reden; sie antworten eben auf verschiedene Fragen.\nWesentlich das gleiche \u00fcber einen m\u00f6glichen Einflufs der Isolation hat, in anderer Form, schon Arrer bemerkt.","page":440},{"file":"p0441.txt","language":"de","ocr_de":"Beitrag zur Lehre von der binokularen Tiefenlokalisation.\n441\nGanz besonders tritt dies bei einer Anordnung hervor, die Hille-brand ebenfalls im Verlaufe seiner spiegelhaploskopischen Versuche angewendet hat: er unterdr\u00fcckte den Lokalisations-\n\u2022\u2022\nWechsel des Fixationspunktes, den die \u00c4nderung der Konvergenz\n(s. oben) mit sich gebracht h\u00e4tte, durch empirische Motive von\n\u00fcberwiegender Zwangskraft. Also ein Widerstreit der Motive !\nAuch wo dem Einflufs der Konvergenz freier Lauf gelassen wurde,\n\u2022 \u2022\t\u2022 \u2022\nblieb die \u00c4nderung der Lokalisation hinter der \u00c4nderung der Konvergenz zur\u00fcck, wobei vielleicht folgender Umstand mitspielte: der Beobachter sah, wie in meinen Versuchen, drei Vertikale. Bei zunehmender Konvergenz r\u00fcckten sie n\u00e4her, ohne Verschiebung der Netzhautbilder. Dies mag vielleicht auch hier einen Widerstreit der Motive erzeugt haben, da beim (sagittalen) N\u00e4herr\u00fccken eines reellen Systems von drei F\u00e4den die Gesichtswinkel der Querabst\u00e4nde zugenommen h\u00e4tten.\nDemgegen\u00fcber waren in den hier beschriebenen Versuchen die verschiedenen Lokalisationsmotive stets gleichzeitig wirksam und entsprachen den nat\u00fcrlichen Verh\u00e4ltnissen der Tiefenwahrnehmung. Denn die scheinbare Entfernung des Mittelfadens\n\u2022 \u2022\nwurde einfach durch Andern der wahren ge\u00e4ndert ; dabei \u00e4nderten sich also Konvergenz - und Akkommodationsgrad (Akkommodationsbreite etwa 9 D) und empirische Motive zugleich; letztere waren dadurch gegeben, dafs die ganze Umgebung des mittleren Fadens sichtbar war; insbesondere waren ja auch Objekte bekannter Gr\u00f6fse am Faden selbst angebracht (die erw\u00e4hnten Wachsk\u00fcgelchen). Diese Unterschiede der Bedingungen k\u00f6nnten den Gegensatz der Ergebnisse wohl verst\u00e4ndlich machen.\nFreilich bleibt zu bedenken, ob dem Konvergenz - und Akkommodationsgrade \u00fcberhaupt ein so wesentlicher Einflufs auf die Tiefenlokalisation zugeschrieben werden darf. Dagegen mag bei meinen Versuchen noch ein besonderes \u2014 \u201einneres\u201c \u2014 Lokalisationsmotiv mitgespielt haben, n\u00e4mlich die Kenntnis der Entfernung des Fixationspunktes. Unsere Wahrnehmungen sind von den Vorstellungen nicht unabh\u00e4ngig (wir sind suggerierbar), und h\u00e4ufig kommt es zu einer Art Verschmelzung (Konkretion) der Vorstellung mit der Sinneswahrnehmung, wodurch die letztere modifiziert wird. \u2014 Dieses Motiv mufs in Hillebrads Versuchen gefehlt haben, da ja bei haploskopischem Verfahren \u00fcberhaupt kein reeller Fixationspunkt da ist, dessen Entfernung bekannt sein k\u00f6nnte.","page":441},{"file":"p0442.txt","language":"de","ocr_de":"442\nPaul von Liebermann.\nIch habe versucht, aus Hillebrands quantitativen Versuchen mit dem Spiegelhaploskop einen Anhaltspunkt daf\u00fcr zu gewinnen, ob sich f\u00fcr seine Augen auch unter anderen Versuchsbedingungen stabile Zuordnung ergeben w\u00fcrde. Das Ergebnis ist nicht eindeutig, scheint mir aber doch einiges Interesse zu bieten. Auf S. 60 der erw\u00e4hnten Abhandlung findet sich eine Tabelle, worin die Gesichtswinkel der Abst\u00e4nde Mittelfaden-Seitenfaden bei abathischer Einstellung, also die oben in Tabelle 2 zusammengestellten Winkel, f\u00fcr verschiedene durch den Apparat geschaffene Konvergenzbedingungen (N\u00e4heres siehe im Original) angef\u00fchrt sind. Wir d\u00fcrfen wohl annehmen, dafs das Kriterium f\u00fcr stabile Zuordnung auch hier in der Konstanz der Parallaxen bei wechselnden Bedingungen zu finden sei, was ja die Grundlage f\u00fcr die in meinen Versuchen angewandte Berechnung bildet (wo die wechselnden Bedingungen durch den wechselnden Abstand des Fixationspunktes gegeben sind). Ich habe nun aus Hillebrands Versuchen die ausgesucht, wo nahe benachbarte L\u00e4ngsschnitte in Betracht kommen, was nat\u00fcrlich wesentlich ist; wie oben habe ich von den nasalen Winkeln die temporalen subtrahiert; die Parallaxen sind folgende:\nNummer des Versuches\tParallaxen\t\n\tdem linken Faden in meinen Versuchen entsprechend\tdem rechten Faden in meinen Versuchen entsprechend\nII\t2' 50\"\t6' 23\"\nIII\t2\u2018 12\"\t6' 36\"\nIV\t2\u2018 15\"\t7' 11\"\nV\t3/ 2\"\t5' 41\"\nVI\t2' 22\"\t3' 47\"\nDie eine Reihe scheint f\u00fcr, die andere gegen Stabilit\u00e4t zu sprechen, so dafs sich die aufgeworfene Frage vorderhand nicht beantworten l\u00e4fst.\nZum Schl\u00fcsse sei es gestattet, einige Nebenergebnisse bez\u00fcglich der Form der abathischen Fl\u00e4che, durchweg Best\u00e4tigungen von schon gefundenen, anzuf\u00fchren. Zun\u00e4chst ergibt sich aus der Tabelle 2, und zwar daraus, dafs s\u00e4mtliche Parallaxenwerte positives Vorzeichen haben, das f\u00fcr die meisten Beobachter","page":442},{"file":"p0443.txt","language":"de","ocr_de":"Beitrag zur Lehre von der binokularen Tiefenlokalisation.\n443\ngeltende Verhalten, dafs die nasalen Exzentrizit\u00e4ten stets gr\u00f6fser als die temporalen sind, dafs also einer Reihe von L\u00e4ngsschnitten, die auf der nasalen Seite der einen Netzhaut liegen, eine dichtere Reihe von abathischen L\u00e4ngsschnitten auf der temporalen H\u00e4lfte der anderen entspricht.\nAus diesem Verhalten der Exzentrizit\u00e4ten folgt, dafs die Kr\u00fcmmung der abathischen Fl\u00e4che kleiner ist als die des M\u00fcller-schen Horopterkreises. (Wird die Winkelberechnung im oben erw\u00e4hnten Sinne ge\u00e4ndert, so wird diese Abweichung gr\u00f6fser.) Die Kr\u00fcmmung ist \u00fcbrigens, von einigen Unregelm\u00e4fsigkeiten abgesehen, f\u00fcr den Tiefenabstand 25 cm gr\u00f6fser, f\u00fcr die Abst\u00e4nde 50 und 100 cm kleiner, als die eines Kreises, der um den Mittelpunkt der Basallinie mit dem jeweiligen Tiefenabstand des fixierten Fadens als Halbmesser beschrieben wird, in \u00dcbereinstimmung mit dem, was Tschermak und Kiribuchi gefunden haben (a. a. 0.). Die Kr\u00fcmmung kann asymmetrisch sein, d. h. die rechte H\u00e4lfte anders gekr\u00fcmmt sein als die linke, was nat\u00fcrlich auf einem Unterschied der beiden Augen beruht. Dies hat schon Hillebrand f\u00fcr seine Augen gefunden (a. a. O. S. 56ff.); ein \u00e4hnliches Verhalten besteht, wie die Tabellen lehren, auch f\u00fcr meine Augen, die \u00fcbrigens einen geringen Unterschied der Refraktion aufweisen: links etwa 1/2, rechts etwa 3/4 D manifeste Hyperm\u00e9tropie.","page":443}],"identifier":"lit33567","issued":"1910","language":"de","pages":"428-443","startpages":"428","title":"Beitrag zur Lehre von der binokularen Tiefenlokalisation","type":"Journal Article","volume":"44"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:27:21.620132+00:00"}

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