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{"created":"2022-01-31T14:57:15.464404+00:00","id":"lit33571","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"Ovio, Giuseppe","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 45: 27-36","fulltext":[{"file":"p0027.txt","language":"de","ocr_de":"27\n\u00dcber die Projektion.\nVon\nProf. Giuseppe Ovio,\nDirektor der k\u00f6nigl. Augenklinik zu Modena.\n(Mit einer Figur im Text.)\nIm Artikel \u201eSehen\u201c in Wagners Handw\u00f6rterbuch \u00fcber die Bilderprojektion, dr\u00fcckt sich Volkmann so aus: \u201eDie Lehre von der Richtung des Sehens bietet noch immer das Schauspiel grofser Verwirrung.\u201c1 In der Tat sollte sich nach Le-Cat, Valentin und anderen die Projektion nach der Richtung der Einfallsstrahlen selbst vollziehen ; nach Porterfield , Bertels und sogar Giraud-Teulon l\u00e4ngs einer Linie, die vom getroffenen Punkte der Netzhaut durch das Zentrum des Auges geht. Nach anderen sollte es l\u00e4ngs der sich kreuzenden oder nicht kreuzenden Linien im Inneren des Auges geschehen. M\u00fcller selbst scheint sich dieser letzteren Meinung anzuschliefsen.2\nNach vielf\u00e4ltigen Studien ist nunmehr allgemein anerkannt, dafs diese Projektion l\u00e4ngs der Richtungslinie stattfindet, die vom getroffenen Punkte der Netzhaut zum Objekte geht, w\u00e4hrend sie durch den Knotenpunkt verl\u00e4uft.\nDie Beobachtungen zeigen, dafs die Bildprojektion im allgemeinen wirklich in dieser Weise stattfindet, sie zeigen aber auch, dafs dies nicht immer der Fall ist, und dafs die Projektion nicht immer richtig ist, auch wenn sie derart vor sich geht.\nDie sogenannten Erscheinungen von falscher Projektion sind allgemein bekannt. Dieselben treten immer in den F\u00e4llen von St\u00f6rung des \u00e4ufseren Bewegungsapparates des Auges auf. Diese St\u00f6rungen r\u00fchren daher, dafs sie uns v\u00f6llig unbewufst sind, und dafs wir nur nach der Nervenanstrengung urteilen,\n1\tVolkmann in Wagners Handw\u00f6rterbuch III, S. 320. 1826.\n2\tJ. M\u00fcller, Manuel de Physiologie. T. II. S. 350. Paris 1825.","page":27},{"file":"p0028.txt","language":"de","ocr_de":"28\nGiuseppe Ovio.\nwomit wir die verschiedenen Angenbewegungen vollziehen, die immer in gleichem Mafse und in beiden Augen nach den Gesetzen der Bewegungsassoziation verteilt sind.\nAlles spricht daf\u00fcr, dafs diese Projektion nicht angeboren, sondern eine Folge von Erfahrung ist, die nach und nach automatisch geworden ist. Beim gew\u00f6hnlichen Sehen vollzieht sich diese Projektion l\u00e4ngs einer Linie, die vom Retinalpunkte aus, den von uns betrachteten Objektpunkt gerade trifft. Diese Linie geht nun nach optischen Gesetzen durch den Knotenpunkt des Auges. Dies w\u00e4re somit die gew\u00f6hnliche Projektion, weil sie notwendigerweise beim gew\u00f6hnlichen Sehen vorkommt.\nWenn im Bewegungsapparate des Auges eine St\u00f6rung vorkommt, die uns unbewufst ist, vollzieht sich die Projektion auf gleiche Weise und ist folglich fehlerhaft. Unter solchen Bedingungen wird die gew\u00f6hnliche Projektion zu einer falschen Projektion; falsch deswegen, weil sie jetzt in einer geraden Linie geschieht, die vom getroffenen Retinalpunkte aus durch einen Punkt geht, wo man den Knotenpunkt vermutet, der jedoch dort nicht vorhanden ist.\nHierher geh\u00f6ren die durch L\u00e4hmung entstandenen Erscheinungen von Diplopie; die scheinbaren Bewegungen, die nach dem binokularen Fixieren eines Objektes entstehen, wenn das eine Auge bedeckt wird; die scheinbaren Bewegungen, welche ebenfalls auf treten, wenn eines der Augen durch eine prismatische Linse sieht, usw.\nHierher geh\u00f6ren auch die falschen Projektionen bei Strabismus, die Javal und Gaudenzi eingehend studiert haben.\nNach Maddox1 w\u00fcrde die Projektion, die in all diesen F\u00e4llen vorkommt, nur bis auf einen gewissen Grad falsch sein, denn auf dem Felde w\u00e4re die Projektion immer richtig, und nur die Projektion des Feldes w\u00fcrde falsch sein. Zwar entsteht diese Erscheinung nur, weil beim Beurteilen der Eindr\u00fccke, welche man l\u00e4ngs einer Linie erh\u00e4lt, die durch den Knotenpunkt (Knotenlinie) geht, uns die Gewohnheit leitet; es ist aber nicht minder wahr, dafs in diesen F\u00e4llen die Projektion wirklich l\u00e4ngs einer Linie stattfindet, die nicht die Knotenlinie ist.\nDie Projektion w\u00fcrde vermittels zweier Faktoren zustande kommen, der eine w\u00e4re ein physischer (anatomischer), der andere\n1 Maddox, Die Motilit\u00e4tsst\u00f6rungen des Auges. S. 57 u. f. Leipzig 1902.","page":28},{"file":"p0029.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Projektion.\n29\nein psychischer, \u201eun r\u00e9sultat du concours de l\u2019imagination et des nerfs \u201c sagt M\u00fcller, der eigentlich der Autor ist, welcher obenerw\u00e4hnte physische Tatsache bestimmt hat, indem er behauptet, dafs \u201ela direction, suivant la quelle on voit quelque chose, d\u00e9pend uniquement de la particule affect\u00e9e de la retine, de la distance \u00e0 laquelle cette particule se trouve du centre de la membrane, de la direction qu\u2019elle affecte par rapport \u00e0 lui, ou en d\u2019autres termes, de la place qu\u2019elle occupe dans le mosa\u00efque entier de la r\u00e9tine\u201c.1\nWenn man also die Projektion als ein Ergebnis der zwei Faktoren, des physischen und psychischen betrachtet, so kann man auch annehmen, dafs in den oben erw\u00e4hnten F\u00e4llen, die Projektion als psychische Tatsache richtig vorkommt, weil sie nach der vermuteten Richtung der Knotenlinie stattfindet; als anatomische Tatsache dagegen aber unrichtig ist; auf jeden Fall ist sie im ganzen eine falsche Projektion.\nAufser den F\u00e4llen von falscher Projektion, deren Ursache in der besonderen T\u00e4tigkeitsart des \u00e4ufseren Bewegungsapparates zu suchen ist, habe ich sehen wollen, ob etwa auch falsche Projektion durch die T\u00e4tigkeit des inneren Bewegungsapparates auf-treten k\u00f6nnte, d. h. durch Akkommodation.\nZu diesem Zwecke habe ich einige F\u00e4lle in Betracht gezogen, die von Badal 2 teilweise schon erw\u00e4hnt sind, aber nicht\n1\ta. a. O.\n2\tBadal, \u00c9tudes d\u2019optique physiol. \u2014 Archives d\u2019Ophthalm. 1881.","page":29},{"file":"p0030.txt","language":"de","ocr_de":"30\nGiuseppe Ovio.\netwa um die Projektionserscheinungen zu studieren, sondern um den Sehwinkel zu messen.\n1.\tEs sei z. B. ein Objekt, Al B' in der N\u00e4he, nun akkom* modiere man f\u00fcr dasselbe. Das Netzhautbild des Punktes Al befindet sich in a und ist ein deutliches Bild.\n2.\tMan schaue dasselbe Objekt, aber entspanne dabei die Akkommodation. Das deutliche Bild des Punktes A! bildet sich nun aufserhalb der Netzhaut; aber auf der letzten und immer auf demselben Punkte a befindet sich der Mittelpunkt des Zerstreuungsbildes, desselben Objektpunktes Al. Kurz, in beiden F\u00e4llen bekommt man f\u00fcr einen und denselben Objektpunkt einen und denselben Bildpunkt auf der Netzhaut.\nAber im ersten dieser zwei F\u00e4lle befindet sich der Knotenpunkt weiter vor, als im zweiten, so dafs man im ersten Falle den Ort des Knotenpunktes mit Je, im zweiten mit Je bezeichnen kann.\nWo findet in diesen zwei F\u00e4llen die Projektion der Bilder statt? Wir haben gesehen, dafs in beiden das Bild auf demselben Netzhautpunkt a entworfen wird. Im ersten Falle, wo das Auge akkommodiert, befinden wir uns auf dem Gebiete des gew\u00f6hnlichen Sehens. Punkt Al mufs in seiner wahren Lage erscheinen und infolgedessen bekommt man die gew\u00f6hnliche Projektion auf die gerade Linie a Al, die notwendigerweise durch Je gehen mufs und somit die gerade Knotenlinie ist.\nWie vollzieht sich nun die Projektion im zweiten Falle, wo das Auge nicht akkommodiert? Nach aie Al, oder nach aleA\"?\nA priori k\u00f6nnte man sich weder an die eine noch an die andere M\u00f6glichkeit halten. Wenn die Projektion in beiden F\u00e4llen nach all stattfinden w\u00fcrde, dann w\u00fcrde das M\u00dcLLEBsche Gesetz zurecht bestehen, nach welchem jeder Netzhautpunkt seine eigene Erregung auf einen unver\u00e4nderten Punkt des Gesichtsfeldes projizieren sollte. \u00dcbrigens befindet sich, im zweiten Falle, der Knotenpunkt in der Lage Je und wenn uns seine Lage bekannt w\u00e4re, m\u00fcfste sich die Projektion in der Richtung a Je vollziehen. Das w\u00fcrde dann in Widerspruch mit dem oben erw\u00e4hnten Gesetz stehen, weil dann die Erregung eines einzigen Netzhautpunktes sich hintereinander auf zwei verschiedene Punkte des Gesichtsfeldes projizieren w\u00fcrde.\nMan m\u00f6chte a priori zugeben, dafs die Projektion nach a 11 Al vork\u00e4me, teils weil man dadurch nicht vom erw\u00e4hnten","page":30},{"file":"p0031.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Projektion.\n31\nGesetze abweiehen d\u00fcrfte; einem Gesetze, das sich in den meisten F\u00e4llen bewahrheitet; teils weil man mutmafslich nicht das Be-wnfstsein der Lage hat, welche der Knotenpunkt in jedem Augenblick einnimmt. Beim gew\u00f6hnlichen Sehen scheint, dafs die Projektion auf der Knotenlinie stattfindet, nicht etwa weil man sich dieser Lage bewufst ist, sondern, weil sie die Linie ist, die aus optischen Gr\u00fcnden vom getroffenen Netzhautpunkt zum Objekte reicht. Das f\u00fcr Punkt A akkommodierte oder nicht akkommodierte Auge ist immer nach diesem Punkt A\u2018 gerichtet; die Aufmerksamkeit ist auch auf denselben Punkt gerichtet; in beiden F\u00e4llen entspricht dem Objektpunkte A derselbe Bildpunkt a. Es l\u00e4gen also verschiedene Gr\u00fcnde vor, welche die M\u00f6glichkeit zulassen, dafs in den zwei F\u00e4llen die Projektion l\u00e4ngs derselben geraden Linie a A entstehen k\u00f6nnte. Dessen ungeachtet gibt es, wie wir gleich sehen werden, zwingendere Gr\u00fcnde, welche zur Annahme der anderen Voraussetzung f\u00fchren.\n3. Man fixiere zwei Objekte: eins AB in der Ferne das andere AB1 in der N\u00e4he, beide auf demselben Hauptwinkel. Bei jeglicher Akkommodation findet sich das Bild des Punktes A wie jenes des Punktes A auf der Hauptlinie pa, und dieses Bild, sei es deutlich oder undeutlich, befindet sich auf der Netzhaut immer auf demselben Punkt a. Untersuchen wir nun, wie in solchen F\u00e4llen die Projektion entstehen kann.\na)\tDas Auge akkommodiere zuerst f\u00fcr das Objekt AB. In diesem Falle wird die Projektion des Bildes des Punktes A wie gew\u00f6hnlich l\u00e4ngs der Linie a Je A stattfinden. Wie geschieht nun die Projektion des Bildes des Punktes A? Alles spricht daf\u00fcr, dafs auch diese l\u00e4ngs der Knotenlinie stattfinden soll, denn hier hat man die Erregung auf demselben Netzhautpunkte und die Lage des Knotenpunktes ist durchaus nicht ver\u00e4ndert.\nSo w\u00fcrde das Bild des Punktes A nach A\u201c projiziert werden d. h. nach einem Punkt, welcher der Lage des Objektpunktes nicht entspricht.\nb)\tDas Auge akkommodiert f\u00fcr das Objekt AB'. Das Bild der Punkte A und A entwirft sich immer auf denselben Punkt a der Netzhaut. Der Knotenpunkt hat sich verlegt und hat sich von der fr\u00fcheren Lage weiter vorgeschoben (nach V).\nWo wird sich nun das Bild des Punktes A entwerfen? Es ist leicht ersichtlich, dafs es nach der gew\u00f6hnlichen Projektion auf die gerade Linie projiziert werde, welche vom Bildpunkte","page":31},{"file":"p0032.txt","language":"de","ocr_de":"32\nGiuseppe Ovio.\n(a) bis zum Objektpunkte A\u2018 reicht; d. h.: es wird auf die neue Knotenlinie ah' A! projiziert werden. Alles spricht daf\u00fcr, dafs l\u00e4ngs dieser Richtungslinie sich in diesem Falle auch das Bild des Punktes A projiziert, welches nun in \u00c4\u201c erscheinen wird.\nF\u00fcr unseren Zweck aber gen\u00fcgt es, nur einen der zwei Objektpunkte zu betrachten. Nehmen wir Punkt A\u2018. ln den zwei letzterw\u00e4hnten F\u00e4llen ist man also gezwungen, anzunehmen, dafs das Bild des Punktes A\u2018, welches immer auf demselben Punkt a der Netzhaut liegt, einmal nach der geraden Linie aA\u201c, das andere Mal nach aA\u2018 projiziert werde, also nach zwei verschiedenen Punkten des Sehfeldes. Auch in dem ersten der oben erw\u00e4hnten F\u00e4lle ist die erste Hypothese annehmbarer, wiewohl sie es a priori am wenigsten schien, d. h., dafs auch in jenem Falle das Bild a nach zwei verschiedenen Punkten des Sehfeldes hintereinander projiziert werden kann, je nachdem das Auge f\u00fcr den Objektpunkt akkommodiert ist oder nicht.\nDie Projektion w\u00fcrde auf diese Weise geschehen, weil sie keinem absoluten Gesetze folgt, sondern sich immer wie beim gew\u00f6hnlichen Sehen vollzieht. Wie gesagt, entsteht sie aus zwei Faktoren, einem anatomischen und einem psychischen. Beim gew\u00f6hnlichen Sehen findet die Projektion auf der geiaden Linie statt, welche Objekt- und Bildpunkt verbindet, auf der Linie n\u00e4mlich, die unvermeidlich das Objekt trifft, und die nach dem optischen Gesetze durch den Knotenpunkt geht (Knotenlinie oder Gesichts Unie). In den erw\u00e4hnten F\u00e4llen erfolgt sie dagegen l\u00e4ngs der Linie, welche vom Objektpunkte bis zu jenem Punkte geht, wo man das Objekt vermutet.\nDie Projektion vollzieht sich ganz richtig (n\u00e4mlich in der Richtung, wto sich das Objekt wirklich befindet), wTenn das Auge akkommodiert ist (und nicht andere Tr\u00fcbungsfaktore eintreten, wie z. B. Paralyse); sie geschieht unrichtig, wenn das Auge nicht akkommodiert ist.\nDoch wenn das Auge f\u00fcr den Objektpunkt nicht akkommodiert ist, so akkommodiert es nat\u00fcrlich f\u00fcr einen anderen Punkt und eben auf diesen Punkt scheint das Bild projiziert zu weiden. Wir sehen in der Tat, dafs, wenn das Auge f\u00fcr Punkt A akkommodiert ist, das Bild des Punktes A l\u00e4ngs a A piojizieit wird; somit entwirft sich das Bild des Objektes A B genau auf das Bild des Objektes A B. Ist das Auge f\u00fcr Punkt A' akkommodiert, so projiziert sich das Bild des Punktes A l\u00e4ngs a A, wobei","page":32},{"file":"p0033.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Projektion.\n33\ndas Bild 'des Objektes A B von dem Bilde des Objektes \u00c4 B' ganz genau bedeckt wird.\nWenn das Auge also f\u00fcr den Punkt A akkommodiert ist, scheint die Projektion des Bildes des Punktes A' in A stattzufinden; wTenn das Auge f\u00fcr \u00c4 akkommodiert ist, scheint die Projektion des Bildes des Punktes A in \u00c4 zu erfolgen. Es scheint also, dafs die Projektion l\u00e4ngs der Linie stattfindet, welche von dem Bildpunkte bis zu einem Punkte geht, f\u00fcr den das Auge akkommodiert ist.\nWahrscheinlich behaupten wir in solchen F\u00e4llen, das Objekt eben auf diesem Punkt zu sehen. Und in der Tat bestimmen wir mit dem Blick die Richtung, nicht aber die Lage, in der uns die verschiedenen Raumpunkte erscheinen. Wir projizieren alle diese Punkte auf eine Ebene. Aber in welcher Entfernung denken wir uns diese Ebene? Nat\u00fcrlich in einer solchen, bei welcher irgend eine Einzelheit deutlicher hervortritt, auf die wir unsere Aufmerksamkeit lenken k\u00f6nnen ; und das ist nur in der Entfernung m\u00f6glich, f\u00fcr welche das Auge akkommodiert ist. Man \u00fcberzeugt sich leicht, dafs ein Objekt, das sich aufserhalb des Brennpunktes befindet, in einer anderen Entfernung erscheint als in der richtigen und dafs, wenn das Auge f\u00fcr einen diesseits des Objektes gelegenen Punkt akkommodiert, dieses Objekt als n\u00e4her gelegen erscheint. Ich habe mich dessen mit dem gew\u00f6hnlichen Versuche des Ringes \u00fcberzeugt, indem ich den Ring gerade vor den Augen offen von rechts nach links hielt. Wenn ich mit nur einem Auge hinsah, richtig akkommodierte und versuchte einen Federhalter hineinzustecken, so gelang es mir neunmal unter zehn ; ohne Akkommodation dagegen verfehlte ich fast immer das Ziel und zwar bei Entspannung fehlte ich immer im Sinne einer zu grofsen Entfernung; bei \u00dcberspannung dagegen fehlte ich immer im Sinne einer zu geringen Entfernung.\nMan erh\u00e4lt also eine falsche Projektion auch durch die Akkommodationst\u00e4tigkeit. So wie sie in den F\u00e4llen vorkommt, in welchen sie durch die T\u00e4tigkeit des \u00e4ufseren Apparates erzeugt wird, entsteht diese falsche Projektion dadurch, dafs sie sich in jedem Falle wie unter den gew\u00f6hnlichen Verh\u00e4ltnissen des Sehens vollzieht.\nWir akkommodieren gew\u00f6hnlich das Auge f\u00fcr das fixierte Objekt und projizieren in der richtigen Lage des Objektes. Die gew\u00f6hnliche Projektion vollzieht sich also f\u00fcr jenen Punkt, f\u00fcr\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 45.\t3","page":33},{"file":"p0034.txt","language":"de","ocr_de":"34\nGiuseppe Ovio.\nwelchen das Auge nicht akkommodiert ist; und wenn wir ein Objekt fixieren, wof\u00fcr das Auge akkommodiert ist, so erhalten wir eine falsche Projektion, weil diese noch wie gew\u00f6hnlich stattfindet, n\u00e4mlich nach dem Akkommodationspunkte, welcher unter diesen Umst\u00e4nden nicht mehr der Lage des Objektes entspricht.\nZur Bekr\u00e4ftigung dieser Annahme haben wir auch die allbekannte Tatsache der sekund\u00e4ren Bilder, die gerade auf den Punkt projiziert werden, f\u00fcr welchen wir akkommodieren, und die deshalb klein erscheinen wenn wir f\u00fcr einen nahestehenden Punkt akkommodieren und dahingegen grofs, wenn die Akkommodation f\u00fcr einen entfernten Punkt eingestellt ist.\nDiese Projektionsfehler haben jedoch mehr einen theoretischen Wert, da sie sehr gering sind. Nehmen wir an, dafs das Objekt AB einen Durchmesser von 10 habe und auf eine Entfernung von 1000 mm gestellt werde und dafs das Objekt A B' einen Durchmesser von 1 habe und in einer Entfernung von 100 mm aufgestellt sei; so bekommen wir nach der Berechnung folgendes: Wenn das Auge f\u00fcr AB akkommodiert w\u00fcrde, so w\u00fcrde der Durchmesser AB\u2019 \u2014 1,044 statt = 1 erscheinen. Wenn das Auge f\u00fcr A B' akkommodieren w\u00fcrde, so w\u00fcrde der Durchmesser A B \u2014 9,63 statt == 10 erscheinen.\nDoch unsere Befunde beweisen schliefslich, dafs, wenn sich in den meisten F\u00e4llen die Projektion l\u00e4ngs der Knotenlinie vollzieht, dieselbe nicht immer in solcher Weise stattfindet. Sollte sie \u00fcbrigens auch derart stattfinden, so h\u00e4tte man nicht immer eine richtige Projektion.\nDie Projektion ist eine richtige, wenn die Linie, nach welcher sie sich vollzieht, das Objekt richtig trifft; sie ist dagegen eine falsche, wenn die Linie das Objekt nicht richtig trifft. Eine solche falsche Projektion kann aus Ursachen entstehen, die in dem \u00e4ufseren und inneren Bewegungsapparate liegen. Im ersten Falle ist die Projektion falsch, weil sie in einer geraden Linie stattfindet, welche vom getroffenen Netzhautpunkte durch einen Punkt geht, wo der Knotenpunkt vermutet wird, aber nicht vorhanden ist; d. h. sie w\u00fcrde dem Knotenpunkte entsprechen, falls das Auge in seiner normalen Stellung w\u00e4re. Im zweiten Falle ist die Projektion falsch, weil sie in einer geraden Linie stattfindet, die vom getroffenen Netzhautpunkte zu jenem Punkte geht, wo das Objekt vermutet wird, aber dort nicht vorhanden ist.\nDas Projektionsgesetz d\u00fcrfte also wie folgend lauten: Die","page":34},{"file":"p0035.txt","language":"de","ocr_de":"Uber die Projektion.\n35\nProjektion der Bilder auf demSehfelde erfolgt nach einer geraden Linie, die vom getroffenen Netzhautpunkte l\u00e4ngs der Stelle hinzieht, wo der Knotenpunkt liegt oder in der Regel liegen sollte.\nDiese Annahme \u00fcber die Art und Weise, wie ein Bild projiziert wird, w\u00fcrde in mancher Hinsicht den Ansichten einiger Autoren widersprechen. Die Unhaltbarkeit solcher Ansichten ist aber bewiesen und k\u00f6nnte daher dem Obenerw\u00e4hnten nichts entgegenhalten.\nHelmholtz hat bekanntlich bewiesen, dafs das deutliche Bild dieselbe Gr\u00f6fse hat wie das diffuse Bild und dafs folglich zwei auf derselben Pupillarlinie, aber in verschiedener Entfernung aufgestellte Lichtpunkte, f\u00fcr die das Auge nicht akkommodiert oder nur f\u00fcr einen von beiden akkommodiert, auf demselben Netzhautpunkt Bilder entwerfen, die auch auf einen und denselben Punkt projiziert werden.1 2\nAber diese Ansicht Helmholtz\u2019 wird z. B. von Gibaud-Teulon 2 nicht geteilt, welcher die Beweisgr\u00fcnde Helmholtz\u2019 sehr genau untersucht und sie schliefslich f\u00fcr nicht stichhaltig erkl\u00e4rt hat.\nDas Mifsverst\u00e4ndnis, in welches dieser Autor geraten ist, r\u00fchrt von der Verwechslung her, in welche er in bezug auf Pupillarlinie und Knotenlinie verfallen ist. Ist aber einmal dieser Fehler beseitigt, so wird alles erkl\u00e4rt, und die Beweisf\u00fchrung Helmholtz\u2019 tritt deutlich und genau hervor.\nAuch Badal ger\u00e4t in derartige Ungenauigkeiten. So z. B. bei der Erforschung \u00fcber die Entstehung der Netzhautbilder zweier nach Helmholtz gestellter Lichtpunkte meint er schliefslich, dafs sie zwei getrennte Bilder auf die Netzhaut entwerfen, w\u00e4hrend es einleuchtet, dafs sie in Wirklichkeit nur ein Bild entwerfen, weil sich die zwei Bilder decken.3\nHinsichtlich solcher Tatsachen finde ich auch bei Tschebning eine Stelle, die mir unbegreiflich ist. Bekanntlich nimmt dieser Autor f\u00fcr die Akkommodation eine Verschiebung des Knotenpunktes nicht an. Um also die Lage eines diffusen Bildes des nicht akkommodierten Auges zu erkl\u00e4ren, scheint der Autor eine\n1\tA. a. O. S. 127.\n2\tGiraud Teulon, La vision et ses anomalies. S. 598. Paris 1881.\n3\tBadal, a. a. O.\n3*","page":35},{"file":"p0036.txt","language":"de","ocr_de":"36\nGiuseppe Ovio.\nVerschiebung der Pupillarlinie anzunehmen. Infolge dieser Verschiebung sollte man eigentlich eine scheinbare Verkleinerung des Objektes wahrnehmen und diese Erscheinung w\u00fcrde dann durch Vorlegung eines sthenop\u00e4ischen Loches viel deutlicher\nhervortreten.1\nWie gesagt, begreife ich solche Beweisgr\u00fcnde nicht. Mir scheint dagegen, dafs die Richtung der Pupillarlinie im Auge nur vom Brechungsindex bestimmt wird, welcher bei der Akkommodation nicht ver\u00e4ndert wird. Somit ist die Richtung der Pupillarlinie in einem konkreten Falle konstant.\nIch kann eine scheinbare Objektverkleinerung nicht zugeben, denn sie w\u00fcrde nur entweder durch eine reelle Bildverkleinerung (wie der Autor annimmt), oder verm\u00f6ge einer Projektionsver\u00e4nde-rung m\u00f6glich sein. Die Verkleinerung des Bildes ist nicht mehr stichhaltig, nachdem die Arbeiten von Helmholtz, Salzmann, Hess und auch die meinigen bewiesen haben, dafs die Gr\u00f6fse des diffusen Bildes auf der Netzhaut derjenigen des entsprechenden,\ndeutlichen Bildes gleichkommt.\nMan kann dagegen eine Projektions Ver\u00e4nderung zugeben, je nachdem das Auge akkommodiert oder nicht akkommodiert sei. Eine solche Ver\u00e4nderung aber ist, wie ich bereits erkl\u00e4rt habe, so gering, dafs man ihr keinen Wert beimessen kann.\nWenn also durch die Akkommodationsanspannung, bei Fixierung eines entfernten Objektes dasselbe sich scheinbar verkleinert, so hat man es wahrscheinlich mit einer einfachen optischen T\u00e4uschung zu tun, die von einer falschen Sch\u00e4tzung der Entfernung herr\u00fchrt. Was \u00fcbrigens die deutlichere Verkleinerung anbelangt, die unter solchen Verh\u00e4ltnissen beim Sehen durch ein sthenop\u00e4isches Loch eintritt, daf\u00fcr gibt es einen ganz anderen Grund und diesen habe ich bereits in meiner Arbeit \u00fcber die Eigenschaften des sthenop\u00e4ischen Loches besprochen.\n1 Tscherning, Optique physiologique. S. 197. Paris 1898","page":36}],"identifier":"lit33571","issued":"1911","language":"de","pages":"27-36","startpages":"27","title":"\u00dcber die Projektion","type":"Journal Article","volume":"45"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:57:15.464410+00:00"}