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{"created":"2022-01-31T16:47:33.949277+00:00","id":"lit33600","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"Rollett, Humbert","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 46: 198-224","fulltext":[{"file":"p0198.txt","language":"de","ocr_de":"198\n\u00dcber ein subjektives optisches Ph\u00e4nomen bei der\nBetrachtung gestreifter Fl\u00e4chen.\nVon\nDr. Humbert Roulett in Salzburg.\nMit 1 Tafel und 2 Figuren im Text.\nDurch Zufall kam mir ein St\u00fcck Wachsleinwand zu Gesicht, mit dem in einem Gastlokal in Prag ein St\u00fcck einer Banklehne in der Breite des Sitzes f\u00fcr eine Person austapeziert war. Das Muster der Leinwand war ein sehr einfaches; es bestand aus gleichm\u00e4fsigen blauen und weifsen Streifen. Ich bemerkte bei l\u00e4ngerem Betrachten des Musters an diesem Objekt zuerst das Ph\u00e4nomen, welches im folgenden beschrieben werden soll. Es war in dem Lokal schon bekannt, dafs man nicht lange der Leinwand gegen\u00fcbersitzen k\u00f6nne, ohne unangenehme und sonderbare Empfindungen im Auge zu bekommen.\nUm die Sache n\u00e4her studieren, die Stellung des Musters und die Beleuchtung variieren zu k\u00f6nnen, verschaffte ich mir ein der gesehenen Wachsleinwand m\u00f6glichst \u00e4hnliches St\u00fcck, an dem die folgenden Beobachtungen ausgef\u00fchrt sind.\nDie Wachsleinwand ist von rechteckiger Gestalt 116 cm lang und 65 cm breit.\nDas Muster besteht aus blauen und weifsen parallelen Streifen, von je 4 mm Breite. Wenn man die Leinwand so aufh\u00e4ngt, dafs eine Seite des Rechteckes horizontal verl\u00e4uft, so ziehen die Streifen schief im Winkel von 45 0 \u00fcber die Fl\u00e4che hin.\nH\u00e4ngt man die Leinwand vertikal mit Reifsn\u00e4geln an die Wand und betrachtet sie aus etwa 2 Meter Entfernung bei guter Beleuchtung mit einem Auge, w\u00e4hrend man das andere mit der Hand bedeckt, so sieht man in den ersten Sekunden das Muster vollkommen scharf ohne jede st\u00f6rende Nebenempfindung. Bald","page":198},{"file":"p0199.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber ein subjektives optisches Ph\u00e4nomen usw.\n199\njedoch macht sich ein Flimmern bemerkbar, es ist dem Auge unangenehm l\u00e4ngere Zeit auf die Fl\u00e4che hinzuschauen, man bemerkt, dafs man die Streifen nicht mehr mit voller Deutlichkeit sieht; und gibt man sich die M\u00fche, die Erscheinung genauer zu studieren, so kann man folgendes finden.\nDie erste auff\u00e4llige Erscheinung ist die: Die Streifen erscheinen nicht mehr durchweg gleich breit, vielmehr gewinnt man den Eindruck, als h\u00e4tte jeder Streifen zahlreiche Anschwellungen etwa wie die Knoten eines Knotenstockes, nur liegen diese Knoten sehr nahe aneinander. Bei l\u00e4ngerer genauer Betrachtung merkt man, dafs es sich nicht so sehr nur um eine \u00c4nderung der Streifendicke handelt, sondern auch um eine eigent\u00fcmliche willige Verkr\u00fcmmung des Streifens. In Figur 1 ist diese scheinbare Gestaltsver\u00e4nderung des Streifens wiedergegeben. Der Streifen, der anfangs vollst\u00e4ndig geradlinig begrenzt ist wie in Figur 1 a, erscheint sp\u00e4ter so wie bei b oder bei c. Dieses Ph\u00e4nomen tritt bei mir, wenn ich bei gutem Licht monokul\u00e4r betrachte, nach V4 bis 3/4 Minuten ein.\nFigur 1.\nW\u00e4hrend die Streifen diese scheinbare Ver\u00e4nderung erleiden,\nsieht man noch andere Dinge.\nEs ist dem Auge unangenehm das Muster l\u00e4nger zu betrachten. Einzelne der weifsen Streifen erscheinen breiter und heller als die anderen. Auch hat man, wenn man den Blick \u00fcber die Fl\u00e4che des Musters gleiten l\u00e4fst, den Eindruck, als w\u00fcrden die Streifen sich ein wenig bewegen, so dafs sie an einzelnen Stellen sich einander n\u00e4hern und dann wieder voneinander entfernen. Gleichzeitig bemerkt man im Muster das Auftreten von unregelm\u00e4fsigen Flecken von gelblichbrauner Farbe, die mit dem Blick mitwandern.\nW\u00e4hrend die Streifen die obenerw\u00e4hnten Gestaltver\u00e4nderungen annehmen, verliert man das Urteil \u00fcber die Entfernung, in der sich die Leinwand befindet. Wendet man den Blick weg","page":199},{"file":"p0200.txt","language":"de","ocr_de":"200\nHumbert Rollett.\nyon der Leinwand auf andere Gegenst\u00e4nde, so bemerkt man, dafs man auch diese nunmehr nicht deutlich sieht; sondern ein merkw\u00fcrdiges Flimmern hindert die Klarheit des Sehens. Es ist als ob man die Gegenst\u00e4nde durch ein unscharfes Gitter hindurch betrachtete. Gleichzeitig mit der Gestaltsver\u00e4nderung der Streifen aber gew\u00f6hnlich schon viel fr\u00fcher sehe ich noch folgendes.\nDie zweite auff\u00e4llige Erscheinung.\nMan sieht eine mit einem Schneefall vergleichbare Scheinbewegung heller und dunkler Punkte, welche mit sehr grofser Geschwindigkeit in der Dichtung senkrecht auf den Verlauf der Streifen \u00fcber die Fl\u00e4che hinwegeilen.\nDiese Erscheinung ist so merkw\u00fcrdig und auffallend, dafs sie im hohen Mafse unser Interesse verdient.\nDa ich sie zuerst bei k\u00fcnstlichem Lichte beobachtet habe, so dachte ich, dafs vielleicht die Art der Beleuchtung z. B. ein d lackern des Lichtes die Ursache der Erscheinung sein k\u00f6nnte. Ich \u00fcberzeugte mich aber bald davon, dafs dies nicht der Fall sein kann, denn ich sehe die Erscheinung bei allen m\u00f6glichen Beleuchtungsarten. Ich sah sie bei dem Lichte elektrischer Gl\u00fchlampen, sowohl wenn diese mit Wechselstr\u00f6men (Strafsenstrom) als auch wenn sie mit konstantem Strom (Akkumulatorenbatterie) gespeist wurden, bei Kerzenlicht, bei Auerlicht, bei gew\u00f6hnlichem Gaslicht, und auch bei Tageslicht. Am sch\u00f6nsten und deutlichsten\nwar das Ph\u00e4nomen bei etwas ged\u00e4mpftem diffusen Tageslicht zu sehen.\nNachdem als Beobachtungsobjekt urspr\u00fcnglich die fr\u00fcher beschriebene Wachsleinwand verwendet wurde, so dachte ich zun\u00e4chst, dafs der Glanz der Fl\u00e4che vielleicht die Ursache der Erscheinung sein k\u00f6nnte. Das ist aber nicht der Fall; denn nicht gl\u00e4nzende Stoffmuster von derselben Beschaffenheit wie meine Wachsleinwand zeigten das Ph\u00e4nomen ebenfalls.\nDer Vergleich der Scheinbewegung der Punkte mit einem Schneefall ist ein so nat\u00fcrlicher und naheliegender, dafs mehrere Beobachter, die ich vor die Leinwand f\u00fchrte (darunter auch ein Kind), unabh\u00e4ngig voneinander die Erscheinung als Schneefall bezeichneten.\nZwei Regeln lassen sich bez\u00fcglich des Ph\u00e4nomens feststellen, n\u00e4mlich :","page":200},{"file":"p0201.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber ein subjektives optisches Ph\u00e4nomen usw.\n201\n1.\tDie Scheinbewegung der Punkte findet immer in der Richtung senkrecht auf die Streifenrichtung statt.\n2.\tDie Bewegung ist fast immer ein Fallen oder h\u00f6chstens eine Horizontalbewegung nur selten ein Steigen. Es pr\u00e4valiert also die Oben-Unten-Riehtung in auffallender Weise.\nMan k\u00f6nnte die Sache auch so ausdr\u00fccken: die Bewegung der Punkte findet immer in einer Linie statt, die senkrecht auf die Streifenrichtung steht, und zwar vorwiegend in derjenigen senkrechten Richtung, die von oben nach unten geht, selten umgekehrt.\nFigur 2.\nDer Pfeil deutet die Richtung der Scheinbewegung an.\nH\u00e4nge ich also meine Leinwand so auf, dafs die Streifen des Objekts von rechts oben nach links unten ziehen, so findet die fecheinbewegung in der Richtung von links oben nach rechts unten statt f\u00fcr mich als Beobachter niemals in der Richtung von rechts unten nach links oben.\nBedienen wir uns bei an der Wand aufgeh\u00e4ngter Leinwand zur deutlichen Yerst\u00e4ndlichung der Windrose, wobei angenommen ist, dafs dasselbe Prinzip wie beim Landkartenzeichnen gelten soll, dafs Norden oben ist, und die Leinwand an einer lotrechten Mauer angemacht sei, so kann man sagen: Ziehen die Streifen des Objektes in der Richtung zwischen NO\u2014SW, so erfolgt der Flockenfall von NW->SO. Ist die Richtung der Streifen NNO \u2014SSW. So findet der Schneefall in der Richtung WNW->OSO statt.\nH\u00e4ngt man die Leinwand so, dafs die Streifen horizontal verlaufen, so ist der Fall ein rein vertikaler.\nH\u00e4ngt man das Muster so auf, dafs die Streifen vertikal sind, dann sieht man den Fall sowohl von links nach rechts als auch von rechts nach links in horizontaler Richtung verlaufen. Hierbei bemerkte ich, dafs man durch die Aufmerksamkeit eine der beiden Bewegungen zur vorherrschenden machen kann. Ich sehe die Punkte f\u00fcr gew\u00f6hnlich nicht von beiden Seiten her gegeneinander fliegen, sondern ich sehe auf einige Sekunden die Bewegung von rechts nach links verlaufen","page":201},{"file":"p0202.txt","language":"de","ocr_de":"202\nHumbert Rollett.\nund dann abwechseln. Bisweilen sehe ich sie aber von beiden Seiten zugleich kommen.\nBei der horizontalen Lage der Streifen findet also eine Scheinbewegung in zwei einander entgegengesetzten Richtungen statt. Bei jeder anderen Lage nur in einer Richtung und zwar, wie erw\u00e4hnt, in derjenigen normalen, welche sich der Richtung (von oben nach unten) n\u00e4hert.\nEs gibt hierbei aber nicht die absolute Vertikale den Ausschlag, sondern die physiologische Vertikale, d. h. die Linie, die durch die Achse des Kopfes des Beobachters gegeben wird.\nSitze ich z. B. vor meiner Leinwand, welche so an der Wand befestigt ist, dafs die Streifen von rechts oben nach links unten gehen (also nach der geographischen Nomenklatur von NO \u2014SW), so sehe ich bei gerade gestelltem Kopf die Scheinbewegung von links oben nach rechts unten gehen (also nach der geographischen Nomenklatur von NW\u2014>SO). Neige ich nun meinen Kopf nach rechts so stark, dafs die Verbindungslinie der Pupillen vertikal, die Kopfachse also horizontal wird, dann geht die Bewegung, im absoluten Sinne genommen, von rechts unten nach links oben (nach der geographischen Orientierung von SO->NW) also umgekehrt wie fr\u00fcher. Das ist verst\u00e4ndlich; denn die Richtung SO->NW ist jetzt der physiologischen Vertikalen O-^W mehr gen\u00e4hert als die Richtung NW\u2014>SO.\nDie Richtung des Flockenfalles kehrt sich also um, wenn der Beobachter seinen Kopf umkehrt oder wenigstens bis zu einem gewissen Grad neigt.\nMan kann \u00fcbrigens den Effekt einer vollen Umkehr des Kopfes nachahmen ohne sich in eine unbequeme Stellung zu begeben, wenn man die Leinwand auf einen Tisch oder auf den Fufsboden flach hinlegt und mit gesenkter Stirne, also mit ann\u00e4hernd horizontaler Kopfachse um das Objekt herumgeht. So kann man sehr sch\u00f6n das Umkehren der Flugrichtung der leuchtenden Punkte beobachten.\nIch mufs bei dieser Schilderung der zweiten Regel, dafs die Scheinbewegnng nur von oben nach unten geht anf\u00fchren, dafs die Regel f\u00fcr mich und einige andere Beobachter vollst\u00e4ndig zwingend ist. Ich selbst kann nur bei vertikaler Lage der Streifen also bei horizontaler Richtung der Scheinbewegung einen Wechsel der Bewegung bei gleicher Kopflage sehen. Andere Beobachter sahen jedoch auch gelegentlich die Bewegung von unten nach oben gehen und hatten den Eindruck, dafs man durch die Willk\u00fcr das Auftreten der Erscheinung in der einen oder anderen Richtung hervorrufen kann. Es blieb aber auch bei diesen Beobachtern die Richtung des Flockenfalles senkrecht auf die der Streifen, nur sahen sie das, was ich nur bei lotrechter Stellung des Musters sah, n\u00e4mlich dafs die Punkte bald von der einen bald von der anderen Seite zu kommen scheinen, auch bei","page":202},{"file":"p0203.txt","language":"de","ocr_de":"Uber ein subjektives optisches Ph\u00e4nomen nsw.\n203\nanderen Stellungen, so dafs f\u00fcr diese Beobachter das Ph\u00e4nomen nicht immer ein Fallen, sondern auch oft ein Steigen war. Aber eine gewisse Pr\u00e4valenz der Oben-Unten-Richtung war auch f\u00fcr diese Beobachter vorhanden.\nIch mufs noch eine einschr\u00e4nkende Bemerkung machen. Die Flugrichtung der Scheinbewegung ist normal auf die Streifenrichtung; dies gilt im allgemeinen. Es kommt aber zuweilen vor (und zwar namentlich im Beginn der Beobachtung), dafs man geringe Abweichungen von dieser Richtung sieht. Einige Punkte haben eine Flugrichtung, die um einen geringen Winkelwert von der senkrechten abweicht. Die \u00fcberwiegende Mehrzahl der Punkte fliegt aber in der senkrechten. So dafs diese Linie immer den Typus der ganzen Bewegung bestimmt.\nBlickt man, nachdem man das Ph\u00e4nomen einige Zeit betrachtet hat, w^as immerhin eine etwas unangenehme Empfindung in den Augen erweckt, auf eine homogene weifse, graue oder braune Fl\u00e4che, so sieht man die Scheinbewegung heller Punkte aufserordentlich deutlich im Nachbild. Ich konnte sie im Nachbild oft deutlicher sehen als am wirklichen Objekt. Die Gegenst\u00e4nde, die man unmittelbar nachdem man den Blick von der Leinwand weggew^endet hat, fixiert, erscheinen hierbei unscharf und flimmernd und es dauert eine geringe Zeit, bis man wieder zu einer vollkommen klaren Ansicht der Wirklichkeit kommt.\nDieses Auftreten des Ph\u00e4nomens im Nachbild ist sicher etwas sehr Eigent\u00fcmliches und Merkw\u00fcrdiges. Es soll hier besonders hervorgehoben werden, dafs es sich hierbei um etwas vollst\u00e4ndig anderes handeln mufs als bei den Bewegungsnachbildern, die man sonst sieht.\nBei den gew\u00f6hnlichen Bewegungsnachbildern, die schon von P\u00fcrkinje gesehen1 wurden, handelt es sich immer darum, dafs ein objektiv in Ruhe befindlicher Gegenstand deshalb eine Scheinbewegung macht, weil man unmittelbar vorher andere bewegte Gegenst\u00e4nde durch das Gesichtsfeld eilen sah.\nDer bekannteste Fall ist der, dafs man, wenn man in einem fahrenden Eisenbahnzug sitzt und der Zug pl\u00f6tzlich anh\u00e4lt jetzt die Gegend sich kurze Zeit in der entgegengesetzten Richtung bewegen sieht als diejenige war, in der sie sich fr\u00fcher scheinbar bewegte.\n1 Vgl. hier\u00fcber Hering in Hermanns Handb. der Physiol., Bd. Ill, 1. T., S. 562.","page":203},{"file":"p0204.txt","language":"de","ocr_de":"204\nHumbert Rollett.\nObjektiv bewegte Punkte pflegen im Nachbild keine andere Bewegung zu zeigen als die, welche einem sukzessiven Abklingen des Nachbildes entspricht.\nGanz anders ist die Sache in unserem Fall. Hier dauert das Entstehen, Fortschreiten und Verschwinden der Punkte, die objektiv gar nicht vorhanden sind, die aber unter dem Einflufs des Objektes im Gesichtsfeld entstehen, eine Zeitlang einfach fort, trotzdem das Objekt schon l\u00e4ngst aus dem Gesichtsfeld entfernt ist und auch das Nachbild des Objektes schon abgeklungen ist. Die Erscheinung h\u00e4lt auch sehr lange an. Also ein wesentlich anderer Fall als beim sonstigen Bewegungsnachbild.\nEine Wahrnehmung m\u00f6chte ich hier noch erw\u00e4hnen, die ich bei der Betrachtung des direkten Objektes machte. Es kommt mir vor, dafs eine leichte Unsch\u00e4rfe in der Einstellung des beobachtenden Auges f\u00fcr das Zustandekommen des Ph\u00e4nomens g\u00fcnstig ist. Zu weit darf aber diese Unsch\u00e4rfe nicht gehen, sonst wird das Ph\u00e4nomen undeutlich oder es verschwandet ganz.\nIch kann z. B. bei monokul\u00e4rer Betrachtung durch Akkommodation auf einen n\u00e4heren Punkt (mein verdecktes Auge macht hierbei eine Konvergenzbewegung) es dahin bringen, dafs ich statt des streifigen Musters wenigstens in der Mitte des Gesichtsfeldes eine homogene bl\u00e4ulichgraue Fl\u00e4che sehe. Offenbar tritt dieser Zustand dann ein, wenn die Zerstreuungskreise je zweier benachbarter blauer Streifen aneinander grenzen. Ich kann an diesem Punkt mit meiner Akkommodation eine Zeitlang ver-* harren. Ich sehe nun aber, wenn die Streifen verschwenden sind, auch den Schneefall nicht mehr.\nUm zu sehen, in welcher Eigenschaft meiner Leinwand das Zustandekommen des Ph\u00e4nomens begr\u00fcndet ist, mufste ich auch andere Vergleichsobjekte heranziehen.\nBei der Einfachheit des Objektes k\u00f6nnen nur drei Eigenschaften in Betracht kommen. Die geometrische Gestalt des Musters, die Farbe und der Glanz.\nDafs der Glanz nicht das Wesentliche sein kann, habe ich schon fr\u00fcher erw\u00e4hnt, da ein einfaches, nichtgl\u00e4nzendes blauweifsgestreiftes Leinen das Ph\u00e4nomen ebenfalls zeigte; es bleibt also noch die Farbe und die geometrische Beschaffenheit des Musters \u00fcbrig.","page":204},{"file":"p0205.txt","language":"de","ocr_de":"Uber ein subjektives optisches Ph\u00e4nomen nsw.\n205\nUm ein Urteil \u00fcber die Beteiligung der Farbe an dem Zustandekommen des Ph\u00e4nomens zu bekommen, verschaffte ich mir gestreifte, verschieden gef\u00e4rbte Objekte. Einfache Stoffmuster mit gleichbreiten roten und weifsen oder weifsen und schwarzen Streifen waren leicht zu bekommen ; beide zeigten das Ph\u00e4nomen des Flockenfalles sehr sch\u00f6n.\nAuch ein Stoffmuster mit blau-weifs-roten Streifen zeigte das Ph\u00e4nomen in gen\u00fcgender Deutlichkeit.\nAuch Papiermuster, die ich mir in rot-lichtgr\u00fcn herstellte, und ein Papiermuster mit schwarz-gr\u00fcnen Streifen (auf einem Buchumschlag zuf\u00e4llig gefunden) liefsen das Ph\u00e4nomen erkennen. Ich habe auch noch andere Farbenkombinationen versucht, bei denen die Erscheinung mehr oder weniger gut zu sehen war.\nNach diesen Beobachtungen bin ich zu dem Schlufs gekommen, dafs die Farbenunterschiede bei dem Zustandekommen des Flockenfalles keine wesentliche Rolle spielen. Es mufs nur die Helligkeit der Streifen deutlich verschieden sein. Sobald die Helligkeitsdifferenz der Streifen einen gewissen Wert erreicht, ist die Erscheinung zu sehen.\nAls Optimum f\u00fcr die Beobachtung m\u00f6chte ich angeben. Gleiche Breite beider Streifen, Breite von etwa 4 mm, die Farben Schwarz undWeifs und eine Beobachtungsdistanz von etwa 2 m.\nDie Gr\u00f6fse der Fl\u00e4che, auf der das Muster aufgetragen ist, soll hierbei nicht weniger als 3/4 m im Quadrat betragen.\nWer das Ph\u00e4nomen sch\u00f6n sehen will, wird gut daran tun, sich diese optimalen Bedingungen za verschaffen. Es ist nicht schwer, weil Stoffmuster dieser Art leicht erh\u00e4ltlich sind. Man kann sich das Muster nat\u00fcrlich auch auf Papier selbst mit Tusche zeichnen, doch ist dies etwas m\u00fchsam und erfordert Geduld und Zeit.\nEs ist nun aber keineswegs notwendig diese angegebenen optimalen Bedingungen einzuhalten, um die Erscheinung zu sehen. Die Beobachtungsdistanz kann sehr variiert werden. Ich sehe das Ph\u00e4nomen noch, wenn ich meine Leinwand aus n\u00e4chster N\u00e4he (etwa 20 bis 25 cm Entfernung) betrachte; nur beginnt die Bewegung dann in den peripheren Teilen des Gesichtsfeldes. Auch auf eine Entfernung von 6 m kann ich die Erscheinung noch gut sehen, und w\u00fcrde die Breite der Streifen und auch die Beobachtungsfl\u00e4che gr\u00f6fser gewT\u00e4hlt, so w\u00fcrde man vermut*","page":205},{"file":"p0206.txt","language":"de","ocr_de":"206\nHumbert Rollett.\nlieh die Erscheinung noch auf viel gr\u00f6fsere Entfernungen deutlich sehen k\u00f6nnen.\nEs ist auch gar nicht n\u00f6tig, dafs die weifsen und schwarzen bzw. die dunkleren und helleren Streifen, gleich breit sind. Auch bei ungleicher Streifenbreite sieht man die Erscheinung des Schneefalles, wenngleich nicht so gut wie bei gleicher Streifenbreite. Notwendig scheint zu sein, dafs ein gr\u00f6fserer Teil des Gesichtsfeldes von dem Muster eingenommen wird.\nIch sehe, seit ich auf das Ph\u00e4nomen achte, die Bewegungst\u00e4uschung an gew\u00f6hnlichen schraffierten Fl\u00e4chen, wenn nur die Schraffierung gleichm\u00e4fsig ist und eine nicht zu kleine Fl\u00e4che bedeckt.\nIch gebe auf der beifolgenden Tafel eine einfache Tuschezeichnung, an der ich die Erscheinung in sehr kurzer Zeit (5\u201c bis 3/4 Min.) eintreten sehe, wenn ich die Streifen aus einer Entfernung von ca. 25\u201430 cm unverwandt anschaue. Manchmal tritt die Erscheinung fast augenblicklich ein.\nIch sehe an dieser Figur eigent\u00fcmlicherweise den Flockenfall oder wie ich die Erscheinung von jetzt ab nennen will, das Streifenph\u00e4nomen im Nachbild oft fr\u00fcher auf treten als im direkt beobachteten Bild, d. h. wenn ich das Muster etwa 10 bis 20 Sek. lang angesehen habe und den Flockenfall noch nicht sicher sehe, so brauche ich nur auf daneben liegendes weilses Papier zu blicken und sehe ein Jagen dunkler Punkte in der dem Streifenph\u00e4nomen entsprechenden Richtung.\nIch habe, wie aus dem Angef\u00fchrten hervorgeht, mich \u00fcberzeugt, dafs nicht der Fl\u00e4chenglanz und nicht die Farbe bestimmend sind f\u00fcr das Auftreten des hier beschriebenen Bewegungs-ph\u00e4nomenes, sondern einzig und allein die streifige Beschaffenheit der Fl\u00e4che. Darum m\u00f6chte ich auch f\u00fcr die Erscheinung den Ausdruck das Streifenph\u00e4nomen vorschlagen.\nWas ich bisher von dem Ph\u00e4nomen beschrieben habe, gilt f\u00fcr die monokul\u00e4re Beobachtung. Ich mufs dies besonders betonen. Ich habe zwar die Sache zuerst binokul\u00e4r beobachtet und man sieht all das, was man monokul\u00e4r sieht, auch binokul\u00e4r, es ist aber deshalb besonders hervorzuheben, dafs man monokul\u00e4r alles wesentliche an der Erscheinung sieht, weil dadurch der Beweis erbracht ist, dafs das Streifenph\u00e4nomen nicht durch etwas entsteht, was erst dem binokul\u00e4ren Sehakt eigent\u00fcmlich ist.\nNach dieser Feststellung mufs ich noch kurz erw\u00e4hnen, was","page":206},{"file":"p0207.txt","language":"de","ocr_de":"\u2022 *\nZ76er em subjektives optisches Ph\u00e4nomen usw.\t207\nman bei binokularer Betrachtung der Leinwand noch mehr sieht als bei monokularer. Im wesentlichen ist das Folgende. Blickt man die Leinwand mit beiden Augen l\u00e4ngere Zeit an, so hat man den Eindruck, dafs einzelne Teile derselben vorspringen, so wie wenn die Leinwand \u00fcber eine h\u00fcgelige unebene Fl\u00e4che gebreitet w\u00e4re. Diese Erscheinung ist leicht zu verstehen. Herr Dozent R. H. Kahn machte mich darauf aufmerksam, dafs es sich hierbei wohl um ein Tapetenph\u00e4nomen handeln m\u00fcsse, wie es von H. Meyer , Hemholtz und R. H. Kahn beschrieben wurde.3 2\nIch konnte mich nun sehr leicht davon \u00fcberzeugen, dafs meine Leinwand ein sehr geeignetes Objekt ist um Tapetenbilder zu geben. Man kann zwei benachbarte oder auch weiter entfernte Streifen leicht durch Konvergenz oder durch Divergenz zur Deckung bringen, wenn man auf dieses Verfahren nur einigermafsen einge\u00fcbt ist. Man tut dies bei l\u00e4ngerem Hinstarren auf die Leinwand offenbar auch gelegentlich unwillk\u00fcrlich f\u00fcr k\u00fcrzere oder l\u00e4ngere Zeit ohne es zu wdssen und l\u00e4fst dann von der falschen Konvergenz oder Divergenz wieder ab. Dieser Umstand erkl\u00e4rt zur Gen\u00fcge das gelegentlich zu beobachtende unebene Aussehen des Objektes.\nEs sei nur hier noch beil\u00e4ufig erw\u00e4hnt, dafs ich das Streifenph\u00e4nomen aufserordentlich rasch erzeugen kann, wTenn ich mich bem\u00fche durch Konvergenz Tapetenbilder an meiner Leinwand zu sehen. Es mag damit Zusammenh\u00e4ngen, dafs unscharfe Einstellung, wie schon fr\u00fcher bemerkt wurde, die Entstehung des Streifenph\u00e4nomens beg\u00fcnstigt und ich im ersten Moment des Konvergierens unscharf einstelle.\nDamit will ich die Beschreibung der an dem angegebenen Objekt beobachteten subjektiv-optischen Erscheinungen schliefsen und auf die M\u00f6glichkeit einer Erkl\u00e4rung derselben eingehen.\nWenn eine Erkl\u00e4rung derzeit \u00fcberhaupt m\u00f6glich ist, so kann sie nur dadurch gewonnen tverden, dafs man zun\u00e4chst einmal\n1\tVgl. dar\u00fcber R. H. Kahn: \u00dcber Tapetenbilder, Arch. f. Anatomie u. Physiologie, physiol. Abt., 1907, S. 56\u201467.\n2\tS. auch Nagels Handbuch d. Physiol., III. Bd., 2. H\u00e4lfte, Seite 421; Augenbewegungen und Gesichtswahrnehmungen von 0. Zoth.\nDas Wesen der Tapetenbilder besteht nach diesen Autoren darin, dafs zwei gleiche Muster, die auf einer Fl\u00e4che nebeneinanderstehen, wenn sie durch Konvergenz oder durch Divergenz zu einem Bilde vereinigt werden, dem Beobachter in einer anderen Entfernung erscheinen als das wirkliche Objekt.","page":207},{"file":"p0208.txt","language":"de","ocr_de":"208\nHumbert Rollett.\ngenau die Bedingungen studiert, unter denen das Ph\u00e4nomen auf-tritt. Ich habe fr\u00fcher schon erw\u00e4hnt, dafs weder der Glanz noch die Farbe das Streifenph\u00e4nomen veranlassen, sondern, dafs nur die geometrische Beschaffenheit des Musters daf\u00fcr verantwortlich gemacht werden kann. Auch die optimalen Bedingungen f\u00fcr das Zustandekommen des Ph\u00e4nomens wurden erw\u00e4hnt. Es obliegt mir aber hier noch darzustellen, in wie weit man das Muster variieren kann, ohne das Ph\u00e4nomen zu zerst\u00f6ren.\nUm dies zu finden, verfertigte ich eine Reihe von Zeichnungen verschiedener Art.\nDabei konnte ich folgendes feststellen.\nBedient man sich statt des Musters gleich breiter Streifen oder Schraffen von schwarz und weifs eines Musters d\u00fcnner schwarzer Linien von der Breite von etwa 1/2 mm in Abst\u00e4nden von etwa 2\u20143 mm, so sieht man das Bewegungsph\u00e4nomen noch ganz deutlich aber viel schlechter wie bei der Schraffierung von abwechselnd weifsen und schwarzen ca. 1 mm breiten Streifen, wie sie die Figur auf der Tafel vorstellt.\nErsetzt man das Muster durch das Negativ, n\u00e4mlich durch d\u00fcnne weifse Linien auf schwarzem Grund, so sieht man das Streifenph\u00e4nomen ebenfalls und zwar bei mittelstarker Beleuchtung ungef\u00e4hr in derselben Deutlichkeit, wie bei der Anordnung Schwarz auf weifsem Grund.\nSchw\u00e4cht man die Beleuchtung ab, so wird das Streifenph\u00e4nomen bei der Anordnung d\u00fcnner schwarzer Linien auf weifsen Grund deutlicher als beim entsprechenden Negativ.\nEs sei hier bemerkt, dafs man sich leicht und einfach ein System weifser Linien auf schwarzem Grund herstellen kann, wenn man mit einem gew\u00f6hnlichen Toilettenkamm \u00fcber ein berufstes Glanzpapier oder einen berufsten Karton hinwegf\u00e4hrt.\nW\u00e4hlt man statt der geraden Schraffen gekr\u00fcmmte Linien, etwa ein System konzentrischer Kreise, so kann man das Streifenph\u00e4nomen ebenfalls gut sehen. Man sieht dann, dafs sich die Punkte im oberen Halbkreis radi\u00e4r zum Zentrum hin und im unteren Halbkreis radi\u00e4r vom Zentrum weg bewegen.\nEs entspricht also die Beobachtung dem, was man nach der Betrachtung der geraden Streifen erwarten mufste.\nAllerdings steht das Ph\u00e4nomen bei Kreislinien an Deutlich-","page":208},{"file":"p0209.txt","language":"de","ocr_de":"Uber ein subjektives optisches Ph\u00e4nomen usiv.\n209\nkeit und Pr\u00e4gnanz ein wenig hinter dem bei geraden Streifen auf tretenden zur\u00fcck.\nErsetzt man die geraden voll ausgezogenen Linien durch unterbrochene, so wird das Streifenph\u00e4nomen um vieles undeutlicher. L\u00f6st man die Linien in Punktreihen auf, dann schwindet das Streifenph\u00e4nomen ganz.\nZeichnet man ein Schraffenmuster, das ein deutliches Streifenph\u00e4nomen gibt und \u00fcberdeckt die Schratten dann mit einer anderen senkrecht darauf gerichteten Schraffierung, so dafs aus dem System paralleler Linien ein rechtwinkliges Gitter wird, so verschwindet das Streifenph\u00e4nomen fast vollst\u00e4ndig. Wenn man das Muster selber zeichnet, so ist der Eindruck ungemein deutlich und sch\u00f6n, wie die Figur durch die neue Schraffierung' pl\u00f6tzlich ruhig wird und die unangenehme Empfindung, die man bei l\u00e4ngeren Hinstarren auf das einfache Liniensystem hatte, verschwindet.\nIch sagte das Streifenph\u00e4nomen verschwindet fast vollst\u00e4ndig. Es schwindet jedoch nicht ganz. Wenn man das Ph\u00e4nomen schon \u00f6fters beobachtet hat, so sieht man auch am rechtwinkligen Liniengitter eine schwache Andeutung davon und zwar in der Form, dafs helle Punkte in der Lichtung der Diagonalen der kleinen Quadrate sich bewegen. Auch hierbei folgt die Scheinbewegung der Pegel der Bevorzugung der Oben-Unten-richtung. Ferner ist noch folgendes zu bemerken. Wenn die Quadrate in irgendeiner schiefen Richtung stehen, so dafs eine Diagonale dem Lot mehr gen\u00e4hert ist als die andere, so sehe ich die Bewegung gew\u00f6hnlich nur in der dem Lot n\u00e4herstehenden Diagonale oder wenigstens in dieser Diagonale st\u00e4rker als in der darauf senkrechten. Es gilt also hier die Regel der Pr\u00e4valenz der Oben-Untenrichtung in zweifacher Weise, erstens in derselben Art wie sie fr\u00fcher bei Schilderung des Ph\u00e4nomens an einfachen Streifen er\u00f6rtert wurde, und zweitens in der Weise, dafs die Bewegung in der vom Lot st\u00e4rker abweichenden Diagonale gewissermafsen mehr oder weniger unterdr\u00fcckt wird.\nWenn die Quadrate nicht schief stehen, sondern so, dafs eine Seite horizontal und die andere vertikal steht, so sehe ich die Bewegung in beiden jetzt zum Lot gleich geneigten Diagonalen gleichzeitig, kann aber durch die willk\u00fcrliche Aufmerksamkeit eine oder die andere Richtung bevorzugen. Hierbei fiel mir noch folgendes auf: Steht das Muster rechts von meinem Auge,","page":209},{"file":"p0210.txt","language":"de","ocr_de":"210\nHumbert Rollett.\n(gleichg\u00fcltig ob das rechte oder das linke Auge zum Schauen benutzt wird) so sehe ich das Ph\u00e4nomen besser in der Richtung rechts oben\u2014links unten, steht es links von meinem Auge, sehe ich es besser in der Richtung links oben nach rechts unten. Neige ich hierbei das Muster gegen die Horizontale, so dafs ich mit schiefer Blickrichtung auf die Figur schaue und Rhomben statt der Quadrate sehe, so pr\u00e4valiert die Scheinbewegung in der Richtung der k\u00fcrzeren Diagonale, zugleich wird die Erscheinung betr\u00e4chtlich deutlicher sichtbar als beim Quadratmuster.\nZeichne ich mir statt des quadratischen Gitters ein rhombisches, so finde ich auch hier bei gerader Blickrichtung, dafs die Scheinbewegung immer in der Richtung der k\u00fcrzeren Diagonale stattfindet. Auch in diesem Falle gilt f\u00fcr mich als Beobachter die Regel der Pr\u00e4valenz der Oben-Untenrichtung.\nDie Scheinbewegung geht also bei zwei \u00fcbereinandergelegten Liniensystemen immer in der Richtung der Resultierenden aus den beiden Richtungen, die das Ph\u00e4nomen f\u00fcr jedes einzelne Liniensystem h\u00e4tte.\nDabei ist die Bewegung eigentlich doppelsinnig, jedoch gilt die Regel der Pr\u00e4valenz der Oben-Untenrichtung in der fr\u00fcher er\u00f6rterten zweifachen Hinsicht.\nDas Ph\u00e4nomen ist aber bei Gittern viel schw\u00e4cher als bei einfachen Schraffen, so schwach, dafs man es bei hellem Licht nur angedeutet sieht. Bei schwacher Beleuchtung lassen sich aber, einige \u00dcbung vorausgesetzt, die eben angef\u00fchrten Beobachtungen machen. Schliefslich mufs ich noch erw\u00e4hnen, dafs ich bei weiterer Modifikation des Musters, bei mehrfachem \u00dcberzeichnen, bei Punktreihen, Schachbrettmustern u. dgl. das Ph\u00e4nomen auch bei Herabminderung der Beleuchtung nicht sehen konnte.\nEinen ganz sicheren exakten Schlufs auf die Natur des Streifenph\u00e4nomens konnte ich infolge dieser Beobachtungen nicht ziehen; sie haben mich aber doch dazu gef\u00fchrt aus den zur Erkl\u00e4rung heranziehbaren M\u00f6glichkeiten eine als die weitaus wahrscheinlichste herauszugreifen. Ich will diese M\u00f6glichkeiten im folgenden darstellen und anf\u00fchren, was zugunsten oder zuungunsten der einen oder der anderen spricht.\nDie n\u00e4chste Frage, die sich aufdr\u00e4ngte, war die: Handelt es sich beim Streifenph\u00e4nomen um die entoptische Wahrnehmung einer tats\u00e4chlichen irgendwo im Auge vor sich gehenden Be-","page":210},{"file":"p0211.txt","language":"de","ocr_de":"\u2022 \u2022\nUber ein subjektives optisches Ph\u00e4nomen usiu.\n211\nwegung, oder ist die Ursache des Ph\u00e4nomens in anderen Momenten, etwa in der besonderen Art der Erregung der Netzhautelemente, also in einem sehr subtilen und noch wenig bekannten Vorgang zu suchen.\nWenn die Erscheinung entoptisch zu erkl\u00e4ren ist, so mufs sich zeigen lassen, welches tats\u00e4chlich bewegte Objekt im Auge selbst die Empfindung veranlafst.\nDafs es sich um die Wahrnehmung von Inhomogenit\u00e4ten des Glask\u00f6rpers, also um eine, vielleicht bei der Betrachtung unseres Objektes, besonders gut wahnehmbare Form der mouches volantes handeln kann, ist wohl ohne weiteres auszuschliefsen, denn weder erf\u00fcllt unser Streifenmuster die Bedingung m\u00f6glichster Homogenit\u00e4t des Gesichtsfeldes die f\u00fcr das M\u00fcckensehen optimal ist, noch hat die Erscheinung sonst nur die mindeste \u00c4hnlichkeit damit.\nEher w\u00e4re daran zu denken, ob nicht die Bewegung der Blutk\u00f6rperchen f\u00fcr die Erkl\u00e4rung des Streifenph\u00e4nomens in Betracht kommen k\u00f6nnte. Zugunsten dieser M\u00f6glichkeit w\u00fcrde sprechen, dafs wir es sowohl bei der Bewegung der Blutk\u00f6rperchen wie beim Streifenph\u00e4nomen mit einer raschen Bewegung zu tun haben. Gleichwohl glaube ich, dafs man auch diese Erkl\u00e4rungsm\u00f6glichkeit ausschliefsen mufs. Abgesehen davon, dafs f\u00fcr die entoptische Wahrnehmung der Blutk\u00f6rperchenbewegung auch ein homogenes Gesichtsfeld die optimale Bedingung darstellt, ist auch der Bewegungstypus der Blutk\u00f6rperchen ein ganz anderer als der der Punkte beim Streifenph\u00e4nomen. Bei den Blutk\u00f6rperchen sehen wir k\u00fcrzere und l\u00e4ngere Kurven, die Bewegung erfolgt in sehr verschiedenen Richtungen. Beim Streifenph\u00e4nomen sehen wir die Bewegung nur in einer Richtung und geradlinig. Auch lielse sich nicht verstehen wieso sich die Richtung der Blutk\u00f6rperchenbewegung bei Ver\u00e4nderung des auf der Netzhaut abgebildeten Objektes ver\u00e4ndern, also von der Stellung des Musters im Raum, bzw. auf der Netzhaut abh\u00e4ngig sein sollte. Die Blutk\u00f6rperchenbewegung kann also zur Erkl\u00e4rung des Streifenph\u00e4nomens nicht herangezogen werden.\nEine dritte M\u00f6glichkeit das Streifenph\u00e4nomen entopisch zu erkl\u00e4ren sei hier noch kurz gestreift, n\u00e4mlich die, dafs es sich um die entoptische Wahrnehmung bewegter Pigmentk\u00f6rnchen in den Protoplasmafasern der Pigmentepithelzellen der Retina handeln k\u00f6nnte. Dagegen kann man nun .allerdings von vornherein einwenden, dafs das Pigment ja als hinter der Zeitschv. f. Sinnesphysiol. 46.\t1^","page":211},{"file":"p0212.txt","language":"de","ocr_de":"212\nHumbert Rollett.\nSt\u00e4bchenzapfenschicht des Auges gelegenes Element nicht entoptisch wahrgenommen werden kann. Dagegen l\u00e4fst sich aber wieder sagen, dafs das Pigment im lichtadaptierten Ange bis an die Membrana limitans externa wandert also die St\u00e4bchen und Zapfen zum gr\u00f6fsten Teil einh\u00fcllt. Auch w\u00e4re eine Wahrnehmung bewegter Pigmentmengen auf entoptischem Wege deshalb m\u00f6glich, weil reflektiertes Licht aus dem hintersten Netzhautanteil durch bewegtes Pigment beeinflufst werden k\u00f6nnte, was vielleicht an der Grenze von hellen und dunklen Netzhautstellen durch Beeinflussung des Irradiationsph\u00e4nomens oder dgl. erkennbar werden k\u00f6nnte.\nAber auf derartige unbestimmte M\u00f6glichkeiten l\u00e4fst sich keine Erkl\u00e4rung des Streifenph\u00e4nomens aufbauen. Auch w\u00fcrde, wenn schon vielleicht die Wahrnehmung einer Scheinbewegung infolge von Absorption sonst in die Umgebung reflektierten Lichtes durch bewegte Pigmentmengen erkl\u00e4rbar w\u00e4re, die Fortdauer des Ph\u00e4nomens als bewegtes Nachbild ganz unverst\u00e4ndlich bleiben.\nEntoptisch l\u00e4fst sich also meiner Meinung nach das Ph\u00e4nomen nicht erkl\u00e4ren.\nIch suchte also nach einer anderen Erkl\u00e4rung, und verfiel zun\u00e4chst darauf, die Bewegung eines simultanen Nachbildes f\u00fcr die Entstehung des Streifenph\u00e4nomens verantwortlich zu machen.\nVon der Voraussetzung ausgehend, dafs das Wesentliche des Streifenph\u00e4nomens eine Bewegung senkrecht auf die Richtung der Streifen ist, habe ich zu ergr\u00fcnden gesucht, wieso denn eine solche Bewegung zustande kommen k\u00f6nne, und da kam ich darauf, dafs bei kleinen Bewegungen des Auges das Nachbild, das ja selbstverst\u00e4ndlich mit dem Auge mitwandert, gegen\u00fcber dem wirklich gesehenen Bild eine solche Bewegung tats\u00e4chlich machen mufs.\nIch m\u00f6chte dies durch folgende \u00dcberlegung besser verst\u00e4ndlich machen.\nWenn ich meine Leinwand binokul\u00e4r betrachte und durch Divergenz ein Tapetenph\u00e4nomen hervorrufe, so kann ich im Moment der Divergenzbewegung sehr gut sehen, wie das Bild meines linken Auges (mein linkes Auge geht dabei in Schiel-Stellung) \u00fcber das Bild des rechten Auges hinweggleitet; dabei habe ich den Eindruck, dafs die schiefstehenden Streifen meiner Leinwand sich parallel zu sich selber verschieben. So lange das Auge keine Raddrehung macht, sondern die Ablenkung im wesentlichen nur durch die Divergenz erfolgt, mufs diese Wanderung der Streifen immer so vor sich gehen, dafs sie parallel","page":212},{"file":"p0213.txt","language":"de","ocr_de":"liber ein subjektives optisches Ph\u00e4nomen usw.\n213\nzur urspr\u00fcnglichen Richtung bleiben. Auch wenn die Ablenkung durch Konvergenz oder durch H\u00f6henschielen zustande kommt, so mufs die Verschiebung beider Bilder so erfolgen, dafs ihre Streifen immer parallel zueinander bleiben.\nW\u00fcrde man ein Muster, wie es meine Leinwand zeigt, auf Glas zeichnen und dieses durchsichtige Muster vor einem ganz gleichen Muster vorbeibewegen, so m\u00fcfsten die Streifen des durchsichtigen Musters mit denen des anderen immer parallel sein, ob nun die Zugrichtung vertikal oder horizontal oder irgendeine schiefe ist, sobald nur der Rahmen des Musters parallel zur urspr\u00fcnglichen Lage bleibt und die Fl\u00e4chen nur aneinander vorbeischleifen und nicht aneinander vorbeigedreht werden. Die Bedingung ist, wie leicht verst\u00e4ndlich, immer dann erf\u00fcllt, wenn alle Punkte der bewegten Fl\u00e4che auf der feststehenden, bei der Bewegung gestaltgleiche Spurlinien bilden, gleichg\u00fcltig ob diese Linien gerade oder irgendwelche andere selbst unregelm\u00e4fsige krumme Linien darstellen, was immer f\u00fcr eine Gestalt diese auch haben m\u00f6gen.\nDa das Auge bei vollkommen gleichm\u00e4fsiger Beschaffenheit beider Muster keine M\u00f6glichkeit hat eine Verschiebung des einen Musters \u00fcber das andere in der Richtung der Streifen zu beurteilen, so wird die Komponente der Zugrichtung, die parallel zu den Streifen geht, unwirksam und man sieht das Muster nur in der auf den Streifenverlauf normalen Richtung sich verschieben. Nennen wir die parallele Komponente x, die normale y, die F\u00fchrungslinie c, so bleibt nur y wirksam. Dieselben Ausdr\u00fccke f\u00fcr die Geschwindigkeiten angewendet, ergeben, dafs y = c sin \u2022 \u00ab, wobei a der Winkel ist, den die F\u00fchrungslinie der Fl\u00e4che mit der Streifenrichtung einschliefst.\nIst die F\u00fchrungslinie eine krumme, so wird nur die scheinbare Gleitgeschwindigkeit der Fl\u00e4che in der Richtung y eine ungleichf\u00f6rmige werden, wenngleich die wirkliche Gleitgeschwindigkeit eine gleichf\u00f6rmige ist, an der scheinbaren Gleitrichtung wird sich aber nichts \u00e4ndern.\nWenn man das einfache Experiment ausf\u00fchrt, dafs man zwei gleiche Muster mit parallelen Streifen mit Tusche auf zwei d\u00fcnne Papiere zeichnet und diese Papiere an der Fensterscheibe aneinander vorbeibewegt, wobei man das Muster sch\u00f6n in der Durchsicht sieht, so kann man sich leicht davon \u00fcberzeugen, dafs, sobald obige Bedingung des Parallelbleibens der Streifen erf\u00fcllt ist, immer der Eindruck entsteht, dafs das bewegte Muster in der Richtung senkrecht auf die der Streifen gezogen wird, wie immer man auch zieht, wenn man nur nicht dreht.\n14*","page":213},{"file":"p0214.txt","language":"de","ocr_de":"214\nHumbert Bollett.\nDie Anwendung auf unseren Fall ist klar. So wie die durchsichtigen Papiere immer senkrecht auf die Streifenrichtung aneinander vorbei zu gleiten scheinen, ob nun die Zugrichtung wie immer verl\u00e4uft, so gleiten auch die Bilder beider Augen beim k\u00fcnstlichen Schielen aneinander vor\u00fcber und so mufs auch beim Monokul\u00e4rsehen das simultane Nachbild an dem Bild vor\u00fcbergleiten, wenn das eine beobachtende Auge \u00fcber das Bild hinwegschweift. Eine Scheinbewegung der ganzen Streifen senkrecht auf deren Verlaufsrichtung w\u00e4re also durch Konkurrenz von Bild und Nachbild sehr wohl erkl\u00e4rbar.\nVorl\u00e4ufig dadurch nicht erkl\u00e4rbar bleibt aber die Scheinbewegung einzelner leuchtender Punkte.\nUm diese zu erkl\u00e4ren dachte ich an folgendes. Wenn \u00fcberhaupt ein simultanes Nachbild an einer anderen Stelle entstehen soll als das wirkliche Bild, so mufs das Auge gr\u00f6fsere oder kleinere Bewegungen ausf\u00fchren, also beim Anschauen des Musters zittern. Darauf miifste ja auch die ganze Erkl\u00e4rung des Ph\u00e4nomens als Nachbildph\u00e4nomen beruhen.\nWenn dies aber geschieht, dann wechselt Erregung und Ruhe an sehr zahlreichen Netzhautstellen immer miteinander ab.\nDer Fall w\u00fcrde also dann so liegen, dafs die Netzhaut durch einen objektiv in Ruhe befindlichen Gegenstand intermittierend gereizt wird ; bei intermittierender Netzhautreizung entsteht leicht Flimmern.\nEs k\u00f6nnte also sehr wohl m\u00f6glich sein, dafs durch die intermittierende Netzhautreizung ein Flimmern hervorgerufen wird und dafs die fr\u00fcher geschilderte Nachbild Wanderung ein Moment abgibt, welches dieses Flimmern richtungbestimmend beeinflufst, so dafs daraus das Streifenph\u00e4nomen entsteht.\nAuch die Fortdauer des Flimmerns im Nachbild w\u00e4re hiernach nicht absolut unverst\u00e4ndlich.\nImmerhin w\u00e4re die Annahme, dafs die Augen auch bei scheinbar ruhiger Betrachtung des Musters stets zittern sollen, etwas gezwungen.\nWenn nun diese Auffassung zu Recht besteht, so sollte man erwarten, dafs durch willk\u00fcrliches Bewegen der Augen das Streifenph\u00e4nomen deutlicher wird.\nIch versuchte dies ; aber ich fand, dafs, wenn ich die Augen rasch \u00fcber die Fl\u00e4che meiner Leinwand hinweggleiten lasse, das","page":214},{"file":"p0215.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber ein subjektives optisches Ph\u00e4nomen usw.\n215\nPh\u00e4nomen nicht deutlicher wird, sondern betr\u00e4chtlich undeutlicher.\nIch f\u00fchrte nun noch einen anderen Versuch aus. Ein auf Papier gezeichnetes Muster, \u00e4hnlich dem auf der Tafel wieder-\nTafelerkl\u00e4rung.\nDie Figur auf der Tafel stellt ein einfaches Muster schwarzer und weither gleichbreiter Streifen vor; die Streifen sind unter einem Winkel von 45\u00b0 zum Horizont geneigt. (Blickt man das Muster bei guter oder besser noch bei etwas abgeschw\u00e4chter Beleuchtung aus gew\u00f6hnlicher Sehweite l\u00e4ngere Zeit an, so sieht man eine Scheinbewegung heller Punkte vorwiegend in der Richtung von links oben nach rechts unten.)\ngegebenen, an dem ich schon in k\u00fcrzester Zeit bei ruhiger Betrachtung ein sehr deutliches Streifenph\u00e4nomen sehe, wurde auf weifses Papier gelegt und mit der Hand so raseh hin- und herbewegt,","page":215},{"file":"p0216.txt","language":"de","ocr_de":"216\nHumbert Rollett.\ndafs ich die Streifen nicht mehr deutlich fixieren konnte ; ich konnte dabei kein Streifenph\u00e4nomen sehen. (Hierbei mufste das Ph\u00e4nomen allerdings durch die Bewegung des wirklichen Objektes verdeckt sein.)\nWenn ich nun das Muster rasch wegzog und auf das darunter befindliche weifse Papier starrte, so hoffte ich, das Ph\u00e4nomen so wie sonst im Nachbild zu sehen. Ich sah aber nichts dergleichen.\nAlso durch Bewegung des wirklichen Objektes wird die Entstehung des Streifenph\u00e4nomens nicht beg\u00fcnstigt, sondern abgeschw\u00e4cht oder ganz verhindert.\nDas scheint mir ein sehr gewichtiges Moment dagegen zu sein, dafs das Ph\u00e4nomen durch Bewegungen der Augen veranlagst sein k\u00f6nne.\nAlso auch als Nachbildph\u00e4nomen oder als Flimmerph\u00e4nomen bei intermittierender Netzhautreizung l\u00e4fst sich das Streifenph\u00e4nomen nicht auffassen.\nDiese Erkl\u00e4rungsversuche haben also fehlgeschlagen. Ich glaube aber dennoch, dafs es eine Erkl\u00e4rung f\u00fcr das Ph\u00e4nomen gibt, oder dafs es wenigstens m\u00f6glich ist, dem Verst\u00e4ndnis derselben bis zu einem gewissen Grad n\u00e4her zu kommen und zwar auf folgende Art.\nStellt man sich vor, was denn das Wesentliche an dem Muster ist, welches am deutlichsten das Streifenph\u00e4nomen ergibt, so ist es sicher die Art der Beleuchtung der Netzhaut in Form paralleler heller Streifen, zwischen denen sich dunklere unbelichtete befinden. Dafs diese Art der Beleuchtung die Ursache der Erscheinung ist, darauf deutet ja schon die so unbedingte Abh\u00e4ngigkeit der Erscheinung von der Figur auf der Netzhaut hin.\nEs fragt sich nun nur, ob man es bei diesem Hinweis bewenden lassen mufs, oder ob man auch das Moment an dieser Form der Netzhautbeleuchtung finden kann, welches das Streifenph\u00e4nomen hervorbringt.\nIch glaube dies ist wenigstens hypothetisch m\u00f6glich durch folgende \u00dcberlegung.\nEs ist eine bekannte physiologische Tatsache, dafs man von der durch Licht erregten Netzhaut, \u00e4hnlich wie vom erregten Muskel, Aktionsstr\u00f6me ableiten kann.","page":216},{"file":"p0217.txt","language":"de","ocr_de":"I\u00bb\nUber ein subjektives optisches Ph\u00e4nomen usw.\n217\nEs besteht also ein Potentialgef\u00e4lle zwischen einem erregten Netzhautteil und einem nicht erregten:\nWahrscheinlich entsteht dieses Potentialgef\u00e4ile durch einen Kolloidvorgang und gleicht sich nach Aufh\u00f6ren der Erregung durch den entsprechenden reversibelen Kolloidvorgang wieder aus.\nEs ist nun aber gar nicht unwahrscheinlich, dafs auch w\u00e4hrend der Fortdauer der Erregung eine Ausgleichsm\u00f6glichkeit dieser Potentialdifferenzen der einzelnen Netzhautteile durch die Netzhaut hindurch m\u00f6glich ist. Solche Ausgleichsstr\u00f6me k\u00f6nnen als inad\u00e4quate Reize ihrerseits wieder auf die Netzhautelemente wirken und so zur Wahrnehmung gelangen.\nDies ist nun allerdings eine Hypothese, die erst durch genauere Erforschung aller hier in Betracht kommenden Umst\u00e4nde bewiesen werden k\u00f6nnte.\nDie Hypothese erkl\u00e4rt aber unser Ph\u00e4nomen in der ungezwungensten Weise.\nDie optimalen Bedingungen f\u00fcr das Zustandekommen m\u00f6glichst starker solcher Str\u00f6me m\u00fcssen sein, dafs die halbe Netzhaut erregt, die halbe unerregt ist und zwar in der Art, dafs die erregten und die unerregten Stellen m\u00f6glichst vielfach und gleich-m\u00e4fsig verteilt sind. Wenn nun diese gleichm\u00e4fsige Verteilung etwa im Sinne des Schachbrettmusters oder im Sinne von Punktreihen und Gittern erfolgt, so werden diese Ausgleichsstr\u00f6me sehr verschiedene Richtungen haben und sich gegenseitig schw\u00e4chen. Erfolgt aber die gleichm\u00e4fsige Verteilung von Hell und Dunkel auf der Netzhaut im Sinne von parallelen Streifen, dann werden die Ausgleichsstr\u00f6me alle parallel laufen und dieStromkurven werden sich gegenseitig verst\u00e4rken, es wird somit das Optimum der Wirksamkeit eintreten.\nAll dies stimmt aufs beste mit den optimalen Bedingungen, unter denen das Streifenph\u00e4nomen zu beobachten ist.\nDie Abh\u00e4ngigkeit der Richtung der Scheinbewegung von der Stellung des Musters ist nach dieser Hypothese ohne weiteres einleuchtend, w\u00e4hrend keine andere Annahme hierf\u00fcr eine befriedigende Erkl\u00e4rung gibt.\nAuch die so r\u00e4tselhafte Fortdauer der Bewegungserscheinung im Nachbild ist durch diese Hypothese leicht erkl\u00e4rbar, denn so lange die chemischen Prozesse in den Netzhautelementen andauern (und das Nachbild ist ja ein Ausdruck der Fortdauer","page":217},{"file":"p0218.txt","language":"de","ocr_de":"218\nHumbert Rollett.\ndieses Prozesses in irgendeiner Form), solange sind auch die Bedingungen f\u00fcr das Entstehen von Potentialdifferenzen und hiermit auch f\u00fcr die M\u00f6glichkeit von Ausgleichsstr\u00f6men gegeben.\nSo sonderbar es im ersten Moment klingen mag, dafs man durch Betrachtung unseres Musters die Netzhaut gewissermafsen elektrisiert, so wenig Befremdliches hat diese Annahme bei genauerer Betrachtung.\nDie primitiven Voraussetzungen der Hypothese sind wenigstens sicher festgestellte Tatsachen. Dafs sich von der Netzhaut bei Belichtung Str\u00f6me ableiten lassen, ist eine \u00fcber allen Zweifel erhabene Tatsache. Dafs die Netzhaut auf eielektrische Reizung in spezifischer Weise reagiert, erscheint ebenfalls sichergestellt.\nDafs Str\u00f6me derselben Provenienz wie die, welche von der Netzhaut ableitbar und durchs Galvanometer nachweisbar sind, bei st\u00e4rkerem Potentialgef\u00e4lle sich auch durch die Netzhaut selbst hindurch ausgleichen k\u00f6nnen, erscheint sehr wahrscheinlich (wenngleich nicht bewiesen).\nNat\u00fcrlich f\u00fchrt die Hypothese in dunkle Gebiete. Man kann sich zwar \u00fcber die Entstehung der Netzhautstr\u00f6me, seit bekannt ist, dafs die Netzhaut (wenigstens des Frosches) durch Belichtung sauer wird, dafs Diaphragmen durch kleine S\u00e4uremengen maximal aufgeladen werden, und dafs wahrscheinlich Membranen der Sitz der bioelektrischen Kr\u00e4fte sind, \u00fcber das Wesen des Aktionsstromes der Netzhaut bestimmte Vorstellungen machen.1\nOb die feinere experimentelle Erforschung dieser Fragen in K\u00fcrze so weit fortschreiten wird, dafs man ihre Resultate mit subtileren Wahrnehmungen des menschlichen Auges in direkte Beziehung wird bringen k\u00f6nnen, erscheint in Frage gestellt, da dieses Gebiet sehr grofse experimentelle Schwierigkeiten zu bieten scheint.\nDies w\u00e4re aber n\u00f6tig, um die hier gegebene Hypothese beweisen oder vollst\u00e4ndig ablehnen zu k\u00f6nnen.\nVielleicht k\u00f6nnte die Hypothese selbst bei der Beantwortung von Fragen innerhalb des hier in Betracht kommenden h\u00f6chst interessanten Wissensgebietes von Nutzen sein. \u2014\nIch mufs mich hier darauf beschr\u00e4nken zu bemerken, dafs meiner Meinung nach dermalen nichts gegen die Hypothese\n1 Vgl. hier\u00fcber H\u00f6ber: Physikalische Chemie der Zelle und der Gewebe. 3. Aufl., Kap. 12.","page":218},{"file":"p0219.txt","language":"de","ocr_de":"Uber ein subjektives optisches Ph\u00e4nomen usiv.\n219\nspricht. Es spricht nichts dagegen, dafs derartige elektrische Str\u00f6me in der Netzhaut vorhanden sein k\u00f6nnen, es spricht auch nichts dagegen, dafs sie in der dem Streifenph\u00e4nomen entsprechenden Form zur Wahrnehmung gelangen k\u00f6nnen.\nUnd es scheint, dafs diese Hypothese die beste Erkl\u00e4rung f\u00fcr das Streifenph\u00e4nomen gibt.\nIch will dies im folgenden noch etwas n\u00e4her begr\u00fcnden. Wenn wir uns das Netzhautrelief schematisch als eine Reihe runder Felder darstellen und dieses Mosaik in einzelne Streifen teilen, von denen der eine Streifen positiv der andere negativ geladene Elemente enth\u00e4lt, so mufs der Ausgleich der Elektrizit\u00e4ten immer l\u00e4ngs einer Kette von Netzhautelementen erfolgen, deren Richtung senkrecht auf die der Streifen steht.\nZeichnet man sich in ein solches Muster den Gang der Teilstr\u00f6me als sogenannte Stromkurven ein, so sieht man leicht, dafs das Maximum der Elektrizit\u00e4tsbewegung sich l\u00e4ngs solcher senkrecht auf der Richtung der Streifen stehender Linien vollziehen mufs. Da die ausgeglichene Potentialdifferenz sich durch die Belichtung immer wieder herstellt, so wird dieser Ausgleich immer wieder und wieder erfolgen, sobald die n\u00f6tige Potentialdifferenz wieder hergestellt ist, und die Spannung so stark ist, dafs sie die Widerst\u00e4nde durchbrechen kann. Wie sollte sich so ein rasches periodisches Durchstr\u00f6mtwerden der Netzhaut durch zahlreiche parallele Str\u00f6me \u00e4ufsern?\nIst es nicht von vornherein schon wahrscheinlich, dafs es sich als Auftreten zahlreicher heller oder dunkler Punkte, vielmehr kurzer Linien \u00e4ufsern mufs, die alle parallel zueinander stehen und nach der Analogie fallender Flocken als Punktbewegungen interpretiert werden m\u00fcssen.\nNoch eines. Zeichnen wir in das fr\u00fcher angedeutete Schema die Stromkurven ein, so sehen wir, dafs die Elektrizit\u00e4tsverschiebung l\u00e4ngs einer Linie in unserem Schema eine um so geringere wird je spitzer der Winkel wird, den diese Linie mit der Richtung der Streifen einschliefst. L\u00e4ngs einer Linie, die von der Senkrechten auf die Streifen nur wenig abweicht, mufs also die Elektrizit\u00e4tsverschiebung noch ziemlich hohe Werte haben.\nAll dies stimmt aufs Haar mit den Tatsachen bei Beobachtung des Streifenph\u00e4nomens. \u201eDie Punktbewegung h\u00e4lt die Richtung normal auf die der Streifen ein. Man kann aber sehen,","page":219},{"file":"p0220.txt","language":"de","ocr_de":"220\nHumbert Rollett.\ndafs einzelne Punkte Bewegungen machen, die um einen geringen Winkelwert von der Normalen abweichen.\u201c\nIch beobachtete diese Tatsachen, bevor ich an die M\u00f6glichkeit einer Erkl\u00e4rung dachte. Sie stimmen genau mit dem, was man aus der Hypothese deduzieren k\u00f6nnte.\nEin weiterer Umstand, der f\u00fcr die Hypothese spricht ist der.\nZeichnen wir uns die Stromkurven in ein Schema mit rhombischem Gitter, so werden wir dichtere Stromkurven in der Richtung der kleineren Diagonale zeichnen m\u00fcssen als in der der grofsen. Der Hauptausgleich der Elektrizit\u00e4ten wird sich zwar nicht genau in der Richtung der kleineren Diagonale aber zu beiden Seiten derselben in Linien von wenig abweichendem Winkelwert vollziehen. \u00dcber die Ecken hin\u00fcber wird das Maximum des Ausgleiches auch ann\u00e4hernd in der der k\u00fcrzeren Diagonalen entsprechenden, Richtung gehen. Auch das stimmt mit der oben mitgeteilten Beobachtung \u00fcberein.\nBez\u00fcglich der Wahrnehmungsm\u00f6glichkeit des Ph\u00e4nomens an quadratischen Gittern von weifs auf schwarz und von schwarz auf weifs mufs ich nochmals betonen, dafs das Ph\u00e4nomen an solchen Mustern nur sehr schwer und nur bei herabgesetzter Beleuchtung beobachtet werden kann.\nWarum diese Herabsetzung der Beleuchtung, speziell f\u00fcr diesen Fall besonders notwendig ist, weifs ich nicht anzugeben.\nBei Konstruktion der Stromkurven f\u00fcr quadratische Felder kommen wir darauf, dafs diese Kurven parallel zu den Quadratseiten gezeichnet werden m\u00fcssen, soweit sie innerhalb der Quadratfl\u00e4chen liegen. (Sie m\u00fcssen sich gegenseitig stark abschw\u00e4chen.) In den Schnittpunkten der die Quadratfl\u00e4chen begrenzenden dunklen Linien oder besser gesagt Streifen (diese sind in den Mustern, in denen ich das Ph\u00e4nomen bei Quadratmustern noch deutlich sehe, gleichbreit wie die Quadratfl\u00e4chen) mufs aber die Sache anders sein. Hier liegt die k\u00fcrzeste Verbindungslinie des Mittelpunktes der \u00dcberkreuzungsstelle der schwarzen Balken mit der von den Balken eingeschlossenen hellen Fl\u00e4che in der Richtung der Diagonalen der Quadratfl\u00e4chen, sonach wird in den \u00dcberkreuzungsstellen die gr\u00f6fste Elektrizit\u00e4ts-Bewegung in der Richtung der Diagonalen erfolgen. Man sieht nun bei quadratischen Gittern, sofern man das Streifenph\u00e4nomen \u00fcberhaupt wahrnehmen kann, die Erscheinung in den Schnittpunkten der Gitterbalken am deutlichsten, w\u00e4hrend man es an den ein-","page":220},{"file":"p0221.txt","language":"de","ocr_de":"Uber ein subjektives optisches Ph\u00e4nomen usw.\n221\ngeschlossenen Fl\u00e4chen nur sehr wenig oder gar nicht sieht. (Die Beobachtung ist \u00e4ufserst subtil und erfordert \u00dcbung, Aufmerksamkeit und optimale Bedingungen von seiten der Beleuchtung.) Man sieht aber unter diesen Umst\u00e4nden, wie ich ausdr\u00fccklich\nhervorheben mufs, ein Bewegungsph\u00e4nomen in den Ecken\n\u2022 \u2022\nund nicht nur ein Uberleuchtetwerden dunkler Ecken durch weifses Licht. Es mufs also die Erscheinung andere Gr\u00fcnde haben als die Irradiation des Lichtes in den Ecken solcher Muster.\nMan sieht die Erscheinung auch bei weifsem Gitter auf schwarzem Grund, was jedenfalls nicht auf Irradiation bezogen werden kann, da ja nur das Licht irradiieren kann, nicht aber der Schatten.\nEs l\u00e4fst dieser Umstand auch die M\u00f6glichkeit erw\u00e4gen, dafs vielleicht nicht alles Irradiation ist, was als solche aufgefafst wird.\nEs stimmen meiner Meinung nach auch diese Erfahrungen an quadratischen Gittern wegen des besonderen Verhaltens der Gitterecken mit der Hypothese \u00fcberein, trotzdem die Diagonale innerhalb der Quadratfi\u00e4che eigentlich der Ort der geringsten Strombewegung sein m\u00fcfste.\nVielleicht l\u00e4fst sich mit den hier er\u00f6rterten Verh\u00e4ltnissen eine Erscheinung in Beziehung bringen, die ich an auf vollst\u00e4ndig tiefschwrarzem Rufspapier gezeichneten weifsen quadratischen Gittern sehen konnte. Die schwarze Quadratfl\u00e4che zwischen den weifsen Linien erschien in der Richtung der Diagonalen am sattesten und reinsten schwarz.\nEs er\u00f6ffnet sich bez\u00fcglich der Beobachtung solcher Erscheinungen, die allerdings sehr subtil sind, noch ein weites Feld.\nDas genauere Studium dieser Ph\u00e4nomene und die Analogisierung der hier direkt gegebenen sinnlichen Ph\u00e4nomene mit den Kraftlinien eines magnetischen Feldes scheint wohl eines eingehenden Studiums wert zu sein.\nWenn eine exakte Durchf\u00fchrung des Vergleiches der Verteilung von Stromkurven in flachen Platten unter Ber\u00fccksichtigung der Verh\u00e4ltnisse, wie sie in der Netzhaut wirklich vorliegen k\u00f6nnen (also dafs wir es mit diskreten Elementen zu tun haben, und dafs es sich insgesamt um Leiter zweiter Ordnung, also Ionenwanderung handelt), sich als m\u00f6glich erwiese, so k\u00f6nnten damit Erkenntnisse gewonnen werden, die f\u00fcr sinnesphysiologische Betrachtungen im allgemeinen von h\u00f6chstem prinzipiellen Interesse w\u00e4ren, und die hier wiedergegebenen Anschauungen w\u00fcrden damit weit \u00fcber den Rahmen einer Hypothese, die zur Erkl\u00e4rung eines zuf\u00e4llig beobachteten optischen Einzelph\u00e4nomens dienlich ist, hinausgehoben werden.","page":221},{"file":"p0222.txt","language":"de","ocr_de":"222\nHumbert Rollett.\nIch mufs mich hier auf diese Andeutungen beschr\u00e4nken. Will aber selbst in dieser Hinsicht weiter forschen.\nBez\u00fcglich der fr\u00fcher erw\u00e4hnten Regel der Pr\u00e4valenz der Oben-Unten-Bewegung m\u00f6chte ich es dahingestellt sein lassen, ob sie in der Netzhaut begr\u00fcndet ist. Es erscheint durch den Umstand, dafs die Regel nicht ausnahmslos f\u00fcr alle Beobachter im gleichen Mafse gilt, viel wahrscheinlicher, dafs sie einen psychologischen Grund hat.\nVielleicht ist unsere Aufmerksamkeit und unsere psychische Verarbeitungsf\u00e4higkeit durch die Gewohnheit der Fallbeobachtung derartig beeinflufst, dafs wir (bei schwachen Reizen) ein Ph\u00e4nomen, das sich objektiv ebenso leicht als Oben-Unten- wie Unten-Oben-Bewegung auffassen liefse, lieber als Oben-Unten-Bewegung deuten, weil wir an diesen optischen Komplex mehr gew\u00f6hnt sind.\nNoch eine Bemerkung sei erlaubt. Der st\u00e4rkste Ausgleich von elektrischen Energien wird in der Netzhaut dort erfolgen, wo die verschieden geladenen Elemente unmittelbar aneinandergrenzen, also am Rande der Streifen im Netzhautbild. Dort k\u00f6nnen ev. vollst\u00e4ndige Umladungen benachbarter Elemente stattfinden.\nEs k\u00f6nnten hierdurch belichtete Elemente oder vielleicht Gruppen von solchen den elektrischen Zustand von unerregten annehmen oder auch umgekehrt. Dadurch w\u00fcrde, wenn dieser Zustand mit dem optischen Verhalten kombiniert ist, also in der Empfindung zum Ausdruck kommt, was anzunehmen ist, die schwarzen Streifen gewissermafsen Forts\u00e4tze kriegen, mit denen sie in das Gebiet der weifsen hineinragen und umgekehrt. Ist es nicht sehr verlockend auf solche Momente die wellige Verkr\u00fcmmung der Streifen bei l\u00e4ngerer Betrachtung zur\u00fcckzuf\u00fchren. Jene Erscheinung, die ich oben unter der Bezeichnung das erste auffallende Ph\u00e4nomen beschrieben habe und f\u00fcr die ich fr\u00fcher keine Erkl\u00e4rung gab, weil mir absolut keine Erkl\u00e4rungsm\u00f6glichkeit daf\u00fcr einfiel, bevor ich diese Hypothese konzipiert hatte.\nMan k\u00f6nnte vielleicht dieses Ph\u00e4nomen auch als eine Meta-morphopsie durch Netzhautzittern deuten, wobei aber f\u00fcr dieses Zittern selbst wieder die zahlreichen, die Netzhaut durchziehenden elektrischen Entladungen verantwortlich zu machen w\u00e4ren. Doch","page":222},{"file":"p0223.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber ein subjektives optisches Ph\u00e4nomen usw.\n223\nerscheint diese Annahme weniger wahrscheinlich als die eben vorgebrachte.\nIch m\u00f6chte hier nur noch erw\u00e4hnen, dafs es mir sehr plausibel scheint, dafs auch die unangenehmen Sensationen, die man bei Beobachtung des Streifenph\u00e4nomens hat, und die ich fr\u00fcher mehrfach erw\u00e4hnte, darin ihre Ursache haben k\u00f6nnen, dafs die Netzhaut durch die zahlreichen sie durchziehenden elektrischen Str\u00f6me von besonderer Intensit\u00e4t gewissermafsen in einen unnat\u00fcrlichen Zustand versetzt wird.\nEs w\u00e4re noch zn erw\u00e4gen, ob nicht auch der Augenhygieniker zu Worte kommen sollte um bez\u00fcglich der l\u00e4ngeren intensiven Betrachtung von Streifenmustern, die ja gewerblich Vorkommen, zu warnen.\nDiese Andeutungen m\u00f6gen gen\u00fcgen um die er\u00f6rterte Hypothese hier zur Diskussion zu stellen. Inwieweit sie der exakten experimentellen Forschung zug\u00e4nglich gemacht werden k\u00f6nnen, ist eine Frage, \u00fcber die ich vorl\u00e4ufig nichts Bestimmtes aus-sagen kann. \u2014\nUnd so will ich denn die Ergebnisse meiner Bem\u00fchungen, das Streifenph\u00e4nomen zu erkl\u00e4ren, in folgenden S\u00e4tzen zusammenfassen :\n1.\tEs erscheint sichergestellt, dafs die von mir beobachtete und hier unter dem Namen \u201edas Streifenph\u00e4nomen\u201c beschriebene, subjektive, optische Erscheinung sich in direkter Abh\u00e4ngigkeit befindet von der Figur, bei deren Betrachtung sie wahrgenommen wird, beziehungsweise von der Art und Weise, wie die Netzhaut bei Betrachtung der Figur beleuchtet wird.\n2.\tBestimmte \u00c4nderungen der Figur erzeugen auch bestimmte gesetzm\u00e4fsige Ver\u00e4nderungen des Streifenph\u00e4nomens.\n3.\tEingreif ende Ver\u00e4nderungen der Figur bringen das Streifenph\u00e4nomen zum Verschwinden.\n4.\tEs erscheint wahrscheinlich, wenngleich zurzeit nicht beweisbar, dafs das Streifenph\u00e4nomen in, die Netzhaut durchziehenden, elektrischen Str\u00f6men seine Ursache hat. Diese Str\u00f6me geh\u00f6ren zu den durch Lichteinwirkung auf die Netzhaut entstehenden","page":223},{"file":"p0224.txt","language":"de","ocr_de":"224\nHumbert Rollett.\nStr\u00f6men, und werden durch die besondere Art der Netzhautbeleuchtung, welche durch die Betrachtung der das Streifenph\u00e4nomen erzeugenden Figur bedingt ist, so intensiv, dafs sie zur sinnlichen Wahrnehmung gelangen k\u00f6nnen.\nZum Schl\u00fcsse sei es mir noch gestattet Herrn Dozenten R. H. Kahn in Prag, Herrn Prof. A. Birnbacher und Herrn Prof. 0. Zoth in Graz, welche meine Beobachtungen, soweit sie das Grundph\u00e4nomen betreffen, in liebensw\u00fcrdiger Weise kontrollierten und best\u00e4tigten, vor allem aber Herrn Prof. St. Witasek in Graz f\u00fcr das rege f\u00f6rdernde Interesse an meinen Beobachtungen bestens zu danken.","page":224}],"identifier":"lit33600","issued":"1912","language":"de","pages":"198-224","startpages":"198","title":"\u00dcber ein subjektives optisches Ph\u00e4nomen bei der Betrachtung gestreifter Fl\u00e4chen","type":"Journal Article","volume":"46"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:47:33.949282+00:00"}