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Über die kompensatorische Gegenwendung der Augen bei spontan bewegtem Kopfe [Schluß]

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{"created":"2022-01-31T14:46:37.113228+00:00","id":"lit33628","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"Gertz, Hans","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 48: 1-27","fulltext":[{"file":"p0001.txt","language":"de","ocr_de":"1\n(Aus dem physiologischen Institut der Universit\u00e4t Lund.)\n\u00dcber die kompensatorische Gegenwendung der Augen\nbei spontan bewegtem Kopfe.\nVon\nHans Gertz.\n(Schlufs.)\nIII.\nIst somit die Art der Richtungskompensation des Blickes approximativ bekannt f\u00fcr relativ grofse Drehungsbetr\u00e4ge (10\u00b0 bis 30\u00b0), so fragt sich weiter, wie kleinere und namentlich kleinste Drehungen sich in dieser Hinsicht verhalten. Denn a priori ist nicht zu wissen, sondern erscheint es vielmehr recht unsicher, ob die erhobenen Befunde auch f\u00fcr Minimaldrehungen Geltung haben. Was betrifft die untere Grenze f\u00fcr die Weite willk\u00fcrlich ausf\u00fchrbarer Kopfdrehungen, so liegt diese f\u00fcr mich bei 1/20 \u00e0 1\u00b0. Ein an der Stirn angebrachter Planspiegel reflektierte das Licht einer fernen Lichtquelle gegen eine gleich entfernte Wand; bei m\u00f6glichst kleinen spontanen Kopfdrehungen machte der Reflex Winkelexkursionen (aus den linearen Exkursionen auf der Wand und dem Abstande dieser bestimmbar), die im allgemeinen zwischen 1\u00b0 und 2\u00b0 variierten.\n1. Die gestellte Frage kann erstens mit einer ophthalmoskopischen Methode angegriffen werden. Vor dem beobachteten Auge l\u00e4fst man erscheinen eine unendlich entfernte, sehr helle und scharf begrenzte Lichtquelle. Diese bildet sich auf dem Augenhintergrunde an einer gewissen Stelle ab, welche nur mit der Blickrichtung des Auges sowie mit dessen Drehung um diese Richtung variiert, aber im besonderen sonst nicht von Lage\u00e4nderungen des Kopfes abh\u00e4ngt. Kann der Untersucher\nZeitsclir. f. Sinnesphysiol. 48.\t1","page":1},{"file":"p0002.txt","language":"de","ocr_de":"2\nHans Gertz.\nzugleich ophthalmoskopisch jenes Fundusbild beobachten, so hat er M\u00f6glichkeit, nach dessen Verschiebung gegen die Netzhautdetails, speziell die Gef\u00e4fse, die Deviationen der Blickrichtung zu beurteilen \u2014 falls das Auge keine st\u00f6rende Schr\u00e4gstellung oder Raddrehung erleidet. Meine Versuchsanordnung war die folgende. Im Brennpunkte jener schon benutzten Plankonvexlinse (und ihrer Plan&\u00e4che zugekehrt) befand sich die Mitte des (geradlinigen) Gl\u00fchstabes einer nackten Nernstlampe, und jenseits der Linse war eine planparallele Glasplatte schr\u00e4g aufgestellt, so dafs sie parallelstrahlige Lichtb\u00fcndel nahehin rechtwinklig abreflektierte. Gegen dieses gespiegelte Licht blickte das beobachtete Auge, w\u00e4hrend der Untersucher jenseits des Glasplatte durch diese unmittelbar in die Pupille hineinsah und das Fundusbild beobachtete. Blickt der Untersuchte passend schr\u00e4g gegen die Strahlrichtung, damit jenes Bild in die N\u00e4he der Papille kommt und benutzt der Untersucher sein gleichnamiges Auge (wie bei direkter Ophthalmoskopie \u00fcblich ist), so geht die Hauptvisierlinie des beobachteten Auges frei (durch die Glasplatte oder neben ihr) dem Kopfe des Beobachters vorbei, und kann auf einen entfernten, gleichm\u00e4fsigen Grund (ohne Merkpunkte) gerichtet werden \u2014 es war so bei meinen Versuchen der Fall. Es hat keine Schwierigkeit, das fragliche Fundusbild zu sehen, man findet bald die richtige Sehrichtung, bei welcher dasselbe, ein kurzer, r\u00f6tlichgelber Strich, im schwarzen Pupillarfelde zum Vorschein kommt. K\u00fcnstliche Pupillendilatation ist weder n\u00f6tig noch n\u00fctzlich. Die Versuche betrafen haupts\u00e4chlich normalsichtige emmetrope Augen, und wurde das Lichtbild makularw\u00e4rts, nach oben oder unten neben der Papille, zuweilen auch auf einem der papill\u00e4ren Gef\u00e4fsst\u00e4mme entworfen, wobei es noch bemerkenswert wenig verwaschen, oder relativ gut gezeichnet war. Seine Winkelbreite, im Gesichtsfelde des Untersuchers, kann als Ver-gleichsmafs zur Sch\u00e4tzung der zu beobachtenden Verschiebungen dienen und bestimmt sich leicht approximativ durch Vergleich mit einem an der Glasplatte hineinreflektierten Objekt bekannter Winkelgr\u00f6fse. F\u00fcr jene normalen Augen wechselte die Winkelbreite des Lichtbildes \u2014 je nach seinem Orte, seiner horizontalen oder vertikalen Orientierung und je nach der Versuchsperson \u2014 zwischen etwa 5' und 15', betrug aber gew\u00f6hnlich zwischen 7' und 10' oder etwa das doppelte ihres Wertes bei idealer Abbildung, n\u00e4mlich der Winkelbreite des in der Linse gesehenen Gl\u00fchstabes.","page":2},{"file":"p0003.txt","language":"de","ocr_de":"Kompensatorische Gegenwendung der Augen bei spontan bewegtem Kopfe. 3\nAn einigen untersuchten Augen mit weniger guten Abbildungs-Verh\u00e4ltnissen wTar das Lichtbild viel breiter und unscharfer; solche F\u00e4lle gestatten zwar keine so genaue quantitative Beurteilung, wohl aber meist eine befriedigende Feststellung der Haupttatsache. Zum Versuch wurde durch Neigungs\u00e4nderung der (durch Schraube verstellbaren) Glasplatte das Lichtbild dicht am Bande eines gleichgerichteten Netzhautgef\u00e4fses oder gerade auf dasselbe eingestellt, w\u00e4hrend der Beobachtete auf eine 9 m entfernte, sehr grofse, leere Fl\u00e4che hinsah. Nat\u00fcrlich kann letzterer nicht lange dieselbe Blickrichtung einhalten, weshalb die Einstellung nach und nach korrigiert werden mufs. Es ist hierbei, zur Orientierung auf dem Augenhintergrunde, sehr vorteilhaft oder fast notwendig, die n\u00e4chste Umgebung um das helle Bild des Gl\u00fchstabes schw\u00e4cher erleuchtet zu haben; einen solchen Lichthof liefern die Frontfl\u00e4che des Porzellank\u00f6rpers und die Heizungsspirale der nackten Lampe. Die Versuchsperson machte entweder einzelne Drehungen oder je eine Reihe von einigen solchen hin und her, etwa 3\u201410 in der Sekunde, je nachdem ihre Breite gr\u00f6fser oder kleiner war ; dieselben erfolgten wie fr\u00fcher um die Quer- oder H\u00f6henachse mit den Augen approximativ in Prim\u00e4rstellung \u2014 wobei das Lichtbild horizontale bzw. vertikale Lage hatte \u2014, so dafs Schr\u00e4gstellung und Raddrehung der Augen belanglos klein waren. Es sind hier die Kopfdrehungen nur in solchem Umfange der Beobachtung zug\u00e4nglich, dafs die Exkursionen der Pupille des beobachteten Auges noch nicht gleich ist der Summe der Pupillendurchmesser dieses und des beobachteten Auges, da an dieser Grenze das Lichtbild \u2014 durch Abblendung der Strahlung von demselben \u2014 aus dem Gesichtsfelde des Untersuchers schwindet und schon etwas fr\u00fcher zu lichtschwach und undeutlich wird. Demnach beziehen sich die Beobachtungen auf Drehungen von einer Winkelbreite zwischen ihrem oben erw\u00e4hnten Minimalwert, ]/2\u00b0 & 1\u00b0 und ca. 5\u00b0. Das Grundprinzip der Versuchsmethode kommt darauf hinaus, dafs die Bedingungen f\u00fcr die Abbildung des Gl\u00fchstabes auf den Augenhintergrund des beobachteten Auges unver\u00e4ndert dieselben bleiben, so lange dieses Auge im Raume parallel (ohne Drehung) verschoben wird, und fordert mithin, dafs die verwendete Linse und Glasplatte, wenigstens innerhalb des Exkursionsbereiches des Auges, hinl\u00e4nglich frei von optischen Fehlern sind. Namentlich die Glasplatte\nbedarf in dieser Hinsicht sorgf\u00e4ltiger Pr\u00fcfung. Wie aus den\n1*","page":3},{"file":"p0004.txt","language":"de","ocr_de":"4\nHans Gertz.\noben (47, S. 424) mitgeteilten Daten \u00fcber die Linse ersichtlich, war von seiten dieser kein merklicher Fehler zu bef\u00fcrchten, und noch weniger war es mit der Glasplatte, einem vorz\u00fcglich exakten optischen Glase, der Fall. Selbstverst\u00e4ndlich mufs noch das beobachtete Auge auf das Fundusbild m\u00f6glichst scharf eingestellt, also n\u00f6tigenfalls entsprechend korrigiert sein, und zwar dies nicht allein im Interesse der Beobachtungsgenauigkeit, sondern auch weil sonst, durch die Ver\u00e4nderlichkeit der Abblendung, \u00e4hnliche scheinbare Orts- und Form\u00e4nderungen des Lichtbildes zustande kommen, wie sie unten gelegentlich der Aberration zu erw\u00e4hnen sind.\nEs stellte sich nun \u2014 und mehrere Beobachter konnten meine Resultate best\u00e4tigen \u2014 im allgemeinen eine geringe, f\u00fcr mittlere Drehungsgr\u00f6fse etwa 10' \u00e0 15' betragende, mit der Kopfbewegung synchrone Verschiebung zwischen dem Gef\u00e4fs und dem neben ihm gelegenen Lichtbild heraus, und erfolgte diese in entgegengesetzter Richtung wie die, welche ein Mitfolgen des Auges (mit dem Kopfe) anzeigen w\u00fcrde: das Gef\u00e4fs verschob sich gegen das Bild in gleicher Richtung wie das Gesicht des Beobachteten. F\u00fcr die Beurteilung dieses Befundes kommt erstens die Aberration des Auges in Betracht ; im Mafse wie mehr periphere Pupillenabschnitte das (vom Beobachter gesehene) Bild liefern, erscheint dieses zunehmend verschoben, verzerrt und unscharf. Liegt jedoch das Lichtbild (von innen oder aufsen) einem Gef\u00e4fsrande unmittelbar an, so kann der genannte Umstand keine Verschiebung zwischen beiden zum Vorschein bringen, wohl aber m\u00f6glicherweise das Urteil erschweren oder gewisseiv mafsen irref\u00fchren, durch die Bewegung und Verzerrung des. Gesamtbildes, ln R\u00fccksicht kommt noch eine parallaktische Verschiebung zwischen dem oberfl\u00e4chlich gelegenen Netzhaut-gef\u00e4fs und dem dahinter auf der Pigmentschicht entworfenen. Lichtbild \u2014 das ophthalmoskopische Gegenst\u00fcck zu dem bekannten Versuche, die Netzhautgef\u00e4fse entoptisch zu beobachten. Setzt man die in der Austrittspupille des beobachteten Auges erfolgende Exkursion des Zentralstrahls des ein Fundusdetail abbildenden B\u00fcndels zu 4 mm, den Abstand zwischen jener Austrittspupille und der Netzhaut zu rund 20 mm, die Entfernung von den Zentralgef\u00e4fsen zu^ Pigmentschicht zu 0,25 mm und die vordere Brennweite des Auges zu 17 mm, so berechnet sich approximativ die entsprechende Parallaxgr\u00f6fse \u00f4 = in Bogenmafs (4-0,25) : (20*17)\u25a0= 0,003, oder in Winkelmafs = rund 10'. Tat-","page":4},{"file":"p0005.txt","language":"de","ocr_de":"Kompensatorische Gegenwendung der Augen hei spontan bewegtem Kopfe. 5\ns\u00e4chlich ist diese Parallaxe, welche eine Verschiebung in dem erw\u00e4hnten Sinne geben mufs, bei mittlerer Pupillenweite auch deutlich zu sehen, wenn man das Lichtbild quer \u00fcber ein gr\u00f6beres Gef\u00e4fs einstellt; bei Verschiebungen hin und her in der Richtung des Gef\u00e4fses erscheinen hin- und hergehende, noniusartige Knickungen des Bildes an den Gef\u00e4fsr\u00e4ndern. Es ist nun der Einflufs s\u00e4mtlicher, die Beobachtung komplizierender Umst\u00e4nde leicht in Anschlag zu bringen, und zwar indem umgekehrt der Beobachter sein Auge seitlich verschiebt, w\u00e4hrend der Beobachtete ruhig einen fernen Punkt fixiert. Bei solchen, selbstverst\u00e4ndlich stets neben den ordin\u00e4ren Beobachtungen ausgef\u00fchrten Kontroll-versuchen waren auch geringe Verschiebungen zwischen Lichtbild und Gef\u00e4fs wahrzunehmen, welche immer an Richtung, und bei f\u00fcnf unter neun eingehend untersuchten Personen ann\u00e4hernd auch an Gr\u00f6fse mit jenen ordin\u00e4r beobachteten \u00fcbereinstimmten. Letztere waren bei drei Beobachteten ein wenig gr\u00f6fser als die ersteren, was eine geringe Uberkorrektion der Blickrichtung besagt. Ein paarmal zeigten sich ganz grofse, gegen 1\u00b0 betragende, der Kopfdrehung entgegengerichtete Augendeviationen ; diese r\u00fchrten offenbar davon her, dafs zuf\u00e4llig die Blicklinie des beobachteten Auges zu nahe neben dem erleuchteten Rand der Glasplatte verlief: dieser bewegt sich scheinbar entgegengerichtet und attrahiert den Blick. Nachdem die Blickrichtung geh\u00f6rig weit davon verlegt worden war, reduzierten sich die Deviationen auf das gew\u00f6hnliche Mafs. Die Versuche lehren also, dafs, bei Kopfdrehungen angegebener Art, die Blickrichtung an (beiden Augen von) f\u00fcnf Beobachteten bemerkenswert genau kompensiert wird, und zwar bis auf Abweichungen, die unter der Grenze der erzielbaren Beobachtungsgenauigkeit kommen, und die ich auf allerh\u00f6chst 5\u00b0/0 der Drehungsbreite sch\u00e4tzen m\u00f6chte. Drei Beobachtete boten eine geringe, nicht \u00fcber 10% des Drehungswinkels betragende \u00dcberkorrektion dar. An einer Versuchsperson endlich hatte die \u00dcberkorrektion einen gr\u00f6fseren, sch\u00e4tzungsweise auf 20\u00b0/0 \u00e0 30\u00b0/0 zu bemessenden Wert; das Lichtbild bewegte sich von der einen Seite eines dicken Gef\u00e4fses zur anderen.\nMit aller Sorgfalt und Aufmerksamkeit habe ich wieder hier nach den Anzeichen eines versp\u00e4teten Einsetzens der Kompensatorischen Blickbewegung gegen die Kopfbewegung (sowie eines Fortdauerns jener nach dem Aufh\u00f6ren dieser) gesucht, ohne jedoch auch nur eine Andeutung dazu zu finden. Die","page":5},{"file":"p0006.txt","language":"de","ocr_de":"6\nHans Gertz.\nKompensationsbewegung schmiegt sieh sowohl zeitlich wie nach Art der Bewegung aufs genaueste der Kopfdrehung an. Diese Versuche leiden gar nicht an der Komplikation, \u2014 den unwillk\u00fcrlichen, der Kopfdrehung gleichsinnigen Blickwendungen \u2014 welche bei den in II mitgeteilten so erheblich st\u00f6rt. Die Ursache ist wohl die, dafs die Kopfdrehungen hier kleiner sind, als die habituell mit Blickwendungen assoziierten.1\n2. Wenn es weiterhin gilt, die Versuche zu variieren unter Verlegung des Blickpunktes in anderem, k\u00fcrzerem Abstande, so pafst hierzu nicht gut das ophthalmoskopische Verfahren, weil die eintretende Akkommodation die Verh\u00e4ltnisse zu viel kompliziert. Andere Auswege stehen doch offen. Ein subjektives, messend verwertbares Verfahren ergibt sich durch Anwendung der entoptischen Gef\u00e4fsschattenfigur. Man entwirft mit einer Sammellinse in der Luft ein kleines intensives Lichtbildchen (z. B. von einem Nernststabe) und bringt die temporale Skleral-fl\u00e4che seines Auges am Orte desselben. Bei kleinen Drehungen des Kopfes streicht das Bild auf der Sklera hin und her, und der Beobachter sieht, gegen einen passenden Hintergrund, den Gef\u00e4fsbaum sich im selben Tempo bewegen; durch Vergleich mit geeigneten, indirekt gesehenen Objekten, z. B. einem Paar heller Striche, kann er auch die Exkursionsgr\u00f6fse der Ge-f\u00e4fsfigur leidlich gut absch\u00e4tzen. F\u00fcr mich selbst betrugen die Exkursionen, an einem 8 Meter entfernten Schirm projiziert, durchschnittlich 4,1 cm und waren dieselben der Bewegung des Gesichtes entgegengerichtet. Eine andere Person beobachtete zugleich die Exkursionen des Lichtbildchens auf meiner Sklera und sch\u00e4tzte ihre Breite zu 5 \u00e0 6 mm. Unter Zugrundelegung der schon oben benutzten schematischen Augendimensionen berechnet sich die entsprechende Verschiebung des Gef\u00e4fsschattens auf der St\u00e4bchen- und Zapfenschicht zu 0,08 \u00e0 0,095 mm ; als Projektion im Gesichtsfelde auf 8 m Entfernung entspricht dieser\n1 Ich mag hier noch auf die Verwendbarkeit dieses ophthalmoskopischen Verfahrens f\u00fcr verschiedene andere Zwecke aufmerksam machen. So kann damit z. B. Nystagmus minimalen Grades genau studiert werden. Besonders wertvoll ist es zur Demonstration und Untersuchung der Blickaberration \u2014 der unwillk\u00fcrlichen kleinen Schwankungen des fixierenden Auges \u2014, da hierzu nur ganz wenige und dazu recht umst\u00e4ndliche Methoden vorliegen. Ich gedenke binnen kurzem ausf\u00fchrlicher auf diesen Gegenstand zur\u00fcckzukommen.","page":6},{"file":"p0007.txt","language":"de","ocr_de":"Kompensatorische Gegenwendung der Augen hei spontan bewegtem Kopfe. 7\nNetzhautstrecke eine Distanz von 3,8 \u00e0 4,5 cm, und zwar bewegen sich die Gef\u00e4fsfigur und das sklerale Lichtbild gleichsinnig. Wenn, wie approximativ im Versuche, die beobachtete Verschiebung der Gef\u00e4fsfigur jener Projektion gleichkommt, so bezeichnet also dies, dafs die Projektion des Gesichtsfeldes auf den betreffenden Hintergrund nicht verschoben worden ist. F\u00fcr den vorliegenden Fall macht man richtiger den Vergleich mit der individuellen (nicht nach schematischen Augenmafsen berechneten) Exkursions-gr\u00f6fse der Gef\u00e4fsfigur auf dem Schirm. Diese wurde auch (am selben Ort des Gesichtsfeldes) bestimmt f\u00fcr fixe Blickrichtung und f\u00fcr 5,5 mm breite Exkursionen des skleralen Lichtbildes, und der Durchschnittswert 4,3 cm gefunden. Also wird der Schlufs: die Blickrichtung wird, soweit mit dieser Methode merklich, exakt korrigiert, \u2014 ein Resultat, welches schon nach der ophthalmoskopischen Methode von anderen Beobachtern festgestellt worden war. Ein zweiter, gleich ausfallender Versuch wurde mit einer anderen Person angestellt. Zu merken ist hier, dafs eine \u00c4nderung der Blickrichtung die entoptische Gef\u00e4fsfigur auf der Projektionsfl\u00e4che verschieben mufs, und zwar um einen jener \u00c4nderung approximativ entsprechenden Betrag, da die gleichzeitige \u00c4nderung der Exkursionsbreite des Lichtbildchens auf der Sklera nur unwesentlichen (doch n\u00f6tigenfalls approximativ bestimmbaren) Einflufs hat. An Leistungsf\u00e4higkeit in quantitativer Beziehung d\u00fcrfte sonach diese Methode der vorerw\u00e4hnten ophthalmoskopischen naliehin gleich kommen.\nWird nun die Hintergrundfl\u00e4che mit dem indirekt anzublickenden Vergleichsobjekt, gegen welches man die Exkursionen der Gef\u00e4fsfigur beurteilt, in ganz kurzem Abstande, z. B. 1j2 Meter angebracht, so w\u00fcrde, falls die Kompensationsverh\u00e4ltnisse dieselben wie im vorigen Falle w\u00e4ren, Ruhe oder umgekehrte Bewegungsrichtung jener ligur relativ zum Objekt stattfinden. Indessen zeigen sich beim Versuche fortw\u00e4hrend an Richtung und Gr\u00f6fse gleiche W i n k e 1 exkursionen der Gef\u00e4fsfigur (relativ zum Vergleichsobjekt) wie im vorigen Falle. F\u00fcr 6 \u00e0 7 mm breite Verschiebungen des Lichtbildes auf der Sklera waren die Exkursionen der Gef\u00e4fsfigur auf dem (^m entfernten) Schirm ca. 3 mm. Gleich fallen die Versuche aus bei anderer Projektionsdistanz, nur diese innerhalb des habituellen Sehbereichs kommt. Bei 2,15 m Distanz beobachtete ich ca. 14 mm. breite Exkursionen (f\u00fcr 6 \u00e0 7 mm breiten Verschiebungen des Auges). Dies beweist","page":7},{"file":"p0008.txt","language":"de","ocr_de":"8\nHans Gertz.\neine \u00dcberkorrektion der Blickrichtung um einen solchen Betrag, dafs die Blicklinie die Hintergrund* fl\u00e4che approximativ im selben Punkte trifft, dafs also das Auge eine wenigstens angen\u00e4herte, durch kein Fixierzeichen gest\u00fctzte Einstellung auf einem Punkte dieser Fl\u00e4che beh\u00e4lt. Instruktiv ist folgende Form des Versuchs. In *l2 m Abstand und etwas peripher neben der Blickrichtung gegen einen mehrere Meter entfernten, gleich-m\u00e4fsigen Grund wird ein (indirekt anzublickendes) Merkzeichen angebracht. Macht man hier den entoptischen Versuch unter Betrachtung der fernen Fl\u00e4che, und gelingt es, das Aufmerken auf diese zu verlegen, so scheint die Gef\u00e4fsfigur gegen das (sich scheinbar mit bewegende, vgl. unten) Merkzeichen nahe hin stillzustehen oder sich ganz winzig gleichsinnig wie das Gesicht zu bewegen. Aber es ist, nach meiner Erfahrung, recht schwierig und gelingt nicht oft, das Aufmerken in solcher Weise zu lenken; am besten versucht man sich das Merkzeichen auf den fernen Grund projiziert zu denken. Meist verbindet sich mit der Bestrebung die relative Bewegung des Merkzeichens und der Gef\u00e4fsfigur zu beobachten, auch das Aufmerken auf das nahe gelegene Zeichen, und es bewegen sich dann Gesicht und Gef\u00e4fsfigur in bezug auf das Merkzeichen gegensinnig. Hinzuzuf\u00fcgen ist noch, dafs Erm\u00fcdung, die sich auch durch Schwindelgef\u00fchl bemerklich macht, recht bald die Versuche st\u00f6rt; die Blickkompensation variiert dann unwillk\u00fcrlich und unregel-m\u00e4fsig zwischen den genannten Grenzzust\u00e4nden.\nDie Zuverl\u00e4ssigkeit dieser entoptischen Methode erscheint nicht ganz evident. Nicht nur ist das Gesichtsfeld erf\u00fcllt von der markanten und zudem beweglichen Gef\u00e4fsfigur; in dessen Zentrum findet sich auch eine entoptische Erscheinung, die bekannte chagrinierte Zeichnung, welche sich in entgegengesetzter Richtung wie die Gef\u00e4fsfigur, doch nur in ganz kleiner Amplitude, im Gesichtsfelde bewegt. Es ist nun die Frage, ob die Blickkompensation hiervon irgendwie abh\u00e4ngt? Die \u00dcbereinstimmung der f\u00fcr dieselben zwei F\u00e4lle ophthalmoskopisch und entoptisch gemachten Bestimmungen l\u00e4fst in dieser Hinsicht die M\u00f6glichkeit \u00fcbrig, dafs allein solche Momente mitspielen, deren Einflufs in jenen F\u00e4llen sich innerhalb der Unsicherheitsbreite der Methoden bewegt. Von einer Fixation, wenigstens in dem hier allein wichtigen Sinne, n\u00e4mlich als St\u00fctze f\u00fcr die Blickein-","page":8},{"file":"p0009.txt","language":"de","ocr_de":"Kompensatorische Gegenwendung der Augen bei spontan beivegtem Kopfe. 9\nStellung, kann offenbar nicht die Rede sein, da ein auf seres, direkt fixiertes Objekt fehlt. Und die denkbare M\u00f6glichkeit, dafs die bewegliche entoptische Zeichnung den Blick zum Nachfolgen anlocken k\u00f6nnte, bedeutet jedenfalls wenig f\u00fcr unsere experimentelle Beweisf\u00fchrung, weil eine solche Tendenz in allen Versuchsf\u00e4llen in fast gleichem Mafse wirkt. Es ist doch \u00fcberfl\u00fcssig diese Auseinandersetzung wreiter zu treiben, das Resultat kann noch in mehrfacher Weise erh\u00e4rtet werden.\nIn den hier diskutierten entoptischen Versuchen sind, zum Zwecke die Exkursionen der Gef\u00e4fsfigur m\u00f6glichst gut ausgepr\u00e4gt und absch\u00e4tzbar zu machen, die Kopfdrehungen relativ ausgiebig, etwa 5\u00b0\u20147\u00b0 breit genommen. Die Beobachtungen gelingen doch auch gut mit ganz kleinen, nur 1\u00b0 \u00e0 2\u00b0 breiten Drehungen. Dann erscheint die (sp\u00e4rlicher entwickelte) Gef\u00e4fsfigur ann\u00e4hernd stillzustehen auf der eben mit Fixationsintention angeblickten Hintergrundfl\u00e4che.\nIV.\nEs seien hier einige weitere Verfahren und Versuche mitgeteilt, welche die schon erhobenen Befunde zu best\u00e4tigen und zu beleuchten gestatten.\n1. Ein durch indirektes Sehen praktizierbares, recht gutes Kriterium dar\u00fcber, ob ein \u00e4ufseres Sehobjekt und das Gesichtsfeld sich gegeneinander verschieben oder nicht, liefert das Ph\u00e4nomen der \u201eflatternden Herzen\u201c. Ein dunkler, merkpunktsloser Schirm tr\u00e4gt nebeneinander ein helles rotes und ein lichtschwaches blaues Feld, und man richtet den Blick auf die Schirmfl\u00e4che passend weit neben den Farbenfeldern. Bei Kopfdrehungen hin und her gewahrt man nun h\u00f6chstens (wenn die Bedingungen f\u00fcr das Ph\u00e4nomen g\u00fcnstig sind) einige Unruhe, ein geringes Flackern der Felder, oder bleiben diese ganz still, je nachdem Amplitude uud Schnelligkeit der Drehungen gr\u00f6fser oder kleiner sind. Dieser Versuch f\u00e4llt bei verschiedenem (nur nicht allzu kurzem) Beobachtungsabstande gleich aus. Man kann aber ein grofses Planglas (vor Reflexen gesch\u00fctzt, so dafs nur seine R\u00e4nder sichtbar sind) zwischen sich und dem Schirm aufstellen und den Versuch unter Blickeinstellung auf die Glasscheibe wiederholen, immer nat\u00fcrlich ohne irgendwelches Merkzeichen (wie Staub auf der Scheibe !) direkt zu sehen. Dann kommt eine ausgiebige Bewegung zwischen den Farbenfeldern (die in Doppelbildern und, wegen der unpassenden Akkommodation, etwas verwaschen","page":9},{"file":"p0010.txt","language":"de","ocr_de":"10\nHans Gertz.\nkonturiert erscheinen) zum Vorschein, und zwar bewegt sich das rote Feld gegen das blaue in gleicher Richtung wie das Gesicht, was anzeigt, dafs das Gesichtsfeld \u00fcber die Farbenfelder, z. B. von links nach rechts streicht, wenn das Gesicht von rechts nach links r\u00fcckt, dafs mithin die Blicklinie sich um einen Punkt diesseits der Felder dreht. Umgekehrt wird der Sinn der relativen Bewegungen der Falbenfelder, wenn man den Blick diesen vorbei auf einen l\u00e4nger entfernten Grund richtet. Entbehrlich sind \u00fcbrigens, im ersten Falle die Glasplatte, im letzten ein besonders (durch indirekt gesehene Details) markierter Grund. Es gen\u00fcgt im allgemeinen schlechthin auf einen n\u00e4her bzw. ferner gelegenen Punkt zu konvergieren. Auch ist das Flattern, bei Gegenwart oder Abwesenheit peripherer Sehobjekte, gleich ausgiebig, wenn nur der \u201eBlickpunkt\u201c gleich weit absteht und das Aufmerken geh\u00f6rig fesselt.\nSteht es hiernach fest, dafs weder direkte noch indirekte Fixation f\u00fcr das Zustandekommen der Blickkompensation notwendig ist, so kann weiter erwiesen werden, dafs die Kompensation sogar trotz direkter Fixation erfolgt, dafs, mit anderen Worten, diese von jener aufgehoben wird. Zwei gleiche Zusammenstellungen von Farbenfeldern, z. B. je drei vertikale, gleichlange Streifen, der mittlere rot, die \u00e4ufseren blau, werden (ohne Anwendung von Linsen) binokul\u00e4r vereinigt, einerseits mit (vor den Feldern) ungekreuzten, andererseits mit gekreuzten Blicklinien. Je nachdem die Refraktion des Beobachters nach der myopen oder hypermetropen Seite liegt, ist im ersten bzw. zweiten Falle sch\u00e4rfere Einstellung aufzubringen. Doch ist hier scharfes Sehen nicht n\u00f6tig, sondern k\u00f6nnen die Felder selbst in grober Zerstreuung erscheinen. Man fixiert das obere oder untere (eventuell durch die Zerstreuung hinausgeschobene) Ende des mittleren, roten Streifens und dreht den Kopf auf und nieder. Dabei flattert der Mittelstreifen im Tempo der Bewegung gegen die seitlichen, und sind seine relativen Exkursionen denen des Gesichts gleich bzw. entgegengerichtet, je nachdem die Beobachtung mit gekreuzten oder ungekreuzten Blicklinien geschieht.\nEs ist bei diesen Beobachtungen, im Interesse ihrer Deutlichkeit und Sicherheit, auf zweckm\u00e4fsige Anordnung zu achten, speziell mufs die Helligkeit der Farben passend gew\u00e4hlt werden. Ich selbst stellte rote Felder her durch papierbelegte Ausschnitte in einem schwarzen Kartonschirm, welchen von hinten, unter","page":10},{"file":"p0011.txt","language":"de","ocr_de":"Kompensatorische Gegenwenclung der Augen bei spo?itan bewegtem Kopfe. IX\nZwischenschaltung eines roten Glases, eine sonst verdeckte Gl\u00fchlampe beleuchtete. Die blauen Felder waren von blauem, dem Schirm aufgeklebtem Papier gebildet und wurden in stark ged\u00e4mpfter Zimmerbeleuchtung passend hell. Auch hat man sich, bei kurzem Beobachtungsabstand, der Fehlerquelle zu erinnern, welche die Deplazierung der Augen im Verh\u00e4ltnis zu den Farbenfeldern ergibt. Zur m\u00f6glichsten Einschr\u00e4nkung derselben mufs der Beobachter seine Orientierung richtig w\u00e4hlen, was nach gleichen Erw\u00e4gungen, wie den oben in II (47, S. 429) vorgetragenen, leicht geschieht.\n2.\tNoch in einer einfachen Weise kann man sich von der in Rede stehenden Grundtatsache \u00fcberzeugen. Eine l1^ m vom Beobachter entfernte Registriertrommel tr\u00e4gt Papier mit 5 mm breiten, abwechselnd weifsen und schwarzen, der Achse parallelen Streifen und rotiert mit solcher Geschwindigkeit, dafs das Flimmern eben nicht oder ganz schwach merkbar ist. Es m\u00f6gen speziell die Streifen horizontal sein und an der beobachteten Seite sich von oben nach unten bewegen. Kopfdrehungen auf und nieder \u00e4ndern das Aussehen der Trommelfl\u00e4che nur, wenn der Beobachter auf einen jenseits oder diesseits der Fl\u00e4che gelegenen (nicht markierten) Punkt blickt (konvergiert) : das Streifenmuster wird in diesem Falle bei jeder Hebung, in jenem bei jeder Senkung des Kopfes momentan sichtbar.\n3.\tEine vorz\u00fcgliche Methode ist die folgende. Man beobachtet im Dunkelzimmer das sekund\u00e4re katadioptrische Bild, welches im Auge (durch Reflexion an der hinteren Linsen- und an der vorderen Hornhautfl\u00e4che) von einer J/2 m entfernt und passend peripher zur Gesichtslinie aufgestellten Nernstlampe entworfen wird. Bei Sehen in die Ferne erscheint das sekund\u00e4re Bild, wenn der Kopf hin- und hergedreht wird, sich relativ ausgiebig hin- und herzubewegen, und zwar gegen gleichweit wie die Lampe abstehende (wie auch n\u00e4here oder fernere) Vergleichsobjekte. Stellt man aber auf die Entfernung der Lampe ein, so bleibt das (wegen der Akkommodation weniger deutliche) Bild gegen jene Objekte unbeweglich, oder wenigstens ann\u00e4hernd still. Es seien zweitens die Lichtquelle und die Vergleichsobjekte, gegen welche das sekund\u00e4re Bild projiziert wird, unendlich entfernt, was mit Hilfe einer passenden Linse leicht hergestellt wird. Das sekund\u00e4re Bild bleibt dann, bei Kopfdrehungen, still, wenn man ebenfalls in die Ferne blickt, aber bewegt sich, und zwar","page":11},{"file":"p0012.txt","language":"de","ocr_de":"12\nHans Gertz.\nin umgekehrter Richtung wie im erstgenannten Falle, wenn man auf N\u00e4he einstellt. Bei kurzem Abstande der Lichtquelle und des Blickpunktes (im ersteren Versuche, bei Nahesehen) besteht hier die n\u00e4mliche Komplikation hinsichtlich der Orientierung, wie sie oben f\u00fcr den entsprechenden Versuch mit dem Papillar-skotom (in II) auseinandergesetzt worden ist. Liegen erstens Lichtquelle und Blickpunkt in der Drehungsebene, so m\u00fcssen diese Punkte und die \u00d6rter des scheinbaren Pupillenzentrums am Anfang und Ende der Drehung einer Kreislinie angeh\u00f6ren ; durch einen f\u00fcnften Punkt auf oder neben derselben Kreislinie geht dann \u2014 in jenen beiden Grenzmomenten exakt, dazwischen approximativ \u2014 die Richtung, in welcher das sekund\u00e4re Bild projiziert wird. Die Verbindungsgerade zwischen Lichtquelle und Blickpunkt mufs aber, wenn sie zweitens senkrecht zur Drehungsebene verl\u00e4uft, am Anfang und Ende der Drehung gleichweit vom Pupillenzentrum entfernt sein, und geht dann \u2014 exakt oder fast exakt \u2014 in gleichem Abstande der Projektionsrichtung des sekund\u00e4ren Bildes nahe vorbei, oder schneidet eventuell diese Richtung. Man kann f\u00fcr jeden Fall nach Belieben die ' eine oder andere Anordnung w\u00e4hlen; offenbar ist die letztere weitaus einfacher.\nW\u00e4re nicht die Anwendbarkeit dieses Verfahrens dadurch eingeschr\u00e4nkt, dafs das sekund\u00e4re katadioptrische Bild teils an manchen Personen sehr undeutlich oder gar nicht sichtbar ist, teils durch Akkommodation stark zerstreut wird, so w\u00fcrde dasselbe, wegen seiner \u00dcberlegenheit in quantitativer Hinsicht, sicherlich die wertvollste unter den hier angef\u00fchrten subjektiven Methoden sein. Ihr besonderer Vorzug beruht darauf, dafs einer gewissen Blickdeviation eine ungef\u00e4hr doppelt gr\u00f6fsere Winkelverschiebung der Projektionsrichtung des sekund\u00e4ren Bildes entspricht. Auch erlaubt diese Methode Kopfdrehungen um schr\u00e4ge Achsen ann\u00e4hernd zu untersuchen. Freilich komplizieren hier die aus dem schr\u00e4gen Verlauf der Augenachse (zur Gesichtslinie) bedingten Unregelm\u00e4fsigkeiten der Lage des sekund\u00e4ren Bildes, zum Teil nat\u00fcrlich auch die kompensatorische Raddrehung. Doch ist unverkennbar, dafs die Kompensation der Blickrichtung unter solchen Umst\u00e4nden in \u00e4hnlicher Abh\u00e4ngigkeit vom Fern- und Nahesehen erfolgt.\n4. W\u00e4hrend der ophthalmoskopischen und der entoptischen Methode nur ganz kleine Drehungen zug\u00e4nglich sind, gestatten","page":12},{"file":"p0013.txt","language":"de","ocr_de":"Kompensatorische Gegenwendung der Augen bei spontan bewegtem Kopfe.\ndie \u00fcbrigen die Drehungsamplitude ausgiebig zu variieren. Die angef\u00fchrten Versuchsresultate beziehen sich aber auf eine bestimmte ungef\u00e4hre Verbindung zwischen Amplitude und Schnelligkeit der Drehung. Es h\u00f6ren die Breite (doppelte Amplitude) und die sekundliche Frequenz pendelartig wiederholter Drehungen folgendermafsen zusammen \u2014 f\u00fcr einzelne Drehungen korrespondieren Breite und Dauer nach denselben Angaben \u2014:\nWinkelbreite\tFrequenz pro Sek.\n1/2\u00b0 \u00e0 1\u00b0 (Minimalbreite) .\t.\t.\t5 \u2014 10\n5\u00b0..........................3-6\n15\u00b0\t.\t. ....................2\u20144\n30\u00b0.........................1-3.\nDie schon (in II) f\u00fcr breite Drehungen dargelegte Abh\u00e4ngigkeit der Blickkompensation von Fern- und N\u00e4hesehen erachte ich hiermit allgemein f\u00fcr Drehungen der soeben bezeich-neten Art sichergestellt. Intendiert man den Blick auf einen gewissen, in deutlich erkanntem Abstande gelegenen, merkpunktlosen Ort des Raumes eingestellt zu\thalten, so geht, ohne St\u00fctze der\ndirekten (oder indirekten) Fixation, die kompensatorische Gegenwendung der Augen in eben solchem Mafse vor sich, dafs die Blicklinie sich approximativ um jenen Raumpunkt, den Konvergenz-punkt, dreht, d. h. die Blickeinstellung auf diesen ann\u00e4hernd behalten wird.1 Und selbst wenn ein binokular zu verschmelzendes Punktpaar, diesseits oder jenseits des Konvergenzpunktes, zur Fixation dargeboten wird, so erfolgt die Kompensation dennoch in gleicher oder \u00e4hnlicher Weise.\n5. Dieses Ergebnis wird noch von einer Erscheinung illustriert, deren Deutung gerade von jenem Befunde wenigstens teilweise gegeben wird, und welche hinsichtlich ihrer Grundbedingung jedenfalls nahe verwandt ist. Bei s\u00e4mtlichen hier mitgeteilten subjektiven Beobachtungen gewahrt man, dafs allgemein Objekte, gegen welche sich das Gesichtsfeld verschiebt, sich gegensinnig zu bewegen scheinen. Zur Beobachtung dieser Erscheinung setze man sich z. B. an einem Tisch mit Aussicht auf einen fernen gleichm\u00e4fsigen Grund. In etwa U/2 m Abstand wird auf dem\n1 Dies gibt eine wahrscheinliche Erkl\u00e4rung f\u00fcr das verschiedenartige Verhalten der ophthalmoskopisch beobachteten Personen (vgl. oben S. 5).","page":13},{"file":"p0014.txt","language":"de","ocr_de":"14\nHans Gertz.\nTisch ein vertikaler Stab, z. B. ein Stativ aufgestellt. Wenn man seitliche Kopfdrehungen macht und w\u00e4hrenddessen perspektivisch \u00fcber die Stativspitze den fernen Grund anblickt, so scheint die (doppelt gesehene) Stativstange sich im selben Tempo und dem Gesicht entgegengerichtet zu bewegen. Nun aber sei ein Punkt in der Luft \u00fcber oder neben der Stange fixiert, diese bleibt dann still und etwa vorhandene fernere Gegenst\u00e4nde bewegen sich in gleichem Sinne wie das Gesicht. Auch kann ich einen Punkt zwischen den fernen Gegenst\u00e4nden und der Stange fixieren, wobei Kopfdrehungen sowohl diese als jene in (gegensinniger) Scheinbewegung versetzen. Steht endlich zwischen Beobachter und Stativ eine Glasplatte oder ein gleichm\u00e4fsiger Schirm, der den unteren Stativteil perspektivisch verdeckt, und beobachtet man diese n\u00e4here Fl\u00e4che, so macht auch die Stativstange mit dem Gesicht gleichsinnige Exkursionen. Bei Horizontallage der Stange bringen Hebung und Senkung des Kopfes die n\u00e4mlichen, vertikal gerichteten Scheinbewegungen hervor.\nGem\u00e4fs den vorerw\u00e4hnten Versuchen erfolgen hier Exkursionen des Netzhautbildes des scheinbar beweglichen Objektes auf der Netzhaut, indem sich jede Blicklinie um einen n\u00e4her bzw. ferner gelegenen Punkt dreht. Es d\u00fcrfte dies eine \u2014 vielleicht die wuchtigste oder einzige \u2014 Ursache zu der Scheinbewegung darstellen. Indessen kann letztere m\u00f6glicherweise auch von anderen Umst\u00e4nden abh\u00e4ngen. Prinzipiell die gleiche Erscheinung ist offenbar die Scheinbewegung der sog. Tapetenbilder, f\u00fcr welche Helmholtz 1 eine auf Momente des Urteils gegr\u00fcndete Erkl\u00e4rung vorschl\u00e4gt. Allein diese referiert zu eben demselben Grundfaktor \u2014 kurz etwa der \u201evisuellen Projektions weite\u201c \u2014, welcher die kompensatorische Blickbewegung bestimmt. Somit verdienen jedenfalls noch einige Versuchsvarianten erw\u00e4hnt zu werden.\nDas scheinbar bewegliche Objekt kann allein im Gesichtsfelde vorhanden, also jede Vergleichung mit ruhenden oder anders bewegten Objekten ausgeschlossen sein. Ich bringe das Gesicht in die 30 cm breite M\u00fcndung eines 57 cm langen, horizontalen, innen mit schwarzem Sammet ausgekleideten Pappzylinders ; seine gleichm\u00e4fsig dunkle Innenfl\u00e4che umschliefst mithin den\n1 Handbuch d. physiolog. Optik, 2. Aufl., S. 798 u. 799. (Weniger ausf\u00fchrlich in der ersten und dritten Auflage.)","page":14},{"file":"p0015.txt","language":"de","ocr_de":"Kompensatorische Gegenwendung der Augen bei spontan bewegtem Kopfe.\t15\nSehraum, nur ausgenommen eine in der gegen\u00fcberstehenden Basalfl\u00e4che angebrachte \u00d6ffnung, welche eine ferne gleichm\u00e4lsige Wand sichtbar macht. Bei Betrachtung dieser letzteren bewegt sich, wenn der Kopf gedreht wird, die Kontur der \u00d6ffnung in entgegengesetzter Richtung wie das Gesicht. Hier ist die Scheinbewegung sozusagen keine \u201erelative\u201c sondern eine \u201eabsolute\u201c. Indessen finde ich in diesem Versuch die Scheinbewegung der \u00d6ffnung entschieden weniger ausgiebig, als wenn die entfernte Wand ein (indirekt) sichtbares Merkzeichen tr\u00e4gt. Dies bezeugt doch nicht, wie man zun\u00e4chst meinen k\u00f6nnte, dafs die ohne Ver-gleiehsm\u00f6glichkeit wahrgenommene, \u201eabsolute\u201c Scheinbewegung undeutlicher erkannt und darum etwa untersch\u00e4tzt wird. Der Sachverhalt wird sofort klar, wenn ich beim Versuche durch einen Gehilfen auf der Wand pl\u00f6tzlich ein Merkzeichen erscheinen lasse. Dann zeigt dieses, gleich im Augenblick wenn es sichtbar wird, Scheinbewegung in entgegengesetztem Sinne wie die Zylinder\u00f6ffnung, l\u00e4fst aber schnell damit nach und wird (wenigstens ann\u00e4hernd) still, w\u00e4hrend die Exkursionen der \u00d6ffnung im selben Mafse zunehmen. Also liegt der Punkt, um welchen sich jede Gesichtslinie dreht (zu welchen sich die \u201evisuelle Projektionsweite\u201c hin erstreckt), anf\u00e4nglich zwischen der Wand und der \u00d6ffnung und r\u00fcckt beim Exponieren des Merkzeichens gegen die Wand hin. Blicke ich genau in der Ebene der \u00d6ffnung, so erscheint diese still, oder bewegt sich zuweilen ein wenig im selben Sinne wie fr\u00fcher. Dagegen gelingt es mir nicht gut, durch Konvergenz und m\u00f6glicht intendiertes Aufmerken auf n\u00e4her (im Inneren des Zylinders) gelegene Punkte die entgegengerichtete (mit der des Gesichts gleichsinnige) Scheinbewegung der \u00d6ffnung hervorzubringen; die letztere bleibt gew\u00f6hnlich still, auch wenn ich die Doppelbilder desselben m\u00f6glichst weit auseinander treibe. Eine geringe solche Bewegung kommt jedoch meist zum Vorschein, wenn quer und etwa mitten im Zylinder, als Objekt f\u00fcr das Aufmerken, ein schwarzes Kartonblatt so angebracht wird, dafs davon nur eine gerade, in der Drehungsebene des Kopfes gelegene Kontur gegen die \u00d6ffnung sichtbar ist. Stehe ich nachts im Freien vor allein sichtbaren fernen Lichtern, oder in einem Zimmer genug entfernt vor dem darin allein sichtbaren Fenster, und bringe ich die Blicklinien in starke Konvergenz , so f\u00fchren, bei Kopfdrehungen, die betreffenden Sehobjekte sehr deutliche, mit der des Gesichts gleichgerichtete","page":15},{"file":"p0016.txt","language":"de","ocr_de":"16\nHans Gertz.\nScheinbewegung aus, und es wird diese noch etwas ausgepr\u00e4gter, wenn ich die (im Dunklen unsichtbare) Hand vor mir auf halte und darauf aufzumerken versuche.\n6.\tDie angef\u00fchrten subjektiven Versuchs verfahren sind prinzipiell gleichartig, indem sie die Verschiebung des Gesichtsfeldes demonstrieren; nur ist der Index, welcher dies anzeigt, verschieden. Sie geben demgem\u00e4fs, wie vielfach nachgewiesen, in \u00fcbereinstimmender Weise die Wirkung der Umst\u00e4nde wieder, von welchen die Grunderscheinung abh\u00e4ngt. Mithin k\u00f6nnen auch einige allgemein zutreffende Bemerkungen gemacht werden.\nBei jeder Versuchsart kann ich die Akkommodation bei unver\u00e4nderter Konvergenz variieren lassen, ohne dafs sich die von der Kompensation bedingten Erscheinungen wesentlich \u00e4ndern.\nDie Erm\u00fcdung greift schnell in wesentlicher Weise st\u00f6rend ein. Bemerkenswert ist, dafs es mir bald zunehmend schwer wird oder nicht gelingt, durch starke Konvergenz die f\u00fcrs Nahesehen charakteristische Kompensationsart hervorzubringen, w\u00e4hrend die dem Fernsehen entsprechende ungleich weniger von der Erm\u00fcdung ber\u00fchrt wird. Bei einzelnen, nur kurzen und mit Pausen wiederholten Reihen von 50 \u00e0 100 breiten Drehungen in einer Frequenz von 5 pro Sekunde geschieht die Kompensation normal. Setzt man aber solche Drehungen ununterbrochen fort, so greift bald, unter eigenartigem \u201eAbspannungs-\u201c oder Erm\u00fcdungsgef\u00fchl, starkes Nachlassen (Unterkorrektion der Blickrichtung) oder gar Fehlen der Kompensation Platz; dies ist z. B. mit Hilfe der flatternden Farbenfelder leicht zu zeigen. Die Erscheinung tritt um so schneller ein, je frequenter und breiter die Drehungen sind ; m\u00f6glichste Schnelligkeit der letzteren bringt dieselbe fast sofort hervor. Offenbar wird hier die Grenze f\u00fcr die physiologische Wirksamkeit des Kompensationsmechanismus \u00fcberschritten.\nNochmals sei die mir fundamental erscheinende Tatsache betont, dafs die Blickkompensation, wie sie in obigen Versuchen erfolgt, ein aufmerkendes Sehen, eine Intention zum Fixieren voraussetzt. Diese Fixationsintention ist deutlich f\u00fchlbar und intensiver bei Nahe- wie bei Fernsehen.\n7.\tDie schon (in II. und III.) untersuchte Frage, mit welcher Genauigkeit die kompensatorische Blickbewegung der Kopfdrehung folgt, mag noch etwas beleuchtet werden. Bei einigen","page":16},{"file":"p0017.txt","language":"de","ocr_de":"Kompensatorische Gegenwendung der Augen lei spontan bewegtem Kopfe. 17\nnach der Methode der flatternden Herzen angeordneten Versuchen lag der Blickpunkt (auf merkpunktslosem Grund) in gleicher Entfernung wie die Farbenfelder, und variierte diese von 7.3 bis mehrere Meter; Gr\u00f6fse und Geschwindigkeit der Drehungen waren wie oben angef\u00fchrt. Es wurde festgestellt, dafs bzw. 10', 25', 40' und 60' breite Oszillationen der Farbenfelder in Frequenzen von bzw. 6\u201410, 4\u20146, 3\u20144 und 2\u20143 pro Sekunde (bei ruhiger Blicklage) entschieden deutlicheres Flattern ergaben, als unter gleichen Umst\u00e4nden Kopfdrehungen entsprechender Frequenz (und zugeh\u00f6riger Breite, vgl. S. 13) zum Vorschein brachten. Zwar kommt in R\u00fccksicht, dafs die Beobachtung ung\u00fcnstiger geschieht bei bewegtem als bei ruhig gehaltenem Kopfe ; doch geben meines Erachtens die Versuche eine Genauigkeit der Blickkompensation von wenigstens 10 % bis 3 % bzw. an. Gut eignet sich f\u00fcr vorliegenden Zweck die auf Anwendung des sekund\u00e4ren katadioptrischen Bildes gegr\u00fcndete Methode. Bei analog mit den soeben genannten angelegten Versuchen bringen im allgemeinen unter 10\u00b0 breite Kopfdrehungen keine f\u00fcr mich erkennbare Bewegung des sekund\u00e4ren Bildes hervor; Drehungen von 15\u00b0 und mehr ergeben gew\u00f6hnlich einige Unruhe desselben, die aber zuweilen unmerklich gering sein kann. Wenn andererseits, bei ruhiger Blicklage, die Lichtquelle 4\u20146 bzw. 2\u20143 mal pro Sekunde um 5' bzw. 10' hin und her oszilliert, so sind die Exkursionen des Bildes ganz deutlich. Hiernach d\u00fcrfte \u2014 in \u00dcbereinstimmung mit den in II. und III. mitgeteilten Erfahrungen \u2014 die Blickkompensation (wenigstens f\u00fcr Drehungen \u00fcber l1^0) um h\u00f6chstens 5 \u00b0/0 der Drehungsbreite inexakt sein.\n8. Sowohl Bedeutung als illustratives Beispiel, als auch eigenes Interesse rechtfertigen die Tatsache hier vorzuf\u00fchren, dafs kompensatorische Augenbewegungen normalerweise beim Gehen erfolgen. Man sieht an gehenden Personen (besonders deutlich wenn sie grofsen Hut tragen), dafs der Kopf bei jedem Schritte schwankt, zuweilen fast unmerklich wenig, oft aber recht ausgiebig. Es findet hier entsprechende Kompensation der Blickrichtung statt, wTie dies zu beweisen ist durch Gangversuche in einem ger\u00e4umigen verdunkelten Zimmer, mittels des sekund\u00e4ren katadioptrischen Bildes. Nahe der Wand und etwa in Kopfh\u00f6he werden eine Nernstlampe und eine breite, genug aplanatische Linse passender St\u00e4rke so aufgestellt, dafs der Beobachter mit seinem Kopfe voll in der Strahlung gegen\nZeitschr, f. Sinnesphysiol. 48.\t2","page":17},{"file":"p0018.txt","language":"de","ocr_de":"18\nHans Gertz.\ndie Linse gehen kann, und das Lichtbild im Niveau der Wandfl\u00e4che erscheint, sowie gen\u00fcgende Gr\u00f6fse hat um ein gutes sekund\u00e4res Bild zu geben. In der Gegend, wo sich letzteres., wenn der Beobachter seitlich von der Linse blickt, auf der Wand projiziert, k\u00f6nnen einige (schwach sichtbare) Merkobjekte vorhanden sein, damit die Bewegung des sekund\u00e4ren Bildes, durch Vergleich mit diesen Objekten, deutlicher hervortreten mag. Ein an der Stirn des Beobachters befestigter Spiegel wirft auf die Wand einen Reflex, dessen Exkursionen die Kopfbewegungen beim Gehen erkennen lassen. Bei jedem Schritt pendelt der Reflex auf und nieder, und wandert zugleich auch etwas in querer Richtung, beim Treten auf rechtem Fufs von rechts nach links. Die Exkursionen beruhen zum Teil auf die Hebung und Senkung des K\u00f6rpers, haupts\u00e4chlich aber auf Schwankungen des Kopfes. Es wird dieser oder jener Anteil wesentlich, je nachdem man den Kopf schlaft oder steif h\u00e4lt. F\u00fcr mich betragen die Winkelexkursionen des Kopfes in Vertikalrichtung, bei etwas langsamem, ruhigem Gehen, l1/2\u00b0\u00e42\u00b0; schlaffere Kopfhaltung vermehrt den Betrag erheblich.1 Falls nun die Augen diese Bewegung des Kopfes nicht kompensierten, w\u00fcrde das sekund\u00e4re Bild sich in ganz gleicher Weise bewegen wie jener Reflex, oder im besonderen sich um 30 \u00e0 40 heben und senken. Indessen zeigt das Bild, wenn ich den Stirnspiegel nicht trage und fest auf die leere, finstere Wand (ohne Fixierzeichen) blicke, keine oder fast keine, dem Rhythmus des Ganges entsprechende Unruhe, sondern bewregt sich nur im Mafse, wie die Projektionsverh\u00e4ltnisse sich beim Ann\u00e4hern an die Wand \u00e4ndern, oder der Blickpunkt zuf\u00e4llig verschoben wird. Der Versuch gelingt mir nicht so gut bei gleichzeitigem Vorhandensein des vom Stirnspiegel entworfenen Reflexes, was sicherlich darauf beruht, dafs der Blick unwillk\u00fcrlich dem Reflex nachzufolgen strebt. Immerhin sind\n1 Hier wird abgesehen von der momentanen Ersch\u00fctterung, welche dem Kopfe beim Aufsetzen des hart beschuhtem Fufses auf harter Unterlage mitgeteilt wird. Diese ergibt eine sehr schnelle, hin- und zur\u00fcckgehende Exkursion der Blickrichtung, wodurch helle Gegenst\u00e4nde ruckartig im Rhythmus des Ganzen zu h\u00fcpfen scheinen. Man sieht diese Blickexkursionen sehr gut gegen schnell bewegte, helle Lichter (wie sie gegenw\u00e4rtig vielfach zu \u00f6ffentlichen Reklamevorrichtungen verwendet werden); der davon beschriebene Lichtreifen erh\u00e4lt dann f\u00fcr jeden Schritt eine kleine, f\u00fcr mich bei gew\u00f6hnlichem Gange nur einige Winkelminuten betragende Zacke.","page":18},{"file":"p0019.txt","language":"de","ocr_de":"Kompensatorische Gegenwendung der Augen bei spontan bewegtem Kopfe. 19\ndoch die Exkursionen des sekund\u00e4ren Bildes weit kleiner als die des Reflexes.\n9. Um der Diskussion der Ergebnisse eine gen\u00fcgende Basis zu verschaffen, f\u00fcge ich einige Beobachtungen hinzu, die unserem Thema strikte nicht angeh\u00f6ren.\n\u2022 \u2022\nDieselben betreffen erstens die \u00c4nderungen der Blicklage, wenn man den Kopf ohne Drehung, mitsamt dem Oberk\u00f6rper, seitw\u00e4rts oder auf und nieder (spontan) bewegt, was durch laterale Bewegung in den H\u00fcftgelenken oder laterale Beugung der Lendenwirbels\u00e4ule bzw. durch Hebung und Senkung der Ferse oder Beugung im Kniegelenk geschieht. Untersucht sind nur relativ kleine, ca. 1\u20145 cm breite und ungezwungen schnell ausf\u00fchrbare Exkursionen. Mit obigen Methoden ist leicht nachzuweisen, dafs man ebenfalls bei dieser Bewegungsart (ohne Fixationspunkt) wenn Fixation intendiert wird, eine approximative Blickeinstellung auf einen gewissen Raumpunkt beibeh\u00e4lt, dessen Lage von den n\u00e4mlichen Umst\u00e4nden, wie in obigen Versuchen, a b h \u00e4 n g t. An Charakter und Genauigkeit kommt diese Kompensation der oben studierten ganz gleich.\nFerner versuchte ich festzustellen, ob nicht die Blickkompensation bei \u201epassiver\u201c Drehung des Kopfes ungenauer ausf\u00e4llt. Zu dem Zwecke wurden durch Griff mit Daumen und Zeigefinger am Kinne dem Kopfe Hebung und Senkung mitgeteilt (wobei die Versuchsperson die Kiefer fest zusammenstemmt). Beobachtungen nach der ophthalmoskopischen Methode, nach der der flatternden Herzen oder mittels des sekund\u00e4ren katadioptrischen Bildes (unter sonst unver\u00e4nderten Versuchsumst\u00e4nden) ergaben, wenn die Bewegung in regelm\u00e4fsiger Weise und nicht zu schnell gemacht wurde, merklich die gleiche oder beinahe die gleiche Genauigkeit der Kompensation wie in ordin\u00e4r ausgef\u00fchrten Versuchen. Unregelm\u00e4fsigkeiten, von der Versuchsperson nicht erwartete \u00c4nderungen der F\u00fchrung des Kopfes bringen indessen den zu erwartenden Unterschied zum Vorschein. Es d\u00fcrfen diese Geschwindigkeits\u00e4nderungen allerdings nicht zu langsam geschehen, aber brauchen andererseits keineswegs steiler, pl\u00f6tzlicher sein, als solche der Spontanbewegung, welche von genauer Kompensation begleitet werden. Folgende, an sich selbst praktizierbare Verfahrungsweise habe ich sehr zweckm\u00e4fsig gefunden Man f\u00fchrt wie gew\u00f6hnlich spontan Hebung und Senkung des","page":19},{"file":"p0020.txt","language":"de","ocr_de":"20\nHans Gertz.\nKopfes langsam aus, aber setzt inmitten einer Senkung pl\u00f6tzlich mit hebendem, die Bewegung umkehrendem Fingergriffe am Kinne ein, und macht passiv, mit den H\u00e4nden, einige Hebungen und Senkungen in etwas schnellerem Tempo. Im Anfang der neuen Bewegungsart (aber nur dann) flattern die Farbenfelder ausgiebig aus, oder macht das sekund\u00e4re Bild grofse, 10 \u00e0 20 breite Exkursionen, die in denselben Zeitmomenten fallen, wie die Kopfbewegung ihre Richtung umkehrt.\nBekanntlich folgt der Blick stetig und sehr genau einem m\u00e4fsig geschwind bewegtem Sehobjekte. Es ist dies eine besondere Art der Augenbewegung \u2014 Bar\u00e4ny1 spricht von \u201eoptischem Bewegungsreflex\u201c \u2014, die sich von den durch Willensimpuls ausgel\u00f6sten, ruck- oder sprungweise geschehenden Blickwendungen auff\u00e4llig unterscheidet. Erfahrungsgem\u00e4fs sind jene gleitenden Augenbewegungen nicht auf Willensimpuls ausf\u00fchrbar, aber man d\u00fcrfte sich zudem im allgemeinen vorstellen \u2014 und jene Benennung Baranys sagt dies implizite aus \u2014, dafs dieselben gerade an dem Anblick eines bewegten Gegenstandes gebunden seien, oder ein durch zentrales oder parazentrales Sehen vermitteltes, reaktives Mitfolgen des Blickes darstellen. Ein einfacher Versuch wiederlegt indessen diese, neuerdings auch von Ohrwall 2 verteidigte Ansicht und zeigt, dafs die fragliche, nach B\u00c4rany \u201eoptischreflektorische\u201c Augen be we gung schon durch die genug eindringliche, lebhafte Vorstellung eines bewegten \u2014 aber nicht gesehenen \u2014 \u201eSeh\u201c obj ekt es hervorgerufen wird. In einem verdunkelten Zimmer wirft eine mit passenden Linsen und Blendvorrichtungen armierte Nernst-lampe (z. B. eine sog. Nernstspaltlampe von Gullstrand) ihre Strahlung allein gegen die Augen, w\u00e4hrend sonst Dunkel herrscht. Ich halte seitlich zur Richtung nach dem Licht meine rechte Hand, die mit dunklem Handschuh bekleidet und (wie der ganze Arm) v\u00f6llig unsichtbar ist, mit vorgestrecktem Zeigefinger vor mir auf ; auch kann die Spitze des Daumens gegen die des Zeigefingers gesetzt werden. Bewege ich nun die Hand und intendiere ich energisch der Zeigefingerspitze mit dem Blicke zu folgen, so bewegtsichdassekund\u00e4reBildvollkom menstetig, gleitend, ohne alle Rucke oder Sakkaden, im selben\n1\tM\u00fcnchener Medizin. Wochenschrift, 1907. S. 1072 u. 1132.\n2\tSkandinav. Archiv, f\u00fcr Physiol. Bd 27, 1912, S. 304.","page":20},{"file":"p0021.txt","language":"de","ocr_de":"Kompensatorische Gegenwendung der Augen bei spontan bewegtem Kopfe. 21\nTempo und in gleicher Richtung (aber doppelt schnell) wie die Hand.1 So kann ich \u201emit der Hand\u201c das sekund\u00e4re Bild auf und nieder, seitlich oder schr\u00e4g, in Kreis- oder Wellenlinie umherf\u00fchren ; auch Acceleration und Retardation der Handbewegung macht das Bild mit. Besonders beweisend ist langsame F\u00fchrung der Hand, da der stetige, kontinuierliche Charakter der Bewegung des Bildes dann \u00fcberzeugend ausgepr\u00e4gt ist. Ohne die F\u00fchrung der Hand vermag ich aber, selbst nach langer \u00dcbung, das sekund\u00e4re Bild nur ruckweise, sakkadiert zu verschieben. Die kontinuierliche Bewegung der Augen bei diesem Versuch ist \u00fcbrigens auch objektiv und zwar schon durch blofse Inspektion unzweideutig festzustellen. Die helle Beleuchtung der Nernstlampe l\u00e4fst alle Einzelheiten des Auges vorz\u00fcglich hervortreten, und man kann unmittelbar die kontinuierliche Verschiebung der Pupille, des Hornhautrandes, des Hornhautreflexes oder der Skleralgef\u00e4fse (absolut, oder gegen den Lidrand) deutlich beobachten. Noch besser und genauer geschieht dies unter Anwendung optischer Hilfsmittel, wie namentlich eines Kornealmikroskopes2 (Ohrwalls Methode). Charakteristisch ist, dafs die Augenbewegung bei diesem Versuch wieder gr\u00f6fstenteils sakkadiert wird, wenn der Beobachter (im Dunklen) mit der anderen Hand etwa ein Buch vor der bewegten Hand aufh\u00e4lt.\nPrinzipiell wichtig ist ebenso folgende, mit obigem Versuche Wesens verwandte Beobachtung von Helmholtz.3 Man versucht bei geschlossenen Augen den Blick auf einen in der Hand vertikal gehaltenen Bleistift einzurichten. Das Doppelterscheinen des letzteren beim Offnen der Augen zeigt an, wie diese in fehlerhafter, meist zu schwacher Konvergenz eingestellt waren. \u201eDoch gelingt es viel besser sie richtig einzustellen, . . . wenn man die Spitze des Bleistiftes betastet und daran mit der Fingerspitze reibt. Man erh\u00e4lt dann eine deutlichere sinnliche Vor-\n1\tBecht gut gelingt ebenfalls der Versuch, wenn die Versuchsperson mit der Zeigefingerspitze auf einen dunklen Schirm streicht (\u201eschreibt\u201c) oder wenn eine andere Person mit festem Griff um die Fingerspitze der ersteren diese bewegt.\n2\tAn gewissen Personen finde ich ab und zu pl\u00f6tzliche, momentane Stillst\u00e4nde, gleichsam Haltepunkte der Augenbewegung, zuweilen wohl auch einzelne Sakkaden; dazwischen aber, und zum weitaus gr\u00f6fsten Teil, geschieht die Bewegung langsam gleitend, kontinuierlich.\n3\tHandbuch d. physiolog. Optik 3. Aufl. III. S. 262.","page":21},{"file":"p0022.txt","language":"de","ocr_de":"22\nHans Gertz.\nStellung von seinem Orte, und dann gelingt es mir gew\u00f6hnlich die geschlossenen Augen so darauf zu richten, dafs ich beim \u00d6ffnen derselben keine Doppelbilder sehe.\u201c Diesen Versuch praktisiere ich mit etwa gleich gutem Erfolg unter Anwendung der zusammengehaltenen Spitzen des rechten Daumens und Zeigefingers als Merkobjekt (statt des Bleistiftes). \u00c4hnlich genau finde ich die, eventuell durch Kopfdrehung unterst\u00fctzte, Einrichtung der Augen auf beide Fingerspitzen, wenn dieselben nicht geradeaus vor den Augen, sondern selbst weit seitlich, nach oben oder unten, oder beliebig im Raume zwischen diesen Kardinalrichtungen gehalten werden.\nV.\n1. Wie verhalten sich die ermittelten Tatsachen zu der Ansicht, dafs die kompensatorische Blickbewegung reflektorisch vom Ohrapparat ausgel\u00f6st wird?\nSchon der allgemeine Charakter des Vorganges in quantitativer Hinsicht, seine relativ sehr genaue Anpassung nach der Kopfbewegung, erscheint mit jener Ansicht unvereinbar. Zun\u00e4chst erregt es Bedenken, dem Ohrapparate die hierf\u00fcr n\u00f6tige, \u00fcberaus feine Reaktionsweise zuzuschreiben. Wichtiger ist aber, dafs die notwendig zu postulierende Reflexzeit ein sicher merkbares, zeitliches Auseinanderfallen der Kom-pensations- und der Kopfbewegung herbeif\u00fchren m\u00fcfste. Die Zeit, nach welcher eine Kopfdrehung, durch Erregung des Ohrlabyrinthes und davon ausgel\u00f6sten Reflex, zur Kontraktion betreffender Augenmuskel f\u00fchrt, umfafst zwei Hauptabschnitte, die Latenzdauer der Labyrintherregung (die zum Eintritt des Erregungszustandes n\u00f6tige Einwirkungsdauer des Reizes) und die Zeit der reflektorischen Erregungsleitung vom Labyrinth zu den Augenmuskeln. Man wird kaum fehlgehen, wenn man die fragliche Totalzeit nach derjenigen veranschlagt, um welchen der reflektorische Lidschlag sp\u00e4ter eintrifft wie die ausl\u00f6sende Reizung und welche, je nachdem letztere am Optikus oder am Trigeminus angreift, 0,096 bzw. 0,03 \u00e0 0,04 Sek. (Garten) betr\u00e4gt. Es d\u00fcrften diese Werte die obere und untere Grenze f\u00fcr die plausibel zu postulierende vestibul\u00e4re Reflexzeit darstellen. Wir wollen nur mit der unteren rechnen und die Konsequenzen untersuchen, welche aus dieser, m\u00f6glichst ung\u00fcnstigen Annahme folgen.","page":22},{"file":"p0023.txt","language":"de","ocr_de":"Kompensatorische Gegenwendung der Augen bei spontan bewegtem Kopfe. 23\nEs sei der bestimmte Fall angenommen, dafs 4\u00b0 breite Kopfdrehungen pendelartig in einer Frequenz von 5 pro Sek. erfolgen. Im Moment, wo sich die Bewegungsrichtung umkehrt, erl\u00f6scht im Ohrapparate, wie man annehmen mufs, der bisdann vorhandene Erregungszustand und ein neuer wird wachgerufen. Denn dies mufs ja die Grundlage sein f\u00fcr die Richtungsumkehr der kompensatorischen Augenbewegung und kann seinerseits nur auf die entsprechende \u00c4nderung der Kopfbewegung zur\u00fcckgef\u00fchrt werden.1 Allein die Richtungsumkehr der Augenbewegung kann am fr\u00fchesten 0,03 \u00e0 0,04 Sek. sp\u00e4ter einsetzen, d. h. mufs zum mindesten soviel gegen die Umkehr der Kopfbewegung versp\u00e4tet sein. W\u00e4hrend dieses Intervalles hat mithin die kompensatorische Augenbewegung noch nicht begonnen; der Blick wird mit dem Kopfe deviiert, im angenommenen Falle approximativ um den Betrag 13' \u00e0 27' bzw.2 Wenigstens eine so grofse, momentane Exkursion w\u00fcrden also, bei dem ophthalmoskopischen Versuche, Lichtbild und Netzhautgef\u00e4fs gegeneinander machen, so oft \u2014 5 mal pro Sek. \u2014 sich die Drehungsrichtung des Kopfes umkehrte. Solche Exkursionen m\u00fcfsten aber sehr auff\u00e4llig gewesen und unm\u00f6glich \u00fcbersehen worden sein. Da auch nur eine Andeutung dazu nicht zu entdecken war, bleibt die m\u00f6gliche Zeitdifferenz zwischen Kopf- und Augenbewegung weit hinter dem supponierten Betrag zur\u00fcck und reicht in keiner Weise zu einer Reflexzeit aus.\nDasselbe wie diese theoretische Ausf\u00fchrung beweist noch der zweite der anhangsweise mitgeteilten Versuche. Es m\u00fcfste die Blickkompensation, wenn reflektorisch vom Ohrapparate ausgel\u00f6st, bei einer bestimmten Kopfbewegung immer mit derselben Pr\u00e4zision geschehen, gleichg\u00fcltig in welcher Weise die Bewegung erfolgt. Nach jenem Versuch ist aber so keineswegs der Fall.\nWird ferner die (allein) reflexogene Entstehungsweise der Blickkompensation angenommen, so d\u00fcrfte eine solche Theorie\n1\tHier ist noch zu merken, dafs die Umkehr des vestibul\u00e4ren Erregungszustandes keineswegs der Umkehr der Geschwindigkeits\u00e4nderung der Kopfdrehung, die ja vorzugsweise als das vestibul\u00e4re Reizmoment gilt, entspricht. Erstere findet statt bei den Wendpunkten der Bewegungsbahn des Kopfes, letztere aber bei der Bahnmitte, und die Geschwindigkeits\u00e4nderung hat gerade ihre Maxima in den Wendpunkten.\n2\tBerechnet unter Annahme pendelartigen (sinusoiden) Charakters der Kopfdrehung.","page":23},{"file":"p0024.txt","language":"de","ocr_de":"24\nHans Gertz.\nauch zur Erkl\u00e4rung derjenigen Tatsache ausreichen m\u00fcssen, dafs eine an Charakter und Bedingungen ganz gleiche Kompensation der Blickrichtung auch bei rein translatorischer (nicht rotatorischer) Bewegung des Kopfes vorkommt. Dies erscheint, wenn nicht gerade unm\u00f6glich, doch wenigstens schwierig.\nAuch abgesehen von bisher vorgetragenen Gr\u00fcnden scheitert indessen die in Rede stehende Ansicht allein an dem fundamentalen Umstande, dafs die Kompensation bei Nahe- und Fernsehen verschieden erfolgt.\nAlso steht fest: die hier studierte kompensatorische Gegenwendung der Augen kommt jedenfalls nicht allein durch labyrint\u00e4r ausgel\u00f6sten Reflex zustande, sondern ist noch in anderer Weise bedingt. Die letzterw\u00e4hnte Tatsache erlaubt allerdings eine dahin spezialisierte Annahme, dafs die Kompensation bei Fernsehen einzig labyrint\u00e4r-reflektorischer Natur sei, w\u00e4hrend f\u00fcrs Nahesehen dazu ein akzessorischer, irgendwie mit der Konvergenz synergisch verbundener Mechanismus ins Spiel trete. Dann bestehen jedoch f\u00fcr den ersteren Fall alle \u00fcbrigen Schwierigkeiten fort, und es d\u00fcrfte mithin obige Behauptung keine derartige Einschr\u00e4nkung erleiden.\n2. \u00dcber die Entstehungsweise der Blickkompensation liefern die Versuchsbefunde gewisse allgemein charakterisierende oder andeutende Aussagen.\nDie untersuchten kompensatorischen Augenbewegungen bei (spontanen) Drehungen des Kopfes, sowie die beiden anhangsweise besprochenen Erscheinungen, die Blickkompensation bei Verschiebungen des Oberk\u00f6rpers und die ein bewegtes Objekt verfolgende Blickbewegung, zeigen in einigen prinzipiellen Hinsichten ein \u00fcbereinstimmendes Verhalten und erscheinen demnach in entsprechendem Mafse gleichartig und zusammengeh\u00f6rig. Die Augenbewegung erfolgt kontinuierlich, nicht sakkadiert, in sehr genauer Anpassung nach ihrer Aufgabe ; es hat \u00fcberhaupt den Anschein, dafs die Augenbewegung f\u00fcr den bez\u00fcglichen Zweck, das optische Aufmerken unter betreffenden Umst\u00e4nden, ausgebildet worden ist. Und dieselbe geschieht aufserdem, im wesentlichen ganz gleichartig, bei Ausschlufs des visuellen Momentes, nur eine genug lebhafte, sinnlich deutliche Vorstellung davon, die geh\u00f6rig energische \u201eZweckintention\u201c, wachgerufen wird. Dies bezeichnet ja eine assoziative Ausl\u00f6sungsweise der fraglichen Augen-","page":24},{"file":"p0025.txt","language":"de","ocr_de":"Kompensatorische Gegenwendung der Augen bei spontan bewegtem Kopfe. 25\nbewegung: die Intention zu dem betreffenden Sehakte, wenn in geh\u00f6riger Energie vorhanden, l\u00f6st dieselbe ans, und die richtige Abstufung der Bewegung geschieht nach dem sinnlich unmittelbaren Bewufst-sein von den (speziell gearteten) Verh\u00e4ltnissen, unter welchen das Sehen stattzufinden hat. In dieser Weise f\u00fcgen sich die genannten Arten der Augenbewegung unter gemeinsamem kausalem Gesichtspunkte ; im Bereiche der so charakterisierten Erscheinungen geh\u00f6rt \u00fcbrigens, was zu bemerken ist, auch die im letzterw\u00e4hnten Versuch von Helmholtz (S, 21) demonstrierte.\nGegen diesen theoretischen Hintergrund erscheint das beobachtete Verhalten der Blickkompensation ungezwungen verst\u00e4ndlich, w\u00e4hrend \u2014 eben deshalb \u2014 die Mitwirkung des Vestibularapparates etwas untergeordnet erscheint, oder vielmehr gar nicht hervortritt (daf\u00fcr aber nat\u00fcrlich nicht ausgeschlossen ist.)\nSo erkl\u00e4ren sich das synchrone Einsetzen und Aufh\u00f6ren, oder \u00fcberhaupt die allgemeine \u201eKongruenz\u201c der Kopf- und Augenbewegung, indem mit dem Impulse zur Kopfdrehung, bei Intention zu ungest\u00f6rtem optischem Aufmerken, sich ein danach abgestufter Impuls zu Kompensation der Augenstellung simultan verbindet. Geschieht die Kopfbewegung passiv, so assoziiert sich der Kompensationsimpuls mit der Bewegungsempfindung und wird danach dosiert,1 was noch eine ziemliche Genauigkeit der Kompensation erlauben d\u00fcrfte, sofern die Kopf bewegung in deutlich erkennbarer, habituell ge\u00fcbter Weise ausgef\u00fchrt wird. Wenn andererseits die Bewegung des Kopfes pl\u00f6tzlich und in ungewohnter Art ver\u00e4ndert wird, dann erfolgt die entsprechende \u00c4nderung des Kompensationsimpulses nicht sogleich, sondern erst nachdem die neue Bewegungsart zu Empfindung gekommen ist.\nVom selben Gesichtspunkte erkl\u00e4rt sich das zweite Charakteristikum der Blickkompensation, ihre Relation zu Fern- und Nahesehen. Bez\u00fcglich der Frage, wie die Entfernung des Punktes, in bezug auf welchen die Blickrichtung approximativ korrigiert\n1 Nat\u00fcrlich kann nicht ausgeschlossen werden, oder ist es im Gegenteil wahrscheinlich, dafs die Versuchsperson bei dem betreffenden Versuche (S. 19) seinen Kopf mitbew'egt. Aber die Kompensation kann dann nur richtig erfolgen, wenn der Impuls dazu nicht nur nach der Intention zur Mitbewegung, sondern zudem nach der Empfindung der tats\u00e4chlich ausgef\u00fchrten Bewegung abgewogen wird.","page":25},{"file":"p0026.txt","language":"de","ocr_de":"26\nHans Gertz.\nwird, von den Hauptkomponenten der Sehfnnktion abh\u00e4ngt, geht ans den Versuchen evident hervor, dafs, wenn s\u00e4mtliche Faktoren, welche die \u201evisuelle Projektionsdistanz\u201c bestimmen \u2014 Akkommodation, Konvergenz, binokulares Sehen, Erfahrungsmomente \u2014 in normaler (habitueller) Verbindung Zusammenwirken, diese Distanz die fragliche Entfernung darstellt; der \u201eKompensationspunkt\u201c ist dann derselbe, auf welchen sich das mit dem Sehen bezweckte optische Aufmerken bezieht. Sonst aber, bei L\u00f6sung jener Verbindung, scheint die Lage des Kompensationspunktes (jedes Auges) vornehmlich der Konvergenz und den Aussagen\npsychischer Momente zu folgen.\nUnsere aus Empfindungs- und Vorstellungselementen gebildete, sinnlich unmittelbare Auffassung vom Abstande des Orts, welchen unser optische Aufmerken betrifft, konstituiert zu wesentlichem Teile die (im \u00fcbrigen schon besprochene) Grundlage f\u00fcr die richtige Abstufung des Kompensationsimpulses, und es kann jene Auffassung auch beim Ausschlufs des direkten Sehens genug sicher und deutlich, d. h. zu dem bezeichneten Zwecke zureichend sein. Einen wenigstens indirekten Beweis hierf\u00fcr gibt der angef\u00fchrte HELMHOLTzsche Versuch, bei welchem prinzipiell dasselbe vorliegt: das Gef\u00fchl der Entfernung oder \u00fcberhaupt der Lage der vor den geschlossenen Augen aufgehaltenen Fingerspitze liefert gen\u00fcgende Grundlage f\u00fcr richtige Abw\u00e4gung des Konvergenz-bzw. Einstellungsimpulses. F\u00fcr unsere (richtig oder fehlerhaft ausfallende) Beurteilung der absoluten Entfernung der Sehobjekte \u2014 d. h. die Bemessung der \u201evisuellen Projektionsweite\u201c \u2014 spielen bekanntlich Konvergenzgef\u00fchl und Momente der Erfahrung eine Hauptrolle. Demgem\u00e4fs ist auch zu erwarten, dafs dieselben Faktoren (beim Ausschlufs des zentralen Sehens) hinsichtlich der Lokalisierung des Kompensationspunktes (des einen und anderen Auges) pr\u00e4valieren sollen. Ich erinnere hier speziell an zwei parallele oder gar prinzipiell identische Versuche. Die Scheinbewegung der Tapetenbilder (vgl. S. 14) bezeugt, nach Helmholtz, unser deutliches und sicheres Bewufstsein, wie der Konvergenzpunkt dies- oder jenseits des beweglichen Tapetenmusteis gelegen ist. Andererseits der hier oben (S. 10) angef\u00fchrte analoge Versuch : die Augen fixieren zwei binokular im Sammelbilde vereinigte Punkte, aber der Kompensationspunkt (jedes Auges) liegt nicht im bez. Fixationspunkt, sondern in der N\u00e4he des Kon-vergenzpunktes oder wenigstens weit nach der Seite dieses hin.","page":26},{"file":"p0027.txt","language":"de","ocr_de":"Kompensatorische Gegenwendung der Augen hei spontan bewegtem Kopfe. 27\nDie Tatsache, dafs die Fixationsintention, in den mitgeteilten Versuchen, bei Nahesehen energischer f\u00fchlbar ist als bei Fernsehen, sowie das analoge Verhalten der Erm\u00fcdbarkeit (S. 16) deuten auf st\u00e4rkere Inanspruchnahme von Nerven- und Muskelaktion in jenem als in diesem Falle, was ja noch aus anderen Gr\u00fcnden offenbar erscheint.\nDie vorl\u00e4ufig zur Begrenzung der Untersuchung eingef\u00fchrte Bestimmung der Kopf be wegungen als \u201espontan\u201c (durch Willensimpuls ausgel\u00f6st) f\u00fchrt, wie ersichtlich, keineswegs ebenso eine Abgrenzung des untersuchten Typus von Kompensationsbewegungen herbei; auch gewisse passive Kopfbewegungen veranlassen eine ganz gleiche Kompensation. Nur machen die spontanen Kopfbewegungen gewissermafsen die am meisten repr\u00e4sentative, die physiologisch dominierende Kategorie aus. Die hier studierte Art von Augenbewegungen d\u00fcrfte vielmehr nur durch ihre schon genannten, aus einem etwas weiteren Erscheinungsgebiet abstrahierten Grundbedingungen zu bezeichnen sein. Es sind diese \u2014 soweit der Umfang dieser Untersuchung solche pr\u00e4liminar zu statuieren erlaubt \u2014 erstens Intention zum Fixieren, zweitens ein unmittelbares, sinnlich deutliches (z. B. durch Willensintention oder Bewegungsempfindung gegebenes) Bewufstsein von der Lage\u00e4nderung des Kopfes.\nVon teleologischem Gesichtspunkte ist es bemerkenswert, dafs die Blickkompensation ohne Mitwirkung des direkten Sehens in relativ grofser Genauigkeit erfolgt. Indem n\u00e4mlich so die Kompensation \u201edem direkten Sehen zu Dienste steht\u201c, st\u00f6ren gelegentliche Kopfbewegungen das ruhige, genaue Sehen wenig oder nicht. K\u00e4me aber die Kompensation zu wesentlichem Teile als sukzessiv korrigierte Blickeinstellung zustande, so w\u00fcrde dies eine ansehnliche Erschwerung des Sehens bedeuten, da Kopfbewegungen das zentrale Sehen frequent vereiteln m\u00fcfsten. Bei jenem Tatbest\u00e4nde bleibt nur die Aufgabe \u00fcbrig, wenn n\u00f6tig \u2014 und wahrscheinlich nicht allzu frequent \u2014 die geringe Ungenauigkeit der Kompensationsbewegung sekund\u00e4r durch Blickeinstellung zu korrigieren, d. h. die auch sonst funktionell bedeutsame (beim Blicken wesentlich beteiligte) Feineinstellung des Blickes, welche das direkte Sehen zur Grundlage hat.","page":27}],"identifier":"lit33628","issued":"1914","language":"de","pages":"1-27","startpages":"1","title":"\u00dcber die kompensatorische Gegenwendung der Augen bei spontan bewegtem Kopfe [Schlu\u00df]","type":"Journal Article","volume":"48"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:46:37.113233+00:00"}

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