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Beiträge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane

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{"created":"2022-01-31T16:52:38.857772+00:00","id":"lit33629","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"Fr\u00f6hlich, Friedrich W.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 48: 28-164","fulltext":[{"file":"p0028.txt","language":"de","ocr_de":"(Aus der zoologischen Station in Neapel.)\nBeitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\nVon\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich, Bonn.\nMit 37 Textfiguren und 7 Lichtdrucktafeln.\nInhalt.\nI.\t\u00dcber den Verlauf der Netzhautstr\u00f6me.\nEinf\u00fchrung.\nVersuchsobjekte.\nVersuchsmethode.\nDer Ruhestrom.\n1.\tDer von der Retina ableitbare Ruhestrom.\n2.\tDer vom Bulbus ableitbare Ruhestrom.\n3.\tDer vom Bulbus, dem Ganglion oticum und seinen Nerven ableitbare Ruhestrom.\nDie Aktionsstr\u00f6me.\n1.\tDie Aktionsstr\u00f6me der Retina.\n2.\tDie Aktionsstr\u00f6me des Bulbus.\n3.\tAktionsstr\u00f6me vom Ganglion oticum und seinen Nerven. Zusammenfassung der Ergebnisse.\nII.\t\u00dcber die rhythmische Natur der Netzhauterregung und ihre Bedeutung f\u00fcr die Licht- und Farbenwahrnehmung.\nEinleitung.\nDer Nachweis der rhythmischen Aktionsstr\u00f6me.\nDie Abh\u00e4ngigkeit des Netzhautrhythmus von der Intensit\u00e4t der Belichtung.\nDie Nachrhythmen.\nDie Abh\u00e4ngigkeit des Netzhautrhythmus von derWellen-l\u00e4nge des Reizlichtes.\nDer Farbensinn der Cephalopoden.\nZusammenfassung der Ergebnisse.","page":28},{"file":"p0029.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n29\nIII. Erm\u00fcdung und Erholung der Netzhaut und ihre Beziehung zur Hellund Dunkeladaptation.\nEinleitung.\nDie Ver\u00e4nderung des Netzhautstromes durch Erm\u00fcdung.\n1.\tAbh\u00e4ngigkeit von der Intensit\u00e4t der Belichtung.\n2.\tAbh\u00e4ngigkeit von der Farbe des Reizlichtes.\n3.\tAuftreten einer positiven Nachschwankung und einer negativen Nachwirkung.\n4.\tBeziehung zwischen Reizst\u00e4rke und elektromotorischer Kraft (Weber-FECHNERsches Gesetz).\nDie Ver\u00e4nderung des Netzhautrhythmus durch Erm\u00fcdung.\n1.\tVerminderung der Intensit\u00e4t und Frequenz der Erregungen.\n2.\tTheorie der Nachbilder und der Umstimmung.\nDie Erholung der Netzhaut.\n1.\tAnsteigen der elektromotorischen Kraft der Netzhautstr\u00f6me.\n2.\tAnsteigen der Frequenz der Netzhautrhythmen.\n3.\tDer zeitliche Verlauf der Erholung.\nTheorie der Hell- und Dunkeladaptation. Zusammenfassung der Ergebnisse.\nIY. \u00dcber die Wirksamkeit farbiger Lichter auf die Netzhaut.\nEinleitung.\nMethodik.\nVersuche mit Lichtfiltern.\nVersuche mit dem Dispersionsspektrum des Nernstlichtes.\nVersuche mit dem Interferenzspektrum des Sonnenlichtes.\nTheorie des PurkinjEschen Ph\u00e4nomens und der Farbenblindheit.\nZusammenfassung der Ergebnisse.\nI. \u00dcber den Verlauf der Netzhautstr\u00f6me.\nEinf\u00fchr u n g.\nViele der Leser werden die umfassende Bezeichnung unserer Untersuchungen als Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane nicht gelten lassen wollen, sie werden sich dabei an die grundlegenden Abhandlungen von Johannes M\u00fcller erinnern, welche sich mit der spezifischen Energie der -Sinnesorgane besch\u00e4ftigen, und daher die Berechtigung einer allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane in Abrede stellen. Die Untersuchungen von Johannes M\u00fcller zeigen gerade, dafs die Sinnesorgane mit spezifischen Reaktionen ausgestattet sind, welche be-","page":29},{"file":"p0030.txt","language":"de","ocr_de":"30\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nwirken, dafs irgendein Reiz, welcher ein Sinnesorgan trifft, eine f\u00fcr dieses Sinnesorgan spezifische Empfindung ausl\u00f6st. Wie sollte da von einer allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane die Rede sein k\u00f6nnen? Wenn wir jedoch die Resultate der Untersuchungen nach Johannes M\u00fcller \u00fcberblicken, so finden wir, dafs sie eine Tatsache hervorgebracht haben, welche die Lehre von der spezifischen Energie der Sinnesorgane in wichtiger Weise erg\u00e4nzt. Wir wissen heute durch eine grofse Reihe von Untersuchungen, dafs jedes Sinnesorgan mit bestimmten Teilen des Zentralnervensystems verbunden ist, und dafs dieser Teil des Zentralnervensystems f\u00fcr das Zustandekommen der spezifischen Sinnesempfindungen unbedingt notwendig ist. Wenn wir uns vorstellen, dafs wir den Gesichtsnerven durchschneiden und seinen peripheren Stumpf mit dem zentralen Stumpf des gleichfalls durchschnittenen Riechnerven zur Verheilung bringen, so w\u00fcrde jetzt jede ad\u00e4quate Reizung der Netzhaut trotz der spezifischen Energie der Netzhaut eine Geruchsempfindung ausl\u00f6sen m\u00fcssen. Mit gleichem Recht k\u00f6nnten wir von einer spezifischen Energie eines Nerven reden. Reizen wir den peripheren Stumpf des Nervus vagus mit irgendeinem Reiz, so bekommen wir, sofern der Reiz \u00fcberhaupt wirksam ist, eine Verlangsamung des Herzschlages bzw. einen Stillstand des Herzens und doch wissen wir, dafs der Nervus vagus in seinen allgemeinen Eigenschaften mit anderen Nerven \u00fcbereinstimmt. Es ist nur das Erfolgsorgan, mit welchem er verbunden ist, das seine spezifische Reaktion veranlafst. Ebenso wissen wir, dafs nach kreuzweiser Verheilung zweier Nerven und Reizung derselben jeder die f\u00fcr den anderen Nerven spezifische Reaktion vermittelt.\nDadurch dafs ein Sinnesorgan besonders f\u00fcr die Aufnahme bestimmter Reize gebaut ist und auf diese Reize besonders leicht anspricht, dadurch dafs dieses Sinnesorgan mit bestimmten Teilen des Zentralnervensystems verbunden ist, dadurch endlich, dafs ihrerseits die Teile des Nervensystems mit bestimmten Erfolgsorganen, das sind andere Nervenzellen, Muskeln oder t)r\u00fcsen, in Verbindung stehen, erfolgt bei ad\u00e4quater Reizung eines Sinnesorganes ein bestimmter Reflex, welcher mit einer spezifischen Empfindung einhergehen kann.\nSo wie wir eine allgemeine Physiologie des Nervensystems, der Muskeln und Dr\u00fcsen haben, d. h. alle Nervenzellen, alle Muskeln und Dr\u00fcsen weisen untereinander und mit allen Formen","page":30},{"file":"p0031.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n31\nlebendiger Substanz gewisse allgemeine Eigenschaften auf, so m\u00fcssen auch die Reaktionen der Sinnesorgane sich bestimmten allgemeinen Gesetzm\u00e4fsigkeiten einf\u00fcgen. Wie sie das tun, und wie sie sich durch Ausbildung einzelner Eigenschaften untereinander und von den \u00fcbrigen Formen lebender Substanz unterscheiden, dies festzustellen, ist Aufgabe der allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane. Dies ist auch der einzige Weg, der zur weitergehenden Erkenntnis der Sinnesfunktion h\u00f6herer Tiere und des Menschen f\u00fchren kann.\nWie grofs die Bedeutung einer allgemeinen Betrachtung der Vorg\u00e4nge in den Sinnesorganen ist, haben insbesondere die Untersuchungen E. Heeing\u2019s gezeigt, der gerade durch seine sinnesphysiologischen Arbeiten und seine Untersuchungen zur allgemeinen Nerven- und Muskelphysiologie zu seinen grundlegenden Anschauungen \u00fcber die Vorg\u00e4nge in der lebenden Substanz gekommen ist.\nWenn wir die bereits vorliegenden Beobachtungen zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane \u00fcberblicken, so finden wir abgesehen von Heeing\u2019s Angaben nur sp\u00e4rliches Material, und auch die Ausf\u00fchrungen Heeing\u2019s \u00fcber die Licht- und Farben-, \u00fcber die K\u00e4lte- und W\u00e4rmeempfindung lassen nur erkennen, dafs sich die Vorg\u00e4nge in den Sinnesorganen allgemeinen Erfahrungen unterordnen lassen, Versuche, welche die Vorg\u00e4nge in den Sinnesorganen direkt angehen, treten dabei fast vollkommen in den Hintergrund.\nDie Erforschung der Erregungsvorg\u00e4nge in den Sinnesorganen gewinnt besonders auch dadurch an Bedeutung, dafs wir Aufschlufs \u00fcber ihr Verh\u00e4ltnis zu den Reaktionen der \u00fcbrigen Teile des Reflexbogens erhalten. Wenn wir irgendeinen einfacheren Reflexbogen herausgreifen, so kennen wir seine Funktion und die Funktion seiner Teile. Wir wissen, wie Nerven und Nervenzellen arbeiten, wir kennen die Reaktion der Erfolgsorgane, ja selbst die \u00dcbergangsstellen von den Nerven zu den Erfolgsorganen, die sog. Nervenenden oder Synapsen, sind eingehend untersucht. Wir kennen auch die Verh\u00e4ltnisse, welche zwischen den einzelnen Teilen des Reflexbogens in Beziehung auf Reaktionsgeschwindigkeit, Erm\u00fcdbarkeit usw. bestehen. Die im R\u00fcckenmark gelegenen Nervenzellen des Reflexbogens eines Skelettmuskels sind jener Teil, welcher am leichtesten erm\u00fcdet, der Nerv dagegen ist nur sehr wenig erm\u00fcdbar. Der Muskel","page":31},{"file":"p0032.txt","language":"de","ocr_de":"32\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nist erm\u00fcdbarer als der Nerv jedoch weniger erm\u00fcdbar als das Zentralnervensystem und die Nervenendigungen. Bringen wir die Teile eines Reflexbogens je nach ihrer Erm\u00fcdbarkeit in eine Reihe, so ist das Zentralnervensystem am erm\u00fcdbarsten, dann kommt das Nervenende, der Muskel, der Nerv. F\u00fcr viele Reflexb\u00f6gen ist die Bedeutung der verschieden entwickelten Erm\u00fcdbarkeit erkannt. Auf der stark ausgepr\u00e4gten Erm\u00fcdbarkeit des Zentralnervensystems beruht eine Reihe seiner Eigenschaften, z. B. die Bahnungs- und Hemmungsvorg\u00e4nge, welche f\u00fcr die Funktion des Zentralnervensystems grofse Bedeutung haben. Die Nerven leiten infolge ihrer geringen Erm\u00fcdbarkeit die Erregungen im wesentlichen so weiter, wie sie dieselben vom Zentralnervensystem bzw. den Sinnesorganen empfangen. Dadurch dafs Muskeln und Nervenendorgane weniger erm\u00fcdbar sind als das Zentralnervensystem, werden wir vor dem unangenehmen Gef\u00fchl einer Art Fesselung bewahrt, die darin zum Ausdruck kommen w\u00fcrde, dafs das noch funktionst\u00fcchtige Nervensystem die bereits erm\u00fcdeten Muskeln nicht mehr zu T\u00e4tigkeiten anzuregen imstande w\u00e4re.\nWir wissen ferner, dafs nicht alle Reflexb\u00f6gen gleiche Verh\u00e4ltnisse aufweisen, dafs z. B. die Reflexb\u00f6gen des sympathischen Nervensystems gerade in bezug auf die Erm\u00fcdbarkeit ihrer Teile sich anders verhalten, und dafs darauf wieder eine Reihe Eigenschaften beruhen, welche f\u00fcr das sympathische Nervensystem charakteristisch sind.1\nWir wissen jedoch weder etwas Sicheres \u00fcber den Erregungsvorgang in den Sinnesorganen selbst noch \u00fcber das Verh\u00e4ltnis dieser Erregungsvorg\u00e4nge zu jenen in den \u00fcbrigen Teilen der Reflexb\u00f6gen. Hier zeigt sich eine empfindliche L\u00fccke unseres Wissens. Wenn man nun fr\u00e4gt, woran es liegt, dafs gerade dieses Gebiet, welches f\u00fcr Physiologie, Psychologie und Erkenntnistheorie von gleich grofser Bedeutung ist, trotz seiner Wichtigkeit eine so ungen\u00fcgende Bearbeitung gefunden hat, so lautet die Antwort: es liegt an der Schwierigkeit des Objektes. Die meisten Sinnesorgane sind einer direkten Untersuchung nur schwer zug\u00e4nglich, die wenigen, die zug\u00e4nglich sind, haben bisher die auf sie gesetzten Hoffnungen nicht erf\u00fcllt. Wie grofs war die Er-\n1 Siehe dar\u00fcber Friedrich W. Fr\u00f6hlich, Sympathisches Nervensystem. Handw\u00f6rterbuch der Naturwissenschaften. Jena 1913.","page":32},{"file":"p0033.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n33\nWartung, als Du Bois Reymond 1 die Str\u00f6me am Auge beschrieb, und Holmgken 2 seine Beobachtungen \u00fcber die Str\u00f6me mitteilte, welche bei Belichtung des Auges entstehen. Wie grofs war die Begeisterung, mit welcher K\u00fchne 3 und Steiner ihre weit angelegten Untersuchungen \u00fcber die Netzhautstr\u00f6me ver\u00f6ffentlichten. Heute liegen eine grofse Zahl von Untersuchungen von den besten der Physiologen vor, aber allen bereitete die Kompliziertheit der elektrischen Erscheinungen, welche am belichteten Auge auftreten, grofse Schwierigkeiten. Die Netzhautstr\u00f6me konnten bisher, dies geht aus allen vorliegenden Untersuchungen \u00fcbereinstimmend hervor, nicht ohne Zuhilfenahme mehr oder minder verwickelter Annahmen zur Deutung der die Lichtempfindung ausl\u00f6senden Vorg\u00e4nge in der Netzhaut benutzt werden. Dieser Mangel ist aber gerade deswegen besonders schwerwiegend, da wir unbedingt annehmen m\u00fcssen, dafs die Erregungen schon in den Sinnesorganen eine bestimmte Formation erfahren, die f\u00fcr Intensit\u00e4t und Qualit\u00e4t der spezifischen Empfindung von ausschlaggebender Bedeutung ist. Untersuchungen, welche hier erfolgreich einsetzen, m\u00fcssen Resultate von grofser Bedeutung ergeben.\nDie Versuchsobjekte.\nEine der wichtigsten Bedingungen f\u00fcr den Erfolg einer Untersuchung ist die Wahl eines g\u00fcnstigen Versuchsobjektes. Ein solches ist das Auge der Cephalopoden, welches, wie ich mich auch durch eigene Untersuchungen \u00fcberzeugen konnte, f\u00fcr die uns hier interessierenden Fragen gegen\u00fcber den Augen anderer Tiere eine Reihe wichtiger Vorteile auf weist.\nDie Anatomie und Histologie der Cephalopodenaugen ist insbesondere von Hensen, Schoebel, Grennacher, v. Lenhossek,\n1\tE. Du Bois Reymond, Untersuchungen \u00fcber tierische Elektrizit\u00e4t. II. Bd., 1. Abt. Berlin 1849. S. 256 ff.\n2\tFr. Holmgren, Method att objektivem effekten of zjusintrijck po\nretime. Upsala L\u00e4karforenings F\u00f6rhandlingar. Bd. 1.\t1866. Om retina-\nstr\u00f6men. Ebenda. Bd. 6. 1871. \u2014 \u00dcber die Retinastr\u00f6me. Untersuchungen aus dem physiologischen Institut in Heidelberg. Bd. 3.\t1880.\n3\tK\u00fchne und Steiner, \u00dcber-das elektromotorische Verhalten der Netzhaut. Untersuchungen aus dem physiologischen Institut der Universit\u00e4t Heidelberg. Bd. III. 1880. \u00dcber elektrische Vorg\u00e4nge im Sehorgan. Ebenda. Bd. 4. 1881.\nR\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 48.","page":33},{"file":"p0034.txt","language":"de","ocr_de":"34\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nHesse und Merton bearbeitet worden. Siehe dar\u00fcber die bemerkenswerte Zusammenstellung von Bauer 1 in den Mitteilungen der zoologischen Station Neapel. Die Physiologie der Cephalopoden-augen ist von C. Langer, Leuckart, Th. Beer, Beck, Rawitz, R. Magnus, Muskens, Piper, C. Hess, Nepyeu und Heine untersucht worden.\nF\u00fcr die uns hier interessierenden Fragen kommen in erster Linie die Untersuchungen von Beck 2 und Piper 3 in Betracht, welche das elektromotorische Verhalten der Cephalopodenaugen studiert und eine Reihe wichtiger Erscheinungen beobachtet haben.\nDie Vorteile, welche das Cephalopodenauge bietet, seien im folgenden aufgez\u00e4hlt.\n1. Das Cephalopodenauge ist wesentlich einfacher gebaut als das Wirbeltierauge. Die Nervenzellschichten, welche bei der Netzhaut des Wirbelauges enge mit dem Auge, insbesondere mit der Netzhaut verbunden sind, liegen hier in einem eigenen Abschnitt des Nervensystems, dem Ganglion oticum. Dasselbe ist durch Nervenfasern, welche unter Umst\u00e4nden eine betr\u00e4chtliche L\u00e4nge erreichen k\u00f6nnen, einerseits mit Auge andererseits mit dem \u00fcbrigen Nervensystem verbunden. Die Nervuli otici, welche die Netzhaut und das Ganglion oticum verbinden, erreichten bei den gr\u00f6fsten von mir untersuchten Vertretern von Octopus macropus eine L\u00e4nge von 18 mm, der Tractus opticus eine L\u00e4nge von 4 mm.\nDie Netzhaut ist nicht wie bei den Wirbeltieren invertiert, sondern die Fasern der Nervuli otici treten von r\u00fcckw\u00e4rts an die gegen das Licht gekehrten Sehelemente heran, welche ein einschichtiges Neuroepithel vorstellen.\nEs gibt nur eine Art von Sehelementen und zwar eine Art von St\u00e4bchen, welche, wie die Untersuchungen von Carl v. Hess gezeigt haben, einen dem Sehpurpur \u00e4hnlichen Stoff besitzen.\nDie Augen sind verh\u00e4ltnism\u00e4fsig sehr grofs. Sie erreichen bei den am meist gefangenen Tieren einen Durchmesser des\n1\tV. Bauer, Einf\u00fchrung in die Physiologie der Cephalopoden. Mitteilungen aus der zoologischen Station in Neapel. Bd. 19. 1909.\n2\tBeck, \u00dcber die bei Belichtung der Netzhaut von Eledone moschata entstehenden Aktionsstr\u00f6me. Pfl\u00fcger's Archiv, Bd. 78. 1899.\n3\tH. Piper, Das elektromotorische Verhalten der Eetina bei Eledone mosehata. Archiv f\u00fcr Physiologie. 1904. S. 453.","page":34},{"file":"p0035.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n35\n\u00c4quators von l1^\u20142 cm. Es sind aber Tiere beobachtet worden, bei welchen das Auge den enormen Durchmesser von 37 und 40 cm erreicht hat.\n2.\tBei der Belichtung des Auges entstehen sehr starke Str\u00f6me, deren elektromotorische Kraft 0,01 Volt erreichen kann.\n3.\tDie Str\u00f6me weisen einen wesentlich einfacheren Verlauf auf, als die von den Augen der Wirbeltiere abgeleiteten Str\u00f6me.\n4.\tDie Augen \u00fcberleben bei einzelnen Vertretern der Cephalo-\n\u2022 *\npoden sehr lange die T\u00f6tung des Tieres. Eine Uberlebensdauer von mehreren Tagen habe ich wiederholt beobachtet.\n5.\tDie Cephalopoden weisen den Vorteil auf, dafs ihr Muskel-und Nervensystem bereits eingehend untersucht ist, eine Umstand, der f\u00fcr die Beantwortung der oben gestellten Frage nach den Beziehungen zwischen den Sinnesorganen und den \u00fcbrigen Teilen des Reflexbogens von grofser Bedeutung ist.\nJeder der drei Vertreter der Cephalopoden, Eledone moschata, Octopus macropus, 0. vulgaris, welche bei meinen Versuchen verwendet wurden, weist besondere Vorteile auf. Eledone ist am leichtesten in gr\u00f6fserer Menge zu erhalten, sie wird zwar gegessen, hat aber wegen ihres moschus\u00e4hnlichen Geruches geringeren Marktwert. Die Augen von Eledone sind die widerstandsf\u00e4higsten, vielleicht die widerstandsf\u00e4higsten im ganzen Tierreich. Die Augen von Octopus macropus weisen den Vorteil auf, dafs die Nervuli otici und der Tractus oticus verh\u00e4ltnis-m\u00e4fsig lang werden. Daf\u00fcr sind die Tiere weniger leicht zu haben, ihr Marktwert ist gr\u00f6fser und ihre Widerstandsf\u00e4higkeit ist weit geringer. Vielfach werden sie ganz schlapp eingeliefert. Eine Mittelstellung in bezug auf Widerstandsf\u00e4higkeit der Augen und L\u00e4nge seiner Nerven nimmt Octopus vulgaris ein. Er weist den Vorteil auf, dafs er nicht selten in sehr grofsen, mehrere Kilogramm schweren Exemplaren gefangen wird, die dementsprechend sehr grofse Augen besitzen. Loligo und Sepia, welche gleichfalls h\u00e4ufig gefangen werden, eignen sich wegen der Hinf\u00e4lligkeit ihrer Gewebe weniger f\u00fcr unsere Versuche.\nEine Untersuchung des elektromotorischen Verhaltens des Cephalopodenauges l\u00e4fst sich heute mit Erfolg nur an der zoologischen Station in Neapel ausf\u00fchren, die \u00fcber das reiche Tiermaterial des Golfes von Neapel und auch \u00fcber reiche Erfahrungen \u00fcber den Tierfang verf\u00fcgt. Die Versuchstiere m\u00fcssen\n3*","page":35},{"file":"p0036.txt","language":"de","ocr_de":"36\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nm\u00f6glichst frisch und unbesch\u00e4digt dem Experimentator zur Verf\u00fcgung stehen. Aufserdem verf\u00fcgt die Station \u00fcber ein aus^ gezeichnetes Instrumentarium und die R\u00e4ume, welche f\u00fcr eine Untersuchung und Registrierung der Str\u00f6me der Augen notwendig sind. Ich danke einem hohen Ministerium f\u00fcr Unterricht und\nV\ngeistige Angelegenheiten f\u00fcr den Arbeitsplatz an der zoologischen Station, der mir nun schon zum zweiten Male zur Verf\u00fcgung stand. Ich danke auch der Leitung und den Herren der zoologischen Station, insbesondere Herrn Reinhard Dohrn und Herrn Richard Burian f\u00fcr die grofse Liebensw\u00fcrdigkeit, die sie mir andauernd bewiesen haben.\nVersuchsmethode.\nZur Beobachtung der im Auge entstehenden elektrischen Str\u00f6me diente ein grofses EiNTHOVEN\u2019sches Saitengalvanometer in der Konstruktion von Edelmann in M\u00fcnchen. Die Messung der elektromotorischen Kraft der Str\u00f6me wurde mit der Nullmethode ausgef\u00fchrt. In einem Hauptkreis befand sich ein Daniellelement, dessen elektromotorische Kraft gemessen war, ein St\u00f6pselrheostat und der Platindraht des runden Kompensators von Du Bois-Reymond. Von einem Ende dieses Drahtes und dem Schleifkontakt des Kompensators ging die Leitung durch die beiden unpolarisierbaren Elektroden und die Saite des Galvanometers. Die Platinsaite hatte einen Widerstand von 4000 Ohm, das Pr\u00e4parat mit Elektroden hatte einen Widerstand, der in den verschiedenen Versuchen Werte von 3000\u20145000 Ohm, in der Regel von 4000 Ohm auf wies. Die Saite war so gespannt, dafs sie eben aperiodisch reagierte. .\nZur Ableitung der Str\u00f6me dienten die gew\u00f6hnlichen Tonstiefelelektroden. Ihr Ton war mit wenig Meerwasser geknetet und in kurze aber scharfe Spitzen geformt. Auf die Verfertigung der Elektroden wurde besondere Sorgfalt verwendet, sie standen nie l\u00e4nger als 12 Stunden im Gebrauch, ihre Str\u00f6me wurden vor, w\u00e4hrend und nach jedem Versuch wiederholt gemessen. Es zeigte sich n\u00e4mlich, dafs Elektroden, die im Beginn des Versuches fast stromlos waren \u2014 sie wiesen Str\u00f6me von etwa 0,005 Millivolt auf \u2014 2\u20143 Stunden nach Beginn des Versuches Str\u00f6me bis zu einem Millivolt zeigten. Diese Str\u00f6me konnten, da Unreinlichkeiten streng vermieden waren, von einem Vertrocknen der Elektroden kommen, traten aber auch auf, wenn.","page":36},{"file":"p0037.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n37\ndie Elektroden mit dem Auge in einer Feuchtkammer untergebracht waren. Es war ferner m\u00f6glich, dafs Zinksulfat durch den Ton durchdiffundiert und Anlafs zu Str\u00f6men gibt. Es liefs sich aber weder durch Kosten mit der Zunge noch durch ehemische Methoden Zinksulfat nachweisen. Bei diesen Versuchen fiel es jedoch auf, dafs die am hinteren Augenpol anliegende Elektrode mit Fl\u00fcssigkeit durchfeuchtet war, welche offenbar aus dem Auge stammte. Die Anfeuchtung der einen Elektrode mit dieser Fl\u00fcssigkeit ergab bedeutende Elektrodenstr\u00f6me. Da der hintere Pol des Auges, das auf einen passend ausgeh\u00f6hlten Paraffinblock lag, keine sichtbare Verletzung aufwies, so vermute ich, dafs zwischen dem Augeninnern und dem hinter dem Auge in der Augenkapsel liegenden weifsen K\u00f6rper eine Kommunikation besteht, welche durch das Herausschneiden des Auges verletzt wird. Der weifse K\u00f6rper, der eine Dr\u00fcse noch unbekannter Bedeutung ist und dessen Ausf\u00fchrungsg\u00e4nge nach nicht auf gef un den sind, steht m\u00f6glicherweise mit der Regulierung der Druckverh\u00e4ltnisse im Auge und der Augenkapsel in Verbindung. F\u00fcr diese Annahme sprechen noch folgende Beobachtungen. Wird bei der Pr\u00e4paration des Auges die Augenkapsel, welche den hinteren Teil des Bulbus, das Ganglion oticum mit seinen Nerven und den weifsen Dr\u00fcsenk\u00f6rper um-fafst, vorsichtig angeschnitten, so l\u00e4uft aus der Augenkapsel eine geringe Menge einer klaren, ungef\u00e4rbten, d\u00fcnnen Fl\u00fcssigkeit ab. Der weifse K\u00f6rper lagert sich der Hinterfl\u00e4che des Bulbus an und ist mit ihm enge verbunden. Diese Verbindungen m\u00fcssen durchschnitten werden, wenn das Auge auspr\u00e4pariert wird. L\u00e4fst man das Auge in einer kleinen Feuchtkammer mehrere Tage liegen, so sieht man das Auge allm\u00e4hlich in sich zusammensinken. Das Auge vertrocknet dabei nicht, sondern es tritt Fl\u00fcssigkeit aus ihm aus, welche sich in der H\u00f6hlung des Paraffins ansammelt.\nDie gesamte Versuchsanordnung einschliefslich s\u00e4mtlicher Leitungen war auf das sorgf\u00e4ltigste isoliert. Alle beweglichen Teile standen auf Paraffinbl\u00f6cken oder waren mit Paraffinpapier bedeckt. Der Tisch, auf welchem die Versuchsanordnung aufgestellt war, stand auf dicken Parafinkl\u00f6tzen. Die Drahtleitungen, welche zu den Elektroden in die Feuchtkammer f\u00fchrten, waren durch Gummischl\u00e4uche gezogen. Auf die Isolierung und ihre sorgf\u00e4ltige Durchf\u00fchrung mufste wegen der grofsen Luftfeuchtig-","page":37},{"file":"p0038.txt","language":"de","ocr_de":"38\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nkeit Neapels, die insbesondere an Schirokkotagen grofse Werte erreicht, andauernd geachtet werden.\nDie Versuchsanordnung wurde insbesondere w\u00e4hrend der beiden ersten Monate h\u00e4ufig ge\u00e4ndert. Es ist ein Fehler, der oft gemacht wird, dafs man an ein neues Versuchsobjekt mit einer vorher ausgedachten Methode oder mit einer Methode herangeht, welche sich schon an anderen, \u00e4hnlichen Objekten bew\u00e4hrt hat. Wird ein neues Objekt bei gegebener Versuchsanordnung unter stets gleichbleibenden Bedingungen untersucht, so ereignet es sich nur zu h\u00e4ufig, dafs nur eine Reihe gleichbleibender Erscheinungen beobachtet wird, w\u00e4hrend viele andere der Beobachtung entgehen. Es ist daher zu empfehlen, das neue Objekt so lange unter immer wieder ver\u00e4nderten Bedingungen zu untersuchen, bis es gelingt, in die wechselnden Erscheinungen Ordnung zu bringen und dann an Hand der gewonnenen Erfahrungen eine Versuchsanordnung zu schaffen. Das Auffinden geeigneter Bedingungen kostet allerdings viel Zeit. Ich habe damit fast zwei Monate intensiver Arbeit verbracht.\nZur photographischen Registrierung der Saitenbewegungen stand mir ein Apparat zur Verf\u00fcgung, der an der Station nach Angaben von Herrn Professor Burian gebaut worden ist und der mir ganz ausgezeichnete Dienste leistete. Ich habe jedoch mit der photographischen Registrierung gewartet, bis ich die geeigneten Versuchsbedingungen herausgefunden hatte. Die photographische Registrierung und alles, was mit ihr zusammenh\u00e4ngt, lenkt die Aufmerksamkeit zu sehr vom Versuch selbst, insbesondere vom Versuchsobjekt ab, namentlich dann, wenn die sog. reproduktionsf\u00e4higen Kurven hergestellt wTerden sollen. Darunter leiden die Resultate aufserordentlich. Ich habe daher anfangs die subjektive Methode vorgezogen. Es war leicht das Saitenbild so auf eine Skala zu werfen, dafs man Saitenbewegung und Versuchsanordnung \u00fcbersehen konnte. Die elektromotorischen Kr\u00e4fte der Ausschl\u00e4ge konnten leicht gemessen werden, indem vor dem Versuch, Widerstand des Pr\u00e4parates, Reaktionsgeschwindigkeit der Saite und die Anschl\u00e4ge der Saite bei Einschaltung einer bekannten elektromotorischen Kraft bestimmt wurden.\nDie Beobachtung der Saitenbewegung hat noch den grofsen Vorteil, dafs man Bestimmungen der Reizschwelle und ihrer","page":38},{"file":"p0039.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n39\nVer\u00e4nderungen ausf\u00fchren kann. Die Bestimmung der Reizschwelle gew\u00e4hrt einen tiefen Einblick in das Geschehen der untersuchten lebenden Substanz und kann den Experimentator vor vielen Irrt\u00fcmern bewahren. Bei Anwendung der photographischen Registrierung dagegen mufs die untersuchte lebende Substanz stets stark gereizt werden, da man mit geringf\u00fcgigen Photogrammen nicht viel anfangen kann.\nDie Pr\u00e4paration des Auges wurde in folgender Weise vorgenommen. Dem Versuchstiere, welches vor dem Versuche entweder im Dunkeln oder im Hellen gehalten worden war, wurden mit einer grofsen scharfen Schere die Arme nahe an ihrem Ansatz abgeschnitten, dann wurde gleichfalls mit einem Schnitt der Kopf vom Mantel abgetrennt. Hierauf wurde in der Gegend des Auges die Haut durchtrennt, bis der Hohlraum zwischen \u00e4ufserer und innerer Augenkapsel sichtbar wurde. Dann wurde die \u00e4ufsere Haut gleichzeitig mit der \u00e4ufseren Augenkapsel bis an den Orbitalknorpel abgeschnitten. Es lag nun das Auge zum Teil eingeschlossen in die innere Augenkapsel vor. Sollte das Auge mit seinen nerv\u00f6sen Anh\u00e4ngen herauspr\u00e4pariert werden, dann wurde die innere Augenkapsel dicht am Orbitalknorpel mit einer feinen Augenscheere er\u00f6ffnet und durch Beiseiteschieben des weifsen Dr\u00fcsenk\u00f6rpers der Tractus nervi optici aufgesucht und dicht an seiner Eintrittsstelle in die .Knorpelkapsel der Gehirnganglien mit einem feinen Faden abgebunden und abgetrennt. Jetzt wurde die innere Augenkapsel an ihren Ans\u00e4tzen am \u00c4quator des Bulbus und am Orbitalknorpel losgetrennt, der nun blofsliegende weifse K\u00f6rper von dem grofsen, gelblich gef\u00e4rbten Ganglion oticum abgehoben, und die Verbindungen des weifsen K\u00f6rpers mit der hinteren Bulbuswand unter Schonung der feinen Nervuli optici durchschnitten. Diese Pr\u00e4paration l\u00e4lst sich auch unter Vermeidung von Dr\u00fccken und Zerren des Augapfels und seiner Anh\u00e4nge in wenigen Minuten durchf\u00fchren. Bei Versuchen mit dem Bulbus allein wurden die Nervuli dicht an ihrer Austrittsstelle aus dem Bulbus durchtrennt. War das Tier vor dem Versuch im Dunklen gehalten worden, so wurde die Pr\u00e4paration bei rotem Licht durch gef\u00fchrt.","page":39},{"file":"p0040.txt","language":"de","ocr_de":"40\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nDer Ruhestrom.\n1. Die von der Retina ableitbaren Ruhestr\u00f6me.\nDer Verlauf der Ruhestr\u00f6me der Netzhaut, des Bulbus und seiner Anh\u00e4nge ist bereits von Beck und Piper untersucht worden. Beck und Piper stellten \u00fcbereinstimmend fest, dafs die St\u00e4bchenseite der Retina, welche bei den Cephalopodenaugen der Linse zugekehrt ist, sich negativ gegen\u00fcber der Sklera verh\u00e4lt, und dafs bei Belichtung die Negativit\u00e4t der St\u00e4bchenseite zunimmt. Diese Angabe trifft nicht in allen F\u00e4llen zu, denn es gibt Ableitungen, bei welchen sich die St\u00e4bchenseite positiv gegen\u00fcber der Skleraseite verh\u00e4lt; ich habe einzelne Beobachtungen registriert, welche zeigen, dafs auch im Verlauf des Versuches eine Umkehr des Ruhestromes eintreten kann, indem die vorher negative St\u00e4bchenseite positiv wird. Zur Ableitung der Str\u00f6me von der hinteren Augenschale oder Teilen derselben dienten Seilelektroden. Dieselben wurden hergestellt, indem in den Ton der unpolarisierbaren Elektrode ein sorgf\u00e4ltig gereinigter und entfetteter, mit Meerwasser befeuchteter Wollfaden eingeknetet wurde. Die Retina lag mit der Skleralseite auf einer breiten Tonstiefel- oder Fadenelektrode auf, an der St\u00e4bchenseite wurde vorsichtig die Spitze der Seilelektrode angelegt.\nEin Beispiel von dem Verlauf eines solchen Versuches ist im beistehenden Protokoll 1 wiedergegeben.\nProtokoll 1.\nOctopus macropus. 8. X. 12. Zimmertemp. 20\u00b0 C. Wassertemp. 20\u00b0 C.\nZeit\tSt\u00e4bchenseite der Retina\tElektromotorische Kraft des Ruhestromes in Millivolt\nUh\tnegativ\t1*8\nipo\t\u00bb\tP4\n1230\t\u00bb\t1-0\n^30\t>5\t0-5\n2 3\u00b0\t>5\to-i\n3h\tpositiv\t0*01\n4\u00fc 1 1\t\t0-03\nDer im Anschlufs an den Versuch gemessene Elektrodenstrom betrug 0 01 Millivolt, die Elektrode, welche vorher an die","page":40},{"file":"p0041.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n41\nSt\u00e4bchenseite lag, war negativ. Der Elektrodenstrom konnte demnach f\u00fcr die Umkehr nicht verantwortlich gemacht werden.\nDie Untersuchung der Retina zeigte, dafs durch Verschiebung der Elektroden wieder die anf\u00e4nglichen Verh\u00e4ltnisse hergestellt werden konnten. Es zeigte sich ferner, dafs die Negativit\u00e4t der Skleraseite leichter zu erhalten war, wenn die Skleraelektrode an einer Stelle anlag, welche reich an Querschnitten der Nervuli otici war. Die Negativit\u00e4t der Skleraseite kam nur an Netzh\u00e4uten zur Beobachtung, die schlecht erregbar waren oder durch den Versuch gelitten hatten. Wurden St\u00fccke der Bulbusschale untersucht, die von frischen Augen stammten und waren an dem St\u00fcck keine Nervuli-querschnitte, dann war und blieb die St\u00e4bchenseite negativ, bis sie unerregbar wurde.\nFig. 1.\nVerlauf der Ruhestr\u00f6me der Wirbeltierretina.\nSt = St\u00e4bchen, F = Nervenfaserschicht.\n(Nach den Angaben von K\u00fchne und Steiner.)\nDiese Beobachtungen sind deswegen von Interesse, weil sie zeigen, dafs unter Umst\u00e4nden ein umgekehrtes Verhalten des Stromes bzw. eine Umkehr w\u00e4hrend des Versuches Vorkommen kann und dafs die Umkehr mit dem Zustand des Auges und der Lagerung der Elektroden in die N\u00e4he der Nervuliquerschnitte zusammenh\u00e4ngt. Die Umkehr ist auch deshalb interessant, weil \u00e4hnliche Verh\u00e4ltnisse am Froschauge und zwar viel h\u00e4ufiger beobachtet werden. Schon K\u00fchne und Steiner haben solche Beobachtungen eingehend beschrieben. F\u00fcr das Verst\u00e4ndnis der Umkehr ist nun das wichtig, was K\u00fchne und Steiner \u00fcber die Richtung der Ruhestr\u00f6me angeben. Es wird dies am besten durch vorstehendes Schema (Fig. 1) gezeigt, welches an Hand der Angaben von K\u00fchne und Steiner gezeichnet ist. Die St\u00e4bchen liegen bei der","page":41},{"file":"p0042.txt","language":"de","ocr_de":"42\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\ninvertierten Wirbeltiernetzhaut nach der Sklera zu, wir unterscheiden eine Nervenfaserseite, welche aus den Fasern des Nervus opticus besteht, und eine St\u00e4bchenseite. Der Lage der St\u00e4bchen entsprechend verh\u00e4lt sich die Skleraseite negativ, die Faserseite positiv elektrisch, d. h. der Strom geht im \u00e4ufseren Kreis von der Faserseite nach der Skleraseite. Werden jedoch die beiden Seiten der Retina sorgf\u00e4ltig mit den Elektroden abgetastet, so zeigt sich, dafs der Querschnitt des Nervus opticus, welcher an der Skleraseite liegt, sich positiv verh\u00e4lt zu anderen Punkten der Skleraseite, und dafs die Nerveneintrittsstelle der Faserseite sich negativ verh\u00e4lt gegen\u00fcber den \u00fcbrigen Punkten der Faserseite. Auf diese Verh\u00e4ltnisse mag die Umkehr der Stromrichtung, zur\u00fcckzuf\u00fchren sein. Wie wir sp\u00e4ter ausf\u00fchrlich h\u00f6ren werden, k\u00f6nnen die Nervuli optici als \u201ephysiologische Elektroden\u201c auf-treten, welche unter Umst\u00e4nden die Str\u00f6me von den negativen St\u00e4bchen ableiten. Denn nicht in allen F\u00e4llen, namentlich aber dann nicht, wenn wir vom ganzen Bulbus ableiten, liegt die Ableitungsstelle dort, wo wir die Elektrode anlegen. Schon Holmgren hat auf diese Verh\u00e4ltnisse hingewiesen, und wir wissen durch die Untersuchungen Hermann\u2019s, dafs auch bei Zuleitung eines Stromes zu einer lebendigen Substanz die physiologischen Elektroden unter Umst\u00e4nden nicht dort liegen, wo wir die Elektroden anlegen. Wenn wir einen Einblick in die wirkliche Stellung der Ableitungselektroden gewinnen wollen, so m\u00fcssen wir an dem f\u00fcr die Cephalopodenretina geltenden Satz festhalten, dafs nur die St\u00e4bchen der Sitz der Negativit\u00e4t sein k\u00f6nnen. Wenn wir nun den Querschnitt der Nervuli optici negativ werden sehen, so kann dies nichts anderes bedeuten, als dafs jetzt die Nervuli als \u201ephysiologische\u201c Elektroden auf treten. Man k\u00f6nnte sich das Zustandekommen der Umkehr in folgender Weise vorstellen. Zuerst \u00fcberwiegt die Negativit\u00e4t der direkt abgeleiteten Netzhautelemente \u00fcber die Negativit\u00e4t des frischen Nervenquer-schnittes, dann nimmt die Negativit\u00e4t der direkt abgeleiteten Elemente infolge der Sch\u00e4digung durch die direkt anliegende Elektrode ab, und die damit einhergehenden Widerstandsver\u00e4nderungen bewirken, dafs jetzt die Nervuli die Ableitung \u00fcbernehmen und sich gegen\u00fcber der Retinaseite negativ verhalten.\nDafs die Verh\u00e4ltnisse wirklich so liegen, scheinen folgende, am Cephalopodenauge gewonnenen Beobachtungen zu zeigen. Die frische Retina zeigte das gew\u00f6hnliche Verhalten. St\u00e4bchen-","page":42},{"file":"p0043.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n43\nseite negativ, Skleraseite positiv, bei Belichtung nahm die Negativit\u00e4t der St\u00e4bchenseite zu. Nach erfolgter Umkehrung des Stromes wurde bei Belichtung die Skleraseite st\u00e4rker negativ, wurden nun die Elektroden verschoben, so verhielt sich die St\u00e4bchenseite wieder negativ und nahm bei Belichtung an Negativit\u00e4t zu. Vielleicht wird durch Weiterf\u00fchrung dieser Versuche das von K\u00fchne und Steiner f\u00fcr das Froschauge aufgestellte Gesetz der konstanten Spannungs\u00e4nderungen, welches besagt, dafs bei Umkehr des Ruhestromes die Richtung der Belichtungsschwankungen nicht beeinflufst wird, eine Einschr\u00e4nkung erfahren. F\u00fcr das Cephalopodenauge gilt es nicht. Noch eine wichtige Beobachtung sei hier erw\u00e4hnt. Ich habe in den F\u00e4llen, bei welchen es zu einer Umkehr des Retinastromes kam, bei Belichtung auch mehrsinnige Schwankungen auftreten sehen, w\u00e4hrend bei Ableitung von einer frischen Retina und einer nervulifreien Stelle der Sklera immer nur einsinnige Schwankungen, wie sie Beck und Piper beschrieben haben, zur Beobachtung kamen. Mehrsinnige Schwankungen sind dagegen bei der Wirbeltierretina die Regel.\nDas Arbeiten mit der hinteren Augenschale oder nur Teilen von ihr hat den Nachteil, dafs die Retina durch die Herstellung des Pr\u00e4parates und das Anlegen der Elektroden selbst bei gr\u00f6fster Vorsicht gesch\u00e4digt wird. Ein Vorteil des Pr\u00e4parates liegt darin, dafs der Sauerstoff der Luft ungehindert zur Netzhaut gelangen kann und auch die im Stoffwechsel der Retina gebildete Kohlens\u00e4ure leicht abgegeben wTerden kann. Auf diese Verh\u00e4ltnisse wurde ich aufmerksam, als ich das zweite Auge der Versuchstiere, welches nach der Pr\u00e4paration des ersten Auges im Tierk\u00f6rper belassen worden war, zu Versuchen verwenden wollte. W\u00e4hrend das zuerst pr\u00e4parierte Auge noch gut erregbar war, war das zweite Auge gar nicht oder nur wTenig erregbar. Bei Parallelversuchen wurde diese Tatsache besonders deutlich. Wurde das eine Auge pr\u00e4pariert und in der feuchten Kammer unter Ausschlufs von Licht gehalten und das zweite Auge im Kopfe belassen, und nach zwei Stunden pr\u00e4pariert, so hatte das erste Auge wenig an Erregbarkeit eingeb\u00fcfst, w\u00e4hrend das zweite Auge nur wenig erregbar gefunden wurde. Wurden beide Augen nach T\u00f6tung des Tieres im Tierk\u00f6rper belassen und nach einiger Zeit pr\u00e4pariert, so war die Erregbarkeit bei beiden gering; es mufsten starke Lichtintensit\u00e4ten angewendet werden,","page":43},{"file":"p0044.txt","language":"de","ocr_de":"44\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\num \u00fcberhaupt Aktionsstr\u00f6me zu bekommen, und diese waren schwach, der Ruhestrom war nur sehr gering. Wurden die Augen l\u00e4ngere Zeit liegen gelassen, so erholten sie sich wieder. Die Erregbarkeit nahm zu, die Aktionsstr\u00f6me wurden elektromotorisch wirksamer, der Ruhestrom wurde st\u00e4rker. Wurde der Versuch an zwei erstickenden Augen so gemacht, dafs von einem Auge ein Retinapr\u00e4parat hergestellt das andere ganz gelassen wurde, und wurden beide Pr\u00e4parate mit Hilfe zweier Paare un-polarisierbarer Elektroden und einer Wippe ohne Kreuz mit dem Saitengalvanometer verbunden, so zeigte es sich, dafs die Erholung von der Erstickung bei dem Netzhautpr\u00e4parat rascher vor sich ging und h\u00f6here Grade erreichte als bei dem unverletzten Auge. Das bestehende Protokoll 2 gibt drei Beispiele von solchen Versuchen, bei welchem die Augen 2 Stunden im toten Tierk\u00f6rper belassen worden waren.\nOctopus vulgaris.\t15. X. 13.\t\tProtokoll 2. Zimmertemp. 18*5\u00b0\tC. Wassertemp. 18'50 C.\n\t1\t\tSt\u00e4rke des Ruhestromes in Millivolt\t\nZeit\t\t\t\t\n\t\t\tlinkes Auge\trechte Augenschale\n\t\t\tLinse negativ\tSt\u00e4bchenseite negativ\nlOhso\t\t\t0-15\t0-2\n11h\t\t\t045\t0*63\nUSO\t\t\t0-65\t0-82\nOctopus vulgaris.\t17. X. 12.\t\tZimmertemp. 18\u20182\u00b0\tC. Wassertemp. IS\u201920 C.\n11h\t\t\t0*26\t0-15\nUSO\t\t\t0-36\t0-45\n12h\t\t\t0-45\t0-86\n1230\t\t\t0-60\t0-90\nOctopus vulgaris.\t18. X. 12.\t\tZimmertemp. 18\u00b0\tC. Wassertemp. 18'2\u00b0 C.\n930\t\t\t0-35\t0-4\n10h\t\t\t0-65\t0-82\n1Q30\t\t\t0-75\t0-85\n12h\t\t\t0-60\t0-92\n2h\t\t\t0-50\t0-80\n4h\t\t\t0-45\t0-65","page":44},{"file":"p0045.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n45\nWir sehen die elektromotorische Kraft des Ruhestromes beider Augen zunehmen, jedoch rascher und st\u00e4rker bei der Augenschale. Wir sehen, dafs nach einigen Stunden die Ruhestr\u00f6me wieder abnehmen, gleichzeitig mit dieser Abnahme war auch eine Verminderung der Erregbarkeit nachzuweisen. Die Ruhestr\u00f6me der im Tierk\u00f6rper belassenen Augen sind bedeutend geringer als die der frischen Augen, die nicht selten Werte von 2 Millivolt erreichen.\nDiese Versuche weisen auf eine grofse Stoffwechselintensit\u00e4t der Netzhautelemente hin. Bei der Erregbarkeitsherabsetzung sind sowohl Sauerstoffmangel als auch Kohlens\u00e4ureanh\u00e4ufung beteiligt. Die Abh\u00e4ngigkeit der Froschretina von der Sauerstoffzufuhr hat Westerlund 1 gezeigt. Die l\u00e4hmende Wirkung der Kohlens\u00e4ure auf die Netzhaut ist durch eine ganze Reihe von Untersuchungen festgestellt worden.\nVon Interesse ist vielleicht das aus diesen Versuchen zu erschliefsende Verh\u00e4ltnis zwischen der Stoffwechselintensit\u00e4t der Netzhaut und der des Nervensystems. Von den im get\u00f6teten Tierk\u00f6rper belassenen Gehirnganglien ist es bekannt, dafs sie etwa 1 Stunde nach T\u00f6tung des Tieres ihre Leitf\u00e4higkeit verlieren, die Netzhaut ist, da sie noch nach 2 Stunden erregbar gefunden wird, gegen die Erstickung widerstandsf\u00e4higer als das Zentralnervensystem, sie ist aber weniger widerstandsf\u00e4hig als der Nerv, der noch 3\u20144 Stunden nach T\u00f6tung des Tieres leitf\u00e4hig und erregbar gefunden wird. F\u00fcr das Warmbl\u00fcterauge haben K\u00fchne und Steiner die gleiche Tatsache aus ihren Versuchen erschlossen. Nach Erstickung des Tieres war jede Reflexerregbarkeit schon geschwunden, w\u00e4hrend von dem Auge noch Aktionsstr\u00f6me zu erhalten waren. Aus unseren Versuchen k\u00f6nnen wir auf eine grofse Stoffwechselintensit\u00e4t der Netzhautelemente der Cephalopoden schliefsen.\n2. Der Ruhestrom des Bulbus.\nDer Verlauf des Ruhestroms am unverletzten Bulbus ist gleichfalls schon von Beck und Piper untersucht worden. Beck konnte einen gesetzm\u00e4fsigen Verlauf der Ruhestr\u00f6me nicht nach-\n1 Westerlund, Studien \u00fcber die photoelektrischen Fluktuationen des isolierten Froschauges unter Einwirkung von Stickstoff und Sauerstoff. Skandinavisches Archiv f\u00fcr Physiologie 19, S. 337. 1907.\t; -\t;","page":45},{"file":"p0046.txt","language":"de","ocr_de":"46\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nweisen. Pipee dagegen fafst seine Beobachtungen in einem Satz zusammen, der besagt, dafs sich alle vor der Netzhaut liegenden Teile negativ gegen\u00fcber den hinter der Netzhaut liegenden Teilen verhalten. Es w\u00fcrde sich demnach die Linse negativ gegen\u00fcber dem hinteren Augenpol verhalten. Dies trifft jedoch nicht in allen F\u00e4llen zu. H\u00e4ufig kommt auch die umgekehrte Richtung, hinterer Augenpol negativ Linse positiv zur Beobachtung. Ich habe diese Verh\u00e4ltnisse eingehend untersucht. Es ergab sich dabei die Tatsache, dafs es in vielen F\u00e4llen gelingt, die Richtung des Ruhestroms zu beherrschen. Wurde die eine Elektrode an die Linse angelegt und mit der zweiten die Oberfl\u00e4che des Bulbus abgetastet, so verhielt sich die Linse bei Ableitung von der Linse zum \u00c4quator, von der Linse zur hinteren Fl\u00e4che des Bulbus negativ. Wurde aber die Elektrode an einer Stelle der hinteren Fl\u00e4che des Bulbus angelegt, an welcher eine gr\u00f6fsere Anzahl von Querschnitten der Nervuli otici lagen, dann waren diese negativ gegen\u00fcber der Linse. Das gleiche Verhalten wurde beobachtet, wenn das Ganglion oticum nicht abgeschnitten war und die zweite Elektrode an die nicht verletzten Nervuli angelegt wurde. Wir haben hier ein Verhalten vor uns, welches dem oben beschriebenen Verhalten der isolierten Retina vollkommen entspricht.\nWird die hintere Bulbus wand sorgf\u00e4ltig abgetastet, so kann man Stellen finden, von welchen zur Linse nur ein schwacher Strom abzuleiten ist, w\u00e4hrend bei Verschiebung der Elektrode\ngegen den \u00c4quator die Linse stark negativ, bei Verschiebung der Elektrode gegen die Nervuliquerschnitte die Nervuli gegen\u00fcber der Linse stark negativ werden. In anderen F\u00e4llen zeigt sich bei Verschiebung der hinteren Elektrode die Umkehr des Stromes pl\u00f6tzlich. Die beistehende Fig. 2 kann den Verlauf der Str\u00f6me bei verschiedenen Ableitungen zeigen. Werden die elektromotorischen Kr\u00e4fte dieser Str\u00f6me gemessen, so zeigen sich oft unter sonst gleichbleibenden Bedingungen bedeutende Unterschiede. Wenn wir nun noch beobachten, dafs bei Wanderung beider Elektroden Stellen gefunden werden k\u00f6nnen,\nFig. 2.","page":46},{"file":"p0047.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\t47\nvon welchen sich kein Strom ableiten l\u00e4fst, so erscheint es mehr als wahrscheinlich, dafs die verschiedenen Stromst\u00e4rken sowie das Fehlen des Ruhestromes auf einer gegenseitigen Kompensation der entgegengesetzt gerichteten Str\u00f6me beruht.\nDas gleiche Verhalten ist f\u00fcr das Froschauge schon von Holmgeen beschrieben worden, seine Resultate werden am besten durch das beistehende Schema (Fig. 3), welches aus der Arbeit von Holmgeen stammt, wiedergegeben.\nAn diesem Schema sind die stromlosen Ableitungen mit punktierten Linien eingetragen.\nAuch Westeelund1 hat in j\u00fcngster Zeit entsprechende Verh\u00e4ltnisse am Froschauge beschrieben.\nWenn wir nun noch die Richtung der bei Belichtung auftretenden Str\u00f6me bei den verschiedenen Ableitungen in Betracht ziehen, so zeigt sich, dafs bei Belichtung des Auges von vorne der Belichtungsstrom in einer Verst\u00e4rkung des Ruhestromes zum Ausdruck kommt. Ist die Linse negativ, so wird sie bei Belichtung noch st\u00e4rker negativ, sind die Nervuli negativ, so werden sie bei Belichtung st\u00e4rker negativ. Es zeigen sich allerdings scheinbare Ausnahmen von dieser Regel, insbesondere treten mehrsinnige Schwankungen auf; dieselben sollen erst weiter unten bei Besprechung der Aktionsstr\u00f6me eingehend behandelt werden.\n\u00dcberblicken wir diese Versuche, so erkennen wir die Bedeutung der physiologischen Elektroden. In dem einen Fall leiten die inneren Augenmedien und die Linse den Strom zu den negativen St\u00e4bchen, in dem anderen Fall leiten die Nervuli otici den Strom zu den negativen St\u00e4bchen. Nimmt die Negativit\u00e4t der St\u00e4bchen zu, so wird in dem ersten Fall die Linse, in dem zweiten Fall der Nervuliquerschnitt st\u00e4rker negativ.\n1 Westerlund, Einige Beobachtungen \u00fcber die photoelektrische Potentialverteilung an der Oberfl\u00e4che eines isolierten Froschauges. Skandinavisches Archiv f\u00fcr Physiologie 27, S. 260. 1912.\nFig. 3.\nVerlauf der Ruhestr\u00f6me am Froschauge. (Nach Holmgren.)","page":47},{"file":"p0048.txt","language":"de","ocr_de":"48\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\n3. Die vom Bulbus, dem Ganglion oticum und semen Nerven\nableitbaren Ruhestr\u00f6me.\nAuch vom Bulbus zu seinen nerv\u00f6sen Anh\u00e4ngen sowie vom Ganglion oticum und seinen Nerven lassen sich Str\u00f6me ableiten. Zur Untersuchung dieser Str\u00f6me war folgende Einrichtung getroffen. Das Auge lag auf einem ausgeh\u00f6hlten Paraffinblock, der an den Rand einer Glasplatte angeschmolzen war ; ein zweiter Paraffinblock war an den Rand einer anderen Glasplatte angeschmolzen ; auf die H\u00f6hlung dieses Blockes wurde das Ganglion oticum gelegt. Beide Glasplatten lagen auf einem Paraffinblock. Die beiden Glasplatten wurden so gegeneinander verschoben, dafs die Nervuli optici m\u00e4fsig gespannt waren, der Traktus wurde mit Hilfe des Fadens, der an ihm angeschlungen war, gleichfalls m\u00e4fsig gespannt. Diese Einrichtung war einerseits wegen bequemer Ableitung der Str\u00f6me, andererseits wregen der Isolierung der einzelnen Teile des Pr\u00e4parates getroffen.\nDer Verlauf der Ruhestr\u00f6me war in einer grofsen Zahl derartiger Versuche in der Regel so, wie dies die Fig. 4 zeigt. Der Querschnitt des Tractus opticus verhielt sich gegen\u00fcber den anderen Teilen des Pr\u00e4parates negativ und bei Belichtung erfolgte eine Verst\u00e4rkung der Negativit\u00e4t. Die\nst\u00e4rksten St\u00f6me wurden bei Ableitung\n\u2022 \u2022\nvon Traktus zum \u00c4quator des Auges erhalten. In ganz vereinzelten F\u00e4llen kamen Pr\u00e4parate zur Beobachtung, welche von vornherein einen Verlauf des Stromes Linse negativ Tractus opticus positiv aufwiesen. Ich erw\u00e4hne der Vollst\u00e4ndigkeit halber diese seltenen Beobachtungen. Es ist mir in diesen F\u00e4llen nicht gelungen, die Veranlassung dieses Verhaltens festzustellen.\nWurde vom Augen\u00e4quator zu einem anderen Teil der nerv\u00f6sen Anh\u00e4nge abgeleitet, so verhielt sich letzterer negativ. Wurde von den Nervulis zum Ganglion oticum abgeleitet, so verhielt sich das Ganglion negativ. Die elektromotorische Kraft der Str\u00f6me bewegte sich in denselben Grenzen wie bei Ableitung vom Bulbus allein.\nFig. 4.","page":48},{"file":"p0049.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie cler Sinnesorgane.\n49\nDie Aktionsstr\u00f6me.\n1.\tDie Aktionsstr\u00f6me der Retina.\nEs ist schon oben darauf hingewiesen worden, dafs bei Belichtung der Netzhaut eine Verst\u00e4rkung des von der Sklera zur St\u00e4bchenseite gehenden Stromes auftritt. Es ist ferner darauf hingewiesen worden, dafs sich bei Anlegung der einen Elektrode an eine Stelle der Sklera mit vielen Nervuliquerschnitten auch mehrsinnige Schwankungen ableiten lassen, dafs auch mehrsinnige Schwankungen zur Beobachtung kommen, wenn eine Umkehr des Ruhestroms stattfindet. Auf diese Beobachtungen m\u00fcssen wir deshalb Wert legen, weil sie zeigen, dafs unter Umst\u00e4nden sich auch von der einfach gebauten Cephalopodennetzhaut mehrsinnige Schwankungen ableiten lassen, die trotz ihrer Kleinheit oft eine auffallende \u00c4hnlichkeit mit den an den Wirbeltieraugen beobachteten Schwankungen aufweisen. Bei den mehrsinnigen Schwankungen der Wirbeltieraugen kann man leicht zu der naheliegenden Annahme veranlafst werden, dafs diese oft sehr kompliziert verlaufenden Schwankungen Ausdruck der sich in den verschiedenen Netzhautschichten abspielenden Erregungsprozesse sind. Hier kann nat\u00fcrlich eine solche Erkl\u00e4rung nicht herangezogen werden.\nIch m\u00f6chte noch eine Reihe von Versuchen erw\u00e4hnen, welche mit Durchleuchtung der Retina vorgenommen wurden. Die Retina lag bei diesen Versuchen einer breiten \u00cf adenelektrode mit der St\u00e4bchenseite auf, von der Skleraseite wurde mit einer feinen Fadenelektrode abgeleidet. Der Ruhestrom verlief im \u00e4ufseren Kreis auch hier von der Sklera- zur St\u00e4bchenseite und bei Belichtung der Skleraseite erfolgte gleichfalls eine Zunahme der Negativit\u00e4t der St\u00e4bchenseite. Auch bei dieser Art der Ableitung wurden mehrsinnige Schwankungen beobachtet.\n2.\tDie Aktionsstr\u00f6me des Bulbus.\nBei der Untersuchung der Aktionsstr\u00f6me des unverletzten Auges befand sich das Auge in einer Feuchtkammer, die mit schwarzem, das Wasser stark aufnehmendem Papier ausgelegt war. Die Vorderwand der Kammer war freigelassen, um durch dieselbe das Licht auf das Auge wirken lassen zu k\u00f6nnen. Die Anordnung befand sich in einem nahezu dunklen Raum, jedei direkte Lichtreiz war von dem Auge ferngehalten. Zur Belichtung\n4\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 48.","page":49},{"file":"p0050.txt","language":"de","ocr_de":"50\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\na\ndienten Kohlen- und Metallfadenlampen bis zu 50 Kerzenst\u00e4rken und zur Kontrolle ein Auerbrenner. Es war notwendig gerade die mehrsinnigen Schwankungen genau zu pr\u00fcfen und zu sehen, ob nicht Stromschleifen oder Induktionen durch den Beleuchtungsstrom Anlafs zu T\u00e4uschungen geben. Die Lichtquellen wirkten aus den verschiedensten Richtungen und Entfernungen, bei den\nverschiedensten Stellungen des Auges und der Elektroden auf das Auge ein. Dabei wrurde schon bei den ersten Versuchen die Beobachtung gemacht, dafs einsinnige Schwankungen nicht blofs im Sinne einer Verst\u00e4rkung, sondern auch im Sinne einer Abschw\u00e4chung des Ruhestromes auftreten, Beobachtungen, welche in direktem Widerspruch zu den unter den einfachsten Versuchsbedingungen an der Retina gewonnenen Erfahrungen stehen.\nDie Fig. 5 zeigt eine Reihe mehrsinniger Schwankungen von Cephalopoden-und Wirbeltieraugen. Es ist ohne weiteres klar, dafs hier Fig 5\teine weitgehende Uberein-\na Aktionsstr\u00f6me des Cephalopodenauges, Stimmung mit den an den b der Wirbeltieraugen. 1, 4, 6 nach K\u00fchne Wirbeltieraugen beobachteten und Steiner, 2 u. 3 nach Piper, 5 u. 11 Schwankungen besteht. So-\nnach Wallee, 7 nach Gotch, 8 nach Dewar wohl die negative Vorschwan-\nund M. Xendrik, 9 und 11 nach Garten. .\t.\t\u00b0 .\nkung als auch die positive\nEintrittschwankung und die Verdunklungsschwankung sind vorhanden. Die Kurven auf der Tafel zeigen einige Originalaufnahmen solcher Schwankungen. Derjenige, der nicht weifs, dafs diese Schwankungen von einem Cephalopodenauge stammen, w\u00fcrde sie sicher einem Wirbeltierauge zuschreiben. Die mehrsinnigen , am Cephalopodenauge beobachteten Schwankungen stimmen auch darin mit den an den Wirbeltieraugen beobachteten\n8\n70\n71","page":50},{"file":"p0051.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n51\n\u00fcberein, dafs sie bei wiederholter Belichtung des Auges unter sonst gleichen Verh\u00e4ltnissen starke Ver\u00e4nderungen ihres Verlaufes erkennen lassen. Dies zeigen die Kurven 1, 2, 3 u. 4 auf Tafel I.\nErst allm\u00e4hlich gelang es, in diese wechselnden Erscheinungen Ordnung zu bringen. Es zeigte sich, dafs die mehrsinnigen Schwankungen am h\u00e4ufigsten und leichtesten zu erhalten waren, wenn vom Bulbus zum Querschnitt des Tractus opticus abgeleitet wurde. Ich verf\u00fcge \u00fcber eine Reihe von Beobachtungen, aus welchen zu ersehen ist, dafs bei gleichbleibenden Belichtungsverh\u00e4ltnissen und Ableitung von der Linse zur hinteren Bulbusfl\u00e4che bzw. von der Linse zum Querschnitt des Tractus opticus, bei der ersten Art der Ableitung die Belichtungsschwankung einsinnig, bei der zweiten Art der Ableitung dagegen mehrsinnig war. Bei diesen Versuchen wurden drei Elektroden verwendet. Die Umschaltung erfolgte durch Umlegen einer Wippe ohne Kreuz.\nWurden die Str\u00f6me nur vom Auge abgeleitet, so zeigte es sich, dafs die mehrsinnigen Schwankungen am leichtesten bei Ableitung zweier Stellen an der hinteren Bulbusfl\u00e4che, oder bei Ableitung von der Linse zur hinteren Bulbusfl\u00e4che zu erhalten waren. Bei Ableitung vom \u00c4quator zur Linse habe ich in vielen Versuchen kein einziges Mal eine mehrsinnige Schwankung gesehen. Bei dieser Ableitung verhielt sich die Linse stets negativ und nahm bei Belichtung an Negativit\u00e4t zu.\nSchon bei diesen Versuchen gelang es, eine Reihe von Bedingungen festzustellen, unter welchen die mehrsinnigen Schwankungen auftreten. Es waren die Richtung der Beleuchtung, die Lage der Ableitungselektroden, die Intensit\u00e4t der Belichtung und der Zustand des Auges.\nUm diese Bedingungen willk\u00fcrlich aber doch in gleichbleibender Weise \u00e4ndern und so ihre Bedeutung studieren zu k\u00f6nnen, wurden die folgende Versuchseinrichtungen getroffen.\nDas Auge mit den Elektroden wurde so auf eine horizontale Drehscheibe gesetzt, dafs der Bulbus sich im Drehpunkt der Scheibe befand. Die Scheibe hatte einen Zeiger, der so gestellt war, dafs er sich direkt vor der Linse befand und auf einer Kreiseinteilung gleitend, den Winkel zwischen der optischen Achse des Auges und der Richtung des einfallenden Lichtes abzulesen gestattete.. Stand der Zeiger auf 0, dann wurde das Auge direkt von vorne beleuchtet, zeigte er 25\u00b0 nach links, vom Beschauer\n-aus gesehen, so wurde das Auge von rechts beleuchtet.\n4*","page":51},{"file":"p0052.txt","language":"de","ocr_de":"52\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nUnter den Methoden der Bestimmung der Intensit\u00e4t des Lichtes habe ich die Berechnung der Intensit\u00e4t aus der Entfernung der Lichtquelle gew\u00e4hlt. Diese Methode hat aber den Nachteil, dafs bei Ann\u00e4herung der Lichtquelle an das Auge die beleuchtete Fl\u00e4che der Netzhaut gr\u00f6fser wird, und wir dadurch \u00fcber die Intensit\u00e4tszunahme der Erregung get\u00e4uscht werden k\u00f6nnen. Der folgende Versuch gab uns \u00fcber diese Verh\u00e4ltnisse Auf-schlufs. Das Auge wurde mit der Linse nach unten auf einen schwarzen f\u00fcr Licht undurchl\u00e4ssigen Karton gelegt und zwar direkt \u00fcber einen Ausschnitt von 2 mm Durchmesser. Wurde nun die Lichtquelle unter dem Karton angebracht, so konnte im verdunkelten Zimmer das verkehrte Bild der Lichtquelle auf der R\u00fcckwand des Auges wahrgenommen wrerden. Wanderte die Lichtquelle nach links, so wanderte das Bild nach rechts. Befand sich die Lichtquelle in einem Abstand vom Auge, der gr\u00f6fser als 10 cm war, so war das Bild des leuchtenden Metallfadens ziemlich scharf zu sehen, war die Distanz geringer als 10 cm, so wurde das Bild sehr grofs und unscharf. Im ausgeschnittenen Auge fehlt die Akkommodation und dies bedingt einen weiteren Fehler; bei st\u00e4rkerer Ann\u00e4herung der Lichtquelle wird nicht nur durch die geringere Entfernung sondern auch durch die fehlende Akkommodation die vom Licht getroffene Partie der Netzhaut gr\u00f6fser. Um diese beiden Fehler zu vermeiden, wurde nicht die Lichtquelle selbst als Reiz verwendet, sondern sie beleuchtete einen kreisf\u00f6rmigen, mit durchscheinendem Papier verschlossenen Ausschnitt der vorderen Wand der Feuchtkammer. Der Ausschnitt war in gleicher H\u00f6he mit der Linse des Auges angebracht, so dafs Lichtquelle, Ausschnitt und Linse auf einer Geraden lagen. Der Ausschnitt lag 11 cm vor der Linse des Auges, er hatte bei der einen Feuchtkammer einen Durchmesser von 15 mm bei einer anderen einen Durchmesser von 10 mm. Die unter diesen Bedingungen auf der R\u00fcckwand des Bulbus entstehenden Bilder der leuchtenden Kreisfl\u00e4che hatten einen Durchmesser von etwa P/2 und 1 mm. Die Bildgr\u00f6fse blieb nun gleich, auch wenn die Entfernung der Lichtquelle von der Feuchtkammer ge\u00e4ndert wurde. Zur Kontrolle waren eine Reihe von Marken angebracht, durch deren Visierung man sich schnell \u00fcberzeugen konnte, ob-alle Teile der Versuchsanordnung richtig standen. Der Boden der Feuchtkammer, die Glasplatte, auf welcher der das Auge tragende Paraffinblock stand, waren mit mattschwarzem Papier belegt.","page":52},{"file":"p0053.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n53\nDie Intensit\u00e4t des Lichtes wurde durch Verschiebung der Lichtquelle auf einer optischen Bank von 1 m L\u00e4nge ver\u00e4ndert. Durch Verschiebung der Bank auf einer Richtlinie konnte ihr Wirkungsbereich auf 2,5 m ausgedehnt werden.\nAls Lichtquelle dienten bei diesen Versuchen eine 16kerzige Kohlenfadenlampen und eine 32 bzw. 50kerzige Metallfadenlampe, welche in einem lichtundurchl\u00e4ssigen Zylinder mit weifser Innenfl\u00e4che eingeschlossen war. An der der Feuchtkammer zugekehrten Seite des Zylinders war ein quadratischer Ausschnitt von 3 cm Seitenl\u00e4nge, der gerade den Bezirk der leuchtenden F\u00e4den frei liefs. Es resultierte aus dieser Anordnung ein leuchtendes Quadrat von 9 qcm. Die Lichtintensit\u00e4t, mit welcher der kreisf\u00f6rmige Ausschnitt der Feuchtkammer beleuchtet wurde, konnte aus der Kerzenst\u00e4rke und aus der Entfernung der Lichtquelle berechnet werden, eine Berechnung, welche wegen der relativen Gr\u00f6fse der leuchtenden Fl\u00e4che insbesondere bei starker Ann\u00e4herung der Lichtquelle nicht vollkommen genau ist.\nWir erfahren durch diese Berechnungen nichts \u00fcber die Menge der Lichtenergie, welche auf das Auge einwirkt. Das war aber auch nicht Ziel dieser Untersuchung. Es handelte sich in erster Linie darum, die Lichtintensit\u00e4t in mefsbarer Weise abstufen zu k\u00f6nnen.\nDa wir \u00fcber die Gr\u00f6fse und die Lage des Bildes auf der Retina orientiert waren, war es m\u00f6glich, die eine Ableitungselektrode direkt an die belichtete Stelle anzulegen. Lag die eine Elektrode der belichteten, aber von Nervuliquerschnitten freien Stelle der R\u00fcckwand des Auges, die andere der Linse an, so verhielt sich die Linse negativ und bei Belichtung nahm ihre\nNegativit\u00e4t rasch an St\u00e4rke zu.\nWurde das Auge nach rechts oder links gedreht, so nahm die elektromotorische Kraft der Aktionsstr\u00f6me rasch ab. Die Belichtungen wurden etwa bei einer Drehung von 25\u00b0 nach rechts oder links unwirksam. Bei diesen Versuchen wurde direkt vor dem Auge ein Diaphragma mit einer \u00d6ffnung von 2 mm Durchmesser aufgestellt, um eine Belichtung anderer Stellen des Auges zu vermeiden. Das Protokoll 3 und die dazugeh\u00f6rende Fig. 6 geben ein Beispiel eines derartigen Versuches.\nb\nFig. 6.","page":53},{"file":"p0054.txt","language":"de","ocr_de":"54\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nProtokoll 3.\nOctopus vulgaris. 3. XII. 12. Zimmertemp. 18\u00b0 C. Wassertemp. 15\u00b0 C.\nAbleitungsstelle A positiv.\nNr. der Beobachtung\tRichtung der Beleuchung. 64 NK. i\t\t\tElektromotorische Kraft des Aktionsstromes in Millivolt\t\t\n1.\t25\u00b0\tvon\trechts\tA positiv 0 02\t\t\n2.\t20\u00b0\t}>\t\t\tyy\t018\n3.\t10\u00b0\t\tV\t>>\tyy\t0-22\n4.\tO\u00ab\tyy\t? J\t>>\tyy\t1-76\n5.\t10\u00b0\t\u00bb\tlinks\t)}\tyy\t0-36\n6.\t20\u00b0\tyy\t\ty y\tyy\t009\n7.\t25\u00b0\t??\t\tyy\tyy\to-oi\nEs ist wichtig, ans diesem Versuch, der aus einer gr\u00f6fseren Reihe gleichartiger herausgegriffen ist, zu sehen, wie grofs der Bereich der Netzhaut ist, von welchem sich noch Str\u00f6me ableiten lassen, obwohl das Netzhautbild nicht gr\u00f6fser als 1^2 mm ist. Die Str\u00f6me, die von den nicht belichteten Teilen des Bulbus abgeleitet werden, k\u00f6nnten nun verschiedenen Umst\u00e4nden ihre Entstehung verdanken. In erster Linie w\u00e4re es m\u00f6glich, dafs Stromschleifen von der belichteten Stelle auf die nicht belichteten Stellen \u00fcbergreifen. Wir werden weiter unten h\u00f6ren, dafs sich Stromschleifen, welche von der erregten Retina stammen, in der Tat nachweisen lassen. Dann ist es sicher, dafs infolge der unvollkommenen optischen Einrichtungen des Auges das Licht ausgedehntere Partien der Netzhaut erregt. Daf\u00fcr sprechen Versuche, bei welchen die abgeleitete Netzhautstelle durch intensive und lange Belichtung geblendet worden war; es liefsen sich dann von ihr bei Belichtung nur schwache oder gar keine Aktionsstr\u00f6me mehr ableiten, es waren aber auch keine Str\u00f6me zu beobachten, wenn das Auge gedreht und stark belichtet wurde. Dafs nicht etwa die anderen Netzhautstellen auch geblendet waren, zeigte eine Verschiebung der Elektrode A nach rechts oder links. Wurde die neue Ableitungsstelle belichtet, so waren starke Aktionsstr\u00f6me zu erhalten. Das heifst mit anderen Worten: eine Netzhautstelle, welche bei direkter Belichtung unerregbar ist, ist es auch f\u00fcr zerstreutes Licht, welche sie bei Be-","page":54},{"file":"p0055.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n55\nlichtung einer anderen Netzhautstelle trifft; w\u00e4ren die oben beschriebenen Str\u00f6me Stromschleifen, so m\u00fcfsten sie auch nach Blendung der Ableitungsstelle erhalten werden.\nWir gewinnen durch diese Versuche Einblick in die Vorg\u00e4nge, welche dem Kontrast und der Irradiation zugrunde liegen. Ewald PIering hat zur Deutung des Kontrastes die Annahme ausgesprochen, dafs erregte Netzhautelemente in den benachbarten einen entgegengesetzten Erregungsvorgang induzieren. F\u00fcr diese Annahme bieten unsere Versuche an der Netzhaut selbst keinen Anhaltspunkt. Bei Anwendung der schw\u00e4chsten und der st\u00e4rksten Lichtreize unserer Versuchsanordnang waren immer nur Ergebnisse zu erhalten, welche im Prinzip mit dem im Protokoll 3 wiedergegebenen Versuch \u00fcbereinstimmen. Bei Anwendung st\u00e4rkerer Reize sind die Aktionsstr\u00f6me in der N\u00e4he der belichteten Netzhautstelle wesentlich st\u00e4rker.\nEs ist zwar wahrscheinlich, dafs bei der grofsen Intensit\u00e4t der Erregungsvorg\u00e4nge in der Netzhaut die Erregbarkeit der Elemente, welche der belichteten Stelle benachbart sind, durch Erm\u00fcdungsstoffe beeinflufst wird, aber eine derartige Beeinflussung kann zur Erkl\u00e4rung der ausgedehnten Kontrasterscheinungen nicht herangezogen werden. Wir werden daher den Kontrast und die Irradiation auf die verschieden starke Mitbelichtung bei Anwendung verschieden starker Lichtreize zur\u00fcckf\u00fchren m\u00fcssen. Eine umfassende Erkl\u00e4rung dieser Ph\u00e4nomene durch die Mitbelichtung ist insbesondere dann m\u00f6glich, wenn wir die Reaktion der Netzhaut auf verschieden starke Belichtung in Betracht ziehen. Auf diese Verh\u00e4ltnisse soll erst im zweiten Abschnitt dieser Untersuchungen ausf\u00fchrlich eingegangen werden. Vorwegnehmend m\u00f6chte ich jedoch anf\u00fchren, dafs die belichtete Netzhaut mit rhythmischen Erregungswellen reagiert, deren Intensit\u00e4t und Frequenz von der Intensit\u00e4t der Belichtung abh\u00e4Dgt. Es gehen von der direkt belichteten und den mitbelichteten Netzhautstellen verschieden intensive und verschieden frequente Erregungen aus, und es liegt die Annahme sehr nahe, dafs diese im Zentralnervensystem antagonistische Prozesse, Erregung und Hemmung her vorrufen. Da Ewald Hering als Netzhaut die Netzhautelemente samt allen beim Sehakt beteiligten Partien des Nervensystems bezeichnet, so liegt in unserer Annahme eine bedeutsame Weiterentwicklung der HERiNGschen Theorie, eine Weiterentwicklung, der dadurch gr\u00f6fsere Wichtigkeit zukommt,","page":55},{"file":"p0056.txt","language":"de","ocr_de":"56\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\ndafs sie auf der experimentell gewonnenen Erkenntnis der Vorg\u00e4nge in der Netzhaut und im Nervensystem beruht.\nMan k\u00f6nnte sich vielleicht beim Durchsehen des Protokoll 3 dar\u00fcber wundern, dafs die belichtete Ableitungsstelle A nicht negativ wird. Tats\u00e4chlich wird die belichtete Stelle negativ, aber bei unserer Art der Ableitung treten die Augenmedien und die Linse als physiologische Elektroden auf und der Strom verl\u00e4uft so, wie dies durch die Pfeile und Zeichen der Fig. 6 angedeutet ist. Wir werden, wenn wir die Resultate der folgenden Versuche verstehen wollen, stets an dem Satz festhalten m\u00fcssen: Bei direkter Ableitung von der Retina ist sowohl bei Ruhe als w\u00e4hrend einer Belichtung di e St\u00e4bchenseite negativ, beiAbleitung vom Bulbus dagegen wird die beleuchtete Ableitungsstelle positiv elektrisch.\nDie Ergebnisse waren andere, wenn die Abieitungselektroden an symmetrischen, von Nervuliquerschnitten freien Stellen der hinteren Bulbusfl\u00e4che anlagen (s. Fig. 7 a). Bei dieser Ableitung traten Aktionsstr\u00f6me auf, welche f\u00fcr die Deutung\n\u00d6der mehrsinnigen Schwankungen ausschlaggebend waren. Bei dieser Art der Ableitung war der Ruhestrom in der Regel gering. Wurde die Ableitungsstelle A beleuchtet, so wurde dieselbe positiv elektrisch gegen\u00fcber B. In Wirklichkeit wird die Flg' * belichtete Stelle negativ, aber bei unserer Art der Ableitung l\u00e4uft der Strom so, wie dies in Fig. 7 angedeutet ist. Drehen wir nun das Auge so, dafs die Ableitungsstelle B beleuchtet wird, so wird diese positiv elektrisch und die Saite des Galvanometers schl\u00e4gt nach der entgegengesetzten Richtung aus als vorher bei Belichtung von A. Drehen wir jetzt das Auge so, dafs die belichtete Netzhautstelle zwischen A und B zu liegen kommt, so erhalten wir eine mehrsinnige Schwankung.\nMehrere Protokolle von solchen Versuchen sollen hier angef\u00fchrt werden (s. Protokoll 4).\nZwischen zwei Belichtungen wurde 1 Minute gewartet. Die Belichtungen dauerten 2\u20143 Sekunden. Es ist deutlich, wrie bei Belichtung zwischen beide Ableitungsstellen mehrsinnige Schwankungen auftreten, deren elektromotorische Kraft wreit geringer ist als die Kraft der einsinnigen Schwankungen. Diese Versuche zeigen uns demnach mit Bestimmtheit, dafs die mehr-","page":56},{"file":"p0057.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n57\nProtokoll 4.\nEledone moschata. 10. XII. 12. Zimmertemp. 16-5\u00b0 C. Wassertemp. 14\u00b0 C.\t\t\t\nNr. der Beobachtung\tRichtung der Belichtung 64 NK.\t\tElektromotorische Kraft in Millivolt A positiv\n1.\t25\u00b0\tvon rechts\tA positiv 3\u201956\n2.\t10\u00b0\t>> \u00bb\t\u201e \u201e 2-1\n3.\t5\u00b0\t\u00bb\tjj\t\u201e \u00bb 0-8\n4.\t0\u00b0\t)) \u00bb\t77\t77\t0'8\n5.\t5\u00b0\t,, links\tmehrsinnige Schwankung\n6.\t10\u00b0\ty y\ty y\tB positiv 0\u201923\n7-\t15\u00b0\t\u00bb\tjj\t77\t7?\tO-9\n8.\t20\u00b0\tjj\tjj\t?7\tj?\n9.\t25\u00b0\tjj\tjj\t\u201e\t7,\t2-84\nOctopus vulgaris. 16. XII. 12. Zimmertemp. 17\u00b0 C. Wassertemp. 15\u00b0 C.\t\t\t\n1.\t25\u00b0\tvon rechts\tA positiv 2-57\n2.\t20\u00b0\tjj\tjj\t\u201e\t\u00bb\t2-15\n3.\t15\u00b0\tjj\tjj\t\u201e \u00bb 1-2\n4.\t10\u00b0\tjj\tjj\tO 6b\n5.\t5\u00b0\tjj\tn\t\u201e\t\u00bb\t046\n6.\t0\u00b0\tJJ\t??\tmehrsinnige Schwankung\n7.\t5\u00b0\tvon links\tB positiv 0\u201872\n8.\t10\u00b0\t77\tJJ\t\u201e\t\u201e\t1-25\n9.\t15\u00b0\tyy\tyy\t,\t\u00bb\t1-93\n10.\t20\u00b0\t7 7\tJJ\t\u201e\t\u201e\t2-42\n11.\t25\u00b0\t77\tJJ\t\u201e\t\u201e\t3-12\n12.\t35\u00b0\tyy\tyy\t\u201e\t\u201e\t2-35\nEledone moschata. 14. XII. 12. Zimmertemp. 13\u00b0 C. Wassertemp. 14-5\u00b0 C.\t\t\t\n\tj\t\tB positiv\n1.\t\u00ae o CO\tvon rechts\tA positiv 2 65\n2.\t20\u00b0\tJJ\t7 7\t1-75 7?\tJJ\n3.\tI\t10\u00b0 | i\tJJ\tJJ\t\u201e\t\u201e\t0\u20198 Andeu- tung einer mehrsinnigen Schwankung\n4.\t0\u00b0\tJJ\tJJ\tmehrsinnige Schwankung\n5.\t5\u00b0\t\u201e links\tB positiv 0'9\n6.\t15\u00b0\tJJ\t77\t\u201e\t\u201e\tI\u201988","page":57},{"file":"p0058.txt","language":"de","ocr_de":"58\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nsinnigen Schwankungen durch einen Wettstreit der Positivit\u00e4ten (eigentlich Negativit\u00e4ten) an beiden Ableitungsstellen zustande kommen. W\u00e4ren die Reizbedingungen an beiden Ableitungsstellen vollkommen gleich, so m\u00fcfste man bei Drehung des Auges entsprechend der Abnahme der elektromotorischen Kr\u00e4fte, welche die Protokolle erkennen lassen, zu einer Stellung des Auges kommen, bei welcher die Belichtung keine Schwankung hervorruft. In der Tat habe ich in vereinzelten F\u00e4llen dieses Verhalten beobachtet und mich \u00fcberzeugt, dafs sich durch Ver\u00e4nderung der einen Ableitungsstelle durch l\u00e4ngere Belichtung mehrsinnige Schwankungen hervor-rufen lassen.\nWaren schon von vornherein bei einer bestimmten Stellung des Auges mehrsinnige Schwankungen zu erhalten, so wurde durch l\u00e4ngeres Belichten der einen Ableitungsstelle die Stellung verschoben, bei welcher mehrsinnige Schwankungen auf traten. Dies zeigt z. B. das Protokoll 5.\nProtokoll 5.\nOctopus vulgaris. 18. XI. 12. Zimmertemp. 18\u00b0 C. Wassertemp. 155 0 C.\nNr. der Beobachtung\tRichtung der Belichtung 64 NK 1\t\tElektromotorische Kraft in Millivolt\n1.\t20\u00b0 von\trechts\t,\tA positiv 1*75\n2.\t15\u00bb \u201e\tn\t\u00bb \u201e 1-02\n3.\tb-*- o o\tn\t\u201e\t\u201e\t0-89\n4.\tISO \u00b0\tn\tn\t,,\t\u201e\t0-35\n5.\t0\u00b0 w 11\tn\tmehrsinnige Schwankung\n6.\t\u00b0 11\tlinks\tB positiv 0 25\n7.\t10\u00b0\tn\t\u201e\t\u201e\t0-75\n8.\t\u00a9 o CM\tn\t\u201e\t\u00bb\t1-27\n\t1 Minute Belichtung voi\t\ti rechts 20\u00b0 mit 256 NK\n9.\t\u00f6 o > \u00a9 o CM\trechts\tA positiv 0'42\n10.\t15\u00b0 \u201e\t\t\u201e\t\u201e\t023\n!>\u2022\tj\t10\u00b0 \u201e\tV\tmehrsinnige Schwankung\n12.\t5\u00b0 \u201e\ta\tB positiv 0\u201931\n13.\t150 \u201e\tlinks\t\u201e\t\u201e\t0'97\nDie mehrsinnigen Schwankungen sind leichter bei grofsen Reizintensit\u00e4ten zu erhalten. Dies zeigten Versuche, von welchen einer im Protokoll 6 wiedergegeben ist.","page":58},{"file":"p0059.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n59\nProtokoll 6.\nOctopus vulgaris. 7. XI. 12. Zimmertemp. 15\u00b0 C. Wassertemp. 14\u00b0 C.\nNr. der Beobachtung\tRichtung der Belichtung 256 NK\t\t\tElektromotorische Kraft in Millivolt\t\n1.\t25\u00b0\tvon rechts\t\tA positiv\t4-20\n2.\t15\u00b0\t\t>>\t33\t33\t2-35\n3. 1\tIO\u00ab\t\t\tmehrsinnige Schwankung\t\n4.\t0\u00b0\t\t>>\t\t3 3\n5.\t5\u00b0\t\tlinks\t>>\t5 ?\n6.\t10\u00b0\t\t\t>3\t\n7.\t20\u00b0\t\t\u201d\tB positiv\t3-25\nFig. 8.\nDie beistehende big. 8 zeigt den Verlauf der Schwankungen.\nWenn wir die eine Ableitungsstelle l\u00e4ngere Zeit stark belichteten, wurde die vorher einsinnige Schwankung mehrsinnig und ging schliefsiich in eine gegensinnige Schwankung \u00fcber. Dies zeigt z. B. der Versuch, welcher im Protokoll 7 angef\u00fchrt ist.\nDer Verlauf der Schwankungen 1, 2 und 3 dieses Versuches ist in Fig. 9 wiedergegeben.\nDiese Beobachtung erinnert an die Angaben von Waller1,\n1 A. D. Waller. On the retinal currents of the frog\u2019s Eye excited by light and excited electrically. Philos. Transact. Roy. soc. London. Vol. 193. 1900. On the double nature of the photoelectrical response of the frog\u2019s retina. Quarterly Journ. of exp er. Phys. Vol. II. 1909. p. 169.","page":59},{"file":"p0060.txt","language":"de","ocr_de":"60\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\ndafs bei Sch\u00e4digung des Froschauges die Richtung des Aktions-\nStromes sich umkehrt.\nProtokoll 7.\nOctopus vulgaris. 18. XI. 12. Zimmertemp. 18\u00b0 C. Wassertemp. 15\u00b0 C\nNr. der Beobachtung\t! Richtung der Belichtung 400 NK\ti\tElektromotorische Kraft in Millivolt A positiv\n1.\t15\u00b0 von rechts\tA positiv 273\n\tEinschaltung einer Belichtung von 1 Minute\t\n2.\t15\u00b0 von rechts\tmehrsinnige Schwankung\n\tEinschaltung einer Belichtung von 2 Minuten\t\n3.\t15\u00b0 von rechts\tB positiv 008\n4.\t10\u00b0 \u00bb \u00bb\t\u00bb \u201e 01\n5.\to \u00bb\t\u201d\t\u201e\t0-13\n6.\t0\u00b0 u ?? \u00bb\t\u201e\t\u201e\t0-15\n7.\t\u00b0 \u00bb \u00bb\t\u201e\t0-48\n8.\t10\u00b0 \u00bb 11\tv* o ob Hi-\nDie Ver\u00e4nderung der mehrsinnigen Schwankung bei wiederholter Belichtung zeigen auch die Kurven auf der Tafel I.\nEs ist ferner noch zu erw\u00e4hnen, dafs der Verlauf der Schwankung auch von der Intensit\u00e4t des Reizlichtes abh\u00e4ngt. Die beistehenden Kurven der Fig. 10 zeigen dieses Verhalten deutlich. Sie stammen von dem Auge einer Eledone moschata. Die Kurve 1 wurde bei Belichtung von 25\u00b0 von rechts mit 25 NK, Kurve 2 mit 64 NK, Kurve 3 mit 256 NK erhalten.\nWurde jedoch das Diaphragma, welches vor dem Auge auf gestellt war, um eine direkte Belichtung des Auges unter Umgehung der optischen Medien zu vermeiden, fortgelassen, wurde die eine oder die andere Ableitungselektrode an nervulireiche Stellen der Hinterwand des Bulbus angelegt, so resultierten h\u00e4ufig Kurven, welche einen sehr komplizierten Verlauf auf wiesen; die Saite des Galvanometers schwankte im Beginn, w\u00e4hrend und nach der Belichtung mehrmals um die Ruhelage. Solche komplizierte Schwankungen beruhen offenbar noch auf der Mitwirkung einer Reihe anderer Komponenten, Waller hat am Froschauge gleichfalls derartige komplizierte Schwankungen be-","page":60},{"file":"p0061.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n61\nobachtet, und mit Recht betont, dafs solche Schwankungen ungeeignet f\u00fcr eine Latenzzeitbestimmung sind. Waller wurde durch diese Beobachtungen auch zu der Annahme gef\u00fchrt, dafs die mehrsinnigen Kurven durch den Wettstreit gegensinniger Prozesse zustande kommen.\nKomplizierte Schwankungen k\u00f6nnen, wie schon oben angedeutet, mit einer Belichtung der Netzhaut durch die Augenh\u00e4ute in Zusammenhang gebracht werden. Haben wir z. B. eine Ableitung wie sie durch die Fig. 11 gezeigt wird, und wird das Auge von vorne beleuchtet, so wird die Ableitungsstelle A positiv, weil sie auf dem Wege der durchsichtigen Augenmedien belichtet wird, aber auch die Ableitungsstelle B wird positiv, da sie durch die Augenh\u00e4ute hindurch erregt wird. Man kann sich von dieser Tatsache leicht \u00fcberzeugen. Schaltet man mit Hilfe eines kleinen Schirmes die Belichtung von A aus, so wird unter sonst gleichen Verh\u00e4ltnissen B stark positiv, stellen wir ein kleines Diaphragma vor das Auge, welches das Licht zu A zul\u00e4fst, von B aber abblendet, so wird A positiv. Komplizierte Schwankungen entstehen auch, wenn die Ableitungselektroden an Stellen mit Querschnitten von Nervuli liegen. Wir haben fr\u00fcher darauf hingewiesen, dafs die mehrsinnigen Schwankungen unter diesen Bedingungen sich auch an der Retina beobachten lassen, dafs ferner bei Fig. 11. Ableitung des Bulbus zum Querschnitt des Tractus oticus oder zu den Querschnitten der Nervuli otici besonders leicht mehrsinnige Schwankungen zu erhalten sind.\nDiese Beobachtungen liefsen vermuten, das die Nervuli in irgend einer Wbise an dem Zustandekommen der mehrsinnigen Schwankungen beteiligt sind: dies umsomehr, als wir durch die Versuche von K\u00fchne und Steiner wissen, dafs sich auch von der isolierten Wirbeltierretina mehrsinnige Aktionsstr\u00f6me ableiten lassen. Diese sind unserer Deutung nicht ohne weiteres zug\u00e4nglich.\nEs wurde nun schon bei Besprechung der Ruhestr\u00f6me der Retina und des Bulbus darauf hingewiesen, dafs die Richtung der Ruhe- und Aktionsstr\u00f6me von der Lage der Elektroden, insbesondere von ihrer Beziehung zu den Querschnitten der Nervuli otici abh\u00e4ngt, dafs das eine Mal die Linse mit den \u00fcbrigen Augenmedien, das andere Mal die Nervuli als physio-","page":61},{"file":"p0062.txt","language":"de","ocr_de":"62\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nlogische Elektroden der Retina auftreten. Es liefs sich an vielen Augen eine Stellung der hinteren Elektrode finden, bei welcher der Ruhestrom fehlte oder nur schwach war, w\u00e4hrend bei Verschiebung der hinteren Elektrode nach vorn die Linse stark negativ, bei Verschiebung auf eine nervulireiche Stelle, die Ner-vuli stark negativ wurden. Im ersteren Falle erfolgte bei Belichtung eine mehrsinnige Schwankung, in den beiden anderen F\u00e4llen erfogte bei Belichtung eine einsinnige Verst\u00e4rkung des Ruhestromes. Wir k\u00f6nnen also blofs durch Verschiebung der der Hinterwand des Bulbus anliegenden Elektrode bei gleichbleibender Belichtung und gleichbleibender Stellung der zweiten Elektrode entgegengesetzt gerichtete einsinnige und mehrsinnige Schwankungen erhalten. Auch diese mehrsinnigen Schwankungen k\u00f6nnen nur durch den Wettstreit der Str\u00f6me beider Ableitungsstellen zustande kommen. Beide Ableitungsstellen werden bei Belichtung des Auges positiv, und der Verlauf der mehrsinnigen Schwankungen h\u00e4ngt ebenso von der Intensit\u00e4t und der Richtung der Belichtung ab, wie der Verlauf der oben beschriebenen mehrsinnigen Aktionsstr\u00f6me. Es ist verst\u00e4ndlich, dafs durch das Zusammenwirken aller der hier angef\u00fchrten Faktoren Aktionsstr\u00f6me auftreten k\u00f6nnen, die einen aufserordentlich komplizierten Verlauf auf weisen.\nAls weiterer Beweis f\u00fcr die Richtigkeit der aus unseren Versuchen gezogenen Schlufsfolgerungen sind Versuche zu betrachten, bei welchen gleichzeitig zwei Lichtquellen auf das Auge einwirkten. Diese Versuche wurden ohne Feuchtkammer vorgenommen, die beiden Lichtquellen hatten vom Auge einen Abstand von 90 cm und waren so orientiert, dafs die linke Lichtquelle die rechte Ableitungselektrode die rechte Lichtquelle die linke Ableitungselektrode beleuchtete. Die Ableitungselektroden lagen der Hinterwand des Bulbus an nervulifreien Stellen an. Belichtung mit jeder Lichtquelle allein ergab einsinnige Schwankungen, die aber entgegengesetztes Vorzeichen hatten, gleichzeitige Belichtung mit beiden Lichtquellen rief mehrsinnige Schwankungen hervor.\nDurch die bisher geschilderten Versuche waren einerseits die mehrsinnige Schwankungen analysiert, andererseits waren aber auch die g\u00fcnstigsten Bedingungen zur Untersuchung der Erregungsvorg\u00e4nge in der Netzhaut gegeben.\nDie Untersuchung des Netzhautstromes wurde in der Weise","page":62},{"file":"p0063.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n63\nvorgenommen, dafs von einer direkt beleuchteten Stelle der hinteren Wand des Bulbus abgeleitet wurde, welche frei von hl ei\\uliquei schnitten war, w\u00e4hrend die zweite Ableitungsstelle m\u00f6glichst entfernt von der ersten gleichfalls an einer nervulifreien Stelle der hinteren Bulbuswand lag. Wir konnten erwarten, unter diesen Verh\u00e4ltnissen einen genauen Einblick in den Erregungsvorgang der Netzhaut und seine Ver\u00e4nderungen zu erlangen.\nDie elektromotorische Kraft der Belichtungsstr\u00f6me erreicht an frischen Augen, iusbesondere bei den ersten Belichtungen Werte von 7\u20148 Millivolt; an einem Auge von Eledone moschata wurde ein Wert von 10 Millivolt gemessen. Die gr\u00f6fsten Ausschl\u00e4ge wurden im Monat Dezember und Januar beobachtet. Doch auch w\u00e4hrend dieser g\u00fcnstigen Monate wurden wiederholt geringere Werte an den Augen schlechter und schlapper Tiere\ngemessen, wie sie insbesondere nach Schirokko tagen eingeliefert wurden.\nVon grofser Wichtigkeit f\u00fcr unsere Versuche war das lange \u00dcberleben der ausgeschnittenen Augen. Ein in einer grofsen Feuchtkammer in absoluter Dunkelheit bei einer Temperatur von 15\u00b0 C. gehaltenes Auge von Eledone moschata gab mir 97 Stunden nach T\u00f6tung des Tieres bei Belichtung noch Ausschl\u00e4ge von Oh Millivolt. Das Auge befand sich in einer lichtdichten Dunkelkammer, und die Belichtung konnte von dem Saitengalvanometerzimmer aus vorgenommen werden. Am Morgen nach der letzten Messung war das Auge zusammengefallen und unerregbar. Ich habe bei diesen Versuchen deshalb grofsen Wert auf den absoluten Lichtausschlufs gelegt, weil es sich zeigte,\ndafs die Augen, welche l\u00e4ngere Zeit \u00fcberlebten, sehr erm\u00fcdbar waren.\nDie umstehende Tabelle I mag \u00fcber die Dauer des \u00dcberlebens verschiedener Augen Aufschlufs geben.\nDie \u00dcberlebensdauer ist tats\u00e4chlich noch gr\u00f6fser, als sie in der Tabelle angegeben ist, da bei keinem der Augen der Moment beobachtet wurde, in welchem es aufh\u00f6rte, auf Belichtung zu reagieren. So liegt zwischen der letzten Beobachtung in Versuch 13, bei welchen nach 97 Stunden noch ein Belichtungsstrom von Oh Millivolt beobachtet wurde, und der n\u00e4chsten Beobachtung, bei welcher das Auge unerregbar gefunden wurde, eine ganze Nacht. Die Dauer des \u00dcberlebens dieses Sinnesepithels ist sicher erstaunlich. F\u00fcr das Auge des Frosches haben K\u00fchne und Steiner eine","page":63},{"file":"p0064.txt","language":"de","ocr_de":"64\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nmaximale \u00dcberlebensdauer von 24 Stunden angegeben. Bei den Augen der von uns untersuchten Cephalopoden ist die Dauer des \u00dcberlebens abh\u00e4ngig von der Art der Tiere, \u2014 Eledone moschata weist die gr\u00f6fsten Werte auf vom Zustand der Tiere,\n__ die Augen von schlappen Tieren \u00fcberleben nicht lange\nvon der Jahreszeit, \u2014 die Monate Dezember und Januar sind die g\u00fcnstigsten \u2014 schliefslich von der Temperatur schon Temperaturen \u00fcber 15\u00b0 C scheinen das Absterben wesentlich zu beschleunigen. Bei Temperaturen von 22\u00b0 tritt der Erregbarkeitsverlust schon nach wenigen Stunden ein.\nTabelle I.\nNr.\tI Datum\tZimmer- temp.\t\tWasser- temp.\t\tArt des Tieres\t\tDauer des \u00dcberlebens\t\n1.\t2. X. 12\t19\u00b0\tC.\t19-5\u00b0\tC.\tOctopus\tmacr.\t2 Stunden\t\n2.\t9. X. 12\t19*5\u00b0\t99\t19-5\u00b0\t99\t99\t99\t7\t99\n3.\t12. X. 12\t19\u00b0\t99\t190\t55\t99\t55\t27\t55\n4.\t15. X. 12\t18-5\u00b0\t55\t18*5\u00b0\t99\t99\t99\t46 V,\t55\n5.\t2. XI. 12\t16\u00b0\t55\t16\u00b0\t99\tEledone\tmosch.\t52\t99\n6.\t4. XI. 12\t16\u00b0\t55\t15*5\u00b0\t55\t55\t55\t48\t55\n7.\t7. XI. 12\t16\u00b0\t99\t14\u00b0\t99\tOctopus\tmacr.\t26\t55\n8.\t9. XI. 12\t170\t55\t14\u00b0\t55\t55\t99\t26\t99\n9.\t13. XI. 12\t17\u00b0\t55\t15\u00b0\t55\tOctopus\tvulg.\t56\t99\n10.\t13.XII.12\t17-5\u00b0\t55\t15\u00b0\t55\tEledone\tmosch.\t84\t55\n11.\t22.X1I.12\t18\u00b0\t5\u00bb\t16\u00b0\t55\t99\t99\t78\t99\n12\t26.XII.12\t17\u00b0\t55\t15\u00b0\t55\t99\t99\t37\t99\n13\t22. I. 13\t15\u00b0\t55\t15\u00b0\t55\t99\t55\t97\t55\n14.\t24. I. 13\t16\u00b0\t55\t15\u00b0\t55\t99\t99\t86\t55\n15.\t2. 11. 13\t17\u00b0\t\u20195\t15-5\u00b0\t99\t99\t55\t46\t99\n16.\t10. II. 13\t18\u00b0\t55\t15\u00b0\t55\t55\t55\t73\t55\n17.\t13. III. 13\t140\t55\t15\u00b0\t55\t99\t55\t60\t99\n18.\t16. III. 13\t16\u00b0\t55\t16\u00b0\t55\t55\t55\t36\t55\nBetrachten wir den zeitlichen Verlauf eines Aktionsstromes, so sehen wir, wie schon Pipek hervorgehoben hat, den ansteigenden Schenkel in der Regel k\u00fcrzer dauern als den absteigenden Schenkel. Die Reaktion beginnt nach einer Latenzzeit und \u00fcberdauert den Reiz etwas, um dann wieder zur\u00fcckzugehen. Es sei aber schon hier bemerkt, dafs damit die Reaktion noch nicht beendet ist, sondern dafs die rhythmischen Aktionsstr\u00f6me,","page":64},{"file":"p0065.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n65\nwelche w\u00e4hrend der Reizung auftreten, noch lange nach dem Verl\u00f6schen des Reizlichtes zu beobachten sind und erst nach einiger Zeit schwinden.\nIn unseren Kurven ist die Dauer der Reizung mit einem elektromagnetischen Signal geschrieben, dessen Stromkreis gleichzeitig mit dem des Reizlichtes geschlossen wurde. Die Beziehungen zwischen Reizlicht und Signal wurden photographisch registriert; es zeigte sich, dafs der Anstieg der Lichtintensit\u00e4t der Gl\u00fchlampe bis zu ihrem Maximum l\u00e4nger dauerte (etwa 0 05\") als das Absinken vom Maximum zum Nullpunkt (0*025\"). Ich erw\u00e4hne dies deshalb, weil bei Beobachtung der Lampe der Anstieg der Lichtintensit\u00e4t schneller zu sein scheint, als der Abfall beim Verl\u00f6schen der Lampe. Es ist dies offenbar eine Erscheinung, die auf einem positive Nachbild der leuchtenden F\u00e4den der Lampe beruht.\nDer zeitliche Verlauf des Netzhautstromes ist abh\u00e4ngig von der Reizintensit\u00e4t. Bei schwachen Rei- 7 zen dauert der Anstieg des Aktionsstromes l\u00e4nger als der Abstieg. Bei sehr starken Reizen beginnt der 2 Abfall der Kurve noch w\u00e4hrend der Reizung. Die Kurven der Fig.12 3 und die Kurven auf Tafel II illustrieren dies Verhalten; dasselbe soll bei Besprechung der Netzhauterm\u00fcdung ausf\u00fchrlich behandelt werden.\nNach starken Reizen sinkt die Kurve nur sehr langsam zur Abszisse ab. Dieser Teil der Kurve entspricht in jeder Beziehung der negativen Nachwirkung, wie sie bei erm\u00fcdeten Muskeln und Nerven beschrieben worden ist. Sie enspricht, um es vielleicht noch sch\u00e4rfer auszudr\u00fccken, der Kontraktur eines erm\u00fcdeten Muskels. Sie ist wie diese Zust\u00e4nde begleitet von einer Erregbarkeitsherabsetzung, die in gleichem Mafse schwindet, wie die Nachwirkung zur\u00fcckgeht. Die Nachwirkung deckt sich nicht vollkommen mit der rhythmischen Nachwirkung, welche oben erw\u00e4hnt worden ist, denn nach sehr starken Reizen ist wohl die negative Nachwirkung sehr stark ausgesprochen, w\u00e4hrend die rhythmische Nachwirkung nicht nachzuweisen ist. Mit der Erm\u00fcdung werden die rhythmischen Erregungswellen\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 48.\t\u00f6\nFig. 12.","page":65},{"file":"p0066.txt","language":"de","ocr_de":"66\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nweniger frequent und weniger hoch, und allm\u00e4hlich entwickelt sich eine negative Nachwirkung, welche keine rhythmischen Erregungswellen mehr erkennen l\u00e4fst.\nBei Anwendung sehr starker Lichtreize auf gut erregbare Augen steigt die Kurve erst steil an, sinkt dann aber nicht ab, sondern steigt allm\u00e4hlich zu betr\u00e4chtlicher H\u00f6he auf. H\u00f6rt nun die Belichtung auf, so sinkt die Kurve nur \u00e4ufserst langsam in Zeiten von 25 und noch mehr Minuten zur Abszisse ab. Fig. 13, 1 u. 2, zeigt solche Kurven. Solche Erregungsprozesse m\u00fcssen bei den mehrsinnigen Schwankungen mitwirken, wie sie von Garten als charakteristisch f\u00fcr das dunkeladaptierte Froschauge beschrieben wurden sind und die einen Verlauf aufweisen, wie er in Fig. 13, 3, wiedergegeben ist.\n7\nz\n3\nFig. 13.\nFig. 14.\nWenn wir die Gesamtheit unserer Resultate \u00fcberblicken, so finden wir in ihnen die Best\u00e4tigung einer Annahme, die schon von Waller und Piper ausgesprochen worden ist, um die mehrsinnigen Schwankungen zu deuten. Waller und Piper 1 stellen sich vor, dafs die mehrsinnigen Schwankungen durch Interferenz mehrerer entgegengesetzter, einsinniger Prozesse Zustandekommen. Es sei hier ein Schema (Fig. 14) angef\u00fchrt, welches das Entstehen der Belichtungs- und Verdunklungsschwankung durch zwei entgegengesetzte einsinnige Schwankungen verschiedenen Verlaufes illustriert. Kurven solchen Verlaufes lassen sich tats\u00e4chlich an der Netzhaut bei verschiedener Reizintensit\u00e4t und bei verschiedenen Zust\u00e4nden der Ableitungsstellen nachweisen. Nur dafs diese entgegengesetzt gerichteten Str\u00f6me nicht entgegengesetzten Prozessen, wie Assimilation und Dissimilation, wie\n1 H. Piper, \u00dcber die Netzhautstr\u00f6me. Archiv f\u00fcr Physiologie. 1905, 1911. Verlauf und Theorie der Netzhautstr\u00f6me, Zentralblatt f\u00fcr Physiologie. 1911.","page":66},{"file":"p0067.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n67\nWaller annahm, oder Erregungs Vorg\u00e4ngen in verschiedenen Netzhautschichten, ihre Entstehung verdanken. Sind geringe Latenzzeitunterschiede zwischen beiden Schwankungen vorhanden oder interferieren mehr als zwei Str\u00f6me miteinander, so mufs es zu den vielsinnigen Schwankungen kommen, wie sie f\u00fcr die Augen der Cephalopoden und Wirbeltiere beschrieben worden sind. Vielleicht wird es an Hand der vorliegenden Erfahrungen gelingen, einsinnige Aktionsstr\u00f6me auch von Wirbeltieraugen abzuleiten.\nNoch eine Art des Schwankungsverlaufes sei erw\u00e4hnt, den ich f\u00fcr einen Ausdruck der an der belichteten Netzhautstelle ablaufenden Erregungsvorg\u00e4nge halten und nicht auf eine Interferenz zwischen den Erregungsvorg\u00e4ngen an beiden Ableitungsstellen zur\u00fcckf\u00fchren m\u00f6chte. Der Verlauf dieser Schwankung ist in Fig. 15 wiedergegeben. Die Kurve sinkt nach Aufh\u00f6ren der Reizung unter die Abszisse und kehrt erst allm\u00e4hlich zur Abszisse zur\u00fcck. Ich nehme an, dafs es sich hier um einen \u00e4hnlichen Vorgang handelt, wie er von Ewald Hering als positive Nachschwankung am Nerven beschrieben worden ist. Ich will auf diese Schwankung an anderer Stelle ausf\u00fchrlich eingehen, da hier ein Vorgang von allgemeiner Bedeutung vorliegt, der auch mit einer Reihe sinnesphysiologischer Beobachtungen am Menschen enge zusammenzuh\u00e4ngen scheint.\n3. Aktionsstr\u00f6me vom Ganglion oticum und seinen Nerven.\nBei der \u00fcberwiegenden Mehrzahl der untersuchten Augen verhielten sich die Nervuli, bzw. das Ganglion oticum positiv gegen\u00fcber den Querschnitt des Tractus opticus und bei Belichtung erfolgte eine negative Schwankung des Ruhestromes. Die elektromotorische Kraft dieser Ausschl\u00e4ge war jedoch nur klein. Nur bei wenigen Augen wiesen die Str\u00f6me im Beginn des Versuches Werte um Ol Millivolt auf. Die geringe St\u00e4rke dieser Str\u00f6me w\u00fcrde ein Argument gegen die Annahme sein, dafs die Aktionsstr\u00f6me der nerv\u00f6sen Schichten der Wirbeltierretina an den mehrsinnigen Schwankungen wesentlichen Anteil nehmen.\n5*","page":67},{"file":"p0068.txt","language":"de","ocr_de":"68\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nIch verf\u00fcge \u00fcber 6 Versuche, welche zeigen, dafs die Aktionsstr\u00f6me vom Ganglion fr\u00fcher schwinden als von den Nervuli otici. 4\u20148 Stunden nach der T\u00f6tung des Tieres liefsen sich vom Ganglion keine Str\u00f6me mehr ableiten. Parallelversuche mit einem Mantelganglion des gleichen Tieres zeigten, dals dasselbe in ungef\u00e4hr den gleichen Zeiten seine Leitf\u00e4higkeit verlor. Bei der Kleinheit der Ausschl\u00e4ge und bei der geringen Anzahl von Versuchen m\u00f6chte ich auf dieses Resultat kein zu grofses Gewicht legen.\nBei Ableitung von den nerv\u00f6sen Anteilen des Auges lassen sich auch Stromschleifen nachweisen, welche von den starken Str\u00f6men der Netzhaut stammen. Wurde der Strom von den linken Nervuli optici zum Querschnitt des Traktus abgeleitet, so wie dies die Fig. 16a zeigt, so trat bei Belichtung von rechts\nnicht, wie zu erwarten, eine negative, *\t6\tsondern eine positive Schwankung\n5/\"~v-a des Ruhestromes ein. Wurde das\nl\tAuge von links beleuchtet, so er-\nB JI \u2022 \\ \\ \\\nfolgte eine negative Schwankung f \u2019\tdes Ruhestromes. Dieses Verhalten\nV\tJ m\u00fcfste man erwarten, wenn die Elek-\n/ trode B der linken hinteren Wand Yig, 16.\tdes Bulbus anliegen w\u00fcrde. Der\nWeg den der Strom bei Belichtung von rechts macht, ist in Fig. 16b eingezeichnet. Daf\u00fcr dafs der Stromverlauf wirklich so ist, spricht die Tatsache, dafs nach Durchschneidung der rechten und mittleren Nervuli otici, bei Belichtung von rechts stets nur eine negative Schwankung des Nervenstromes eintritt. Wandert die Lichtquelle nach links, so wird der Aktionsstrom immer schw\u00e4cher und schliefslich wird die Belichtung unwirksam. Ich habe eine grofse Reihe derartiger Versuche an Augen von Octopus macropus und Octopus vulgaris mit gleichem Erfolg ausgef\u00fchrt und dabei festgestellt, dafs sich unter diesen Verh\u00e4ltnissen auch negative Schwan-\nOkungen des vom Ganglion zum Traktus opticus abgeleiteten Ruhestromes nachweisen lassen. Im An-schlufs an diese Versuche habe ich andere ausgef\u00fchrt, bei welchen breite Tonstiefelelektroden direkt an den Bulbus angelegt wurden. Fig. 17 zeigt diese Fig. 17. Art der Ableitung. Ein Ruhestrom war unter diesen Verh\u00e4ltnissen nicht zu erhalten; bei Belichtung von","page":68},{"file":"p0069.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n69\nrechts wurde die Elektrode A positiv, bei Belichtung von links wurde die Elektrode 1B positiv. Die Versuche zeigen, wie selbst unter diesen Bedingungen Stromf\u00e4den zum Saitengalvanometer gelangen. Die gleichen Verh\u00e4ltnisse bieten die Nervuli otici dar, welche an einer mehrere Millimeter breiten, horizontalen Zone der R\u00fcckwand des Bulbus entspringen.\nDie Versuche an den Nervuli otici und dem Ganglion oticum sind von Interesse, weil sie einerseits die Wirkung von Stromschleifen, die von der stark elektromotorisch wirksamen Netzhaut ausgehen, zeigen, andererseits wahre negative Schwankungen an den Nervuli otici und dem Ganglion oticum nachweisen. Letztere Tatsache mufs auch deshalb hervorgehoben werden, weil es bisher nicht gelungen ist, von den marklosen Nerven der Cephalopoden Aktionsstr\u00f6me abzuleiten.\nZusammenfassung der Ergebnisse.\n1.\tVon den Augen der Cephalopoden lassen sich bei Belichtung einsinnige und mehrsinnige Stromschwankungen ableiten.\n2.\tDie einsinnigen Schwankungen stellen eine w\u00e4hrend der Belichtung auftretende Verst\u00e4rkung des Ruhestromes vor.\n3.\tDie mehrsinnigen Schwankungen zeigen eine\n\u2022 \u2022\nsehr weitgehende \u00dcbereinstimmung mit den mehrsinnigen Sch wankungen, welche sich bei Belichtung der Wirbeltieraugen ableiten lassen.\n4.\tDie mehrsinnigen Schwankungen kommen am Cephalopo d enauge durch einen Wettstreit der Nega-tivit\u00e4ten an beiden Ableitungsstellen zustande. Sie h\u00e4ngen ab von der Richtung und der Intensit\u00e4t der Belichtung und von der Lage und dem Zustand der Ableitungsstellen.\nEs ist mehr als wahrscheinlich, dafs die mehrsinnigen Schwankungen an den Wirbeltieraugen auf gleicher Grundlage Zustandekommen.\n5.\tVon den Nervuli otici und dem Ganglion oticum lassen sich bei Belichtung des Auges einsinnige, negative Schwankungen ableiten.","page":69},{"file":"p0070.txt","language":"de","ocr_de":"70\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nII. \u00dcber die rhythmische Natur der Netzhauterregung und ihre Bedeutung f\u00fcr die Licht-\nund Farbenwahrnehmung.\nEinleitung.\nViele Organe haben die Eigenschaft, einen kontinuierlichen Reiz mit einer Folge von Erregungen, einem Eigenrhythmus, zu beantworten. Wird z. B. ein Muskel mit dem konstanten Strom gereizt, so reagiert er nicht mit einer gleichm\u00e4fsig andauernden Erregung, sondern mit einer Folge von Erregungen, die in einer schnellen Folge von Zuckungen oder Aktionsstr\u00f6men zum Ausdruck kommt. Das gleiche gilt auch f\u00fcr das Zentralnervensystem. Wir kennen heute auch die grofse Bedeutung, welche der rhythmischen Reaktion auf Reize zukommt. \u00dcberblicken wir nun die vorliegenden Erfahrungen \u00fcber die rhythmische Reizbeantwortung,1 so f\u00e4llt es auf, dafs der Erregungsrhythmus bisher an keinem Sinnesorgan hat nachgewiesen werden k\u00f6nnen. An Hand der vorliegenden Angaben war es nicht m\u00f6glich, die Entscheidung zu treffen, ob die Sinnesorgane auf Reize rhythmisch reagieren oder nicht. Und doch mufste diese Entscheidung f\u00fcr das Verst\u00e4ndnis der Funktion der Sinnesorgane von grofser Bedeutung sein. Wir wissen, wie stark das Nervensystem auf rhythmische Reize reagiert und k\u00f6nnten von der Erkenntnis eines rhythmischen Erregungsablaufes in den Sinnesorganen einen tiefen Einblick in die bisher noch v\u00f6llig dunklen Beziehungen zwischen Sinnesorgan und Zentralnervensystem erwarten.\nUnter den Sinnesorganen ist wohl das Auge das g\u00fcnstigste Objekt f\u00fcr die Beantwortung unserer Frage. Die bei der Belichtung auftretenden Aktionsstr\u00f6me gestatten einen weitgehenden Einblick in die Erregungsvorg\u00e4nge der Netzhaut. Die Aktionsstr\u00f6me der Augen lassen jedoch keine Rhythmen erkennen. Auch von den sensiblen Nerven lassen sich bei Reizung ihrer sensiblen Enden nur andauernde Erregungen ableiten. Solche langdauernde\n1 Fbiedbich W. Fb\u00f6hlich, \u00dcber die rhythmische Natur der Lebens Vorg\u00e4nge. Zeitschrift f\u00fcr allgemeine Physiologie 13. 1911.","page":70},{"file":"p0071.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\t71\nAktionsstr\u00f6me sind von Lewandowsky, 1 Alcock 2 und Seemannn und Einthoven3 4 5 * an den sensiblen Fasern des Lungenvagus bei Aufbl\u00e4hung der Lunge beobachtet worden. Steinach 4 hat solche dauernde Aktionsstr\u00f6me von den sensiblen Hautnerven bei Reizung der Haut abgeleitet. Fuchs 5 beobachtete solche negative Schwankungen bei Reizung des Seitenlinienorganes bei Fischen. Tscheemak 6 konnte bei Erh\u00f6hung des Druckes in der Aorta negative Schwankungen vom Nervus depressor ableiten.\nSind diese Schwankungen Ausdruck einer dauernden Erregung? Einthoven spricht von einem Erregungszustand, der vielleicht dem Katelektrotonus \u00e4hnlich sei, w\u00e4hrend Ceemer 7 darauf hinweist, dafs diese Erregungen viel l\u00e4nger dauern als die, welche bei direkter Reizung des Nervus vagus erhalten werden. Ceemer h\u00e4lt es f\u00fcr m\u00f6glich, dafs es sich um ein ungleichzeitiges Eintreffen kurzer Erregungswellen in den verschiedenen Nervenfasern handeln k\u00f6nnte, die in ihrer Gesamtheit das Bild eines langsamen und stetigen Vorganges im Nerven Vort\u00e4uschen. Es w\u00e4re aber auch m\u00f6glich, dafs die Erregungswellen einander so rasch folgen und so wenig stark sind, dafs sich ihre diskontinuierliche Natur dem Nachweis entzieht, und ein scheinbar andauernder Erregungvorgang vorget\u00e4uscht wird.\nWenn wir die Angaben \u00fcber rhythmische Erregungsvorg\u00e4nge bei verschiedenen Formen lebender Substanz studieren, so lernen wir eine Reihe von Bedingungen kennen, unter denen sich rhythmische ErregungsVorg\u00e4nge leichter nachweisen lassen. Vor allem sehen wir, dafs die rhythmischen Erregungsvorg\u00e4nge besonders leicht an Geweben von Tieren zu beobachten sind, welche eine geringe Geschwindigkeit ihrer Reaktionen aufweisen. Wir sehen, dafs sich die rhythmischen Reaktionen leichter an Tieren nachweisen lassen, welche l\u00e4ngere Zeit niedrigen Tem-\n1\tM. Lewandowsky, \u00dcber Schwankungen des Vagusstrom bei Volum\u00e4nderungen der Lunge. Pfl\u00fcgers Archiv 73, S. 288. 1898.\n2\tN. H. Alcock und J. Seemann, \u00dcber die negative Schwankung in den Lungenfasern des Vagus. Pfl\u00fcgers Archiv 108, S. 426. 1905.\n8 W Einthoven, \u00dcber Vagusstr\u00f6me. Pfl\u00fcgers Archiv 124, S. 246. 1908.\n4\tE. Steinach, \u00dcber die elektromotorischen Erscheinungen an Hautsinnesnerven bei ad\u00e4quater Reizung. Pfl\u00fcgers Archiv 63, S. 495. 1899.\n5\tFuchs, \u00dcber die Funktion der unter der Haut liegenden Kanalsysteme\nbei den Selachiern. Pfl\u00fcgers Archiv 59, S. 454, S. 1895; 60, S. 173. 1895.\n7 M. Cremer, Die allgemeine Physiologie der Nerven. In Nagels Handbuch der Physiologie. BraunschwTeig 1909. Bd. 4. 2. H\u00e4lfte. S. 893.","page":71},{"file":"p0072.txt","language":"de","ocr_de":"72\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nperaturen ausgesetzt waren. Der Muskel- oder Nervenrhythmus ist leichter an Kaltfr\u00f6schen nachzuweisen. Der rhythmische Ablauf der Erregungsvorg\u00e4nge ist leichter an Geweben zu sehen, in welchen intensive Erregungsvorg\u00e4nge ablaufen. Hier sei auf die starken rhythmischen Aktionsstr\u00f6me der Muskeln und elektrischen Organe hingewiesen. Die rhythmischen Erregungsvorg\u00e4nge lassen sich besser bei Anwendung st\u00e4rkerer Reize und bei einem guten Erregbarkeitszustand der untersuchten Organe feststellen. Wir werden demnach erwarten k\u00f6nnen an Sinnesorganen, an welchen alle oder wenigstens ein Teil dieser Bedingungen erf\u00fcllt sind, und bei Verwendung geeigneter Apparate zu einer Entscheidung unserer Frage kommen zu k\u00f6nnen. Von diesen Gesichtspunkten aus schienen die grofsen Augen der Cephalo-poden, deren Aktionsstr\u00f6me schon von Beck 1 und Piper 2 untersucht worden sind und die auch sonst noch eine Reihe von Vorteilen auf weisen, f\u00fcr unsere Versuche besonders g\u00fcnstig. Beck hat seine Untersuchungen mit einem f\u00fcr die Beantwortung unserer Frage wenig geeigneten Instrument, dem Spiegelgalvanometer, durchgef\u00fchrt, w\u00e4hrend bei einzelnen Versuchen Pipers schon das Saitengalvanometer verwendet wurde. Bei Piper finden sich keine Angaben \u00fcber rhythmische Aktionsstr\u00f6me.\nSchon bei meinen ersten Versuchen, welche ich in den Wintermonaten 1912/13 an der zoologischen Station in Neapel ausgef\u00fchrt habe, fielen mir bei Belichtung der Augen von Octopus vulgaris , Octopus macropus und Eledone moschata rhythmische Schwankungen der Aktionsstr\u00f6me auf. Dem Nachweis, dafs diese Rhythmen tats\u00e4chlich in der Netzhaut entstehen, und der Beschreibung dieser Rh}rthmen sollen die folgenden Abschnitte der vorliegenden Arbeit gewidmet sein.\nDer Nachweis der rhythmischen Netzhauterregung.\nWie die Kurve 49 auf Tafel IV zeigt, ger\u00e4t die Saite des Saitengalvanometers w\u00e4hrend der Belichtung des Auges in eine oszillierende Bewegung, die eine Frequenz von 35 Wellen in der\n1\tBeck, \u00dcber die bei Belichtung der Netzhaut von Eledone moschata entstehenden Aktionsstr\u00f6me. Pfl\u00fcgers Archiv 78. 1899.\n2\tH. Piper, Das elektromotorische Verhalten der Netzhaut bei Eledone moschata. Archiv f\u00fcr Physiologie. 1903. \u00dcber die Netzhautstr\u00f6me. Ebenda. 1911.","page":72},{"file":"p0073.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n73\nSekunde aufweist. Die Dauer der Belichtung ist durch ein elektromagnetisches Signal angegeben, dessen Erhebung den Beginn, dessen Senkung das Ende der Belichtung anzeigt. Die Zeit ist in \u2019/\u00f6\" unter die Kurve geschrieben. Die bei diesen Versuchen verwendete Methode ist in dem vorausgehenden Abschnitt \u00fcber den zeitlichen Verlauf der Netzhautstr\u00f6me ausf\u00fchrlich beschrieben worden. Als Lichtreiz f\u00fcr das Auge diente ein kreisf\u00f6rmiger, mit durchscheinendem Papier verschlossener Ausschnitt der Feuchtkammer, welcher 11 cm vor der Linse des Auges lag und aus verschiedenen Entfernungen mit einer 32 kerzigen Metallfadenlampe beleuchtet wurde.\nDie Lichtquelle befand sich bei Aufnahme der Kurve 61 in einer Entfernung von 80 cm, so dafs der Ausschnitt der Dunkelkammer von 46 NK beleuchtet war. Vor und nach der Belichtung ist das Saitenbild glatt. Das Auge, von welchem die Kurve 61 aufgenommen wurde, stammte von einer Eie d one mosch ata. Der Versuch ist am 25. I. 13 vorgenommen worden. Der Versuchsraum hatte eine Temperatur von 17 0 C, das Aquariumwasser, in welchem das Tier vor dem Versuch bei Lichtabschlufs gehalten worden war, wies eine Temperatur von 150 G auf. Ich lege besonderen Nachdruck auf die Angabe der Jahreszeit und der Temperatur von Aquariumwasser und Versuchsraum. Im Verlauf der Untersuchungen wurde es mir immer wieder deutlich, wie sehr der Ausfall der Versuche gerade von diesen beiden Faktoren abh\u00e4ngig ist. Als ein zweites Beispiel kann die Kurve 40 auf Tafel IV dienen, die w\u00e4hrend der Belichtung eine rhythmische Erregung von etwa 40 Wellen in der Sekunde zeigt. Die Lichtquelle befand sich bei dieser Aufnahme 100 cm vor dem Ausschnitt der Kammer. Das Auge stammte von einem Octopus macropus. Der Versuch wurde am 28. XII. 12 bei einer Zimmertemperatur von 17*5\u00b0 C und einer Temperatur des Aquariumwassers von 17\u00b0 C vorgenommen. Als weitere Beispiele k\u00f6nnen die Kurven 21, 22, 23 und 24 auf Tafel III, die Kurve 41 auf Tafel V, die Kurven 50\u201463 auf Tafel VI, die Kurven 65, 66 und 67 auf Tafel VII dienen.\nIn anderen Versuchen konnten rhythmische Bewegungen der Saite auch vor und nach der Belichtung beobachtet werden, wie dies die Kurven 25\u201433 auf Tafel IV zeigen. Dieselben lassen vor der Beizung einen Rhythmus von etwa 30 Wellen, w\u00e4hrend","page":73},{"file":"p0074.txt","language":"de","ocr_de":"74\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nder Reizung einen solchen von etwa 35, nach der Reizung wieder einen Rhythmus von 30 Wellen erkennen. Das Auge stammte von einer Eledone moschata. Der Versuch wurde am 7. II. 13 bei einer Zimmertemperatur von 18\u00b0 C und Wassertemperatur von 15\u00b0 C ausgef\u00fchrt. Als Reiz diente ein blaues Licht, das mit Hilfe eines fl\u00fcssigen Strahlenfilters aus Kupferoxydamoniak erzeugt wurde. Die Lichtquelle befand sich 25 cm vor dem Aus schnitt der Kammer. Wenn man solche Rhythmen, welche scheinbar ohne Belichtung auftreten, beobachtet, so liegt die Vermutung nahe, dafs sie nichts mit dem Erregungsvorgange im Auge zu tun haben. Es k\u00f6nnte sich um Induktionen bzw. Stromschleifen von einer der vielen Stromleitungen in und in der N\u00e4he der zoologischen Station handeln. In der Tat liefsen sich solche Schwankungen nachweisen. Insbesondere an feuchten Schirokkotagen zeigte die Saite des Galvanometers ruckweise Bewegungen, welche sich in mehr oder weniger regelm\u00e4fsigen Intervallen folgten. Dieselben waren auch noch zu beobachten, wenn die Saite mit Hilfe eines Vorreiberschl\u00fcssels kurzgeschlossen\nworden war.\nEs liefsen sich ferner rhythmische Schwankungen nachweisen, welche eine Frequenz von 20 Wellen in der Sekunde aufwiesen, auch diese blieben nach Kurzschlufs der Saite bestehen.\nNoch eine dritte Art von Schwankungen wurde beobachtet, sie wiesen eine Frequenz von \u00fcber 100 Wellen in einer Sekunde auf, auch sie wurden durch Kurzschlufs der Saite nicht aufgehoben.\n\u00dcber die Quellen dieser Schwankungen konnte ich mir trotz langwieriger Nachforschung keinen sicheren Aufschlufs verschaffen. Sie traten auch auf, wenn s\u00e4mtliche gr\u00f6fsere Motoren der zoologischen Station stillstanden. Die Untersuchungen \u00fcber die Quellen dieser Schwankungen wurde dadurch erschwert, dafs die Schwankungen oft erst bei genauer Betrachtung der photographischen Kurven zu sehen waren. IVollte ich dann ihre Entstehung untersuchen, so waren sie schon wieder verschwunden, um dann nach einiger Zeit unvermutet wieder aufzutreten.\nEs sind demnach in der Tat unter Umst\u00e4nden rhythmische Bewegungen der Saite nachzuweisen, welche nichts mit dem Auge zu tun haben. Sie waren, wenn sie auftraten, durch die Konstanz ihrer Frequenz charakterisiert und ohne weiteres daran zu er-","page":74},{"file":"p0075.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\t75\nkennen, dafs sie auch nach Kurzschlufs der Saite bestehen blieben.\nIm Gegensatz zu diesen Schwankungen standen rhythmische Saitenbewegungen wechselnder Frequenz, welche nur bei Einschaltung des Auges zu beobachten waren und bei Ausschaltung des Auges bzw. nach Kurzschlufs der Saite verschwanden. Diese Rhythmen traten w\u00e4hrend der Belichtung auf, sie liefsen sich aber auch in engem Anschlufs an die Belichtung beobachten. Wurde mit einer zweiten Belichtung gewartet, so verschwand dieser Nachrhythmus wieder, um bei neuer Reizung wieder aufzutreten. W\u00e4hrend einer l\u00e4nger dauernden Belichtung nahm die Frequenz des Rhythmus und die Amplitude seiner Wellen ab. Es ist dies eine charakteristische Erm\u00fcdungserscheinung, wie wir sie auch bei anderen rhythmisch reagierenden Formen lebender Substanz finden. Nach l\u00e4nger dauernden und st\u00e4rkeren Reizungen entzogen sich die Rhythmen dem Nachweis, ebenso an gesch\u00e4digten oder erstickenden Augen, welche einige Zeit im get\u00f6teten Tiere belassen worden waren. Bei diesen Augen riefen die Belichtungen nur glatte Aktionsstr\u00f6me geringer elektromotorischer Kraft hervor, an welchen nicht einmal eine Andeutung einer oszillierenden Bewegung zu sehen war. Bestand ein starker Naehrhythmus, so konnte derselbe durch Narkotisieren des Auges zum Verschwinden gebracht werden.\nDie rhythmischen Schwankungen liefsen sich auch von Augen ableiten, welchen die Iris fortgeschnitten war, ebenso an Netzhautpr\u00e4paraten feststellen. Die Herstellung des Netzhautpr\u00e4parates scheint jedoch die Netzhaut wesentlich zu sch\u00e4digen, denn an Netzhautpr\u00e4paraten von Augen, welche sehr sch\u00f6ne Rhythmen gezeigt hatten, waren sie kaum mehr nachzuweisen. Aus diesem Grunde sind s\u00e4mtliche Versuche, die im folgenden beschrieben werden, an unverletzten Augen ausgef\u00fchrt.\nDie Rhythmen traten besser bei gut wirksamen, also st\u00e4rkeren Reizen auf, doch sah ich an gut erregbaren Augen Rhythmen bei Belichtung mit nur 1 NK auftreten, eine Beobachtung, die deshalb hervorgehoben werden mufs, weil man denken k\u00f6nnte, dafs die rhythmischen Erregungen nur bei abnorm starken Reizen auftreten. Ich habe auch daran gedacht, dafs die rhythmischen Schwankungen vielleicht durch Einwirkung des Gleichstromes hervorgerufen werden, der die zur Belichtung des Auges dienenden Lampen versorgte. An feuchten Tagen zeigte sich beim Ein-","page":75},{"file":"p0076.txt","language":"de","ocr_de":"76\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nund Ausschalten des Stromes trotz strenger Isolierung aller Leitungen ein Einbrechen des Stromes in den Galvanometerkreis.\nEs wurde daher Belichtungen mit Gas und Sonnenlicht vorgenommen. Auch diese Reizlichter riefen rhythmische Aktionsstr\u00f6me hervor.\nFassen wir diese Erfahrungen zusammen, so sehen wir, dafs sich von den Cephalopodenaugen rhythmische Schwankungen ableiten lassen, deren Frequenz innerhalb betr\u00e4chtlicher Grenzen verschieden sein kann; dafs diese rhythmischen Schwankungen mit der Belichtung des Auges Zusammenh\u00e4ngen, dafs die Rhythmen wieder verschwinden, wenn das Auge im Dunkeln gelassen wird, dafs die Frequenz der Rhythmen und die Amplituden ihrer Wellen durch Erm\u00fcdung ver\u00e4ndert, durch starke und l\u00e4nger dauernde Reizung, durch Erstickung oder Nar- \u2022 kose des Auges, zum Verschwinden gebracht wird, dafs die Rhythmen sofort verschwinden, wenn die Galvanometersaite kurzgeschlossen wird. Es k\u00f6nnen daher diese Rhythmen nur in der Netzhaut des Auges entstehen, und wir kommen zu dem Schlufs, dafs der ErregungsVorgang in der Netzhaut der Cephalopoden rhythmischer Natur ist.\nBei Durchsehen der Arbeiten, welche die Netzhautstr\u00f6me behandeln, fand ich in einer mir bis dahin nicht zug\u00e4nglichen Arbeit von Einthoven 1 und Jolly eine Angabe \u00fcber rhythmische Aktionsstr\u00f6me, welche an einem Froschauge beobachtet wurden. Einthoven selbst l\u00e4fst die Frage offen, ob diese Schwankungen auf die Netzhaut zur\u00fcckzuf\u00fchren sind. Sollten die Oszillationen in der EiNTHOVENschen Kurve tats\u00e4chlich von einem Netzhautrhythmus des Froschauges herr\u00fchren, so w\u00e4re damit die M\u00f6glichkeit gezeigt, auch die Rhythmen eines Wirbeltierauges genau zu untersuchen, eine M\u00f6glichkeit, die in Anbetracht der im folgenden zu beschreibenden Versuche sehr zu begr\u00fcfsen w\u00e4re.\nErst allm\u00e4hlich Hessen sich die g\u00fcnstigen Bedingungen f\u00fcr den Nachweis der rhythmischen Schwankungen feststellen. In erster Linie ist es der Zustand des Tieres und seiner Augen. Ist das Tier infolge st\u00fcrmischen Wetters oder beim Fang besch\u00e4digt, ist es schon l\u00e4ngere Zeit vor dem Versuch gefangen gewesen, so lassen sich die Rhythmen an den Augen dieser Tiere nicht\n1 Einthoven und Jolly. The electrical response of the eye to stimulations by light. Quarterly Journ. of exper. Physiol. Vol. 1908.","page":76},{"file":"p0077.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n77\noder nur andeutungsweise feststellen. Die frischen und gut erregbaren Tiere unterscheiden sich von den gesch\u00e4digten durch ihre Beweglichkeit und durch den kr\u00e4ftigen Widerstand, den sie beim Anfassen leisten. Ein schlappes Tier l\u00e4fst sich leicht fangen und l\u00e4fst, wenn man es anfafst, die Arme herunterh\u00e4ngen. Weitere wichtige Bedingungen sind Temperatur und Jahreszeit. In den Monaten Dezember und Januar liefsen sich an allen untersuchten Augen mit Ausnahme von drei Augen Rhythmen nachweisen. An manchen dieser Augen liefsen sich noch nach 24 Stunden nach der T\u00f6tung des Tieres Rhythmen beobachten, in der Regel waren sie aber nur in der ersten Versuchsstunde sch\u00f6n zu erhalten. Schon im Monat M\u00e4rz h\u00e4uften sich die Tiere, an deren Augen entweder keine oder nur bei den ersten Reizungen Rhythmen nachzuweisen waren. Neben der Jahreszeit ist auch die Temperatur wichtig, wahrscheinlich ist auch bei dem Einflufs der Jahreszeit die Temperatur des Meeres ausschlaggebend. Welche Ver\u00e4nderungen die Meerestemperatur im Laufe eines Jahres durchmacht, kann die beistehende Tabelle zeigen, welche einer Arbeit Lo Biancos 1 entnommen ist und welche die Temperaturen angibt, welche w\u00e4hrend des Jahres 1908 im Meere und im Wasser des Aquariums gemessen wurden.\n\tGennaio\tFebbraio\tMarzo\tAprile\tMaggio\tGiugno\tLuglio\tAgosta\tSettembre \t\t\tOttobre\tNovembre\tDicembre i\n\t\t\t\t\t\tGrado\t\t\t\t\t\t\nMare |\t14\t14\t14\t14\t16\t23\t25\t23-5\t21\t19\t17\t16\n\t17\t16\t15\t155\t22*5\t25\t25-6\t26\t25\t20-2\t19*5\t17\nAquario j\t10\t9-4\t11*2\t12\t14-5\t19-5\t225\t22-5\t19-5\t18\t12-8\t11\n\t13-5\t12\t12-6\t13-5\t19-3\t22\t23\t236\t23\t19\t17-8\t12-6\nDie in einer Abteilung \u00fcbereinander stehenden Werte geben die Minima und Maxima an. In den verh\u00e4ltnism\u00e4fsig niedrigen Temperaturen des Aquariumwassers m\u00f6chte ich bemerken, dafs sie offenbar von der Lage des Sammelbeckens ab-\n1 Lo Bianco, Notizie biologiche riguardanti specialmente il periodo di maturit\u00e0 sessuale degli animali del golfo die Napoli. Mitteilungen aus der zoologischen Station zu Neapel. Bd. 19. S. 533. 1909.","page":77},{"file":"p0078.txt","language":"de","ocr_de":"78\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nh\u00e4ngen. Die Temperatur des Aquariumwassers, welches in der physiologischen Abteilung der Station zirkuliert, war w\u00e4hrend der Wintermonate durchweg um 2\u20143\u00b0 C h\u00f6her als in jenem Teil, in welchem die frisch gefangenen Tiere untergebracht wurden. Das Wasser dieser Abteilung stammte aus einem anderen Sammelbecken.\nVon grofser Bedeutung f\u00fcr den Ausfall der Versuche ist die Temperatur des Versuchsraumes, am geeignetsten erscheint eine Temperatur um 15\u00b0 C. Bei Temperaturen \u00fcber 20\u00b0 werden selbst sehr gute Augen rasch wenig erregbar. In einer Reihe von Versuchen habe ich daher in die Feuchtkammer Gef\u00e4fse mit Eisst\u00fccken gestellt und so die Temperatur auf ann\u00e4hernd 15\u00b0 gehalten. In den Versuchen mit K\u00fchlung wurde die Lufttemperatur in der Feuchtkammer andauernd gemessen.\nEine weitere wichtige Bedingung f\u00fcr den Nachweis der Rhythmen ist eine geeignete Saitenspannung. Bei unseren Versuchen stand eine Platinsaite von 4000 Ohm Widerstand zur Verwendung. Der Widerstand des Auges mit den unpolarisierbaren Elektroden wies in der Regel Werte um 4000 Ohm auf. Die Saite wurde soweit gespannt, dafs sie eben aperiodisch reagierte. Das war bei der Stellung 39 der Spann Vorrichtung der Fall. Diese Spannung war f\u00fcr den Nachweis der Rhythmen geeignet. Sie wurde je nach Bedarf in Grenzen von 37\u201441 variiert. Bei Anwendung schw\u00e4cherer Reize waren geringere, bei Anwendung st\u00e4rkere Reize, die oft sehr starke Ausschl\u00e4ge hervorriefen, h\u00f6here Spannungen besser. Bei 600 f\u00e2cher Vergr\u00f6fserung erhielt ich, um einen Mittelwert anzugeben, bei Spannung 39 und Einschaltung einer elektromotorischen Kraft von 1 Millivolt einen Ausschlag von 15 mm H\u00f6he. Widerstandsbestimmung und Eichung wurde bei den meisten Versuchen vorgenommen.\nWar ein Rhythmus zu sehen, so konnte er durch Spannen bzw. Entspannen der Saite zum Verschwinden gebracht werden. Ich habe mehrere Male beobachtet, dafs im Beginn einer Reizung nichts von den rhythmischen Erregungen zu sehen war, allm\u00e4hlich entwickelten sie sich, um dann wieder zu verschwinden. Beim Betrachten solcher Kurven wurde es wahrscheinlich, dafs die Rhythmen anf\u00e4nglich in Beziehung zur Saiten Spannung zu frequent und zu wenig stark waren, um hervorzutreten. Dann wurden sie langsamer und die Seite zeigte die rhythmischen Erregungen an. Man sah dann, wie die Erregungen immer weniger","page":78},{"file":"p0079.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n79\nfrequent und intensiv und die Kurve wieder glatt wurde. In solchen F\u00e4llen gelang es regelm\u00e4fsig durch Ver\u00e4nderung der Saitenspannung den Rhythmus wieder hervortreten zu lassen.\nG\u00fcnstige Bedingungen f\u00fcr den Nachweis der Netzhautrhythmen sind demnach: ein guter Zustand des Auges, die Wintermonate, eine Temperatur des Versuchsraumes nicht \u00fcber 15\u00b0 C, ein geeigneter Widerstand und eine passende Spannung der Saite des Galvanometers. Es ist sehr wahrscheinlich, dafs die von uns verwendete Versuchsanordnung, welche die Str\u00f6me direkt von der belichteten Netzhautstelle abzuleiten gestattete, dem Nachweis des Rhythmen besonders g\u00fcnstig war.\nDie Abh\u00e4ngigkeit der Netzhautrhythmen von der\nIntensit\u00e4t des Reizlichtes.\nDie eingehende Untersuchung der rhythmischen Erregungsvorg\u00e4nge in der Netzhaut hat eine weitere wichtige Tatsache ergeben. Es zeigte sich, dafs die Rhythmusfrequenz und die Amplitude seiner Wellen von der Intensit\u00e4t der Belichtung abh\u00e4ngig ist. Die beobachteten Frequenzen wiesen Werte zwischen 20 und 90 Wellen in der Sekunde auf. In der Tabelle II sind 14 Versuche angef\u00fchrt, welche einer Reihe von 46 gleichartigen Versuchen entnommen sind.\nWenn wir die Tabelle durchgehen, so sehen wir, dafs in einzelnen Versuchen die Differenzen in der Frequenz der Rhythmen, welche bei verschiedenen Reizst\u00e4rken erhalten wurden, ganz bedeutend sind, w\u00e4hrend in anderen Versuchen die Differenz nur gering sind. Dies h\u00e4ngt offenbar von dem Zustand des Auges ab. F\u00fcr die vorstehenden Versuche waren insbesondere die Augen von Eledone moschata geeignet, die Augen von Octopus macropus und 0. vulgaris wurden zwar auch wiederholt verwendet, haben jedoch keine guten Resultate ergeben. Bei Ausf\u00fchrung der Versuche hatte ich mit zwei Schwierigkeiten zu k\u00e4mpfen. Je l\u00e4nger das Auge im Versuch war, um so schw\u00e4cher wirksam wurden die Reize und um so geringer waren die Unterschiede in den Frequenzen der Rhythmen. Die Versuche mufsten daher an m\u00f6glichst frischen, sorgf\u00e4ltig pr\u00e4parierten Augen vorgenommen werden, andererseits mufste aber nach jeder Reizung gen\u00fcgend lange gewartet werden, um die Wirkung der vorhergehenden Reizung abklingen zu lassen. Wurde zu lange gewartet, so","page":79},{"file":"p0080.txt","language":"de","ocr_de":"80\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nTabelle II.\nu\na\na\nArt des Tieres\n1.\n2.\n3.\n4.\n5.\n6.\n7.\n8.\n9.\n10.\n11.\n12.\n13.\nEledone\nmosch.\nEledone\nmosch.\nOctopus\nvulgaris\nOctopus\nvulgaris\nOctopus\nvulgaris\nEledone\nmosch.\nEledone\nmosch.\nEledone\nmosch.\nEledone\nmosch.\nEledone\nmosch.\nOctopus \u2022 vulgaris\nEledone\nmosch.\nEledone\nmosch.\n14.\n1. I. 13 : 14-5\u00b0 0\n28. 1.. 13 7. II. 13\nEledone\nmosch.\n17\u00b0 C 15\u00b0 C\n15\u00b0 0\n15\u00b0 C 15\u00b0 C\n8. II. 13\u00fc 15\u00b0 C\n15\u20195\u00b0 C\n8\n4\n1\n100\n16\n4\n40\n16\n100\n25\n10\n8\n2\n100\n40\n25\n11\n2\n99\n99\n99\n99\n99\n99\n99\n99\n99\n99\n99\n99\n99\n99\n99\n99\n99\n99\nDatum !\tTemperatur Zimmer j Wasser !\t\tReizst\u00e4r cm des Abstandes 1er Lichtquelle\tke in\tp propor- tionalen Werten\n!l 5. XII. 12 !\t18\u00b0 C\t150 C ;\t80 cm\t1*4\n\t!\t|\t25 \u201e\t16\n5. XII. 12\to \u00a9 GO rH\t15\u00b0 C\t10 \u201e\t100\n\t\t\t10 \u201e\t100\n\t\t;\t5 \u201e\t400\n6. XII. 12\t17\u00ab C\t15\u00b0 C\t80 \u201e\t1-4\n\t\t\t10 \u201e\t100\n9. XII. 12\t17\u00b0 C\t15\u00b0 G !\t25 \u201e\t16\n\t\ti\t16 \u201e\t38\n\t\t\th \u201e\t81\n9. XII. 12\t17\u00b0 C\t15\u00b0 C\t25 \u201e\t16\n\t\t\u2022\t1 16 \u201e\t38\n- ' .\t\t\"\tH \u201e\t81\n11.X1I.12\t17-5\u00b0 C\t15\u00b0 C\t16 \u201e\t38\t!\n\t\t\t11 \u201e\t81\n\t\t\t6 \u201e\t256\n\t\t\t4 \u201e\t625\n\t\t\t2 ! 4 \u201e\t2500\n11.XII.12\t17-5\u00b0 C\t15\u00b0 C\t40 \u201e\t6-25\n\t\t\tI 16 \u201e\t38\n\t\t\tH \u201e\t81\n13.XII.12\t17-5\u00b0 C\t15\u00b0 C\t25 \u201e\t16\n\t\t\t16 \u201e\t38\n\t\t\th \u201e\t81\n26.XII.12\t17\u00b0 C\t15\u00b0 C\t94 \u201e\tIT\n\t\t\t40 \u00bb\t6-25\n\t!\t\t16 \u201e\t38\n28.XII.12\t20\u00b0 C\t17\u00b0 C\t25 \u201e\t16\n144\ndes Rhythmus\n10000\n1\n38\n625\n625\n38\n1\n16\n100\n144\n2500\n1\n6-25\n16\n81\n2500\n35\n55\n55\n47 65\n42\n90\n40\n50\n55\n45\n60\n70\n40\n40\n48\n50 60\n40\n45\n55\n30\n36\n44\n36\n45\n51\n38\n43\n46 60\n45\n50\n60\n50\n90\n32\n40\n45\n55\n90\n35\n40\n43\n43\n50","page":80},{"file":"p0081.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n81\nver\u00e4nderte sich das Auge, und der Vergleichs wert der verschiedenen Reizresultate wurde eingeschr\u00e4nkt. Wie sehr die Resultate durch das Absterben des Auges beeinflufst werden, mag das folgende Versuchsprotokoll zeigen.\n\u25a0Octopus vulgaris. 9. XII. 12. Zimmertemp. 17\u00b0 C. Wassertemp. 15\u00b0 C.\nZeit\t! Reizst\u00e4r cm des Abstandes der Lichtquelle\tke in propor- tionalen Werten\tRhythmusfrequenz\tElektromotorische Kraft des Ausschlages in Millivolt\n410\t25 cm\t16\t45\t2-5\n\t16 *\t38\t60\t31\n\t!\t11 \u201e\t81\t70\t3-6\n455\t!\t25 \u201e\t16\t35\t1*2\n\t16 \u201e\t38\t40\t2\n\t11 .\t81\t48\t2-3\nSchon nach einer halben Stunde haben die Ausschl\u00e4ge wesentlich abgenommen und die Differenzen zwischen den Reizryhthmen bei Anwendung verschiedener Reizst\u00e4rken sind nur gering. In Anbetracht dieser Beobachtungen werden wir annehmen m\u00fcssen, dafs die Differenzen an den sich noch im Tierk\u00f6rper befindlichen Augen noch wesentlich gr\u00f6fser sind als die, welche wir beobachtet haben. Wir m\u00fcssen ja bedenken, dafs auch den glatten Aktionsstromkurven, welche wir beobachten, sicher rhythmische Erregungswellen zugrunde liegen. Insbesondere gilt dies von den Kurven, welche bei Anwendung starker Reizungen erhalten werden; diese lassen entweder gar keinen oder nur auf ganz kurze Strecken einen hochfrequenten Rhythmus erkennen.\nAuf den Tafeln IV, V u. VI sind eine Reihe von Kurven wiedergegeben, welche die Abh\u00e4ngigkeit der Rhythmusfrequenz von der Intensit\u00e4t der Reizung zeigen. Kurven 50, 51, 52 stammen vom Auge einer Eledone moschata. Der Versuch wurde am 31. XII. 12 bei einer Zimmertemperatur von 14\u00b0 C und einer Wassertemperatur von 16\u00b0 C ausgef\u00fchrt. Bei Aufnahme 50 wurde aus einer Entfernung von 25 cm, bei Aufnahme 51 u. 52 aus einer Entfernung von 40 und 43 cm belichtet. Die Frequenzen betragen. 35, 40, 48 Wellen in der Sekunde.\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 48.\n6","page":81},{"file":"p0082.txt","language":"de","ocr_de":"82\nFriedrich TV. Fr\u00f6hlich.\nGr\u00f6fsere Differenzen in der Rhythmusfrequenz weisen die Kurven 25\u201433 auf Tafel IV. Sie stammen von dem Auge einer Eledone moschata. Der Versuch wurde am 7. II. 12 bei einer Zimmertemperatur von 18\u00b0 C und einer Wassertemperatur von 150 C ausgef\u00fchrt. Das Auge wurde aus Abst\u00e4nden von 100 cmr 16 cm, 8 cm und 2 cm belichtet. Die erste und zweite Aufnahme sind bei der Saitenspannung 40, die dritte und vierte Aufnahme bei der Spannung 41 registriert. Die Frequenzen betragen 31, 45, 55, 90 Wellen in der Sekunde.\nFig. 18.\nDie Kurven 57 u. 58 auf Tafel VI geben ein Beispiel von einem weiteren Versuch. Sie stammen von einem Auge einer Eledone moschata. Der Versuch wurde am 25. I. 13 bei einer Zimmertemperatur von 16\u00b0 C, einer Wassertemperatur von 15\u00b0 C ausgef\u00fchrt. Die Aufnahmen sind bei einem Abstand der Lichtquelle von 40 cm, 25 und 11 cm registriert. Die erste Aufnahme weist eine Frequenz von 50, die zweite eine Frequenz von 65 Wellen in der Sekunde auf. Die dritte Aufnahme l\u00e4fst nur am Schlufs Andeutungen eines hochfrequenten Rhythmus erkennen.\nF\u00fcr das Verst\u00e4ndnis der Beziehungen zwischen Sinnesorgan\nund Zentralnervensystem ist es aufserordentlich wichtig zu sehen, dafs sich mit steigender Reizintensit\u00e4t auch die Amplitude der Erregungswellen der Rhythmen \u00e4ndert. Die Fig. 18 gibt eine \u00dcbersicht \u00fcber diese Verh\u00e4ltnisse. W\u00e4hrend bei steigender Reizintensit\u00e4t die Frequenzen der rhythmischen Erregungswellen solange zunehmen, bis eine glatte Kurve entsteht, an welcher die Rhythmen nicht mehr zu sehen sind, nimmt die Amplitude der Wellen nur anf\u00e4nglich zu und zeigt bei den st\u00e4rkeren Reizen eine Abnahme. Diese Tatsache, welche alle Kurven erkennen lassen, zeigt uns an, dafs bei Reizung der Netzhaut mit ver-","page":82},{"file":"p0083.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n83\nschiedenen Lichtintensit\u00e4ten vier Typen von rhythmischen Erregungswellen zum Zentralnervensystem gehen k\u00f6nnen, Typen, die aber durch \u00dcberg\u00e4nge miteinander verbunden sind. Diese 4 Typen sind :\n1.\twenig frequente Erregungswellen geringer Intensit\u00e4t;\n2.\tfrequentere Erregungswellen gr\u00f6fserer Intensit\u00e4t;\n3.\tnoch frequentere Erregungswellen gr\u00f6fserer Intensit\u00e4t;\n4.\tsehr frequente Erregungswellen geringer Intensit\u00e4t.\nWir erfahren hier zum ersten Male, wie ein Sinnesorgan auf verschieden starke Heize reagiert, und wie die Erregungs Vorg\u00e4nge gestaltet sind, welche bei verschieden starker Heizung vom Sinnesorgan zum Zentralnervensystem geleitet werden.\nDie Frequenz der Rhythmen und die Amplitude ihrer Wellen ist auch von der Temperatur abh\u00e4ngig. Augen von Tieren, welche in Meerwasser von unter 130 gehalten worden waren, zeigten h\u00e4ufig Rhythmen von geringerer Frequenz und hoher Amplitude ihrer Wellen. Auch die Rhythmen, welche sich von den Muskeln und Nerven der Kaltfr\u00f6sche ableiten lassen, zeigen diese Eigent\u00fcmlichkeit. Hatte nun der Versuchsraum eine h\u00f6here Temperatur als das Meerwasser, so nahm das Auge allm\u00e4hlich eine h\u00f6here Temperatur an. Die Folge davon war, dafs unter sonst gleichen Verh\u00e4ltnissen die Frequenz der Rhythmen zunahm, die Amplitude der Wellen dagegen eine Abnahme zeigte. Ein solches Verhalten zeigen die Kurven 53, 54, 55 und 56 auf Tafel IV, die gleichzeitig auch die verschiedene Frequenz der Rhythmen bei verschiedener Reizst\u00e4rke erkennen lassen. Das Augen stammte von einer Eledone moschata. Der Versuch wurde am 31. XII. 12 bei einer Zimmertemperatur von 16*5\u00b0 C vorgenommen. Das Tier befand sich vor dem Versuch im Meerwasser von einer Temperatur von 12\u20195 0 C. Die erste und zweite Aufnahme sind bei einem Abstand der Lichtquelle von 16 und 4 cm registriert; 15 Minuten sp\u00e4ter wurden bei gleichen Abst\u00e4nden der Lichtquelle die dritte und vierte Kurve aufgenommen. Wir sehen, dafs die beiden ersten Kurven im ganzen h\u00f6her sind als die dritte und vierte, dafs auch die Amplitude der Wellen bei den beiden ersten Kurven h\u00f6her ist, dafs dagegen die Frequenz bei der dritten und vierten Aufnahme h\u00f6her ist. Tabelle IV gibt einen \u00dcberblick \u00fcber das Resultat dieses Versuches.\n6*","page":83},{"file":"p0084.txt","language":"de","ocr_de":"84\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nTabeile IV.\nNummer der Aufnahme\tZeit\tReizst\u00e4rke in cm des Abstandes der Lichtquelle\t! H\u00f6he der Kurve in mm\tFrequenz des Rhythmus\n1.\t34\u00b0\t16 cm\t10 mm\t34\n2.\t342\t4 \u201e\t14 \u201e\t46\n3.\t35B\t16 \u201e\t6 \u00bb\t39\n4.\t367\t4 \u201e\t8 \u201e\t55\nDiese Beobachtung ist in verschiedener Beziehung bemerkenswert. Wir sehen, dafs bei niederer Temperatur die Reaktionsgeschwindigkeit derCephalopodenaugen langsamer ist; die Rhythmen sind weniger frequent, sie weisen aber gleichzeitig eine weit h\u00f6here Amplitude ihrer Wellen auf. Ich glaube, dafs die gr\u00f6fsere Intensit\u00e4t der Erregungswellen bei niedriger Temperatur der Ausdruck einer scheinbaren Erregbarkeitssteigerung ist, welche auf der Verlangsamung der Reaktionsgeschwindigkeit beruht. Ich habe an anderer Stelle auf die weite Verbreitung der scheinbaren Erregbarkeitssteigerungen1 * hingewiesen und glaube, dafs ihnen gerade bei den Sinnesorganen eine grofse funktionelle Bedeutung zukommt. Auch bei Erm\u00fcdung und Narkose der Netzhaut lassen sich entsprechende Erscheinungen beobachten.\nDie Abh\u00e4ngigkeit der Rhythmen vor der Temperatur ist aber noch aus einem anderen Grunde zu ber\u00fccksichtigen. Es w\u00e4re nur zu leicht m\u00f6glich, dafs eine Frequenz\u00e4nderung des Rhythmus bei Anwendung verschiedener Reizintensit\u00e4ten nur auf einer Temperatur\u00e4nderung w\u00e4hrend des Versuches beruht. Wenn man, um das Pr\u00e4parat nicht gleich von vornherein zu erm\u00fcden, den Versuch mit schwachen Reizen beginnt und dann zu den starken Reizen \u00fcbergeht, und w7enn gleichzeitig die Temperatur des Auges steigt, so k\u00f6nnte unter diesen Umst\u00e4nden die gr\u00f6fsere Frequenz der Rhythmen nicht auf der gr\u00f6fseren Intensit\u00e4t des Lichtreizes beruhen, sondern durch die Temperatursteigerung zustande kommen. Um diesen Fehler zu vermeiden, habe ich die Augen, wie dies in dem Versuch der Tabelle IV wiedergegeben ist, abwechselnd mit starken und schwachen Reizen erregt, oder\n1 Friedrich W. Fr\u00f6hlich. Das Prinzip der scheinbaren Erregbarkeits-\nsteigerung. Zeitschrift f\u00fcr allgemeine Physiologie 9. 1909.","page":84},{"file":"p0085.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n85\nauch den Versuch mit den starken Reizen begonnen. Diese Versuche erwiesen gleichfalls die Abh\u00e4ngigkeit der Rhythmenfrequenz von der Reizintensit\u00e4t.\nBei einer Reihe von Versuchen gelang es ferner, den Versuchsraum bei ann\u00e4hernd gleicher Temperatur wie das Aquariumwasser zu halten. Auch in diesen Versuchen zeigte sich die Abh\u00e4ngigkeit der Rhythmenfrequenz von der Reizintensit\u00e4t mit voller Deutlichkeit.\nDie Frequenz der Rhythmen und die Amplitude ihrer Wellen\nwird auch durch Erm\u00fcdung ver\u00e4ndert. Bei l\u00e4nger dauernder\nReizung nimmt die Frequenz des Rhythmus ab. Die Amplitude\nder Wellen zeigt dagegen im Beginn der Erm\u00fcdung erst eine\nZunahme, um dann gleichfalls abzunehmen. Wir k\u00f6nnen im\n\u2022 \u2022\nBeginn der Erm\u00fcdung eine gegensinnige \u00c4nderung der Rhythmusfrequenz und der Amplituden der einzelnen Wellen beobachten. Die Abnahme der Rhythmusfrequenz bei gleichzeitiger H\u00f6henzunahme der Wellen spricht daf\u00fcr, dafs die H\u00f6henzunahme im Beginn der Erm\u00fcdung gleichfalls auf Grund einer scheinbaren Erregbarkeitssteigerung zustande kommt.\nEs seien noch andere Beobachtungen angef\u00fchrt, welche darauf hinweisen, dafs unter Umst\u00e4nden eine T\u00e4uschung \u00fcber die Rhythmusfrequenz eintreten kann. Wenn wir die Kurven 59 und 60 auf Tafel VI betrachten, so zeigen sie gleichfalls die Abh\u00e4ngigkeit von der Reizintensit\u00e4t. Die Kurven stammen von einer Eledone moschata. Der Versuch wurde am 29. I. 13 bei einer Zimmertemperatur von 16\u00b0 C und einer Wassertemperatur von 150 C ausgef\u00fchrt. Die erste Reizung, welche bei einem Abstand der Lichtquelle von 100 cm ausgef\u00fchrt wurde, rief eine Rhythmusfrequenz von etwa 45, die zweite Reizung, die bei einem Abstand der Lichtquelle von 25 cm vorgenommen wurde, einen Rhythmus von 55 Wellen hervor. Wenn wir aber insbesondere den Anfangsteil der ersten Kurve betrachten, so sehen wir, dafs eine gauze Reihe der Wellen doppelgipflig ist. Wir h\u00e4tten eigentlich im Anfangsteil eine Frequenz des Rhythmus von 90, w\u00e4hrend in der zweiten H\u00e4lfte der Kurve die Frequenz 45 deutlich ist. Ich kann die Verdopplung der Gipfeln nur darauf zur\u00fcckf\u00fchren, dafs benachbarte Partien der Netzhaut mit einem gleichfrequenten aber nicht vollkommen synchronen Rhythmus reagieren. Im zweiten Abschnitt der Kurve 59 sind beide Rhythmen fast synchron, wir sehen jetzt einen Rhythmus von","page":85},{"file":"p0086.txt","language":"de","ocr_de":"86\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\n45 Wellen auftreten, die Wellen sind aber wesentlich h\u00f6her als vorher. Wenn wir genauer zusehen, so sehen wir h\u00f6here Wellen, welche scharf hervortreten, mit niedrigeren unscharfen abwechseln. Das kann nur darauf beruhen, dafs einmal die Phasen beider Rhythmen sich decken und eine h\u00f6here Welle hervorrufen, das andere Mal die Phasen etwas gegeneinander verschoben sind, so dafs niedrigere und unscharfere Wellen auftreten. W\u00fcrde man bei Anwendung st\u00e4rkerer Reize eine Miterregung anderer Netzhautpartien, welche mit einem anderen oder einen nicht synchronen Rhythmus reagieren, f\u00fcr die Frequenzzunahme verantwortlich machen wollen, so m\u00fcfste bei der zweiten Aufnahme ein Rhythmus von 90 Wellen entstehen, wie dies im Anfangsteil der ersten Aufnahme angedeutet ist. In Wirklichkeit betr\u00e4gt die Frequenz der Kurve 60 nur 55 Wellen in der Sekunde. Verdopplungen des Rhythmus kann man namentlich bei Anwendung schwacher Reizungen in jenen F\u00e4llen beobachten, bei welchen sich die Netzhaut von hervorgehenden Reizen noch in rhythmischer Erregung befindet. Die Kurve 9 auf Tafel III l\u00e4fst einen Nachrhythmus von einer vorhergehenden Reizung von 22 Wellen erkennen, w\u00e4hrend der Reizung ist ein Reizrhythmus von 25 Wellen deutlich, zwischen durch sieht man aber immer einzelne Zacken durchbrechen. Die st\u00e4rkere Reizung weist dagegen einen ziemlich regelm\u00e4fsigen Rhythmus von 36 Wellen auf. Die Kurven stammen von einer Eie done moschata. Der Versuch wurde am 2. I. 13 bei einer Zimmertemperatur von 16\u00b0 C und einer Wassertemperatur von 15 o C ausgef\u00fchrt. Die Lichtquelle befand sich bei der ersten Aufnahme in einem Abstand von 100, bei der zweiten Aufnahme in einem Abstand von 4 cm. Auf gleicher Grundlage m\u00f6gen die Rhythmen zustande kommen, welche ich als sekund\u00e4re Rhythmen bezeichnen m\u00f6chte. Die Kurve 63 auf Tafel VI zeigt einen solchen sekund\u00e4ren Rhythmus von grofser Regelm\u00e4fsigkeit. Die Kurve 62 auf Tafel VI einen anderen, bei welchem man einzelne Wellen durchbrechen sieht, so dafs der Rhythmus an diesen Stellen frequenter erscheint. Die Frequenz der sekund\u00e4ren Rhythmen nimmt mit der Reizintensit\u00e4t, d. h. mit der Zunahme der Frequenz des prim\u00e4ren Rhythmus zu. Die Frequenz des sekund\u00e4ren Rhythmus nimmt mit der Erm\u00fcdung ab. Die Dauer jeder Schwankung des sekund\u00e4ren Rhythmus kann Werte von OT\" bis zu 1 Sekunde betragen. Die Frequenz des sekund\u00e4ren Rhythmus ist von der Saitenspannung unabh\u00e4ngig.","page":86},{"file":"p0087.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n87\nDie Gesamtheit der in diesem Abschnitt angef\u00fchrten Beobachtungen f\u00fchrt zu dem Schlufs, dafs die Frequenz der rhythmischen Netzhauterregung von der Intensit\u00e4t des Reizlichtes abh\u00e4ngig ist.\nDie Abh\u00e4ngigkeit der Rhythmusfrequenz von der Reizintensit\u00e4t gilt jedoch nicht allein f\u00fcr die Netzhaut. Es liegen bereits Untersuchungen von Burian vor, welche die Abh\u00e4ngigkeit der Rhythmusfreqenz von der Reizintensit\u00e4t f\u00fcr das Nervmuskelsystem der Cephalopoden nachweisen. Herr Professor Burian war so liebensw\u00fcrdig, mir einen Einblick in seine, schon vor l\u00e4ngerer Zeit angestellten, aber noch nicht publizierten Versuche zu gestatten.\nDie vom Zentralnervensystem des Menschen ausgehenden Rhythmen zeigen dagegen, wie aus den Untersuchungen Pipers 1 hervorzugehen scheint, eine weitgehende Unabh\u00e4ngigkeit ihrer Frequenz von der St\u00e4rke der Innervation. Es ist sehr wahrscheinlich , dafs die Abh\u00e4ngigkeit der Rhythmusfrequenz von der Intensit\u00e4t der Reizung an den Sinnesorganen besonders ausgebildet ist und f\u00fcr ihre Funktion grofse Bedeutung besitzt.\nDer Nachrhythmus.\nEs wurde schon oben darauf hingewiesen, dafs die rhythmische Erregung nicht nur w\u00e4hrend der Wirkung des Lichtes auf die Netzhaut zur Beobachtung kommt, sondern dafs sie die Reizung l\u00e4ngere Zeit \u00fcberdauern kann. Ich m\u00f6chte die Rhythmen, welche der Reizung folgen, als Nachrhythmen bezeichnen. Die Nachrhythmen kommen nicht nur an der Netzhaut vor, sie sind auch an anderen Formen lebender Substanz beobachtet worden, sie treten insbesondere am Zentralnervensystem sehr stark hervor. Es sind jene Erscheinungen, welche als Nachentladung oder tonische Nachwirkung beschrieben worden sind.2\n1\tH. Piper, \u00dcber den willk\u00fcrlichen Muskeltetanus. Pfl\u00fcgers Archiv 119, ;S. 301. 1907.\n2\tCh. S. Sherrington, The integrative action of the nervous system. London 1906. Fr. W. Fr\u00f6hlich, Beitr\u00e4ge zur Analyse der Reflexfunktion des R\u00fcckenmarks. Zeitschrift f\u00fcr allgemeine Physiologie 9, S. 55. 1909. Experimentelle Studien am Nervensystem der Mollusken, 5. Summation, ^scheinbare Bahnung\u201c, Tonus und Hemmung am Nervensystem der Cephalopoden. Ebenda 10, S. 436. 1910. \u2014 Experimentelle Studien, 12. Summation, \u201escheinbare Bahnung\u201c, Tonus, Hemmung und Rhythmus am Nervensystem\nwon Aplysia limacina. Ebenda 11, S. 275. 1910.","page":87},{"file":"p0088.txt","language":"de","ocr_de":"88\nFriedrich MV. Fr\u00f6hlich.\nDie Intensit\u00e4t und die Dauer des Nachrhythmus der Netzhaut kann sehr verschieden sein. Nach einem schw\u00e4cheren Lichtreiz kann der Nachrhythmus fehlen oder nur Bruchteile einer Sekunde dauern, nach starken Reizungen ganz frischer und gut erregbaren Augen habe ich eine maximale Dauer des Nachrhythmus von 15 Minuten beobachtet. Wenn man solche langdauernde Nachrhythmen sieht, so m\u00fcssen immer wieder die Bedenken auftauchen, ob es sich hier wirklich um den Ausdruck einer Netzhauterregung und nicht um eine ungewollte Beeinflussung des Saitengalvanometers durch irgend einen Wechselstrom handelt. Ich habe mich daher immer wieder davon \u00fcberzeugt, dafs diese Rhythmen durch \u00c4therisieren des Auges zum Verschwinden gebracht werden k\u00f6nnen. Ich habe wiederholt die Augen l\u00e4ngere Zeit unter Lichtabschlufs liegen lassen, und dann regelm\u00e4fsig beobachtet, dafs auch die st\u00e4rksten Nachrhythmen kleiner werden und verschwinden, um nach einer neuen Reizung wieder aufzutreten. Die Kurven 21, 22, 23 und 24 auf Tafel III zeigen einen solchen Versuch. Vor der Reizung besteht keine rhythmische Erregung, nach der Reizung ist ein starker Nachrhythmus zu beobachten, der nach 2 Minuten verschwindet* Eine neue Reizung ruft wieder einen starken Nachrhythmus hervor. Das Auftreten des Nachrhythmus ist von der Intensit\u00e4t der Belichtung abh\u00e4ngig. Wie die Kurven 21, 22, 23 und 24 auf Tafel III zeigen, tritt nach den beiden schwachen Reizungen kein Nachrhythmus, nach den zwischen geschalteten starken Reizungen ein Nachrhythmus ein. In der Textfigur 18 ist die Abh\u00e4ngigkeit der Nachrhythmen von der Intensit\u00e4t der Belichtung schematisch wie der gegeben.\nDie Dauer des Nachrhythmus h\u00e4ngt ab von der Intensit\u00e4t und der Dauer der Belichtung. Der Nachrhythraus nimmt mit zunehmender Intensit\u00e4t und zunehmender Dauer der Belichtung bis zu einer gewissen Grenze an Dauer zu. Zu starke Reize veranlassen eine Sch\u00e4digung des Auges, eine Blendung, welche in einer negativen Nachwirkung zum Ausdruck kommt. Jetzt lassen sich keine rhythmischen Erregungswellen mehr erkennen; dio negative Nachwirkung verh\u00e4lt sich zur rhythmischen Erregung etwa so wie die Kontraktur eines Muskels zur seiner tetanischen Kontraktion. Die tonische Nachwirkung, welche sich am Zentralnervensystem beobachten l\u00e4fst, zeigt im bezug auf ihre Dauer die gleichen Verh\u00e4ltnisse, wie die rhythmische Nachwirkung der","page":88},{"file":"p0089.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n89\nNetzhaut, auch sie nimmt bei zunehmender Reizst\u00e4rke nur bis zu einer gewissen Grenze zu. Werden zu starke Reize angewendet, dann tritt eine Sch\u00e4digung, ein Shock des Nervensystems, ein; in solchen F\u00e4llen fehlt die tonische Nachwirkung.\nDer Verlauf des Nachrhythmus ist verschieden, je nach der Wirksamkeit bzw. Intensit\u00e4t des vorhergehenden Reizes. Wie die Kurve 41 auf Tafel V zeigt, geht der Reizrhythmus direkt in den Nachrhythmus \u00fcber. Der Reizrhythmus weist eine Frequenz von 32 Erregungswellen in der Sekunde auf, der kurze Nachrhythmus eine Frequenz von 30. Die Amplituden der Wellen des Nachrhythmus sind niedriger als die des Reizrhythmus. Nach einem starken wirksamen Reiz dagegen (Kurve 64 auf Tafel VI) fehlt im direkten Anschlufs an die Reizung der Nachrhythmus, er entwickelt sich erst nach einer Sekunde, seine Amplitude und seine Frequenz nehmen zu. In der Kurve 64 auf Tafel VI hatte der Rhythmus, welcher schon vor der Reizung bestand, eine Frequenz von 25 Wellen, der Reizrhythmus eine Frequenz von 46 Wellen. Im Anschlufs an die Reizung setzt der Rhythmus aus, um allm\u00e4hlich wieder aufzutreten. In dem Moment, in welchem er wieder nachzuweisen ist, haben seine Wellen eine niedrige Amplitude, seine Frequenz betr\u00e4gt aber schon 23 Wellen in der Sekunde. Die Frequenz w\u00e4chst dann auf 25V2, die Amplitude der Wellen erreicht eine Gr\u00f6fse, welche betr\u00e4chtlicher ist, als die vor und w\u00e4hrend der Reizung. Dann nimmt Amplitude und Frequenz wieder ab, die Amplitude jedoch st\u00e4rker als die Frequenz, so dafs in dem Teil der Kurve, welcher eben noch ausz\u00e4hlbar ist, die Frequenz noch 25 betr\u00e4gt, die Amplitude der Wellen dagegen nur mehr sehr gering ist.\nIm folgenden sind die Resultate der Ausz\u00e4hlung einiger Nachrhythmen angegeben.\n1.\t27, 28, 27, 29, 28, 28, 27, 27, 27, 27, 27, 27, 26, 27.\nNach einer Minute\n27.\nNach einer weiteren Minute\n28.\nNach einer weiteren Minute\n29.\nDie Dauer des Nachrhythmus betrug im ganzen 6 Minuten.\n2.\t25, 29, 28, 28, 26, 25, 25, 22, 24, 23\" erlischt.\nDie Dauer des Nachrhythmus betrug 11 Sekunden.","page":89},{"file":"p0090.txt","language":"de","ocr_de":"90\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\n3.\t25, 29, 28, 28, 26, 25, 25, 22, 24, 23.\nDie Dauer des Nachrhythmus betrug 10 Sekunden.\nZu diesem Versuch geh\u00f6rt die Kurve 49 auf Tafel V.\n4.\t27, 29, 29, 27, 27, 27, 261/,, 25, 26, 23% 26, 26, 25, 25, 26, 26, 27, 26, 26, 261/2, 26.\nWir sehen diese Nachrhythmen fast durchweg im direkten Anschlufs an die Reizung weniger frequent ausfallen, dann an Frequenz zunehmen und schliefslich wieder abnehmen. Die Amplitude der Wellen des Nachrhythmus nimmt anf\u00e4nglich gleichfalls zu, um dann wieder abzunehmen und zwar st\u00e4rker als die Frequenz. Die Nachrhythmen verschwinden, nicht weil die Frequenz, sondern weil die Amplitude der Wellen sich dem\nNullwert n\u00e4hern.\nDie Versuche 1, 2 und 3 stammen von dem Auge einer Eie d on e mosch ata. Die Versuche wurden am 8. II. 13 bei einer Zimmertemperatur von 15\u00b0 C und einer Wassertemperatur von 15\u20185\u00b0 C vorgenommen.\nVersuch 4 stammt von dem Auge einer Eledone moschata.\nDer Versuch wurde am 7. II. 13. bei einer Zimmertemperatur von 13\u00b0 C und einer Wassertemperatur von l\u00f6\u2019b0 C vorgenommen.\nDie Frequenz der Erregungswellen des Nachrhythmus sind gleichfalls von der Intensit\u00e4t der Belichtung abh\u00e4ngig. Die Frequenzen, welche von mir beobachtet wurden, betragen 20\t45\nErregungswellen in der Sekunde. Ich halte es aber an Hand vereinzelter Beobachtungen, bei welchen sich mehr als 60 Erregungswellen in der Sekunde ergeben haben, f\u00fcr wahrscheinlich, dafs die Nachrhythmen noch h\u00f6her frequent sein k\u00f6nnen. Im folgenden sei eine Reihe von Versuchen angef\u00fchrt, welche diese\nVerh\u00e4ltnisse zeigen k\u00f6nnen (Tab. V).\nDie Kurven 33, 34, 35 und 36 auf Tafel III k\u00f6nnen als Beispiel dienen ; nach der schwachen Reizung mit 100 cm Abstand der Lichtquelle besteht ein Nachrhythmus von 20 Wellen, nach der starken mit 2 cm Abstand der Lichtquelle ein Nachrhythmus\nvon 28 Wellen in der Sekunde.\nIch verf\u00fcge leider nicht \u00fcber eine gr\u00f6fsere Anzahl derartiger Versuche. Die Frequenz der Nachrhythmen wird ebenso wie die Frequenz der w\u00e4hrend der Belichtung auftretenden Rhythmen durch Erm\u00fcdung und Tempertur\u00e4nderung beeinflufst. Dadurch werden die an sich schon geringen Frequenzunterschiede der Nachrhythmen geringer und treten in den Versuchen, bei welchen das","page":90},{"file":"p0091.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n91\nPr\u00e4parat wiederholten Reizungen unterworfen worden ist, und die sich \u00fcber l\u00e4ngere Zeit erstrecken, wenig deutlich hervor. Die Differenzen waren aber in den Versuchen, bei welchen nur zwei oder drei verschieden starke Reizungen vorgenommen worden waren, sehr deutlich. Sehr h\u00e4ufig habe ich beobachtet, dafs der Nachrhythmus nach einer Reizung viel frequenter war, als der Rhythmus, welcher vor der Reizung bestand. Auch aus diesen Beobachtungen geht die Abh\u00e4ngigkeit der Frequenz des Nachrhythmus von der Intensit\u00e4t der Belichtung deutlich hervor.\nTabelle V.\nNummer\tVersuchstier\tDatum\tTemp( Zimmer\t\u00eeratur Wasser\tReizst\u00e4rke in cm des Abstandes der Lichtquelle\tFreque Reiz- rhyth- mus\tmz des Nach- rhyth- mus\n1.\tEledone\t2. II. 13\t17\u00b0 C\t15-5\u00b0 C\t100 cm\t30\t26\n1 i 1\tmosch.\t\t\t\t40 \u201e\t50\t31\n\t\t\t\t\t8 \u201e\t70\t39\ni 2.\tEledone\t2. II. 13\t16\u00b0 C\t15-5\u00b0 C\t90 \u201e\t35\t20\n\tmosch.\t\t\t\t40 \u201e\t52\t29\ni\t\t\t\t\tH \u201e\t65\t34\n1 3.\tEledone\t7. II. 13\t18\u00b0 C\t15\u00b0 C\t90 \u201e\t35\t25\n\tmosch.\t\t\t\t50 \u201e\t45\t29\n\t\t\t\t\t8 \u201e\t55\t32\n4.\tEledone\t8. II. 13\t15\u00b0 C\t15-5\u00b0 C\t100 \u201e\t30\t25\n\tmosch.\t\t\t\t8 \u201e\t45\t32\nDie Amplitude der Wellen des Nachrhythmus ist gleichfalls von der Reizintensit\u00e4t abh\u00e4ngig, wie dies die Kurven der Tafel V und die Textfigur 18 zeigen. Bei Anwendung schwacher Reize sind die Wellen des Nachrhythmus kleiner als die des Reizrhythmus, bei Anwendung starker Reize kann das Verh\u00e4ltnis gerade umgekehrt sein; es sind dann die Wellen des Nachrhythmus h\u00f6her als die des Reizrhythmus. Der Nachrhythmus weist ebenso wie der Reizrhythmus Wellen verschiedener Frequenz und Amplitude auf; es gehen w\u00e4hrend des Nachrhythmus verschieden frequente und intensive Erregungswellen zum Zentralnervensystem.\nDie gesetzm\u00e4fsigen Beziehungen, welche zwischen dem w\u00e4hrend","page":91},{"file":"p0092.txt","language":"de","ocr_de":"92\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nder Belichtung auf tretenden Rhythmus und dem Nachrhythmus bestehen, lassen sich vielleicht in folgender Weise ausdr\u00fccken.\n1.\tDer Nachrhythmus ist niemals frequenter als der vorhergehende Reizrhythmus.\n2.\tDie Frequenz des Nachrhythmus ist abh\u00e4ngig von der Intensit\u00e4t des vorhergehenden Reizes. Je intensiver derselbe war, oder was das gleiche bedeutet, je frequenter der Reizrhythmus war, um so frequenter ist der Nachrhythmus. Die Frequenzen der Nachrhythmen bewegen sich in Grenzen von 20\u201445 Wellen in einer Sekunde.\n3.\tDie Intensit\u00e4t der Wellen des Nachrhythmus ist von der Reizintensit\u00e4t abh\u00e4ngig. Nach starken Reizen sind sie wesentlich gr\u00f6fser als nach schwachen.\n4.\tDie Intensit\u00e4t der Wellen des Nachrhythmus ist in der Regel von der der Wellen des Reizrhythmus wesentlich verschieden.\n5.\tDie Dauer des Nachrhythmus ist von der Intensit\u00e4t und der Dauer des vorhergehenden Reizes abh\u00e4ngig. Je l\u00e4nger und je intensiver die Reizung war, um so l\u00e4nger dauert der Nachrhythmus; dies jedoch nur bis zu einer gewissen Reizintensit\u00e4t, bei dieser tritt eine Blendung des Auges ein und kein Nachrhythmus folgt dieser sch\u00e4digenden Reizung.\n6.\tBeim Abklingen des Nachrhythmus nimmt mehr die Amplitude der Wellen als ihre Frequenz ab. Die Frequenz sinkt nicht unter 20 Wellen in der Sekunde.\nWenn man annimmt, dafs sich in der Netzhaut des Menschen \u00e4hnliche Prozesse abspielen, und dieser Annahme steht nichts im Wege, so w\u00fcrden wir zu einem vollen Verst\u00e4ndnis derjenigen Prozesse kommen k\u00f6nnen, welche den Erscheinungen der Nachbilder zugrunde liegen.\nVon gr\u00f6fster Wichtigkeit f\u00fcr die Deutung der Nachbilder m\u00fcfste es sein, die entsprechenden Verh\u00e4ltnisse an den Wirbeltieraugen untersuchen zu k\u00f6nnen und insbesondere feststellen, wie der Reizrhythmus ausf\u00e4llt, wenn die Belichtung auf ein Auge einwirkt, welches sich noch von einer vorhergehenden Reizung in starker rhythmischer Erregung befindet. Ich verf\u00fcge nur \u00fcber","page":92},{"file":"p0093.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n93\nwenige diesbez\u00fcgliche Erfahrungen am Cephalopodenauge, welche zeigen, dafs unter diesen Verh\u00e4ltnissen der Reizrhythmus weniger intensiv und frequent ist, dafs also der Zuwachs an Intensit\u00e4t und Frequenz der Wellen, welche bei neuer Reizung auf treten, weniger ausgesprochen ist als dann, wenn der Nachrhythmus einer vorhergehenden Reizung schon abgelaufen ist, und der neue Reiz ein vollkommen erholtes Auge trifft.\nDie Abh\u00e4ngigkeit der Frequenz des Rhythmus von der Wellenl\u00e4nge des Reizlichtes.\nDie Erkenntnis der Abh\u00e4ngigkeit des Rhythmus von der Intensit\u00e4t der Belichtung legte die Frage nahe, wie sich die Rhythmen bei Belichtung des Auges mit Lichtern verschiedener Wellenl\u00e4nge verhalten. Ich habe die Versuche, welche zur Beantwortung dieser Frage f\u00fchren sollten, zuerst mit Lichtfiltern bekannter Durchl\u00e4ssigkeit ausgef\u00fchrt. Das Arbeiten mit diesen ist wesentlich einfacher, als das Arbeiten mit spektralen Lichtern. Das Rotfilter bestand aus Lithiumkarmin und liefs Strahlen von 680\u2014600 durch, das Blaufilter bestand aus einer L\u00f6sung von Kupferoxydammoniak und liefs die Strahlen von 411\u2014400 liju durchtreten. Die Farbl\u00f6sungen befanden sich in einem parallel-wandigen geschliffenen Glasgef\u00e4fs und hatten eine Schichtdicke von 1 cm. Die Durchl\u00e4ssigkeit der Filter f\u00fcr Strahlen bestimmter Wellenl\u00e4nge unserer Lichtquelle wurde spektroskopisch bestimmt. Wurde eines der Filter vor das Spektrum gesetzt und die Helligkeit des durchgelassenen Spektralbezirkes mit der Helligkeit eines Vergleichsspektrums gepr\u00fcft, so zeigten sich keine wesentlichen Helligkeitsunterschiede. Dadurch war die M\u00f6glichkeit gegeben, die Wirksamkeit des roten und blauen Lichtes mit der des un-zerlegten Lichtes zu vergleichen.\nDie Lichtfilter wurden dicht vor den kreisf\u00f6rmigen Ausschnitt der Kammer gesetzt, und die Intensit\u00e4t des Reizlichtes durch Ver\u00e4nderung des Abstandes der Lichtquelle ver\u00e4ndert.\nEs zeigte sich, wie schon aus den Wirksamkeitsbestimmungen spektraler Lichter hervorgeht, die von Pipee und Cael v. Hess 1 am Cephalopodenauge ausgef\u00fchrt worden sind, dafs das Rot nur\n1 Carl v. Hess, Gesichtssinn. Handbuch der vergleichenden Physiologie 4. 1910. \u2014 Neue Untersuchungen \u00fcber den Lichtsinn bei wirbellosen Tieren. Pfl\u00fcgers Archiv 136, S. 282. 1910.","page":93},{"file":"p0094.txt","language":"de","ocr_de":"04\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nsehr wenig wirksam ist, dafs dagegen die kurzwelligen Strahlen\neine viel st\u00e4rkere Wirkung entfalten.\nBei dem Vergleich der Wirksamkeit des roten, blauen und unzerlegten Lichtes zeigte sich eine h\u00f6chst wichtige Tatsache, die merkw\u00fcrdigerweise bis heute den Beobachtern entgangen ist. Die Unterschiede in der Wirksamkeit dieser drei Lichter sind um so gr\u00f6fser, je gr\u00f6fser die Lichtintensit\u00e4t ist. Die bei stehende Tabelle VI soll diese Verh\u00e4ltnisse veranschaulichen. Die Versuche wurden in der Weise ausgef\u00fchrt, dafs f\u00fcr rotes und blaues Licht die Reizschwelle bestimmt wurde. F\u00fcr weifses Licht war dies nicht m\u00f6glich, da die notwendigen Reize so schwach waren, dals sie aufserhalb unserer Versuchsanordnung fielen. Nach Feststellung der Reizschwelle wurde durch Verst\u00e4rkung des roten Lichtes ein Ausschlag bestimmter elektromotorischer Kraft hervorgerufen und die Reizst\u00e4rke des blauen Lichtes bestimmt, welche notwendig war, um den gleichen Ausschlag hervorzubringen. Die folgende Tabelle gibt \u00fcber den Verlauf dieses Versuches Aufschlufs.\nTabelle VI.\nu \u00a9\tVersuchs-\t\tTemperatur\t\tSt\u00e4rke des\tReizst\u00e4rke f\u00fcr\t\na\t\tDatum\t\t\tAusschlages\t\t\nB 0\ttier\t\tZimmer\tWasser\tin Millivolt\tblau\trot\n\t\t\t\t\t\t\t\n1.\tEledone\t30. I. 13\tO o O\t15\u00b0 C\tReizschwelle\t1\t20\n!\tmosch.\t\t\t\t0-2 MV !\t5\t1020\nI |\t\t\t\t\t0-4 MV\t11-2\t12 500\n2.\tEledone\t30. I. 13\to o\t15\u00b0 C\tReizschwelle\t1\t54\n\tmosch.\t\t\t\t0*2 MV\t4\t400\n\t|\t\t\t\t0-4 MV\t16\t10 000\n3.\tEledone\t31. I. 13\t14\u00b0 C\t15\u00b0 C\tReizschwelle\t1\t32\n\tmosch.\t\t\t\t015 MV\t11\t113\n\t\t\t\t\t0-3 MV\t24\t6 600\n\t\t1\t\t\t0*45 MV\t32\t18150\nDer \u00dcbersichtlichkeit halber ist als Einheit der Reizst\u00e4rke die Reizschwelle f\u00fcr Blau genommen. Wir sehen, dafs die Reizschwellen f\u00fcr blaues und rotes Licht nicht wesentlich voneinander verschieden sind. Sollte dagegen, wie z. B. in Versuch 1 ein Ausschlag von 0 2 Millivolt hervorgerufen werden, so mufste das rote Licht von 20 auf 1020, das blaue Licht blofs von 1 auf 5","page":94},{"file":"p0095.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n95\nEinheiten gesteigert werden. Sollte ein Ansschlag von 0*4 Millivolt hervorgerufen werden, so mufste das rote Licht auf 12,500 Einheiten gesteigert werden, das blaue Licht dagegen nur auf 11\u20192 Einheiten. Ein Ausschlag von 0\u20196 Millivolt liefs sich bei meiner Versuchsanordnung durch rotes Licht an dem betreffenden Auge \u00fcberhaupt nicht hervorrufen. Wir sehen, dafs die Reizschwellen f\u00fcr rot und blau nicht wesentlich verschieden sind, dafs dagegen bei Anwendung st\u00e4rkerer Reize das rote Licht etwa 1000mal st\u00e4rker genommen werden mufs, wenn ein gleichstarker Ausschlag wie durch das blaue Licht hervorgerufen werden soll. Es erinnert dieses Verhalten an die bekannte sinnesphysiologische Beobachtung, dafs bei geringer Intensit\u00e4t die Lichter verschiedener Wellenl\u00e4nge nicht mehr farbig wirken, sondern nur Helligkeitsunterschiede auf weisen.\nEtwas geringer sind die Unterschiede zwischen dem unzer-legten und dem blauen Licht, wie dies die Tabelle VII zeigt.\nTabelle VII.\nNummer\tVersuchs- tier\tDatum\tTemp Zimmer\teratur Wasser\tSt\u00e4rke des Ausschlages in Millivolt\tReizst\u00e4 unzer- legtes Lie\trke f\u00fcr blaues ;ht\n1.\tEledone\t2. II. 13\t17\u00b0 C\t15'5\u00b0 O\t0-4 MV\t1\t10\n\tmosch.\t\t\t\t0-6 MV\t7\t120\n\t\t\t\t\t0-8 MV\t99\t14 000\n2.\tEledone\t2. II. 13\t17\u00b0 C\t15-5\u00b0 C\t0-3 MV\t1\t8\n\tmosch.\t\t\t\t0 4 MV\t4\t69\n\t\t\t\t\t0-5 MV\t32\t870\nIn dem in der Tabelle VIII wiedergegebenen Versuche wurde die Wirksamkeit der drei Lichtarten an einem Auge untersucht. Der Versuch wurde am 30. 1.13. an einer Eledone moschata bei einer Zimmertemperatur von 17\u00b0 C und einer Wassertemperatur von 15\u00b0 C ausgef\u00fchrt.\nAuch bei den vergleichenden Versuchen mit unzerlegtem und blauem Licht wurde durch das unzerlegte Licht bald eine St\u00e4rke der Ausschl\u00e4ge erreicht, die das blaue Licht, wenigstens im Rahmen unserer Versuchsanordnung nicht mehr hervorzurufen imstande war. Es sei hervorgehoben, dafs diese Versuche nur","page":95},{"file":"p0096.txt","language":"de","ocr_de":"96\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nan ganz frischen und dunkel adaptierten Augen ausgef\u00fchrt worden sind.\nTabelle VIII.\nReizst\u00e4rken f\u00fcr\nSt\u00e4rke des Ausschlages in Millivolt\nunzerlegtes\nblaues\nLicht\nrotes\nReizschwelle 0 2 MV 0-4 MV 0-6 MV 0-8 MV\n1-25\n5\n80\n1\n5\n11-2\n80\n12 500\n20\n1020 12 500\nDie verschiedene Wirksamkeit der drei untersuchten Lichtarten konnte auch in der Weise festgestellt werden, dafs die St\u00e4rke der Ausschl\u00e4ge verglichen wurde, welche durch objektiv gleichstarke Reizungen mit den verschiedenen Lichtern hervorgerufen wurden. Die Werte, die bei diesen Versuchen erhalten wurden, waren sehr wechselnde, sie waren in erster Linie vom Zustand des Auges und von vorhergehenden Belichtungen abh\u00e4ngig. Da auf diese Verh\u00e4ltnisse an anderer Stelle ausf\u00fchrlich eingegangen werden soll, so seien hier nur einige Versuchsresultate angef\u00fchrt. Die Tabelle IX gibt die elektromotorische Kraft der durch objektiv gleiche Reizst\u00e4rken des unzerlegten, blauen und roten Lichtes ausgel\u00f6sten Aktionsstr\u00f6me wieder.\nTabelle IX.\nNummer\tunzerlegtes\tblaues Licht\trotes\n1.\t2 75 MV\t112 MV\t012 MV\n2.\t3 MV\t1*6 MV\t0-06 MV\n3.\t5 MV\t21 MV\t0-24\nBei dieser Art der Untersuchung tritt zwar die Verschiedenheit in der Wirksamkeit der verschiedenen Strahlenarten gleichfalls hervor, jedoch erscheinen die Unterschiede weit geringer, als die nach der anderen Methode festgestellten. Dies liegt jedoch, wie leicht verst\u00e4ndlich, an der verschiedenen Art der Untersuchung.","page":96},{"file":"p0097.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n97\nWurden durch rotes und blaues bzw. durch blaues und unterlegtes Licht Ausschl\u00e4ge gleicher elektromotorischer Kraft hervorgerufen, so zeigte es sich, dafs die Rhythmen gleiche oder nahezu gleiche Frequenz auf wiesen. In einzelnen F\u00e4llen schienen \u25a0geringe Verschiedenheiten zu bestehen, doch konnte ich in einer gr\u00f6fseren Reihe diesbez\u00fcglicher Versuche keine gesetzm\u00e4\u00dfigen Unterschiede feststellen. Es machte vielmehr den Eindruck, dais Erregbarkeits\u00e4nderungen durch Absterben bzw. Erm\u00fcdung des Auges an den beobachteten Differenzen Schuld tragen. Ging die Reizung mit Rot der Blaureizung voran, so war bei ersterer h\u00e4ufig der Rhythmus frequenter und die Intensit\u00e4t der Erregungswellen gr\u00f6fser, ging die Blaureizung voran, so war das Umgekehrte der Fall; der durch blaues Licht hervorgerufene Rhythmus war frequenter. Die beobachteten Differenzen waren jedoch nur gering, und in einzelnen F\u00e4llen liefs sich kein Unterschied der Kurven feststellen. Es liefsen sich in der Tat Gleichungen zwischen rotem und blauem, blauem und unzerlegtem Licht feststellen, doch waren, wie aus den Tabellen VI, VII und VIII hervorgeht, die dazu notwendigen Reizst\u00e4rken au\u00dferordentlich verschieden.\nWenn wir dagegen den Ausschnitt der Dunkelkammer mit rotem, blauem und unzerlegtem Licht aus gleicher Entfernung belichteten, so waren die Rhythmen verschieden frequent. Dieses Resultat wurde noch deutlicher, wenn f\u00fcr jedes Reizlicht die Frequenzen bestimmt wurden, die es innerhalb der durch unsere Versuchsanordnung gegebenen Intensit\u00e4ten hervorzurufen imstande war. Die Resultate solcher Versuche sind in der Tabelle X angef\u00fchrt.\nWenn wir die Werte jedes Versuches untereinander vergleichen, so sehen wir, dafs die verschiedenen Reizlichter insbesondere bei Anwendung starker Reize Rhythmen verschiedener Frequenz hervorrufen. Die durch das unzerlegte Licht ausgel\u00f6sten Rhythmen haben die h\u00f6chste Frequenz. Wenn wir dagegen die einzelnen Versuche dieser Tabelle untereinander vergleichen, so finden wir, dafs die Werte sich nicht decken. Wir k\u00f6nnen dies aber auch gar nicht erwarten. Es ist an sich schon wunderbar, dafs es gelingt, soweit in das Geschehen der vom Tierk\u00f6rper getrennten Netzhaut einzudringen. Der Ausfall der Versuche wird mit bedingt vom Zustand des Auges, von der Zahl der Belichtungen, welche es getroffen haben. Durch Er-\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 48.\t7","page":97},{"file":"p0098.txt","language":"de","ocr_de":"98\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nm\u00fcdung oder Absterben nimmt, wie schon wiederholt betont worden ist, die Wirksamkeit s\u00e4mtlicher Lichter ab, und gleichzeitig werden auch die Unterschiede, welche die Rhythmen des frischen Auges bei Belichtung mit Lichtern verschiedener Farbe-aufwiesen, geringer; das Auge vermag die Strahlen nicht mehr zu unterscheiden, es n\u00e4hert sich einem Zustand der Farbenblindheit.\nTabelle X.\nNummer\tTierart\tDatum\tTemp Zimmer\teratur Wasser\tFarbe des Reizlichtes\tRhythmen- frequenz\n1.\tEledone\t7. II. 13\t18\u00b0 C\t15\u00b0 C\trot\t30\n\tmosch.\t\t\t\tblau\t30-40\n\t\t\t\t\tunzerlegt\t33\u201480\n2.\tEledone\t7. II. 13\t13\u00b0 C\t15-5\u00b0 C\trot\t35\n\tmosch.\t\t\t\tblau\t34\u201455\n3.\tEledone\t8. II. 13\t15\u00b0 C\t15*5\u00b0 C\trot\t27\u201430\n\tmosch.\t\t\t\tblau\t25\u201440\n\t\t\t\t\tunzerlegt\t35\u201450\n4.\tEledone\t8. II. 13\t17\u00b0 C\t15*5\u00b0 C\trot\t25\u201435\n\tmosch.\t\t\t\tblau\t25-30\n\t\t\t\t\tunzerlegt\t31\u201450\n5.\tEledone\t31. I. 13\t14\u00b0 C\t15\u00b0 C\trot\t25\u201435\n\tmosch.\t\t\t\tblau\t30-45\n6.\tEledone\t29. I. 13\t16\u00b0 C\t15\u00b0 C\trot\t25\u201440\n\tmosch.\t\t\t\tblau\t40-50\n\t\t\t\t\tweifs\t50\u201470\nUm den Einflufs von Sch\u00e4digung und Erm\u00fcdung zu vermeiden habe ich die Augen nur zwei- oder dreimal in gen\u00fcgend langen Intervallen mit verschiedenfarbigen Lichtern belichtet. In diesen Versuchen traten die Interschiede der Rhythmusfrequenzen besonders scharf hervor. Die durch Rot hervorgerufenen Rhythmen wiesen Frequenzen von 25\u201435, die durch Blau hervorgerufenen Frequenzen von 40\u201460 auf, das unzerlegte Licht Rhythmen von 50\u201490 Erregungswellen in der Sekunde. Die Kurven 25\u201433-und 37, 38, 39 auf Tafel VI und die Kurven der Tafel V k\u00f6nnen als Beispiele solcher Versuche dienen. In Fig. 19 ist eine graphische Darstellung dieser Verh\u00e4ltnisse versucht worden. Auf","page":98},{"file":"p0099.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n99\nder Ordinate sind die Rhythmusfrequenzen, auf der Abscisse die Reizintensit\u00e4ten aufgetragen. Der erste Teilstrich entspricht 10 Einheiten, der zehnte Teilstrich schon 1000 Einheiten. Wenn die Intensit\u00e4ten in proportionalen Werten aufgetragen worden w\u00e4ren, so w\u00fcrde entweder der wichtige Anfangsteil der Kurven nicht gen\u00fcgend hervortreten, oder die Kurve w\u00fcrde zu lang werden. Aus dieser Darstellung welche das Resultat von 46 gleichartigen Versuchen wiedergibt, geht mit grofser Deutlichkeit hervor, dafs schwache Reize verschiedener Farbe nur geringe Wirksamkeitsunterschiede zeigen, dafs dagegen schon bei Anwendung von 10 Einheiten die verschiedenen Lichter ganz verschiedenfrequente Rhythmen hervorrufen. Die Kurven divergieren nach den starken Reizen zu, was uns anzeigt, dafs die Unterschiede der Frequenzen um so gr\u00f6fser werden, je st\u00e4rker die Reizlichter sind. Dies allerdings nur bis zu jener Reizst\u00e4rke, bei welcher sich die Rhythmen nicht mehr ausz\u00e4hlen lassen bzw. eine Blendung des Auges eintritt.\nWenn wir die Intensit\u00e4t des Rotlichtes vermehren, so nimmt in erster Linie die Intensit\u00e4t der Erregungswellen und nur im geringen Mafse die Frequenz zu. Bei Verst\u00e4rkung des weifsen Lichtes nimmt anf\u00e4nglich wenigstens die Frequenz des\nRhythmus sehr schnell zu.\n\u00dcberblicken wir die vorliegenden Versuche, so kann kein Zweifel bestehen, dafsrotes, blauesund unzerlegtes Licht entsprechend den Unterschieden ihrer Wirksamkeit in der Netzhaut Erregungen verschiedener Frequenz hervorrufen.\nDie auf den Tafeln wiedergegebenen Kurven zeigen ferner, dafs kein Parallelismus besteht zwischen Zunahme der Frequenz und der Intensit\u00e4t der Erregungswellen. Die durch das rote und blaue Licht hervorgerufenen Erregungswellen k\u00f6nnen inten-","page":99},{"file":"p0100.txt","language":"de","ocr_de":"100\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nsiver sein als die frequenteren Erregungswellen, die durch das Weifslicht hervorgerufen werden.1\nAuch die Frequenz und die Intensit\u00e4t des Nachrhythmus sind von der Farbe des Reizlichtes abh\u00e4ngig. Je wirksamer dasselbe ist, um so frequenter ist der Nachrhythmus.\nAn die Versuche mit den Lichtfiltern schlossen sich Versuche mit den Lichtern eines Gitterspektrums des Sonnenlichtes und eines Dispersionsspektrums des Nernstlichtes an. Als Prisma diente ein Schwefelkohlenstoffprisma.\nDie verschiedene Wirksamkeit spektraler Lichter auf das Cephalopodenauge geht schon aus den Versuchen von Piper hervor. Nach den Angaben Pipers liegt das Maximum der Wirksamkeit im \u00dflaugr\u00fcn. Von dort f\u00e4llt die Wirksamkeit steiler nach dem Rotende des Spektrums als nach dem Blauende ab. Ich habe vorerst die Angaben Pipers einer Nachpr\u00fcfung unterzogen, denn es war mir vor allem darum zu tun, genauen Aufschlufs \u00fcber die Wirksamkeitskurve der spektralen Lichter zu erhalten. Soweit nun meine Versuche mit dem Dispersionsspektrum des Nernstlichtes durchgef\u00fchrt wurden, decken sich die Resultate fast vollkommen mit jenen Pipers. Diese Resultate k\u00f6nnen jedoch nicht ohne weiteres einen richtigen Einblick in die Wirksamkeit der spektralen Lichter geben. Durch ein Prisma werden die kurzwelligen Strahlen viel st\u00e4rker gebrochen als die langwelligen Strahlen, dadurch erscheint beim Betrachten eines Dispersionsspektrums das Gebiet des Rot zu kurz, des Violett zu lang. Wenn wir das Gitterspektrum mit dem prismatischen Spektrum der gleichen Lichtquelle vergleichen, so sehen wir, dafs beim Gitterspektrum rot, orange und gelb die H\u00e4lfte, beim prismatischen Spektrum dagegen kaum ein Viertel der L\u00e4nge des Spektrums einnehmen. Das heifst nichts anderes, als dafs die Lichter am Rotende des primatischen Spektrums eine objektiv gr\u00f6fsere Intensit\u00e4t aufweisen als am Violettende. Die Intensit\u00e4tsunterschiede lassen sich rechnerisch darstellen und sind, wenn wir das Rotund Violettende miteinander vergleichen, sehr bedeutend. Die\n1 Man k\u00f6nnte zwar daran denken, dafs die geringere Intensit\u00e4t der Erregnngswellen bei Anwendung des Weifsliehtes nur durch das Saitengalvanometer vorget\u00e4uscht werden. An Hand einer ann\u00e4hernden Sch\u00e4tzung glaube ich, sagen zu k\u00f6nnen, dafs diese Annahme die grofsen Unterschiede in der Amplitude der Erregungswellen, welche sich bei Anwendung verschieden wirksamer Reize beobachten lassen, nicht erkl\u00e4ren kann.","page":100},{"file":"p0101.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n101\nUnterschiede sind nun wirksam, wenn wir aus den verschiedenen Gebieten des Spektrums ein gleich breites St\u00fcck herausschneiden. Der dadurch bedingte Fehler wird aber noch dadurch st\u00e4rker, dais die Strahlen verschiedener Wellenl\u00e4nge verschieden wirksam sind. Wenn wir diese Erfahrungen ber\u00fccksichtigen, so kommen wir zu dem Schlufs, dafs eine derartige Untersuchung keinen genauen Auf schlufs \u00fcber die Wirksamkeit der Lichter verschiedener Wellenl\u00e4nge geben kann, auch dann nicht, wenn die mittlere Wellenl\u00e4nge jenes Spektralbezirkes festgestellt wird, aus welchem mit Hilfe des Spaltes ein Teil der Lichtstrahlen aus geschnitten wird. Es liegen eine grofse Reihe von sinnesphysiologischen Untersuchungen vor, bei welchen diese Verh\u00e4ltnisse gleichfalls nicht ber\u00fccksichtigt worden sind, und deren Resultate dadurch nur einen bedingten Wert besitzen.\nFig. 20.\nDas Gitter Spektrum hat den Nachteil, dafs es keine vollkommen ges\u00e4ttigten Lichter liefert, die Weifsbeimischung ist jedoch nur gering und m\u00fcfste gerade die wenig wirksamen Rotlichter wirksamer erscheinen lassen, als sie sind. Trotz dieses Fehlers sind die Unterschiede zwischen der Wirksamkeit der einzelnen Lichter sehr grofs. Die Wirksamkeitskurve, die mit den Lichtern des Gitterspektrums erhalten wurde, sieht anders aus als die, welche mit dem prismatischem Spektrum gewonnen wurde. Die Fig. 20 zeigt den Verlauf der Wirksamkeitskurve. Auf der Abszise der Fig. 20 sind die Wellenl\u00e4ngen, auf der Ordi-\n'\t0\t*","page":101},{"file":"p0102.txt","language":"de","ocr_de":"102\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nnate die elektromotorischen Kr\u00e4fte der durch die Lichter hervorgerufenen Aktionsstr\u00f6me auf getragen. Wir sehen die geringe Wirksamkeit der roten Strahlen entsprechend den Resultaten der Versuche mit den Lichtfiltern. Im Orange und Gelb steigt die Wirksamkeit etwas an, um im Gr\u00fcn steil anzusteigen; auch im Blau w\u00e4chst die Wirksamkeit noch und erreicht im blau violetten Anteil des Spektrums das Maximum. Nach dem Violettende des Spektrums sinkt die Wirksamkeit wieder, jedoch nicht stark, so dafs die violetten Strahlen immerhin eine sehr starke Wirksamkeit entfalten. Gerade diese Tatsache mufste einer Untersuchung mit den Strahlen des Dispersionsspektrums entgehen, gerade durch die geringere Lichtst\u00e4rke der Strahlen des Violettendes des Spektrums mufste das Maximum der Wirksamkeit mehr nach dem gr\u00fcnen Anteil des Spektrums verschoben, die Kurve ausgehend vom Gr\u00fcnblau einen mehr symmetrischen Verlauf gegen das Rot- und Violettende des Spektrums auf weisen.\nDie Untersuchung der Wirksamkeit spektraler Lichter hat soviel meiner Zeit in Anspruch genommen, dafs ich nur verh\u00e4ltnism\u00e4fsig wenige Versuche \u00fcber die durch diese Lichter hervorgerufenen rhythmischen Erregungen ausf\u00fchren konnte. Aufserdem kamen die w\u00e4rmeren Monate, und die Augen der Versuchstiere erwiesen sich als weniger gut erregbar. Die Resultate der mir vorliegenden Versuche zeigen nichtsdestoweniger deutlich die Abh\u00e4ngigkeit der Frequenz und der Intensit\u00e4t der Erregungen von der Wellenl\u00e4nge des Reizlichtes. Die beobachteten Frequenzen zeigen Werte zwischen 25 und 60 Wellen in der Sekunde. Die Tabelle XI gibt die Resultate von 4 derartigen Versuchen wieder. Die Kurven 13, 14, 15, 16 und 17, 18, 19, 20 auf Taf. III stammen von solchen Versuchen. Auch bei diesen Versuchen war es auffallend, dafs die am st\u00e4rksten wirksamen Lichter keineswegs die st\u00e4rksten Erregungswellen ausl\u00f6sten. Deutlich ist dies in den Kurven 17, 18 auf Taf. III, bei welchen die durch das Gelb hervorgerufenen Erregungswellen h\u00f6her sind als die Wellen, welche durch das blaue Licht veranlafst wurden.\nWenn wir die Tabelle XI durchsehen, so f\u00e4llt es auf, dafs im Versuch 2 das gr\u00fcne und blaue Licht Erregungen gleicher Frequenz her vorruf en, in Versuch 1 und 3 ist die Frequenz der durch das blauviolette bzw. blaue Licht hervorgerufenen Erregungen h\u00f6her, in Versuch 4 ist die Frequenz der durch das gr\u00fcne Licht veranlafsten Erregungen gr\u00f6fser. Dieses Verhalten","page":102},{"file":"p0103.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n103\nist mir wiederholt entgegengetreten und beruht auf der durch Sch\u00e4digung oder Erm\u00fcdung ver\u00e4nderten Wirksamkeit der Lichter \u2022auf die Netzhaut. Gerade diese Beobachtung war es, welche \u2022eine grofse Reihe zeitraubender Versuche notwendig machte. Die Resultate dieser Versuche seien hier kurz erw\u00e4hnt. Durch das Absterben, durch irgendeine Sch\u00e4digung, durch Erm\u00fcdung infolge starker und wiederholter Belichtung, auch infolge Einwirkung von diffusem Tageslicht auf das Auge, also infolge von Helladaptation der Netzhaut, erf\u00e4hrt die Wirksamkeitskurve\nTabelle XI.\nNummer 1\ti\tTierart\tDatum\tTemp ! Zimmer\teratur Wasser\tFarbe des Reh\tWellen- l\u00e4nge dichtes\t\tRhyth- men- frequenz\n1.\tEledone\t3. III. 13\t16-5\u00b0 C\t14\u00b0 0\trot\t630\tyy\t25\n\tmosch.\t\t\t\tgelb\t550\tj?\t35\n\t\t\t\t\tgr\u00fcn\t520\t\u00bb\t45\n\t\t\t\t\tblauviolett\t450\tyy\t60\n2.\tOctopus\t3. III. 13\t16-5\u00b0 C\tI-1 o Q\trot\t620\t\u00bb\t30\n\tvulgaris\t\t\t\tgelb\t560\tyy\t30\n\t\t\t\t\tgr\u00fcn\t500\tyy\t45\n\t\t\t\t\tblau\t450\tyy\t45\n3.\tEledone\t4. III. 13\t17*5\u00b0 0\t15-5\u00b0 C\tgelb\t550\t?>\t35\n\tmosch.\t\t\t\tgr\u00fcn\t500\tyy\t43\n\t\t\t\t\tblau\t450\tyy\t50\n4.\tEledone\t12. III. 13\t16\u00b0 C\t15-5\u00b0 C\trot\t650\tyy\t25\n\tmosch.\t\t\t\tgelb\t540\t>>\t42\n\t\t\t\t\tgr\u00fcn\t490\tyy\t60\n\t\t\t\t\tblau\t450\tyy\t45\n\u25a0eine charakteristische Ver\u00e4nderung. Die Wirksamkeit aller Strahlen erscheint herabgesetzt, jedoch im besonderen Mafse die der kurzwelligen Lichter. In der Textfigur 20 sind zwei Wirksam-teitskurven wiedergegeben. Die ausgezogene Kurve stammt von \u25a0einem gut erregbaren, dunkeladaptierten Auge, die gestrichelte Kurve von einem Auge, das durch wiederholte und intensive Belichtungen erm\u00fcdet worden war. Dadurch dafs die kurzwelligen Strahlen st\u00e4rker an Wirksamkeit verlieren, liegt das Maximum der Wirksamkeit mehr nach dem Rotende des Spektrums. Entsprechend","page":103},{"file":"p0104.txt","language":"de","ocr_de":"104\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\ndieser Verschiebung sind die gr\u00fcnen Strahlen wirksamer als die blauen und rufen auch frequentere Erregungen hervor. In Tabelle XII ist ein Versuch wiedergegeben, bei welchem anfangs die blauen, sp\u00e4ter die gr\u00fcnen Strahlen die wirksameren waren und Erregungen h\u00f6herer Frequenz hervorriefen. Der Versuch wurde am 14. III. 13. an dem Auge einer Eledone moschata bei einer Zimmertemperatur von 160 C und einer Wassertemperatur von 15 \u00b0C ausgef\u00fchrt.\nDiese Versuche f\u00fchren uns zu dem Schlufs, dafs Strahlen verschiedener Wellenl\u00e4nge entsprechend ihrer verschiedenen Wirksamkeit auf die Netzhaut in derselben Erregungen verschiedener Frequenz und Intensit\u00e4t hervorrufen.\nTabelle XII.\nZeit\tFarbe des Lichtes\tI i Wellenl\u00e4nge\tFrequenz des Rhythmus\nUso\trot\t620 /it/u\t30\n\tgelb\t550 \u201e\t38\n\tgr\u00fcn\t500 \u201e\t55\n\tblau\t460 \u201e\t60\n1145\trot\t620 \u201e\t30\n\tgelb\t550 \u201e\t35\n\tgr\u00fcn\t500 \u201e\t55\n\tblau\t460 \u201e\t50\nAuf Grund dieser Erkenntnis k\u00f6nnen wir die Lichter verschiedener Wellenl\u00e4nge einteilen in solche, welche in der Netzhaut Erregungen geringer und solche welche in ihr Erregungen h\u00f6herer Frequenz hervorrufen. Zu ersteren geh\u00f6ren rot und gelb, zu letzteren gr\u00fcn und blau. Die gegens\u00e4tzlichen Beziehungen zwischen diesen beiden Farbenpaaren sind schon lange bekannt. Die Maler bezeichnen rot und gelb als warme, gr\u00fcn und blau als kalte Farben. Die JouNG-HELMHOLTZsche und die \u00dcERiNGsche Theorie sieht sie als antagonistische, als Komplement\u00e4rfarben an. Wir k\u00f6nnten auch zu einem Verst\u00e4ndnis der antagonistischen Beziehungen dieser beiden Farbenpaare kommen, wenn wir erw\u00e4gen, wie verschieden intensive und verschieden frequente Reizungen auf das Zentral-","page":104},{"file":"p0105.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n105\nnervensystem ein wirken. Wenig frequente Reizungen rufen eine Steigerung der bestehenden Lebensprozesse, eine Erregung, frequentere Reize eine Hemmung hervor; hier haben wir antagonistische Prozesse, welche durch Reizfrequenzen hervorgerufen werden, welche innerhalb der Erregungsfrequenzen der Netzhautrhythmen gelegen sind. In Erregung und Hemmung h\u00e4tten wir die physiologische Grundlage der antagonistischen Beziehungen der Empfindungen zu sehen, welche die beiden genannten Farbenpaare ausl\u00f6sen. Wir k\u00e4men damit zu einer Theorie der Licht-und Farben Wahrnehmung, welche sich an der Hand der nun erforschten ErregungsVorg\u00e4nge in der Netzhaut und ihrer Beziehungen zum Zentralnervensystem ungezwungen ergibt.\nWie sehr diese Theorie geeignet ist, die grofse F\u00fclle der Erfahrungen der Sinnesphysiologie schon jetzt in einfacher Weise zu deuten, soll an anderer Stelle sp\u00e4ter ausgef\u00fchrt werden, hier sei dies nur an der Hand zweier Beispiele zu zeigen versucht.\nWenn wir die beiden Wirksamkeitskurven der Fig. 20 betrachten, so sehen wdr in ihnen den Ausdruck des PurkinJEschen Ph\u00e4nomens, dessen mannigfaltige Erscheinungsform dadurch charakterisiert ist, dafs bei Eintritt der Helladaptation des Auges die kurzwelligen Strahlen an Wirksamkeit mehr verlieren als die langwelligen Strahlen. Das PuRKiNJEsche Ph\u00e4nomen kommt aber nicht nur der Netzhaut zu, sondern es ist als der Ausdruck einer allgemeinen Gesetzm\u00e4fsigkeit anzusehen. Wenn wir einen Muskel erm\u00fcden und dadurch seine Reaktionsgeschwindigkeit verlangsamen, so nimmt seine Erregbarkeit st\u00e4rker ab f\u00fcr einen hochfrequenten Reiz, z. B. einen Wechselstrom von 500 Wechsel in der Sekunde als f\u00fcr einen von nur 50 Schwingungen. In der Helladaptation haben wir eine Erm\u00fcdungserscheinung der Netzhaut vor uns. Dafs die Helladaptation mit einer Verlangsamung und Verringerung der Lebensvorg\u00e4nge in der Netzhaut einhergeht, l\u00e4fst sich gerade auf Grund der Ver\u00e4nderungen, welche die rhythmischen Netzhauterregungen bei l\u00e4nger dauernder Lichtwirkung zeigen, auf das deutlichste nach weisen. Dafs ferner die Reizung der Netzhaut mit den kurzwelligen Strahlen des Spektrums der Reizung mit einem frequenteren Reiz entspricht, als dies bei Einwirkung der langwelligen Lichter der Fall ist, ist eine Annahme, die sicher nicht gewagt ist.\nDie Betrachtung der beiden Wirksamkeitskurven zeigt uns .noch eine weitere bemerkenswerte Tatsache. Wir sehen, dafs","page":105},{"file":"p0106.txt","language":"de","ocr_de":"106\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nStrahlen, welche auf das dunkel adaptierte und gut erregbare Auge verschiedene Wirksamkeit haben, auf das gesch\u00e4digte Auge gleich stark wirken und, wie die Versuche zeigen, auch Erregungen gleicher Intensit\u00e4t und Frequenz her vorruf en. Eies ist z. B. bei den Strahlen von 520 und 400 ^ Wellenl\u00e4nge der Fall; die roten und gelben Strahlen weisen am gesch\u00e4digten Auge nur geringe Wirksamkeitsunterschiede auf. Die gesch\u00e4digte Netzhaut verwechselt, wenn man so sagen darf, Strahlen, die sie im gut erregbaren Zustand zu unterscheiden vermag. Farb-verwechslung ist aber die hervorstechendste Eigent\u00fcmlichkeit der Farbenblindheit. Wir k\u00e4men hier auch zu einer Deutung der Farbenblindheit, welche es nicht notwendig hat, den Ausfall der Empfindung zweier Komplement\u00e4rfarben durch den Fortfall eines hypothetischen, farbempfindlichen Elementes der Netzhaut zu erkl\u00e4ren, sondern die Farbenblindheit w\u00fcrde nur auf der durch eine Sch\u00e4digung oder Entwicklungsst\u00f6rung bedingten Ver\u00e4nderung der Wirksamkeitskurve spektraler Lichter beruhen. Ich vermute, dafs sich auf die ver\u00e4nderte Wirksamkeit spektraler Lichter nicht nur die Haupttypen, sondern s\u00e4mtliche Formen der partiellen oder totalen Farbenblindheit und die \u00dcberg\u00e4nge, welche sie verbinden, werden zur\u00fcckf\u00fchren lassen.\nDer Farbensinn der Cephalopoden.\nEs tritt nun an uns die Frage heran, ob die Cephalopoden ein Farbenunterscheidungsverm\u00f6gen besitzen oder nicht. Ich m\u00f6chte diese Frage mit ja beantworten. Die Wirksamkeitsunterschiede verschiedener spektraler Lichter sind so grofs, die durch sie hervorgerufenen Erregungen weisen so starke Frequenz-und Intensit\u00e4tsunterschiede auf, dafs wir annehmen m\u00fcssen, dafs auch die durch diese Erregungen im Zentralnervensystem ausgel\u00f6sten Erregungsprozesse verschieden sind. An Hand der vorliegenden Beobachtungen erscheint es sicher, dafs die Cephalopoden insbesondere bei gr\u00f6fserer Lichtintensit\u00e4t die Farben rot, gelb, gr\u00fcn und blau zu unterscheiden verm\u00f6gen. Sie leben ja \u00efum Teil in geringen Meerestiefen, in die noch grofse Lichtmengen gelangen.\nEs liegen nun schon Untersuchungen \u00fcber den Farbensinn der Cephalopoden vor. Carl v. Hess, welcher die Versuche ausgef\u00fchrt hat, kommt zu dem Schlufs, dafs die Cephalopoden wie alle wirbellosen Tieren farbenblind sind. Carl v. Hess unter*","page":106},{"file":"p0107.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n107\nsuchte die Pupillenreaktion von Sepia officinalis und Ele-done moschata und die Phototaxis von Loligoembryonen, or fand, dafs der gelbgr\u00fcne Anteil des Spektrums auf die Pupille am st\u00e4rksten einwirkt, und dafs die Loligoembryonen sich im gelbgr\u00fcnen Anteil des Spektrums ansammeln. \u00c4hnlich verh\u00e4lt sich, wie insbesondere Sachs 1 und Abelsdorff 2 gezeigt haben, die Wirksamkeit der spektralen Lichter auf die Pupille bzw. die Helligkeitsempfindung des total farbenblinden Menschen bzw. des Farbent\u00fcchtigen, wenn geringe Lichtintensit\u00e4ten angewendet werden. Da nun v. Hess bei den Cephalopoden eine Pupillar-reaktion feststellt, welche von der des farbt\u00fcchtigen Menschen\nund der vieler Wirbeltiere abweicht, welche dagegen eine ge-\n\u25a0 \u2022\nwisse \u00dcbereinstimmung mit der Pupillenreaktion des Farbenblinden erkennen l\u00e4fst, so kommt er zu dem Schlufs, dafs die Cephalopoden farbenblind sind.\nAbgesehen von diesem Widerspruch in unseren Schlufs-folgerungen, liegt aber noch ein bedeutsamer Widerspruch in den experimentellen Ergebnissen vor. Die Pupille reagiert am st\u00e4rksten auf die gelbgr\u00fcnen, die Netzhaut am st\u00e4rksten auf die blauvioletten Strahlen. Ich habe mich von der letzteren Tatsache in mehr als 100 Versuchen \u00fcberzeugen k\u00f6nnen. Der bedeutende Unterschied in der Wirksamkeit spektraler Lichter auf die Netzhaut und die Pupille kann nicht etwa darauf zur\u00fcckgef\u00fchrt werden, dafs v. Hess mit einem Dispersionsspektrum gearbeitet hat, denn die Versuche Pipers weisen f\u00fcr das Dispersionsspektrum das Maximum der Wirksamkeit im gr\u00fcnblauen Anteil nach. Der Unterschied der Wirksamkeit auf Netzhaut und Pupille ist tats\u00e4chlich vorhanden und er mufs um so auffallender erscheinen, da die Wirksamkeit eines Lichtes auf die Pupille bedingt wird durch Wirksamkeit des Lichtes auf die Netzhaut.1 2 3\nWir k\u00f6nnen zu einem Verst\u00e4ndnis dieses widersprechenden Verhaltens kommen, wenn wir eine Reihe bekannter Tatsachen\n1\tM. Sachs, \u00dcber den Einflufs farbiger Lichter auf die Weite der Pupille. Pfl\u00fcgers Archiv 52, S. 74. 1892.\n2\tAbelsdorff, Die \u00c4nderung der Pupillenweite durch verschiedenfarbige Belichtung. Zeitschr. f. Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 22. 1900.\n3\tWTie Carl v. Hess selbst hervorhebt, besteht auch bei den Wirbeltieren die Verschiedenheit der Pupillenreaktion (v. Hess) und der Netzhaut-Str\u00f6me (Piper) bei Einwirkung von spektralen Lichtern.","page":107},{"file":"p0108.txt","language":"de","ocr_de":"108\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nzusammenfassen. Wir wissen, dafs beim Menschen die Helligkeitsempfindung mit der St\u00e4rke der Pupillarreaktion parallel geht. Wir wissen, dafs die Pupille auf Intensit\u00e4ts\u00e4nderungen, d. h. auf objektive Helligkeits\u00e4nderungen des gleichen Reizlichtes reagiert. Wir wissen endlich, dafs Erh\u00f6hung der objektiven Helligkeit eines farbigen Reizlichtes in erster Linie eine Intensit\u00e4tszunahme der Netzhauterregungen hervorruft. Es liegt da die Annahme sehr nahe, dafs die Helligkeit einer Farbe bzw. ihre Wirksamkeit auf den Pupillarreflex bedingt wird durch die Intensit\u00e4t der Erregungswellen, welche durch das Reizlicht in der Netzhaut hervorgerufen werden, dafs dagegen durch die Frequenz der Netzhauterregungen die Qualit\u00e4t der Empfindung beherrscht wird. Da nun die Versuche mit dem unzerlegten Licht und den F\u00e4rb- und Spektrallichtern gezeigt haben, dafs mittelstark wirksame Lichter unter sonst gleichen Verh\u00e4ltnissen die intensivsten Erregungswellen ausl\u00f6sen, so kann es nicht erstaunlich sein, dafs die gelbgr\u00fcnen Strahlen die st\u00e4rkste Pupillenverengerung bzw. die st\u00e4rkste phototaktische Reaktion hervorrufen* Unter diesen Voraussetzungen wird es auch verst\u00e4ndlich, dafs die st\u00e4rkste Pupillenreaktion bzw. Phototaxis durch ein Reizlicht anderer Farbe hervorgerufen werden kann, sofern nur seinelntensit\u00e4t gen\u00fcgend gesteigert wird. Auf diese Weise w\u00fcrde sich nicht nur der vorliegende Widerspruch ohne weiteres erkl\u00e4ren, sondern wir w\u00fcrden auch zu einem Verst\u00e4ndnis der physiologischen Vorg\u00e4nge kommen, welche der Empfindung der Helligkeit und der Qualit\u00e4t einer Farbe zugrunde liegen. Wir w\u00fcrden weiter zu dem Schlufs gef\u00fchrt, dafs die Untersuchung der Pupillarreaktion oder der Phototaxis nur Aufschlufs geben kann \u00fcber die Helligkeitsverteilung der Lichter, nicht aber \u00fcber das Unterscheidungsverm\u00f6gen von Qualit\u00e4ten. Wenn das Maximum der Wirksamkeit spektraler Lichter auf die Pupille der Cephalopoden in einem anderen Abschnitt des Spektrums liegt, als beim farbent\u00fcchtigen Menschen und bei vielen Wirbeltieren, wenn die Phototaxisversuche ein entsprechendes Resultat ergeben, so werden wir dieses Verhalten in erster Linie auf eine verschiedene Wirksamkeit spektraler Lichter auf die Netzhaut zur\u00fcckf\u00fchren m\u00fcssen, eine verschiedene Wirksamkeit, die jedoch nicht Ausdruck eines fehlenden Farbenunterscheidungsverm\u00f6gens zu sein braucht, sondern bedingt sein kann, durch eine anders geartete Erregbarkeit der Netzhaut wie beim partiell oder total farbenblinden","page":108},{"file":"p0109.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n109\nMenschen oder durch den Bau der Netzhaut wie bei den V\u00f6geln oder durch die Lebensverh\u00e4ltnisse der Tiere, wie dies gerade f\u00fcr die Cephalopoden von Pipek, wahrscheinlich gemacht worden ist.\nWir kommen an Hand dieser Erw\u00e4gungen zu dem Schlufs, dafs die Cephalopoden ein Farbenunter-scheidungs verm\u00f6gen besitzen.\nZusammenfassung.\n1.\tDer Erregungsvorgang in der Netzhaut der CephaTopoden ist rhythmischer Natur. Die Netzhaut reagiert bei konstanter Belichtung mit einer schnellen Folge von Erregungen.\n2.\tDie Frequenz und Intensit\u00e4t der Netzhauterregungen ist von der Intensit\u00e4t der Belichtung abh\u00e4ngig. Sie zeigt Werte von 20\u201490 Erregungswellen in der Sekunde.\n3.\tAn die Belichtung schliefsen sich langdauernde Nachrhythmen an, deren Erregungswellen in Abh\u00e4ngigkeit von dem vorhergehenden Reiz verschieden frequent und intensiv sind.\n4.\tDie Frequenz und Intensit\u00e4t der Erregungswellen in der Netzhaut ist von der Wellenl\u00e4nge des Lichtes abh\u00e4ngig.\n5.\tWir kommen an Hand dieser Ergebnisse zu einer Theorie der Licht- und Farbenwahrnehmung, die auf der Erkenntnis der Erregungsvorg\u00e4nge in der Netzhaut und ihrer Beziehungen zum Zentralnervensystem beruht. Dieser Theorie k\u00f6nnte folgende einfache Fassung gegeben werden: Die Lichter verschiedener Wellenl\u00e4nge rufen in der Netzhaut Erregungen verschiedener Frequenz und Intensit\u00e4t hervor. Diese Erregungen veranlassen im Zentralnervensystem antagonistische Prozesse, Erregung oder Hemmung. Die Erregung sowie die Hemmung k\u00f6nnen stark und schwach sein und sind als die physiologischen Grundlagen der Farbenempfindung anzusehen.","page":109},{"file":"p0110.txt","language":"de","ocr_de":"110\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nIII. Erm\u00fcdung und Erholung der Netzhaut und ihre Beziehung zur Hell- und Dunkeladaptation.\nDie Netzhautelemente zeigen wie alle Formen lebender Substanz Erm\u00fcdung und Erholung. Die Frage, welche schon wiederholt aufgeworfen worden ist, ist nun die, inwieweit eine Erm\u00fcdung des Auges innerhalb der herrschenden Belichtungsverh\u00e4ltnisse eintritt und auf welche Weise sie auf die Licht- und Farbenwahrnehmung einwirkt. Schon Johannes M\u00fcller und Helmholtz haben versucht, eine Reihe von Beobachtungen wie z. B. die Umstimmungserscheinungen und die Nachbilder mit einer Erm\u00fcdung bzw. Erholung des Sehorgans in Zusammenhang zu bringen, Ewald Hering 1 dagegen lehnt diese Deutungsversuche an Hand vieler Erfahrungen ab. Wir wollen im folgenden zu zeigen versuchen, dafs sich unter einfachen Versuchsverh\u00e4ltnissen eine Entscheidung unserer Frage anbahnen l\u00e4fst.\nHering versteht unter Sehsubstanz auch die Gesamtheit aller nerv\u00f6sen Teile, welche beim Zustandekommen einer Lichtempfindung beteiligt sind, w\u00e4hrend uns hier in erster Linie die Erregungsvorg\u00e4nge in den Netzhautelementen selbst interessieren. Bei sinnesphysiologischen Experimenten am Menschen werden wir die HERiNGsche Auffassung nicht umgehen k\u00f6nnen, im Tierexperiment dagegen m\u00fcssen wirzwischen Sinnesorgan und Nervensystem strenge unterscheiden, denn wir m\u00fcssen annehmen, dafs sie eine Reihe funktioneller Unterschiede, so z. B. eine verschieden starke Erm\u00fcdbarkeit, aufweisen. Ja wir m\u00fcfsten eigentlich jede einzelne Nervenzellstation des bei der Lichtempfindung beteiligten Reflexbogens f\u00fcr sich gesondert untersuchen, da es nicht unwahrscheinlich ist, dafs auch diese untereinander ihrer Funktion nach verschieden sind. Nur auf diese Weise k\u00f6nnen wir erwarten, in den Mechanismus jener Vorg\u00e4nge einzudringen, welche wir durch die sinnesphysiologischen Untersuchungen am Menschen kennen lernen.\nAber auch wir m\u00fcssen vorderhand zu einer bewufsten Vereinfachung greifen, indem wir die Vorg\u00e4nge im Sinnesepithel zu den Vorg\u00e4ngen in allen beim Sehakt beteiligten nerv\u00f6sen Zentren in Beziehung setzen, um so vorerst einmal die Beziehungen zwischen Sinnesepithel und Nervensystem festzustellen.\n1 Ewald Hering, Grundz\u00fcge der Lehre vom Lichtsinn. Leipzig 1911.","page":110},{"file":"p0111.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n111\nDie Ver\u00e4nderung der Netzhautstr\u00f6me durch\nErm\u00fcdung.\nAuch f\u00fcr eine Untersuchung der Netzhauterm\u00fcdung eignen sich die Netzhautstr\u00f6me in besonderer Weise, allerdings nur unter den g\u00fcnstigen Bedingungen, welche die Augen der Cephalo-poden bieten. Die Untersuchungen \u00fcber den Einflufs der Erm\u00fcdung auf das Wirbeltierauge haben infolge der verwickelten elektrischen Erscheinungen, welche bei der Belichtung des Auges auftreten, keine wesentlichen Resultate ergeben. Dies ist auch verst\u00e4ndlich. Die Versuche \u00fcber den zeitlichen Verlauf der Netzhautstr\u00f6me der Cephalopoden lassen es sicher erscheinen, dafs die komplizierten Aktionsstr\u00f6me der Wirbeltieraugen durch entgegengesetzte Str\u00f6me zustande kommen, welche der Art der Belichtung und Ableitung ihre Entstehung verdanken. Infolge der wechselnden St\u00e4rke der Str\u00f6me und ihrer entgegengesetzten Richtung m\u00fcssen sie sich teilweise kompensieren und machen eine Messung der elektromotorischen Kraft und die Bestimmung ihrer Ver\u00e4nderung durch Erm\u00fcdung unm\u00f6glich. So kann man die vorliegenden Resultate, welche \u00fcber die Erm\u00fcdung der Wirbeltiernetzhaut Aufschlufs geben, mit wenigen Worten aufz\u00e4hlen. Durch wiederholte Belichtungen nehmen die Netzhautstr\u00f6me an St\u00e4rke ab, die Latenzzeit nimmt zu, helladaptierte Augen zeigen geringere Netzhautstr\u00f6me als dunkeladaptierte.1\nDie Methode unserer Versuche ist in der ersten Mitteilung dieser Untersuchungsreihe eingehend beschrieben worden. Hier sei das Wichtigste nochmals kurz hervorgehoben. Das Auge befand sich in einer lichtdichten Feuchtkammer. Als Lichtreiz diente ein kreisf\u00f6rmiger Ausschnitt der Vorderwand der Feuchtkammer, welcher mit durchscheinendem Papier verschlossen war und aus verschiedenen Entfernungen mit einer 32 kerzigen Metallfadenlampe belichtet werden konnte. Das Auge befand sich 11 cm hinter dem Ausschnitt und war so orientiert, dafs das Bild des kreisf\u00f6rmigen Ausschnittes auf die eine Ableitungsstelle fiel, w\u00e4hrend die andere Ableitungsstelle m\u00f6glichst weit von der belichteten Stelle ablag. Durch einen kleinen Schirm\n1 Eine vollkommene Zusammenstellung der hierhergeh\u00f6renden Literatur findet sich bei H. Pipek, Untersuchungen \u00fcber das elektromotorische Verhalten der Netzhaut bei Warmbl\u00fctern. Archiv f\u00fcr Physiologie, Suppl. S. 135. 1905.","page":111},{"file":"p0112.txt","language":"de","ocr_de":"112\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nwurden von der zweiten Ableitungsstelle alle Lichtstrahlen, welche sie direkt treffen konnten, ferngehalten. Geschieht dies nicht, so kann ein Strom entstehen, welcher mit dem an der ersten Ableitungsstelle entstehenden Strom interferiert und Anlafs zu mehrsinnigen Schwankungen und zu einer T\u00e4uschung \u00fcber die elektromotorische Kraft der Str\u00f6me geben kann. Bei unseren Versuchen wurden nur dunkeladaptierte Augen verwendet.\nWie die mit dieser Methode gewonnenen Kurven zeigen, handelt es sich um einsinnige Aktionsstr\u00f6me, die kurze Zeit nach Beginn der Belichtung einsetzen und nach Schlufs der Belichtung wieder abnehmen. Die durch schwache und starke Belichtungen veranlalsten Str\u00f6me unterscheiden sich durch ihre elektromotorische Kraft und durch ihren zeitlichen Verlauf. Dieses Verhalten wird am besten durch die Kurven 66, 67 und 68 auf Tafel VII und 6, 7, 8 auf Tafel II gezeigt. Die durch einen schwachen Lichtreiz ausgel\u00f6sten Aktionsstr\u00f6me steigen flacher an, lassen aber w\u00e4hrend der ganzen Dauer der Belichtung ein Ansteigen erkennen, die durch die starke Belichtung hervorgerufenen Kurven steigen viel steiler an, sinken aber noch w\u00e4hrend der Belichtung mehr oder minder stark ab. Dieses Absinken kann nur der Ausdruck einer bei starker Belichtung rasch einsetzenden Erm\u00fcdung sein. An erm\u00fcdeten Augen tritt das Absinken sehr rasch ein, so dafs die Kurven einen ganz charakteristischen, spitzen Verlauf zeigen. Siehe z. B. die Kurve 72 auf Tafel VII. Aus diesen Beobachtungen, die immer wieder gemacht wurden, geht die wichtige Tatsache hervor, dafs die Netzhaut f\u00fcr st\u00e4rkere Reize viel schneller erm\u00fcdet als f\u00fcr schwache Reize. Diese Tatsache ist deshalb besonders wichtig, weil f\u00fcr das Zentralnervensystem durch eine grofse Reihe von Versuchen gezeigt werden konnte, dafs es besonders leicht f\u00fcr schwache Reize erm\u00fcdet. Ich habe, um mir diese Tatsache deutlich vor Augen zu f\u00fchren, mit den Mantelganglion der gleichen Cephalopoden, deren Auge bei den eben beschriebenen Versuchen Verwendung fand, Versuche \u00fcber ihre relative Erm\u00fcdbarkeit f\u00fcr schwache Reize angestellt. Ich fand in diesen Versuchen meine Beobachtungen an Cephalopoden der Sommermonate 1909 vollkommen best\u00e4tigt.1 Auf eine schwache\n1 Fr. W. Fr\u00f6hlich, Experimentelle Studien am Nervensystem der Mollusken, 5. Summation, \u201escheinbare Bahnung\u201c, Tonus und Hemmung am Nervensystem der Cephalopoden. Zeitschr. f. allgem. Physiologie 10, S. 436. 1910.","page":112},{"file":"p0113.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n113\nfaradische Reizung des Mantelnerven reagierte der Mantelmuskel nur mit einem Anfangstetanus. Die Reizschwelle lag z. B. bei \u2022einem Versuch bei 48 Einheiten des geeichten Induktoriums, eine Reizung mit 96 Einheiten rief nur einen Anfangstetanus hervor. Wurde die Reizung verst\u00e4rkt, dann nahm der Anfangstetanus an H\u00f6he und Dauer zu, bei weiterer Verst\u00e4rkung kam eine Reizst\u00e4rke, bei welcher der Mantelmuskel starke rhythmische Kontraktionen von einer Frequenz von etwa 36 Verk\u00fcrzungen in einer Minute ausf\u00fchrte. Erst bei noch weiterer Verst\u00e4rkung der faradischen Reizung war eine tetanische Verk\u00fcrzung der Muskeln zu erzielen. Ich habe schon fr\u00fcher darauf hingewiesen, dafs sich die relative Erm\u00fcdung bei Reizung der peripher vom Mantelganglion gelegenen Stellarnerven entweder gar nicht oder nur andeutungsweise nachweisen l\u00e4fst, dafs sie dagegen bei Reizung der sensiblen Fasern des Mantelnerven, also bei reflektorischer Erregung der Gehirnganglien besonders stark hervortritt. Diese Beobachtung sowie diejenigen, welche an anderen Nervensystemen 1 gemacht worden sind, weisen auf die leichte Erm\u00fcdbarkeit des Zentralnervensystems f\u00fcr schwache Reize hin. Wird das Sehorgan von einem schwachen Lichtreiz getroffen, so werden schwache Erregungen zum Zentralnervensystem geleitet und k\u00f6nnen dort in die Koordination im Sinne einer Summation, Bahnung oder Hemmung eingreifen, bei starker Reizung des Sehorganes dagegen erm\u00fcdet die Netzhaut, dadurch werden, obwohl der Reiz in gleicher Intensit\u00e4t weiter wirkt, immer schw\u00e4chere Erregungen zum Zentralnervensystem geleitet. Das Zentralnervensystem wird dadurch vor einer \u00dcberreizung bewahrt. Gleichzeitig mufs aber die durch elas Zentralnervensystem vermittelte Reaktion abnehmen, da die Erregungswellen, die vom Sehorgan kommen, schw\u00e4cher werden.\nEs wurde schon an anderer Stelle die Bedeutung der Tatsache hervorgehoben, dafs auch das Sauerstoffbed\u00fcrfnis des Zentralnervensystems grofser ist, als das der Netzhautelemente. F\u00fcr das Warmbl\u00fcterauge haben K\u00fchne und Steineb diese Tatsache festgestellt. Bei dem warmbl\u00fctigen Tieren mufs der Unterschied im Sauerstoffbed\u00fcrfnis des Nervensystems und der Netz-\n1 Fe. W. Fr\u00f6hlich, Beitr\u00e4ge zur Analyse der Reflexfunktion des Ji\u00fcckenmarks mit besonderer Ber\u00fccksichtigung von Tonus, Bahnung und Hemmung. Zeitschrift f\u00fcr allgemeine Physiologie 9, S. 53. 1909.\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 48.\t6","page":113},{"file":"p0114.txt","language":"de","ocr_de":"114\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nhaut noch gr\u00f6fser sein als bei den Cephalopoden. Ein erstickendes Kaninchen verliert in etwa 2 Minuten seine Keflexerregbarkeitr w\u00e4hrend das Auge noch nach 15\u201420 Minuten auf Belichtung mit deutlichen Aktionsstr\u00f6men reagiert. Ich glaube, dafs der Annahme nichts im Wege steht, dafs das gr\u00f6fsere Sauerstoffbed\u00fcrfnis auf eine gr\u00f6fsere Intensit\u00e4t der Stoffwechselvorg\u00e4nge und letztere auf eine st\u00e4rkere Erm\u00fcdbarkeit des Zentralnervensystems hinweist, denn es ist eine Regel von allgemeiner G\u00fcltigkeit, dafs eine Form lebender Substanz um so erm\u00fcdbarer ist, je intensiver ihre Lebensvorg\u00e4nge ablaufen. Wir w\u00fcrden demnach zu dem Schlufs gef\u00fchrt dafs das Zentralnervensystem sich nicht nur durch den Verlauf der Erm\u00fcdung sondern auch durch seine st\u00e4rkere Erm\u00fcdbarkeit von der Netzhaut unterscheidet.\nWenn nun das Sinnesorgan auch weniger erm\u00fcdbar und\nweniger sauerstoffbed\u00fcrftig ist als das Zentralnervensystem, so\nist seine Erm\u00fcdbarkeit und sein Sauerstoffbed\u00fcrfnis doch gr\u00f6fser\nals das der Nerven und Muskeln. Bei den Cephalopoden\n\u2022 \u2022\nhaben dies unsere Versuche \u00fcber das \u00fcberleben der Organe gezeigt. Zuerst verliert das Zentralnervensystem, dann die Netzhaut und zuletzt die Nerven und Muskeln ihre Erregbarkeit. Auch bei den Kaninchen \u00fcberleben Nerven und Muskeln die Erstickung des Tieres mehr als eine halbe Stunde; die geringe Erm\u00fcdbarkeit der Nerven ist bekannt. Wir lernen dadurch die Stellung der Netzhaut im Reflexbogen kennen. Die Netzhaut steht dem Zentralnervensystem in bezug auf Sauerstoffbed\u00fcrfnis und Erm\u00fcdbarkeit am n\u00e4chsten, wie sie ja dem Zentralnervensystem auch entwicklungsgeschichtlich nahe steht. Durch Erkenntnis dieser Beziehungen tritt die Rolle der Nerven als reine Leitungsorgane besonders deutlich hervor; die Nerven leiten infolge ihrer weitaus geringeren Erm\u00fcdbarkeit die Erregungen vom Sinnesorgan zum Zentralnervensystem, und vom Zentralnervensystem zu den Erfolgsorganen, so wie sie die Erregungen vom Sinnesorgan bzw. dem Zentralnervensystem \u00fcbernehmen.\nDie Aktionsstr\u00f6me, welche durch farbige Lichter hervorgerufen werden, zeigen die gleichen charakteristischen Unterschiede im Verlauf wie die Aktionsstr\u00f6me, welche durch verschieden intensive Belichtung veranlafst werden. Die wenig wirksamen roten und gelben Strahlen rufen selbst bei starker Intensit\u00e4t1 schwache^\n1 d. h. im Rahmen unserer Versuchsanordnung.","page":114},{"file":"p0115.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n115\nAktionsstr\u00f6me hervor, welche w\u00e4hrend der ganzen Dauer der Belichtung ansteigen oder gleichstark bleiben, die wirksamen blauen Strahlen dagegen rufen bei Anwendung gr\u00f6fserer Lichtst\u00e4rken, Kurven hervor, welche noch w\u00e4hrend der Belichtung absinken. Die elektromotorische Kraft der Netzhautstr\u00f6me und ihr zeitlicher Verlauf sind eine Funktion der Intensit\u00e4t bzw. der Wirksamkeit des verwendeten Reizlichtes.\nWerden sehr gut erregbare, dunkeladaptierte Augen sehr stark belichtet, so zeigt der Aktionsstrom einen Verlauf, wie er in Fig. 21 wiedergegeben ist. Die Kurve sinkt anf\u00e4nglich ab, steigt aber noch w\u00e4hrend der Reizung wieder an, oder sie steigt ohne vorher abzusinken weiter an. H\u00f6rt die Belichtung auf, dann kehrt die Saite des Galvanometers nur ganz allm\u00e4hlich in ihre Ruhelage zur\u00fcck ; es schliefst sich an die Belichtung eine langdauernde negative Nachwirkung.\nEigentlich m\u00fcfste man sagen positive Nachwirkung, denn der Aktionsstrom zeigt eine zunehmende Positivit\u00e4t der belichteten Ableitungsstelle an. Ich ziehe aber die Bezeichnung negative Nachwirkung vor, weil die Versuche an der isolierten Netzhaut zeigen, dafs die Netzhaut bei Belichtung negativ wird und nach starker Belichtung eine negative Nachwirkung erkennen l\u00e4fst. Die positive Schwankung wird, wie wir geh\u00f6rt haben, nur durch das Auftreten physiologischer Elektroden beim Ableiten der Str\u00f6me vom ganzen Auge veranlafst.\nDer folgende Versuch mag als Beispiel dienen ; er wurde mit der hinteren Augenschale eines Eie done auges am 14. I. 13 bei einer Zimmertemperatur von 16 \u00b0C und einer Wassertemperatur von 15 0 C ausgef\u00fchrt. Die Augenschale wurde mit der Skleraseite \u00fcber eine Tonstiefelektrode gest\u00fclpt, von der Retinaseite wurde mit einer Seilelektrode abgeleitet. Die Belichtung wurde ohne Feuchtkammer aus 10 cm Entfernung vorgenommen und dauerte 2 Minuten. Die Ableitungsstelle an der St\u00e4bchenseite der Retina wurde negativ.\nFig. 21.\n8*","page":115},{"file":"p0116.txt","language":"de","ocr_de":"116\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nElektromotorische Kraft des Ruhestromes Zeit\tin Millivolt\n1253\t0-3 MV\nEinschaltung einer Belichtung von 2 Minuten Dauer\n125B\t40 MV\n126\u00ab\t4-09 MV\n12B7\t3-90 MV\n1258\t2-38 MV\n12B9\t1*71 MV\nlh\t1-27 MV\nloi\t1-04 MV\n102\t0-95 MV\n103\t0-96 MV\n108\t0-80 MV\n1\u201c\t0-76 MV\nEin entsprechendes Resultat gaben die Versuche am ganzen Auge. Der beistehende Versuch ist an dem zweiten Auge des Versuchstieres des vorhergehenden Versuches ausgef\u00fchrt worden. Die Belichtung dauerte 2 Minuten. Die Lichtquelle befand sich in einer Entfernung von 10 cm vom Auge und war so orientiert, dafs die linke Ableitungsstelle belichtet wurde. Die zweite Ableitungsstelle befand sich rechts gleichfalls an der Hin ter wand des Bulbus.\nDie belichtete Ableitungsstelle wurde positiv.\nZeit\tRuhestrom in Millivolt\n1B0\t0-42 MV\nEinschaltung einer Belichtung von 2 Minuten Dauer\n152\t1-42 MV\n153\t1-28 MV\n1-54=\t09 MV\n155\t0*66 MV\nl57\t0-52 MV\n2h\t014 MV\nIn direktem Anschlufs an die Belichtung war die Erregbarkeit des Auges stark vermindert. Wurde das Auge jedoch jetzt so gedreht, dafs die rechte Ableitungsstelle belichtet wurde, so war ihre Erregbarkeit nur wenig herabgesetzt. Diese Beobachtung zeigt die M\u00f6glichkeit, die Retina an einer umschriebenen Stelle zu erm\u00fcden.\nDie negative Nachwirkung ist wohl als Ausdruck einer Blendung des Auges durch eine zu starke Belichtung anzusehen. Wir haben an anderer Stelle geh\u00f6rt, dafs sich an starke Belichtungen des","page":116},{"file":"p0117.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n117\nAuges rhythmische Nachwirkungen anschliefsen. Je st\u00e4rker das Auge erm\u00fcdet ist, um so mehr tritt die rhythmische Nachwirkung zur\u00fcck und die negative Nachwirkung hervor und schliefslich l\u00e4fst die Nachwirkung keine rhythmischen Erregungswelien mehr erkennen. Es ist aber wahrscheinlich, dafs auch diesen glatten Nachwirkungen noch schwache rhythmische Erregungswellen zugrundeliegen.\nAuf die Bezeichnung negative Nachwirkung mufs Gewicht gelegt werden, um die \u00dcbereinstimmung mit der am erm\u00fcdeten Muskel und Nerven auftretenden negativen Nachwirkung zum Ausdruck zu bringen. Wir erkennen in ihr einen allgemeinen Ausdruck der Erm\u00fcdung, der darauf hinweist, dafs die durch eine Reizung in der erm\u00fcdeten lebenden Substanz gesetzten Ver\u00e4nderungen nur langsam zur\u00fcckgehen.\nBei den ersten Belichtungen eines gut erregbaren Auges kann man sehr oft die Beobachtung machen, dafs die Aktionsstromkurve nach der Belichtung unter die Abszisse absinkt. Ich m\u00f6chte diese Erscheinung in Parallele mit der positiven Nach Schwankung des Nerven setzen. Durch wiederholte Reizung geht diese Nachschwankung in eine negative Nachwirkung \u00fcber, wie dies die schematischen Kurven der Fig. 22 zeigen.\nWird ein gut erregbares Auge lange belichtet und ihm nachher Zeit zur Erholung gegeben, so rufen die nachfolgenden starken Belichtungen Aktionsstr\u00f6me von etwas anderem Verlauf hervor. Die Aktionsstr\u00f6me steigen langsamer an und sind, wie dies die Kurve 5 auf Taf. II zeigt, von einer mehr oder minder starken negativen Nachwirkung gefolgt. Die Abh\u00e4ngigkeit der negativen Nachwirkung von der Belichtungsintensit\u00e4t lassen die Kurven 73 und 77 auf Tafel VII erkennen. Nach der st\u00e4rkeren Reizung ist die negative Nachwirkung sehr deutlich, nach der schwachen Reizung fehlt sie. Aus diesen Beispielen ersehen wir, wie verschieden der zeitliche Verlauf der Netzhauterregung sein kann, und es wird verst\u00e4ndlich, wie bei gleichzeitiger Belichtung\nFig. 22.","page":117},{"file":"p0118.txt","language":"de","ocr_de":"118\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nbeider Ableitungsstellen und durch das Auftreten physiologischer Elektroden, welche Teile von diesen Str\u00f6men als entgegengesetzt gerichtete Str\u00f6me zum Saitengalvanometer leiten, Kurven von aufserordentlich wechselnder elektromotorischer Kraft und wechselndem Verlauf entstehen m\u00fcssen.\nDie Versuche \u00fcber die Abh\u00e4ngigkeit des zeitlichen Verlaufs der Netzhauterregung haben uns auch Aufschlufs \u00fcber die Beziehung zwischen Belichtungsst\u00e4rke und elektromotorischer Kraft der Aktionsstr\u00f6me gebracht. Die Tabelle XIII gibt die Resultate von 3 Versuchen wieder. In der ersten Abteilung ist der Abstand der Lichtquelle von dem Ausschnitt der Feuchtkammer, in der zweiten Abteilung die Lichtintensit\u00e4t in proportionalen Werten, in der dritten Abteilung die elektromotorischen Kr\u00e4fte der Aktionsstr\u00f6me in Millivolt angegeben.\nTabelle XIII.\nEledone moschata. 10. XII. 12. Zimmertemperatur 16,5\u00b0 C.\nWassertemperatur 14\u00b0 C.\nAbstand der Lichtquelle\tReizst\u00e4rke in proportionalen Einheiten\tElektromotorische Kraft der Aktionsstr\u00f6me in Millivolt\n100 cm\t1\t0*9 MV\n40 \u201e\t6*25\t3-3 MV\n25 \u201e\t16\t4-6 MV\n16 \u201e\t38\t5-6 MV\nH \u201e\t81\t6 27 MV\n8 \u201e\t144\t6 43 MV\n6 \u00bb\t256\t6 51 MV\nEledone moschata. 11. XII. 12. Zimmertemperatur 17,5\u00b0 C.\nWassertemperatur 15\u00b0 0.\n40 cm\t6-25\t1 MV\n25 \u201e\t16\t1*6 MV\n16 \u201e\t38\t2*8 MV\nH \u201e\t81\t3*6 MV\n8 \u201e\t144\t4 MV\n6 \u201e\t256\t52 MV\n4 \u201e\t400\t7 MV","page":118},{"file":"p0119.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n119\nEledone moschata. 11. XII. 12. Zimmertemperatur 17,5\u00b0 C.\nWassertemperatur l\u00f6\u2019\u00f60 0.\nAbstand der Lichtquelle\tReizst\u00e4rke in proportionalen Einheiten\tElektromotorische Kraft der Aktionsstr\u00f6me in Millivolt\n40 cm\t625\t25 MV\n25 \u201e\t16\t3-2 MV\n16 \u201e\t38\t3\u20184 MV\nH \u00bb\t81\t3-6 MV\n8 \u201e\t144\t3-8 MV\nFig. 24.\nMV 6-\u25a0\nFig. 23.\nWir sehen, dafs mit anwachsender Belichtnngsst\u00e4rke die elektromotorische Kraft erst schnell, dann immer langsamer anw\u00e4chst, und dafs allm\u00e4hlich ein Maximum der Reizbeantwortung erreicht wird. Es ist dies ein Verhalten, das im Prinzip an fast allen Formen lebender Substanz nachzuweisen ist, zuerst aber f\u00fcr die Sinnesphysiologie von Weber erkannt worden ist. Die Analogie mit dem sogenannten WEBER-FECHNERschen Gesetz wird noch deutlicher, wenn wir die Resultate der Versuche in Form von Kurven wiedergeben.","page":119},{"file":"p0120.txt","language":"de","ocr_de":"120\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nAuf der Abszisse der Fig. 23 sind die Heizst\u00e4rken, auf der Ordinate die elektromotorischen Kr\u00e4fte in Millivolt aufgetragen. Der Verlauf der Kurve entspricht ann\u00e4hernd einer logarithm mischen Kurve. Wir ersehen, wie immer gr\u00f6fsere Intensit\u00e4ten genommen werden m\u00fcssen, um einen gleichen Zuwachs an elektromotorischer Kraft der Aktionsstr\u00f6me zu erhalten.\nIn Fig. 24 ist das Resultat des gleichen Versuches wiedergegeben. Auf der Abszisse sind die Logarithmen der Reizintensit\u00e4ten aufgetragen. Der Verlauf entspricht ann\u00e4hernd einer Geraden.\nMit meiner Versuchsanordnung war die Reizschwelle f\u00fcr unzerlegtes Licht nur ungenau festzustellen. Ich f\u00fchre daher in Tabelle XIV einen Versuch mit un zerlegtem, blauem und rotem Licht an, um das Verh\u00e4ltnis zwischen Reizst\u00e4rke und Erregungs-gr\u00f6fse in der N\u00e4he der Reizschwelle zu zeigen.\nTabelle XIV.\nEledone moschata. BO. I. 13. Zimmertemp. 17\u00b0 C. Wassertemp. 15\u00b0 C.\nSt\u00e4rke des Ausschlages in Millivolt\tI unzerlegtes\tfceizst\u00e4rke f\u00fc blaues Licht\tr rotes\nReizschwelle\t\u2022\t1\t20\n0-2 MV\t\u2014\t5\t1020\n0-4 MV\t1-25\t11*2\t12 500\n0*6 MV\t5\t80\t\u2014\n0-8 MV\t80\t12 500\t\u2014\nDer \u00dcbersichtlichkeit halber ist als Einheit der Reizst\u00e4rke der Reizschwellen wert des blauen Lichtes genommen. Wir ersehen aus dem Versuch, dafs das Verh\u00e4ltnis zwischen Reizst\u00e4rke und elektromotorischer Kraft der Aktionsstr\u00f6me f\u00fcr die drei Lichtarten verschieden ist. Das Ansteigen der elektromotorischen Kraft mit anwachsender Lichtintensit\u00e4t folgt aber bei den drei Lichtarten der gleichen Gesetzm\u00e4fsigkeit. Wir sehen ferner, dafs-die oben angef\u00fchrte Beziehung zwischen Reizst\u00e4rke und Aktionsstrom schon in der N\u00e4he der Reizschwelle festzustellen ist. Die Gesetzm\u00e4fsigkeit, welcher wir hier begegnen, w\u00e4re als die physiologische Grundlage des Weber-FECHNE\u00dfschen Gesetzes anzusehen. Die sinnesphysiologischen Untersuchungen der letzten Jahrzehnte haben jedoch gezeigt, dafs das Weber-FECHNE\u00dfsche Gesetz nur","page":120},{"file":"p0121.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n121\ninnerhalb der mittleren Reizst\u00e4rken Geltung hat, dagegen bei Anwendung sehr schwacher und sehr starker Reize versagt. Dieses Versagen liegt teils an den funktionellen Verschiedenheiten von Sinnesorgan und Zentralnervensystem, teils, wie Hering besonders hervorgehoben hat, an der Unm\u00f6glichkeit, eine Umstimmung des Sinnesorganes durch gleichzeitige oder vorhergehende Reize auszuschalten.\nBei schwachen Reizen erm\u00fcdet das Zentralnervensystem rascher, bei starken Reizen tritt eine rasche Erm\u00fcdung des Sehorganes ein; es gelangen dadurch schw\u00e4chere Erregungen zum Zentralnervensystem, als man erwarten sollte. Gerade in der fehlenden \u00dcbereinstimmung sinnesphysiologischer oder besser psychologischer Experimente am Menschen mit den f\u00fcr das Sinnesorgan selbst festgestellten Gesetzm\u00e4fsigkeiten liegt ein Beweis f\u00fcr die Schwierigkeit, welche der Deutung sinnesphysiologischer Beobachtungen am Menschen aus der funktionellen Verschiedenheit von Sinnesorgan und Zentralnervensystem erw\u00e4chst. Wir werden weiter unten auf ein verwandtes Beispiel eingehen, welches die gleiche Tatsache in ebenso deutlicher Weise erkennen l\u00e4fst.\nDer Einflufs der Erm\u00fcdung auf die Netzhautrhythmen.\nDurch die Erm\u00fcdung wird auch die Frequenz und die Intensit\u00e4t der rhythmischen Netzhauterregungen ver\u00e4ndert. Die Versuche, welche diese Ver\u00e4nderungen feststellen sollen, k\u00f6nnen in verschiedener Weise ausgef\u00fchrt werden.\nWirkt auf die Netzhaut ein Lichtreiz ein, so reagiert sie mit einer rhythmischen Erregung. Wird dieser Lichtreiz in kurzen Intervallen wiederholt, so wird die elektromotorische Kraft der Aktionsstr\u00f6me immer geringer, gleichzeitig nimmt die Frequenz und die Intensit\u00e4t der Erregungswellen ab, und schliefslich erhalten wir niedrige Kurven, an denen sich keine einzelnen Erregungswellen mehr nachweisen lassen.\nDie Tabelle XV kann \u00fcber die Resultate derartiger Versuche\nAufschlufs geben.\nDie Versuche wurden so an gestellt, dafs das Auge in Intervallen von 1 Sekunde l1/* Sekunden belichtet wurde, jeder 5. Aktionsstrom wurde photographisch registriert.","page":121},{"file":"p0122.txt","language":"de","ocr_de":"122\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nTabelle XV.\nE1 edone moschata. 22.1. 13. Zimmertemp. 170 C. Wassertemp. 150 C.\nReizung mit 25 cm Abstand der Lichtquelle.\nNr. der Reizung\tElektromotorische Kraft der Aktionsstr\u00f6me\tAnzahl der Erregungswelle in y6\u00b0\t\t\t\n1\t5 2 MV\t11,\t11,\t11,\t11\n5\t3*8 MV\t11,\t97t,\t8 l/a,\t8 Va\n10\t3*1 MV\t9,\t8*/.,\t8,\t8\n15\t2-8 MV\t9,\t8,\t8,\t8\n20\t2-6 MV\t9,\t7,\t7,\t7\nEledone moschata. 23.1.13. Zimmertemp. 17\u00b0 C. Wassertemp. 15\u00b0 C.\nReizung mit 60 cm Abstand der Lichtquelle.\n1\t\t4-6 MV\t10,\to' tH\t10,\t10,\t10\n5\t\t3 9 MV\t9,\t9,\t8V2,\t9,\t8 Va\n10\t\t3-5 MV\t8,\t8,\t8,\t8,\t7\n15\t\t32 MV\t8,\t7,\t7,\t7,\t7\n20\t\t31 MV\t8,\t7,\t7,\t7,\t7\nWenn wir die\t\tResultate dieser Versuche,\t\t\tdie einer\t\tReihe\ngleichartiger Versuche entnommen sind, \u00fcberblicken, so sehen wir, dafs mit der Erm\u00fcdung die elektromotorische Kraft der Ausschl\u00e4ge erst rasch und dann immer langsamer abnimmt, bis sich schliefslich keine weitergehende Abnahme der elektromotorischen Kraft mehr feststellen l\u00e4fst. Dieses Verhalten wird auch beim Betrachten der sp\u00e4ter zu besprechenden Kurve 65 auf Tafel VII deutlich.\nMit der fortschreitenden Erm\u00fcdung nimmt die Frequenz der Erregungswellen ab. Die Frequenz, welche bei dem ersten der angef\u00fchrten Versuche anf\u00e4nglich 11 Wellen in Vs\u201c betragen hat, ist bei der zwanzigsten Belichtung auf 9 Wellen in Vs\u201c gesunken. Das entspricht einer Frequenzabnahme von 55 auf 45 Wellen in der Sekunde. Wir sehen aber auch w\u00e4hrend jeder Reizung die Frequenz der Erregungswellen abnehmen, so bei der 2. Reizung des ersten Versuches von 11 auf 8Va Wellen in Vs\u201c* Diese Abnahme der Frequenz geht in der Regel mit einer Abnahme der Intensit\u00e4t der Erregungswellen einher. Es kommt dann w\u00e4hrend der Reizung zu einem Absinken der Kurve. Dieses Absinken wird um so st\u00e4rker, je h\u00e4ufiger die Belichtungen wiederholt","page":122},{"file":"p0123.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n123\nwerden und je intensiver sie sind. Die Kurven 69, 70, 71 und 72 auf Tafel VII zeigen eine Reihe von Aufnahmen aus einem sp\u00e4teren Stadium eines derartigen Versuches, in welchem an den Kurven auch keine Rhythmen mehr zu erkennen sind. Die letzte Kurve sinkt sofort, nachdem sie ihr Maximum erreicht hat, steil ab. Es erinnert dieses Verhalten an Beobachtungen, welche von Wedensky \\ F. B. Hoemann 2 und Fe. W. Fk\u00f6hlich 3 am vergifteten bzw. erm\u00fcdeten Nerven und Nervenmuskelpr\u00e4parat beschrieben und genauer untersucht worden sind.\nZu den Versuchen sei bemerkt, dafs an manchen Augen die zweite und dritte Belichtung h\u00f6here Kurven ausl\u00f6ste, deren Erregungsfrequenz jedoch geringer war. Waller1 2 3 4 hat eine solche H\u00f6henzunahme der Aktionsstr\u00f6me, die von einer negativen Nachwirkung gefolgt war, f\u00fcr das Froschauge beschrieben. Ishihara 5 hat auf die Beobachtung hingewiesen, dafs das Auge h\u00e4ufig bei wiederholter Reizung besser anspricht. Ich glaube, dafs es sich hier um eine Erscheinung handelt, welche dem Treppenph\u00e4nomen des Muskels entspricht. Die gleichzeitige Abnahme der Erregungsfrequenz weist darauf hin, dafs es sich um eine scheinbare Erregbarkeitssteigerung infolge Verlangsamung der Reaktionsgeschwindigkeit der Netzhaut handelt.6\nDie Erm\u00fcdung der Netzhaut, gemessen an der Frequenzabnahme ihrer Erregungen, ist, wie schon kurz erw\u00e4hnt, auch von der Reizintensit\u00e4t abh\u00e4ngig. Bei Anwendung schwacher Lichtreize kann man h\u00e4ufig mit dem Ansteigen des Aktionsstromes eine Zunahme der Erregungsfrequenz oder ein Gleichbleiben derselben beobachten. Bei starker Belichtung dagegen nimmt mit dem Absinken der Kurve auch die Frequenz der Erregungen\n1\tN. Wedensky, Erregung, Hemmung und Narkose. Pfl\u00fcgers Archiv 100, S. 1. 1903.\n2\tF. B. Hoemann, Studien \u00fcber den Tetanus. Pfl\u00fcgers Archiv 93, 1903, 103, 1904.\n3\tFr. W. Fb\u00f6hlich, Die Erm\u00fcdung des markhaltigen Nerven. Zeitschr. f. allgemeine Physiologie 3, S. 468. 1904.\n4\tA. D. Waller, On the retinal currents of the frog\u2019s Eye excited by light and excited elektrically. Philos, transent. Boy. soc. London. Vol. 193. 1900.\n5\tM. Ishihara, Versuch einer Deutung der photoelektrischen Schwankungen im Froschauge. Pfl\u00fcgers Archiv 114, S. 569. 1906.\n\u2022 Fr. W. Fr\u00f6hlich, Das Prinzip der scheinbaren Erregbarkeitssteigerung. Zeitschrift f. allgemeine Physiologie 9. 1909.","page":123},{"file":"p0124.txt","language":"de","ocr_de":"124\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nab. In der Tabelle XVI sind zwei Versuche wiedergegeben, aus welchen man diese Tatsache entnehmen kann.\nTabelle XVI.\nEledone moschata. 24.1.13. Zimmertemp. 18\u00b0 C. Wassertemp. 14,5\u00b0 C.\nReizst\u00e4rke in cm Abstand der Lichtquelle\t\t\tAnzahl der Erregungswellen\t\t\t\tin 7s\"\t\n100 cm\t6l/2\t7\t8\t8\t8 8\t8\t772\t8 8\n40 \u201e\t11\t11\tio1/*\t11\tlov. io\t10\t97,\t\n100 \u201e\t6\t7\t8\t8\t772\t7\t8\t77*\t\n40 \u201e\t11\t10\t10\t972\t10 10\t972\t\t\nEledone moschata.\t\t\t24.1. 13.\tZimmertemp. 18\t\t0 c.\tWassertemp. 14'5\u00b0 C\t\n100 cm\t8\t9\t9\t9\t972\t9\t9\t9\t9\n40 \u201e\t12\t12\t12\t11\t11 11\t10\t\t\n100 \u201e\t8\t9\t9\t9\t9\t9\t9\t9\t\n40 \u201e\t12\t12\t11\t11\t11 11\t10\t\t\nNoch deutlicher wird die Abh\u00e4ngigkeit der Erregungsfrequenz von der Erm\u00fcdung, wenn wir eine l\u00e4nger dauernde, kontinuierliche Belichtung auf die Netzhaut einwirken lassen, wie dies z. B. die Kurve 65 auf Tafel VII zeigt. Wir sehen, dafs zuerst die Frequenz der Erregungswellen und die elektromotorische Kraft des Aktionsstromes stark abnehmen, dann stellt sich ein Gleichgewichtszustand ein. Die Netzhaut hat sich an den Lichtreiz adaptiert. In der Tabelle XVII sind die Resultate einer Reihe derartiger Versuche angef\u00fchrt.\nTabelle XVII.\nEledone moschata. 5. XII. 12. Zimmertemp. 18\u00b0 C. Wassertemp. 15\u00b0 C.\nReizst\u00e4rke in cm der Entfernung der Lichtquelle\tAnzahl der Erregungswellen in l/5\" bestimmt nach V\t1\"\t2\"\t4\"\t6\"\t8\"\t10\"\t12\"\t\t\t\t\t\t\t\n1. 10 cm\t12\t11\t11\t10\t10\t10\t10\t10\n2. 10 \u201e\t11\t10\t97.\t9\t9\t9\t9\t9\n3. 10 \u201e\t11\t97*\t8\t7\t7\t7\t7\t7\n4. 10 \u201e\t10\t8\t7\t7\t7\t7\t7\t7\n5. 10 \u201e\t9\t77*\t7\t7\t7\t7\t7\t7","page":124},{"file":"p0125.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n125\nEledone moschata. 14. XII. 12. Zimmertemperatur 13\u00b0 C.\nWassertemperatur 14'5\u00b0 C.\nReizst\u00e4rke in cm der Entfernung der Lichtquelle\nAnzahl der Erregungswellen in Vs bestimmt nach V5\"\t1\"\t2\"\t4\"\t5\"\t10\"\t15\"\t30\"\t100\"\n1. 100 cm\n2.\n3.\n7\t6\t7\t7\t7\n10\t9\t10\t9\t8x/2\n11\t11\t10\t10\t8\n7\n87t\t87,\n7\t7\t7\t7\nDer \u00dcbersicht wegen ist das Resultat der 1. und 5. Reizung des ersten Versuches der vorstehenden Tabelle in Form von Kurven wiedergegeben (Fig. 25). Wir sehen, dafs nach jeder Reizung in der Reizpause, die etwa 1 Sekunde dauerte, eine Erholung eintrat, dafs aber das Absinken der Frequenz am erm\u00fcdeten Auge viel rascher erfolgte.\nIch habe in einer gr\u00f6fseren Reihe von Versuchen auch die Erm\u00fcdung der Netzhaut durch farbige Reizlichter gepr\u00fcft. Diese Versuche haben zwei Tatsachen ergeben, welche besonders hervorgehoben werden m\u00fcssen. Es ist schon oben darauf hingewiesen worden, dafs die schwach wirksamen Lichter, wie das Rot und Gelb, selbst bei starker Intensit\u00e4t nur schwache Aktionsstr\u00f6me hervor-rufen, welche w\u00e4hrend der Belichtung nicht absinken, dafs dagegen das unzerlegte Licht bei gr\u00f6fserer Intensit\u00e4t eine deutliche Erm\u00fcdung der Netzhaut veranlafst, die mit einem Absinken der Kurve w\u00e4hrend der Belichtung einhergeht. Dieses Absinken ist auch von einer Abnahme der Erregungsfrequenz begleitet. Dieses Verhalten wird sehr deutlich, wenn wir z. B. rotes, blaues und unzerlegtes Licht bei gleichgrofser Entfernung der Lichtquelle auf das Auge ein wirken lassen1. Aus solchen\nFig. 25.\n1 In der zweiten Mitteilung dieser Untersuchungsreihe sind solch\u00e9 Kurven wiedergegeben.","page":125},{"file":"p0126.txt","language":"de","ocr_de":"126\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nVersuchen geht die Tatsache hervor, dafs verschiedenfarbige Lichter entsprechend ihrer verschiedenstarken Wirksamkeit die Netzhaut unter sonst gleichen Bedingungen verschieden stark erm\u00fcden, am wenigsten das rote, am meisten das unzerlegte, weifse Licht. Die zweite wichtige Tatsache ist, dafs die Netzhaut, welche durch irgendein Licht erm\u00fcdet worden ist und an Erregbarkeit verloren hat, auch f\u00fcr anderes Licht weniger erregbar geworden ist, der Erregbarkeitsverlust ist jedoch nicht f\u00fcr alle Farben gleich. Durch Erm\u00fcdung der Netzhaut mit unzerlegtem Licht verlieren die kurzwelligen Strahlen mehr an Wirksamkeit als die langwelligen. Als Ausdruck dieses Verhaltens ist dasPurkinje-sche Ph\u00e4nomen anzusehen.1\nDiese wichtigen Beziehungen lassen sich vielleicht noch in anderer Weise deutlicher ausdr\u00fccken. Die Erregbarkeit der Netzhaut f\u00fcr unzerlegtes Licht wird durch eine Belichtung mit farbigem Licht um so st\u00e4rker herabgesetzt, je wirksamer das betreffende Licht ist. Durch Reizung mit unzerlegtem Licht wird die Erregbarkeit der Netzhaut f\u00fcr Lichtstrahlen verschiedener Wellenl\u00e4nge verschiedenstark herabgesetzt, am st\u00e4rksten f\u00fcr die kurzwelligen Lichter. Diese Feststellungen sind f\u00fcr das Verst\u00e4ndnis der Umstimmungserscheinungen der Netzhaut und aller jener Erscheinungen, welcher der Umstimmung nahestehen, wie die der Nachbilder und der Kontraste, von allergr\u00f6fster Bedeutung. Die Nachbilder sind zum Teil wenigstens auf die Nachrhythmen zur\u00fcckzuf\u00fchren, die um so st\u00e4rker und frequenter sind, je st\u00e4rker wirksam die vorhergehende Belichtung war. Die Nachbilder h\u00e4ngen auch mit der Erregbarkeitsherabsetzung f\u00fcr unzerlegtes oder auch farbiges Licht zusammen, welche um so st\u00e4rker ist, je wirksamer der vorhergehende Lichtreiz war.\nAls Gegenbeweis gegen eine Erm\u00fcdungstheorie der Nachbilder werden vielfach die rhythmischen Nachbilder herangezogen. Wir k\u00f6nnen leicht die Tatsache beobachten, dafs ein Nachbild entsteht und verschwindet, um dann neuerdings zu entstehen und wieder zu verschwinden. Dieses periodische Auftreten der Nachbilder vermochte die Erm\u00fcdungstheorie bisher nicht zu erkl\u00e4ren. Aber auch die periodischen Nachbilder finden jetzt nach Auf-\n1 Siehe dar\u00fcber die vierte Mitteilung dieser Untersuchungsreihe.","page":126},{"file":"p0127.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n127\ndeckung der langdauernden Nachrhythmen, welche sich an gut wirksame Belichtungen anschliefsen, ihre einfache Erkl\u00e4rung. Die Nachrhythmen an sich lassen keine periodischen Schwankungen erkennen, die Erregungswellen des Nachrhythmus rufen jedoch im Zentralnervensystem rhythmische Erregbarkeitsschwankungen hervor, als deren Ausdruck die periodischen Nachbilder anzusehen sind. Solche rhythmische Erregbarkeitsschwankungen bzw. rhythmische Reflexe bei konstant einwirkenden Reizen sind im Gebiet des Zentralnervensystems sehr h\u00e4ufig, ja sogar so h\u00e4ufig, dafs Sherrington 1 und andere sie als eine charakteristische Eigenschaft des Zentralnervensystems anf\u00fchren.\nDie Erholung der Netzhaut.\nIm folgenden m\u00f6chte ich \u00fcber Versuche berichten, welche zur Feststellung der Erholung der Netzhaut nach einer Belichtung ausgef\u00fchrt worden sind.\nWird nach einer lange dauernden Belichtung oder nach einer \u2022Reihe aufeinanderfolgender Belichtungen des Auges eine Pause eingeschaltet, so weist die elektromotorische Kraft der Aktionsstr\u00f6me, die w\u00e4hrend der Belichtungen abgenommen hatte, bei erneuter Belichtung eine Zunahme auf, die schon kurze Zeit nach der erm\u00fcdenden Belichtung sehr stark ist. Die Zunahme wird dann schnell geringer, und bald ist kein weiteres Anwachsen der Aktionsstr\u00f6me mehr zu sehen. Systematische U ntersuchungen,welche \u00fcber den zeitlichen Verlauf der Zunahme der elektromotorischen Kraft der Aktionsstr\u00f6me Aufschlufs geben k\u00f6nnten, stofsen auf die Schwierigkeit, dafs durch die zwischengeschaltete Reizung, die ja gr\u00f6fsere Intensit\u00e4t und l\u00e4ngere Dauer haben mufs, eine neue Erm\u00fcdung gesetzt wird, die den Verlauf der Erholung st\u00f6rt. In Tabelle XVIII ist der Verlauf eines derartigen Versuches wiedergegeben, der aber nur mit der erw\u00e4hnten Einschr\u00e4nkung betrachtet werden darf.\nTabelle XVIII.\nEledone moschata. 23. I. 13. Zimmertemp. 170 C. Wassertemp. 14'50 0.\nZeit\tElektromotorische Kraft der Aktionsstr\u00f6me in Millivolt\tFrequenz der Erregungswellen in Vs\"\n516\t4*6 MV\t10 10 10 10 10\n1 Ch. S. Shekington, The integrative action of the nervous system. London 1906. S. 14.","page":127},{"file":"p0128.txt","language":"de","ocr_de":"128\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nnach 20 Reizungen mit 65 cm Abstand der Lichtquelle\nZeit\tElektromotorische der Aktionsstr\u00f6me in\tKraft Millivolt\tFrequenz der Erregungswellen in 15\"\t\t\t\t\n518\t3-1\t\t8\t7\t7\t7\t7\t7\n519\t4-1\t\t10\t9\t9\t8l/t\t8 8\n5 \"5\t4*3\t\t10\t9\t9\t8\t8 8\n530\t4-4\t\t10\t10\t9\t8\t8\t7\nDie Reizungen folgten einander in Intervallen von 1 Sekunde nnd dauerten l\u2019/a Sekunden.\nGenaueren Aufschlufs \u00fcber den zeitlichen Verlauf der Erholung und die St\u00e4rke der Erholung gaben Versuche, bei welchen blofs die Ver\u00e4nderung der Reizschwelle beobachtet wurde. Zu diesem Zweck wurde das Saitenbild des Galvanometers auf eine Skala geworfen und die Reizst\u00e4rken bestimmt, welche einen eben sichtbaren Aktionsstrom hervorriefen. Die Erm\u00fcdung wurde durch eine 50 kerzige Metallfadenlampe erzielt, welche zwischen den kreisf\u00f6rmigen Ausschnitt der Feuchtkammer und die zur Erregbarkeitspr\u00fcfung dienende Lampe eingeschoben wurde. So konnte die Erm\u00fcdung bei verschiedenem Abstand der \u00f6Okerzigen Lampe vorgenommen werden. Sollte die Erregbarkeit gepr\u00fcft werden, so wurde die Lampe verl\u00f6scht und beiseite geschoben, und die Erregbarkeitspr\u00fcfung mit der anderen Lampe vorgenommen. Es hatte sich als zweckm\u00e4fsiger erwiesen, zur Erm\u00fcdung des Auges eine st\u00e4rkere Lampe zu verwenden als zur Pr\u00fcfung der Erregbarkeit.\nDie \u00dfelichtungsst\u00e4rken bewegten sich zwischen Intensit\u00e4ten, welche eine eben nachweisbare Erm\u00fcdung hervorriefen und solchen, welche eine Blendung des Auges veranlafsten. W\u00e4hrend der erm\u00fcdenden Belichtung wurde der zeitliche Verlauf des Netzhautstromes beobachtet. Es zeigte sich, dafs der Aktionsstrom w\u00e4hrend der Belichtung je nach der Intensit\u00e4t der Belichtung mehr oder weniger abfiel, dann aber als Ausdruck der erfolgten Helladaptation seine H\u00f6he beibehielt. In der Tabelle XIX sind die Resultate solcher Versuche angegeben.","page":128},{"file":"p0129.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n129\nTabelle XIX.\n1. Eledone moschata 7. I. 13 Zimmertemp. 18 \u00b0C, Wassertemp. 15\u00b0 C. Beizschwelle \u00fcber 200 cm = unter 0 25 Einheiten. 30\" Belichtung mit einer 50 kerziger Lampe aus 25 cm Entfernung.\nZeit\tBeizschwelle in I\n216\t10-24\n217\t2-56\n218\t1-69\n219\t1-21\n227\t104\n230\t1\n250\t0-43\n2. Eledone moschata 7. 1.13 Zimmertemp. 18\u00b0 C, Wassertemp. 15\u00b0 C. Beizschwelle \u00fcber 200 = unter 025 Einzelheiten. 30\" Belichtung mit einer 50 kerziger Lampe aus 25 cm Entfernung.\nZeit\n255\n256\n2*7\n258\n3\u00b0i\n32\u00b0\n350\nBeizschwelle in Einheiten 10-89 2-56 2*25 1-69 1-44 1-1 0-7\n)\nFig. 26.\nDie Erregbarkeitsherabsetzung durch die Reizung l\u00e4fst sich nicht genau bestimmen, da die Erregbarkeit unmittelbar nach Beendigung der Belichtung sehr rasch ansteigt. In Wirklichkeit ist demnach die Erregbarkeitsherabsetzung st\u00e4rker, als dies in der Tabelle XIX zum Ausdruck kommt.\nNach st\u00e4rkeren Belichtungen ist die Erregbarkeitsherabsetzung st\u00e4rker, die Erholung setzt noch rascher ein. Dies geht aus dem Versuch der Tabelle XX und den dazugeh\u00f6renden Kurven (Fig 26) deutlich hervor.\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 48.\n9","page":129},{"file":"p0130.txt","language":"de","ocr_de":"130\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nTabelle XX.\nEledone moschata 7.1. 13 Zimmertemperatur 19 \u00b0C, Wassertemperatur 15\u00b0 0. Das Auge wurde zuerst 1 Minute bei einem Abstand der Lichtquelle von 15 cm, dann bei einem Abstand von 1 cm belichtet. Die Reizschwelle lag \u00fcber 200 cm Entfernung der Lichtquelle, das ist unter 0'25 Einheiten.\nZeit 1001 1002 10\u00b03 1007 1010 1020\nReizschwelle in Einheiten 4\n1*69\n1\n0-6\n0-4\n0-4\nEinschaltung der zweiten Belichtung\n1031\n1033 1Q33\n1034 1Q50\n11h\n27\n625\n2\u201825\n1-69\n1*69\n1.69\nIn der Fig. 26 ist auf der Abscisse die Zeit, auf der Ordinate die Reizintensit\u00e4t aufgetragen, welche eben einen Aktionsstrom hervorrief.\nEin entsprechender Verlauf der Erholungskurve l\u00e4fst sich an den verschiedensten Formen lebender Substanz nachweisem Bei allen setzt die Erholung nach einer erm\u00fcdenden Reizung zuerst sehr rasch ein, um dann immer langsamer zuzunehmen. Der Zustand, den die lebendige Substanz vor der Reizung gezeigt hat, wird erst nach unverh\u00e4ltnism\u00e4fsig langer Zeit erreicht. Ich habe schon vor einer Reihe von Jahren auf diese Verh\u00e4ltnisse ausf\u00fchrlich hingewiesen und die \u00dcbereinstimmung betont, welche mit dem zeitlichen Verlauf chemischer Reaktionen besteht.\nIch habe auf einzelne Augen so starke Belichtungen einwirken lassen, dafs eine starke Blendung erfolgte, die in einer stark entwickelten negativen Nachwirkung und in einer verz\u00f6gerten und unvollst\u00e4ndigen Erholung zum Ausdruck kam. Sofern sich aber eine Erholung zeigte, so wies sie immer den charakteristischen Verlauf auf; sie verlief zuerst schnell, dann immer langsamer. Diese Beobachtung ist deswegen besonders wichtig, weil die Kurven der Dunkeladaptation, wie sie Piper 1\n1 H. Piper, Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 31. S. 161. 1903.","page":130},{"file":"p0131.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n131\nan stark helladaptierten Menschen festgestellt hat, einen s-f\u00f6rmigen Verlauf auf weisen. Die Erregbarkeit steigt zuerst langsam, dann schnell, dann wieder langsam an. Dieser Verlauf ist in der ausgezogenen Kurve der Fig. 27 wiedergegeben. Es liegt hier ein Widerspruch vor zwischen der Beobachtung am isolierten Sinnesorgan und der Beobachtung am Menschen. Dieser Widerspruch kann nur dadurch zustande kommen, dafs in der Kurve der menschlichen Dunkeladaptation die Erholung von Sinnesorgan und Zentralnervensystem gleichzeitig eingeschlossen ist. Die s-f\u00f6rmige Kurve l\u00e4fst sich, wie dies die Fig. 27 zeigt, leicht aus zwei Kurven zusammensetzen, von denen die eine die schnellere Erholung des weniger erm\u00fcdbaren Sinnesorganes, die andere die langsamere Erholung des erm\u00fcdbareren Zentralnervensystems wiedergibt. Ein erm\u00fcdbareres Organ braucht l\u00e4ngere Zeit zur Erholung. Auf diese Weise w\u00fcrde sich die Kurve der menschlichen Helladaptation ohne weiteres den allgemeinen Erfahrungen \u00fcber den zeitlichen Verlauf der Erholung nach einer erm\u00fcdenden Reizung ein-f\u00fcgen, w\u00e4hrend sie ohne diese Deutung ein Novum w\u00e4re, f\u00fcr welches jede Analogie fehlte.\nAus den Versuchen der Tabelle XIX und XX k\u00f6nnen wir auch die Empfindlichkeitszunahme der Augen durch Dunkeladaptation ersehen. Dieselbe erscheint gering, die Erregbarkeit wies in meinen Versuchen maximal eine Zunahme um das 40 fache auf. Diese Werte sind deshalb so niedrig, weil am ausgeschnittenen Auge insbesondere nach wiederholter Belichtung die Erholung nur unvollst\u00e4ndig war, und \u00fcberdies die urspr\u00fcngliche Reizschwelle nicht festgestellt werden konnte. Wir k\u00f6nnen jedoch einen Einblick in die Empfindlichkeits\u00e4nderung bei Helladaption erlangen, wenn wir die Erregbarkeit des dunkel- und dann des helladaptierten Auges feststellen. Nehmen wir an, die Reizschwelle liegt bei 400 cm Abstand der Lichtquelle, \u2014 dieser Wert ist nach einigen orientierenden Versuchen sicher noch zu gering bemessen \u2014 und steigt nach starker Belichtung auf 25 cm Abstand der Lichtquelle, ein Absinken, das h\u00e4ufig beobachtet","page":131},{"file":"p0132.txt","language":"de","ocr_de":"132\nFriedrich TF. Fr\u00f6hlich.\nwurde, so w\u00fcrde sich eine Empfmdlichkeitsabnahme um das 260 fache ergeben. Wir w\u00fcrden uns damit den Werten ann\u00e4hern, welche Carl v. Hess 1 bei seinen Untersuchungen \u00fcbei die Adaptation der Cephalopoden festgestellt hat.\nTheorie der Hell- und Dunkeladaptation.\nAuf Grund aller dieser Erfahrungen bekommen wir ein klares Bild von dem Wesen der Hell- und Dunkeladaptation. Das dunkeladaptierte Auge reagiert auf einen starken Lichtreiz mit intensiven und frequenten Erregungen. Die Netzhaut adaptiert sich an diesen Lichtreiz, indem die Intensit\u00e4t und Frequenz ihrer Erregungswellen so lange abnimmt, bis ein Gleichgewicht zwischen dem durch die Reizung gesteigerten Zerfall und der gleichzeitig erfolgenden Erholung eintritt.\nDas Zustandekommen dieses Gleichgewichtes k\u00f6nnen wir an Hand der Vorstellungen Herings von den Vorg\u00e4ngen in der lebenden Substanz leicht verstehen. Durch den fortdauernden Reiz wird die Erregbarkeit der Netzhaut herabgesetzt, das zeigen auch unsere Versuche deutlich, gleichzeitig nimmt die Disposition der Netzhaut f\u00fcr die Restitution oder, wie Hering sagt, f\u00fcr die Assimilation zu. Wir sehen aus dem Versuch der Tabelle XX, mit welcher Geschwindigkeit und Intensit\u00e4t die Dunkeladaptation nach einer st\u00e4rker wirksamen Reizung einsetzt. Diese beiden Prozesse wirken auch w\u00e4hrend der Reizung einander entgegen, vielleicht ist der Erregungsrhythmus der Ausdruck dieser entgegengesetzt gerichteten Prozesse. Nach Hering m\u00fcssen wir die Helladaptation als einen Zustand der Unterwertigkeit der Sehsubstanz bezeichnen, ich glaube, dafs hier auch die Bezeichnung Erm\u00fcdung gerechtfertigt ist. Der Begriff der Erm\u00fcdung w\u00e4re sicher viel zu enge gezogen, w\u00fcrde man unter Erm\u00fcdung nur den vollkommenen Erregbarkeitsverlust durch eine Reizung verstehen.\nDie Auffassung der Helladaptation als Erm\u00fcdungszustand der Netzhaut w\u00fcrde sich demnach zwanglos ergeben, aber Hering hat in j\u00fcngster Zeit selbst Einw\u00e4nde gegen diese Deutung erhoben. Ich m\u00f6chte auf einen dieser Einw\u00e4nde deshalb eingehen, weil er sich durch unsere Beobachtungen leicht widerlegen l\u00e4fst. Hering schreibt in seiner Abhandlung \u00fcber die Grundz\u00fcge der Lehre\n1 Carl y. Hess, Neue Untersuchungen \u00fcber den Lichtsinn bei wirbellosen Tieren. Pfl\u00fcgers Archiv 136, S. 282. 1910.","page":132},{"file":"p0133.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n133\nvom Lichtsinn. \u201eNach der \u00fcblichen Auffassung w\u00e4re das offene Auge tags\u00fcber in einem Erm\u00fcdungszustande, der einen um so h\u00f6heren Grad erreicht hat, je st\u00e4rker die Beleuchtung der uns umgebenden Dinge ist. Der stetige \u201einnere Lichtreiz\u201c, welcher auch bei g\u00e4nzlicher Verfinsterung unver\u00e4ndert fortbestehen soll, m\u00fcfste dann wegen der sehr herabgesetzten Erregbarkeit der Netzhaut eine so schwache Erregung derselben bewirken, dafs die Eigenfarbe jenem absoluten Schwarz sehr nahe kommen m\u00fcfste, welches nach dieser Lehre dem Fehlen jeder Erregung entsprechen w\u00fcrde. Dies ist nicht der Fall.\u201c Wir wissen aber jetzt, dafs sich an einen stark wirksamen Lichtreiz eine rhythmische Nachwirkung von betr\u00e4chtlicher St\u00e4rke und Dauer an-schliefsen kann, die von einer Erregbarkeitsherabsetzung begleitet ist. Diese rhythmische Nachwirkung ist f\u00fcr das sog. Eigenlicht der Netzhaut verantwortlich zu machen. Nach starker Belichtung der Netzhaut treten h\u00e4ufig so starke Nachrhythmen auf, dafs die Bestimmung der Erholungskurve dadurch erschwert wird. Auch Piper gibt an, dafs seine helladaptierten Versuchspersonen in ihren Beobachtungen h\u00e4ufig durch starke Nachbilder behindert wurden.\nIst f\u00fcr einen Lichtreiz bestimmter Intensit\u00e4t die Helladaption eingetreten, d. h. reagiert die Netzhaut jetzt mit Erregungen gleichbleibender Intensit\u00e4t und Frequenz, so kann durch Steigerung der Lichtintensit\u00e4t ein Anwachsen des Aktionsstromes und eine Zunahme der Erregungsfrequenz erzielt werden. Dies nat\u00fcrlich nur bis zu einer gewissen Grenze der Belichtungsintensit\u00e4t. \u00dcber diese hinaus nehmen die Aktionsstr\u00f6me nicht mehr zu, das Auge wird geblendet.\nWir m\u00fcfsten auf Grund dieser Ergebnisse erwarten, dafs das dunkeladaptierte Auge auf Belichtungen am besten reagiert und die sch\u00e4rfsten Gesichtswahrnehmungen vermittelt. In unseren Experimenten am isolierten Auge ist dies auch wirklich der F all, anders dagegen in den Versuchen am Menschen. Unser dunkeladaptiertes Auge wird durch eine mittlere Beleuchtung geblendet, die uns nach Eintritt der Helladaptation ein ausgezeichnetes Sehen gestattet. Dieses Gef\u00fchl der Blendung kann nur auf die Wirkung der starken Erregungswellen zur\u00fcckgef\u00fchrt werden, welche im dunkeladaptierten, sehr gut erregbaren Auge bei Beginn der Lichtwirkung ausgel\u00f6st werden und die Erregbarkeit des Zentralnervensystems so lange herabsetzen, bis durch","page":133},{"file":"p0134.txt","language":"de","ocr_de":"134\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nden Eintritt der Helladaptation des Auges die Intensit\u00e4t der zum Zentralnervensystem gehenden Erregungen geringer geworden ist.\nWir lernen hier die Vorg\u00e4nge kennen, welche der Blendung zugrunde liegen. Die Blendung kann sowohl durch \u00dcberreizung der Netzhaut als auch durch \u00dcberreizung des Zentralnervensystems zustande kommen. Die Blendung der Netzhaut tritt nach starken Belichtungen auf und \u00e4ufsert sich durch eine starke negative Nachwirkung und eine starke Erregbarkeitsherabsetzung. Die Blendung, die durch \u00dcberreizung des Zentralnervensystems zustande kommt, ist dadurch erkenntlich, dafs sie mit Eintritt der Helladaptation wieder zur\u00fcckgeht. An einen Reiz, welcher so stark ist, dafs er eine Blendung der Netzhaut veranlafst, gibt es keine Helladaptation, es tritt dann eine Sch\u00e4digung der Netzhaut ein und die Dunkeladaptation braucht, wenn sie \u00fcberhaupt nach einer solchen Reizung eintritt, unverh\u00e4ltnis-m\u00e4fsig lange Zeit.\nIn welcher Beziehung steht nun die F\u00e4rb en Wahrnehmung zur Hell- und Dunkeladaptation? Auf diese Frage sei zum Schlufs noch kurz eingegangen. Ich habe, veranlafst durch die Entdeckung der Netzhautrhythmen und ihrer Abh\u00e4ngigkeit von der Intensit\u00e4t und Qualit\u00e4t des Reizlichtes, folgende Theorie der Licht- und Farbenwahrnehmung ausgesprochen: Die Lichter verschiedener Wellenl\u00e4nge rufen in der Netzhaut Erregungen verschiedener Intensit\u00e4t und Frequenz hervor. Diese verschieden intensiven und frequenten Erregungen veranlassen im Zentralnervensystem antagonistische Prozesse, Erregung und Hemmung, und zwar starke und schwache Erregung, starke und schwache Hemmung. Diese Prozesse sind als die physiologischen Grundlagen der Licht und Farbenwahrnehmung anzusehen. Bei den Cephalopoden mufs durch Erm\u00fcdung das Farbenunterscheidungsverm\u00f6gen beeintr\u00e4chtigt werden, da die Frequenz der durch einen Lichtreiz ausgel\u00f6sten Erregungen w\u00e4hrend der Wirkung des Lichtreizes, abnimmt. In der Fovea zentralis des Menschen, der Stelle der deutlichsten Farbenwahrnehmung, ist dagegen die Erm\u00fcdbarkeit der Netzhaut, wie aus der Tatsache der geringen Adaptationsbreite hervorgeht, nur gering. Auch ist durch die Temperaturkonstanz des menschlichen Auges eine gewisse Stetigkeit des Erregungsablaufes gegeben. Nichtsdestoweniger kann auch hier durch Erm\u00fcdung eine Ver\u00e4nderung der Farbempfindung hervorgerufen werden, auch das menschliche Auge besitzt keinen absoluten Farbensinn.","page":134},{"file":"p0135.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n135\nZusammenfassung.\n1.\tDie Helladaptation ist Ausdruck einer Erm\u00fcdung der Netzhaut. Die helladaptierte Netzhaut reagiert auf den Lichtreiz, an w eich en sie sich ad ap-tiert hat, mit weniger frequenten und weniger intensiven Erregungswellen.\n2.\tFar bige Lichter ruf en en tsprechend ihrer verschied enen Wirksamkeit eine verschieden starke Erm\u00fcdung der Netzhaut hervor.\n3.\tDie Erm\u00fcdbarkeit der Netzhaut ist geringer als die des Zentralnervensystems. In Beziehung zu dieser Feststellung konnte an einer Reihe wichtiger Beispiele gezeigt werden, wie sehr die Resultate sinnesphysiologischer Versuche am Menschen durch die verschiedene Erm\u00fcdbarkeit der Netzhaut und des Zentralnervensystems beeinflufst werden.\nIY. \u00dcber die Wirksamkeit farbiger Lichter auf die Netzhaut.\nEinleitung.\nDie Erkenntnis der Abh\u00e4ngigkeit der Intensit\u00e4t und Frequenz der Netzhauterregungen von der Intensit\u00e4t des Lichtreizes liefs \u2022es w\u00fcnschenswert erscheinen die Wirkung farbiger Lichter auf die Netzhaut zu untersuchen. Ich habe bereits an anderer Stelle kurz \u00fcber die Resultate dieser Versuche berichtet, m\u00f6chte sie jedoch hier ausf\u00fchrlicher besprechen, da sie eine Reihe beachtenswerter Tatsachen ergeben haben.\nDie Wirksamkeit spektraler Lichter auf die Netzhaut der Cephalopoden ist bereits von Piper1 untersucht worden. Piper bediente sich bei seinen Versuchen eines Dispersionsspektrums des Nernstlichtes und stellte fest, dafs das Maximum der Wirksamkeit im gr\u00fcnblauen Anteil des Spektrums gelegen ist. Nach dem Rot- und Violettende nimmt die Wirksamkeit der Strahlen ab. Schon aus diesen Versuchen w\u00fcrde hervorgehen, dafs Strahlen verschiedener Wellenl\u00e4nge auf die Netzhaut verschieden stark wirken, und daher in ihr verschieden starke und frequente\n1 H. Piper, Das elektromotorische Verhalten der Netzhaut bei Eledone mosch ata. Archiv f\u00fcr Physiologie. 1903.","page":135},{"file":"p0136.txt","language":"de","ocr_de":"136\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nErregungen hervorrufen m\u00fcssen. Die Wirksamkeitskurve spektraler Lichter, welche Piper wiedergibt, zeigt jedoch, dafs an beiden Seiten des im Blaugr\u00fcn gelegenen Maximums Strahlen verschiedener Wellenl\u00e4nge festzustellen sind, die auf die Netzhaut gleichstark wirken. Diese Tatsache w\u00fcrde sich einer Theorie der Farbenwahrnehmung entgegenstellen, welche annimmt, dafs Strahlen verschiedener Wellenl\u00e4nge in der Netzhaut verschiedenartige Erregungen hervorrufen. In Anbetracht der Wichtigkeit der Begr\u00fcndung oder Widerlegung dieser Theorie erschien es notwendig, die Versuche Pipers aufzunehmen und weiterzuf\u00fchren.\nMethodik.\nZur Untersuchung der Wirksamkeit farbiger Lichter verwendete ich drei verschiedene Methoden. Lichtfilter bekannter Durchl\u00e4ssigkeit, ein Dispersionsspektrum, das durch Zerlegung des Lichtes einer Nernstlampe durch ein Schwefelkohlenstoffprisma erhalten wurde, und ein Interferenzspektrum des Sonnenlichtes, zu dessen Darstellung mir ein THORPSches Gitter diente. Jede dieser Methoden weist f\u00fcr die Beantwortung unserer Frage Vor- und Nachteile auf. Kombiniert erm\u00f6glichen sie einen tieferen Einblick in die Wirksamkeit verschiedenfarbiger Lichter.\nAls Lichtfilter stand mir eine OT \u00b0/0 Lithionkarminl\u00f6sung und eine 5\u00b0/0 L\u00f6sung von Cupramoniumsulfat zur Verf\u00fcgung. Sie wurden in geschliffenen Absorptionsgef\u00e4fsen von 10 mm lichter Weite verwendet. Die Durchl\u00e4ssigkeit dieser Farbl\u00f6sungen bei einer Schichtdicke von 10 mm ist von Busk 1 einer genauen Untersuchung unterzogen worden. Ich gebe im folgenden die Angaben wieder, welche sich dar\u00fcber im TioERSTEDTschen Handbuch der physiologischen Methodik finden.\nDurchl\u00e4ssigkeit der Farbl\u00f6sungen f\u00fcr die Strahlen einer Nernstlampe.\n01 \u00b0/0 Lithionkarmin :\nWellenl\u00e4nge in w\t748, 730, 713,\t696,\t680, 664, 649,\t635,\t622, 60$\nDurchl\u00e4ssigkeit in \u00b0/0\t70\t75\t79\t80\t76\t67\t55\t30\t10\t2\n5 % Cuprammoniumsulfat :\nWellenl\u00e4nge in fiu 511,505,499,493, 487,477,472,467,457,452, 447,443, 439,435 Durchl\u00e4ssigkeit in % 0\u20185 1\t2\t4\t6\t12 17 21 28 35 42 46 49 50\nMit 100 ist die vollkommene Durchl\u00e4ssigkeit f\u00fcr eine Strahlenart bezeichnet. Wir sehen, dafs die maximale Durchl\u00e4ssigkeit\n1 W. Nagel, Die Methoden der Erforschung des Licht- und Farbensinnes. Handbuch der physiologischen Methodik, Bd. III. 1909.","page":136},{"file":"p0137.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n137\nbeider Farbl\u00f6sungen f\u00fcr blaue bzw. rote Lichter nicht gleich stark ist. Die Intensit\u00e4ten der durchgelassenen roten und blauen Strahlen verhalten sich zu dem unzerlegten Licht wie 0\u20198 :0 5 :1. Es w\u00e4ren also die Intensit\u00e4ten der drei Lichtarten nicht unbedingt miteinander vergleichbar. Wie wir weiter unten sehen werden, sind jedoch die Wirksamkeitsunterschiede dieser drei Lichtarten so aufserordentlich grofs, dafs der durch die verschieden starke Durchl\u00e4ssigkeit der Farbfilter bedingte Fehler absolut nicht in Betracht kommen kann. Ich habe die Durchl\u00e4ssigkeit der Lichtfilter auch in der Weise gepr\u00fcft, dafs ich den von ihnen nicht absorbierten Spektralbezirk mit dem gleichen Abschnitt eines Vergleichsspektrums verglich. Ich konnte einen Helligkeitsunterschied subjektiv nicht feststellen.\nDie Lichtfilter wurden bei den Versuchen vor den kreisf\u00f6rmigen Ausschnitt der Feuchtkammer gesetzt, so dafs beim Einschalten der zur Belichtung dienenden Lampe der Ausschnitt in der Farbe des Lichtfilters auf leuchtete und dafs 11 cm entfernte Auge erregte. Auch in diesen Versuchen war das Auge stets so orientiert, dafs nur die eine Ableitungsstelle belichtet wurde. Die Lichtquelle konnte auf einer optischen Bank verschoben und auf diese Weise die Reizintensit\u00e4t in einfacher Weise ver\u00e4ndert werden. N\u00e4here Angaben \u00fcber die Versuchsanordnung finden sich in der ersten Mitteilung dieser Untersuchungsreihe. Die Bestimmung der Wirksamkeit der verwendeten Reizlichter wurde in der Weise vorgenommen, dafs die durch sie hervorgerufenen Aktionsstr\u00f6me photographisch registriert oder die Saitenbewegung des Galvanometers an einer Skala abgelesen und aus diesen Ausschl\u00e4gen die elektromotorische Kraft berechnet wurde.\nZur Dispersion des Nernstlichtes wurde ein grofses Schwefelkohlenstoffprisma verwendet. Der fadenf\u00f6rmige Gl\u00fchk\u00f6rper der Nernstlampe, dessen Heizspirale abgenommen war, ersparte die Anwendung eines Spaltes. Durch eine zwischen Nernstlampe und Prisma eingeschaltete Konvexlinse wurde das Spektrum in einer Breite von 11 cm auf die Vorderwand der Feuchtkammer entworfen. Aus dem Spektrum wurde durch den kreisf\u00f6rmigen Ausschnitt der Feuchtkammer ein 1 cm breites St\u00fcck herausgeschnitten. Bei diesen Versuchen stand die ganze Feuchtkammer auf einen leicht gleitenden Glasschlitten, so dafs ihr kreisf\u00f6rmiger Ausschnitt durch das ganze Spektrum durchge-","page":137},{"file":"p0138.txt","language":"de","ocr_de":"138\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nschoben werden konnte. Die Belichtung wurde vorgenommen, indem ein breiter, schwarzer Schirm, der den kreisf\u00f6rmigen Ausschnitt bedeckte, f\u00fcr gleiche Zeiten weggehoben wurde. Die Intensit\u00e4t des Reizlichtes konnte durch eine Irisblende, welche zwischen Linse und Prisma lag, variiert werden.\nIch habe mich bei diesen Versuchen begn\u00fcgt die Farbe des Reizlichtes bei jeder Belichtung zu bestimmen. Um dies zu erleichtern, hatte die Platte, auf welcher die Feuchtkammer stand, einen Zeiger, dessen Stellung dem kreisf\u00f6rmigen Ausschnitt der Feuchtkammer entsprach. Der Zeiger glitt auf einer Skala, welche gestattete, den kreisf\u00f6rmigen Ausschnitt immer in den gleichen Teil des Spektrums zu bringen bzw. um gleiche Teile zu verschieben.\nEs wurde von einer Bestimmung der Wellenl\u00e4nge der Reizlichter abgesehen, da uns eine solche keinen Aufschlufs \u00fcber die\nFig. 28.\ntats\u00e4chliche Wirksamkeit eines Lichtes bestimmter Wellenl\u00e4nge zu bringen vermag. Schneiden wir aus einem Spektrum einen Anteil heraus, so haben wir immer eine gewisse Zahl von Strahlen verschiedener Wellenl\u00e4nge, die auf das Auge ein wirken. Aber auch abgesehen davon, erhalten wir keine vergleichbaren Reiz-intensit\u00e4ten. Ein Prisma zerstreut die roten Strahlen viel weniger als die violetten. Es wird zwar immer wieder auf diese wichtige Tatsache hingewiesen, aber sie wird vielfach doch nicht gen\u00fcgend ber\u00fccksichtigt. Dies f\u00fchrt dann zu Resultaten, welche an sich vollkommen richtig sind, uns aber keinen Einblick in die Wirksamkeit der Strahlen verschiedener Wellenl\u00e4nge auf das Versuchsobjekt gew\u00e4hren. Ich m\u00f6chte im folgenden auf diese Verh\u00e4ltnisse eingehen und an Hand der vorliegenden Versuche die Berechtigung unseres Bedenkens nachweisen. Die Fig. 28 zeigt zwei gleichlange Spektren, das eine ein Dispersionsspektrum, das zweite ein Interferenzspektrum. Letzteres ist dadurch ausge-","page":138},{"file":"p0139.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n139\nzeichnet, dafs die Strahlen proportional ihrer Wellenl\u00e4nge gebeugt werden, d. h. gleichen Abst\u00e4nden im Interferenzspektrum entsprechen gleiche Unterschiede in der Wellenl\u00e4nge. Wenn wir nun in den beiden Spektren die Lage der wichtigsten Absorptionslinien vergleichen, so sehen wir, wie nahe aneinander die Linien A und B im Dispersionsspektrum, wie weit voneinander sie im Interferenzspektrum liegen. Wir sehen, wie weit entfernt voneinander die Linien G und H im Dispersionsspektrum sind, w\u00e4hrend sie im Interferenzspektrum einander stark angen\u00e4hert sind. Ich habe, um diese Verh\u00e4ltnisse noch augenscheinlicher zu machen, Messungen an einem Dispersions- und einem Interferenzspektrum des Sonnenlichtes vorgenommen, welche beide 30 cm lang waren, und die Ausdehnung der ein-zelnenen Farbbezirke bestimmt. In Fig. 29 sind die Resultate\n0 12 3 \u00ab 5 6 7 8 3 70 77 72 13V>15 76* 77 78 1920 21 22 23 2* 252827 282330\n---V----\nviolett\n7 8 9 10 11 72 13 11 75 78 17 18 19 20 2122 232\u00bb 25 2S27282930\nFig. 29.\ndieser Messung eingetragen. Die sog. warmen Farben das Rot, Orange und Gelb nehmen die H\u00e4lfte des Interferenzspektrums ein, beim Dispersionsspektrum etwa nur 3/6. Der rote Anteil umfafst beim Interferenzspektrum beim Dispersionsspektrum blofs 3/10 der ganzen L\u00e4nge des Spektrums.\nWenn wir nun aus dem Dispersionsspektrum ein gleichlanges St\u00fcck im Rot und Violett herausschneiden, so haben die Reizlichter ganz verschiedene Intensit\u00e4ten. Die Unterschiede k\u00f6nnen, wenn der Anfangsteil des Rot mit dem Endteil des Violett verglichen wird, sehr grofs werden. Die Wirksamkeit der roten Strahlen mufs infolgedessen zu stark, die der violetten zu schwach erscheinen. Der gleiche Fehler mufs auch wirksam werden, wenn man ein Versuchsobjekt mit verschiedenen Teilen des Dispersionsspektrums beleuchtet, oder wenn die Augen eines Versuchstieres aus dem Spektrum immer einen gleichen Teil herausschneiden. Einen Aufschlufs \u00fcber die tats\u00e4chliche Wirksamkeit spektraler Lichter werden wir nur dann mit Hilfe eines Dispersionsspektrums er-","page":139},{"file":"p0140.txt","language":"de","ocr_de":"140\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nhalten k\u00f6nnen, wenn wir die Unterschiede der Zerstreuung in den einzelnen Spektralbezirken rechnerisch bestimmen und dann dementsprechend die Intensit\u00e4t des Lichtes verst\u00e4rken, bzw. abschw\u00e4chen. Die Versuche Pipers k\u00f6nnen uns in Anbetracht dieser Verh\u00e4ltnisse keinen Aufschlufs \u00fcber die tats\u00e4chliche Wirksamkeit spektraler Lichter auf die Netzhaut der Cephalopoden geben. Die langwelligen Strahlen erscheinen in den Kurven Pipers zu stark, die kurzwelligen zu schwach wirksam, und das Maximum der Wirksamkeit liegt dementsprechend zu weit nach dem Rotende des Spektrums.\nZu den Versuchen mit dem Interferenzspektrum stand mir ein TnoRP\u2019sches Gitter zur Verf\u00fcgung. Die Versuchsanordnung war folgende: Das Sonnenlicht wurde durch einen Heliostaten in den verdunkelten Versuchsraum reflektiert. In einen Ausschnitt des Fensterladens war ein Diaphragma eingelassen, welches das Gitter trug. Die Feuchtkammer befand sich in einem Abstand von 160 cm hinter dem Gitter, das Spektrum war 30 cm lang und 3*5 cm breit. Die Feuchtkammer stand so auf einem horizontalen Glasschlitten, dafs ihr kreisf\u00f6rmiger Ausschnitt von 1 cm Durchmesser durch das ganze Spektrum bewegt werden konnte. Auch hier konnte mit Hilfe eines auf einer Skala gleitenden Zeigers die Stellung des Ausschnittes im Spektrum bestimmt und der Ausschnitt um gleiche Teile verschoben werden. Dies setzt nat\u00fcrlich voraus, dafs der Heliostat richtig funktioniert. Um die Funktion des Heliostaten kontrollieren zu k\u00f6nnen, war folgende Einrichtung getroffen: der Zentralstrahl, welcher das Gitter ungebeugt durchsetzt, fiel auf eine Marke, welche 6 m hinter dem Gitter angebracht war; jede Abweichung im Gange der Heliostaten war sofort an der ver\u00e4nderten Richtung des Zentralstrahles festzustellen. Das Spektrum des THORPschen Gitters m\u00fcfste eigentlich auf einen Kreisbogen entworfen werden, dessen Radius gleich dem Abstand der Feuchtkammer vom Gitter ist, oder es m\u00fcfste die Feuchtkammer l\u00e4ngs dieses Kreisbogens bewegt werden. F\u00e4llt das Interferenzspektrum auf eine ebene Fl\u00e4che, so erscheinen seine Enden gekr\u00fcmmt. Wenn man aber aus dem 30 cm langen Spektrum Abschnitte von 1 cm Breite ausschneidet, so ist, wie man sich durch eine die Mafse ber\u00fccksichtigende Zeichnung leicht \u00fcberzeugen kann, der dadurch bedingte Fehler nur gering. Ich habe mich davon auch durch Versuche \u00fcberzeugt, bei welchen die Wirksamkeit der kurzwelligen Strahlen einmal bei paralleler Ver-","page":140},{"file":"p0141.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n141\nSchiebung der Feuchtkammer, das anderemal bei Drehung der Feuchtkammer senkrecht zum Einfallslot des Lichtes verglichen wurde. Ein wesentlicher Unterschied war nicht festzustellen.\nDie Interferenzspektren haben den Nachteil keine homogenen Farben zu liefern; allen Lichtern ist weifses Licht beigemengt. Ich habe, um diese Beimischung m\u00f6glichst gering zu machen, den ungebeugten Zentralstrahl fast vollkommen abgeblendet; dadurch nimmt zwar die Helligkeit des Spektrums ab, die Weifsbeimischung wird aber gleichzeitig geringer. Ich habe dieselbe gepr\u00fcft, indem ich das Spektrum auf durchscheinendes Papier von der gleichen Art entwarf, wie es den kreisf\u00f6rmigen Ausschnitt der Kammer verschlofs, und dann die Farben mit dem Handspektroskop untersuchte. Die einzelnen Farben traten dabei als leuchtende Streifen hervor, w\u00e4hrend von dem \u00fcbrigen Spektrum nur eine Andeutung wahrzunehmen war. Die Weifsbeimischung war auch aufserhalb des leuchtenden Spektrums vorhanden, ihre Wirksamkeit konnte dadurch bestimmt werden, dafs der kreisf\u00f6rmige Ausschnitt der Feuchtkammer aus dem Spektrum herausgeschoben und die Aktionsstr\u00f6me des Auges bestimmt wurden, welche durch dieses Licht hervorgerufen wurden. Die Aktionsstr\u00f6me waren wesentlich kleiner als die Ausschl\u00e4ge, welche durch das am schw\u00e4chsten wirksame Rot erzielt werden konnten. Diese Pr\u00fcfung durfte jedoch nicht zu nahe am Spektrum vorgenommen werden, da dasselbe nicht vollkommen scharf war und infolgedessen in der N\u00e4he des Spektrums st\u00e4rkere Ausschl\u00e4ge erhalten wurden und zwar st\u00e4rkere in der N\u00e4he des st\u00e4rker wirksamen Violettendes.\nDie Bestimmung der Wellenl\u00e4nge des Reizlichtes liefs sich mit gen\u00fcgender Genauigkeit durchf\u00fchren, indem mit Hilfe von Lichtfiltern die Lage bestimmter Lichter im Spektrum festgestellt wurde.\nAlle Versuche dieser Arbeit wurden an frisch pr\u00e4parierten Augen von dunkeladaptierten Tieren ausgef\u00fchrt.\nVersuche mit Lichtfiltern.\nDie Versuche mit den Lichtfiltern k\u00f6nnen in verschiedener Weise vorgenommen werden. Man kann die Reizschwelle f\u00fcr die verschiedenfarbigen Lichter feststellen und sie mit der Reizschwelle des weifsen Lichtes vergleichen, man kann die Intensit\u00e4ten der einzelnen Lichter feststellen, welche gleichstarke Ak-","page":141},{"file":"p0142.txt","language":"de","ocr_de":"142\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\ntionsstr\u00f6me veranlassen, man kann schliefslich gleiche Intensit\u00e4ten der Reizlichter nehmen und die durch sie hervorgerufenen Aktionsstr\u00f6me vergleichen. Ich habe Versuche von jeder dieser drei Arten durchgef\u00fchrt.\nIn der Tabelle XXI ist ein Versuch wiedergegeben, in welchem die Reizschwelle f\u00fcr rotes und blaues Licht bestimmt worden ist. Im Anschlufs daran sind die Reizintensit\u00e4ten f\u00fcr rotes, blaues und weifses Licht festgestellt, welche notwendig waren, um Aktionsstr\u00f6me gleicher elektromotorischer Kraft hervorzurufen.\nTabelle XXI.\nElektromotorische Kraft\tReizintensit\u00e4ten in proportionalen Einheiten f\u00fcr\t\t\nin Millivolt\tweifses Licht\tblaues Licht \ti\trotes Licht\nReizschwelle\t\t1\t20\n0*2 MV\t\t5\t1020\n0-4 MV\t1*25\t11-2\t12 500\n0-6 MV\t5\t80\t\n0-8 MV\t80\t12 500\t\nAls Intensit\u00e4tseinheit ist der \u00dcbersichtlichkeit halber die Reizschwelle f\u00fcr blaues Licht genommen. Die Reizschwellen des roten und blauen Lichtes sind nicht wesentlich verschieden. F\u00fcr das unzerlegte Licht konnte die Reizschwelle nicht bestimmt werden, da mir nicht gen\u00fcgend schwache Lichtreize zur Verf\u00fcgung standen. Sollte ein Aktionsstrom von 0'2 MV elektromotorischer Kraft hervorgerufen werden, so mufsten blofs 5 Einheiten blaues Licht, dagegen 1020 Einheiten rotes Licht angewendet werden. Noch bedeutender wurden die Unterschiede, wenn ein Aktionsstrom von 0\u20194 MV hervorgerufen werden sollte. Ein Ausschlag von 0 6 MV konnte an dem betreffenden Auge durch die mir zur Verf\u00fcgung stehenden Lichtintensit\u00e4ten des roten Lichtes \u00fcberhaupt nicht erhalten werden. Ein entsprechendes Verh\u00e4ltnis besteht auch zwischen dem blauen und unzerlegten Licht. Es ist klar, dafs bei diesen Resultaten die geringf\u00fcgigen Unterschiede in der Durchl\u00e4fsigkeit der Lichtfilter, auf welche oben hingewiesen worden ist, nicht in Betracht kommen k\u00f6nnen. W\u00fcrden sie aber mitwirken, so m\u00fcfsten die Unterschiede noch gr\u00f6fser werden, denn es w\u00fcrde noch eine","page":142},{"file":"p0143.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n143\nschw\u00e4chere Reizung mit weifsem Licht gen\u00fcgen, um einen gleichstarken Aktionsstrom wie das blaue Licht hervorzurufen. In der zweiten Mitteilung dieser Untersuchungsreihe sind noch eine Reihe derartiger Versuche angef\u00fchrt.\nTabelle XXII.\nEledone moschata. 29. 1.13. Zimmertemp. 17\u00b0 C. Wassertemp. 15\u00b0 0.\nFarbe des Reizlichtes\tAbstand der Lichtquelle von der Feuchtkammer\tLichtintensit\u00e4t in proportionalen Einheiten\tElektromotorische Kraft der Aktionsstr\u00f6me in Millivolt\nrot\t2 cm\t2 500\t0-31 MV\n\t8 cm\t156\t0*18 MV\n\t11 cm\t81\t0-13 MV\n\t16 cm\t38\t009 MV\n\t25 cm\t16\t0-04 MV\nblau\t100 cm\t1\t0-27 MV\n\t70 cm\t1-9\t0-45 MV\n\t50 cm\t4\t0-77 MV\n\t40 cm\t625\t1 MV\n\t25 cm\t16\t1-8 MV\n\t16 cm\t38\t204 MV\n\t11 cm\t81\t2-36 MV\nEledone mosch\tata. 29. I. 13. Zii\tnmertemp. 17\u00b0 C.\tWassertemp. 15\u00b0 0.\nblau\t70 cm\t2\t015 MV\n\t40 cm\t6\t0-46 MV\n\t16 cm\t38\t1-23 MV\n\t8 cm\t156\t2 MV\nweifs\t70 cm\t2\t0*92 MV\n\t40 cm\t6\t1-6 MV\n\t16 cm\t38\t415 MV\n\t8 cm\t156\t60 MV\nAus diesen Versuchen geht die aufserordentliche Verschiedenheit in der Wirksamkeit der untersuchten Lichtarten auf das Cephalopodenauge hervor. Es ist aber besonders wichtig, dafs","page":143},{"file":"p0144.txt","language":"de","ocr_de":"144\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\ntrotzdem die Reizschwellen nicht wesentlich verschieden sind. Wir kennen auch aus der menschlichen Sinnesphysiologie die Tatsache, dafs verschiedenfarbige Lichter in der N\u00e4he der Reizschwelle farblos empfunden werden, also \u00e4hnliche Wirkung entfalten. Ich glaube, dafs die eben beschriebenen Versuche diese Tatsache dem Verst\u00e4ndnis n\u00e4her bringen k\u00f6nnen. Es wird vielfach auch die Frage er\u00f6rtert, ob die farbigen Lichter farbig oder farblos \u00fcber die Schwelle unseres Sehens treten. Die Versuche an den Cephalopodenaugen w\u00fcrden daf\u00fcr sprechen, dafs hier die Farben farblos die Schwelle \u00fcberschreiten und erst bei gr\u00f6fseren Intensit\u00e4ten farbig wahrgenommen werden.\nDie Verschiedenheit in der Wirksamkeit verschiedenfarbiger Lichter kommt auch zum Ausdruck, wenn die durch gleichstarke Belichtung mit verschiedenen Farben hervorgerufenen Aktionsstr\u00f6me miteinander verglichen werden.\nDie Tabelle XXII kann \u00fcber zwei derartige Versuche Auf-schufs geben.\nDie Resultate dieser beiden Versuche sind in Fig. 30 und 31 in Form von Kurven wiedergegeben; auf der Abszisse ist die Intensit\u00e4t, auf der Ordinate die elektromotorische Kraft der Aktionsstr\u00f6me eingetragen. Auch in diesen Kurven tritt uns die Verschiedenheit in der Wirksamkeit verschiedenfarbiger Lichter sehr deutlich entgegen.\nMan k\u00f6nnte nun diese Resultate auswerten, indem man die Frage stellte, um wievielmal ist das blaue Licht bei verschiedenen Intensit\u00e4ten st\u00e4rker wirksam als das rote bei den entsprechenden Intensit\u00e4ten ? Da w\u00fcrden wir zu folgendem Resultat kommen : je schw\u00e4cher die Intensit\u00e4ten sind, um so gr\u00f6fser ist das Vielfache der Wirksamkeit. Bei 25 cm Abstand der Lichtquelle ruft das rote Licht einen Ausschlag von 0'04 MV, das blaue Licht einen Ausschlag von 1*8 MV hervor; das blaue Licht ist 45 mal so stark wirksam als das rote Licht. Bei Anwendung von gr\u00f6fseren Intensit\u00e4ten, z. B. bei 11 cm Abstand der Lichtquelle, ruft das blaue Licht einen Aktionsstrom von 2'36 MV, das rote Licht einen Aktionsstrom von 0T3 MV hervor. Das blaue Licht veranlafst jetzt nur einen 18 mal so starken Aktionsstrom als das rote Licht. Dies Verhalten wird uns durch den Verlauf der Wirksamkeitskurve verst\u00e4ndlich, denn bei Intensit\u00e4ten des roten Lichtes, welche nur schwach wirken bzw. in der","page":144},{"file":"p0145.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n145\nN\u00e4he der Reizschwelle liegen, ist das blaue Licht schon sehr gut wirksam.\nAuf diese Verh\u00e4ltnisse kommt es jedoch nicht so sehr an, wenn es sich um die verschiedenartige Reaktion des Auges auf verschiedenfarbige Lichter und damit indirekt auch um das Farbenunterscheidungsverm\u00f6gen handelt. Bei der Farben Wahrnehmung des Menschen erfolgt die optimale Farbenunterscheidung bei st\u00e4rkeren Lichtintensit\u00e4ten, und gerade so liegen die Ver-\nFig. 31.\nFig. 30.\nh\u00e4ltnisse bei den Cephalopoden ; die Unterschiede in der Frequenz und Intensit\u00e4t der Erregungswellen sind bei starken Reizen, sofern sie nicht so stark sind, dafs sie das Auge blenden, am st\u00e4rksten ausgepr\u00e4gt. Eine Farbe wird von dem Auge nicht deshalb von einer anderen Farbe unterschieden, weil sie um so und sovielmal st\u00e4rkere Aktionsstr\u00f6me hervorruft, sondern weil der Unterschied in der elektromotorischen Kraft der durch die beiden Farben hervorgerufenen Aktionsstr\u00f6me eine gewisse Gr\u00f6fse aufweist. Die Tabelle XXIII gibt die Resultate der Versuche der\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 48.\t^","page":145},{"file":"p0146.txt","language":"de","ocr_de":"146\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nTabelle XXII in anderer Anordnung wieder. Wie wir sehen y nimmt mit zunehmender Intensit\u00e4t der Reizlichter der Unterschied der elektromotorischen Kraft der durch sie veranlafsten Aktionsstr\u00f6me zu. Dieses Verhalten geht gleichfalls aus den Kurven der Fig. 30 und 31 hervor. Die Resultate der Versuche mit den Lichtfiltern lassen sich in folgender Weise zusammenfassen:\nDie Reizschwellen des roten, blauen und unzer-legten Lichtes sind nur wenig voneinander verschieden, dagegen treten bei Anwendung h\u00f6herer Intensit\u00e4ten auf ser or d ent lieh bedeutende Unterschiede der Wirksamkeit hervor, die um so st\u00e4rker werden, je gr\u00f6fsere Lichtintensit\u00e4ten angewendet werden.\nTabelle XXIII.\n\tElektromotorische Kraft\t\t\t\nLichtintensit\u00e4t\tder Aktionsstr\u00f6me in Milli-\t\t\tDifferenz in der elektro-\nin proportionalen\tvolt bei Belichtung\t\t\tmotorischen Kraft der\nEinheiten\tmit rotem Licht\tmit blauem Licht\tmit weifsem Licht\tAktionsstr\u00f6me\n16\t0-04 MV\t1-80 MV\t\t1-76 MV\n38\t009 MV\t2-40 MV\t\t2-31 MV\n81\t013 MV\t236 MV\t\t2-23 MV\n2\t\t0*15 MV\t0*92 MV\t0-77 MV\n6\t\t0-46 MV\t1-60 MV\t1-16 MV\n38\t\t123 MV\t415 MV\t2-92 MV\n156\t\t2,0 MV\t6,0 MV\t4,0 MV\nDie st\u00e4rkere Wirksamkeit des unzerlegten Lichtes kann nur dadurch Zustandekommen, dafs es alle wirksamen Strahlen enth\u00e4lt, die sich in ihrer Wirkung auf die Netzhaut verst\u00e4rken; es kann dies jedoch nicht durch eine einfache Addition der Einzelwirkungen geschehen, ebensowenig wie ein doppelt so starker Reiz einen doppelt so starken Aktionsstrom hervorzurufen imstande ist. Diese Verh\u00e4ltnisse d\u00fcrften insbesondere bei der Farbenmischung eine wichtige Rolle spielen und bed\u00fcrfen daher einer eingehenden Untersuchung.","page":146},{"file":"p0147.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n147\nVersuche mit dem Dispersionsspektrum\ndes Nernstlichtes.\nDiese Versuche sollten vor allem den Verlauf der Wirksamkeitskurve des durch das Kohlenwasserstoffprisma gelieferten Spektrums des Nernstlichtes feststellen, dann sollten sie Auf-schlufs bringen \u00fcber den Verlauf der Wirksamkeitskurve bei verschiedener Intensit\u00e4t des Spektrums.\nUber die Wirksamkeit der verschiedenen Abschnitte des Spektrums gibt uns der in der Tabelle XXIV angef\u00fchrte Versuch Aufschlufs, der in der Fig. 32 in Form einer Kurve wiedergegeben ist. Auf der Abszisse dieser Kurve sind die Farben des Spektrums, auf der Ordinate die elektromotorischen Kr\u00e4fte der Aktionsstr\u00f6me angegeben.\nTabelle XXIV.\nEledone mos chat a. 28.11.13. Zimmertemp. 17\u00b0 C. Wassertemp. 14,5\u00b0 C.\nFarbe des Reizlichtes\tElektromotorische Kraft der Aktionsstr\u00f6me in Millivolt\nrot\t016 MV\norangegelb\t0*25 MV\ngelbgr\u00fcn\t0-41 MV\ngr\u00fcn\t1,0 MV\ngr\u00fcn\t1-66 MV\ngr\u00fcn\t1*50 MV\ngr\u00fcnblau\t1,0 MV\nblau\t0-83 MV\nblauviolett\t0*50 MV\nviolett\t0-25 MV\nviolett\t0-25 MV\nviolett\t0-20 MV\nviolett\t0-12 MV\nviolett\t012 MV\nviolett\t0-08 MV\nBei diesem Versuch war das Spektrum 15 cm lang. Der kreisf\u00f6rmige Ausschnitt der Feuchtkammer wurde ausgehend vom Rotende von cm zu cm durch das Spektrum geschoben.\nDie Kurve der Fig. 32 zeigt, dafs das Maximum der Wirksamkeit im gr\u00fcnen Anteil des Spektrums liegt; die Strahlen\n10*","page":147},{"file":"p0148.txt","language":"de","ocr_de":"148\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nam Rotende des Spektrums erscheinen wirksamer als die am Violettende.\nDiese Kurve zeigt einen anderen Verlauf als die Kurven, welche Piper erhalten hat. Bei den Kurven Pipers liegt das Maxi-\nmum der Wirksamkeit im gr\u00fcnblauen Anteil des Spektrums und die roten Strahlen sind weniger wirksam als die violetten. Die Verschiedenheit der Kurven mag in einer Reihe von Umst\u00e4nden begr\u00fcndet sein. Das Maximum der Wirksamkeit liegt stets mehr nach dem Rotende zu, wenn mit der Pr\u00fcfung am Rotende begonnen wird ; die kurzwelligen Strahlen erscheinen dann weniger wirksam. Die Wirksamkeitskurve wird durch Erm\u00fcdung des Auges in charakteristischer W eise ver\u00e4ndert. Ich werde auf diese Verh\u00e4ltnisse weiter unten bei Besprechung der Versuche mit dem Interferenzspektrum ausf\u00fchrlich eingehen.\nDer Unterschied in den Wirksamkeitskurven mag ferner durch die starke Lichtbrechung des Schwefelkohlenstoff Zustandekommen , die bewirkt, dafs die langwelligen Strahlen im Spektrum sehr zusammengedr\u00e4ngt, die kurzwelligen sehr auseinandergezogen werden. Schliefslich mag an dem Zustandekommen der Kurven auch die Ver\u00e4nderung des Schwefelkohlenstoffes durch\n's \u00a7 ^ 5\nct> ^3\n1\nVq \u00f6- \u00f6-\n5; c: c: \u00a3 o-\n5\ncy\nCb'\nFig. 32.\nLicht beteiligt sein. Der Schwefelkohlenstoff zersetzt sich leicht und nimmt dann eine gelbliche Farbe an, die kurzwelligen Strahlen werden dadurch etwas absorbiert, und die langwelligen Strahlen m\u00fcssen wirksamer erscheinen. Ich habe zwar den Schwefelkohlenstoff meines Prismas wiederholt gewechselt, aber es ist immerhin m\u00f6glich, dafs eine ver\u00e4nderte Durchl\u00e4ssigkeit","page":148},{"file":"p0149.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n149\ndes Schwefelkohlenstoffes an dem Zustandekommen unserer Wirksamkeitskurve beteiligt ist.\nDer in der Tabelle XXV angef\u00fchrte Versuch zeigt die Abh\u00e4ngigkeit der Wirksamkeitskurve von der Intensit\u00e4t der Belichtung.\nTabelle XXV.\nEledone mosch a ta. 28.11.13. Zimmertemp. 17-5\u00b0 O. Wassertemp. 14\u20195\u00b0 C.\n\tElektromotorische Kraft der Aktionsstr\u00f6me\t\t\tim Millivolt\nFarbe des\tDurchmesser\tDurchmesser\tDurchmesser\tDurchmesser\nReizlichtes\tder Blende\tder Blende\tder Blende\tder Blende\n\t32 mm\t22 mm\t16 mm\t6 mm\nrot\t0*5 MV\t0-29 MV\t0 08 MV\t\u2014\norangerot\t0-83 MV\t0-5 MV\t0-16 MV\t0*02 MV\ngelbgr\u00fcn\t1*50 MV\t0-75 MV\t0*41 MV\t0-05 MV\ngr\u00fcn\t1-87 MV\t116 MV\t0-50 MV\t0*08 MV\ngr\u00fcn\t1*66 MV\t1-16 MV\t0-54 MV\t0*11 MV\ngr\u00fcn\t1*50 MV\t0-83 MV\t0-50 MV\t012 MV\ngr\u00fcn\t0*75 MV\t0-50 MV\t0-33 MV\t0-08 MV\ngr\u00fcnblau\t0*50 MV\t0*41 MV\t0*25 MV\t0 05 MV\nblau\t0*41 MV\t0-33 MV\t016 MV\t004 MV\nblau\t0-41 MV\t0 08 MV\t0 08 MV\t003 MV\nviolett\t0-16 MV\t0-05 MV\t0-04 MV\t0*02 MV\nviolett\t0*08 MV\t0-05 MV\t0-04 MV\t\nDas Resultat dieses Versuches ist in Fig. 33 in Form von Kurven dargestellt. Wir k\u00f6nnen an Hand dieser Kurven eine Reihe von Tatsachen feststellen. Wir sehen vor allem, dafs das Maximum der Wirksamkeit bei gr\u00f6fserer Helligkeit des Spektrums mehr nach dem Rotende des Spektrums liegt. Eine entsprechende Tatsache haben bereits Nagel und Himstedt1 am Froschauge beobachtet und mit dem P\u00fcEKiNJEschen Ph\u00e4nomen in Zusammenhang gebracht. Wie wir gleich sehen werden, ruft Erm\u00fcdung oder andersartige Sch\u00e4digung des Auges eine st\u00e4rkere Erregbarkeitsherabsetzung f\u00fcr kurzwellige Strahlen hervor. In unserem Falle wird das Auge durch die vorhergehenden Reizungen erm\u00fcdet,\n1 Himstedt u. Nagel. Die Verteilung der Reizwerte f\u00fcr die Frosch-netzhaut im Dispersionsspektrum des Gaslichtes, mittels der Aktionsstr\u00f6me untersucht. Berichte der naturforschenden Gesellschaft zu Freiburg i. Br. Bd. XI. 1901.","page":149},{"file":"p0150.txt","language":"de","ocr_de":"150\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nMV 2 -\u2022\n\u2014 dies l\u00e4fst sich selbst bei Einschaltung l\u00e4ngerer Reizpausen nicht vermeiden \u2014 und dadurch erscheinen die langwelligen Strahlen wirksamer.\nDann ersehen wir aus den Kurven, dafs die Unterschiede in der elektromotorischen Kraft der Aktionsstr\u00f6me um so geringer ausfallen, je geringer die Intensit\u00e4t des Spektrums ist. Schliefslich wird es auch deutlich, dafs bei geringerer Lichtintensit\u00e4t eine Verk\u00fcrzung des Spektrums, sowohl im Rot als auch im Violett eintritt. Die Verk\u00fcrzung am Violettende des Spektrums scheint\njedoch in erster Linie durch die starke Dispersion der kurzwelligen Strahlen bedingt zu sein. Auch bei den Versuchen mit dem Interferenzspektrum werden wir der Verk\u00fcrzung des Spektrums im Rot begegnen.\n\u00c4hnlich wie die Wirksamkeitskurve bei Anwendung geringer Reizintensit\u00e4ten sieht auch die Wirksamkeitskurve aus, welche bei Untersuchung eines gesch\u00e4digten, z. B. eines erstickenden Auges erhalten wird. Allerdings liegt dann das Maximum der Wirksamkeit mehr nach dem Rotende des Spektrums zu.\nFig. 33.\nDie Versuche mit dem Interferenzspektrum.\nDas Interferenzspektrum, welches das THOEPsche Gitter lieferte, hatte eine wesentlich gr\u00f6fsere Helligkeit als das von mir verwendete Dispersionsspektrum des Nernstlichtes. Bei Bestimmung der Wirksamkeitskurve machte sich h\u00e4ufig der Umstand st\u00f6rend bemerkbar, dafs sich an eine Belichtung mit stark wirksamen Strahlen eine l\u00e4nger dauernde, rhythmische Nachwirkung an-","page":150},{"file":"p0151.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n151\nschlofs, deren Abklingen abgewartet werden mufste. Um die Dauer der Bestimmung einer Wirksamkeitskurve zu verk\u00fcrzen, wurde das Intervall zwischen zwei schwach wirksamen Belichtungen nur kurz genommen, blofs 10\u201415 Sekunden. Eingehende Versuche zeigten, dafs das Auge durch die schwach wirksamen Strahlen nur wenig erm\u00fcdet wird.\nDie Versuche mit dem Interferenzspektrum zeigten nun, dafs die Wirksamkeitskurve einen anderen Verlauf hat als die \u2022mit dem Dispersionsspektrum festgestellte Kurve, dafs ferner die Kurve anders verl\u00e4uft je nach dem mit der Pr\u00fcfung am Rotende, oder am Violettende begonnen wird. Im ersteren Fall liegt das Maximum mehr nach dem Rotende zu. Der Versuch in der 'Tabelle XXVI kann als Beispiel dienen.\nTabelle XXVI.\nFarbe des Lichtes\tElektromotorische Kraft der Aktionsstr\u00f6me in Millivolt\tFarbe des Lichtes\tElektromotorische Kraft der Aktionsstr\u00f6me in Millivolt\ni violett\t116 MV\trot\t0-16 MV\nviolett\t1*66 MV\trot\t0-16 MV\nviolett\t1-83 MV\trot\t0*16 MV\nblauviolett\t2-33 MV\trot\t0*20 MV\nblau\t2-33 MV\torange\t0-33 MV\nblau\t2*33 MV\tgelb\t0-45 MV\ngr\u00fcnblau\t2-16 MV\tgelbgr\u00fcn\t0-91 MV\ngr\u00fcn\t1-91 MV\tgr\u00fcn\t1-50 MV\ngr\u00fcn\t1 25 MV\tgr\u00fcn\t20 MV\ngelbgr\u00fcn\t075 MV\tgr\u00fcnblau\t2*16 MV\ngelb\t0*41 MV\tblau\t2-08 MV\norange\t016 MV\tblau\t1-95 MV\nrot\t0*08 MV\tblauviolett\t1-75 MV\nrot\t0-08 MV\tviolett\t1*33 MV\nrot\t0-08 M V\tviolett\t0*95 MV\nrot\t008 MV\tviolett\t0*50 MV\nDieser Versuch, wurde am 17. II. 13 an dem Auge einer Eledone moschata bei einer Zimmertemperatur von 17\u00b0 C und einer Wasser-\ntemperatur von 14-5\u00b0 C ausgef\u00fchrt.\nDie Feuchtkammer wurde zwischen zwei Aufnahmen um 2 cm weitergeschoben. In Fig. 34 ist dieser Versuch in Form von Kurven wiedergegeben. Auf der Abszisse sind die Wellen-","page":151},{"file":"p0152.txt","language":"de","ocr_de":"152\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nl\u00e4ngen der Reizlichter auf der Ordinate die elektromotorischen Kr\u00e4fte der Aktionsstr\u00f6me aufgetragen. In der Kurve, bei welcher mit den Belichtungen am Rotende des Spektrums begonnen wurde, sind die langwelligen Strahlen wirksamer, die kurzwelligen Strahlen weniger wirksam, das Maximum liegt mehr nach dem Rotende des Spektrums zu als in der zweiten Kurve, bei welcher mit den Belichtungen am Violettende des Spektrums begonnen wurde. Es wurde schon erw\u00e4hnt, dafs dieses Verhalten als ein Ausdruck der Netzhauterm\u00fcdung anzusehen ist. Wird mit den\nMV 2.5-T\n05 -\u25a0\nFig. 34.\nlangwelligen Strahlen zu pr\u00fcfen begonnen, so sind mehr Belichtungen notwendig, bevor das Maximum erreicht wird, als in dem anderem Falle.\nDer Vergleich der Textfiguren 32 und 34 zeigt, wie sehr sich die mit dem Interferenzspektrum gewonnenen Kurven von den mit dem Dispersionsspektrum gewonnenen unterscheiden. Der ganze Verlauf der Wirksamkeitskurve ist ein anderer.\nDie Ver\u00e4nderung der Wirksamkeitskurve spektraler Lichter durch Erm\u00fcdung liefs sich besonders deutlich in den folgenden","page":152},{"file":"p0153.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n153\nVersuchen zeigen. Wurden an demselben Auge hintereinander mehrere Wirksamkeitskurven aufgenommen, so verschob sich, wie dies der in der Tabelle XXVII angef\u00fchrte Versuch zeigt, das Maximum der Wirksamkeit immer mehr nach dem Rotende des Spektrums zu.\nTabelle XXVII.\nEledone moschata. 17.11.13. Zimmertemp. 170 C. Wassertemp. 14,3\u00b0 C.\nFarbe des Reizlichtes\tElektromoto 1. Aufnahme\t\trische Kraft der Aktionsstr\u00f6me in Millivolt 2. Aufnahme j 3. Aufnahme\t\t\t\nrot\t0*2\tMV\to-i\tMV\t0'06\tMV\nrot\t02\tMV\t01\tMV\t006\tMV\nrot\t0*2\tMV\t01\tMV\t0-06\tMV\nrot\t0-3\tMV\t0*1\tMV\t0*06\tMV\norange\t0-4\tMV\t0-24\tMV\t0*2\tMV\ngelb\t0-7\tMV\t0*5\tMV\t0-4\tMV\ngelbgr\u00fcn\t1*4\tMV\t0-9\tMV\t0-8\tMV\ngr\u00fcn\t1-9\tMV\t1-5\tMV\t1-4\tMV\ngr\u00fcn\t2-5\tMV\t2*3\tMV\t22\tMV\ngr\u00fcnblau\t2-8\tMV\t2-6\tMV\t26\tMV\nblau\t2 94\tMV\t2-8\tMV\t2*5\tMV\nblau\t3,0\tMV\t2-8\tMV\t2*4\tMV\nblauviolett\t3,0\tMV\t2*8\tMV\t2-1\tMV\nviolett\t28\tMV\t2*4\tMV\t1*6\tMV\nviolett\t26\tMV\t2\tMV\t1-2\tMV\nviolett\t2-4\tMV\t1-4\tMV\t0'6\tMV\nIn diesem Versuch wurde die Messung immer mit den langwelligen Strahlen begonnen. Der Versuch ist in Fig. 35 in Form von Kurven wiedergegeben. Durch die fortschreitende Erm\u00fcdung nimmt die Wirksamkeit aller Strahlen ab, aber nicht in gleicher Weise, sondern am meisten die Wirksamkeit der kurzwelligen, am wenigsten die der langwelligen Strahlen. Ein prinzipiell gleiches Resultat wird erhalten, wenn zwischen die Aufnahmen zweier Wirksamkeitskurven eine stark wirksame Belichtung eingeschaltet wird. Ein solcher Versuch ist in Tabelle XXVIII und in der dazugeh\u00f6renden Fig. 36 angef\u00fchrt.\nZwischen beide Aufnahmen ist eine starke Belichtung mit blauem Licht von etwa 470 Wellenl\u00e4nge eingeschaltet. Die","page":153},{"file":"p0154.txt","language":"de","ocr_de":"154\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nBelichtung dauerte 3 Minuten. Auch dieser Versuch l\u00e4fst die Verschiebung des Maximums erkennen. Die Wirksamkeit s\u00e4mtlicher Strahlen hat stark abgenommen; die roten Strahlen haben ihre Wirksamkeit vollkommen eingeb\u00fcfst bzw. sie rufen gerade noch wahrnehmbare Aktionsstr\u00f6me hervor.\nDiese Versuche lehren uns die wichtige Tatsache kennen, dafs auch nach einer Belichtung mit monochromatischem Licht die Erregbarkeit der erm\u00fcdeten Netzhaut f\u00fcr s\u00e4mtliche Strahlen abnimmt, dafs jedoch diese Abnahme nicht f\u00fcr alle Strahlen gleich\nMV 3-t\n0.5-\nFig. 36.\nMV 3\nFig. 35.\nstark ist. Am st\u00e4rksten nimmt die Wirksamkeit der kurzwelligen Strahlen ab. Da aber die langwelligen Strahlen auf das frische Auge nur schwach wirken, so verliert das stark erm\u00fcdete, das erstickende oder auf andere Weise gesch\u00e4digte Auge zuerst seine Erregbarkeit f\u00fcr die langwelligen Strahlen; der rote Anteil des Spektrums erscheint dann verk\u00fcrzt.\nL\u00e4fst man der Netzhaut Zeit, sich von der erm\u00fcdenden Belichtung zu erholen, so nimmt die elektromotorische Kraft der Aktionsstr\u00f6me zu, insbesondere weisen die durch die kurzwelligen","page":154},{"file":"p0155.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n155\nLichter hervorgerufenen Aktionsstr\u00f6me eine wesentliche Zunahme auf. Dadurch verschiebt sich das Maximum der Wirksamkeit wieder in der Richtung nach dem Violettende des Spektrums zu.\nTabelle XXVIII.\nEledone moschata. 21.11.13. Zimmertemp. 16\u00b0 C. Wassertemp. 13\u00b0 C.\nFarbe des Reizlichtes\tElektromotorische str\u00f6me in 1. Aufnahme\tKraft der Aktions- Millivolt. 2. Aufnahme\nviolett\t2 MV\t0 04 MV\nviolett\t2*16 MV\t0-05 MV\nviolett\t2-50 MV\t012 MV\nblauviolett\t2-66 MV\t0 25 MV\nblau\t2-83 MV\t0-29 MV\nblau\t2-83 MV\t0-33 MV\ngr\u00fcnblau\t2-66 MV\t0-45 MV\ngr\u00fcn\t216 MV\t0*25 MV\ngr\u00fcn\t1-50 MV\t012 MV\ngelbgr\u00fcn\t0-66 MV\t0*05 MV\ngelb\t0-33 MV\t0-04 MV\norange\t0 20 MV\t\u2014\nrot\t0*16 MV\t\u2014\nrot\t016 MV\t\u2014\nrot\t016 MV\t\u2014\nrot\t016 MV\t\u2014\nDurch die starke Erm\u00fcdbarkeit der Netzhaut f\u00fcr die kurzwelligen Strahlen wurden eigene Versuche notwendig, um die Lage des Maximums der Wirksamkeit zu bestimmen. Um in diesen Versuchen den Einflufs der Erm\u00fcdung zu vermeiden, wurden ganz frische Augen von dunkeladaptierten Tieren in Intervallen von 3\u20145 Minuten nur zwei oder dreimal belichtet und beobachtet, ob die blauen Strahlen wirksamer waren als die violetten, oder ob die blauvioletten Strahlen wirksamer waren als die blauen bzw. die violetten. In der Mehrzahl dieser Versuche lag das Maximum der Wirksamkeit im Blauviolett, in einzelnen Versuchen sogar im Violett. Die Fig. 37 zeigt die Wirksamkeitskurve der Lichter des Interferenzspektrums, wie sie sich an Hand einer gr\u00f6fseren Anzahl derartiger Versuche ergeben hat.","page":155},{"file":"p0156.txt","language":"de","ocr_de":"156\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nAn dieser Stelle seien noch Beobachtungen angef\u00fchrt, welche zeigen sollen, wie fein das Cephalopodenauge auf Lichter verschiedener Wellenl\u00e4nge reagiert. Viele Augen antworten auf rote Lichtstrahlen von 670\u2014620 Wellenl\u00e4nge mit gleichhohen Aktionsstr\u00f6men. Wurde der kreisf\u00f6rmige Ausschnitt der Feuchtkammer in einen Teil des Spektrums geschoben, der f\u00fcr mein Auge deutlich orange gef\u00e4rbt war, so war der durch dieses Licht hervorgerufene Aktionsstrom h\u00f6her als die Str\u00f6me, welche\ndurch die roten Strahlen veranlafst worden waren. Wurde der kreisf\u00f6rmige Ausschnitt in den f\u00fcr mein Auge deutlich gelben Teil des Spektrums geschoben, dann war auch der Aktionsstrom st\u00e4rker als vorher im orangegef\u00e4rbten Teil. Das gleiche Verhalten zeigt sich im Gr\u00fcn, Blau bis zum Violett. Diese Beobachtungen sind von besonderer Wichtigkeit f\u00fcr die Entscheidung der Frage, ob die Cephalo-poden Farben zu unter-650\t600\t550\t500 \u2018t\u00f6o wo/tp, scheiden verm\u00f6gen oder\nFig. 37.\tnicht.\nDie Theorie des P\u00fcekinJEschen Ph\u00e4nomens und der\nFarbenblindheit.\nDie durch Erm\u00fcdung oder Sch\u00e4digung der Netzhaut ver-anlafste \u00c4nderung in der Wirksamkeit spektraler Lichter scheint in naher Beziehung zum PuRKiNJEschen Ph\u00e4nomen und zu den Erscheinungen der Farbenblindheit zu stehen.\nDas P\u00fcRKiNJEsche Ph\u00e4nomen kommt darin zum Ausdruck, dafs das Maximum der Helligkeit bei dem dunkeladaptierten Auge an einer anderen Stelle des Spektrums liegt als bei dem helladaptierten Auge. Bei dem dunkeladaptierten Auge liegt es\nMV 3\n\n1\u2014t\u2014f","page":156},{"file":"p0157.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n157\nmehr nach dem Violettende, bei dem helladaptierten mehr nach dem Rotende des Spektrums. Auf dieses Grundph\u00e4nomen l\u00e4fst sich die grofse Reihe verschiedener Beobachtungen zur\u00fcckf\u00fchren, welche bei der Untersuchung der Hell- und Dunkeladaption und ihrer Beziehung zur Licht- und Farben Wahrnehmung gemacht worden sind, und deren Zusammenhang mit dem PuKKiNJEschen Ph\u00e4nomen bereits erkannt worden ist.\nWenn wir zu einem Verst\u00e4ndnis des PuKKiNJEschen Ph\u00e4nomens kommen wollen, m\u00fcssen wir vor allem an der Tatsache festhalten, dafs die Helladaptation ein Erm\u00fcdungszustand der Netzhaut ist, und dafs durch die Erm\u00fcdung die Wirksamkeit der kurzwelligen Strahlen st\u00e4rker beeintr\u00e4chtigt wird als die Wirksamkeit der langwelligen Lichter. In der durch die Helladaptation verschieden stark ver\u00e4nderten Wirksamkeit spektraler Lichter ist die physiologische Grundlage des PuRKiNJEschen Ph\u00e4nomens zu sehen.\nWelche Beziehung besteht nun zwischen der Helligkeit und der Wirksamkeit spektraler Lichter? Beide Eigenschaften stehen sicher in engster Beziehung zueinander, lassen sich aber durch das Experiment unterscheiden. Durch die Untersuchungen von Sachs 1 und Abelsdoref 2 wissen wir, dafs beim Menschen die Helligkeitsempfindung parallel geht mit der St\u00e4rke der Pupillar-reaktion. Jener Teil des Spektrums, welchen wir am hellsten empfinden, l\u00f6st auch die kr\u00e4ftigste Pupillarreaktion aus. Bei Verst\u00e4rkung der Helligkeit einer Farbe nimmt auch die St\u00e4rke der durch sie ausgel\u00f6sten Pupillarreaktion zu. An Stelle der Untersuchungen der Helligkeitsempfindung der Menschen kann bei Tieren das Studium der phototaktischen Reaktion treten. Positiv phototaktische Tiere suchen die hellste Stelle des ihnen zug\u00e4nglichen Raumes auf und gehen bei Einwirkung spektraler Lichter in jenen Abschnitt, der f\u00fcr sie am hellsten ist. Carl v. Hess1 2 3 hat an einer grofsen Reihe von Tieren die Pupillar-\n1\tM. Sachs, \u00dcber den Einflufs farbiger Lichter auf die Weite der Pupille. Pfl\u00fcgers Archiv 52, S. 79. 1892.\n2\tAbelsdoref, Die \u00c4nderung der Pupillenweite durch verschiedenfarbige Belichtung. Zeitschrift f\u00fcr Physiologie der Sinnesorgane 22.\t1900. \u2014\nZur Erforschung des Helligkeits- und Farbensinnes bei Menschen und Tieren. Archiv f\u00fcr Physiologie. 1901. S. 561.\n3\tCarl v. Hess. Gesichtssinn. Handbuch der vergleichenden Physiologie, Bd. IV. S. 555. 1910. \u2014 Neue Untersuchungen \u00fcber den Lichtsinn bei wirbellosen Tieren. Pfl\u00fcgers Archiv 136. 1910.","page":157},{"file":"p0158.txt","language":"de","ocr_de":"158\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nreaktion und die Phototaxis untersucht. Das Maximum der Wirksamkeit spektraler Lichter liegt f\u00fcr die Pupillenreaktion der Cephalopoden im gelbgr\u00fcnen Anteil des Spektrums ; die positiv phototaktischen L o 1 ig o embryonen suchen den gelbgr\u00fcnen Anteil des Spektrums auf. Unsere Versuche haben dagegen das Maximum der Wirksamkeit spektraler Lichter auf die Netzhaut der Cephalopoden im blauvioletten Anteil des Spektrums nachgewiesen. Es kann dieser Unterschied, wie ich schon an anderer Stelle betont habe, nicht darauf beruhen, dafs Carl y. Hess mit dem Dispersionsspektrum, ich dagegen mit dem Interferenzspektrum gearbeitet habe, denn die Versuche Pipers und meine Versuche mit dem Dispersionsspektrum weisen das Maximum der Wirksamkeit im blaugr\u00fcnen bzw. gr\u00fcnen Anteil des Spektrums nach. Es besteht demnach ein Unterschied in der Wirksamkeit spektraler Lichter auf die Pupille und auf die Netzhaut, ein Unterschied, der um so auffallender sein mufs, da die Pupillar-reaktion von der Netzhautreaktion abh\u00e4ngt. Carl v. Hess selbst hat darauf hingewiesen, dafs auch bei den Wirbeltieren die \u00dcbereinstimmung der von ihm untersuchten Pupillenreaktion und der yon Piper festgestellten Wirksamkeit der Strahlen auf die Netzhaut fehlt.\nIch m\u00f6chte diesen Widerspruch der Ergebnisse durch die Annahme l\u00f6sen, dafs die St\u00e4rke der Pupillenreaktion, die Gr\u00f6fse der Helligkeitsempfindung und die St\u00e4rke der phototaktischen Reaktion abh\u00e4ngig sind von der Intensit\u00e4t der Erregungswellen, welche vom belichteten Sehorgan ausgehen. Diese Annahme wird durch die Tatsache gest\u00fctzt, dafs nicht die am st\u00e4rksten wirksamen Strahlen, sondern die mittelstark wirksamen Strahlen die intensivsten Erregungswellen in der Netzhaut ausl\u00f6sen, dafs ferner die Netzhaut auf eine Steigerung der objektiven Helligkeit in erster Linie mit einer Intensit\u00e4tszunahme der Erregungen reagiert. Durch diese experimentell zu st\u00fctzende Annahme w\u00fcrde es verst\u00e4ndlich werden, dafs das Maximum dieser Reaktionen von einer anderen Stelle des Spektrums ausgel\u00f6st wird als derjenigen, welche auf die Netzhaut am st\u00e4rksten wirkt. Es ist verst\u00e4ndlich, dafs die durch die Helladaptation ver\u00e4nderte Wirksamkeit der Lichter auf die Netzhaut mit einer entsprechenden Verschiebung der maximalen Helligkeitsempfindung einhergehen mufs.\nIch sehe in dem PuRKiNJEschen Ph\u00e4nomen den Ausdruck einer allgemeinen Gesetzm\u00e4fsigkeit, welcher die Reizbeantwortung","page":158},{"file":"p0159.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n159\nvieler Formen lebender Substanz folgt. Wenn wir einen Muskel erm\u00fcden, so nimmt seine Erregbarkeit st\u00e4rker f\u00fcr einen hochfrequenten als f\u00fcr einen wenigfrequenten Wechselstrom ab. Die lebendige Substanz oines Muskels, dessen Reaktionsgeschwindigkeit durch die Erm\u00fcdung verlangsamt ist, reagiert weniger gut auf die schneller ablaufenden Reizst\u00f6fse der hochfrequenten Reizung. Die kurzwelligen Lichter des Spektrums m\u00fcssen wir als einen frequenteren Reiz f\u00fcr die Netzhaut betrachten als die langwelligen Strahlen.\nAuch die Farbenblindheit k\u00f6nnte in der durch Sch\u00e4digung ver\u00e4nderten oder durch Entwicklungshemmung anders gearteten Wirksamkeit spektraler Lichter auf die Netzhaut ihre Erkl\u00e4rung finden. Jede Farbenblindheit ist durch Farbenverwechslung charakterisiert. Das farbenblinde Auge verwechselt Farben, welche das farbent\u00fcchtige Auge leicht zu unterscheiden vermag. Das gleiche Verhalten zeigt die gesch\u00e4digte Netzhaut. Lichtstrahlen verschiedener Wellenl\u00e4nge rufen in ihr gleichstarke und gleichfrequente Erregungswellen hervor, w\u00e4hrend sie im gut erregbaren Auge Erregungen verschiedener Intensit\u00e4t und Frequenz ausl\u00f6sen. Wir k\u00f6nnen dies Verhalten im Experiment direkt verfolgen. Am frischen Auge rufen zwei verschiedenfarbige Lichter verschieden frequente und intensive Erregungen hervor. Wird das Auge durch wiederholte Belichtungen erm\u00fcdet, stirbt es ab oder erstickt es, so nimmt die elektromotorische Kraft der Aktionsstr\u00f6me ab, es werden die Unterschiede in der elektromotorischen Kraft der durch die beiden Lichtarten hervorgerufenen Aktionsstr\u00f6me immer geringer, die Unterschiede in der Frequenz und Intensit\u00e4t der Erregungswellen werden immer kleiner, bis sich die Unterschiede unter Umst\u00e4nden vollkommen ausgleichen k\u00f6nnen. Jetzt verwechselt das Auge die beiden Farben.\nWir begegnen in unseren Versuchen auch der Verk\u00fcrzung des Spektrums im Rot, die gleichfalls manche Formen von Farbenblindheit charakterisiert.\nEbenso liefse sich die ver\u00e4nderte Helligkeitsempfindung und die ver\u00e4nderte Pupillarreaktion des farbenblinden Auges aus der ver\u00e4nderten Wirksamkeitskurve spektraler Lichter ableiten.\nEs ist jedoch wahrscheinlich, dafs einzelne Formen von Farbenblindheit durch eine isolierte oder gleichzeitige Erkrankung der nerv\u00f6sen Leitungsbahnen oder durch eine verminderte Erregbarkeit der beim Sehakt beteiligten Nervenzentren zustande-","page":159},{"file":"p0160.txt","language":"de","ocr_de":"160\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nkommen. Diese Formen der Farbenblindheit w\u00fcrden in der ver\u00e4nderten Leitf\u00e4higkeit der Nerven bzw. in der ver\u00e4nderten Erregbarkeit der Nervenzentren f\u00fcr die verschieden frequenten und verschieden intensiven Erregungen, welche von der belichteten Netzhaut ausgehen, ihre Erkl\u00e4rung finden k\u00f6nnen. Wie Sch\u00e4digung der Nervenleitung oder Erregbarkeitsherabsetzung nerv\u00f6ser Zentren die Wirksamkeit verschieden frequenter und verschieden intensiver Reize ver\u00e4ndert, dar\u00fcber liegt bereits eine grofse Reihe von Erfahrungen vor.\nInwieweit unsere Deutung der Farbenblindheit zutrifft, k\u00f6nnen nur eingehende Versuche am Menschen entscheiden. Hier sollte nur darauf hingewiesen werden, dafs die bis jetzt festgestellten Tatsachen \u00fcber den Einflufs farbiger Lichter auf die Netzhaut eine von den vorliegenden Anschauungen abweichende Deutung der Farbenblindheit m\u00f6glich erscheinen lassen.\nZusammenfassung der Ergebnisse.\nDie Reizschwellen verschiedenfarbiger Lichter sind nicht wesentlich verschieden. Bei Anwendung gr\u00f6fserer Lichtintensit\u00e4ten dagegen werden die Unterschiede in der Wirksamkeit verschiedenfarbiger Lichter sehr grofs.\nDas Maximum der Wirksamkeit spektralerLichter auf das Cephalopodenauge liegt im blau viole tten Anteil des Spektrums.\nDurch Helladaption bzw. Erm\u00fcdung des Auges nimmt die Wirksamkeit aller Strahlen, insbesondere aber die der kurz welligen Strahlen ab; dadurch verschiebt sich das Maximum der Wirksamkeit mehr nach dem Rotende des Spektrums zu. (PuRKiNJEsches Ph\u00e4nomen.)\nDurch starke Erm\u00fcdung oder durch Sch\u00e4digung des Auges erf\u00e4hrt die Wirksamkeit der spektralen Lichter eine verschieden starke Ver\u00e4nderung, welche bewirken kann, dafs Strahlen verschiedener Wellenl\u00e4nge gleichstark auf das Auge einwirken.","page":160},{"file":"p0161.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n161\nTafelerkl\u00e4rung.\nDie Kurven 1, 2, 3 und 4 der Tafel I stammen von dem gleichen Versuchstier. Eledone m o s c h a t a 31. I. 13. Zimmertemperatur 14 0 C, Wassertemperatur 15 0 C. Der kreisf\u00f6rmige Ausschnitt der Feuchtkammer von 1'5 mm Durchmesser wurde mit 80 NK beleuchtet. Die Zeit ist in Vs\u201d geschrieben. Die Kurven zeigen verschiedene Formen mehrsinniger Schwankungen, sie zeigen gleichzeitig die Ver\u00e4nderung des zeitlichen Verlaufes bei wiederholter Reizung. Die Reizungen folgen einander in Intervallen von 3 Sekunden.\nTafel II. Kurve 5 (Eledone mosch ata. 28. XII. 12. Zimmertemperatur 175 0 C, Wassertemperatur 17 \u00b0C). Belichtung aus 8 cm Entfernung der Lichtquelle.\nKurve 6, 7 und 8 (Eledone moschata. 29. I. 13. Zimmertemperatur 16 \u00b0C, Wassertemperatur 15 \u00b0C), Kurve 6, Belichtung mit blauem Licht aus 25 cm Entfernung, Saitenspannung 39. Kurve 7, Belichtung mit blauem Licht aus 2 cm Entfernung, Saitenspannung 40. Kurve 8, Belichtung mit weifsem Licht aus 25 cm Entfernung, Saitenspannung 41.\nTafel III, Die Kurven 9, 10, 11 und 12 stammen von einer Eledone moschata. 2. I. 13. Zimmertemperatur 16 \u00b0G, Wassertemperatur 15.5 \u00b0C. Kurve 9 ist bei einem Abstand der Lichtquelle von 100 cm, Kurve 10 bei einem Abstand von 8 cm, Kurve 11 bei einem Abstand von 4 cm, Kurve 12 bei einem Abstand von 40 cm aufgenommen. Die Saitenspannung war 41.\nDie Kurven 13, 14, 15 und 16 stammen von einer Eledone moschata. 19. III. 13. Zimmertemperatur 16\u00b0 O, Wassertemperatur 15\u00b0 C. Kurve 13 wurde erhalten durch Belichtung mit rotem Licht, dafs von einem Gitterspektrum des Sonnenlichtes stammte. Die Wellenl\u00e4nge war um 640 yg. Kurve 14 wurde durch Belichtung mit gelbem Licht (um 440^ Wellenl\u00e4nge) erhalten, Kurve 15 durch Belichtung mit gr\u00fcnem Licht (um 490^ Wellenl\u00e4nge), die Kurve 16 wurde durch Belichtung mit blauem Licht erhalten (Wellenl\u00e4nge um 450 fifi).\nDie Kurven 17, 18, 19, 20 stammen von einer Eledone moschata. 6. III. 13. Zimmertemperatur 17 \u00b0C, Wassertemperatur 13,5\u00b0C.","page":161},{"file":"p0162.txt","language":"de","ocr_de":"162\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nDie Kurve 17 wurde durch Belichtung mit gelben Licht eines Gitterspektrums des Sonnenlichtes (Wellenl\u00e4nge um 250//\u00ab) erhalten, Kurve 18 durch Belichtung mit blauem Licht (um 460//// Wellenl\u00e4nge), Kurve 19 durch Belichtung mit gelben Strahlen (um 550//// Wellenl\u00e4nge), Kurve 20 durch Belichtung mit gr\u00fcnem Licht (um 510//// Wellenl\u00e4nge).\nDie Kurven 21, 22, 23 und 24 stammen von einer Eledone moschata. 24.1. 13. Zimmertemperatur 17\u00b0C, Wassertemperatur 14-5\u00b0C Kurve 21 u. 24 wurde durch Belichtung mit rotem Licht aus 2 cm Entfernung, Kurve 22 u. 23 durch Belichtung mit blauem Licht aus 2 cm Abstand erhalten. Saitenspannung 38.\nTafel IV. Die Kurven 25\u201436 stammen von dem Auge einer Eledone moschata. 7. II. 13. Zimmertemperatur 18 \u00b0C, Wassertemperatur 15 \u00b0C. Die Kurve 25 wurde durch Belichtung mit rotem Licht aus einem Abstand von 16 cm, Kurve 26 durch Belichtung mit rotem Licht aus einem Abstand von 2 cm erhalten.\nDie Kurve 27 wurde erhalten durch Belichtung mit blauem Licht aus einem Abstand von 100 cm ; die Kurve 28 durch blaues Licht aus einem Abstand von 25 cm. Saitenspannung 39. Die Kurve 29 wurde durch Belichtung mit blauem Licht aus einem Abstand von 8 cm erhalten, die Kurve 30 mit blauem Licht aus einem Abstand von 4 cm, die Kurve 31 durch blaues Licht aus einem Abstand von 2 cm. Bei Aufnahme der Kurve 29, 30 und 31 betrug die Saitenspannung 40.\nDie Kurve 32 wurde durch Belichtung mit unzerlegtem Licht erhalten aus einem Abstand von 100 cm, Kurve 33 mit unzerlegtem Licht aus einem Abstand von 25 cm. Die Kurve 34 mit unzerlegtem Licht aus einem Abstand von 16 cm. Die Saitenspannung betrug 40.\nDie Kurve 35 wurde durch Belichtung mit unzerlegtem Licht aus einer Entfernung von 8 cm erhalten, die Kurve 36 durch Belichtung mit unzerlegtem Licht aus 2 cm Abstand. Saitenspannung 41.\nDie Kurven 37, 38 und 39 stammen vom Auge einer Eledone moschata. 8. II. 13. Zimmertemperatur 15 \u00b0C, Wassertemperatur 15-5\u00b0 C.\nDie Kurve 37 wurde durch Belichtung mit rotem, die Kurve 38 durch Belichtung mit blauem, die Kurve 39 durch Belichtung mit unzerlegtem Licht erhalten. Saitenspannung 38.\nDie Kurve 40 stammt von einer Eledone moschata. 28. XII. 12. Zimmertemperatur 17-5 \u00b0C, Wassertemperatur 17 \u00b0C. Die Kurve wurde durch Belichtung aus 100 cm Entfernung erhalten. Saitenspannung 38.\nTafel V. Die Kurven 41\u201449 stammen von einer Eledone moschata. 8. II. 13. Zimmertemperatur 15 \u00b0C, Wassertemperatur 15*5 \u00b0C.\nDie Kurve 41 wurde durch Belichtung mit rotem Licht aus einer Entfernung von 2 cm erhalten. Die Kurve 42 mit blauem Licht aus einer Entfernung von 25 cm, Kurve 43 mit blauem Licht aus einer Entfernung von 11 cm, Kurve 44 mit blauem Licht aus einer Entfernung von 2 cm. Die","page":162},{"file":"p0163.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane.\n163\nKurve 45 durch Belichtung mit unzerlegtem Licht aus einer Entfernung von 100 cm, die Kurve 46 mit unzerlegtem Licht aus einer Entfernung von 40 cm, die Kurve 47 mit unzerlegtem Licht aus einer Entfernung von 25 cm, die Kurve 48 mit unzerlegtem Licht aus einer Entfernung von 2 cm, die Kurve 49 mit unzerlegtem Licht aus einer Entfernung von 2 cm. Die Saitenspannung betrug 38.\nTafel VI. Die Kurven 50,51 und 52 stammen von dem Auge einer Eledone moschata. 31. XII. 12. Zimmertemperatur 14 \u00b0C, Wassertemperatur 16 \u00b0C. Die Kurve 50 wurde durch Belichtung aus einer Entfernung von 25 cm, die Kurven 51 und 52 durch Belichtung aus einer Entfernung von 40 und 93 cm erhalten.\nDie Kurven 53, 54, 55 und 56 stammen von einer Eledone moschata. 31. XII. 12. Zimmertemperatur von 16 5 \u00b0C, Wassertemperatur von 12-5\u00b0C.\nDie Kurven 53 und 54 wurden durch Belichtung aus Entfernungen von 16 und 4 cm erhalten, ebenso die Kurven 55 und 56. Zwischen den Aufnahmen der beiden Kurvenpaare liegen 15 Minuten.\nDie Kurven 57 und 58 stammen von einer Eledone moschata. 25. I. 13. Zimmertemperatur 16 \u00b0C, Wassertemperatur 15 \u00b0G. Die Kurven 57 und 58 wurden durch Belichtung aus einer Entfernung von 40 und 25 cm erhalten. Saitenspannung 39.\nDie Kurven 59 und 60 stammen von dem Auge einer Eledone moschata. 29. I. 13. Zimmertemperatur 16 \u00b0C, Wassertemperatur 15 \u00b0C.\nDie Kurven 59 und 60 wurden durch Belichtung aus einer Entfernung von 100 und 25 cm erhalten. Saitenspannung 40.\nDie Kurve 61 stammt von einer Eledone moschata. 25. I. 13. Zimmertemperatur 17 \u00b0C, Wassertemperatur 15*5 \u00b0C. ; sie wurde durch Belichtung mit blauem Licht aus 100 cm Entfernung erhalten. Saitenspannung 38.\nDie Kurve 62 stammt vom Auge einer Eledone moschata. 24. I. 13. Zimmertemperatur 16*5 \u00b0C, Wassertemperatur 15 \u00b0C, sie wurde durch Belichtung mit rotem Licht aus einer Entfernung von 11 cm erhalten. Saitenspannung 38.\nDie Kurve 63 stammt von einer Eledone moschata. 27. II. 13. Zimmertemperatur 17'5 \u00b0C, Wassertemperatur 14 \u00b0C, sie wurde erhalten mit gelben Strahlen, des Gitterspektrums der Sonne (Wellenl\u00e4nge um 550^).\nDie Kurve 64 stammt von einer Eledone moschata. 7. II. 13. Zimmertemperatur 13 \u00b0C, Wassertemperatur 15*5 \u00b0C, sie wurde durch Belichtung mit blauem Licht aus einer Entfernung von 16 cm erhalten.\nTafel VII. Kurve 65 (Eledone moschata. 5. XII. 12. Zimmertemperatur 18 \u00b0C, Wassertemperatur 15 \u00b0C) Reizung mit 5 cm Abstand der Lichtquelle.\nKurve 66, 67 und68 (Eledone moschata. 26. XII. 12. Zimmertemperatur 17 0tC, Wassertemperatur 15 \u00b0C). Kurve 66 Reizung mit 94, Kurve 67","page":163},{"file":"p0164.txt","language":"de","ocr_de":"164\nFriedrich W. Fr\u00f6hlich.\nmit 50, Kurve 68 mit 8 cm. Bei Kurve 66 und 67 Saitenspannung 39, bei Kurve 68 Saitenspannung 40.\nKurve 69, 70, 71 und 72. (Eledone moschata. z. IL B. Zimmertemperatur 13 \u00b0C, Wassertemperatur 15-5\u00b0 C).\nReizung mit 8 cm Abstand. Zwischen 69 und 70 und 71 und 72 je 5 Belichtungen von 11/2\" Dauer in 1\u201c Intervall, zwischen 6 und 7 10 Belichtungen. Kurve 73 und 74 (Eledone moschata. 2. II. 13. Zimmertemperatur 16 \u00b00, Wassertemperatur 15*5 \u00b0C). Kurve 73 Belichtung mit rotem Licht aus einer Entfernung von 2 cm, Kurve 74 Belichtung mit blauem Licht aus einer Entfernung von 2 cm.","page":164}],"identifier":"lit33629","issued":"1914","language":"de","pages":"28-164","startpages":"28","title":"Beitr\u00e4ge zur allgemeinen Physiologie der Sinnesorgane","type":"Journal Article","volume":"48"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:52:38.857778+00:00"}

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