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Über die Wahrnehmbarkeit von Lichtlücken

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{"created":"2022-01-31T16:51:05.192277+00:00","id":"lit33639","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"Gildemeister, Martin","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 48: 256-267","fulltext":[{"file":"p0256.txt","language":"de","ocr_de":"256\nAus dem physiologischen Institut zu Strafsburg i. E.\n\u2022 \u2022\n\u00fcber die Wahrnehmbarkeit von Lichtl\u00fccken.\nVon\nMartin Gildemeister.\nMit 2 Textfiguren.\nIm Jahre 1885 warf Bloch1 die Frage auf, wie lange ein Lichtblitz bestimmter Intensit\u00e4t dauern m\u00fcsse, um wahrgenommen zu werden. Er fand dafs die Dauer desto l\u00e4nger sein mufs, je schw\u00e4cher das Licht ist, und dafs bei den innegehaltenen Versuchsbedingungen (Blitze von 0,0005 bis 0,010\" Dauer, sehr kleines beleuchtetes Feld) das Produkt von Intensit\u00e4t und Dauer konstant ist.\nDieses Gesetz von der Konstanz des Lichtquantums bei einzelnen Schwellenreizen ist in der Folgezeit von fast allen Untersuchern 2 best\u00e4tigt worden. Es gilt anscheinend auch, wenn das beleuchtete \u00ee eld so grofs ist, dafs auch der St\u00e4bchenapparat gereizt wird. Erst bei sehr langen Lichtblitzen zeigen sich Abweichungen in dem Sinne, dafs dann das Lichtquantum mit steigender Dauer an w\u00e4chst.3\nOffenbar verh\u00e4lt sich in dieser Beziehung die Netzhaut gegen das Licht genau so, wie der Muskel gegen den elektrischen Strom. Denn auch f\u00fcr den Muskel gilt das Gesetz : An der Schwelle ist bei sehr kurzdauernden elektrischen Stromst\u00f6fsen das Produkt\n1\tA. M. Bloch, Exp\u00e9riences sur la vision, Cornet, rend, de la soc. de biologie Paris 2, p. 493, 1885.\n2\tA. Charpentier, Recherches de la persistance etc. Arch. d\u2019Opthalm 10\np. 110, 1890.\t'\t\u2019\n3\tA. Blondel et J. Rey, Sur la perception des lumi\u00e8r\u00e8s br\u00e8ves etc. Jour7i. de Physique (5) I, p. 530, 1911.","page":256},{"file":"p0257.txt","language":"de","ocr_de":"Tiber die Wahrnehmbarkeit von Lichtl\u00fccken.\n257\nvon Dauer und Intensit\u00e4t (die Elektrizit\u00e4tsmenge) konstant1, von einer gewissen Grenze an aber wird es mit zunehmender Dauer des Stromstofses immer gr\u00f6fser.2\nDiese Analogie ist schon deshalb merkw\u00fcrdig, weil es sich beim Auge um ad\u00e4quate, beim Muskel aber um fremdartige Reize handelt. Ob man nun dem Parallelismus f\u00fcr zuf\u00e4llig oder f\u00fcr tiefer in den ErregungsVorg\u00e4ngen begr\u00fcndet h\u00e4lt, jedenfalls fordert er zu weiteren Untersuchungen in derselben Richtung heraus.\nVon diesem Gedanken ausgehend, habe ich mich in der vorliegenden Arbeit bem\u00fcht, die Wirkung einzelner Dunkelpausen auf die Netzhaut zu ermitteln. Das sollheifsen: Es wurden dem Auge konstante Lichter bestimmter Intensit\u00e4t dargeboten. Dann wurden sie eine kurze Zeit lang unterbrochen, und die Pause so bemessen, dafs sie eben wahrgenommen werden konnte. Es war nun die Frage, wie die Dauer der eben erkennbaren Pause von der St\u00e4rke des Dauerlichtes abh\u00e4ngt.\nEine anologe Untersuchung auf dem Gebiete der Elektro-physiologie des Muskels hatte den Satz ergeben : In einem st\u00e4rkeren Strome bedarf es zu demselben Erregungs eff ekte einer k\u00fcrzeren Pause als in einem schw\u00e4cheren.3 Es war nun zu pr\u00fcfen, ob auf optischem Gebiete ein \u00e4hnlicher Satz gilt. Hier existiert meines Wissens keine auf dieses Problem bez\u00fcgliche Untersuchung, wenn von den Arbeiten \u00fcber periodische Lichter (bei denen ja Lichtblitze und Pausen in regelm\u00e4fsiger Folge miteinander abwechseln) absieht. Aus diesen ist, soviel ich sehe, f\u00fcr unser Thema nichts zu entnehmen.\nMethode der Untersuchung.\nUm durch Ver\u00e4nderungen der Netzhautempfindlichkeit w\u00e4hrend des Versuches m\u00f6glichst wenig gest\u00f6rt zu werden, machte ich die beleuchteten Felder sehr klein. Denn die Reizbarkeit der Fovea \u00e4ndert sich \u2014 von den ersten Minuten der Verdunklung abgesehen \u2014 nach den Angaben der meisten Unter-\n1\tM. Gildemeister u. O. Weiss, \u00dcber indirekte Muskelreizung durch Stromst\u00f6fse und Strompausen. Pfl\u00fcgers Arch. f. d. ges. Physiologie 130, S. 329.\n2\tZuerst von G. Weiss {Arch. ital. de biologie 35, p. 413, 1902) festgestellt, dann mehrfach von anderen Autoren best\u00e4tigt.\n5 M. Gildemeister u. O. Weiss, 1. c.","page":257},{"file":"p0258.txt","language":"de","ocr_de":"258\nMartin Gildemeister.\nsucher1 nur sehr wenig durch Dunkeladaptation. Ich benutzte mit weifsem durchscheinenden Papier bespannte L\u00f6cher in einem Pappschirm, die durch eingeschobene Blenden nach Bedarf noch weiter verengt werden konnten.\nDie Vp. safs etwa einen Meter vom Schirm entfernt und beobachtete nur mit einem Auge. Der Schirm stand in einem Dunkelzimmer, das nur durch ein Loch in der T\u00fcr, durch welches das Licht auf den Schirm geworfen wurde, mit dem Nebenraum in Verbindung stand. In dem Nebenzimmer befanden sich der Versuchsleiter, die Lichtquelle und die n\u00f6tigen Vorrichtungen zur Regulierung und Unterbrechung des Lichtes.\nDie optische Anordnung war folgende: Der vertikale Faden A einer Nernstlampe wurde durch ein photographisches Objektiv B in 2\u20143 f\u00e2cher Vergr\u00f6fserung auf den Spalt C abgebildet. Das sich daran schliefsende Linsensystem entspricht demjenigen einer\nr\nc\nFigur 1.\nG\no\nProjektionslampe, wenn der Spalt C als die Lichtquelle angesehen wird. (DE zweilinsiger Kondensor, F Objektiv). Bei passender Einstellung wird eine vor E gesetzte Blende H auf dem Schirme G scharf abgebildet, und das so entstehende Feld ist ganz gleich-m\u00e4lsig erleuchtet.2\nVorl\u00e4ufig haben ich und meine Mitarbeiter nur mit weifsem, oder richtiger \u2014 da das Licht von einer Nernstlampe herstammte und aufserdem noch eine Papierschicht durchdringen mufste \u2014 mit gelblichem Licht experimentiert. Doch haben wir die Absicht, auch reine Spektrallichter in den Kreis der Untersuchung zu ziehen.\nRegulierung der Lichtst\u00e4rke. Diese wurde zun\u00e4chst grob durch Ver\u00e4nderung der Spaltbreite (die aber dann in jeder\n1\tv. Kries in Nagels Handb. d. Physiologie Bd. III.\n2\tEs ist zweckm\u00e4fsig, so einzustellen, da\u00df die \u00d6ffnung von B durch D in E abgebildet wird. Dann entsteht auch ohne Blende H auf G ein ganz scharf begrenztes helles Feld.","page":258},{"file":"p0259.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Wahrnehmbarkeit von Lichtl\u00fccken.\n259\nVersuchsreihe konstant blieb) und durch Einschaltung von Matt* und Milchglasscheiben in den Strahlengang vorgenommen. Jedoch w\u00e4ren diese Mafsnahmen (aufser der ersten) nicht geeignet gewesen, das Licht in leicht mefsbarer Weise zu ver\u00e4ndern. Zu diesem Zwecke diente ein anderes Verfahren : der Spalt C, der ja in ganzer Ausdehnung von dem Bild des Nernstfadens bedeckt war, wurde durch vorgeschobene Blenden verk\u00fcrzt.\nOb die Beleuchtung des beobachteten Feldes sich in diesem Fall gleichm\u00e4fsig und genau proportional der Spaltl\u00e4nge \u00e4ndert, ist nicht ohne weiteres zu \u00fcbersehen. Zun\u00e4chst ist dazu nat\u00fcrlich n\u00f6tig, dafs das Bild des Nernstfadens im ganzen Bereich des Spaltes gleich hell sei. Das ist mit einiger Sorgfalt, wenn man nur den mittelsten Teil nimmt, zu erreichen. Im \u00fcbrigen sind die optischen Verh\u00e4ltnisse in unserem Fall, wo ein von einem langgestreckten Objekt herkommendes Strahlenb\u00fcndel durch einen Spalt eingeschn\u00fcrt wird, schwer zu \u00fcbersehen. Verschiedene \u00dcberlegungen und Versuche aber, die an anderer Stelle mitgeteilt werden, lehrten, dafs sich tats\u00e4chlich die Beleuchtung des beobachteten Feldes proportional der Spaltl\u00e4nge\nFigur 2.\tb\n\u00e4ndert. Es konnte also durch Vorschieben einer dreieckigen Blende Fig. 2 a die Lichtst\u00e4rke stetig, durch eine Stufenblende Fig. 2 b sprungweise, in leicht mefsbarer Weise variiert werden.\nDie absolute Beleuchtung des Feldes war zun\u00e4chst von geringer Bedeutung und wurde deshalb nur ann\u00e4hernd bestimmt ; es erschien, bei den gr\u00f6fsten zur Anwendung gekommenen Intensit\u00e4ten, der Vp. so hell, als ob es von 1\u20142 Meterkerzen beleuchtet w\u00fcrde. Da es ja dauernd sichtbar blieb, war ein besonderes Fixationszeichen nicht n\u00f6tig.\nUnterbrechung des Lichtes und Variierung der Pausenl\u00e4nge. Dazu wurde meistens ein Pendel benutzt, an dem unten eine Zunge aus Blech befestigt war, die dicht vor dem Spalt (Fig. 1, Pfeil vor C) vorbeischwang. Wie lange dadurch das Lieht unterbrochen wird, h\u00e4ngt von zwei Umst\u00e4nden ab : erstens von der Breite der Zunge, und zweitens von der Geschwindigkeit, die diese im Augenblicke des Vorbeigehens,","page":259},{"file":"p0260.txt","language":"de","ocr_de":"260\nMartin Gildemeister.\nd. h. am tiefsten Punkte der Bahn, besitzt. Je schm\u00e4ler die Zunge und je gr\u00f6fser der Schwingungswinkel, desto kleiner ist die Pausendauer. Aus der L\u00e4nge des Pendels, seiner Schwingungsdauer und dem Winkel der gr\u00f6fsten Abweichung ist sie leicht zu berechnen. In den Tabellen, die nachher mitgeteilt werden, ist der Schwingungswinkel und die daraus berechnete Dauer der Pause angegeben; wegen der Formel, nach welcher diese Berechnung vorgenommen ist, und ihrer Ableitung verweise ich auf die Mitteilung von Herrn Rutenburg, der viele Versuche mit mir gemeinsam angestellt hat.\nDicht vor dem Pendel war ein auf Pappe gezeichneter grofser Gradbogen angebracht, damit jedesmal die gr\u00f6fste Elongation des Pendels abgelesen werden konnte.\nVersuche.\nDie Vp. befand sich vorher meistens in einem nur m\u00e4fsig beleuchteten Zimmer. Nachdem sie sich in den ganz verdunkelten Versuchsraum begeben hatte, wurde ihr nach einer Dunkeladaptation von 5\u201410 Minuten das erleuchtete Feld gezeigt, und es wurde versucht, ob sie das Vorbeifliegen des Pendels, das ziemlich stark (beispielsweise um einen Winkel von 75 Grad) abgelenkt und dann losgelassen war, bemerkte. Das Licht wurde dann so reguliert, dafs die Pause bei so grofsen Pendelelongationen gerade nicht mehr bemerkt wurde. Dann begann der eigentliche Versuch, indem durch Verkleinerung des Ausschlagswinkels die Pause so sehr verl\u00e4ngert wurde, bis die Vp. sie mit Sicherheit wahr nahm.\nIch m\u00f6chte dabei erw\u00e4hnen, dafs man an der Schwelle nicht eine momentane Verdunklung des Feldes bemerkt. Die Ver\u00e4nderung desselben ist nicht genauer zu definieren, sie gleicht eher einer Erhellung als einer Verdunklung.\nIn den ersten Versuchen liefsen wir das Pendel nur einmal am Spalte Vorbeigehen und hielten es dann an der anderen Seite wieder an. Aber bald zeigte es sich, dafs derartige Versuche zu grofse Anforderungen an die Vp. stellen und deshalb sehr schwankende Resultate geben. Mit denselben Schwierigkeiten haben.anscheinend auch Boswell und Eyster im v. KRiEsschen Laboratorium zu k\u00e4mpfen gehabt, und haben deshalb anstatt der Einzelreize rhythmische mit 1\t4 Sekunden Intervall dargeboten. Das w\u00e4re in","page":260},{"file":"p0261.txt","language":"de","ocr_de":"\u2022 \u00bb\nUber die Wahrnehmbarkeit von Lichtl\u00fccken.\n261\ndiesem Fall, wo ja die Reaktion der Netzhaut auf Einzelreize untersucht werden soll, nur dann zul\u00e4ssig, wenn die mehrfachen Dunkelreize dieselbe Schwelle zeigen, wie die einfachen, d. h., wenn ihnen jede Summationswirkung fehlt. Tats\u00e4chlich scheint das in grofsem Bereich der Fall zu sein, denn man findet dieselbe Schwelle, ob das Intervall zwischen zwei Pausen nun 3/2 oder 2 oder beliebig viele Sekunden dauert. Auf diesen Punkt komme ich noch sp\u00e4ter zur\u00fcck (s. S. 266).\nDeshalb liefsen wir das Pendel in den sp\u00e4teren Versuchen frei ausschwingen. Der Schwingungsbogen nahm in dem Bereich von 50 bis 10\u00b0 mit jeder Halbschwingung (die 0,68 Sek. dauerte) etwa um 2\u201410 ab, die Dauer der Pause also entsprechend zu. Nahm die Vp. mit Sicherheit die rhythmische Ver\u00e4nderung des beobachteten Feldes wahr, so gab sie ein Zeichen, und der Verbuch wurde unterbrochen. Mit Intervallen von 1/2\u20141 Minute wurde derselbe Versuch dann noch 1\u20142 mal wiederholt, dann wurde durch Verschieben der Blende eine neue Lichtst\u00e4rke eingestellt usw.\nEs wurde teils mit steigender, teils mit fallender Lichtst\u00e4rke\nbeobachtet; wesentliche Unterschiede waren nicht zu erkennen.\n\u2022 \u2022\nManche Vpn. machten erst nach einiger \u00dcbung sichere und konstante Angaben.\nSchon die ersten Versuche an 6 Personen, bei denen die Beleuchtung des Feldes ver\u00e4ndert, der Betrag der Ver\u00e4nderung aber nicht genauer bestimmt wurde, ergaben folgendes : J e schw\u00e4cher die Beleuchtung, desto kleiner ist die zugeh\u00f6rige Pedelelongation, desto l\u00e4nger also die Dauer der eben wahrnehmbaren Pause.\nUm das Gesetz dieser Abh\u00e4ngigkeit genauer zu ermitteln, wurde nun in der oben beschriebenen Weise die Lichtst\u00e4rke durch Benutzung der Stufenblende in mefsbarer Weise ver\u00e4ndert. Bei jeder Intensit\u00e4t wurden zwei oder drei Versuche in Abst\u00e4nden von etwa einer Minute gemacht. Als Beispiel teile ich den Versuch 2 mit. Die vorletzte Spalte enth\u00e4lt die der Pendelelongation entsprechende Dauer der eben wahrnehmbaren Pause (Einheit Viooo Sek. = a), die letzte das Produkt aus Lichtst\u00e4rke und Dauer.","page":261},{"file":"p0262.txt","language":"de","ocr_de":"262\nMartin Gildemeister.\nVp. M. G., Feldgr\u00f6fse 42 Minuten.\nBelative Lichtst\u00e4rke\tPendelelongation beim Schwellenreiz in Graden abgelesen\tMittelwert\t\t\tDauer der Pause in o1\tProdukt Lichtst\u00e4rke X Dauer\n4,3\t25\t25\t25\t9,4\t40\n8\t30\t30\t30\t7,9\t63\n12\t40\t40 i\t40\t6,0\t72\n16\t47\t46\t46,5\t5,2\t83\n20\t49\t50\tj\t49,5\t4,9\t98\nMan\tsieht,\twie die\tPause mit\tzunehmender Lichtst\u00e4rke\t\nkontinuierlich kleiner wird. Das Produkt von Lichtst\u00e4rke und Dauer bleibt nicht wie bei einem Lichtblitz konstant, sondern w\u00e4chst mit der Lichtst\u00e4rke.\nDas ist aber nicht etwa eine Folge der Erm\u00fcdung oder einer sonstigen, mit derZeit eintretenden Ver\u00e4nderung des Sehorgans; denn geht man von starken zu schwachen Lichtern \u00fcber, so zeigen sowohl Pausendauer als auch das besagte Produkt denselben Gang.\nVp. D. B., Feldgr\u00f6fse 56 Minuten.\nBelative Lichtst\u00e4rke\tPendelelongation in Graden abgelesen\tMittelwert\t\t\tPausenl\u00e4nge a\tIntensit\u00e4t X Dauer\n20\t69\t71\t70\t3,5\t70\n16\t69\t64\t66,5\t3,7\t59\n12\t60\t56\t58\t4,2\t50\n8\t55\t51\t53\t4,6\t37\n4,3\t30\t37\t33,5\thi\t31\nUm die zeitlichen Ver\u00e4nderungen der Netzhautempfindlichkeit festzustellen, wurde bei den meisten Versuchen unmittelbar an eine absteigende Reihe (was die Lichtintensit\u00e4t anbetrifft) eine aufsteigende Reihe angeschlossen, oder umgekehrt. Ein gewisser Einflufs der Erm\u00fcdung ist dann insofern zu erkennen, als die Pausendauern f\u00fcr eine bestimmte Lichtst\u00e4rke gew\u00f6hnlich am Schl\u00fcsse eines Versuches etwas l\u00e4nger gefunden werden. Anscheinend spielen da zentrale Ver\u00e4nderungen mit, da auch\n1 \u00b0 \u2014 Vlooo Sek.","page":262},{"file":"p0263.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Wahrnehmbarkeit von Lichtl\u00fccken.\n263\ndas nicht benutzte Auge weniger f\u00e4hig wird, Lichtunterbrechungen zu erkennen.1\nIn der Tabelle 1 sind die Resultate dieser Versuche zusammengestellt, wobei n\u00f6tigenfalls aus den auf- und absteigenden Reihen das Mittel genommen ist.\nEs mag noch erw\u00e4hnt werden, dafs die einzelnen Versuchsreihen miteinander nicht unmittelbar verglichen werden k\u00f6nnen, weil die gleich bezeichneten Lichtst\u00e4rken nicht die gleichen absoluten Werte besitzen.\nTabelle 1.\n\tRelative Lichtst\u00e4rke\t4,3\t8\t12\t16\t20\tFeld- gr\u00f6fse\nVersuch 1 A. S.\tPausenl\u00e4nge Produkt von Dauer und Intensit\u00e4t\t19,9 86\t13,8 110\t10,1 121\t7,2 115\t6,3a 126\t42'\nVersuch 2\tPausenl\u00e4nge\t9,4\t7,9\t6,0\t5,2\t4,9a\t42'\nM. G.\tProdukt\t40\t63\t72\t83\t98\t\nVersuch 3\tPausenl\u00e4nge\t10,5\t6,5\t6,3\t6,5\t5,7a\t42'\nP. S.\tProdukt\t45\t52\t76\t104\t114\t\nVersuch 4\tPausenl\u00e4nge\t14,1\t8,7\t7,5\t5,4\t4,5a\t62'\nM. G.\tProdukt\t62\t70\t90\t86\t94\t\nVersuch 5\tPausenl\u00e4nge\t7,1\t4,6\t4,2\t3,7\t3,5a\t56'\nB. R.\tProdukt\t31\t37\t50\t59\t70\t\nVersuch 6\tPausenl\u00e4nge\t25,9\t18,0\t12,7\t9,8\t8,1a\t56'\nB. R.\tProdukt\t111\t144\t154\t157\t162\t\nVersuch 7\tPausenl\u00e4nge\t13,0\t8,0\t5,8\t4,6\t4,0a\t\nD. Z.\tProdukt\t56\t64\t70\t74\t80\t41'\nJe heller das Feld, desto k\u00fcrzer die eben wahrnehmbare L\u00fccke, desto gr\u00f6fser das fehlende Licht-q u antum.\nVon diesen 7 Versuchen zeigt der dritte eine Besonderheit: die Pausenl\u00e4nge bleibt f\u00fcr mittlere Lichtst\u00e4rken konstant. Ich habe dies nur bei dieser einen Vp. gesehen, die \u00fcbrigens ein\n1 Die Feststellung der minimalen Pause ist viel erm\u00fcdender als des entsprechenden Blitzes.","page":263},{"file":"p0264.txt","language":"de","ocr_de":"264\nMartin Gildemeister.\nDichromat war. Es handelt sich hier um eine Ausnahme, die vielleicht nicht nur zuf\u00e4llig mit einer Abnormit\u00e4t der Farbent\u00fcchtigkeit vergesellschaftet ist.\nGegen die bisher beschriebenen Versuche oder vielmehr gegen ihre Deutung kann man einen wichtigen Einwand erheben : wahrscheinlich war die Pupille nicht bei allen Lichtst\u00e4rken von gleicher Gr\u00f6fse, sondern bei schwacher Beleuchtung des Feldes gr\u00f6fser. In diesem Falle wird also relativ mehr Licht in das Auge eindringen; die Fovea wird also mehr erhellt, als die Rechnung unter alleiniger Ber\u00fccksichtigung der Blendenbreite ergibt.\nWenn dadurch auch der Satz von der Abnahme der Pausenl\u00e4nge mit zunehmender Intensit\u00e4t nicht umgestofsen werden kann, so ist es andererseits doch m\u00f6glich, dafs die anscheinende Verkleinerung des Produktes von Dauer und Intensit\u00e4t dadurch vorget\u00e4uscht wird, denn dieses Produkt ist ja dann in Wirklichkeit bei geringen Lichtintensit\u00e4ten gr\u00f6fser als die Tabelle 1 ergibt.\nTabelle 2.\nM. G, <\n'\nB. R. <\nB. R.\n!\nI\nRelative Lichtst\u00e4rke\t\t4,3\t8\t16\t\t\t\t\nPansenl\u00e4nge in\to\t20,3\t\t11,2\t1\t\t\t\n\t\t87\t\t\t\tohne\tk\u00fcnstl. Punille\t\nProdukt\t\t\t\t178\t\t\t\t\nPausen l\u00e4nge in\ta\t42,5\t\t25,9\t\tmit\t\t\nProdukt\t\t183\t\t414\t1\t\t\tr\nPausenl\u00e4nge in\ta\t50,3\t26,0\t18,3\t1 r\tohne\t\t\nProdukt\t\t22\t21\t29\t\t\t\t\nPausenl\u00e4nge in\to\t\t45,2\t25,2\t\\\t\t\t\nProdukt\t\t\t34\t40\ti i\tmit\t57\tr\nPausenl\u00e4nge in\to\t43,8\t\t20,5\t\\ i\t\t\t\nProdukt\t\t20\t\t33\t\tmit\tr\t57\nPausenl\u00e4nge in\to\t24,5\t\t12,2\t\\ ( )\t\t\t\nProdukt\t\tH\t\t20\t\tohne\t\u00bb\tr\nUm diese Frage zu entscheiden, wurde eine k\u00fcnstliche Pupille von 3,5 mm Durchmesser benutzt, die m\u00f6glichst dicht vor dem Auge der Vp. befestigt wurde. Auch dann nahm das besagte Produkt im gleichen Sinne zu wie die Beleuchtung des","page":264},{"file":"p0265.txt","language":"de","ocr_de":"\u2022 \u2022 '\nUber die Wahrnehmbarkeit von Lichtl\u00fccken.\t265\"\nFeldes (s. Tab. 2). Der Satz steht also fest: Wird ein kleines Feld f\u00fcr eine kurze Zeit verdunkelt und diese L\u00fccke so bemessen, dafs sie eben wahrnehmbar ist, so w\u00e4chst das herausgeschnittene Lichtquantum bei Unterbrechungszeiten von 3\u201450 a in demselben Sinne wie die Feldbeleuchtung.\nVon weiteren Beobachtungen, die bei Gelegenheit meiner Versuche gemacht habe, m\u00f6chte ich noch folgende erw\u00e4hnen.\nDie F\u00e4higkeit des Auges, Verdunklungen kleiner fixierter F elder zu erkennen, h\u00e4ngt wenig von der Dunkeladaptation ab. Wenn die Vp. sich einige Minuten durch Betrachtung des hellen Himmels helladaptiert und sich dann in das Dunkelzimmer begibt, so m\u00fcssen die Pausen zuerst, etwa f\u00fcr 5 Minuten, etwas l\u00e4nger sein, um wahrgenommen zu werden. Nach dieser Zeit hat die Fovea aber eine station\u00e4re Empfindlichkeit erlangt, die sich im Verlauf der n\u00e4chsten halben Stunde nicht merklich steigert.\n*\nBeispiel : Pausenl\u00e4nge nach halbst\u00fcndigem Aufenthalt im Dunklen 7,9 a \u201e\t\u201e darauf folgender Blendung von 3 Min. Dauer 9,8 a\n\u201e Dunkelaufenthalt von 1 Min.\t8,5 o\nto\tn\tn\tto , ^ Min.\t7,8 o\n\u00bb -\t.\t\u00bb\t\u00bb\tn V* Stunde\t7,9 a\nGanz anders ist es bei der Darbietung grofser Felder. In diesem Falle ist nach anf\u00e4nglicher Blendung die F\u00e4higkeit, Lichtl\u00fccken wahrzunehmen, f\u00fcr lange Zeit (mehr als eine halbe Stunde) deutlich herabgesetzt. In derselben Weise \u00e4ndert sich bekanntlich die Reizbarkeit f\u00fcr schwaches Dauerlicht. \u2022'\u25a0\u2022\u2022\u2022j: -\nFeldgr\u00f6fse. Was die Feldgr\u00f6fse anbetrifft, so habe ich \u00fcber ihren Einflufs auf die Pausenl\u00e4nge nur wenige Versuche angestellt (s. die Tab. 3).\t!\t:\nIhr Ergebnis l\u00e4fst sich kurz so zusammenfassen:1 ;\nBei unver\u00e4nderter Helligkeit des Feldes, und gleicher Dauer der Lichtunterbrechung ist letztere desto schwerer wahrnehmbar,1 je kleiner das Feld ist. Oder anders ausgedr\u00fcckt: je kleiner das Feld, desto l\u00e4nger die Minimalpause. Die zeitliche Zunahme erfolgt aber weniger schnell als die Abnahme der Fl\u00e4chengr\u00f6fse (untersucht von 14\u201462') ; die Lieh tmenge (das* Produkt \u00ab Flacher\n\u2022\tI-\tr\trf-\t\u00c7\t. f \"\t__ r\nmal Dauer) nimmt in demselben Sinne wie die Fl\u00e4chengr\u00f6fse \u00e4b;!\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 48.\t17","page":265},{"file":"p0266.txt","language":"de","ocr_de":"266\nMartin Gildemeister.\nTabelle 3.\nKonstante Feldhelligkeit.\n\tFelddurchmesser in Minuten\tPausenl\u00e4nge in o\tLichtmenge (Fl\u00e4che X Pausenl\u00e4nge)\n(\t62\t3,6\t7,5\nM. G. ^\t31\t5,5\t2,8\nl\t16\t7,2\t1,0\n(\t62\t5,2\t2,7\nM. G. |\t44\t8,9\t2,3\n\t31\t12,6\t1,6\nl\t22\t17,0\t1,0\n(\t62\t3,2\t3,6\nP. S. \\\t31\t7,2\t1,3\n\\\t16\t14,6\t1,0\nf\t56\t8,7\t4,7\nB. R. {\t28\t21,2\t2,9\nl\t14\t29,2\t1,0\nSummation. Dafs rhythmisch wiederholte Pausen, wenigstens wenn sie nicht \u00f6fter als jede halbe Sekunde aufeinander folgen, dieselbe Schwelle haben wie einzelne, ist schon oben erw\u00e4hnt worden. Die Versuche dar\u00fcber wurden so angestellt, dafs zwei Pendel verschiedener Schwingungsdauer verwendet wurden; das eine schwang 62, das andere 90 mal in der Minute. Nach der oben beschriebenen Methode wurde dann, bei konstant gehaltener Lichtst\u00e4rke, in beiden F\u00e4llen derjenige Ausschlagswinkel bestimmt, bei dem die Unterbrechung gerade wahrzunehmen war. Daraus wurde dann die Pausenl\u00e4nge berechnet; sie erwies sich in beiden F\u00e4llen als ann\u00e4hernd gleich. Schliefs-lich wurde noch festgestellt, wie grofs die Pause bei einmaligem Vorbeigang sein mufste. Auch dieser Wert stimmte hinreichend mit den beiden anderen \u00fcberein.\nUm nun auf den Ansgangspunkt dieser Untersuchung zur\u00fcckzukommen, so kann man nach ihrem Ergebnis von einer Analogie zwischen elektrischem und optischem Reiz auch in bezug auf","page":266},{"file":"p0267.txt","language":"de","ocr_de":"Uber die Wahrnehmbarkeit von Lichtl\u00fccken.\n267:\nUnterbrechungen sprechen. Je intensiver der unterbrochene Dauervorgang, desto k\u00fcrzer darf die L\u00fccke sein, wenn man jedesmal die Schwellenreize bestimmt.\nAuch das aufgefundene Quantit\u00e4tsgesetz \u2014 je heller das Feld, desto gr\u00f6fser ist die Lichtmenge, die herausgeschnitten werden muls, damit die L\u00fccke eben wahrgenommen wird \u2014 hat in der elektrischen Reizphysiologie sein Analogon. Wie ich an anderer Stelle dargelegt habe1, darf man dauernd sichtbare Lichter, wie sie hier zur Anwendung gekommen sind, nur mit sehr starken elektrischen Str\u00f6men vergleichen. Bei diesen gilt ganz dasselbe Gesetz, wenn man f\u00fcr Helligkeit Stromintensit\u00e4t und f\u00fcr Lichtmenge Elektrizit\u00e4tsmenge setzt. Das geht aus den von O. Weiss in Gemeinschaft mit mir angestellten und in Pfl\u00fcgers Archiv 130, S. 341 mitgeteilten Versuchen hervor. Sind die Str\u00f6me schwach, so kehren sich die Verh\u00e4ltnisse um; die Quantit\u00e4t durchl\u00e4uft ein Minimum. Nach den Befunden dieser Arbeit ist auf optischem Gebiet dasselbe zu erwarten.\n1 Diese Zeitschr. 48, S. 252.\n17*","page":267}],"identifier":"lit33639","issued":"1914","language":"de","pages":"256-267","startpages":"256","title":"\u00dcber die Wahrnehmbarkeit von Lichtl\u00fccken","type":"Journal Article","volume":"48"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:51:05.192282+00:00"}

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