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Über einen Fall von einseitiger angeborener Deuteranomalie (Grünschwäche)

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{"created":"2022-01-31T14:58:21.162019+00:00","id":"lit33655","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"Kries, J. von","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 50: 137-152","fulltext":[{"file":"p0137.txt","language":"de","ocr_de":"137\nAus dem physiologischen Institut zu Freiburg i. B.\n-\u2022 \u2022\nUber einen Fall von einseitiger angeborener Deuteranomalie (Gr\u00fcnschwache).\nVon\nJ. von Kries.\nEs ist bekannt, wie sehr die Beurteilung der Anomalien des Farbensinnes in den verschiedensten Hinsichten durch den Umstand erschwert wird, dafs wir nicht mit Sicherheit ermitteln k\u00f6nnen, was der mit einer solchen Anomalie Behaftete eigentlich sieht, wie seine Empfindungen in der Ausdrucksweise des Normalen zu bezeichnen sein w\u00fcrden.1 Was das Sehen der Dichromaten anlangt, so erscheinen namentlich im Hinblick auf die Verh\u00e4ltnisse des D\u00e4mmerungssehens manche Vermutungen berechtigt, so die, dafs die von ihnen als farblos bezeichnete Empfindung sich mit derjenigen deckt, die der Normale so nennt. Dasselbe wird f\u00fcr die anomalen Trichromaten gelten. Gleichwohl bleibt f\u00fcr die einen wie f\u00fcr die anderen noch so Manches im Zweifel. Wir k\u00f6nnen nicht auf Grund mafsgebender theoretischer Anschauungen die Art, wie diese Personen empfinden, beurteilen. Umgekehrt w\u00fcrde, wenn wir dies w\u00fcfsten, unsere Vorstellung \u00fcber die Bildung des Sehorgans dadurch in wertvoller Weise vervollst\u00e4ndigt werden. Bei dieser Sachlage kn\u00fcpft sich ein besonderes Interesse an diejenigen F\u00e4lle, in denen eine einseitige Anomalie besteht. Wer mit einer solchen behaftet ist, kann mit Ann\u00e4herung das was er\n1 Vgl. hier\u00fcber meine Ausf\u00fchrungen in Nagels Handbuch der Physiologie III, S. 164, ferner meine Abhandlung \u201e\u00dcber Farben Systeme\u201c diese Zeitschrift 13, S. 315.\nZeitechr. f. Sinnesphysiol. 50.\n11","page":137},{"file":"p0138.txt","language":"de","ocr_de":"138\nJ. von Kries.\nmit dem normalen und das was er mit dem anomalen Auge sieht, vergleichen, und es l\u00e4fst sich annehmen, dafs daraus eine Anzahl wertvoller Ergebnisse zu erhalten sein werden. F\u00e4lle, in denen ein Unterschied in der Sehweise beider Augen bestand,, das n\u00e4mliche Objekt also von dem einen Auge merklich anders als von dem anderen wahrgenommen wurde, sind wiederholt beschrieben worden. Ein weitergehendes Interesse kn\u00fcpft sich an sie nat\u00fcrlich in erster Linie dann, wenn das eine Auge normal ist, \u00fcberdies aber angenommen werden darf, dafs die Beschaffenheit des anderen mit einer der bekannten, sonst beiderseitig vorhandenen Anomalien \u00fcbereinstimmt, namentlich also dann, wenn auch die einseitige Anomalie eine angeborene ist. Von den in der Literatur vorhandenen F\u00e4llen ist hier zun\u00e4chst derjenige zu erw\u00e4hnen, den Hippel1 beschrieben hat. Hier war ohne Zweifel das eine Auge normal, das andere ein typisch dichromatisches ; die weitere Annahme, dafs es ein protanopisches war, l\u00e4fst sich, nach Mafsgabe der damals angewandten Untersuchungsweisen wohl als wahrscheinlich aber nicht als ganz sicher bezeichnen. Wie weit aus den dort mitgeteilten Beobachtungen Schl\u00fcsse auf das Sehen des Dichromaten gezogen werden k\u00f6nnen, habe ich an anderer Stelle besprochen.2 \u2014 Merkw\u00fcrdig und ganz vereinzelt ist der Fall von Beckee3, in dem eine einseitige totale Farbenblindheit (angeboren) bestand, die jedoch, wie die Helligkeitsverteilung im Spektrum zeigt, von den sonst bekannten beiderseitigen F\u00e4llen angeborener totaler Farbenblindheit sicher verschieden war. Dem hier mitzuteilenden Falle \u00e4hnlich d\u00fcrfte der von Kolbe4 beschriebene sein, in dem eine, aller Wahrscheinlichkeit nach angeborene \u201eRot-Gr\u00fcn-Schw\u00e4che\u201c bestand. Das Interesse dieser Mitteilung ist nur ein beschr\u00e4nktes, da die jetzt gebr\u00e4uchlichen und wichtigen Hilfsmittel der Untersuchung damals (1882) noch nicht herangezogen werden konnten. Be merkenswert ist immerhin, dafs Kolbe zu dem Ergebnis kommt, dafs das betreffende Auge je nach der Art der Untersuchung den Eindruck richtiger Farbenblindheit oder auch ganz normaler Farbensinnes machen k\u00f6nne, ganz \u00e4hnlich wie das f\u00fcr die anomale\n1\tArchiv f\u00fcr Ophthalmologie. 26. II., S. 176, 1880 und ebenda 27. III S. 47, 1881.\n2\tNagels Handbuch der Physiologie III, S. 166.\n3\tArchiv f\u00fcr Ophthalmologie 25. II., S. 205, 1879.\n4\tZentralblatt f\u00fcr praktische Augenheilkunde 6, S. 291, 1882.","page":138},{"file":"p0139.txt","language":"de","ocr_de":", \u2022 \u2022\nXJber einenFall von einseitiger angeborener Deuter anomalie {Gr\u00fcnschw\u00e4che). ^39\nTrichromaten gilt. \u2014 Einen Unterschied im Farbensehen beider Augen hat von sich selbst Hilbert 1 beschrieben.\nEine Untersuchung mit Anwendung der nach unseren neueren Vorstellungen vorzugsweise interessierenden Verfahrungsweisen liegt zun\u00e4chst f\u00fcr einen von Donders1 2 3 mitgeteilten Fall (Sulzer) vor ; ferner hat Samoljoee 3 ein hergeh\u00f6riges Verhalten seiner eigenen Augen untersucht und beschrieben. In beiden F\u00e4llen zeigt sich, dafs bei der Herstellung von Mischungsgleichungen spektraler Lichter, insbesondere bei der Vergleichung langwelliger homogener Lichter mit Rot-Gr\u00fcn-Gemischen die beiden Augen mehr oder weniger differieren. Freilich sind die Unterschiede in beiden F\u00e4llen nicht sehr grols. Hie Quotienten der rechts- und links\u00e4ugigen Mischungsverh\u00e4ltnisses betragen f\u00fcr Natrium-Licht als Vergleichslicht bei Sulzer 1,7, bei Samoljoee 1,57. Beachtenswert ist, dafs diese Quotienten sich ungleich herausstellen je nach der Wahl desjenigen homogenen Lichtes, mit dem die Bot-Gr\u00fcn-Mischung verglichen wird, wodurch eine physikalische Ursache der Differenz ausgeschlossen wird, wie ich dies seinerzeit f\u00fcr den Vergleich des anomalen und des normalen Sehorgans gezeigt habe.4\nDagegen scheint sich die auf den ersten Blick n\u00e4chstliegende Annahme, dafs das eine Auge normal sei, das andere aber sich \u00fcbereinstimmend mit den bekannten F\u00e4llen von Gr\u00fcn- oder von Bot-Anomalie verhalte, in beiden F\u00e4llen nicht zu best\u00e4tigen. Ls spricht gegen diese Annahme schon das genauere Verhalten der eben erw\u00e4hnten Quotienten. Bei den Gr\u00fcn-Anomalen erscheint die Abweichung vom normalen Auge bei h\u00f6chster Wellenl\u00e4nge des homogenen Lichtes am gr\u00f6fsten und nimmt mit sinkender Wellenl\u00e4nge ab; bei den Rot-Anomalen ist der Unterschied bei den mittleren Weilenl\u00e4ngen des reinen Lichtes am geringsten und nimmt von da sowohl mit steigender wie mit sinkender Wellenl\u00e4nge zu. Dagegen ist sowohl bei Sulzer wie bei Samoljoee der Unterschied zwischen beiden Augen bei mittlerer Wellenl\u00e4nge des reinen Lichtes am gr\u00f6fsten, um nach beiden Seiten hin sich zu vermindern. Auch scheint bei keinem dieser beiden Autoren eine Schw\u00e4che des Farbensinnes im gew\u00f6hnlichen Sinne vorzu-\n1\tPfl\u00fcgers Archiv 57, S. 61, 1894.\n2\tArchiv f\u00fcr (Anatomie und) Physiologie S. 518, 1884.\n3\tDiese Zeitschrift 41, S. 367, 1907.\n4\tDiese Zeitschrift 19, S. 61. 1899.\n11*","page":139},{"file":"p0140.txt","language":"de","ocr_de":"140\nJ. von Kries.\nliegen. Beide bezeichnen daher auch gar nicht das eine Auge als normal, das andere als anomal, sondern scheinen im allgemein funktionellen Sinne beide Augen als durchaus gleichwertig zu betrachten.1\nAus neuester Zeit ist endlich eine Mitteilung von Hegner2 zu erw\u00e4hnen. In dem von H. genauer untersuchten und beschriebenen Falle (Stud. W.) war das rechte Auge normal, das linke gab am Anomaloskop eine abweichende Einstellung, die derjenigen der Rot-Anomalen entspricht, und erwies sich als farbenschwach. Ob das linke Auge in jeder Weise mit den Rot-Anomalen \u00fcbereinstimmte, l\u00e4fst sich nicht sicher beurteilen, da nur Natriumlicht mit den Rot-Gr\u00fcn-Gemischen verglichen wurde, nicht aber homogene Lichter von anderen Wellenl\u00e4ngen. Dagegen ist die Untersuchung Hegners insofern vollst\u00e4ndiger als die fr\u00fcheren, als hier ein direkter Vergleich der Empfindungsweise beider Augen versucht wurde. Mit Benutzung des WHEATSTONEschen Spiegelstereoskops wurde eine Einrichtung von der Art getroffen, dafs f\u00fcr beide Augen die nasalen Gesichtsfeldh\u00e4lften verdunkelt waren, die \u00e4ufseren dagegen die zu vergleichenden farbigen Fl\u00e4chen enthielten, die demgem\u00e4fs, bei richtiger Stellung und richtiger bin okularer Fixation, in unmittelbarer Benachbarung gesehen wurden.3 \u201eWenn nun dem Patienten zwei hellrote Felder dargeboten\n1\tWas Sulzer anlangt, so geht aus den mitgeteilten Zahlen hervor dafs die Mischungsgleichungen seines rechten Auges mit denen der gew\u00f6hnlichen Trichromaten ann\u00e4hernd \u00fcbereinstimmten. Davon weicht das linke Auge in dem Sinne ab, dafs es in der Rayleigh-Gleichung mehr Rot erfordert. In diesem qualitativen Sinne k\u00f6nnte es also rotanomal genannt werden Aber es ist zu beachten, dafs es sich in den oben erw\u00e4hnten Hinsichten von den sonst bekannten Rot-Anomalien unterscheidet. Bei Samoljofe ist ein Vergleich mit den Mischungsverh\u00e4ltnissen f\u00fcr andere normale Personen nicht gegeben.\n2\tHegner. \u00dcber angeborene einseitige St\u00f6rungen des Farbensinnes. Klinische Monatsbl\u00e4tter f\u00fcr Augenheilkunde 54, S. 81, 1915.\n3\tF\u00fcr genauere, namentlich messende Versuche ist \u00fcbrigens von de Benutzung des Spiegelstereoskops abzuraten, weil die zu vergleichende Objekte voneinander betr\u00e4chtlich entfernt und gegen die Lichtquelle ungleich orientiert sind, so dafs man sie nicht als gleich beleuchtet annehmen kann, wTas doch unerl\u00e4fslich ist. In dieser Hinsicht sind di gew\u00f6hnlichen Betrachtungsapparate vorzuziehen, hier kann man leicht die vom einen underen Auge wahrzunehmenden Fl\u00e4chen ann\u00e4hernd in de gleichen Ebene und direkt nebeneinander anordnen, so dafs die Bedingung gleicher Beleuchtung mit gen\u00fcgender Ann\u00e4herung erf\u00fcllt wird.","page":140},{"file":"p0141.txt","language":"de","ocr_de":"Uber einen Fall von einseit iger angeborener Deuteranomalie ( Gr \u00fcnschw\u00e4che). 141\nwurden, erscheint die dem linken Auge zugeh\u00f6rige H\u00e4lfte deutlich matter und dunkler. Wurden zwei gr\u00fcne Felder genommen, so erschien das dem linken Auge entsprechende mehr graugr\u00fcn, fahl im Vergleich zum Hellgr\u00fcn der rechten Seite.\u201c \u2014Ein quantitativer Vergleich durch Herstellung von binokularen Gleichungen ist nicht gemacht worden. Es hat sich in diesem Falle wohl sicher um eine angeborene Anomalie gehandelt; nach den Berichten des Pat. h\u00e4lt es aber Hegner f\u00fcr nicht unwahrscheinlich, dafs die Verh\u00e4ltnisse sich im Laufe der Zeit ge\u00e4ndert und zwar der Farbensinn gebessert habe. Die Arbeit Hegners enth\u00e4lt noch kurze Mitteilungen \u00fcber zwei andere F\u00e4lle, in denen ebenfalls am Anomaloskop rechts und links verschiedene Gleichungen eingestellt wurden.\nF\u00e4lle von erworbenen einseitigen Anomalien des Farbensinnes sind wohl \u00f6fter beobachtet und untersucht worden. Ich erw\u00e4hne hier namentlich die Mitteilungen von Hering 1 und von Hess.1 2 In der ersteren ist auch ein Apparat beschrieben, der zur Vergleichung des Sehens beider Augen dient, worauf unten noch zur\u00fcckzukommen ist. Der Vollst\u00e4ndigkeit halber seien noch die von Woinow3 und von Niemetschek4 beschriebenen F\u00e4lle angef\u00fchrt, in denen es zweifelhaft ist, ob es sich um angeborene oder erworbene Anomalien gehandelt habe.\nIm Hinblick auf die D\u00fcrftigkeit des Beobachtungsmaterials erscheint es nicht \u00fcberfl\u00fcssig, hier \u00fcber einen Fall etwas genauere Mitteilungen zu machen, in dem ein Auge, das linke, normal, das rechte dagegen in typischer Weise deuteranomal ist. Es handelt sich um einen jungen Arzt, Dr. Reichert, der zuf\u00e4llig, n\u00e4mlich beim Betrachten gef\u00e4rbter mikroskopischer Pr\u00e4parate, darauf aufmerksam wurde, dafs ihm die Gegenst\u00e4nde mit beiden Augen ungleich erscheinen. Namentlich versagt auch das rechte Auge beim Wahrnehmen der kleinen farbigen Objekte, wie sie die mikroskopischen Pr\u00e4parate h\u00e4ufig enthalten (gef\u00e4rbte Bazillen) und erwies sich so wenigstens im rein symptomatischen Sinne unmittelbar als farbenschwach. Beim gew\u00f6hnlichen Sehen sind offenbar die Eindr\u00fccke des normalen linken Auges derart im \u00dcbergewicht, dafs die Unterwertigkeit des rechten in keiner\n1\tArchiv f\u00fcr Ophthalmologie 36, III. S. 1, 1890.\n2\tEbenda S. 24.\n3\tArchiv f\u00fcr Ophthalmologie 17, III. S. 346.\n* Frager Vierteljahrsschrift S. 234, 1868.","page":141},{"file":"p0142.txt","language":"de","ocr_de":"142\n\u00ab7. von Kries.\nWeise bemerkbar wird. Aus diesem Grunde ist es denn auch sehr wahrscheinlich, dafs die Anomalie, wenngleich sie erst im erwachsenen Lebensalter bemerkt wurde, doch als eine angeborene bestand. Jedenfalls ist daf\u00fcr, dafs sie irgendwann erworben sein oder auch nur der Farbensinn sich irgendwie ge\u00e4ndert haben sollte, keinerlei Anhalt vorhanden. Die Sehweise des Herrn Dr. Reichest ist in meinem Institut mit den hier gebr\u00e4uchlichen Hilfsmitteln untersucht worden. Leider hat der Ausbruch des Krieges es unm\u00f6glich gemacht, die Untersuchung noch in manchen Hinsichten weiterzuf\u00fchren, in denen dies wohl w\u00fcnschenswert gewesen w\u00e4re. Trotzdem glaube ich, dafs die Ergebnisse geeignet sind, unsere Vorstellungen von dem Sehen der anomalen Trichromaten zu vervollst\u00e4ndigen.1 \u2014 Nachdem die Ungleichheit der beiden Augen in der eben erw\u00e4hnten Weise bemerkt worden war, wurden zum Zwecke vorl\u00e4ufiger Orientierung zun\u00e4chst beide Augen am NAGELschen Anomaloskop gepr\u00fcft. Hier ergab sich f\u00fcr das linke Auge eine mit der normalen \u00fcbereinstimmende Einstellung, f\u00fcr das rechte dagegen diejenige, die f\u00fcr die Gr\u00fcnanomalien charakteristisch ist. Dafs der Farbensinn des linken Auges ein durchaus normaler sei, der des rechten dagegen mit den bekannten als Deuteranomalie oder Gr\u00fcnanomalie bezeichneten F\u00e4llen \u00fcbereinstimme, war hierdurch allerdings wahrscheinlich gemacht, konnte aber doch noch nicht als in vollem Mafse erwiesen gelten. Es wurden daher vor allem zur Pr\u00fcfung dieser Annahme eine Reihe systematischer Versuche am HELMHOLTZschen Farben-Mischapparat angestellt. Sie haben, wie vorausgeschickt sei, jene Annahme in vollem Mafse best\u00e4tigt. Es war dabei w\u00fcnschenswert, einen ganz normalen Vergleichs-Beobachter zu haben. Als solcher diente in liebensw\u00fcrdiger Weise Herr Dr. Engelking.\nBekannten Verh\u00e4ltnissen gem\u00e4fs bestand die Pr\u00fcfung in erster Linie in der Herstellung von Gleichungen zwischen homogenen, der langwelligen H\u00e4lfte des Spektrums angeh\u00f6rigen Lichtern und Mischungen aus Rot und Gr\u00fcn. Die sog. Rayleigh-Gleichung, bei der das homogene Licht dasjenige von dei Wellenl\u00e4nge 589 (Natriumlicht) ist, stellt einen besonderen Fall dieser Aufgabe dar. Da es w\u00fcnschenswert ist, auch f\u00fcr die allgemeine Aufgabe eine kurze Bezeichnung festzulegen, so m\u00f6chte\n1 Eine etwas vollst\u00e4ndigere Darstellung findet sich in der Dissertation des Herrn Dr. Reichert \u201e\u00dcber einseitige Farbensinn-Anomalien\u201c. (Freiburg 1916).","page":142},{"file":"p0143.txt","language":"de","ocr_de":"Uber einen Fall von einseitiger angeborener Deuter anomalie (Gr\u00fcnschw\u00e4che).\t143\nich f\u00fcr sie den Namen der \u201eerweiterten Rayleigh-G1 eichungen\u201c einf\u00fchren. Als homogene Lichter kamen die Wellenl\u00e4ngen 625, 613, 601, 589, 579, 569, 554 und 550 pp in Anwendung. Verfahren wurde stets so, dafs die Beleuchtung des einen Feldes mit dem homogenen Licht festgelegt wurde; der Beobachter hatte somit die Aufgabe, das mit dem Gemisch erleuchtete Feld durch Variierung der Spaltweite und der Nikolstellung auf genaue Gleichheit mit dem anderen, vom homogenen Lichte erleuchteten Felde einzustellen. Die Tabelle 1 zeigt eine Reihe, in der in regelm\u00e4fsiger Abwechselung Herr E. und Herr R. mit seinem linken (normalen) Auge beobachtete. Im ersten und zweiten Stabe sind spektraler Ort und Wellenl\u00e4nge, im dritten und vierten die Nikolstellungen f\u00fcr E und Ri als ct1 und a2 bezeichnet ; jede der hier angegebenen Zahlen bedeutet den Mittelwert von drei Einstellungen.\nTabelle 1.\nOrt des homoge\tWellenl\u00e4nge men Lichts\t\u00abi Nikolste E\t\u00ab2 [lung f\u00fcr Kl\ttg2\u00abi tg2\u00ab2\nNa \u20143\t625 fifi\t110,1\t12o,7\t1,32\nNa \u20142\t623 fia\t15\u00b0,7\t16\u00b0,4\t1,10\nNa \u20141\t601 fifi\t21\u00b0,8\t22\u00b0,7\t1,20\nNa\t589 fifi\t27\u00b0,2\t27\u00b0,0\t0,98\nNa +1\t579 fifi\t36o,5\t35\u00ae,3\t0,91\nNa +2\t569 ufi\t41 \u00b0,9\t41o,4\t0,96\nNa +3\t559 fi fi\t49\u00b0,8\t50',3\t1,03\nNa +4\t550 ufi\t58\u00b0,7\t56\u00b0,5\t0,84\nDa bei der Nikolstellung a das Mengenverh\u00e4ltnis des roten zum gr\u00fcnen Lichte = tg2a ist, so interessiert vornehmlich der\ntg2\u00abi\nQuotient dieser beiden Verh\u00e4ltnisse, also der Wert\ntg2tf2\nDiese\nWerte sind im letzten Stabe der Tabelle f\u00fcr die verschiedenen homogenen Lichter angegeben. Die Abweichungen von der Einheit bleiben innerhalb der Fehlergrenzen; und es darf demnach zun\u00e4chst gefolgert werden, dafs das linke Auge von R. wenigstens in der hier gepr\u00fcften Hinsicht sich von einem gew\u00f6hnlichen normalen nicht unterscheidet.","page":143},{"file":"p0144.txt","language":"de","ocr_de":"144\nJ. von Kries.\nIn Tabelle 2 sind die Ergebnisse einer Reihe mitgeteilt, bei der in \u00e4hnlicher Weise abwechselnd Herr E., Herr R. mit dem linken und R. mit dem rechten Auge beobachtete. Die Tabelle enth\u00e4lt wiederum im ersten und zweiten Stabe die spektralen Orte und Wellenl\u00e4ngen der homogenen Lichter, im dritten^ vierten und f\u00fcnften die Nikolstellung f\u00fcr E., f\u00fcr das linke und ' rechte Auge von R., mit a1} a2 und as bezeichnet, endlich im sechsten und siebenten die Quotienten\ntg2\u00ab2\nt g2\u00abi\nTabelle 2.\nSpektraler Ort des homog\u20ac\tWellen- l\u00e4nge men Lichts\t\u00abi N E\t\u00ab2 ikolstellui Ri\t\u00ab3 lg Rr\ttg2\u00ab2 tg2\u00abi\ttg2\u00abs tg2\u00abi\nNa \u20143\t625 fift\tj\t12,3\t14,3\t22,0\t1,36\t3,43\nNa \u20142\t613 ftfi\t19,3\t22,4\t32,1\t1,38\t3,21\nNa \u20141\t601 ftfi\t27,0\t29,5\t43,3\t1,23\t3,42\nNa\t589 ft ft\t32,4\t34,4\t46,6\t1,16\t2,77\nNa +1\t579 fift\t42,4\t43,1\t54,7\t1,05\t2,93\nNa +2\t569 ft ft\t45,7\t49,3\t56,5\t1,28\t2,17\nNa +3\t559 fi fi\t55,7\t55,7\t?\t1,00\t\nNa +4\t550 fifi \\\t65,9\t66,5\t?\t1,05\t\nBetrachtet man diesen letzten Stab, so ist ersichtlich, dafs die Quotienten der Mischungsverh\u00e4ltnisse, die uns durch ihre-Abweichung von der Einheit ein Mafs f\u00fcr die Abweichung des anomalen Auges von der Norm geben, sich bei den langwelligsten Vergleichslichtern auf etwa 3,4 belaufen. In den gew\u00f6hnlichen F\u00e4llen beiderseitiger Gr\u00fcn-Anomalie sind noch etwas h\u00f6here Werte beobachtet worden (bis 4,8), aber auch Werte wie der hier gefundene zeigen eine solche mit Sicherheit an. Beachtenswert ist ferner, dafs, wie ich es zuerst f\u00fcr die Gr\u00fcn-Anomalie gefunden habe \\ auch hier die Quotienten von der Wellenl\u00e4nge desjenigen homogenen Lichtes, mit dem die Rot-Gr\u00fcn-Mischung gleich zu\n\u2022 \u2022\nUber die sog. anomalen trichromatischen Farbensysteme. Diese Zeitschrift 19, S. 61. 1899.","page":144},{"file":"p0145.txt","language":"de","ocr_de":"Uber einen Fall von einseitiger angeborener Deuter anomalie (Gr\u00fcnschw\u00e4che).\t145\nmachen ist, abh\u00e4ngig sind, und zwar auch hier wie in den damals beschriebenen F\u00e4llen mit abnehmender Wellenl\u00e4nge sich vermindern. Um diese Tatsache v\u00f6llig aufser Zweifel zu stellen und quantitativ noch etwas genauer zu fixieren, wurden in einer weiteren Versuchsreihe mit drei Lichtern, n\u00e4mlich den Wellenl\u00e4ngen 613, 589 und 569 ////, noch eine gr\u00f6fsere Zahl von Einstellungen unter sonst gleichen Bedingungen ausgef\u00fchrt. Hier ergeben die Mittelwerte folgende Betr\u00e4ge f\u00fcr die Quotienten\n: bei 613 juju 3,66, bei 589 fJLfx 3,00, bei 569\t2,43. Endlich\nverdient hervorgehoben zu werden, dafs sich hier, wie in gewissen F\u00e4llen hochgradiger Gr\u00fcn-Anomalie noch eine andere Erscheinung zeigt. Sie besteht darin, dafs Gleichungen der hier in Rede stehenden Art sich \u00fcberhaupt nur einstellen lassen, wenn die Wellenl\u00e4nge des homogenen Lichtes nicht unter einen gewissen Wert (etwa 569 juju) herunter geht. Lichter von kleinerer Wellenl\u00e4nge sind dem Gr\u00fcn-Bestandteil bereits so \u00e4hnlich, dafs sie, auch wenn das letztere gar keinen Rotzusatz erh\u00e4lt, f\u00fcr gleich angesprochen werden k\u00f6nnen. Andererseits \u00e4ndert sich aber die Farbe auch bei m\u00e4fsigen Zus\u00e4tzen von Rot zun\u00e4chst nicht merklich, und so k\u00f6nnen denn befriedigende Gleichungen mit ungemein verschiedenen Nikolstellungen erhalten werden.\nDie mitgeteilten Beobachtungen zeigen, dafs, wenn man das rechte Auge des Herrn R. f\u00fcr sich allein untersucht, es die charakteristischen Erscheinungen der Gr\u00fcn-Anomalie, und zwar einer hochgradigen, in typischer Weise erkennen l\u00e4fst. Dafs dieses Auge die n\u00e4mliche Beschaffenheit besitzt, wie sie in jenen F\u00e4llen beiderseits vorhanden ist, darf hiernach mindestens als sehr wahrscheinlich gelten.1\nUm nun die Sehweise des normalen linken und des gr\u00fcnanomalen rechten Auges zu vergleichen, kann man so zu Werke gehen, dafs man verschieden gef\u00e4rbte Gegenst\u00e4nde mit dem einen und anderen Auge betrachten und in subjektiver Weise beurteilen l\u00e4fst, ob die hervorgerufene Empfindung beiderseits gleich ist, event, in welcher Hinsicht und in welcher Weise sie\n1 Eine volle \u00dcbereinstimmung der Funktion in jeder Hinsicht wird man nat\u00fcrlich nicht erwarten d\u00fcrfen, schon weil bei der einseitigen Anomalie das Sehen mit dem normalen anderen Auge mindestens in psychologischer Hinsicht andere Bedingungen schafft. Es wird auf Erscheinungen, die vielleicht hiermit in Zusammenhang zu bringen sind, unten noch zur\u00fcckzukommen sein.","page":145},{"file":"p0146.txt","language":"de","ocr_de":"146\nJ. von Kries.\nsich unterscheiden. Dies Verfahren schliefst sich den Beobachtungen an, durch die die einseitige Anomalie bemerkt worden war. Es kann nat\u00fcrlich wertvoller gemacht werden und f\u00fchrt zu sch\u00e4rferen Ergebnissen, wenn man auf beide Augen Lichter von physikalisch genau definierbarer Beschaffenheit einwirken l\u00e4fst. Zu diesem Zwecke wurde der Spektralapparat benutzt, der im hiesigen Institut f\u00fcr die praktischen \u00dcbungen der Studierenden verwendet wird.1 Das Beobachtungsfeld, das in einer Ausdehnung von etwa 2,5 Grad erscheint, wurde der Reihe nach mit verschiedenen reinen Lichtern erleuchtet und der Beobachter veranlafst, dasselbe wiederholt abwechselnd mit dem einen und dem anderen Auge zu betrachten und den erhaltenen Farbeneindruck anzugeben. Das Ergebnis dieser Versuchsreihe enth\u00e4lt die folgende Tabelle:\nTabelle 3.\nWellenl\u00e4nge\t! 1 Aussehen f\u00fcr das linke Auge\tAussehen f\u00fcr das rechte Auge\n627\trot\tbetr\u00e4chlich gelber\n608\thellrot\tgelb (Spur rot)\n591\tr\u00f6tliche Beimischung\trein gelb\n573\tleicht gr\u00fcngelb\tdesgl. (kein Unterschied)\n559\tgrasgr\u00fcn\tfast reines gelb\n535\tgr\u00fcn\tgelb mit leichtem Schimmer von gr\u00fcn\n515\tgr\u00fcn\tgr\u00fcnlich gelb (Unterschiedsehrgrofs)\n505\tgr\u00fcn\tschwach gelbgr\u00fcn\n496\tgr\u00fcn\tfast farblos (Unterschied maximal)\n488\tblaugr\u00fcn\tweifs (farblos)\n480\tgr\u00fcnblau\tgraublau\n464\tlinks vielleicht etwas blauer\t\n460\tviolett\tblau\nWertvoller als die Betrachtung und Benennung der Empfindungs-Unterschiede, die sich ergeben, wenn rechtes und linkes Auge von dem n\u00e4mlichen Lichte getroffen werden, w\u00fcrde es nat\u00fcrlich sein, in systematischer Weise zu ermitteln, in welcher Weise die das eine und andere Auge treffenden Reize gew\u00e4hlt werden m\u00fcssen, um die gleiche Empfindung hervorzurufen, ein Verfahren binokularer Gleichungen, wie es kurz bezeichnet werden kann. Versuche dieser Art haben wir zun\u00e4chst nur mit Pigmentfarben angestellt. In einem gew\u00f6hnlichen Betrachtungs-\n1 S. diese Zeitschrift, 43, S. 58. 1909.","page":146},{"file":"p0147.txt","language":"de","ocr_de":"\u2022 \u2022_\nUber einen F\u00e4ll von einseitiger angeborener Deuter anomalie ( Gr\u00fcnschw\u00e4che). 147\napparat f\u00fcr Stereoskopbilder wurden auf der Seite des rechten wie des linken Auges die nasalen H\u00e4lften des sichtbaren Feldes mit einem undurchsichtigen Schirm abgedeckt, die temporalen dagegen offen gelassen. Hinter die \u00d6ffnung, durch die das rechte Auge blickt, wurde dann entweder ein rotes oder ein gr\u00fcnes Papier fest aufgestellt. Hinter der anderen \u00d6ffnung, also dem linken Auge sichtbar, war ein Farbenkreisel angebracht, auf dem das gleiche Rot in beliebigen Sektorenverh\u00e4ltnissen mit Schwarz und Weifs, event, auch unter Zusatz noch einer anderen Farbe, Gelb oder Blau gemischt werden konnte. Fixieren beide Augen die Trennungslinie, so erscheinen im binokularen Gesichtsfelde die beiden vom linken und rechten Auge gesehenen H\u00e4lften aneinanderstofsend, und ihre Farben k\u00f6nnen verglichen werden. Der Beobachter ist demgem\u00e4fs denn auch in der Lage, die Sektoren des Kreisels so anzuordnen, dafs beide Felder gleich erscheinen, also eine binokulare Gleichung erhalten wird.1\nEs fand sich nun, dafs solche Gleichungen, wenn auch nicht mit einer sehr grofsen, doch mit einer leidlichen Genauigkeit erhalten werden k\u00f6nnen. Die gewonnenen Zahlen, die in der folgenden Tabelle 4 zusammengestellt sind, zeigen, dafs, wie zu\nTabelle 4.\nDem rechts\u00e4ugig gesehenen Gr\u00fcn erschien gleich die links\u00e4ugig gesehene\nMischung:\nMittel\nGr\u00fcn\t157\t130\t108\t127\t133\t121\t113\t109\t134\t114\t124,6\nGelb\t42\t42\t72\t43\t58\t45\t57\t58\t53\t44\t51,4\nWeifs\t94\t98\t104\t92\t108\t96\t102\t118\t119\t122\t105,3\nSchwarz\t67\t90\t76\t98\t61\t98\t78\t75\t54\t80\t77,7\nDem rechts\u00e4ugig gesehenen Rot erschien gleich die links\u00e4ugig gesehene\nKreiselmischung :\nMittel\nRot\t265\t245\t250\t249\t258\t271\t262\t277\t248\t230\t255,5\nBlau\t45\t59\t60\t41\t67\t33\t45\t42\t53\t62\t50,7\nWeifs\t11\t12\t14\t14\t13\t22\t27\t15\t14\t19\t16,1\nSchwarz\t39\t44\t36\t56\t22\t34\t26\t26\t45\t49\t37,7\n1 Das von uns benutzte Verfahren steht dem oben erw\u00e4hnten Hering-schen in bezug auf Bequemlichkeit und Eleganz nach, da bei diesem die Farbenabstufungen in stetiger Weise durch Drehen der beleuchteten Fl\u00e4chen oder von Spiegeln bewirkt werden. Leider aber sind die so erhaltenen Ergebnisse nicht zahlenm\u00e4fsig fixierbar; um solche Werte zu erhalten, bleibt man bei der Benutzung von Pigmentfarben immer noch auf die wenig handliche Kreiselmethode angewiesen. Abgesehen davon besteht","page":147},{"file":"p0148.txt","language":"de","ocr_de":"148\nJ. von Kries.\nerwarten war, das anomale Auge bei Betrachtung des Rot oder Gr\u00fcn die gleiche Empfindung ergibt, wie das normale Auge sie durch die Betrachtung unges\u00e4ttigter Gemische erh\u00e4lt. Dafs dabei um eine Gleichung zu erhalten auch kleine Mengen von Gelb oder Blau zugesetzt werden m\u00fcssen, kann nicht \u00fcberraschen, da die benutzten Pigmente nicht in irgendeinem physiologischen Sinne reine sind. Reduzieren wir die Menge des Gr\u00fcn, so wird dies mit derjenigen \u00c4nderung, die durch die Anomalie bedingt wird, wohl ann\u00e4hernd aber nicht genau \u00fcbereinstimmen, so dafs eine Ausgleichung der Unterschiede im Farbenton durch Gelboder Blau-Zus\u00e4tze erforderlich wTird.\nAuff\u00e4llig kann man es finden, dafs die hier erhaltene Reduktion des Rot und des Gr\u00fcn keineswegs \u00fcbereinstimmen. Wir erhalten die Gr\u00f6fse des dem linken Auge darzubietenden Rot-Sektors im Durchschnitt 255\u00b0,5, die des Gr\u00fcn-Sektors dagegen durchschnittlich = 124\u00b0,6. Noch bemerkenswerter als diese Abweichung scheint mir der relativ geringe Betrag beider Reduktionen. Ein Kreiselgemisch, das 255\u00b0 Rot oder 124\u00b0 Gr\u00fcn enth\u00e4lt, erscheint einem normalen Auge zwar deutlich unges\u00e4ttigt aber doch immerhin noch lebhaft und unverkennbar rot resp. gr\u00fcn; eine Verminderung des Farbenwertes auf 1/3 erscheint noch nicht gerade als eine sehr tiefgreifende Anomalie. Unzweifelhaft stehen diese Ver-h\u00e4ltnisse in einem auff\u00e4lligen Gegens\u00e4tze zu dem, was bei der Betrachtung kleiner spektral erleuchteter Felder zu bemerken ist. Wird, wie vorhin erw\u00e4hnt, ein mit spektralem Gr\u00fcnblau (488 bis 496 juju) erleuchtetes Feld ann\u00e4hernd oder auch wohl vollst\u00e4ndig farblos genannt, so l\u00e4fst sich das ja nicht ohne weiteres quantitativ veranschlagen ; aber man wird geneigt sein darin eine weit bedeutendere Abschw\u00e4chung des Farben wertes zu erblicken.\nEs best\u00e4tigt sich hier, was Nagel von den anomalen trichromatischen Systemen sagte, dafs sie den Untersucher durch ein gewisses Mifsverh\u00e4ltnis der Resultate in Erstaunen setzen; bei gewissen Beobachtungsweisen kann man glauben es mit einem typischen Dichromaten zu tun zu haben, und bei anderen Ver-fahrungsweisen erscheint die Beeintr\u00e4chtigung des Farbensinnes so gering, dafs man zweifelhaft wird, ob \u00fcberhaupt eine Anomalie\nder Unterschied, dafs die binokular zu vergleichenden Felder gr\u00f6fsere Ausdehnung besitzen und unmittelbar aneinanderstofsen, w\u00e4hrend bei der HERiNGschen Einrichtung zwei voneinander etwas abstehende kleinere Felder zu vergleichen sind.","page":148},{"file":"p0149.txt","language":"de","ocr_de":"\u2022 \u2022\nTiber einen Fall von einseitiger angeborener Deuter anomalie {Gr\u00fcnschw\u00e4che). 149\nvorliegt. Erw\u00e4gt man nun auf welche Besonderheiten in den Modalit\u00e4ten der Beobachtung es dabei ankommen mag, so wird in erster Linie an die Feldgr\u00f6fsen zu denken sein. Die mit spektralen Lichtem erleuchteten Felder sind nur 2,5 Grad grofs; bei der Herstellung binokularer Gleichungen werden ziemlich grofse farbige Felder betrachtet. Dafs der Farbensinn der Anomalen gerade gegen\u00fcber kleinen Feldern zu versagen scheint, ist schon von Nagel betont worden. Es wurde im Hinblick auf diese Umst\u00e4nde eine Anzahl vergleichender Versuche \u00fcber das Erkennen von kleinen farbigen Objekten ausgef\u00fchrt. Auch diese lieferten in mancher Hinsicht \u00fcberraschende Ergebnisse, die hier mitgeteilt werden sollen, wenn auch gerade diese Untersuchungen nicht in ganz befriedigender Weise zum Abschlufs gebracht werden konnten. Es wurde zun\u00e4chst, um die Verh\u00e4ltnisse des Helligkeits-Kontrastes auszuschliefsen, so zu Werke gegangen, dafs kleine farbige Felder auf einer (farblosen) Umgebung von gleicher Helligkeit zur Beobachtung kamen. Es wurde zu diesem Zwecke auf einem Tische ein grauer Karton senkrecht zur Ebene der Fenster auf gestellt. Dahinter in 50 cm Abstand war ein \u00e4hnlicher Karton um eine senkrechte Axe drehbar befestigt. In der Mitte des ersten Kartons war eine 1 mm im Durchmesser betragende \u00d6ffnung angebracht. Vor dem zweiten Karton war dann das farbige Papier aufgezogen. Je nachdem nun der hintere Karton mehr oder weniger zum Licht gedreht wurde, erschien der durch oben erw\u00e4hntes Loch von ihm sichtbare Fleck heller oder dunkler als die Umgebung (der vordere Karton). Da nun, wenn man aus gr\u00f6fserer Entfernung auf den vorderen Karton zuging, immer der kleine Fleck in seiner Mitte erst heller oder dunkler erschien als die Umgebung, bevor er als farbig erkannt wurde, liefs sich die Helligkeit ann\u00e4hernd so ausgleichen, dafs man von einem kleinen farbigen Objekt in helligkeitsgleicher Umgebung reden konnte. Um T\u00e4uschungen zu vermeiden mufs man bei diesen Versuchen so zu Werke gehen, dafs dem Beobachter in unregelm\u00e4fsiger, ihm nicht bekannter Folge nicht nur die verschiedenen farbigen, sondern immer zwischen diesen auch ein farbloses Objekt dargeboten wird. Er w\u00fcrde sonst z. B. schon aus der Tatsache, dafs er bis zu einem gewissen Abstande noch keine Farbe wahrgenommen hat, schliefsen k\u00f6nnen, dafs das gr\u00fcne Objekt vorliegt. \u2014 Die Ergebnisse dieser Versuche zeigt Tabelle 5.","page":149},{"file":"p0150.txt","language":"de","ocr_de":"150\nJ. von Kries.\nTabelle 5.\nEntfernungen (in cm), in denen die kleinen Farbenfelder in gleich heller Umgebung erkannt wurden.\nlinkes Auge\t\t\t\trechtes Auge\t\t\t\nBlau\tRot\tGr\u00fcn\tGelb\tBlau\tRot\tGr\u00fcn\tGelb\n190\t185\t100\t100\t230\t180\t90\t90\n200\t190\t140\t120\t225\t180\t85\t90\n195\t200\t100\t110\t195\t170\t95\t80\n175\t210\t125\t95\t200\t180\t100\t90\n200\t190\t105\t100\t190\t170\t100\t95\n220\t200\t110\t100\t200\t170\t95\t95\n190\t210\t105\t105\t205\t180\t100\t80\n200\t220\t110\t110\t210\t180\t85\t85\n195\t200\t110\t110\t215\t180\t95\t90\n295\t205\t115\t100\t210\t190\t95\t85\nMittel-1Qr, wert 197\t201\t112\t105\t208\t178\t94\t88\nAuch hier mufs man wohl den Unterschied, der sich zwischen dem normalen und dem anomalen Auge herausstellt, \u00fcberraschend gering nennen. \u2014 Von den am Spektral apparat angestellten Beobachtungen unterscheidet sich nun das hier benutzte Verfahren (abgesehen von der noch weit geringeren Feldgr\u00f6fse) namentlich dadurch, dafs hier die farbigen Objekte in gleich heller Umgebung gesehen werden, dort aber in ganz dunkler Umgebung das spektral erleuchtete Feld zugleich farbig und sehr hell erscheint. Wir schritten demgem\u00e4fs zu einer Ermittelung der Farbenschwellen unter Bedingungen, die den dortigen sich auch in diesem Punkte ann\u00e4herten. Es wurde dabei in der folgenden Weise zu Werke gegangen. Als helles Objekt diente eine 1 mm grofse \u00d6ffnung, die in der zwei Zimmer trennenden Wand angebracht war; sie wurde von dem einen Zimmer aus erleuchtet,von dem anderen, dem Beobachtungszimmer aus betrachtet, und stellte, wenn dieses letztere verdunkelt war, ein kleines farbiges Objekt hell auf dunklem Grunde dar. Die Beleuchtung der \u00d6ffnung wurde mittels eines Auerbrenners bewirkt; sie konnte durch Vorgesetzte Gl\u00e4ser gef\u00e4rbt, \u00fcberdies durch Einschaltung von Mattglasscheiben abgestuft werden. Die verschiedenfarbigen Beleuchtungen liefsen sich ohne Schwierigkeit auf ann\u00e4hernd gleiche Helligkeit bringen, indem sie bei erleuchtetem Beobachtungszimmer mit der n\u00e4mlichen Um-","page":150},{"file":"p0151.txt","language":"de","ocr_de":"\u2022 \u2022_\nUber einen Fall von einseitiger angeborener Deuteranomalie ( Gr\u00fcnschw\u00e4che).\t151\ngebung nach der Methode der Minimalfeldhelligkeiten abgeglichen wurden. Auch hier wurde die Entfernung aufgesucht, in der der Beobachter die Farbe zu erkennen, namentlich auch von einer farblosen Erleuchtung zu unterscheiden vermochte. Die bei diesem Verfahren erhaltenen Ergebnisse enth\u00e4lt Tabelle 6.\nTabelle 6.\nEntfernungen (in cm) in denen die Farben in dunkler\nUmgebung erkannt wurden.\nlinkes Auge\t\t\t\trechtes Auge\t\t\t\nBlau\tBot\tGr\u00fcn\tGelb\tBlau\tBot\tGr\u00fcn\tGelb\n120\t255\t165\t110\t160\t276\t31\t100\n142\t248\t160\t217\t110\t215\t50\t45\n163\t* 225\t168\t190\t128\t266\t?\t57\n178\t240\t144\t145\t121\t195\t?\t55\n137\t282\t137\t180\t157\t220\t45\t50\n133\t300\t145\t160\t161\t219\t?\t43\nMittel--. iK wert 140\t259\t153\t167\t136\t232\t?\t67\nMan sieht, dafs die erwartete auff\u00e4llige Unterwertigkeit des anomalen Auges bei diesem Verfahren in der Tat zur Erscheinung kommt. Aber sie betrifft bemerkenswerterweise nur die Erkennung des Gr\u00fcn. Hier ist sie so stark, dafs selbst bei grofser Ann\u00e4herung oft die Farbe des kleinen Objektes gar nicht erkannt wird. Dagegen ist das Verm\u00f6gen, das Rot zu erkennen, nur in geringem Mafse gegen\u00fcber dem des anderen Auges vermindert.\nFragen wir wie weit diese letzte Gruppe von Erscheinungen sich mit dem deckt, was f\u00fcr die bekannten F\u00e4lle beiderseitiger Farbenschw\u00e4che beschrieben worden ist, so findet hier jedenfalls insofern eine \u00dcbereinstimmung statt, als auch da, wie schon erw\u00e4hnt, von den Untersuchern als charakteristisch das Versagen des Farbensinnes unter ung\u00fcnstigen Bedingungen hervorgehoben wird1, wozu neben anderem (kurze Darbietungszeit) auch die Kleinheit des Objektes geh\u00f6rt. Dafs in dieser Hinsicht ein so betr\u00e4chtlicher Unterschied zwischen verschiedenen Modalit\u00e4ten stattfindet und gerade das helle leuchtende Objekt auf dunklem Grunde besonders benachteiligt ist, ist dort nicht bemerkt worden.\n1 Vgl. namentlich die Untersuchungen von Nagel. Diese Zeitschrift 41, S. 239 (1907) und von Guttmann ebenda 42, S. 24 u. S. 250 (1907).","page":151},{"file":"p0152.txt","language":"de","ocr_de":"152\nJ. von Kries.\nEs w\u00e4re daher wohl nicht ohne Interesse, die Farbenschwellen dieser Anomalen mit denen normaler Sehorgane unter m\u00f6glichst mannigfachen Bedingungen zu pr\u00fcfen. Zahlenm\u00e4fsige Angaben, auf Grund deren sich die Herabsetzung des Rotempfindens und des Gr\u00fcnempfindens quantitativ vergleichen liefse, sind soweit ich sehe, aus den erw\u00e4hnten Arbeiten nicht zu entnehmen. Immerhin ist bemerkenswert, dafs manche Personen, die beiderseits gr\u00fcnanomal waren, aus der Vergleichung ihrer Sehweise mit derjenigen normaler Personen die \u00dcberzeugung gewannen, dafs ihr Verm\u00f6gen Gr\u00fcn zu sehen weit st\u00e4rker als das des Rot-Sehens herabgesetzt sei.\nEs er\u00fcbrigt noch \u00fcber die Ergebnisse einiger anderer Untersuchungen ein Wort hinzuzuf\u00fcgen. Bei der Pr\u00fcfung mit den NAGELsehen T\u00e4felchen kamen, wenn das rechte Auge allein gepr\u00fcft wird, die f\u00fcr Gr\u00fcn-Anomalie charakteristischen Fehler zur Beobachtung, wie dies zu erwarten war. Es fehlte nur diejenige Erscheinung, die von Nagel als gesteigerter Kontrast beschrieben worden ist, und die ja darin besteht, dafs Gelb neben Rot schlechtweg als Gr\u00fcn bezeichnet wird. Gerade dies mag, wie oben schon angedeutet wurde, wohl damit Zusammenh\u00e4ngen, dafs die Anomalie eine einseitige ist. H\u00e4ngt, wie nicht unwahrscheinlich, gerade diese Erscheinung z. T. mit psychologischen Verh\u00e4ltnissen zusammen, indem die Anomalen f\u00fcr die absoluten Farbenverh\u00e4ltnisse ein unsicheres Ged\u00e4chtnis haben, so k\u00f6nnte man wohl denken, dafs dieses Moment in Wegfall kommt, sobald auch nur das eine Auge einen normalen Farbensinn besitzt.\nAls Hauptergebnis der obigen Mitteilung ist der Nachweis zu betrachten, dafs eine Anomalie, die mit der sonst bekannten (beiderseitigen) Deuteranomalie jedenfalls in den wichtigsten Punkten, vermutlich vollst\u00e4ndig, \u00fcbereinstimmt, als einseitig angeborene St\u00f6rung auftreten kann. \u2014 Was die dadurch bedingte Sehweise anlangt, so zeigt der binokulare Vergleich, dafs auf gr\u00f6fseren Fl\u00e4chen die Farbenwerte nicht sehr stark herabgesetzt erscheinen, f\u00fcr Gr\u00fcn etwa %, f\u00fcr Rot nur auf 2/3. Eine weit st\u00e4rkere Unterwertigkeit macht sich gegen\u00fcber kleinen farbigen Feldern bemerklich, und zwar besonders dann, wenn kleine farbige und helle Objekte auf dunklem Grunde gesehen werden. Dabei scheint die F\u00e4higkeit des Gr\u00fcnerkennens weit st\u00e4rker als die des Roterkennens herabgesetzt zu sein.","page":152}],"identifier":"lit33655","issued":"1919","language":"de","pages":"137-152","startpages":"137","title":"\u00dcber einen Fall von einseitiger angeborener Deuteranomalie (Gr\u00fcnschw\u00e4che)","type":"Journal Article","volume":"50"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:58:21.162024+00:00"}

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