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{"created":"2022-01-31T14:34:13.663284+00:00","id":"lit33656","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"Ostwald, Wilhelm","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 50: 153-160","fulltext":[{"file":"p0153.txt","language":"de","ocr_de":"153\nZur Systematik der Farben.\nVon\nWilhelm Ostwald.\nIm 50. Bande, S. 117 dieser Zeitschrift hat v. Keies physiologische Bemerkungen zu der von mir am Ende 1916 ver\u00f6ffentlichten Farbenfibel sowie zu dem damals geplanten, gegenw\u00e4rtig etwa bis zu einem Drittel herausgegebenen Farbenatlas gemacht, denen ich einige Erg\u00e4nzungen zuf\u00fcgen m\u00f6chte. Vorher statte ich aber meinen aufrichtigen Dank f\u00fcr die wohlwollend-sachliche Weise ab, in welcher dort die Angelegenheit behandelt worden ist. War dies von dem ausgezeichneten Forscher auch nicht -anders zu erwarten, so stehen doch seine \u00c4ufserungen nach Form und Inhalt in einem so auffallenden Gegensatz zu dem meisten, was mir sonst zu dieser Sache vor Augen gekommen ist, dafs ein ausdr\u00fccklicher Hinweis geboten erschien.\nZun\u00e4chst mufs ich mein Bedauern dar\u00fcber aussprechen, dafs v. Kries meine anderen Ver\u00f6ffentlichungen, insbesondere den zusammenfassenden Bericht \u00fcber meine Arbeiten (soweit sie bis zum Sommer 1916 gediehen waren) in der Physikalischen Zeitschrift (17, 322 und 352, 1916) nicht gekannt hat, der einige Monate vor der Ausgabe der Farbenfibel erschienen war und in dem sich die meisten Fragen beantwortet finden, welche er gestellt hat und aus der Fibel nicht hat beantworten k\u00f6nnen. Letzteres r\u00fchrt daher, dafs der Charakter und Umfang dieses Werkes jedes Eingehen auf die experimentellen und begrifflichen Untersuchungen ausschlofs, deren Ergebnisse darin verarbeitet und zum Ausdruck gebracht sind. Dies durfte ich mir angesichts der voran gegangenen Ver\u00f6ffentlichungen* 1 gestatten; dafs aber\n1 Es sind dies aufser gelegentlichen Berichten folgende Schriften:\n1. Das absolute System der Farben, Zeitschr. f.physikal. Chemie 91, 129,1916. \u2014 2. Neue Forschungen zur Farbenlehre, Physikal. Zeitschr. 17, 322 u. 352.\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 50.\t12","page":153},{"file":"p0154.txt","language":"de","ocr_de":"154\nWilhelm Ostwald.\nein noch bestimmterer Hinweis auf diese in der Fibel zweck-m\u00e4fsig gewesen w\u00e4re, ergibt sich aus dem vorliegenden Tatbest\u00e4nde. Da ich vermuten mufs, dafs aufserdem noch manchem anderen Leser dieser Zeitschrift meine Arbeiten entgangen sindr wird ein Hinweis auf den Teil davon, der mit v. Kries\u2019 Bemerkungen im Zusammenhang steht, geboten erscheinen.\nZun\u00e4chst kann ich alles unterschreiben, was v. Kries bez\u00fcglich der Beleuchtung sagt. Ich habe nat\u00fcrlich deren Einflufs gekannt und wie v. Kries das Tageslicht als Normalbeleuchtung\nbezeichnet.\nAuch der subjektive Faktor in der Beschaffenheit des beobachtenden Auges ist von mir ber\u00fccksichtigt worden. Diese Umst\u00e4nde haben indessen nur Einflufs auf die Bestimmung des \u00cf arbtons, w\u00e4hrend die beiden anderen Variabein der Farbe davon unabh\u00e4ngig sind. Durch den Anschlufs meiner Farbenkreisteilung an die Wellenl\u00e4ngen des spektral zerlegten Lichtes (.Zeitschr. f. physikal. Chemie, 92, 222) habe ich daf\u00fcr gesorgt, dafs diese Fehlerquelle ausgeschlossen wird. In einer noch nicht ver\u00f6ffentlichten Arbeit habe ich auf Grund meiner Lehre vom Farbenhalb (s. w. u.) diesen Anschlufs in anderer und besserer Form f\u00fcr den ganzen Farbenkreis, auch f\u00fcr die im Spektrum fehlenden Purpurt\u00f6ne durchgef\u00fchrt. Dadurch ist f\u00fcr alle Zukunft die zurzeit angenommene und dem Farbenatlas zugrunde gelegte Ordnung des Farbenkreises vollst\u00e4ndig definiert und alle sp\u00e4ter etwa n\u00f6tig werdenden Ab\u00e4nderungen k\u00f6nnen auf eine genau bekannte Grundlage bezogen werden.\nHierdurch entf\u00e4llt jede Notwendigkeit, die Farbt\u00f6ne im Sinne der Drei- oder Vierfarbentheorie auf drei, bzw. vier Grundfarben zu beziehen. Auf den methodischen Vorzug einer solchen Unabh\u00e4ngigkeit hat auch v. Kries hingewiesen. \u00dcbrigens hat Freiherr von H\u00fcbl in einer sehr beachtenswerten Arbeit (Physikal. Zeitsdhr 18, 270. 1917) gezeigt, dafs man auch mit Hilfe der Dreifarben\u00ab\n1916. \u2014 3. Die Farbenfibel. Leipzig, Unesma, 1916. Zweite und dritte Auf l\u00e4ge 1917. \u2014 4. Beitr\u00e4ge zur Farbenlehre I\u2014V. Abhandl. d. K. S\u00e4chs. Get d> Wissenseh. 34, Nr. 3, 1917. \u2014 5. Das absolute System der Farben, 2. Ab-handl. Zeitschr. f. ph. Chemie, 92, 222. 1917. \u2014 6. Der Farbenatlas. Gebrauchsanweisung und wissenseh. Beschreibung. Leipzig, Unesma 1917. \u2014 7. Mathetische Farbenlehre. Leipzig, Unesma, 1918. \u2014 8. Goethe, Schopenhauei und die Farbenlehre. Leipzig, Unesma, 1918. \u2014 9. Die Harmonie der Farben. Leipzig, Unesma. Erscheint demn\u00e4chst.","page":154},{"file":"p0155.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Systematik der Farben.\n155\nlehre eine ausreichende Definition der K\u00f6rperfarben geben kann, und hat den Zusammenhang aufgewiesen, in welchem sein Verfahren mit meinem steht. Das Ergebnis kann nicht besser sein. F\u00fcr ein und dasselbe Objekt (die Farbe des Umschlages der Physikalischen Zeitschrift) wurden folgende Werte gefunden.\nOstwald\t\tv. H\u00fcbl\nFarbton\t07\t07\nWeifsgehalt\t16\t19\nSchwarzgehalt\t53\t53\nReinheit.\t31\t28\nBeachtet man, dafs y. H\u00fcbls \u201erein weifses\u201c Papier vermutlich wie bestes weifses Papier allgemein nur 0,85 Weifs enthielt, so verschwindet auch der kleine Unterschied im Weifs und die \u00dcbereinstimmung wird vollkommen.\nWas die beiden anderen Variabein anlangt, so besteht bei mir allerdings ein Gegensatz zu der \u00fcblichen, auf Helmholtz zur\u00fcckgehenden Auffassung, wonach neben dem Farbton Reinheit (oder S\u00e4ttigung) und Helligkeit mafsgebend sind. Ich habe a. a. 0. dargelegt, dafs man unbezogene Farben, die allein in einem dunklen Gesichtsfelde erscheinen, von den bezogenen, wie wir sie in unserer Umwelt erleben, genau unterscheiden mufs, die ersten haben nur zwei Ver\u00e4nderliche, die anderen, drei. Den unbezogenen Farben fehlt das Schwarz, und demgem\u00e4fs fehlen hier auch alle tr\u00fcben Farben, wie braun, olivgr\u00fcn, graurosa usw. Der Tatbestand ist v. Kries gel\u00e4ufig; S. 120 bemerkt er: , Ein sehr lichtschwaches Gelb z. B. ist kein Braun, wenn wir es f\u00fcr sich ganz allein in vollkommen dunkler Umgebung wahrnehmen, sondern nur dann, wenn es in der gew\u00f6hnlichen Weise in einer Umgebung gesehen wird, die vielerlei verschiedene und namentlich auch helle Gegenst\u00e4nde enth\u00e4lt.\u201c Es war also nur noch notig, die methodischen Folgerungen aus diesem Tatbest\u00e4nde zu ziehen. Unter diesen ist die wichtigste f\u00fcr den vorliegenden Zweck, dafs der Gehalt an Schwarz eine mafsgebende Ver\u00e4nderliche im Gebiet der gew\u00f6hnlichen bezogenen Farben ist.\nDie von Helmholtz eingef\u00fchrte Helligkeit ist dagegen hierf\u00fcr nicht geeignet, weil sie keinen mafsgebenden Einflufs auf unsere Beurteilung der Farben hat. Das Auge ist bekanntlich aus biologischen Gr\u00fcnden mit regulatorischen Einrichtungen versehen, welche automatisch den Ver\u00e4nderungen der objektiven\n12*","page":155},{"file":"p0156.txt","language":"de","ocr_de":"156\nWilheni Ostwald.\nHelligkeit entgegen wirken, um trotz solcher Verschiedenheiten ann\u00e4hernd die gleiche subjektive Wirkung zu erhalten, ebenso wie der Zentrifugalregulator der Dampfmaschine trotz wechselnder Beanspruchung deren Geschwindigkeit ann\u00e4hernd konstant erh\u00e4lt. Deshalb fassen wir ein bezogenes Schwarz, Weifs, Hellblau, Dunkelgr\u00fcn in gleicher Weise auf, wenn auch die gesamte Beleuchtung in sehr weitem Umfange wechselt. Dies gilt bis zu den Grenzen der Leistungsf\u00e4higkeit des Organs, wo neue Verh\u00e4ltnisse eintreten, an deren Aufkl\u00e4rung v. Kries einen so wesentlichen Anteil hat.\nAufser der \u00e4ufseren Helligkeit oder Beleuchtung gibt es noch eine spezifische Helligkeit der Farben, derzufolge Gelb die hellste, Ublau die dunkelste Farbe, unabh\u00e4ngig von der Beleuchtung, ist. Ich habe anfangs diese spezifische Helligkeit als mafsgebende Ver\u00e4nderliche der Farben zu benutzen versucht, obwohl der Wortlaut in Helmholtz\u2019 Physiologischer Optik keinen Zweifel l\u00e4fst, dafs er die Beleuchtung gemeint hat. Sie ist f\u00fcr den Zweck insofern geeigneter, als sie tats\u00e4chlich bei gegebenem Farbton mit dem Weifs- und Schwarzgehalt ver\u00e4nderlich ist und somit umgekehrt f\u00fcr die Kennzeichnung einer Farbe neben dem Farbton und der Reinheit dienen kann. Das Verh\u00e4ltnis ist aber se\u00f9\u00ee verwickelt und erlangt \u00dcbersichtlichkeit erst durch Bezugnahme auf den Weifs- und Schwarzgehalt, der auch hier sich als\ndie prim\u00e4re Eigenschaft erweist.\nWas nun die Benutzung dieser beiden Gr\u00f6fsen (oder der durch sie ausdr\u00fcckbaren Reinheit) f\u00fcr die Definition der Farben anlangt, so legt v. Kries sachgem\u00e4fs dar, dafs grunds\u00e4tzliche Einwendungen dagegen nicht zu erheben sind; er bezweifelt aber die Brauchbarkeit des Verfahrens wegen der Schwierigkeit, die mafsgebenden Werte zahlenm\u00e4fsig festzustellen.\nIn der Farbenfibel findet er hier\u00fcber keine ausreichende Nachricht, sie geh\u00f6rt wohl auch nicht in dies v\u00f6llig elementar B\u00fcchlein. In meinen anderen Ver\u00f6ffentlichungen ist aber die Sache ausf\u00fchrlich er\u00f6rtert worden. Ich kann das hier nie! wiederholen und will mich mit einem Punkte begn\u00fcgen, der zudem noch einen anderen Zweifel erledigt, den v. Keies er hoben hat.\nWenn man in der von mir angegebenen Whise mit Licht filtern den Weifs- und den Schwarzgehalt einer gegebenen Farbe bestimmt hat, so erf\u00e4hrt man ihre Reinheit, indem man jene Bruch","page":156},{"file":"p0157.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Systematik der Farben.\n157\nzahlen von Eins abzielit. Die gleiche Bestimmung kann man an einer anderen Farbe ausf\u00fchren, deren Farbton die Gegenfarbe der ersten ist. Dann kann man beide Farben auf der Drehscheibe zu neutralem Grau kombinieren und findet im Winkel Verh\u00e4ltnis der Sektoren das S\u00e4ttigungsverh\u00e4ltnis beider Farben. Vergleicht man dieses mit dem Verh\u00e4ltnis der Reinheiten aus der Weifs- und Schwarzmessung, so zeigt sich, dafs jenes Reinheitsverh\u00e4ltnis dem S\u00e4ttigungsVerh\u00e4ltnis reziprok ist. Sind t\u00b1 und r2 die beiden Reinheiten, und Sj und s2 die beiden Sektorenwinkel, so gilt die Beziehung rx sx = r2 s2. Ich habe die Messungen an allen 100 Farben eines 100-teiligen Farbenkreises durchgef\u00fchrt und \u00fcberall die Beziehung richtig gefunden. 1\nDaraus geht der f\u00fcr die vorliegenden Fragen entscheidende Schlufs hervor, dafs in meiner Methode der Farbenanalyse weder ein grunds\u00e4tzlicher Fehler, noch ein erheblicher Ausf\u00fchrungsfehler enthalten sein kann, da sonst jene ganz unabh\u00e4ngig voneinander gemessenen Zahlenreihen nicht in der einfachen Beziehung stehen k\u00f6nnten, die sie tats\u00e4chlich hier aufweisen.\nGleichzeitig wird dadurch die Richtigkeit der Definition best\u00e4tigt, welche ich f\u00fcr die reinen Farben gegeben habe. Die schon von Schopenhauer betonte Unm\u00f6glichkeit, reine Farbe und homogenes Licht gleichzusetzen, wird auch durch v. Kries sach-gem\u00e4fs hervorgehoben, doch scheint ihm die \u00dcberwindung dieser Schwierigkeit nur durch einen Willk\u00fcrakt m\u00f6glich, mit dem er auch meine Farbensystematik behaftet erachtet. Dem gegen\u00fcber mufs ich folgendes betonen. Eine Willk\u00fcr liegt hier so wenig vor, dafs vielmehr die Messungen eine absolute, von Verschiedenheiten des Auges und der Beleuchtung vollkommen unabh\u00e4ngige Beschaffenheit haben. Da ich den Beweis daf\u00fcr a. a. O. mehrfach ausgef\u00fchrt habe, darf ich hier darauf verweisen. Nur auf die neue Auffassung des Begriffs der reinen Farbe m\u00f6chte ich mit einigen Worten eingeh en.\nExperimentell erweist sich zun\u00e4chst im Sonderfalle des Gelb, dafs alle reingelben Farben identisch dasselbe Spektrum haben. Dieses besteht aus allem Licht l\u00e4ngerer Wellen ohne jede Absorp-\n1 Eine kleine Abweichung, \u00fcber die ich a. a. O. berichtet habe, ist inzwischen zugunsten des allgemeinen Gesetzes aufgekl\u00e4rt worden.","page":157},{"file":"p0158.txt","language":"de","ocr_de":"158\nWilhelm Ostivald.\ntion bis zum Blaugr\u00fcn, etwa 490. Von dort ab besteht Absorption f\u00fcr alle k\u00fcrzeren Wellen. Ich habe keinen einzigen rein gelb gef\u00e4rbten Stoff gefunden, der ein anderes Spektrum hat. Jede Abweichung macht sich in einer St\u00f6rung des reinen Gelb geltend.\nNun ist Blaugr\u00fcn 490 die Gegenfarbe des \u00e4ufsersten Rot. Im reinen Gelb wirken also alle zwischen zwei Gegenfarben liegenden Wellenl\u00e4ngen zusammen, die beide im Farbenkreise um je einen Viertelkreis vom Gelb abstehen.\nWas hier f\u00fcr Gelb nachgewiesen wurde, gilt f\u00fcr alle anderen reinen Farben. Immer wirken alle Wellenl\u00e4ngen zwischen zwei Gegenfarben, also die H\u00e4lfte des Farbenkreises, zusammen, um die reine Farbe zu bilden.1\nEine solche Gruppe von Lichtwellen nenne ich ein Farbenhalb, und definiere demgem\u00e4fs eine reine (bezogene) Farbe als die Resultierende ihres Farbenhalbs.\nDarin findet sich die von v. Kries mit Recht geforderte genaue physikalische Definition der reinen Farbe, die v\u00f6llig unabh\u00e4ngig von allen Theorien \u00fcber die Farbenempfindungen ist. Ob die so definierte reine Farbe mit der empfindungs* m\u00e4fsig definierten \u201eges\u00e4ttigten\u201c \u00fcberall zusammenf\u00e4llt, ist eine besondere Frage, welche durch die den kalten Farben insbesondere den gr\u00fcnen anhaftende konstitutionelle Unreinheit kompli-pliziert wird. Von ihrer Beantwortung h\u00e4ngt aber der Gebrauch des oben definierten Begriffes der reinen Farbe nicht ab, und auf diesem scharf definierten Begriff beruht meine Analyse der Farben und die Einteilung des Farbenatlas. Deutet doch auch v. Kries auf entsprechende Unvollkommenheiten der bisherigen Farbenlehre hin. Ich glaube allerdings, dafs die durch das I arbenhalb definierten Farben auch eine \u201etiefere physiologische und psychologische Bedeutung\u201c haben. Sie sind das, was Schopenhauer mit seiner Definition der \u201equalitativen Teilung der Retina\u201c f\u00fcr Farbe und Gegenfarbe geahnt, aber nicht exakt auszudr\u00fccken vermocht hat. Ich weise z. B. darauf hin, dafs f\u00fc die so definierten reinen Farben die M\u00f6glichkeit einer verschiedenen Zusammensetzung aus Lichtwellen nicht besteht, die f\u00fcr alle tr\u00fcben und alle grauen Farben vorhanden ist.\n1 Die besonderen Verh\u00e4ltnisse. die durch die spektrale L\u00fccke im Farbenkreise entstehen, sind in meinen .Beitr\u00e4gen\u201c, 85 usf., er\u00f6rtert.","page":158},{"file":"p0159.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Systematik der Farben\n159\nIn einer Anmerkung auf S. 131 ist \u00fcbrigens v. Kries selbst diesem Gedanken nahe gekommen, indem er das Spektrum in zwei Teile zerlegt und diese Teile einzeln vereinigt denkt. Er \"weist aber diese M\u00f6glichkeit ab, weil die entstehenden Farben \u201ein bekannter Weise in hohem Mafse unges\u00e4ttigt\u201c seien. Hier scheint ein Irrtum die Entwicklung eines fruchtbaren Gedankens gest\u00f6rt zu haben. Solche Lichtwellengemische, welche rund die H\u00e4lfte des Spektrums enthalten, sehen keineswegs in hohem Mafse unges\u00e4ttigt aus. Die Interferenzfarben zweiter Ordnung, wie man sie am bequemsten an d\u00fcnnen Kristallplatten zwischen Nikols beobachtet, sind ann\u00e4hernd solche Gemische, und niemand, der sie betrachtet, wird ihnen einen besonderen Mangel an S\u00e4ttigung vorwerfen. Ich habe einen Apparat gebaut, welcher die Herstellung von Wellengemischen beliebigen Torgeschriebenen Umfangs erm\u00f6glicht und alle Farbenhalbe damit beobachtet. Bis auf die gr\u00fcnen Farben, die aus bekannten Gr\u00fcnden unges\u00e4ttigt aussehen, erfreuen diese Verwirklichungen der theoretischen reinen Farben den Beobachter durch ihre Pracht. Und auch die gr\u00fcnen Farben sind reiner, als man sie irgendwie durch K\u00f6rperfarben erhalten kann. Weil aber hier der unbunte Anteil Weifs ist, welches den Eindruck der S\u00e4ttigung bei gleicher Reinheit sehr viel st\u00e4rker sch\u00e4digt, als das Schwarz, das in den K\u00f6rperfarben als unbunter Anteil vorwiegt, so f\u00e4llt die unges\u00e4ttigte Beschaffenheit besonders auf.\nDie Bedeutung meiner Definition der reinen Farbe tritt endlich besonders deutlich zutage an dem Beispiel, welches v. Kries S. 127 unten und S. 128 oben entwickelt, um die von ihm vermutete Unbestimmtheit und Willk\u00fcr bei mir zu kennzeichnen. Er meint, dafs ein K\u00f6rper rein Gelb genannt werden kann, der das Licht von 620 bis 540 zur\u00fcckwirft, aber auch ein solcher, dessen Zur\u00fcckwerfung auf 590 bis 570 beschr\u00e4nkt ist. Zun\u00e4chst mufs dagegen gesagt werden, dafs beide K\u00f6rper, die das Licht so ungleich stark zur\u00fcckwerfen, unm\u00f6glich beide rein gelb, also gleich aussehen k\u00f6nnen. Ferner ist aber oben gezeigt worden, dafs ein K\u00f6rper, welcher rein gelb aussieht, das Licht von 690 bis 490 zur\u00fcckwirft. Die beiden von v. Kries angegebenen Farben sind also nicht rein gelb, sondern sie sind Mischungen von Gelb und Schwarz, die man olivgr\u00fcn zu nennen pflegt, und zwar ist die eine dunkel, die andere hell olivgr\u00fcn. Man kann diese optischen Verh\u00e4ltnisse f\u00fcr die Durchsicht durch eine","page":159},{"file":"p0160.txt","language":"de","ocr_de":"1\n160\tW\u00fchlern Ostwald.\nMischung von Naftolgr\u00fcn mit Mandarin G (5:2) hersteilen,, welche je nach der Schichtdicke engere oder breitere Gebiete um ein mittleres Gelb durchl\u00e4fst.\nDiese L\u00f6sungen sehen olivgr\u00fcn aus, und zwar um so schw\u00e4rzlicher, je mehr sich das durchgelassene Licht auf das reine Gelb beschr\u00e4nkt. Man kann sie aber auch rein gelb sehen, wenn man durch ein Dunkelrohr mit Blende, vor welche das parallelwandige Absorptionsgef\u00e4fs gestellt wird, ihre Farbe bezugsfrei macht und durch l\u00e4ngeres Hineinsehen die Erinnerung an die bezogene Farbe zur\u00fccktreten l\u00e4fsL\nAuf \u00e4hnliche Weise erledigen sich auch alle anderen Schwierigkeiten, welche v. Kries bez\u00fcglich der reinen Farben entwickelt hat.\nDie Notwendigkeit dieser Darlegungen kennzeichnet den unentwickelten Zustand, in welchem die Lehre von den K\u00f6rperfarben sich bisher befunden hat. Es waren gerade die Arbeiten zum Farbenatlas, welche mir das Bed\u00fcrfnis ergaben, auf experimentellem wie begrifflichem Wege hier Ordnung und Klarheit zn schaffen.\nGrofs-Bothen, Februar 1918.\nNachschrift bei der Korrektur. Inzwischen habe ich f\u00fcr die Lehre vom Farbenhalb noch einen experimentellen Beweis gefunden. Berechnet man n\u00e4mlich aus der vielfach untersuchten Helligkeitskurve des normalen Spektrums die Helligkeitsbetr\u00e4ge,, welche auf die verschiedenen Farbenhalbe entfallen, so findet man dieselben Zahlen f\u00fcr die spezifischen Helligkeiten der reinen Farben, welche sich (Phys. Zeitschr. 1916, S. 363) aus unmittel-. baren Helligkeitsmessungen an farbigen Aufstrichen ergeben hatten.","page":160}],"identifier":"lit33656","issued":"1919","language":"de","pages":"153-160","startpages":"153","title":"Zur Systematik der Farben","type":"Journal Article","volume":"50"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:34:13.663289+00:00"}