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Die besonderen Funktionen der roten Strahlen bei der scheinbaren Größe von Sonne und Mond am Horizont, ihr Zusammenhang mit dem Aubert-Försterschen und Kosterschen Phänomenen und verwandte Beleuchtungsprobleme

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{"created":"2022-01-31T16:50:28.550812+00:00","id":"lit33663","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"Henning, Hans","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 50: 275-310","fulltext":[{"file":"p0275.txt","language":"de","ocr_de":"\u00bb\n275\n(Ans dem psychologischen Institut der Universit\u00e4t Frankfurt a. M.)\nDie besonderen Funktionen der roten Strahlen bei der scheinbaren Gr\u00f6fse von Sonne und Mond am Horizont, ihr Zusammenhang mit dem Aubert-F\u00f6rsterschen und Kosterschen Ph\u00e4nomen und verwandte Beleuchtungsprobleme.\nVon\nHans Henning.\nDie Frage, warum Sonne, Mond und Gestirne uns am Horizont viel gr\u00f6fser Vorkommen als in der N\u00e4he des Zenits, obgleich sie nach der physikalischen Optik \u00fcberall gleich erscheinen m\u00fcfsten, wurde seit Aristoteles und Ptolem\u00e4us h\u00e4ufig er\u00f6rtert, ohne dafs man zu einer endg\u00fcltigen L\u00f6sung gelangt w\u00e4re. \u201eNach unseren Beobachtungen\u201c, so schliefst Eginitis seine kritische Musterung aller Hypothesen, \u201eist die Hauptursache noch unbekannt\u201c. Die Geschichte der fr\u00fcheren Untersuchungen soll hier nicht wiederholt werden, zumal Reimann1, Clapar\u00e8de2 und A. M\u00fcller3 die reiche Literatur schon ersch\u00f6pfend darstellten. Zahlreiche Faktoren wurden da zur Erkl\u00e4rung beigebracht; allein selbst wenn wir Helmholtz zustimmen, dafs nicht ein einziges, sondern mehrere Motive mitspielen, so ergibt doch der vergr\u00f6fsernde Effekt der\n1\tE. Reimann, Die scheinbare Vergr\u00f6fserung der Sonne und des Mondes am Horizont. Zeitschr. /'. Psychol, u. Physiol, d. Sinnesory. 30, S. 1\u201438, 161\u201419\u00f6. 1902.\n2\tEd. Clapar\u00e8de, L\u2019agrandissement et la proximit\u00e9 apparents de la\nlune \u00e0 l\u2019horizon. Archives de Pxychol. 5, S. 121\u2014148, 254\u2014257.\t1906.\n3\tA. M\u00fcller, Die Referenzfl\u00e4chen des Himmels und der Gestirne. (Die Wissenschaft Bd. 62.) Braunschweig 1918.\n20*","page":275},{"file":"p0276.txt","language":"de","ocr_de":"I\n276\tHans Henniiig.\nbisher gesicherten Prozesse zusammenaddiert nur einen geringen Bruchteil von derjenigen Vergr\u00f6fserung, in welcher wir die Gestirne am Horizonte tats\u00e4chlich wahrnehmen. Die grofse Anzahl der mitspielenden Bedingungen macht es begreiflich, dafs sich mancherlei individuelle Unterschiede einmischen: bei dem einen Beobachter spricht ein bestimmter Faktor st\u00e4rker an als bei einem zweiten, w\u00e4hrend ein dritter Betrachter dieses Moment ganz unwirksam findet. Solche pers\u00f6nlichen Differenzen mufsten sich umso eher auf dr\u00e4ngen, als eben jeder Experimentator in anderen Verh\u00e4ltnissen arbeitete, mit einer anderen Landschaft, mit anderen Beleuchtungen usw. Ist der noch unbekannte Hauptgrund der scheinbaren Vergr\u00f6lserung erst aufgedeckt, so werden sich diese individuellen Unterschiede psychologisch leicht erkl\u00e4ren lassen.\nSchlichte Beobachtungen allein \u2014 das lehren die weit auseinander gehenden Ansichten der fr\u00fcheren Untersuchungen \u2014 w\u00fcrden uns nicht zum eindeutigen Ziele f\u00fchren, vielmehr sind zur Entscheidung neue Anordnungen n\u00f6tig. Dabei kommt es weniger darauf an, in der N\u00e4he des Beobachters irgendwelche Apparate anzubringen, wie das fr\u00fcher schon h\u00e4ufig geschah, sondern die Variation der Bedingungen mufs umgekehrt in relativer N\u00e4he zum scheinbaren Ort der untergehenden Sonne erfolgen. Bisher scheiterten jedoch alle Versuche, am Horizont experimentell entscheidend einzug-reifen. Diese Schwierigkeiten wurden auf folgende Weise \u00fcberwunden.\nI. Die Funktionen der roten Strahlen.\nUnsere Beobachtungen fanden im vierten Stock und auf dem Dache eines vierst\u00f6ckigen Hauses statt, welches einige Meter von der Strafsburger Sternwarte entfernt liegt. Nach Westen zu blickt man \u00fcber die ganze Stadt hinweg auf den freiliegenden Kamm der Vogesen, hinter welchem die Sonne untergeht. Im Osten bietet sich der Kamm des Schwarzwaldes ebenso dem freien Blicke dar. Die nahe Sternwarte gestattete exakte Messungen \u00fcber die Entfernungen, die Verh\u00e4ltnisse des Horizontes usw. Markante Punkte, z. B. der Turm der Hornisgrinde, standen reichlich zur Verf\u00fcgung; sie wurden nat\u00fcrlich zur Kontrolle an Ort und Stelle besichtigt. Die Entfernungen liegen zwischen 30 und 65 km.","page":276},{"file":"p0277.txt","language":"de","ocr_de":"Die besonderen Funktionen der roten Strahlen usw.\n277\n\\\nAus der Ekliptik folgt, dafs die Sonne jeden Abend an einem anderen Punkt des Horizontes untergeht. Am 21. Dezember versinkt sie hinter den Bergen der S\u00fcdvogesen, jeden Tag r\u00fcckt der Sonnenuntergang dann durch die Mittelvogesen hindurch ein St\u00fcck nach Norden, bis die Sonne am 21. Juni mit maximaler n\u00f6rdlicher Deklination hinter den Bergen der Nordvogesen untergeht. Von da an wandern die Orte des Unterganges wieder nach S\u00fcden, bis am 21. Dezember aufs Neue der s\u00fcdlichste Punkt erreicht ist. Diese Verh\u00e4ltnisse besagen: ein halbes Jahr lang durchlaufen die Sonnenunterg\u00e4nge fast den ganzen Gebirgs-kamm kontinuierlich von S\u00fcden nach Norden, in der anderen Jahresh\u00e4lfte wird dieselbe Gebirgskontur in umgekehrter Richtung von Unterg\u00e4ngen belegt. Alle Dinge, welche auf dem Vogesenkamm selber liegen, ersetzen uns also k\u00fcnstliche Apparate, die andernfalls am Horizont anzubringen w\u00e4ren. Analoges gilt f\u00fcr den Sonnenaufgang am Schwarzwaldkamm; auch Mond und Sterne liefsen sich bequem beobachten.\n1. Unsere erste Fragestellung ging dahin: vermehrt sich nur die scheinbare Gr\u00f6fse der untergehenden Sonne selbst, oder vergr\u00f6fsern sich aufserdem auch die Dinge auf dem Vogesenkamm, welche in der N\u00e4he des Sonnenunterganges liegen? Und wie steht es analog beim Sonnenaufgang, beim Mond sowie den Gestirnen? Sofort zeigte sich, dafs die scheinbare Gr\u00f6fse der B\u00e4ume, H\u00e4user, Felsen usw. auf dem Gebirgs-kamm in genau gleicher Weise w\u00e4chst. Aber neben dieser merkw\u00fcrdigen Erscheinung steht noch eine zweite, welche viel \u00fcberraschender, und zun\u00e4chst etwas r\u00e4tselhaft anmutet: man erblickt in der N\u00e4he der untergehenden Sonne auf dem Vogesenkamm Dinge \u00fcberaus deutlich, welche man andernfalls \u00fcberhaupt nicht wahrzunehmen imstande ist. Es wirkt geradezu frappierend, wenn wir im Lichte der untergehenden Sonne pl\u00f6tzlich aus 50 km Entfernung deutliche H\u00e4user und B\u00e4ume gewahren, die wir kurz zuvor und bei viel intensiverer Strahlenwirkung der Sonne, ja mit dem Fernrohr nicht sehen konnten.\nBei gr\u00f6fserer Elevation mufste der Beobachter den Gebirgs-kamm beschreiben und die Kontur aufzeichnen ; dann wurden noch alle Erg\u00e4nzungen verlangt, welche durch einen 6 fach ver-gr\u00f6fsernden Prismenfernstecher zu erhalten waren. W\u00e4hrend des Unterganges selber wurden entsprechende Schilderungen und","page":277},{"file":"p0278.txt","language":"de","ocr_de":"278\nHans Henning.\nZeichnungen gefordert. In vielen F\u00e4llen dieser \u2014 mit gr\u00f6fseren Unterbrechungen \u2014 durch 6 Jahre fortgesetzten Pr\u00fcfungen begn\u00fcgteich mich mit der einfachen Beschreibung ; im ganzen handelt es sich um 32 akademisch gebildete und 28 andere Beobachter.\nDer schlagendste Fall ist derjenige, dafs die Sonne unmittelbar hinter einem Baume untergeht, welcher auf dem fernen Ge-birgskamm ganz frei steht. Bei h\u00f6herem Sonnenstand scheint der Kamm als gerade Kontur zu verlaufen ; betr\u00e4gt die Erhebung der Sonne \u00fcber den Horizont nur noch eine gewisse Winkelh\u00f6he, so erh\u00e4lt die Gebirgslinie eine kleine Unregelm\u00e4fsigkeit, und diese Ausbuchtung der Kontur w\u00e4chst zunehmend, je tiefer die Sonne sich zum Horizonte neigt. Diese Winkelh\u00f6he ist nach den Messungen von Bouedon diejenige, oberhalb derer keine besondere scheinbare Yergr\u00f6fserung mehr stattfindet, w\u00e4hrend die untergehende Sonne sich mit der Abnahme dieser H\u00f6he zunehmend scheinbar vergr\u00f6fsert. Damit ist als erstes Ergebnis gesichert, dafs am Horizont nicht nur die Sonne scheinbar zunimmt, sondern in strengem Parallelismus auch die dort liegenden Dinge.\nAllm\u00e4hlich ist die Sonne so tief gesunken, dafs sie direkt hinter dem Baume des Vogesenkammes steht. Jetzt ist der Baum grofs geworden, zugleich sehen wir die Haupt\u00e4ste des Baumes ziemlich scharf, zwischen denen das tiefe Rot des Sonnenhintergrundes hindurchschimmert.\no\nFigur 1. Drei Stadien des Sonnenunterganges hinter einem 50 km entfernten Baum des Vogesenkammes.\nDiese Erscheinung, auf 50 km Entfernung noch \u00c4ste eines Baumes unterscheiden zu k\u00f6nnen, wo man einige Minuten vorher nicht einmal den Baum zu sehen f\u00e4hig war, frappierte alle Beobachter aufs \u00c4ufserste. Sie meinten, hier handele es sich um Analogien zu ultramikroskopischen Gesetzm\u00e4fsigkeiten (was aber nicht m\u00f6glich ist, weil das Objekt im Ultramikroskop umgekehrt als Hellbild auf dunklem Grunde sichtbar wird), oder die Baum-","page":278},{"file":"p0279.txt","language":"de","ocr_de":"Die besonderen Funktionen der roten Strahlen usiv.\n279\n\u00e4ste wirkten beugend wie ein Lichtgitter (indessen zeigten sich keine Beugungseffekte, auch liefs sich die Erscheinung an Objekten ohne gitter\u00e4hnliche Struktur ebenso beobachten).\nDie scheinbare Gr\u00f6fse und der Reichtum des Baumes an Einzelheiten war umso betr\u00e4chtlicher, je r\u00f6ter die Sonne unterging. Vor der gl\u00e4nzenden weifsgelben Scheibe erschienen die Aste \u00fcberhaupt nicht, vor goldgelber Scheibe waren sie als kompakte Masse angedeutet, bei rotgelbem und tiefrotem Untergang erst wird alles deutlich und unterscheidbar. Im letzten Falle erreicht ebenso die scheinbare Gr\u00f6fse der Sonne ihren maximalen Betrag.\nBezieht sich nun die Vergr\u00f6fserung und das Deutlicherwerden nur auf solche Gegenst\u00e4nde des Gebirgskammes, welche direkt vor der roten Sonnenscheibe liegen? Wenn die Nachbarschaft nicht ebenfalls vergr\u00f6fsert wird, dann d\u00fcrfte unser Faktor nicht zur Deutung der Vergr\u00f6fserung der Sonne am Horizont herangezogen werden, weil die Sonne in der erdr\u00fcckenden Mehrzahl der F\u00e4lle ja keineswegs von Gegenst\u00e4nden durchschnitten wird, vor allem niemals, wenn sie noch h\u00f6her am Horizonte steht, wo sie gleichwohl gr\u00f6fser erscheint als am Zenit. Eine eindeutige Auskunft erh\u00e4lt man sofort, wenn man bei einem Sonnenuntergang am Waldrande beobachtet, wie der ferne Wald selbst erscheint. Jetzt versinkt die Sonne hinter dem Wiesenboden des Gebirgskammes, in der N\u00e4he wird die Kontur von dem Walde gebildet, der aber nun die Sonne nicht \u00fcberschneidet. Auch hier sehen wir eine ungeheure Vergr\u00f6fserung der\nFigur 2. Drei Stadien eines Sonnenunterganges neben einem Wald des\nVogesen kamm.es.\nB\u00e4ume; ihrem Ausmafse nach ist sie eine Spur kleiner verglichen mit dem Fall, dafs die Sonne als Hintergrund des Baumes dient, allein die Vergr\u00f6fserung ist immer noch enorm und \u00fcberrascht im h\u00f6chsten Grad. Wie die Abbildung zeigt, erscheinen","page":279},{"file":"p0280.txt","language":"de","ocr_de":"jr i ' W '\t'\t\u2022 -\t- . \u2022\t.\t\u25a0 \u25a0\t, \u25a0 \u2022 >-r \u2022 . .\n\u25a0 ,\t.\t;\t' .\t'\t\u2022\ty V .\t'\t-\t-\t: : ' \u25a0\n280\tHans Henning.\ndie \u00c4ste desjenigen Baumes, welcher am \u00e4ufsersten Rande des Waldes steht, wieder ganz deutlich; wennzwar sich \u00c4ste, welche die rote Scheibe direkt \u00fcberschneiden, noch etwas sch\u00e4rfer abzeichnen. Es ergibt sich also: wir sehen die Gegenst\u00e4nde am Horizont in der N\u00e4he der un t ergeh enden Sonne in einer enormen Vergr\u00f6fserung und mit betr\u00e4chtlicher Sch\u00e4rfe, w\u00e4hrend die Sicht bei viel hellerer Beleuchtung des Nachmittages nicht einmal die Existenz eines Waldes ahnen liefs, sofern nicht besondere Kontrastwirkungen die schwarzgr\u00fcne Farbe des Waldes abheben, oder besonders klare atmosph\u00e4rische Verh\u00e4ltnisse uns entgegenkommen. Auch in diesem Falle geht die Vergr\u00f6fserung mit der R\u00f6te des Lichtes parallel. Diffuses rotes Licht nach dem Untergang l\u00e4fst die Erscheinung noch eine Weile lang abgeschw\u00e4cht bestehen.\nWie weit reicht nun die vergr\u00f6fsernde und verdeutlichende Wiikung seitlich und nach vorne? Die Objekte des Vogesen-kammes sowie der ihm vorgelagerten Kuppen wurden seitlich von der Sonne so weitvergr\u00f6fsert und verdeutlicht, als si cli dort eine rot gelbe oder rote Beleuchtung beobachten liefs. Bei h\u00f6herem Sonnenstand f\u00e4llt diese Zone der Vergr\u00f6fserung breiter aus, als wenn die Sonne schon tiefer sank, allein daf\u00fcr ist die Vergr\u00f6fserung und Verdeutlichung bei etwas h\u00f6herem Sonnenstand auch weniger ergiebig als bei tieferem Sonnenstand. \u2014 Zur L\u00f6sung der Frage, wie weit die Dinge nach vorne, d. h. auf den Beobachter zu, vergr\u00f6fsert werden, und in welcher Entfernung diese Vergr\u00f6fserung aufh\u00f6rt, boten sich die Kircht\u00fcrme der Stadt und kleinere Erhebungen diesseits der Vogesen als bequeme Objekte dar. Blickt man durch ein durchbrochenes gotisches Zierrat oder zwischen kleinen S\u00e4ulen des M\u00fcnsters hindurch auf die rot untergehende Sonne, so erscheint dieser Geb\u00e4udeteil e b en falls noch stark vergr\u00f6fsert, und eme merkliche Vergr\u00f6fserung bleibt sogar erhalten, wenn die Sonne in einem gewissen seitlichen Abstand davon steht. In der Luftlinie war der gepr\u00fcfte Teil des M\u00fcnsters 1484 m vom Beobachter entfernt. Hingegen blieb jede merkliche Vergr\u00f6fserung bei 10\u201450 m weiten B\u00e4umen des Sternwartgartens oder bei 100\u2014300 m entfernten Wetterfahnen usw. aus, ganz gleich, ob die Luft feucht und dunstig, oder klar und trocken war. Eine gewisse Distanz und ein bestimmter Grad von Dunst bleibt f\u00fcr die Erscheinung unumg\u00e4nglich.","page":280},{"file":"p0281.txt","language":"de","ocr_de":"Die besonderen Funktionen der roten Strahlen usw.\n281\nBeobachtungen bei Sonnenaufgang, Versuche mit dem Mond, welcher ferne Aste durchaus sichtbar macht, mit Venus, Mars, Jupiter, dem Halleyschen Kometen und einigen Sternbildern fielen ganz analog aus, so dafs sich Einzelheiten er\u00fcbrigen.\n2. Weiter stellten wir Kontrollversuche am Meeresufer und zwar auf der Insel Texel an, weil die Bedingungen des Wasserspiegels in der Literatur bisher als Gegenst\u00fcck zu terrestrischen Verh\u00e4ltnissen (Fortfall der dazwischenliegenden Dinge usw.) herangezogen wurden. Diese Insel bietet wieder besonders g\u00fcnstige Konstellationen : nach Osten liegt die Zuidersee, im Westen die Nordsee, wo am fernen Horizont eben noch erkennbar die Dampfer der deutschen atlantischen Linien passieren, w\u00e4hrend allseits in der N\u00e4he \u00f6fters holl\u00e4ndische Schiffe fahren, so dafs man mit und ohne Objekte arbeiten kann. Ein anderer g\u00fcnstiger Umstand tritt hinzu : \u00fcber der Zuidersee gewahrt man recht h\u00e4ufig die Erscheinungen der \u201eErhebung\u201c mit Horizonterweiterung (sobald die Luft am Wasserspiegel k\u00e4lter als in h\u00f6heren Luftschichten ist), sowie der \u201eSenkung\u201c mit Horizontverengerung (wenn, die Luft am Wasserspiegel w\u00e4rmer ist als oben) ; beispielsweise sieht man am Horizont jenseits der Zuidersee einige Kircht\u00fcrme, Baumgipfel und Hausd\u00e4cher des jenseitigen Ufers, w\u00e4hrend der untere Teil dieser Objekte unsichtbar bleibt. Die Versuche lehrten, dafs der Meeresspiegel keineswegs, wie man aus theoretischen Erw\u00e4gungen heraus angab, eine Fl\u00e4che \u201eohne dazwischenliegende Objekte\u201c ist: der Wellenschlag vermittelt ebenso sicher eine Tiefenwirkung, wie die Wellenk\u00e4mme \u201eDinge\u201c sind. In der Tat wurden die Wellen in der unter- oder aufgehenden Sonne viel weiter nach dem Horizonte zu deutlich. Das Meer bildet also keine Ausnahme.\nDamit gelangen wir zu dem Ergebnis: im gelb roten oder roten Lichte der Gestirne werden die beleuchteten fernen Gegenst\u00e4nde \u00fcberaus stark vergr\u00f6fsert, zugleich treten dabei Einzelheiten der Dinge so klar hervor, als ob sie zehn- bis hundertmal n\u00e4her st\u00fcnden. Diese Vergr\u00f6fserung f\u00e4llt direkt vor der roten Sonnenscheibe oder dem rotgelben Mond und in ihrer unmittelbaren N\u00e4he relativ am gr\u00f6fsten aus, indessen dehnt sich die betr\u00e4chtlich ver-gr\u00f6fsernde Rolle der gelbroten und roten Strahlungen noch sehr weit seitlich und nach vorne auf den Beobachter zu. Je tiefer die Sonne sinkt, desto enger wird die Zone der Vergr\u00f6fse-","page":281},{"file":"p0282.txt","language":"de","ocr_de":"282\nHans Henning.\nrung, daf\u00fcr pr\u00e4gt sich die Erscheinung hier aber viel deutlicher aus.\n3. Wir sind noch den Nachweis schuldig, dafs es tats\u00e4chlich allein auf die genannten Strahlengattungen, und nicht auf die Gestirne und den Himmel, auf deren Form usw. ankommt. Einmal hatten wir den Parallelismus zwischen zunehmender R\u00f6te und wachsender scheinbarer Grofse schon aufgewiesen. Zweitens ver\u00e4ndert sich die Zone der gr\u00f6fseren Deutlichkeit und scheinbaren Gr\u00f6fse abh\u00e4ngig von dem direkten Lichtkegel. Aber es ist keineswegs erforderlich, dafs die Sonne im Gesichtsfeld liegt. Beim Alpengl\u00fchen dehnen sich die rot durchhauchten Felsen oder Firne zun\u00e4chst scheinbar aus, um mit nachlassender Beleuchtung in sich zusammenzusinken und so klein zu werden, wie sie am Tage waren, und doch befindet sich, die Sonne \u2014 unserem Blick verborgen \u2014 im L\u00fccken hinter Bergen. Beim Sonnenaufgang im Hochgebirge (wegen der Gr\u00f6fsenverh\u00e4ltnisse ist eine Beobachtung von dem 2525 m hohen Le Br\u00e9vent gegen\u00fcber vom Montblanc wohl das markanteste europ\u00e4ische Beispiel) werden alle Gipfel, welche unseren Standort \u00fcberragen, rot \u00fcber-glutet und scheinbar vergr\u00f6fsert, obwohl die Sonne f\u00fcr unseren etwas tiefer gelegenen Standpunkt noch gar nicht aufging. Ja wir k\u00f6nnen auf die Sonne ganz verzichten, wenn nur \u00fcberhaupt rote oder rotgelbe Strahlungen wirken : die rote bengalische Beleuchtung (von Klubh\u00fctten in den Hochalpen, des Strafsburger M\u00fcnsters und anderer T\u00fcrme, des Ehrenbreitstein oder sonstiger Felsmassive usw.) l\u00e4fst die Erscheinung genau so hervortreten, wie rein gr\u00fcnes und blaues Licht oder gew\u00f6hnliche Tagesbeleuchtung ohne starke Rotkomponente versagt. Es kommt also nicht auf Sonne, Mond und Sterne an, sondern auf die rotgelben und roten Strahlen.\nEbenso bleibt jede Beziehung auf die Form des Himmelsgew\u00f6lbes gleichg\u00fcltig. Bei einem n\u00e4chtlichen Grofsfeuer erblicken wir die Balken und Einzelheiten ' der H\u00e4user aus dei Ferne unwahrscheinlich grofs und deutlich, selbst wenn der schwelende Rauch den ganzen Nachthimmel verdeckt.\nNoch entscheidender sind folgende Beobachtungen : steigt in der Ebene Rauch auf, welcher rotes Licht absorbiert, so geht die Erscheinung sofort zur\u00fcck. Blickt man durch eine berufste Scheibe auf den Horizont, so schrumpft die Sonne zusammen 1\n1 \u00dcber andere Ausg\u00e4nge dieses Versuches sprechen wir weiter unten.","page":282},{"file":"p0283.txt","language":"de","ocr_de":"Die besonderen Funktionen der roten Strahlen usw.\n283\nund die fernen Gegenst\u00e4nde werden undeutlicher sowie kleiner. Weiter wurden photographische Platten, deren Schw\u00e4rzung vom einen zum anderen Ende kontinuierlich zunahm, zwischen dem Auge des Beobachters und dem betrachteten Objekt (Sonne, Mond, K\u00f6pfe naher Personen usw.) langsam vorbeigezogen; dabei nahm die scheinbare Gr\u00f6fse der gesehenen Gegenst\u00e4nde ungef\u00e4hr proportional zur Dichte und deutlich schrumpfend ab.1\nDer letzte Zweifel wird behoben, wenn die Erscheinung trotz Ausl\u00f6schung der kurzwelligen Strahlen bestehen bleibt, und wenn sie mit der Vernichtung der langwelligen Strahlen entsprechend verschwindet. Mit geeigneten Farbfiltern liefs sich das in der Tat feststellen : rote und rotgelbe Filter beeintr\u00e4chtigen die scheinbare Gr\u00f6fse nicht im geringsten, w\u00e4hrend gr\u00fcne, gr\u00fcnblaue und blaue Filter die Gestirne zusammenschrumpfen machen und die Deutlichkeit der Gegenst\u00e4nde am Horizont total vernichten. Ja im Dunste sehen wir mit roten Gl\u00e4sern besser als mit blofsem Auge.\nDunst treffen wir \u00fcberall: im Kubikzentimeter Luft einer Kleinstadt fand man nach Regen 32 000, bei trockenem Wetter 130000 St\u00e4ubchen, in Grofsst\u00e4dten analog etwa 500000, in einem durch zwei Gasflammen erleuchteten Zimmer in mittlerer H\u00f6he 2000000, an der Decke gar 5 000000 Staubteilchen pro ccm, \u00fcber dem Ozean und auf Bergen nur 400 Teilchen und weniger. Aufser der mechanischen Tr\u00fcbung der Luft durch Staub, Rauch und Dunst kommt noch die optische Tr\u00fcbung hinzu : der Gehalt an Wasser dampf und Kohlens\u00e4ure absorbiert einen Teil der Strahlen, ein anderer wird reflektiert und zerstreut.\nAn dem Deutlicherwerden der fernen Gegenst\u00e4nde ist in physikalischer Hinsicht einzig und allein das rotgelbe Licht schuld, und zwar weil langwellige Strahlen besser durch die dunstige Atmosph\u00e4re oder durch tr\u00fcbe Medien hindurch dringen als die kurzwelligen. Vergleichen wir die Verh\u00e4ltnisse am abendlichen Horizont mit den Bedingungen des Mittags, so ist die Zenitsonne nicht reicher an rotgelben und roten Strahlungen, auf welche es uns allein ankommt, sondern viel \u00e4rmer. Denn die kleinen Wassertr\u00f6pfchen und Staubpartikel des atmosph\u00e4rischen Dunstes beugen das andernfalls weifsliche Sonnenlicht durch Interferenz zum\n1 \u00dcber andere Ausg\u00e4nge dieses Versuches sprechen wir weiter unten","page":283},{"file":"p0284.txt","language":"de","ocr_de":"284\nHans Henning.\nRot, wonach der ganze Himmel in Abendrot und Morgenrot aufflammt. Einer weiteren rein psychophysischen Funktion des roten Lichtes werden wir weiter unten begegnen.\nDiese Tatsache machte man sich in der Photographie seit langem zunutze, indem man neblige und dunstige Landschaften durch ein r\u00f6tlichesGelbfilterhin durch aufnimmt. Die Abbildung zeigt eine Landschaft in Nebel von mittlerer\nFigur 3.\tFigur 4.\nNeblige Landschaft auf gew\u00f6hnliche Dieselbe Landschaft durch ein rotes Weise photographiert.\tFilter hindurch aufgenommen.\nDichte, welcher unseren Blick nicht weit in die Tiefe dringen l\u00e4fst; in Figur 3 geben wir die gew\u00f6hnliche Aufnahme, in Figur 4 dasselbe Bild durch ein rotgelbes Glasfilter hindurch auf-genommen.1 Der Unterschied ist kolossal: die roten und rotgelben Strahlen erzeugen ein Bild von der Ferne, welches ohne das rotgelbe Filter gar nicht zu erreichen ist. Photographiert man dieselbe Landschaft drittens noch durch ein Blaufilter, so ergibt sich gar keine Bildstruktur. Da die photographische Platte f\u00fcr reines Rubinrot weniger empfindlich ist als das menschliche Auge, so gen\u00fcgt beim Photographieren ein Gelbfilter mit schw\u00e4cherer Rotkomponente. Betrachten wir die Ferne durch\n1 Mit Filter mufs man die Platte nat\u00fcrlich etwas l\u00e4nger exponieren. Diese verl\u00e4ngerte Expositiouszeit f\u00fchrt ohne Verwendung des Gelbfilters nur zu einer \u00dcberbelichtung und Verschleierung des Negativs. Besonders empfindliche orthochromatische Platten werden bei der Fabrikation mit einem roten Farbstoff versehen.","page":284},{"file":"p0285.txt","language":"de","ocr_de":"Die besonderen Funktionen der roten Strahlen usic.\n285\nein rot es. oder gelbes Glas, so treten die Gegenst\u00e4nde des Horizontes viel klarer und deutlicher hervor, als bei einfacher Sicht ohne Filter; durch gr\u00fcnes und blaues Glas betrachtet wird der Horizont undeutlich und klein.1\n4. Ehe wir die endg\u00fcltige Erkl\u00e4rung geben, wollen wir als St\u00fctze noch eine Reihe anderer Ph\u00e4nomene heranziehen. Personen, die an Tr\u00fcbungen der durchsichtigen Medien des Auges leiden, verm\u00f6gen im roten Licht viel besser zu sehen als im weifsen, weil die langwelligen Strahlungen das tr\u00fcbe Auge eher als andere Strahlungsgattungen durchdringen.\nMorgens und abends geniefst man die beste Fernsicht in den Alpen: alle Einzelheiten im Talboden und am Horizont werden klar, obwohl zu diesen Tageszeiten erheblich mehr feuchter Nebel und Dunst im Tale liegt als am heifsen Mittage, bei dessen enorm viel hellerer Beleuchtung gleichwohl Tal und Ferne mit undurchsichtigem Dunstschleier verh\u00e4ngt sind. Das macht: morgens und abends durchdringt das reichlichere rote Licht der Sonne den feuchten Dunst, w\u00e4hrend diese Strahlengattung mittags l\u00e4ngst zur\u00fcckgetreten ist. Ebenso tauchen zuerst die roten und rotgelben Lichter des Dampfers aus dem Nebel auf usw.\nVor der Glazialperiode gelangte haupts\u00e4chlich rotes Licht auf unsere Erde; alle jetzt fossile Kohle befand sich noch in der Luft, die h\u00f6here Eigentemperatur unseres Planeten bedingte einen viel st\u00e4rkeren Wassergehalt der Atmosph\u00e4re, und diesen Dunst konnten rote Strahlen am ehesten durchdringen. Sollten die ersten Lebewesen eine Existenzf\u00e4higkeit besitzen, so mufsten sie die Komplement\u00e4rfarbe haben, um das rote Licht zu absorbieren. Dies ist der Grund der gr\u00fcnen Farbe unserer Pflanzen, w\u00e4hrend nach den Eiszeiten Schwarz die Sonnenenergie vollkommener ausnutzen w\u00fcrde.\nBekanntlich sind der Netzhaut aller Tagv\u00f6gel rote und gelbe \u00d6lkugeln vorgelagert, so dafs diese Tiere die Aulsenwelt so sehen, wie wir durch rotgelbe Gl\u00e4ser hindurch, und \u00e4hnliches gilt f\u00fcr manche Reptilien. Bisher konnte Hess, der diese Bedingungen untersuchte, keinerlei Erkl\u00e4rung daf\u00fcr geben. Nach unserem Befund liegt nun alles offen: die roten\n1 N\u00e4here Versuche bringt ein Artikel von W. Scheffer \u201e\u00dcber Sehen und Photographieren durch tr\u00fcbe Medien\u201c (Die Naturwissenschaften 6, S. 768\u2014771, 1918), welchem wir die Figuren 3 und 4 entnahmen.","page":285},{"file":"p0286.txt","language":"de","ocr_de":"286\nHans Henning.\n\u2022 \u2022\nund gelben Olfilter vor der Netzhaut erm\u00f6glichen eine ungeheuer viel weitere und klarere Fernsicht, die wir an den Brieftauben und den anderen Tagv\u00f6geln tats\u00e4chlich auch vorfinden, und auf welche sie in ihrem Leben durchaus angewiesen sind. Der gelbe Fleck im menschlichen Auge hat dieselbe Funktion.1 Dafs man trotz des Fortfaliens der tiefblauen und violetten Farben f\u00fcr das Vogelauge gleichwohl noch in gewissem Sinn von Schmuckfarben reden darf, und dafs aufser-\ndem Farbschwellen f\u00fcr die Erkennung der Artgenossen mitspielen,\n*\ner\u00f6rterte ich schon an anderer Stelle.2\nJene in der physiologischen Optik (z. B. gelegentlich der Frage nach Tiefe und Deutlichkeit) so h\u00e4ufig benutzten K\u00fcvetten mit tr\u00fcben L\u00f6sungen (Milch, alkoholischem Mastix oder Benzoeharz in Wasser) sind optisch nichts weiter als k\u00fcnstliche Nebel. Die mit solchen Glastr\u00f6gen erreichten Effekte sind vornehmlich den leicht durchgehenden roten und rotgelben Strahlen zu verdanken, wie sich leicht mit monochromatischem Licht und photographisch (Scheffer) nachweisen l\u00e4fst. An solchen Experimenten werden also einige Revisionen n\u00f6tig.\nSeit Goethes These und Br\u00fcckes Versuchen wurde immer wieder experimentell best\u00e4tigt (Heine, Geiger, Sachs, Ameseder, Katz, Jaensch u. a.), dafs Rot die gr\u00f6fste Eindringlichkeit unter allen Farben besitzt, d. h. es dr\u00e4ngt sich unserer Aufmerksamkeit am st\u00e4rksten auf. Danach tritt die rote Scheibe sogar r\u00e4umlich in der Dunkeltonne und anderen Apparaten vor die \u00fcbrigen Farbscheiben hervor, w\u00e4hrend Blau sich weiter in den Hintergrund verliert. Setzt man die Helligkeit der \u00fcbrigen Farben stark herauf, so geht der Vorzug des Rot verloren (Gr\u00fcnberg), wobei das PuRKiNJEsche Ph\u00e4nomen mitspielt. Neben der R\u00f6te f\u00e4llt also auch die Helligkeit in Betracht; aber die Eindringlichkeit der roten.Farbe an sich ist so betr\u00e4chtlich, dafs Baumann schon auf den Zusammenhang zwischen Eindringlichkeit und N\u00e4herkommen bei der roten Sonnenscheibe weisen durfte.\n1\tN\u00e4heres bringt mein Artikel: \u201eOptische Versuche an V\u00f6geln und Schildkr\u00f6ten \u00fcber die Bedeutung der roten \u00d6lkugeln im Auge.\u201c Pfl\u00fcgers Archiv f\u00fcr die gesamte Physiologie. 1919.\n2\tHans Henning, Wie sehen die V\u00f6gel ihre Schmuckfarben? Naturw. Wochenschr. N. F. 15, S. 545\u2014547. 1916.","page":286},{"file":"p0287.txt","language":"de","ocr_de":"Die besonderen Funktionen der roten Strahlen usic.\n287\n5. Unsere Befunde schlagen endlich noch in den Bereich des A\u00fcBERT-F\u00d6RSTERschen Ph\u00e4nomens ein. Dieses besteht bekanntlich darin: auf einer nahen Scheibe werden Buchstaben oder Ziffern mit einem gr\u00f6fseren Teil der Netzhaut erkannt, als proportional vergr\u00f6fserte Buchstaben auf einer entsprechend ferneren Scheibe. Bei gleich grofsem Netzhautbild und gleichem Gesichtswinkel erkennen wir also peripherw\u00e4rts mehr von den nahe befindlichen Zeichen als von den ferner befindlichen, welch letztere scheinbar viel gr\u00f6fser sind. Und diese Erscheinung der peripheren Sehsch\u00e4rfe h\u00e4ngt von keinerlei physikalischen Umst\u00e4nden ab, sondern eben nur von der scheinbaren Gr\u00f6fse.\nNun unser Fall: die ganz tiefstehende Sonne vergr\u00f6fsert die Gegenst\u00e4nde enorm viel st\u00e4rker als die etwas h\u00f6her stehende Sonne; allein die Gel\u00e4ndezone, deren Objekte scheinbar vergr\u00f6fsert werden, verengert sich mit zunehmender scheinbarer Gr\u00f6fse. Mit anderen Worten: bei gleichem Netzhautbild und demselben Gesichtswinkel nimmt die r\u00e4umliche Zone, in welcher die Gegenst\u00e4nde scheinbar vergr\u00f6fsert werden, proportional zur wachsenden scheinbaren Gr\u00f6fse ab. Das ist aber nichts anderes wie das Aubert -F\u00d6RSTERsche Ph\u00e4nomen.\nJene Autoren hatten noch eine zweite Versuchsanordnung gew\u00e4hlt: zwei schwarze Quadrate auf weifsem Grund werden, wenn man sie nahe am Beobachter von aufsen in dessen Gesichtsfeld hereinf\u00fchrt, weiter aufsen im peripheren Sehen schon aufgel\u00f6st, als entsprechend gr\u00f6fsere Quadrate in proportional weiterer Entfernung, welch letztere Figuren daf\u00fcr eine bedeutendere scheinbare Gr\u00f6fse auf weisen. Auch diesen Fall k\u00f6nnen wir an der Aufl\u00f6sung des fernen Waldes in der Abendsonne best\u00e4tigen: die Zweige des fernen Waldes l\u00f6sen sich bei maximaler scheinbarer Gr\u00f6fse erst nahe am Fixationspunkt auf, w\u00e4hrend der etwas mehr auf die Peripherie der Netzhaut auffallende \u00fcbrige Wald als kompakte Farbmasse unaufgel\u00f6st bleibt. \u2014 Ein objektiv viel n\u00e4herer Bestand an Unterholz von geringerer scheinbarer Gr\u00f6fse (der bei direkter Messung eine gleiche Winkelgr\u00f6lse zeigte wie ein objektiv fernerer und scheinbar gr\u00f6fserer Baum) l\u00f6ste sich peripherw\u00e4rts eher auf. Das ist wieder nichts anderes wie das Aubert -F \u00d6RSTERsche Ph\u00e4nomen.\nEin \u00e4ufserlieher Unterschied besteht darin: in den Laboratoriumsversuchen variiert man die scheinbare Gr\u00f6fse (durch Exposition entfernterer, aber daf\u00fcr entsprechend gr\u00f6fserer Zeichen), wonach der Beleuchtungs-","page":287},{"file":"p0288.txt","language":"de","ocr_de":"288\nHans Henning.\n\u00a9indruck von selber wechselt; in unserem Falle wird durch die untergehende Sonne umgekehrt die Beleuchtung ge\u00e4ndert, womit die scheinbare Gr\u00f6fse von selber wechselt. Im Laboratorium ver\u00e4ndert man die eine abh\u00e4ngige Variable (die scheinbare Gr\u00f6fse), in unserer Anordnung wechselt die andere abh\u00e4ngige Variable (die Beleuchtung); die Sachlage bleibt nat\u00fcrlich die gleiche. In der Tat bestand das Ph\u00e4nomen auch, als C. L. Morgan und Jaensch im Laboratorium einmal die Beleuchtungsst\u00e4rke \u00e4nderten. War die nahe und ferne Anordnung nur schwach beleuchtet, so trat die Gesetzm\u00e4fsigkeit st\u00e4rker hervor als bei starker Beleuchtung der nahen und fernen Tafel.\nHaben wir hier eine \u00dcbereinstimmung erreicht, so deckt sich trotzdem noch ein Faktor nicht ganz: die untergehende Sonne \u00e4ndert ja ihre objektive Lichtst\u00e4rke und B\u00f6te, w\u00e4hrend man im Laboratorium bisher die nahe wie die ferne Anordnung mit jeweils gleicher Lichtst\u00e4rke beleuchtete. Dieser Schwierigkeit l\u00e4fst sich indessen auf verschiedenen Wegen begegnen. Zun\u00e4chst hindert uns ja nichts, im Laboratorium Kontrollversuche mit Bedingungen anzustellen, welche dem Sonnenuntergang entsprechen. Zweitens kann man die abnehmende Lichtst\u00e4rke und die zunehmende B\u00f6te besonders in Bechnung setzen (wie wir dies auch weiter unten tun wollen). Drittens verm\u00f6gen Filter eine Gleichheit zu garantieren. Viertens beobachtet man in zeitlich nahen Abst\u00e4nden und setzt die objektive Licht\u00e4nderung in Bechnung. F\u00fcnftens kann man gelbe mit roten Unterg\u00e4ngen vergleichen und aus \u00e4hnlichen Konstellationen Schl\u00fcsse ziehen. Schliefslich l\u00e4fst unsere Anordnung sich mit den Umst\u00e4nden der Laboratoriumsversuche identifiziei en. man w7\u00e4hlt als nahe Anordnung einfach einen niedrigen Baum auf einem V orberge und als ferne Anordnung einen proportional h\u00f6heren Baum auf dem entfernteren Vogesenkamm.\nUnter solchen Umst\u00e4nden fanden wir das Ph\u00e4nomen best\u00e4tigt. Freilich begn\u00fcgten wir uns mit etwas roheren Messungen; aber wir durften das, weil die t\u00e4glichen Variationen der Unterg\u00e4nge nicht unbetr\u00e4chtlich sind und die wechselnde Findringlichkeit des roten Lichtes uns ohnehin besonders besch\u00e4ftigen mufs. Zudem braucht die Proportionalit\u00e4t keineswegs strikt zu sein; ja wir d\u00fcrfen das gar nicht verlangen, weil zahlreiche andere Motive (Luftperspektive und weitere, im n\u00e4chsten Abschnitt besprochene Faktoren) sich nachweislich einmischen.\nDas A\u00fcBERT-F\u00f6asTERsche Ph\u00e4nomen ist bekanntlich nur ein Grenzfall des KosTERschen Ph\u00e4nomens.1 Dieses besagt: wenn das Bild klein gesehen wird, so scheint die Beleuchtung verst\u00e4rkt; sehen wir dagegen das scheinbar vergr\u00f6fserte Bild, so mutet dessen Beleuchtung uns schw\u00e4cher an. Auch diese Er-\n1 E. B. Jaensch, Erg\u00e4nzungsband 4 und 6 d. Zeitschr. f. Psychol, u. Physiol, d. Sinnesory. 1909 und 1911.","page":288},{"file":"p0289.txt","language":"de","ocr_de":"Die besonderen Funktionen der roten Strahlen usw.\n289\nscheinung liefs sich f\u00fcr unseren Fall best\u00e4tigen. Besonders schlagend bietet sich folgende Beobachtung von Jaensch zum Vergleiche dar: bei geringerer scheinbarer Gr\u00f6fse erschien ihm seine Lampe heller, als bei betr\u00e4chtlicherer scheinbarer Gr\u00f6fse. Statt der Lampe setze man nur die Sonne ein: bei h\u00f6herer Elevation ist die Sonne heller, aber kleiner, auch ver-gr\u00f6fsert sie die Horizontgegenst\u00e4nde gar nicht oder kaum ; beim Untergange ist die Sonne dunkler, aber gr\u00f6fser, und sie ver-gr\u00f6fsert die Dinge am Horizont scheinbar enorm. Dieser Effekt bleibt, wenn man alle exakten Kautelen der objektiven Helligkeits\u00e4nderung einsetzt: das kleinere Bild des Tages ist trotzdem heller beleuchtet, als das gr\u00f6fsere Bild des Abends.\nDie scheinbare Yergr\u00f6fserung der auf- und untergehenden Gestirne am Horizont erkl\u00e4rt sich also aus dem Aubert-F\u00f6rsterschen und Kosterschen Gesetz, welche die Beziehungen zwischen scheinbarer Gr\u00f6fse, Beleuchtung und Sehsch\u00e4rfe resrelno\nEhe wir weitergehen, sei aber ein naheliegender Einwand zur\u00fcckgewiesen. Man wird uns sagen, dafs die scheinbare Ver-gr\u00f6fserung im Sinne unserer Erkl\u00e4rung doch nur dann auf treten d\u00fcrfe, wenn wir tats\u00e4chlich ein St\u00fcck der vom Monde oder der Sonne beleuchteten Landschaft zugleich wahrnehmen; schalte man die Landschaft durch Verdeckung aus, oder betrachte man die Sonne durch einen Tubus oder durch ein Rauchglas, dann d\u00fcrfe sie nicht vergr\u00f6fsert erscheinen. Als Antwort brauchen wir nicht darauf zu rekurrieren, dafs die Tiefe bei ein\u00e4ugiger Betrachtung, wo die prim\u00e4ren Tiefenfaktoren des Doppelauges ausgeschaltet sind, gleichwohl infolge der sekund\u00e4ren Momente erhalten bleibt; ebensowenig wollen wir uns mit dem Hinweis retten, dafs sehr viele andere optische Eindr\u00fccke unter abnormen Umst\u00e4nden so ausfallen, als ob die Verh\u00e4ltnisse normal w\u00e4ren (z. B. die Ged\u00e4chtnisfarben). Gewifs versagt ein lebenslang beim Betrachten der Unterg\u00e4nge in der Landschaft gebahntes Residuensystem nicht pl\u00f6tzlich, wenn die b\u00e4um- oder h\u00e4userreiche Landschaft einmal durch Meereswellen oder Wiesenst\u00fccke ersetzt wird, und es tritt nicht aufser Funktion, wenn wir die Gestirne einmal durch einen Tubus betrachten, denn solche. Residuenwirkungen sind durchaus verb\u00fcrgt. Ebenso stimmen wir mit von Kries \u00fcberein, dafs wir unseren absoluten Eindruck \u00fcberallhin mit-\n91\nZeitsehr. f. Sinnesphysiol. 50.","page":289},{"file":"p0290.txt","language":"de","ocr_de":"290\nHans Henning.\nbringen k\u00f6nnen. Um aber nicht den Anschein zu erwecken, als. wollten wir mit der Abweisung der Tubus- und Rauchglasversuche nur auf bequemem Wege freie Hand f\u00fcr unsere Deutung gewinnen, werden wir experimentell zeigen, dafs solche Versuche mit Tubus oder Rauchglas in unserem Fall nichts beweisen, und wir wollen diese Experimente, die ja zu wider-streitenden Ergebnissen f\u00fchrten, unsererseits durchaus erkl\u00e4ren.\nJeder Einwand mufs aber verstummen, wenn wir dartun k\u00f6nnen, dafs das KosTEEsche Gesetz nicht blofs f\u00fcr die Landschaft, sondern auch f\u00fcr die Gestirne selbst gilt. In besonderen Reihen zeigte Jaensch, dafs der Glanz einer scheinbar kleineren M\u00fcnze viel betr\u00e4chtlicher ausf\u00e4llt, als bei der scheinbar gr\u00f6fseren M\u00fcnze. Statt der M\u00fcnze setze man Sonne und Mond : das scheinbar kleinere Gestirn gl\u00e4nzt mehr als das scheinbar gr\u00f6fsere; die F\u00e4lle decken sich genau, und wir konnten es auch mit den oben genannten Kautelen durchaus best\u00e4tigen. - Ebenso verstehen wir alle anderen Einzelheiten nunmehr. Das Undeutlicherwerden der Konturen und Zeichnungen des Mondes bei bedeutender Steigerung der scheinbaren Gr\u00f6fse (A\u00fcBEET-F\u00f6ESTERsches Ph\u00e4nomen) l\u00e4fst sich auf die starke Abnahme des Helligkeits- oder S\u00e4ttigungsunterschiedes zwischen Objekt und Grund (KosTERsches Ph\u00e4nomen) zur\u00fcckf\u00fchren. Dies war ja die Br\u00fccke, auf welcher Jaensch beide Gesetze auf eine Formel brachte.\n6. Der aufmerksame Leser hat bemerkt, dafs wir unseren Sonnenuntergang noch nicht restlos erkl\u00e4rten. Nach der Aubert-I \u00d6RSTERschen Gesetzm\u00e4fsigkeit sind die Zeichen der ferneren Anoidnung scheinbar gr\u00f6fser, allein hier l\u00f6st sich eine geringere Anzahl von Elementen an der Peripherie auf, als bei der nahen Anordnung. Das fanden wir auch. In unserer scheinbar gr\u00f6fseren Situation reichte der Deutlichkeitskreis aber nicht blofs seitlich weniger in die Peripherie hinein (wie das Gesetz es fordert), sondern aufserdem waren die Gegenst\u00e4nde innerhalb dieses engeien Deutlichkeitskreises im Fall der bedeutenderen scheinbaren Gr\u00f6fse auch noch enorm viel deutlicher als in jeder scheinbar kleineren Situation (vgl. Figur 1 und 2). Man d\u00fcrfte sich dabei beruhigen, dafs die herangezogenen Gesetze hier\u00fcber nichts aussagen, weil sie noch niemals an wirklich grofsen Distanzen erprobt wurden, vielleicht w\u00fcrde sich dann","page":290},{"file":"p0291.txt","language":"de","ocr_de":"Die besonderen Funktionen der r\u00f6ten Strahlen usw.\n291\netwas derartiges heraussteilen. In unserem Fall h\u00e4ngt der Haupt-anlafs der ungeheuren Verdeutlichung des Vogesenbaumes im Rubinlichte des Sonnenunterganges aber sicher wieder mit dem roten Licht und der herabgesetzten Beleuchtung zusammen. In zahlreichen F\u00e4llen von Gesichtsfeldeinengung \u00fcberragt die Grenze f\u00fcr Rot n\u00e4mlich diejenige f\u00fcr alle anderen Farben (Charcot, Parinaud u. a.), und die Eindringlichkeit der roten Farbe zog Jaensch schon daf\u00fcr heran, dafs dann die Objekte besonders deutlich in Erscheinung treten. Nach allem Gesagten brauchen wir uns also nicht weiter dabei aufzuhalten, warum die roten und wegen dieses Farbentones eindringlicheren Dinge bei herabgesetzter Beleuchtung auch n\u00e4her, scheinbar gr\u00f6fser, deutlicher und aufgel\u00f6ster erscheinen. Wie bei allen ungew\u00f6hnlichen Beleuchtungen, so scheiden wir zudem beim Sonnenuntergang st\u00e4rker zwischen Beleuchtung und Beleuchtetem, und wir achten dann mehr auf die Beleuchtungseffekte, als dies tags\u00fcber geschieht. Die roten und rotgelben Aufg\u00e4nge und Unterg\u00e4nge von Sonne und Mond bilden also einen Spezialfall des Aubert-F\u00d6RSTERschen und KosTERschen Ph\u00e4nomens.\nNoch ein Wort \u00fcber die Sterne. Bei Objekten von 2 \u2014 3 Minuten h\u00e4ngt die scheinbare Gr\u00f6fse nach Ricc\u00f6 und Asher allein von der Lichtmenge ab, und der Gr\u00f6fseneindruck von Sternen, die nur einen einzigen Zapfen reizen, richtet sich ledig-, lieh nach dem Produkt aus Oberfl\u00e4che mal Lichtst\u00e4rke (Schoute). An gr\u00f6fseren Sternen haben wir unsere Erscheinung durchaus angetroffen, doch m\u00fcssen wir dabei einer \u201eT\u00e4uschung\u2019* gedenken: sendet die untergegangene Sonne noch diffuses Licht aus, so kam dieses dem Stern am Horizont zugute, der entsprechend mehr vergrofsert erschien, und analog verhielt es sich mit dem Licht benachbarter Sternbilder. .\nWie beim stereoskopischen Tiefensehen neben den prim\u00e4ren Faktoren der Querdisparation noch sekund\u00e4re Erfahrungsmotive mitspielen, so auch hier. Den Hauptfaktor der scheinbaren Ver-gr\u00f6fserung haben wir aufgezeigt und k\u00f6nnen nun die sekund\u00e4ren Momente besprechen, welche blofs kleinere Effekte hervorzurufen imstande sind. Indessen werden wir erwarten, dafs diese \u2014 analog wie die sekund\u00e4ren Tiefenmotive \u2014 den prim\u00e4ren Effekt bei manchen Beobachtern wesentlich modifizieren.\nWir m\u00fcssen es uns versagen, hier n\u00e4her auf die interessanten\nBeziehungen einzugehen, welche zwischen dem Weber-Fechner-\n21*","page":291},{"file":"p0292.txt","language":"de","ocr_de":"/\n292\tHans Henning.\nsehen Gesetz und den Ph\u00e4nomenen von Aubert - F\u00f6rster und Koster bestehen.\nII. Andere Motive.\n1. Eine objektive V ergr\u00f6fserung der Sonnenscheibe wird heute einstimmig bestritten, wrobei man auf (ungenannte) photographische Aufnahmen und Messungen mit dem Sextanten weist. Aristoteles und Ptolem\u00e4us sahen in dem feuchten Dunst, welcher der untergehenden Sonne oder dem auf steigenden Mond usw. vorgelagert ist, eine Linse, welche die Lichtstrahlen bricht, und dieser Ansicht schlofs sich Desteeano noch im 19. Jahrhundert an. Gew\u00f6hnliche photographische Aufnahmen beweisen wegen der Irradiation und der kleinen Bildgr\u00f6fse nichts, man mufs da schon zur modernen Fliegerkamera (Brennweite lm) greifen, welche auch unsere unten beschriebenen Erscheinungen zur Abbildung bringt. Ebenso sind alle vergleichenden Messungen unbedingt abzuweisen, bei denen das einmal direkt betrachtete Gestirn (ohne Beeintr\u00e4chtigung der scheinbaren Gr\u00f6fse) mit einem zweiten, durch ein Spiegelsystem geschickten Bild (von ver\u00e4nderter scheinbarer Gr\u00f6fse) verglichen wird. Vergleiche mit einem nahen Pappkreis oder projizierten Nachbildern sind \u00fcberhaupt keine Messung, sondern eine subjektive Gleichung zwischen zwei scheinbaren Gr\u00f6fsen, welche den Koeffizienten der Versuchsanordnung in sich enth\u00e4lt. Mafsgebend sind nur direkte Messungen, webei aber erst alle physiologischen und psychologischen Faktoren, die bei optischen Instrumenten so sehr ins Gewicht fallen, sorgf\u00e4ltig ausgemerzt sein m\u00fcssen. Selbstverst\u00e4ndlich k\u00f6nnte eine objektive Gr\u00f6fsen\u00e4nderung h\u00f6chstens einen minimalen Bruchteil unserer Erscheinung ausmachen, was ausdr\u00fccklich vorausgeschickt sei. Wir wollen keineswegs die aristotelisch-ptolem\u00e4ische Erkl\u00e4rung wieder aufleben lassen, sondern nur ein minimales Teilmotiv aufdecken, welches gr\u00f6fsere Betr\u00e4ge hervorruft als mancher sekund\u00e4re Faktor, und welches h\u00fcbsche sekund\u00e4re T\u00e4uschungen zur Folge hat.\nDie Gr\u00f6fse der Bonne betr\u00e4gt 31' 59\", diejenige des Mondes\n\u2022 \u2022\n3F 8\", also in beiden Fallen ungef\u00e4hr einen halben Grad. Uber kleinere Abweichungen von wenigen Minuten ist man sich einig. Ebenso sind Verk\u00fcrzungen des Vertikaldurchmessers infolge Beugung der Lichtstrahlen allseits best\u00e4tigt, wodurch der auf-","page":292},{"file":"p0293.txt","language":"de","ocr_de":"Die besonderen Funktionen der roten Strahlen usw.\n293\ngehende Mond elliptisch erscheint, und wodurch die Sonne einen verbreiterten Fufs erh\u00e4lt; indessen sollen diese Verzerrungen nichts mit einer objektiven Vergr\u00f6fserung zu tun haben.\nIn \u00e4lterer Zeit hatten \u2022Riccioli und Grimaldi die Sonnen-gr\u00f6fse gelegentlich auf 45', ja auf 1\u00b0 (also verdoppelt) und diejenige des Mondes auf 40' bestimmt; das ist zu hoch gegriffen. Doch sind wir mit Clapar\u00e8de und vielen anderen einig, dais die Gr\u00f6fse der Gestirne infolge der Refraktion um mehrere Minuten verringert werden kann, allein wir vertreten auch das Gegenteil. Bei einer Gesamtgr\u00f6fse von 3R f\u00e4llt eine Abweichung um mehrere Minuten nach oben und unten schwer ins Gewicht, zumal wenn noch einige Minuten Differenz infolge der Exzentrizit\u00e4t der Mondbahn usw. hinzukommen. Aulserdem verwickelt sich die Frage durch Ph\u00e4nomene, welche zu optischen 1 \u00e4.uschungen Anlafs geben.\nDer Literatur sind bestimmte Verzerrungen schon bekannt, bei welchen der Vertikaldurchmesser verk\u00fcrzt wird. F\u00fcr die meisten Versuchspersonen1 war die scheinbare Gr\u00f6fse in beiden F\u00e4llen (vgl. Figur 5) betr\u00e4chtlich erh\u00f6ht, aber in verschiedenem Ausmafs, was durch die unterschiedliche Begrenzung (einmal vertikale Seitenr\u00e4nder, das andere Mal bogenf\u00f6rmige) im Zusammenhang mit verwandten optischen T\u00e4uschungen ohne weiteres begreiflich ist.\nFigur 5. Verbreiterung des Gestirns am Horizont.\nSt\u00e4rker wird die scheinbare Gr\u00f6fse in den beiden folgenden Beispielen betroffen. Namentlich der letzte Fall, dafs ein Segment\nL\u2014\nFigur 6. Verzerrungen der untergelienden Sonne.\nabgetrennt erscheint, veranlafst zur scheinbaren Vergr\u00f6fserung, indem der Beobachter gar nicht auf Verzerrung, sondern auf einen vor v\u00f6llig runder Scheibe liegenden Wolkenstreifen schliefst.\n1 Alle Abbildungen sind Reproduktionen, die von den Beobachtern aufgezeichnet wurden.","page":293},{"file":"p0294.txt","language":"de","ocr_de":"294\nHans Henning.\nAufserdem begegnen wir Vergr\u00f6fserungen des Vertikaldurchmessers. Die folgenden Beobachtungen wurden auf einem 500 m hohen Berge in der N\u00e4he von Samaria beim Blick tibei die Ebene Saron angestellt1 ; die Sonne ging dabei im Meere\nFigur 7. Erh\u00f6hungen der untergehenden Sonne mit Aufsatz.\nbei Jaffa unter. Gleiche Versuche konnten wir gelegentlich in den Hochalpen und von Strafsburg aus anstellen. Wir sehen hiei die Sonne als gl\u00fchende Lampenglocke untergehen, wobei der Aufsatz auf der Sonnenscheibe im maximalen Fall ein gutes Drittel des Durchmessers betrug. Unter bestimmten atmosph\u00e4rischen Verh\u00e4ltnissen kann die Sonne (direkt gemessen) objektiv gr\u00f6fser als 36' sein. Eine besondere Beweiskraft scheinen mir solche Beispiele wie der folgende zu haben. Obwohl zwischen dem\n\u00efigui 8. Drei zeitlich aufeinanderfolgende Stadien des Sonnenunterganges.\nzweiten und dritten Stadium ein zeitlicher Zwischenraum liegt, bleibt die vertikale Ausdehnung doch die gleiche.\nSterne erscheinen (namentlich in den Alpen) mitunter mit sehi staikei vertikaler Verzerrung. Solche Gebilde bleiben nicht auf die Gestirne beschr\u00e4nkt, sondern wir begegnen ihnen auch bei Bergkuppen, die im Lichte der untergehenden Sonne liegen. Sie sind sogar ziemlich h\u00e4ufig in Alpenzeitschriften2 als kegelf\u00f6l mige vertikale Ausbuchtungen beschrieben worden. Die meisten Menschen gehen freilich an solchen Verzerrungen der Felsen, Berge, Gletscher und Gestirne vor\u00fcber, weil sie nicht darauf achten, oder weil sie die wahre Bergform nicht kennen. H\u00f6here\nDiese stellte mir mein Bruder, Oberarzt Dr. Georg Henning zur Verf\u00fcgung.\nVgl. Ffiedrich Henning, Durchquerung der Walliser Alpen auf Schneeschuhen. Zeitschr. d. deutsch, u. \u00f6sterr. Alpenvereins 48, S. 88f. 1917..","page":294},{"file":"p0295.txt","language":"de","ocr_de":"Die besonderen Funktionen der roten Strahlen usw.\n295\nInseln scheinen manchmal in der Weise verzerrt, wie der Aufsatz in Figur 7 rechts es angibt.\nOb nicht unter bestimmten atmosph\u00e4rischen Verh\u00e4ltnissen gleichzeitig eine objektive Horizontal- und Vertikalverzerrung durch Refraktion auftreten kann, das steht noch aus. Einige Beobachter erblickten in etwas uncharakteristischen F\u00e4llen wie Figur 7 eine einfache Kreisform, die sich aus den Tatsachen der Angleichung und Assimilation leicht begreift; dafs die Scheibe dabei gr\u00f6fser wird, liegt auf der Hand. Solche merkw\u00fcrdig verzerrten Gebilde pr\u00e4gen sich dem Ged\u00e4chtnis besonders tief ein und m\u00f6gen auf das Residuensystem der untergehenden Sonne sowie auf den absoluten Eindruck nicht ohne Einflufs bleiben.\n2. Es geh\u00f6rt zu den gesicherten Tatsachen, dafs die Farben sich ihrer Erscheinungsweise nach in Oberfl\u00e4chenfarben Fl\u00e4chenfarben und Raumfarben scheiden. Die ersteren bilden die Oberfl\u00e4che der Gegenst\u00e4nde, zeigen eine Oberfl\u00e4chenstruktur (wie Holz, Tuch, Stein usw.), k\u00f6nnen je nachdem beliebig im Raume lokalisiert sein und beleuchtet werden. Die Fl\u00e4chenfarben (z. B. der Regenbogen) besitzen eine lockere Farb-struktur, sie schliefsen den Raum nach hinten ab, sind immer parallel zur Stirnfl\u00e4che des Betrachters in fester, aber nicht genau angebbarer Entfernung lokalisiert und nie beleuchtet. Die Raumfarben (wie ganz d\u00fcnner Nebel) f\u00fcllen den Raum dreidimensional __\t\u2022 \u2022\naus. Dazwischen gibt es mannigfaltige Ubergangsstufen.1\nDaraus ergibt sich zun\u00e4chst eine Erg\u00e4nzung zu unserer Beanspruchung des Koste Eschen Ph\u00e4nomens: je mehr die ferne Bergeskette im Sonnenuntergang zur Fl\u00e4chenfarbe wird, desto mehr f\u00e4llt der (bei Oberfl\u00e4chenfarben vorhandene) Unterschied zwischen Beleuchtung und Beleuchtetem fort, denn Fl\u00e4chenfarben k\u00f6nnen ja nicht beleuchtet werden. So nimmt das blaue ferne Gebirge in rotem Abendlicht eine purpurne Eigenfarbe an. Damit verschiebt sich nat\u00fcrlich auch -die scheinbare Gr\u00f6fse.\nZu den erw\u00e4hnten \u00dcbergangsstufen geh\u00f6rt nun auch der Himmel: am Horizont sieht er eher fl\u00e4chenfarben aus, am Zenit mehr raumfarben; hinter H\u00e4usern steigt er frontalparallel\n1 \u00c4ltere Bestimmungen schon bei Mach und Hering. Systematische Erforschung bei D. Katz, Erg\u00e4nzungsband 7 d. Zeitschr. f. Psychol, u. Physiol, d. Sinnesorg. 1911. Vgl. auch Hans Henning, Lokalisationsraum und r\u00e4umliche Mannigfaltigkeit. Zeitschr. f. Phil. u. phil. Krit. 162, S. 94 ff. 1916.","page":295},{"file":"p0296.txt","language":"de","ocr_de":"296\nHans Henning.\nempor, ebenso erscheinen fixierte Fl\u00e4chenst\u00fccke. Ganz d\u00fcnne Wolken sind wie das Blau des Zenits raumfarben, w\u00e4hrend das Relief mancher geballter Wolken nahe an Oberfl\u00e4chenfarben herankommt.1 In tr\u00fcben Wintern\u00e4chten ist der ganze Raum mit einem raumhaften Grau ausgef\u00fcllt (Heeing). Ebenso \u00e4ndert die Beleuchtung seine Beschaffenheit: \u00fcber Sizilien oder \u00fcber einem Gletscherfirn w\u00f6lbt sich die azurne Glocke ganz anders wie \u00fcber Berlin oder London. Hebt sich ein Flieger eben noch als feines P\u00fcnktchen im raumhaften Blau des Zenites ab, so ist\ndie Vertikalausmessung des Himmels um ein Mehrfaches verl\u00e4ngert.\nEine einheitliche und gleich bleibende Form des Himmelsgew\u00f6lbes bleibt wegen des raumhaften Charakters, der \u00dcberg\u00e4nge und des h\u00e4ufigen Wechsels eine theoretische Konstruktion; dafs man mit der Aufmerksamkeit fl\u00e4chen und Linien erzeugen kann, ist aus der Wahrnehmungspsychologie bekannt, allein dererlei verpflichtet keine optische Beobachtung.'2 Alhazen, Vitello, Malebeanche, Hobbes, R. Smith, Maiean, Beanbes, J. C. E. Schmidt* K\u00e4mtz, 1. Zeno, Schopenhauee, Helmholtz, Blondel, Wundt, Filehne und Reimann betonten: das Himmelsgew\u00f6lbe \u00fcberdache uns nicht rund, sondern nach Art eines Uhrglases wfie eine oben abgeplattete Kuppel, so dais die Entfernung zum Zenit kleiner ausl\u00e4llt als zum Horizont. Daraus wTollte man die scheinbare Gr\u00f6fse der untergehenden Sonne erkl\u00e4ren: bei gleicher Winkel-gi\u00f6fse wfliide die Sonne am ferneren Horizont gr\u00f6fser eingesch\u00e4tzt als am n\u00e4heren Zenit.\nGegen die Hypothese der Flachkuppel oder des \u201ePlafonds\u201c die nur bei geometrisch denkenden Bewohnern n\u00f6rdlicher Tiefebenen entstehen konnte, \u2014 sprechen zun\u00e4chst die genannten Tatsachen der Erscheinungsweisen der Farben. Weiter wies Eginitis darauf, dafs die scheinbare Gr\u00f6ise die gleiche bleibt, ob der Himmel nun gew\u00f6lbt, abgeflacht oder infolge \u00dcberschneidung eines Hauses als nahe frontalparallele Wand erscheint, und dafs das erste Mondviertel am Horizont vergr\u00f6fsert ist, obwohl wir wegen der Dunkelheit die W\u00f6lbung gar nicht gewahren. \u2014 Sonne und Mond schienen den Alten hinter dem\n1 Katz, a. a. O., S. 67, 76 u. \u00f6\nDei Mathematiker Euler bezeichnete schon die Konstruktion der Himmelsform als widersinnig, weil die Form je nach den Umst\u00e4nden wechsle.","page":296},{"file":"p0297.txt","language":"de","ocr_de":"Die besonderen Funktionen der roten Strahlen usw.\n297\nn\u00e4chsten Berge zu versinken, wie das jedes Kind und alle Naturv\u00f6lker heute noch verteidigen ; dieser unmittelbare sinnliche Eindruck kann in jedem Menschen nur durch bestimmte Grofshirn-faktoren umgestaltet werden, welche sich aus geographischer und physikalischer Erfahrung bilden. Trotzdem sieht jeder Mensch die Sonne und den Mond am Horizont viel n\u00e4her als im Zenit, grofse Umfragen von Zoth, Clapar\u00e8de, Haenel und mir sicherten durchaus, dafs die Sonne im Horizonte n\u00e4her steht. Mag also der Himmel im Horizonte einigen Personen entfernter Vorkommen, das verschl\u00e4gt nichts, weil die Sonne nicht am Himmel klebt, sondern uns beim Untergange n\u00e4her scheint als mittags. Ebenso erlebt der Laie, welcher die Verh\u00e4ltnisse der Sonnenbahn nicht kennt, die T\u00e4uschung gleichwohl. Nach der Flachkuppeltheorie, die sich nicht mehr halten l\u00e4dst, m\u00fcfsten Sonne und Mond am Horizont viel kleiner erscheinen.\nDieses N\u00e4herkommen des Gestirnes am Horizont erkl\u00e4rt sich leicht: einmal zeigt die rote Farbe wegen ihrer Eindringlichkeit jene bekannte Tendenz r\u00e4umlich hervorzutreten wie die rote Scheibe in der Dunkeltonne. Die Sonne geht zweitens als rot-leuchtende Fl\u00e4chenfarbe unter, und die ferne blaue H\u00fcgelkette des Horizontes nimmt ebenfalls eher den Charakter einer dl\u00e4chen-farbe an; es liegt nun im Wesen der Lokalisation von Fl\u00e4chenfarben, dafs zwei in der Ferne hintereinander stehende Fl\u00e4chenfarben keine grofsen Tiefenbetr\u00e4ge annehmen k\u00f6nnen. Schliefslich bedingt das N\u00e4her-, Gr\u00f6fser- und Deutlicher werden der Dinge infolge der roten Strahlen, dafs die Sonne n\u00e4her und zugleich gr\u00f6fser erscheint.\n3. Gewifs spricht die Luftperspektive, das Vorhanden-sein von Dunst und leichtem Nebel ein gewichtiges Wort. Aber nicht \u2014 wie Alhazen, Vitello, Berkeley, le Cat, Dunn, Euler, Biot, Helmholtz und von Zehender annahmen, \u2014 weil lichtschw\u00e4chere Gestirne ferner erscheinen, denn durch Nebel oder d\u00fcnne Wolken gesehen vergr\u00f6fsert sich die untersinkende Sonne nicht (Houzeau, Eginitis, Fjlehne, Reimann, Clapar\u00e8de;) auch m\u00fcfste der lichtschw\u00e4chere Tagesmond dann gr\u00f6fser werden (Smith). Sondern im Dunst allein k\u00f6nnen die roten Strahlen ihre besondere Funktion aus\u00fcben, nur hier bekommt die ferne Bergkette ihren eher fl\u00e4chenhaften Charakter usw. \u2014 So einfach gestaltet sich die Luftperspektive freilich nicht, wie man es sich fr\u00fcher zurecht legte: \u201eweit entfernte Gegenst\u00e4nde erscheinen","page":297},{"file":"p0298.txt","language":"de","ocr_de":"298\nHans Henning.\num so deutlicher, je reiner die Luft\u201c, denn das A\u00fcBERT-F\u00d6RSTERsche und KosTERsche Ph\u00e4nomen mitsamt der Funktion der roten Strahlen durchkreuzt dieses Schema, wie schon ein Blick auf Figur 1 dartut. Unter gewissen Verh\u00e4ltnissen des leichten Dunstes verschwinden die Seitent\u00e4ler, unter anderen treten sie (auch f\u00fcr die photographische Platte' viel plastischer hervor als am klarsten Tag. ln d\u00fcnnerem Nebel scheinen Menschen oder Berge sehr vergr\u00f6fsert. Das neuerdings besonders beachtete Zwischen medium (der nicht durch diskrete Partikel oder Dunst ausgel\u00f6ste Lufteindruck) spielt ebenso wie der Farbenkontrast eine ganz wesentliche Rolle. Es w\u00e4re verwegen, die zahlreichen psychologischen Probleme der Luftperspektive heute als gel\u00f6st oder gar als abgetan zu betrachten.\n4. Dazwischenliegende Objekte lassen die Entfernung st\u00e4rker hervortreten, und damit \u2014 so urteilten Ptolem\u00e4us, Alfa zen, Vitello, R. Bacon, Kepler, Descartes, Malebranche, Biot, Wallis, Huyghens, Brandt, Clausius und Kundt \u2014 wachse die Gr\u00f6fse der Gestirne. Zun\u00e4chst ist nicht abzusehen, warum neben dem einen empirischen Tiefenmotiv nicht auch andere stehen sollten, kann manch einer doch zumal im dunkelblauen Samt der Hochgebirgsn\u00e4chte die Sterne ziemlich plastisch sehen. Auf Zahl und Deutlichkeit der Gegenst\u00e4nde kann es nicht in der Hauptsache ankommen, weii der Gr\u00f6fseneindruck erhalten bleibt, sofern blofs Meereswellen oder Grasst\u00fccke der Steppe dazwischen liegen (Euler, Houzeau, Eginitis); aufserdem \u00e4ndert sich nichts, wenn der Mond in den Zweigen eines nahen Baumes aufgeht (Clapar\u00e8de). In den Kriegsjahren, welche die Luft so oft mit Fluggeschwadern, Ballons und Zeppelins schwarz anf\u00fcllten, verlor die Zenitrichtung ihre Leere, und doch konnte kein einziger Beobachter die Sonne im Zenit nun infolge der dazwischenliegenden Geschwader gr\u00f6fser sehen als sonst, obwohl \u2014 mir selber wenigstens \u2014 die Sonne dabei ferner schien. Den Ausschlag gibt die durch Objekte vermittelte Entfernung also sicher nicht (diese Ansicht ' ist \u00fcberhaupt aus dem Empirismus des Tiefensehens geboren); doch wird niemand ihre sekund\u00e4re Rolle f\u00fcr die grunds\u00e4tzlichen Tatsachen der scheinbaren Gr\u00f6fse g\u00e4nzlich ab bauen d\u00fcrfen, selbst wenn sie in unserem Beispiel nur minimal oder unwirksam sein sollte. Zum mindesten sind dazwischenliegende Objekte, die im roten Lichte deutlicher und gr\u00f6fser scheinen, \u00fcberaus wichtig. Es kommt aber auch auf die","page":298},{"file":"p0299.txt","language":"de","ocr_de":")\nDie besonderen Funktionen der roten Strahlen usw.\t29L)\nAuswertung der Objekte an; wer noch niemals eine Hochtour machte, der sieht die Bergesriesen in viel geringerer scheinbarer Grofse (Helmholtz, Baumker u. a.).\n5.\tEin minimaler Effekt erw\u00e4chst nach Gauss, Stroobant, Zoth und Guttmann daraus, dafs wir Abst\u00e4nde mit erhobenem Blick untersch\u00e4tzen, was Zoth mit Mechanismen der Augenmuskeln deutet. Unter Hinweis auf das AuBERTsche Ph\u00e4nomen und unsere dreifach m\u00f6gliche Lokalisation (Blick-, Kopf- und Standpunktskoordinaten), weiter darauf, dafs wir Blick- und Standpunkts-Raumwerte der Netzhaut zu unterscheiden haben1, schliefslich im Hinblick, dafs bei solchen Ver\u00e4nderungen der Blickebene Eindringlichkeits- und Farben\u00e4nderungen (im Zusammenhang mit unserem eingangs analysierten Hauptfaktor) statthaben k\u00f6nnen (Jaensch), m\u00f6chten wir eine entsprechende Erkl\u00e4rung auf dieser Linie offen halten. In allen m\u00f6glichen Kopf- und K\u00f6rperlagen erhielten Bourdon, Reimann, Clapar\u00e8de und Haenel freilich keine \u00c4nderung der scheinbaren Gr\u00f6fse. Aber zugegeben : ihr Ausmafs ist so winzig (nach Guttmann ungef\u00e4hr 1/si0, nach anderen etwas mehr), dafs es uns nicht weiter f\u00fchrt. \u00dcberrascht den Wanderer in den Vogesen oder im Schwarzwald pl\u00f6tzlich jenes Bild der Alpenkette hoch in den L\u00fcften, wobei der Fufs der schweizer Berge in 20\u00b0 \u00fcber dem Horizont beginnt, so sehen wir dieses Wunderspiel der optischen Erhebung gewifs mit erhobenem Blick, und doch gewahren wir es in Riesendimensionen, gegen welche die Kette vom Montblanc bis zum S\u00e4ntis uns nachher in ihrer wahren Lage winzig vorkommt.\n6.\tNach Vitello, Brandes, Helmholtz und Grijns entspringt die scheinbare Vergr\u00f6fserung einem Vergleich der Gestirne mit den Objekten des Horizontes; im Zenit fehlen alle Gegenst\u00e4nde und damit jeder Anlafs zur \u00dcbersch\u00e4tzung. Zun\u00e4chst erhellt nicht, warum der Vergleich die Horizontsonne gerade vergr\u00f6fsert, und warum sie dabei nicht verkleinert wird, zumal wenn wir sie an einem nahen Wolkenkratzer messen (Filehne). Dann wendeten sich le Cat, Euler, Eginitis, Zoth, Stroobant , Filehne , Reimann , Clapar\u00e8de und Haenel mit Experimenten gegen eine solche Auslegung. Vor allem vergr\u00f6fsert sich die Zenitsonne keineswegs, sobald wir sie in die\n1 G. E. M\u00fcller, \u00dcber das AuBERTsche Ph\u00e4nomen. Zeitschr. f. Physiol, d. Sinnesorg., 49, S. 109\u2014246. 1916.'","page":299},{"file":"p0300.txt","language":"de","ocr_de":"300\nH ans Henning.\nN\u00e4he von H\u00e4usern, T\u00fcrmen, Felsw\u00e4nden, B\u00e4umen, Zeppelins usw. bringen, welche doch einen Vergleich gestatten; ebenso beh\u00e4lt die Horizontsonne ihre Ausmessungen, wenn alle Vergleichsobjekte fortfallen. Indessen sollte man nicht so weit gehen, den Einflufs von Simultan- und Sukzessivvergleichen (von unserem Problem ganz abgesehen) f\u00fcr jede scheinbare Gr\u00f6fse abzulehnen, da alle Aussagen \u00fcber r\u00e4umliche Gr\u00f6fsen Vergleichsurteile sind (Schumann), und da der Vergleich unter terrestrischen Verh\u00e4ltnissen notorisch eine wesentliche Rolle spielt. \u00dcbrigens handelt es sich in den Experimenten mit Nachbildern, Kartonscheiben u. dgl. (Steoobant, Reimann, Clapar\u00e8de u. a.) um ausgesprochene Vergleiche. Unser Problem hebt sich aber grunds\u00e4tzlich von den allgemeinen Bedingungen der scheinbaren Gr\u00f6fse ab : anders wie alle anderen Gesichtsobjekte kennen wir die Gestirne nur aus der Ferne, und niemals sahen wir sie aus der N\u00e4he. Gewisse Formen des Vergleichs sind deshalb bei den Gestirnen ausgeschlossen.\n7.\tFerner sind Versuche fehlgeschlagen, auf dem peripheren Sehen (Bourdon) oder auf einer beim Kopferheben angeblich durch Schwerkraft bedingten Linsen\u00e4nderung (Schaeberle) aufzubauen, ferner die Ansicht, dafs spitze, horizontalw\u00e4rts sich \u00f6ffnende Winkel zu klein, und solche, die sich in vertikaler Richtung \u00f6ffnen, zu grofs gesch\u00e4tzt werden (v. Zehender), was \u00fcbrigens bestenfalls kaum etwas ausmacht.\n8.\tNach Gassendi, Walker und Stroobant erweitert sich die Pupille beim Blick auf die lichtschwachen Horizontsterne, und sie kontrahiert sich beim Sehen der helleren Sterne im Zenit; bei erweiterter Pupille sei aber das Netzhautbild gr\u00f6fser als bei verengerter. Diese letzte Aufstellung ist nach der einschl\u00e4gigen Optik sicher falsch, auch w\u00e4chst die untergehende Sonne nicht bei Vorgesetztem Rauchglas, welches das Bild doch lichtschw\u00e4cher macht (Molyneux, Eginitis), und der Neumond \u00fcbertrifft den Vollmond keineswegs (Lechalas).\nIn anderer Hinsicht m\u00fcssen wir hier aber einiges \u00fcber die Lichtst\u00e4rke anmerken.1 Beim Blinzeln verkleinert- sich das Objekt bei gleicher Winkelgr\u00f6fse scheinbar. ,Physikalisch betrachtet ist dann die Eintritts\u00f6ffnung des Auges nicht mehr rund, sondern bestimmte\n1 O. Wiedersheim, Die Bedeutung des Blinzelns f\u00fcr das Sehen des Malers. Klin. Monatsbl. f. Augenheilk. 59, S. 654\u2014657.\t1917.","page":300},{"file":"p0301.txt","language":"de","ocr_de":"Die besonderen Funktionen der roten Strahlen usic.\n301\nPupillensegmente werden von den Lidr\u00e4ndern \u00fcberdeckt, so dafs weniger Licht eintritt. Zweitens melden sich Beugungserscheinungen infolge der Spaltbildung und des Beugungsgitters der Wimpern, wonach farbige Strahlenb\u00fcschel am Objekt erscheinen. Ersteres verringert die Helligkeit des Bildes, letzteres zerstreut das Licht und l\u00e4fst nur die Hauptkontraste auf Kosten der feineren bestehen. Im Ganzen \u2014 zumal eine genaue Akkommodation nicht gew\u00e4hrleistet ist \u2014 wird die Zeichnung unscharf, die stereoskopische K\u00f6rperlichkeit geht zur\u00fcck, und die gebeugten Lichtstrahlen legen einen grauen Schleier vor das etwas fl\u00e4chenhaftere, aber in seinen Farbeneffekten einheitlichere und reinere Bild, was sich durch \u00dcberschatten der Augen mit der Hand beseitigen l\u00e4fst. Ein vorgesetztes engmaschiges Drahtgitter, Gaze oder I lor-gewebe rufen denselben Erfolg hervor. Da wir die blendende Sonne meist blinzelnd beobachten, wird sie sich dadurch etwas verkleinern m\u00fcssen, doch ist dieser Effekt zu klein, um im ganzen Problem den Ausschlag zu geben.\nMan wird nun einwenden: ersichtlich h\u00e4ngt die scheinbare Gr\u00f6fse hier mit der Helligkeit zusammen. Nun ist die Zenitsonne lichtst\u00e4rker und gegen Abend erfolgt eine Helligkeitsabnahme; m\u00fcfste die lichtschw\u00e4chere Horizontsonne \u2014 zumal aufserdem noch die Irradiation fortf\u00e4llt \u2014 nicht umgekehrt kleiner erscheinen? Diesen naheliegenden Einwand haben wir schon entkr\u00e4ftet: wohl besitzt die Horizontsonne nicht jene Leuchtkraft und Lichtmenge der Mittagssonne, trotzdem k\u00f6nnen sich die Bedingungen des Zenits an Reichtum des roten Lichtes nicht mit denen des Horizontes messen. Die Bedeutung der roten Strahlen tritt also auch in dieser Hinsicht wieder hervor. Schw\u00e4chen wir indessen das rote Licht der Abendsonne durch Vorgesetzte Filter, dann wird sie tats\u00e4chlich kleiner, sofern die Versuchskonstellation nicht andere vergr\u00f6fsernde Momente ins Spiel setzt, auf welche wir bei den Tubusexperimenten noch zu sprechen kommen. Bei den engen Zusammenh\u00e4ngen zwischen Lichtst\u00e4rke, Deutlichkeit und Tiefe, scheinbarer Gr\u00f6fse und Beleuchtung erwachsen aber demjenigen un\u00fcbersteigbare Schwierigkeiten, welcher die angegebene Rolle des roten Lichtes nicht an erste Stelle r\u00fcckt.\n9. Schlielslich suchte Clapar\u00e8de die ganze Erscheinung auf einen rein psychologischen Faktor zur\u00fcckzuf\u00fchren: beim Aufgang erweckt der Mond die T\u00e4uschung, als sei er ein irdisches","page":301},{"file":"p0302.txt","language":"de","ocr_de":"/\n302\tHans Herming.\nObjekt (etwa ein roter Lampion oder eine enorme Bogenlampe m grofser N\u00e4he) : als solcher fessele er unser Interesse st\u00e4rker, wie schon Blondel und Mayr angedeutet hatten. Derartige Illusionen verm\u00f6gen fraglos den Eindruck riesiger Dimensionen hervorzurufen, wie wir auch in den Alpen den aufgehenden Jupiter einmal als riesige Bogenlampe sahen; Bourdon betonte \u00c4hnliches. Sicher geht die Gr\u00d6fse zur\u00fcck, wenn die Illusion sich verfl\u00fcchtigt. Erscheint der Mond nun immer noch grofser als im Zenit, so liegt das nach Clapar\u00e8de daran, dafs terrestrische Erscheinungen uns mehr interessieren. Interesse, Aufmerksamkeit, Staunen, Erschrecken und andere Affekte wirken in der Tat wie wir aus der Ged\u00e4chtnispsychologie (\u201eaffektive Umbildung\u201c) und aus der psychologischen Optik wissen, oft vergr\u00f6fsernd. f reilich herrscht h\u00e4ufig weder der Eindruck eines terrestrischen Objektes, zumal bei den Unterg\u00e4ngen, noch Interesse oder Affekt, und doch bleibt der Mond grofs (Pierce, A. M\u00fcller, Haenel). Umgekehit interessiert sich der Astronom, der Meteorologe, der Meeresfahier, dei Aviatiker, der impressionistische FreilichtmaLer oder der Naturfreund brennend f\u00fcr den Himmel, ohne dafs die Gestirne im Zenit anw\u00fcchsen. Die vielen Autoren, welche f\u00fcr unsei vorliegendes Problem ein gespanntes Interesse zeigten, sehen den Mond deswegen doch nicht grofser, sondern eher geht die scheinbare Gr\u00f6fse dabei sogar zur\u00fcck. Erschreckt und erstaunt uns ein Gestirn von oben (z. B. die pl\u00f6tzlich durch Nebel brechende Sonne, Beimann), so bleibt es doch klein. Die ver-gi\u00f6fsernde Bolle der Aufmerksamkeit beschr\u00e4nkt sich sinnes-psychologisch keineswegs auf den Horizont, sondern ebenso w\u00e4chst das Jlugzeug hoch im Zenit. Man beobachte nur einen bunten Kinderballon, den man in die L\u00fcfte steigen l\u00e4fst, mit besonderer Aufmerksamkeitskonzentration: die Erscheinung ist geiaciezu fiappant. In den allermeisten F\u00e4llen des Mondaufganges veischwimmt der dunstige dunkle Horizont in den Himmel oder die Wolken, so dafs der Unterschied zwischen terrestrisch und coelestisch fortf\u00e4llt. Clapar\u00e8des systematische Experimente beweisen zudem die Ihese nicht; einmal projiziert er eine Siegeloblate an einer Glasscheibe monokular auf den Horizont, wo sie nat\u00fcrlich riesenhaft erscheint, weil sie viel bekannten Hinter-giund verdeckt, mit zunehmender Elevation wurde sie geringer. Abgesehen davon, dafs Projektionen in unserer Frage nichts beweisen, kann die Fliege am Fenster bekanntlich als gr\u00f6fse","page":302},{"file":"p0303.txt","language":"de","ocr_de":"Die besonderen Funktionen der roten Strahlen tisw.\n303\nKatze auf hohem Dach und das St\u00e4ubchen am Fernrohr gar als riesenhafter Zeppelin in h\u00f6chster Zenith\u00f6he erscheinen; der Vorzug des Horizontes geht hier also verloren. Noch bedenklicher ist, dafs die Erscheinung sich nicht nur auf die freie Natur bezieht, sondern auch auf kleine Abbildungen und Photographien. Clapar\u00e8de bildet (a. a. O. S. 142) eine Zeichnung ab, welche gleich grofs sowohl einen Mond am Horizont, als einen zweiten im Zenit enth\u00e4lt. Obgleich die kleine Abbildung auf meinem Tische liegt, soll sie nur zur H\u00e4lfte \u201eterrestrisches Objekt\" sein, ebenso die gerahmten Landschaftsbilder an meiner Wand. Hier handelt es sich nicht mehr um Sinneserlebnisse, sondern um blofse Vorstellungen und vage Spekulationen, mit welchen wir an das Bild herantreten. Eine neue Schwierigkeit bilden dann die quantitativen Verh\u00e4ltnisse der Farbe usw. Unsere Nachpr\u00fcfung konnte die vergr\u00f6fsernde Wirkung von Interesse und Affekt nur in vereinzelten F\u00e4llen und hier nur f\u00fcr eine geringe Gr\u00f6fsenausmessung, nicht als Ursache der ganzen Erscheinung nachweisen. Sicher ist dieser Faktor aber namentlich f\u00fcr Kinder sehr wichtig.\nIII. Tubus- und Rauchghisversuclie.\n1. Seit alters betrachtete man den Untergang auch durch einen Tubus, der nur das Gestirn ohne die umgebende Landschaft sichtbar werden l\u00e4fst. Manche Beobachter sahen Sonne und Mond trotzdem in alter Gr\u00f6fse (le Cat, Euler, Brandes u. a.), bei anderen verkleinerten sie sich (Go\u00fcye, Malebranche \u2014 der aber bei blofser Verdeckung der Umgebung, was doch dasselbe ist, keine Verkleinerung feststellte, so dafs bei ihm irgend ein willk\u00fcrlicher Faktor mitspielt \u2014 und Biot). Ohne neue Experimente wurden je nachdem die ersteren oder letzteren h\u00e4ufig als St\u00fctze der eigenen Theorie herangezogen. Sicher ist, dafs manche Beobachter das Erlebnis der Verkleinerung, andere den Eindruck gleicher Gr\u00f6fse haben. Mit Tubus versuchen l\u00e4fst sich somit nichts beweisen; \u00fcbrigens f\u00e4llt die Betrachtung der Leuchtlinie beim AuBERTschen Ph\u00e4nomen mit und ohne Guckrohr ebenso zwiesp\u00e4ltig aus (G. E. M\u00fcller). ,\nZun\u00e4chst kann die monokulare Betrachtung eine geringere Verkleinerung mitf\u00fchren (Hess, v. Zehender, Clapar\u00e8de); ebenso wissen wir jedoch, dafs eine Beobachtung durch blofse Rohre","page":303},{"file":"p0304.txt","language":"de","ocr_de":"304\nHans Henning.\n\nohne Gl\u00e4ser innerhalb gewisser atmosph\u00e4rischer Verh\u00e4ltnisse die gesehenen Objekte verdeutlichen, k\u00f6rperlicher machen und etwas vergr\u00f6fsern mag, weshalb die antiken Seefahrer solche Rohre als Fernrohre benutzten. Neuerdings empfahl Zoth sie wieder als einfaches \u201ePlastoskop\u201c.\nWas stellt der Tubus in unserem Fall eigentlich vor? Er gibt ann\u00e4hernd die Bedingungen der Dunkeltonne: wir blicken durch ein dunkles Rohr auf den Mond oder die Sonne, wie auf die Farbscheibe in der Tonne. Diese treten, wie erw\u00e4hnt, infolge der Eindringlichkeit der roten Farbe nun r\u00e4umlich hervor, oder andere Erfolge der Eindringlichkeit laufen ab. Das Grofsbleiben. des Gestirnes bietet bei der starken r\u00e4umlichen Ann\u00e4herung keine R\u00e4tsel. Wie stark sich die rote Scheibe unserer Aufmerksamkeit aufdr\u00e4ngt, das h\u00e4ngt erstens vom Grad der R\u00f6te, zweitens von der Lichtst\u00e4rke ab, drittens davon, wieviel Himmelsfl\u00e4che aufser der Sonnenscheibe sichtbar ist; denn je mehr Umgebung gesehen wird, desto mehr dr\u00e4ngt auch diese sich unserer Aufmerksamkeit auf Kosten der Scheibe auf, welche dann weniger hervortritt. Viertens kommt in Betracht, wTie sehr die rote Scheibe durch den vom Rohrinnern und der Feldumgebung erregten Helligkeitskontrast gehoben wird, was je nachdem ganz andere Effekte des Hervortretens bedingt. Schliefs-lich darf man im Sinne unserer fr\u00fcheren Ausf\u00fchrungen leugnen, dafs \u00fcberhaupt eine vergleichbare Situation zur freien Sicht vorliegt. Die einzelnen Faktoren lassen sich mit verschieden langen und weiten Rohren aus schwarzem Blech, Milchglas und rotem Glas oder Film schlagend zutage f\u00f6rdern. Wie alle Aufmerksamkeitserscheinungen sind auch diese individuell recht verschieden; ja sie m\u00f6gen ganz ausbleiben. Im letzteren (auch an der Dunkeltonne m\u00f6glichen) Fall mufs die Sonne kleiner erscheinen als sonst, weil alle \u00fcbrigen Motive ausgeschaltet wurden.\nDer Tubus n\u00e4hert sich zweitens den Bedingungen des bekannten Reduktionsschirmes, der alle Oberfl\u00e4chenfarben in Fl\u00e4chenfarben \u00fcberf\u00fchrt. Ist der Ausschnitt des Tubus sehr grofs, dann wird die reduzierende Wirkung nicht voll ins Spiel treten; ist er aber sehr lang und sein Ausschnitt genau so grofs wie die Sonnenscheibe, dann wird diese als ausgepr\u00e4gte Fl\u00e4chenfarbe wie ein Deckel unser Rohr abschliefsen. Je nach den einzelnen Ausmessungen des Tubus kann die Sonnenscheibe also","page":304},{"file":"p0305.txt","language":"de","ocr_de":"Die besonderen Funktionen der roten Strahlen usw.\n305\n50 cm oder 50 km weit erscheinen, was wieder verschiedenerlei Auslegungen gestattet.\n2. Nun die Rauchgl\u00e4ser. Das Bild wird durch Glas etwas zur Seite gebrochen; manche Beobachter erfahren durch die ver\u00e4nderte Konvergenzstellung und die damit verkoppelte unscharfe Akkommodation eine Beeintr\u00e4chtigung in der Sehsch\u00e4rfe und bekanntlich auch im Tiefenbetrag, andere \u2014 zu denen ich selbst geh\u00f6re \u2014 aber nicht. Leider sind die meisten Farbplatten recht dick, so dafs die Lichtbrechung schwerer ins Gewicht f\u00e4llt; dazu kommt ein zweiter Nachteil, dafs die Verdeckung oder Ausl\u00f6schung der Landschaftsobjekte gar keine Kontrolle und Korrektur der fehlerhaft gewordenen Akkommodation gestattet. Unter solchen Umst\u00e4nden haben wir mannigfaltige individuelle Unterschiede zu gew\u00e4rtigen, und in der Tat melden Malebkanche, Molyneux, Eginitis, Stroobant, Zoth und Reimann ein Gleichbleiben, Filehne und Clapar\u00e8de eine Verkleinerung. Dazu treten die Faktoren des Blinzelns beim Vergleich w\u00e4hrend der direkten Betrachtung, die Irradiation usw.\nRauchglas stellt eine durchsichtige Fl\u00e4chenfarbe dar. Die Gestirne werden, da sie selber fl\u00e4chenhaft sind, in ihrer Lokalisation dann beeinflufst. Bei freier Sicht gleicht sich die Lokalisation des Gestirns (wie jeder Fl\u00e4chenfarbe) an die Landschaft und an den Himmelsuntergrund an, nat\u00fcrlich ohne an letzterem zu kleben ; Landschaft und Himmel schalten wir durch das Rauchglas aus, damit auch die angleichende Tendenz. Nach dieser Losl\u00f6sung mag die Sonnenscheibe hervortreten oder aber anderen Lokalisationsmotiven zum Opfer fallen. Sie kann um so mehr hervorkommen, als f\u00fcr Rauchgl\u00e4ser alles gilt, was wir eben vom Tubus sagten. Vor allem wird die Sonnenscheibe infolge der Eindringlichkeit der roten Farbe (die in den meisten Rauchgl\u00e4sern noch r\u00f6ter wird) aus dem Grau des \u00fcbrigen Gesichtsfeldes genau so wie in der Dunkeltonne hervorkommen, ohne dafs dies bei allen Beobachtern (wie bei der Dunkeltonne) unbedingt eintreten miifste. Behalten wir die ersteren im Auge : die durch die roten Strahlungen hervorgerufene Verdeutlichung und Vergr\u00f6fserung der Horizontgegenst\u00e4nde wird durch das Rauchglas ganz oder teilweise aufgehoben, daf\u00fcr kommt die Sonne nach ihrer Losl\u00f6sung von angleichenden Lokalisationstendenzen jedoch infolge der Eindringlichkeit n\u00e4her an uns\nZeitsehr. f. Sinnesphysiol. 50.\n22","page":305},{"file":"p0306.txt","language":"de","ocr_de":"306\nHans Henning.\nheran. Das Ergebnis der beiden gegenteiligen Momente ist, dafs sie gleich grofs bleibt. F\u00fcr die zweite Klasse von Beobachtern, bei welchen die Eindringlichkeit auch sonst nicht ins Gewicht f\u00e4llt, mufs die Scheibe nat\u00fcrlich schrumpfen.\nWeiter wissen wir, dafs durchsichtige Fl\u00e4chenfarben (hier das Rauchglas) mit raumabschliefsenden Fl\u00e4chenfarben (hier der Sonnenscheibe und dem Himmel) der Farbe nach verschmelzen,, und davon wird auch die Lokalisation betroffen: bei Akkommodation auf den Himmel, den wir durch ein mittleres Rauchglas betrachten, kommt dieser n\u00e4her an uns heran (Katz). Ein solches N\u00e4herkommen vermag wieder Beeintr\u00e4chtigungen (Verluste infolge verringerter Lichtst\u00e4rke, infolge der ausgeschalteten Verdeutlichung von Horizontgegenst\u00e4nden durch rotes Licht,. Abbr\u00fcche am Tiefenbetrag usw.) zu kompensieren; es mag aber auch hinter den Effekten der unterbundenen Motive zur\u00fcckstehen. Je nachdem kann also die scheinbare Gr\u00f6fse sich gleichbleiben oder geringer aasfallen. Nat\u00fcrlich kommt es sehr auf die einzelnen Bedingungen an: die Dicke des Rufses, die Dichte der Farbplatte, ihre Rotdurchl\u00e4ssigkeit, Helligkeit und Kontrastwirkung, die Genauigkeit der Akkommodation usw. Durch Variation dieser Faktoren lassen sich ebenso Ann\u00e4herungen wie Entfernungen der Sonne, ein Gleichbleiben wie ein Verkleinern hervorrufen.\n3. Mit Farbfiltern, welche aufser dem Gestirn noch Umgebungsteile der Sicht freigeben, stofsen wir auf schier unentwirrbare Verh\u00e4ltnisse. Auf gleicher Linie stehen nat\u00fcrlich Rauch- oder Rufsgl\u00e4ser, welche etwas Himmel oder Landschaft durchlassen, ebenso Dunst, Rauch und Nebel, die nicht das ganze Gesichtsfeld undurchdringlich ausf\u00fcllen. Denn hier spielt unsere F\u00e4higkeit mit, Beleuchtetes von der Beleuchtung zu scheiden, sowie der Eindruck einer ver\u00e4nderten Beleuchtung bei Variation der wahren und scheinbaren Gr\u00f6fse (die beiden Feldgr\u00f6fsens\u00e4tze von Katzj.\nBeim Vorsetzen farbiger Gl\u00e4ser begegnen wir weiter interessanten Eindr\u00fccken. Betrachtet man die Landschaft nacheinander durch Gl\u00e4ser von verschiedenem Farben ton unter Wahrung gleicher Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnisse, so scheint die Beleuchtung der Land-schaft allemal einer anderen Tageszeit zu entsprechen. Um 12 Uhr mittags kann eine r\u00f6tlichgelbe Brille","page":306},{"file":"p0307.txt","language":"de","ocr_de":"Die besonderen Funktionen der roten Strahlen usw.\n307\nuns den frappanten Eindruck vermitteln, es sei 3 Uhr nachmittags, eine hellblaue Brille aber, es sei erst 10 Uhr morgens. Solche Erscheinungen, die besonders beim Tragen von Gletscherbrillen (unter Wahrung der Adaptationsumst\u00e4nde) und beim\n\u2022 \u2022\nnat\u00fcrlichen Betrachten von \u00d6lbildern deutlich werden, sucht die k\u00fcnstlerische Photographie durch Verwendung von Papieren, welche leise Farbent\u00f6ne besitzen, ihrerseits nutzbar zu machen.\nIY. Subjektive Beeinflussung des Ph\u00e4nomens.\nSchliefslich bleiben noch verschiedene, rein subjektive Momente zu er\u00f6rtern. Wir halten uns zun\u00e4chst an das PANUMsche Ph\u00e4nomen \\ das sieh ja nicht auf die bekannte Kombination mit Linien beschr\u00e4nkt, sondern auch Anordnungen mit Kreisen einbegreift, wo sich zeigte, dafs nicht bei allen Beobachtern s\u00e4mtliche Motive ansprechen, vielmehr ausgepr\u00e4gte individuelle Unterschiede auf treten.\n1. Bei vielen Beobachtern h\u00e4ngt es lediglich von der W ill-k\u00fcr ab, ob sie den Strich oder Kreis vorne oder hinten sehen. Bei ihnen gen\u00fcgt die Vorstellung \u201edie Scheibe k\u00f6nnte vorne resp. hinten stehen\u201c, um sie schon an diesem Orte zu erblicken. Aus Anlage sind bei solchen Personen die rein zentral ausgel\u00f6sten Motive viel st\u00e4rker als die peripherisch erregten, wobei die zentralen Faktoren eine besondere Labilit\u00e4t aufweisen. Man stiefs auch anderw\u00e4rts auf Unterschiede zwischen vorwiegenden \u201eRindensehern\u201c und \u201eNetzhautsehern\u201c ; ja in der Malerei erhoben sich dessentwegen scharfe K\u00e4mpfe. Diese Macht der Willk\u00fcr entspringt h\u00e4ufig auch einer \u00dcbung, z. B. bei denjenigen, welche sich oft bem\u00fchten, ein und dasselbe Objekt einmal richtig, hernach invertiert zu erblicken. Meine Versuchspersonen von diesem Typus vermochten Sonne und Mond willk\u00fcrlich anzun\u00e4hern oder zu entfernen; es war ihnen ein Leichtes, den Abendstern auf halbe Distanz heranzuholen, w\u00e4hrend Jupiter gleichzeitig am alten Orte blieb, und Clapar\u00e8des erw\u00e4hntes Bild konnten sie beliebig auswerten. Solche Effekte der Willk\u00fcr k\u00f6nnen infolge Einstellung oder Perseveration unvermerkt zur zwangsm\u00e4fsigen Gewohnheit werden.\n1 Hans Henning, Das Panumsche Ph\u00e4nomen. Zeitschr. f. Psychol. 70. S. 399ff. 1915. \u2014 Herings Theorie des Tiefesehens, das Panumsche Ph\u00e4nomen\nund die Doppelfunktion. Fortsehr. d. Psychol. 5, -S. 158 ff. 1918.\n22*","page":307},{"file":"p0308.txt","language":"de","ocr_de":"Hans Henning.\n308\n2.\tMitunter treten noch besondere Vorste llungen hinzu, die im gleichen Sinne wirken, z. B. ein Lampion, eine gl\u00fchende Bombe, ein beleuchteter Zeppelin. Kurz : was Clapar\u00e8de als unwillk\u00fcrlichen Prozefs beschrieb (der Mond als Bogenlampe), dafs l\u00e4fst sich auch willk\u00fcrlich mit gleichem Erfolge hineinsehen oder doch durch Simultan- oder Sukzessivvergleich hineinbringen. \u00d6fters erscheint die untergehende Sonne nicht als flache Scheibe, sondern als gew\u00f6lbte Kalotte ; zu einem \u00e4hnlichen Eindruck geben einige Mondphasen Anlafs.\n3.\tF\u00fcr manche Beobachter spielt die Eindringlichkeit, die ja ein r\u00e4umliches N\u00e4hertreten des sich aufdr\u00e4ngenden Objektes bedingt, bei den PANUMschen Kreisen \u00fcberhaupt nicht auf, anderen ist sie die alleinige Ursache des r\u00e4umlichen Effektes. Mit dem Hervortreten der roten eindringlichen Scheibe fanden wir das Gleiche.\n4.\tEbenso ist bekannt, dal's der G 1 anz Tiefenbetr\u00e4ge genau wie die Eindringlichkeit bedingen kann. Es sei ferner an Machs Ergebnis erinnert : \u201edie Helligkeitsdifferenzen verwandeln sich teilweise in Tiefendifferenzen und werden selbst dabei schw\u00e4cher. Auf Kosten der Tiefendifferenzen k\u00f6nnen umgekehrt die Helligkeitsdifferenzen vergr\u00f6fsert werden.\" Dieser mit uns auch angetroffene Fall gibt der Willk\u00fcr ein neues Bet\u00e4tigungsfeld.\n5.\tNach allem Gesagten er\u00fcbrigt es sich fast, den Tribut der'Suggestion aufzuweisen. Besonders sch\u00f6n l\u00e4fst er sich an Clapar\u00e8res Figur studieren. Aber von Zehender und A. M\u00fcller zeigten auch, dafs Reimanns Beobachter bestimmten Suggestionen unterlagen.\n6.\tWie jede T\u00e4uschung, so geht die unsrige mitunter durch ein besonderes W is sen um die einschl\u00e4gigen naturwissenschaftlichen Gesetze zur\u00fcck, ja Voreingenommenheiten bleiben manchmal nicht einflufslos.\n7.\tDafs h\u00e4ufige Wiederholungen das Ausmafs der T\u00e4uschungen verringern, ist allbekannt. Ebenso dafs die nat\u00fcrliche ungezwungene Betrachtung auf anderer Stufe wie die gezwungene steht.\n8.\tWeiter treten alle sekund\u00e4ren Faktoren hinzu, welche sich auf den Hintergrund beziehen, so \u00fcbersch\u00e4tzen viele Unge\u00fcbte und Kinder die Gr\u00f6fse ferner Objekte, was sich auch an ihren Zeichnungen erweist.","page":308},{"file":"p0309.txt","language":"de","ocr_de":"Die besonderen Funktionen der roten Strahlen usw.\t309\n9.\tNicht immer braucht das Gleiche herauszukommen, wenn man sich einmal auf den\u2018sogenannten absoluten Eindruck st\u00fctzt (d. h. auf den Eindruck, welchen das Sehding isoliert genommen, ohne Gr\u00f6fsenvergleich mit bestimmten vor oder nach ihm gesehenen Objekten macht), ob man einen NebenvergleicIn hinzunimmt, oder ob man sich \u00fcberhaupt auf einen S imult an -oder Sukzessiv vergleich st\u00fctzt. Und hier ist die Gr\u00f6fse, Art, Entfernung und Beleuchtung Deutlichkeit, und Bekanntheit des Vergleichsobjektes (M\u00fcnze, Pappkreis, Spiegelbild, Nachbild, Wagenrad, Gr\u00f6fsenvorstellung einer undeutlichen Fl\u00e4che usw.) nicht belanglos.\nIm absoluten Eindruck sieht von Keies den Hauptfaktor unserer Erscheinung, doch liefs er noch offen, warum er f\u00fcr den Horizont gr\u00f6fser ist als f\u00fcr den Zenit, und w7ie er sich ausbildete; er taxiert ihn auf 20 resp. 30\u201435 cm Durchmesser. Unter meinen Versuchspersonen schwankte der absolute Eindruck zwischen einem halben Zentimeter und einem Meter ; Erfahrungen \u00fcben doch wohl einen Einflufs darauf aus.\n10.\tSchliefslich \u2014 und hier fassen wir ein Kernproblem --kommt es nicht nur auf die an der Peripherie ausgel\u00f6ste und zum Zentrum geleitete Reizkomponente (den Empfindungsbestandteil der Wahrnehmung) an, sondern auch auf die im Zentralorgan hinzutretende Residualkomponente (welche die Auffassung bedingt). Wissen wir doch, dafs unser Erlebnis dem Reiz nicht ad\u00e4quat ist, dafs vielmehr Grofshirnfaktoren umgestaltend eingreif en. Im Alltag sehen wir, wie Heeino in schlagenden Versuchen dartat, durch die Brille unserer Ged\u00e4chtnisfarben; unter ungew\u00f6hnlichen Beleuchtungsverh\u00e4ltnissen erscheint das Objekt, wie wir es gew\u00f6hnlich sehen. In ungewohnten Umst\u00e4nden (z. B. Betrachtung der untergehenden Sonne durch einen Tubus, durch ein Rauchglas, bei verdecktem Horizont usw.) wird in der Regel doch das altgewohnte Residuensystem der Wahrnehmung ansprechen. Dies ist stets der Fall, wenn im Erlebnis die Bekanntheitsqualit\u00e4t vorhanden ist; meldet sich im Eindruck die Qualit\u00e4t der Unbekanntheit, so fiel die Residuen Wirkung teilweise oder ganz aus, und stofsen wir auf die Fremdheitsqualit\u00e4t (mit \u00dcberraschung und Stutzen), so sind ^ wir sicher, dafs das alte Residuensystem zwar in der ungewohnten Situation in T\u00e4tigkeit trat, dafs es aber zum mindesten mit einigen Partialresiduen nicht pafste. Ebenso mag nat\u00fcrlich beim Blick durch den Tubus","page":309},{"file":"p0310.txt","language":"de","ocr_de":"310\nHans Henning.\ngleichwohl der bisherige absolute Eindruck, der aus langer Erfahrung festgewordene Faktor des Simultanvergleichs, die \u00fcbliche Einstellung usw. am Werke sein.\nDas Residuensvstem setzt sich aus vielen Partialresiduen (Form, Farbe usw.) zusammen1; die ganze Sinneserfahrung und das Vorleben finden hier ihren Niederschlag. Eigentlich m\u00fcfste man also wissen, unter welchen Konstellationen sich das Residuensystem des Beobachters bildete. Das Eine ist jedenfalls sicher, dafs dabei viele vergr\u00f6fsernde Tendenzen im Spiele waren. Denken wir nur an die Kindheit: alle Abbildungen von Sonne. Mond und Sternen in den Bilderb\u00fcchern der Kinder sind enorm zu grofs, etwa 20\u2014 1000 mal vergr\u00f6fsert (das Sonnengesicht, der Mann im Mond, sechsstrahlige Sterne, entsprechende Wirtshausschilde und Objekte), und ein Gleiches trifft die Kindheitsjahre der Menschheit (der griechische Sonnenwagen, der \u00e4gyptische Nachen, verwandte Gebilde der Naturv\u00f6lker). Tats\u00e4chlich sehen Kinder Sonne und Mond auch in gewaltiger scheinbarer Gr\u00f6fse. Bereits bei der Auffassung liegt also eine Tendenz zum Ver-gr\u00f6fsern vor, die bei Kindern noch durch die bekannten affektiven Momente verst\u00e4rkt wird. Alles weist durchaus daraufhin, dafs das f\u00fcr die Wahrnehmung der Gestirne vorhandene Residuensystem von Anbeginn auf zu grofse Ausmessungen angelegt wird.\nAll das macht die betr\u00e4chtlichen individuellen Unterschiede ohne weiteres begreiflich. So ist f\u00fcr von Kries die Sonne im Horizont \u00e4ndert halbm al gr\u00f6fser, Huyghens und Stroobant sahen die Sonne im Horizont verdoppelt, Reumann verdreifacht, A. M\u00fcller verf\u00fcnffacht, Molynecx verzehnfacht, Loga n mitunter vier zehnmal vergr\u00f6fsert. Ihren Ver\u00f6ffentlichungen l\u00e4fst sich unschwer entnehmen, dafs die genannten sekund\u00e4ren Motive bei ihnen allen \u2014 wie bei anderen Autoren \u2014 nicht in gleicher Weise Ansprachen. Statt einer Polemik empfiehlt sich deshalb eine Analyse, welche sekund\u00e4ren Momente jeweils im Spiele sind und welche nicht; setzt man das in Rechnung, so verschwinden alle \u00dc nstim migkeiten.\n1 Vgl. Hans Henning, Versuche \u00fcber die Residuen. Zeitschrift f\u00fcr Psychol. TS, S. 198- 269.\t1917.","page":310}],"identifier":"lit33663","issued":"1919","language":"de","pages":"275-310","startpages":"275","title":"Die besonderen Funktionen der roten Strahlen bei der scheinbaren Gr\u00f6\u00dfe von Sonne und Mond am Horizont, ihr Zusammenhang mit dem Aubert-F\u00f6rsterschen und Kosterschen Ph\u00e4nomenen und verwandte Beleuchtungsprobleme","type":"Journal Article","volume":"50"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:50:28.550818+00:00"}

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