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Weitere Untersuchungen über das Wesen des Fernsinns

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{"created":"2022-01-31T14:41:05.363918+00:00","id":"lit33664","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"W\u00f6lfflin, E.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 50: 311-318","fulltext":[{"file":"p0311.txt","language":"de","ocr_de":"31L\nWeitere Untersuchungen \u00fcber das Wesen des Fernsinns.1\nVon\nPrivatdozent Dr. med. E. W\u00f6lfflin (Basel).\nln Erg\u00e4nzung meiner letzten Arbeit (Zeitschr. /'. Phys. der Sinnesorgane, 1908, Bd. 43) habe ich eine Anzahl weiterer Untersuchungen vorgenommen, um die Frage nach dem Wesen des Fernsinns zu f\u00f6rdern. Vorerst m\u00f6chte ich erw\u00e4hnen, dafs ich meine Pr\u00fcfungsmethode, wie ich sie in der genannten Arbeit beschrieben, etwas abge\u00e4ndert habe. Einmal halte ich es fin dringend notwendig, die verschiedenen Probeobjekte m\u00f6glichst frei schwebend aufzuh\u00e4ngen ohne Anwendung irgendeines Statives. Denn eine noch so kleine Masse des Statives wird die Exaktheit der Fernsinnangaben nicht unwesentlich beeinflussen. Am besten ist es daher, die betreffenden Gegenst\u00e4nde an einem Strick, der von der Decke herunterh\u00e4ngt, zu befestigen. Ich habe mich entschlossen, den Schwellenwert des Fernsinns durch\n1 Ich bemerke, dafs ich in dieser Arbeit ebenso wie in meiner fi\u00fcheien den Namen Fern sinn als synonym mit Fern gef \u00fchl gebrauche zur Bezeichnung des sog. 6. Sinnes. Die bisher \u00fcbliche Bezeichnung bernsinn f\u00fci die Gesamtzahl aller Sinnesempfindungen anzuwenden, welche dem Blinden bei der Orientierung im Raume dienlich sind, halte ich f\u00fcr sehr ungeschickt.\nDenn der Gebrauch von 2 so \u00e4hnlich klingenden Namen wie Fernsinn und Ferngef\u00fchl zur Bezeichnung von 2 ganz verschiedenen Dingen ist sehr geeignet zur Verwechslung beider Begriffe zu f\u00fchren. Um den Einflufs der W\u00e4rme anzugeben, gebrauchen wir die beiden Ausdr\u00fccke: W\u00e4rmesinn und W\u00e4rmegef\u00fchl in vollkommen gleicher Weise. Um alle Sinnesempfindungen zusammenzufassen, deren sich der Blinde beim Bewegen im Freien bedingt, wendet man am besten den von Kunz eingef\u00fchrten Namen : Oiientierungs-vT er m\u00f6gen an. Wbrden diese 3 Namen in der eben angegebenen Wbise gebraucht, so d\u00fcrfte wohl am wenigsten eine Verwechslung Vorkommen und w\u00e4re dadurch ein f\u00fcr allemal eine einheitliche Bezeichnung geschaffen.","page":311},{"file":"p0312.txt","language":"de","ocr_de":"312\ndie Verschwindungs- und nicht mehr durch die Auftrittsschwelle auszudr\u00fccken. Die erstere Schwelle ist eben als ein Auf h\u00f6ren einer schon bestehenden Empfindung f\u00fcr den Blinden wie f\u00fcr den Sehenden viel exakter anzugeben als die Schwelle des Auftrittes, deren erstmaliges Erfassen durch verschiedene Umst\u00e4nde veiz\u00f6geit bzw. beschleunigt werden kann. AA as die Fl\u00e4chen-ausdehnung des Untersuchungsraumes betrifft, so halte ich es f\u00fcr \u00e4ufserst w\u00fcnschenswert, denselben so grofs wie nur irgend m\u00f6glich zu w\u00e4hlen. R\u00e4ume von 8 Uh 14 m Fl\u00e4cheninhalt gen\u00fcgen wohl zur Vornahme von Fernsinnuntersuchungen f\u00fcr Blinde mit einem mittleren Grad von Fernsinn. ..Feinf\u00fchlige\u201d Blinde aber weiden in einem solchen Raume durch die Wandn\u00e4he, die sie schon auf mehrere Meter Entfernung sp\u00fcren, allzuviel in ihren Angaben alteriert.\nDie Tatsache, dafs Blinde mit gut entwickeltem Ferngef\u00fchl eine gr\u00f6fsere Distanz f\u00fcr die Fernsinnempfindung angeben, wenn die Fl\u00e4che des betreffenden Gegenstandes sich vergr\u00f6\u00dfert l, legte den Gedanken nahe, zu untersuchen, wie das Ferngef\u00fchl sich \\erh\u00e4lt gegen\u00fcber einer Dickenzunahme des betreffenden K\u00f6rpers bei gleich grofser Oberfl\u00e4che. Sollten diese Versuche einen positiven Ausfall ergeben, so w\u00e4re damit die Annahme, dafs eine Massenanziehung in Betracht k\u00e4me, nicht fernliegend, indem eben einem st\u00e4rkeren Dickendurchmesser eines K\u00f6rpers ein piopoitional st\u00e4rker ausgesprochenes Ferngef\u00fchl entsprechen m\u00fcfste. Die A ersuche, die mit mehreren Blinden ausgef\u00fchrt wurden, fielen nun \u00fcbereinstimmend in der AVeise aus, dafs mit Zunahme der Dicke des fraglichen Objektes manchmal eine leichte Steigerung des Ferngef\u00fchles auftrat, die bei verschiedenen Gegenst\u00e4nden in verschieden rascher Weise erfolgte. Diese Zunahme w ai aber bei den meisten Objekten nur eine \u00e4ufserst gelinge, so dafs, obwohl im gegebenen Fall das Gewicht des betreffenden K\u00f6rpers -beispielsweise um das 3 fache stieg (also 300\u00b0/0), eine Fernsinnsteigerung von nur wenigen (ca. 5\u201410%) 1 rozenten beobachtet wurde. Alan kann also zwischen beiden Gr\u00f6lsen kaum ein Abh\u00e4ngigkeitsverh\u00e4ltnis erblicken. Auffallend war, wie bei den Versuchen mit Kartonbl\u00e4ttern bei einem Blinden\nEs sEE hierbei bei verschiedenen zur Untersuchung verwandten Objekten noch keine bestimmte Proportion zwischen beiden Gr\u00f6fsen teststellen lassen.","page":312},{"file":"p0313.txt","language":"de","ocr_de":"Weitere Untersuchungen \u00fcber das Wesen des Fernsinns.\n313'\neine nicht unbetr\u00e4chtliche Zunahme des Fernsinns zu konstatieren war.\nVersch windungsschwelle bei 1 Karton (115X85 cm) bei 2 m 50 cm (2 m\u2014cm1)\n\u00bb\t55\t3\t>5\t77\t77\t^\t77\t^\t\u201e\t(4\t20 Cffl)\n57\t77\t\u00d6\t77\t77\t^\t77\t20\t\u201e\t(5\t  \u201e\t).\n55\t57\t7\t57\t77\t77\t1\t77\tr\t(0\ty\t20 \u201e\t)\nBei dieser einen Versuchsperson hatte sich also bei 7 f\u00e2cher Dickenzunahme des Kartons eine Zunahme des Ferngef\u00fchls um ca. das 3 fache konstatieren lassen.\nEine durchschnittlich viel geringere Empfindungszunahme liefs sich f\u00fcr das spezifisch wesentlich schwerere FIolz nach weisem Auch hier m\u00f6gen einige Zahlen zur Illustrierung dienen.\nVerschwindungssch welle2 bei 1 Holztafel (70X70 cm)3 in 3 m 15 cm i4 m \u2014 cm)\n3 cm dick\n\n.. 3 .. 20\n4 ..\no\nO\n57 \u00b1 7- 10 , (4 .. 80 \u201e\nErst durch eine Verdreifachung der Tafel steigt der Wert f\u00fcr die Fernsinnschwelle wesentlich an. Ein gleiches Verhalten ist bei den in Klammern beigef\u00fcgten Auftrittschwellen zu konstatieren. Eigent\u00fcmlicherweise sind bei Holz die Verschwindungswerte durchgehends kleiner als die Auftrittschwellen, w\u00e4 bei Karton sich das entgegengesetzte Verhalten zeigte, weniger ausgesprochen fand ich bei meinen Versuchspersonen eine Fernsinnzunahme bei Verwendung von mehreren Eisen-platten, bei denen man unter der Voraussetzung, es handle sich um eine Massenanziehung, die h\u00f6chsten Zahlenwerte h\u00e4tte erwarten sollen. Eine Eisenplatte von 30 kg Gewicht wurde von der Versuchsperson erst in 1 m \u00f65 cm versp\u00fcrt, obwohl eine gleich grofse Holztafel, deren Gewicht ca. 8 mal geringer waiy schon in 3 m 15 cm empfunden wurde.\nVerschwindungssch welle bei 1 Eisenplatte bei 1 m 65 cm\n57 1 55 85 \u201e\n3\n1\tDie in Klammern beigef\u00fcgten Zahlen geben die jeweiligen Auftrittschwellen an. Dieselben liegen durchweg niedriger als die Verschwindungs-werte.\n2\tDieselbe wurde immer bei verstopften Ohren bestimmt.\n3\tIch habe die Gr\u00f6fse 70X70 cm gew\u00e4hlt, weil sie mir handlicher erschien als eine Brettgr\u00f6fse von IX1 na.","page":313},{"file":"p0314.txt","language":"de","ocr_de":"314\nK. Wolfflin.\nBei einem anderen Blinden lauten die 3 Werte : 1 m 20 cm, 1 m 20 cm, 1 m 45 cm. Der Fernsinn stieg also bei Eisen noch langsamer als bei Holz oder Karton bei entsprechender Dickenzunahme. Man mufs sich aber diesen Zahlen gegen\u00fcber sehr skeptisch verhalten. Wenn man n\u00e4mlich bei ein und demselben Blinden 10 Fernsinnversuche mit dem n\u00e4mlichen Objekt nacheinander ausf\u00fchrt, so erh\u00e4lt man gew\u00f6hnlich anfangs eine stetige Zunahme der Entfernungen, mit anderen Worten: die Schwellen sinken. Die ersten 2\u20143 Versuchs werte differieren meistens nicht wesentlich.\n1st nach ungef\u00e4hr 6\u20149 Versuchen das Maximum erreicht, so tritt eine leichte Abnahme der gefundenen Zahlen werte ein, die bei weiter fortgesetzten Versuchen auf der gleichen H\u00f6he sich erh\u00e4lt.\nBei dein feinf\u00fchligsten Blinden ergaben sich folgende Zahlen\n1. Y ersuch bei 4 m \u2014 cm Yerschwindungssch welle\n2.\ty\tr\t4\ty\t20\ty\ty\n3.\ty\t)*>\t4\ty\t60\ty\ty\n4.\t..\t..\t5\ty\t\u2014\ty\ty\n5.\ty\t\t\ty\t60\ty\ty\n6.\ty\tn\t5\ty,\t80\ty\ty\n7.\ty\tr\t6\ty\t\u2014\ty\ty\n8.\ty\t\t6\ty\t20\ty\ty\n9.\t\u00ce5\t\t7\ty\t\u2014\tV\t5*\n10.\ty\t\t6\ty\t\u2014\ty\ty\n11.\tJ5\tr,\t5\ty\t50\ty\ty\n12.\ty\t\u00bb\t6\ty\t\u2014\ty\ty\nEs gilt dies sowohl f\u00fcr die Auftritts- wie T\u00fcr die Vergeh windungsschwellen.\nEine Erkl\u00e4rung f\u00fcr die auffallend starke Zunahme der gefundenen Werte d\u00fcrfte wohl am ehesten gefunden werden in einer Steigerung der darauf gerichteten Aufmerksamkeit. Selbst bei einem noch so objektiv angebenden Blinden l\u00e4fst es sich nicht vermeiden, dafs bei mehreren in derselben Richtung ausgef\u00fchrten Versuchen eine unhewn (sie Entfernungssuggestion mitspielt, die wir niemals ganz ausschalten k\u00f6nnen.\nKunz f\u00fchrt seine Fernsinn versuche derart aus, dafs er den Blinden auf einem Stuhle sitzen l\u00e4fst und ihm die Hindernisse an Stangen bald von vorn, bald von der Seite seinem Gesichte n\u00e4hert. Dies hat allerdings den Vorteil, dafs der Blinde \u00fcber \u2022die Richtung, in der das Hindernis erscheint, vollkommen im","page":314},{"file":"p0315.txt","language":"de","ocr_de":"Weitere Untersuchungen \u00fcber das Wesen des Fernsinns.\n315\nUngewissen ist. Dagegen ist hierbei, ein anderer Nachteil vorhanden, n\u00e4mlich der, dafs nur relativ kleine Objekte Verwendung finden k\u00f6nnen, die von den Blinden viel unsicherer perzipiert werden als gr\u00f6fsere Hindernisse. Ich bin deshalb bei meiner fr\u00fcheren Untersuchungsmethode geblieben, wobei ich das st\u00f6rende Moment der gleichen Richtung dadurch beseitigte, dafs ich den B\u00fcnden von verschiedenen Beiten dem Hindernis sich n\u00e4hern liefs.\nGanz leichte Gegenst\u00e4nde wie seidene oder leinene T\u00fccher wurden in einer Gr\u00f6fse von 70X^0 cm nur ganz schwach gespurt, manchmal waren die Angaben hier ziemlich unsicher. Bei gleich grofser Oberfl\u00e4che spielt also das Material zweifellos eine gr\u00f6fse Rolle f\u00fcr den Fernsinn. Ich habe aufser mit Holz und Eisenplatten auch mit Zink und galvanischen Blechplatten gepr\u00fcft, wobei stets gewisse Differenzen der Schwellenwerte gefunden wurden, wenn man das arithmetische Mittel aus einigen Versuchen zog.\n'\"'Wurde eine doppelte Leinwandmaske um den Kopf des Blinden herumgebunden, so sank die Verschwindungsschwelle f\u00fcr 1 Eisenplatte auf 1 m (bei freiem Kopf 1 m 65 cm). Bei 2 hintereinander befindlichen Eisenplatten h\u00f6rte die Empfindung bei 1 m 10 cm auf und bei gleichzeitiger Benutzung einer 3 fachen Leinwandmaske sank der Verschwindungswert auf 90 cm. Diese nicht unwesentliche Herabsetzung des Fernsinns durch Umh\u00fcllung -der perzipierenden Fl\u00e4chen spricht m. E. ebenfalls gegen das Vorhandensein einer Massenanziehung, welche durch solche Leinwandmasken hindurch in ungeschw\u00e4chter Weise sich geltend machen m\u00fcfste, was bei meinen Versuchen nicht zutrifft.\nDie Fernempfindung wird dann am fr\u00fchesten angegeben, wenn die Oberfl\u00e4che des Hindernisses zur Fl\u00e4che des oberen Teiles der Stirne sich m\u00f6glichst parallel befindet. Es ist interessant zu beobachten, wie der Blinde, wenn er nahe an einem vertikal aufgeh\u00e4ngten Holzbrett steht, dasselbe viel besser f\u00fchlt, wenn es' etwas geneigt ist, so dafs es dann parallel zu den obersten Partien seiner Stirne h\u00e4ngt, die ja individuell mehr oder weniger stark zur\u00fcckgehen. L\u00e4fst man das Brett wieder in die senkrechte Lage zur\u00fcckfallen, so nimmt die St\u00e4rke der Empfindung ab. Blinde mit mittelm\u00e4fsig entwickeltem Fernsinn geben bei dieser Probe keinen Unterschied der Empfindung an.\n' Eine weitere Beobachtung sei hier noch erw\u00e4hnt. Wenn der","page":315},{"file":"p0316.txt","language":"de","ocr_de":"316\nE. W\u00f6l ff lin.\nbetreffende Blinde kurze Zeit etwas aufserhalb des Fernsinnschwellenwertes sich aufhielt, so fing er allm\u00e4hlich wieder an, die Fernempfindung zu versp\u00fcren. Ich glaube diese Erscheinung wohl in der Weise am einfachsten erkl\u00e4ren zu k\u00f6nnen dadurch, dafs eine Anzahl von unterschwelligen Reizen, wenn sie w\u00e4hrend eines gewissen Zeitraumes einwirken, durch Summation die Reizschwelle \u00fcberschreiten.\nBei einem solchen Wiederauftreten der Fernsinnempfindung wird dieselbe immer zuerst in der Stirne lokalisiert, erst sp\u00e4ter beginnt diese Empfindung auch auf den \u00fcbrigen sensiblen Partien des Gesichtes einzusetzen. Die Stirne ist also gegen\u00fcber den anderen empfindlichen Stellen des Gesichtes leichter fern sinn erregbar. Es ist dieses Moment wohl nicht ganz ohne Bedeutung f\u00fcr die Angaben der Reizschwellen werte. W\u00e4re der Fernsinn nur auf einer einzigen gleichm\u00e4fsig empfindenden Fl\u00e4che im Gesichte lokalisiert, so w\u00fcrde die Sclnvellenangabe eine viel leichtere und exaktere sein als bei einer verschieden intensiv empfindenden Fl\u00e4che. Wurden bei einigen Versuchspersonen in Intervallen von einigen Tagen die Versuche wiederholt, so zeigten sich unter Umst\u00e4nden die absoluten Zahlen werte etwas ver\u00e4ndert, dagegen wurden die relativen Zahlen werte ziemlich gleich gefunden, d. h. das Verh\u00e4ltnis von Auftritt- zur Ver-schwindungsschwrelle, die prozentu arische Zunahme der Fernsinn-schwellen usw.\nZur Erkl\u00e4rung des Fernsinns hat man in erster Linie den Druck- und Temperatursinn herbeigezogen. So h\u00e4lt Kunz das Ferngef\u00fchl f\u00fcr eine Funktion des Drucksinns, da er dasselbe an jenen Stellen im Gesicht am ausgesprochensten fand (Glabella usw.),. die sich gleichzeitig durch einen hohen Grad von Druckempfindlichkeit auszeichnen. Gegen diese Annahme sprechen aber verschiedene Umst\u00e4nde. Einmal w\u00e4re es auffallend, dafs an mr keiner anderen Stelle des K\u00f6rpers eine fernsinnempfindliche Stelle mehr zu finden w\u00e4re, obwohl noch manche andere Partien der K\u00f6rperoberfl\u00e4che, abgesehen von der Stirn-und Schl\u00e4fengegend,, f\u00fcr Drucksinn sehr gut empfindlich sind. Ich habe auf diesen Einwand bereits in meiner letzten Arbeit hingewiesen. Noch wesentlich gewichtiger scheint mir der Umstand zu sein, dafs der Fernsinn fortdauert, wenn die Versuchsperson stundenlang ganz ruhig in einer bestimmten Entfernung vor dem Hindernis stehen bleibt und umgekehrt das Ferngef\u00fchl von selbst auf tritt*","page":316},{"file":"p0317.txt","language":"de","ocr_de":"Weitere Untersuchungen \u00fcber das Wesen des Fernsinns.\n317\nwenn der Blinde einige Zeit aufserhalb des Schwellenwertes sich aufh\u00e4lt. Diese angef\u00fchrten Tatsachen lassen sich wohl kaum mit einer einfachen Drucksinnempfindung vereinbaren.\nWas den W\u00e4rmesinn betrifft, so ist dessen Annahme zur Erkl\u00e4rung schon naheliegender. Hat doch Br\u00fccke von dem sogenannten 6. Sinn angenommen, dafs er m\u00f6glicherweise durch W\u00e4rmestrahlungen bedingt sei, da einstweilen kein zwingender Grund vorliege einen neuen Sinn anzunehmen.\nDie von mir vorgenommenen Untersuchungen \u00fcber die Kalt-und W\u00e4rmepunkte haben mir zwischen Blinden und Sehenden, die ich nach der GoLDSCHERDERschen Methode pr\u00fcfte, keine nennenswerten Unterschiede ergeben.\nDieses Argument allein w\u00fcrde in keiner Weise gegen den W\u00e4rmesinn sprechen, da ja bekannt ist, da Cs auch bei Sehenden, wenn gleich nicht so h\u00e4ufig und in so ausgepr\u00e4gtem Mafse, Fern-gef\u00fchl angetroffen wird.\nWenn wir den Temperatursinn als erkl\u00e4rende Ursache annehmen, so k\u00f6nnte hierbei nur die W\u00e4rmestrahlung, nicht die W\u00e4rmeleitung in Betracht kommen. Bei der W\u00e4rmestrahlung h\u00e4tten wir wiederum an eine doppelte M\u00f6glichkeit zu denken. Einmal k\u00f6nnte es sich handeln um die W\u00e4rmemenge, welche von dem fraglichen Objekt gegen die Stirne des Untersuchten ausgestrahlt wird und zweitens w7\u00e4re in Betracht zu ziehen, ob es sich nicht um eine Ausstrahlungsw\u00e4rme von der Stirne des Blinden nach dem Gegenstand hin handelt. Dafs die erstere Annahme nicht zutreffend sein kann, geht daraus hervor, dafs der Blinde, wenn er einem warmen Ofen sich n\u00e4hert, zuerst das Ferngef\u00fchl sp\u00fcrt und erst sp\u00e4ter die W\u00e4rmestrahlung wahrnimmt.\nEr hat also f\u00fcr beide Gef\u00fchle zwei deutlich qualitativ differente Empfindungen, die auch bez\u00fcglich des Schwellenwertes nicht zusammenfallen. Auch die Tatsache, dafs von 2 gleich grofsen Platten, von denen die eine aus Holz, die andere aus Eisen besteht, die erstere viel fr\u00fcher wahrgenommen wird als die letztere spricht ebenfalls gegen eine W\u00e4rmeausstrahlung von seiten des Gegenstandes. Denn beide Platten haben ja durch l\u00e4ngeres Verweilen in ein und demselben Raume ann\u00e4hernd die umgebende Lufttemperatur angenommen. Es m\u00fcfsten also bei ^beiden Objekten die gleichen Werte gefunden werden.","page":317},{"file":"p0318.txt","language":"de","ocr_de":"318\nE. W\u00f6lfflin.\nDie andere Annahme, dafs es sich beim Fernsinn um W\u00e4rmeausstrahlung handelt, die in erster Linie von der Stirne des Betreffenden ausginge und die an den verschiedenen Gegenst\u00e4nden eine Rettexion erleiden w\u00fcrde, l\u00e4fst sich mit den gefundenem Tatsachen nur schwer in Einklang bringen.\nSomit ist der Gedanke nicht fernliegend, dafs es sich beim Fernsinn doch um bestimmte uns nicht n\u00e4her bekannte Strahlungen handeln k\u00f6nnte, die von der Oberfl\u00e4che der verschiedenen Gegenst\u00e4nde ausgehen.\nn","page":318}],"identifier":"lit33664","issued":"1919","language":"de","pages":"311-318","startpages":"311","title":"Weitere Untersuchungen \u00fcber das Wesen des Fernsinns","type":"Journal Article","volume":"50"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:41:05.363924+00:00"}

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