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{"created":"2022-01-31T16:05:43.834183+00:00","id":"lit33667","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"Filehne, Wilhelm","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 50: 338-346","fulltext":[{"file":"p0338.txt","language":"de","ocr_de":"Uber irdische Vorg\u00e4nge, die nur in der D\u00e4mmerung sichtbar sind, und \u00fcber D\u00e4mmerungsvorg\u00e4nge am\nPlaneten Venus.\nVon\nWilhelm Filehne.\nWenn eine schw\u00e4chere Lichterscheinung \u2014 wie Phosphoreszenz, Rotglut, das Leuchten von Fixsternen, Planeten, Mondsichel \u2014 bei Tageslicht f\u00fcr das menschliche Sehorgan unmerklich ist, so kann sie im D\u00e4mmerungslicht eben wirksam und bei Toller Dunkelheit sehr deutlich werden. Bei der \u00fcberwiegenden Mehrzahl der f\u00fcr uns sichtbaren Vorg\u00e4nge liegt die Sache umgekehrt: im Dunkeln werden sie \u00fcberhaupt nicht gesehen, wohl aber beginnen sie bei D\u00e4mmerung optisch wirksam zu werden und sind bei vollem (nicht blendendem) Tageslicht am deutlichsten erkennbar.\nEs gibt aber auch Vorg\u00e4nge, die weder in absoluter Dunkelheit noch im vollen Tageslichte, wohl aber im D\u00e4mmerungslichte sichtbar sind.\nI. Irdische Vorg\u00e4nge.\nWenn ein fester K\u00f6rper bis zu einer Temperatur erhitzt wird, die wesentlich h\u00f6her als die der umgebenden Luft ist, so scheint dem he 11 adaptierten Auge bei Tageslicht die Luft \u00fcber dem erhitzten K\u00f6rper zu zittern, d. h. es scheinen die durch die \u201ezitternde\u201c Luft hindurch von uns gesehenen, objektiv unbewegten Gegenst\u00e4nde in ungeordnet-zitternder Bewegung zu\n4\u00bb \u2022\nsein. Uber dem heifsen K\u00f6rper werden die Luftmassen erw\u00e4rmt, ausgedehnt; sie steigen empor; k\u00e4ltere und daher dichtere, st\u00e4rker lichtbrechende Luftmassen brechen herein; es bilden sich lebhaft","page":338},{"file":"p0339.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber irdische Vorg\u00e4nge, die nur in der D\u00e4mmerung sichtbar sind usw. 339\nbewegte Luft-Schlieren und so ist hier das Lichtbrechungsver-m\u00f6gen der Luft von Augenblick zu Augenblick und von Ort zu Ort h\u00f6chst wechselnd. Daher die scheii bare Unruhe der durch sie hindurch gesehenen Gegenst\u00e4nde. Wenn jener heifse feste K\u00f6rper sich allm\u00e4hlich abk\u00fchlt, nimmt der objektive Vorgang in der Luft und infolgedessen die Wahrnehmung des \u201eLuftzitterns\u201c mehr und mehr ab und letztere erlischt schliefs-lich. Aber wenn jetzt auch die Wahrnehmung Null geworden : st, so dauert doch der physikalische Vorgang \u2014 allerdings in allm\u00e4hlich abnehmendem Mafse \u2014 weiter fort, denn jener feste K\u00f6rper ist immer noch w\u00e4rmer als die umgebende Luft. Ebenso ist unter gew\u00f6hnlichen Verh\u00e4ltnissen die menschliche Haut w\u00e4rmer als die \u00fcber ihr befindliche Luft. Auch hier bilden sich die besprochenen Schlieren. Aber physiologisch-optisch bleibt der Vorgang unterschwellig wie \u00fcber dem vorher besprochenen gen\u00fcgend abgek\u00fchlten festen K\u00f6rper,\n\u2014\twohlverstanden: f\u00fcr das im Tageslichte vom he 11 adaptierten Auge bediente Sehbewufstsein. Daher sehen wir f\u00fcr gew\u00f6hnlich z. B. \u00fcber dem ausgestreckten Arme bei Tageslicht kein Luftzittern trotz vorhandener Schlierenbildung.\nEin anderer hierher geh\u00f6riger Vorgang ist das \u201eDampfen\u201c z. B. der Pferde oder auch das Sichtbarwerden des \u201eHauches\u201c (Kondensation des Wasserdampfes). Bei normaler Temperatur und mittlerem Feuchtigkeitsgehalte der Zimmerluft, nach l\u00e4ngerer Muskelruhe sieht man die eigene Haut bei Tageslicht nicht \u201edampfen\u201c. Und doch verdampft die Haut, die, wie schon gesagt, f\u00fcr gew\u00f6hnlich w\u00e4rmer als die Luft ist, beim Menschen\n\u2014\tund ebenso beim Pferde \u2014 auch bei fehlender Schweifssekretion best\u00e4ndig Wasser in solcher Menge, dafs f\u00fcr gew\u00f6hnlich die unmittelbar anliegende Luftschicht sehr bald mit Wasserdampf ges\u00e4ttigt sein und daher Kondensation des neu aufsteigenden gasf\u00f6rmigen Wasserdampfes stattfinden mufs. Aber f\u00fcr gew\u00f6hnlich sieht man hiervon nichts : f\u00fcr unser Sehen bleibt der physikalische Vorgang unterschwellig. Nur bei stark gegen die Norm vermehrter Wasserdampfabgabe tritt das \u201eDampfen\u201c auf, z. B. nach gr\u00f6fseren Muskelanstrengungen, wobei Blutdrucksteigerung, Erweiterung der Hautarterien einen gr\u00f6fseren Blut-und hierdurch Wassergehalt der Haut und h\u00f6here Temperatur dieses Ausscheidungsorgans bedingen und Schweifssekretion ein-\ntritt. Zumal bei S\u00e4ttigung der Luft mit Wasserdampf \u2014 und\n24*","page":339},{"file":"p0340.txt","language":"de","ocr_de":"Wilhelm Filehne.\n340\nbei niedriger Lufttemperatur tritt diese S\u00e4ttigung sehr bald ein \u2014 wird \u201eHauch\u201c und \u201eDampfen\u201c sichtbar. F\u00fcr gew\u00f6hnlich fiber sind beide bei Tageslicht unsichtbar. D. h. nur bei Tageslicht und nur f\u00fcr das helladaptierte Auge. Anders dagegen liegt die Sache, wenn wir die Beleuchtung und die Adaptierung unseres Auges \u00e4ndern. Wir bleiben zu diesem Zwecke ausreichende Zeit im Dunkeln. Jetzt ist \u2014 im Sinne der yon K\u00dfiESschen Duplizit\u00e4tstheorie \u2014 derjenige Netzhautapparat, der das D\u00e4mmerungs sehen zu leisten hat, auf der H\u00f6he seiner Erregbarkeit und Leistungsf\u00e4higkeit. Er liegt bekanntlich dort in der Netzhaut, wo die Sehpurpur aufgestapelt wird, also nicht im Zentrum der fovea centralis, nicht dort, wo nur Zapfen sind, sondern dort, wo auch und wo besonders St\u00e4bchen angetroffen werden.\nNunmehr wird der Raum durch D\u00e4mmerlicht nur so weit erhellt, dafs keine Farben erkannt werden k\u00f6nnen. Mit unserem d u n k e 1 adaptierten Auge betrachten wir im auffallenden D\u00e4mmerungslichte, und zwar gegen dunkel en Hintergrund eine dunkelgekleidete Person oder unseren eigenen K\u00f6rper: die Haut dampft; nicht nur von der nackten Haut, sondern auch von den Kleidern steigt der Dampf auf. Der \u201eHauch\u201c ist sichtbar. Besonders bemerkenswert ist, dafs wir das Dampfen und ebenso das Luftzittern nicht im zentralen, sondern nur im mehr exzentrischen Sehen wahrnehmen.\nEs bedarf keiner ins einzelne gehenden Erkl\u00e4rung f\u00fcr die unter solchen Umst\u00e4nden vorliegende \u00dcberlegenheit des D\u00e4mmerungssehens gegen\u00fcber dem Tagessehen. Ich will nur daran erinnern, dafs wir mit \u2014 unbewaffnetem \u2014 dunkeladaptiertem Auge am klaren n\u00e4chtlichen Himmel Sterne \u00fcberhaupt deutlicher und besonders Sterne geringerer Gr\u00f6fse ausschliefslich dann erkennen, wenn wir sie nicht fixieren, sondern an ihnen etwas vorbei sehen \u2014 ferner dafs, wie schon hervorgehoben, im helladaptierten Auge die St\u00e4bchen viel weniger erregbar sind, als\nim dunkel adaptierten.\n\u2022 \u2022\n\u00dcbrigens bedarf es. f\u00fcr die zuletzt besprochene Beobachtung durchaus nicht der Dunkel adaptation, sondern es gen\u00fcgt Anpassung des Auges an das D\u00e4mmerlicht. Am einfachsten ist dies im Verlaufe der (nat\u00fcrlichen) Abendd\u00e4mmerung zu erreichen \u2014 oder durch allm\u00e4hliche Verdunkelung des Beobachtungsraumes. Das Dampfen tritt um so fr\u00fcher -r- sogar schon vor","page":340},{"file":"p0341.txt","language":"de","ocr_de":"Vber Irdische Vorg\u00e4nge, die nur in der D\u00e4mmerung sichtbar sind usw, 34l\n'Beginn der D\u00e4mmerung \u2014 ein, je n\u00e4her der Feuchtigkeitsgehalt der Luft der S\u00e4ttigung ist. Bei mittlerem Wassergehalt der Luft zeigt sich das Maximum des \u201eD\u00e4mpfens\u201c (bzw. Sichtbarkeit des \u201eHauchs\u201c) und des \u201eLuftzitterns\u201c mit dem Eintritte voller F\u00e4rbern Blindheit. Bei weiterer Abnahme der Helligkeit nimmt dann gleichermafsen die Deutlichkeit des D\u00e4mpfens und Luftzitterns ab und beide Erscheinungen erl\u00f6schen lange vor Eintritt g\u00e4nzlicher Finsternis.\nBringt man, bevor das Dampfen im Beginne der Abendd\u00e4mmerung sein Maximum erreicht hat, in einer Entfernung von 20 cm bis 1 m eine kreisrunde weifse Kartonscheibe vor dem dunkelen Hintergr\u00fcnde so an, dafs sie unter Winkeln von 2 bis 5\u00b0 -erblickt wird, so sieht man \u2014 gleichviel ob man ihren Mittelpunkt fixiert oder sie im exzentrischen Sehen beachtet, \u2014 auf :ihr im allgemeinen kein Dampfen; nur wenn eine besonders -dichte Dampfwolke von unten her zu ihr aufsteigt, zieht der bisher helle Schwaden als dunklerSchatten \u00fcber die weifse Scheibe.1 Kurz bevor der Dampf beim Aufsteigen den unteren Rand der Scheibe erreicht \u2014 etwa in einer Entfernung von 1I2 bis 2 Grad \u2014 und ebenso nachdem er den oberen Rand -eben passiert hat, wird er zu dieser fr\u00fchen D\u00e4mmerzeit nicht wahrgenommen; erst sp\u00e4ter, wenn das Maximum des D\u00e4mpfens vor\u00fcber ist und die Scheibe weniger hell erscheint, wird auch unmittelbar um die Scheibe herum das Dampfen sichtbar. Solange also die weifse Scheibe relativ hell wirkt, liegt um sie herum ein schmaler Hof, in dem das Sehorgan das Dampfen nicht wahrzunehmen vermag. Mit zunehmender Dunkelheit, \u00e0. h. mit abnehmender Heilwirkung der Scheibe verschm\u00e4lert sich dieser Hof und verschwindet schliefslich. Tritt man dann .aus der Tiefe des Zimmers r\u00fccklings (um m\u00f6glichst keine \u00c4nderung der Adaptierung durch den Anblick des hellen Fensters herbeizuf\u00fchren) an das Fenster, wodurch die objektive und namentlich die empfundene Helligkeit der weifsen Scheibe .zunimmt, so erkennt man wieder den refrakt\u00e4ren dampflosen \u2014 Hof, der sich um so mehr verbreitert, je mehr man sich dem Fenster n\u00e4hert. Dagegen wird im \u00fcbrigen Gesichtsfelde das Dampfen deutlicher.\nHieraus ergibt sich, dafs auf der f\u00fcr D\u00e4mmerung oder\n1 Vgl. Arch. f. Anat. u. Physiol., Physiol. Abt. 1912. S. 519.","page":341},{"file":"p0342.txt","language":"de","ocr_de":"\u25a0\t, I\t......\n342'\t\"\t1 '\t\u25a0WilHelm Filekne.\t*\nDun ke 1 he it a d a p t i e r t e n Netzhaut im U mkreise einer 2 bis 5\u00b0 im Durchmesser haltenden, von hellerem, aber doch d\u00e4ihmerlichem Lichte beleuchteten Stelle die Erregbarkeit des St\u00e4bchenapparats in einer schtnalen, mit zunehmend\u00ebr Helligkeit des Netzhautbildchens sich verbreiternden Zone erheblich vermindert wird, w\u00e4hrend die \u00fcbrige Netzhaut ihre Empfind-\u2019 lichkeit im D\u00e4mmerungssehen aufrecht erh\u00e4lt.\nII. Die D\u00e4mmerungserseheinungen auf dem Planeten Tenus*\n; In unseren soeben besprochenen D\u00e4mmerungsversuchen war das von Tageshelle zu Finsternis variierende Licht, das die wechselnde Adaptierung des Auges verursachte, zugleich dasjenige Licht, das die Substrate der betreffenden Vorg\u00e4nge sichtbar machte. Vom rein physiologischen Gesichtspunkt aus mufste es w\u00fcnschenswert erscheinen, festzustellen, wie die Sache sich gestaltet, wenn die Adaptierung des Auges \u2014 ganz wie in unseren D\u00e4mmerungsversuchen \u2014 sich dem abnehmenden Tageslicht entsprechend \u00e4ndert, w\u00e4hrend die Substrate des Vorgangs in einer objektiv konstant bleibenden D\u00e4mmerbelichtung gesehen werden. Diese Feststellung konnte auch, abgesehen von dem physiologischen Interesse, f\u00fcr die Astronomie von Wert sein, da sie Aufkl\u00e4rung \u00fcber Fernrohrbeobachtungen am Planeten Venus zU bringen versprach, die bisher unverst\u00e4ndlich waren.\nMeine Versuchsanordnung ist folgende: In einem Zimmer, das voller Tagesbeleuchtung zug\u00e4nglich ist und bei Bedarf in beliebigem Grade verdunkelt werden kann, wird eine kleine, ganz Schwach leuchtende Gl\u00fchbirne so armiert, dafs sie nur in einer Richtung durch einen horizontal liegenden, aus schwarzem Tuche geformten Zylinder von etwa 50 cm L\u00e4nge und 6 cm Lichtung ihr Licht ausstrahlt. Eine mit weifsem Tuche \u00fcberzogene Holzk\u00fcgel von 5 cm Durchmesser, an der eine kleine Ose befestigt ist, wird mittels eines Fadens so aufgeh\u00e4ngt, dafs der Beobachter, der den Fenstern den R\u00fccken zukehrt, sie iri Augenh\u00f6he in einer Entfernung von einem Meter vor sich hat. Das Zimmer wird verdunkelt, die Gl\u00fchbirne zum Leuchten gebracht und so aufgestellt, dafs die von hinten-seitlich durch sie beleuchtete weifse Kugel im Innern des Lichtstromes sich befindet und dafs der Beobachter nur eine schmale \u201eSichel\u201c an der aufgeh\u00e4ngten Kugel zu sehen bekommt. Das an der 5 cm-","page":342},{"file":"p0343.txt","language":"de","ocr_de":"\u2022 \u2022\n\u00dcber irdische Vorg\u00e4nge, die nur in der D\u00e4mmerung sichtbar sind usw. 343\nK\u00fcjgel vorbeigegangene Licht des 6 cm-Lichtzylinders wird von einem passend (etwa halbknglig) geformten und zweckm\u00e4fsig angebrachten schwarzen Tuchschirm vollst\u00e4ndig abgefangen. Die Gl\u00fchbirne ist in der Achsenricht\u00fcng des schwarzen Tuchzylinders zusammen mit ihm ausreichend verschiebbar.\n1 Jetzt wird wieder volles Tageslicht in den Raum gelassen. Nachdem das Auge des Beobachters v\u00f6llige Helladaptierung erlangt hat, wird die noch immer leuchtende Gl\u00fchbirne mit dem schwarzen Zylinder in der Richtung der Zylinderachse soweit von der Kugel entfernt, dafs von der \u201eSichel\u201c auf der Kugel im hellen Tageslichte eben nichts mehr zu erkennen ist.\nNunmehr wird D\u00e4mmerungslicht hergestellt \u2014 oder die Abendd\u00e4mmerung abgewartet. In einem Abstande von 20 Cm wird unter die Kugel eine dunkele Schale gestellt, in der sich ein niedrig-zylindrischer, mit Wasser von etwa 25 bis 30\u00b0 Can-gefeuchteter Schwamm befindet, dessen Grundfl\u00e4chen etwa 6 cm Durchmesser haben. Ein kleiner schwarzer, hinter dem Beobachter angebrachter Schirm verhindert, dafs das D\u00e4mmerlicht auf die Kugel falle, so dafs diese lediglich durch die Gl\u00fchbirne beleuchtet wird. Der schwarze Schirm darf aber der Umgebung und dem Hin ter gr\u00fcn de das D\u00e4mmerlicht nicht entziehen, da dies die D\u00e4mmerungsadaptierung des beobachtenden Auges beeintr\u00e4chtigen w\u00fcrde :\nSobald sich das Auge der Beleuchtung angepafst hat, sieht es die vorher bei Tageshelle unmerkbar gewesene Sichel und erkennt \u2014 exzentrisch \u2014 das Dampfen des Schwammes. Wenn unmittelbar vor dem dunkelen, neben der mittelhell gesehenen Sichel gelegenen Teile der (weifsen) Kugel das Dampfen noch nicht sichtbar sein sollte, so wird jetzt die Gl\u00fchbirne noch weiter von der Kugel entfernt, bis vor dem dunkelen Teile der Kugel wenigstens zeitweilig Dampf (exzentrisch) deutlich wahrgenommen wird. Wieder wird nun d\u00e9m Auge Zeit zur Adaptierung gelassen und dann der Raum vollkommen verdunkelt, w\u00e4hrend die Gl\u00fchbirne in Funktion bleibt. Das zun\u00e4chst noch f\u00fcr D\u00e4mmerlicht und noch nicht f\u00fcr Dunkelheit adaptierte Auge sieht noch f\u00fcr einige Zeit sowohl die Sichel wie das Dampfen genau so, wie vor der Verdunkelung. Sobald sich aber das Auge f\u00fcr die neuen DunkelheitsVerh\u00e4ltnisse adaptiert hat, erscheint ihm die Sichel viel heller als vorher und der Dampf, der vorher deut-","page":343},{"file":"p0344.txt","language":"de","ocr_de":"344\nWilhelm Filehne,\nlieh sichtbar war, ist jetzt neben der fast blendenden Sichel nicht mehr wahrzunehmen. Hierauf wird die Verdunkelung des Zimmers wieder aufgehoben und die D\u00e4mmerbelichtung hergestellt. Nach erfolgter Adaptierung erscheint die Sichel in wesentlich geringerer Helligkeit und gar nicht blendend im Gegens\u00e4tze zu dem Eindruck im Finstern, und das Dampfen vor dem dunkelen Teile der Kugel wird wieder erkannt. Erneute Verdunklung des Raumes \u00e4ndert zun\u00e4chst wiederum nichts an diesem Bilde. Sobald sich aber das Auge an die Dunkelheit adaptiert hat, wirkt die Sichel von neuem fast blendend und das Dampfen ist wiederum verschwunden.\nDiese Beobachtung zeigt: Eine unter nicht ganz 3\u00b0 gesehene weifse, in der Projektion als Sichel erscheinende Kugelfl\u00e4che, die so schwach belichtet ist, dafs vorher im Tageslichte das h e 11 adaptierte Auge den Zuwachs an Helligkeit zum Tageslichte, den jene Sichel durch die Beleuchtung erfuhr, gar nicht empfinden konnte, wird im D\u00e4mmerungslichte als deutlich, aber m\u00e4fsig leuchtend gesehen; bei Mangel jeglichen sonstigen Lichts \u25a0\u2014 im Finstern \u2014 wird sie als beinahe blendend empfunden. Ferner ergab sich, dafs neben dieser erleuchteten \u201eSichel\u201c das f\u00fcr D\u00e4mmerung adaptierte Auge sowohl in der D\u00e4mmerung wie im Dunkeln das \u201eDampfen\u201c deutlich wahrnimmt, w\u00e4hrend das d u n k e 1 adaptierte Sehorgan die Sichel als blendend empfindet und in diesem Zustande relativer Bien-dung das Dampfen unmittelbar neben der Sichel nicht mehr wahrnehmen kann. In der Umgebung des etwa 30 im Durchmesser haltenden Netzhautbildes, das als sehr hell empfunden wird, vermindert sich also in der relativen Blendung an diesem \u201edunkel\u201c-adaptierten Auge die Empfindlichkeit, die Erregbarkeit unseres D\u00e4mmerungsapparates \u2014 ganz so wie es beim Tagessehen allenthalben im Auge geschieht. Und deshalb wird, wie im Tagessehen das Dampfen unsichtbar. Der D\u00e4mmerungsapparat in der unmittelbaren Umgebung der fast blendenden Sichel ist in unserem Dunkelversuche also nicht mehr f\u00fcr Dunkelheit, auch nicht mehr f\u00fcr D\u00e4mmerung, sondern trotz der sonstigen Dunkelheit f\u00fcr fast blendende Helligkeit adaptiert.\nWenn ich im vollkommen verdunkelten Raume unmittelbar nach der Verdunklung, also in dem Augenblicke, da ich an meiner weifsen Kugel sowohl die Sichel als neben ihr das Dampfen mit meinem noch f\u00fcr D\u00e4mmerlicht adaptierten Auge wahr-","page":344},{"file":"p0345.txt","language":"de","ocr_de":"\u2022 \u2022 ____________________________\nUber irdische Vorg\u00e4nge, die nur in der D\u00e4mmerung sichtbar sind usw. 345\nnahm, die Kugel photographiert h\u00e4tte, w\u00fcrde ich selbstverst\u00e4ndlich das gleiche Bild erhalten haben, wie einige Zeit sp\u00e4ter, als ich mit nunmehr d u n k e 1 adaptiertem Auge die Sichel scheinbar viel heller sah und das Dampfen infolge relativer Blendung nicht mehr wahrnehmen konnte, \u2014 denn die photographische Platte wird ja bei gleichbleibenden physikalischen Bedingungen durch den Zustand des Adaptierungsapparates in meinem Sehorgan nicht beeinflufst.\nHiermit ist eine Erscheinung am Planeten Venus physiologisch aufgekl\u00e4rt. Bekanntlich zeigt dieser Planet aus den gleichen Gr\u00fcnden wie der Mond sogenannte \u201ePhasen\u201c \u2014 Sichel, Erstes Viertel, Vollicht usw. Nun ist f\u00fcr das durch ein Fernrohr hindurch beobachtende Auge insbesondere von H. C. Vogel w\u00e4hrend der Sichelphase das Aussehen der Venus wie in beistehender Figur gefunden worden.\nAuf die Kugelform des Planeten bezogen kann dies dahin gedeutet werden, dafs in der Atmosph\u00e4re der Venus noch etwa 30 bis 40\u00b0 \u00fcber die Grenze der von der Sonne beschienenen H\u00e4lfte der Planetenoberfl\u00e4che hinaus oin D\u00e4mmerungslicht (schw\u00e4cher als die Sichel leuchtend) wahrnehmbar sei und dafs von hier aus ein noch schw\u00e4cherer Lichtschein sich weiter \u00fcber die dunkle H\u00e4lfte des Planeten breite. Dieser Deutung schien aber bisher entgegenzustehen, dafs man diese \u201eD\u00e4mmerungs\u201c-Erscheinung an der Venus nur w\u00e4hrend der irdischen D\u00e4mmerung und zwar nur am noch sehr hellen D\u00e4mmerungshimmel, nicht aber am heiteren dunkeln Nachthimmel zu sehen bekommt, an dem doch sonst alle astronomischen L i c h t erscheinungen viel deutlicher werden als am helleren Himmel. F\u00fcr die Sichel der Venus findet dies (scheinbare) Hellerwerden bei Zunahme der Dunkelheit des Himmels ja auch statt, nicht aber f\u00fcr den \u201eD\u00e4mmerungs\u201cschein, der im Gegenteil verschwindet, sobald das Auge dunkeladaptiert ist. Unsere Versuche haben uns nun gelehrt, dafs dies auf folgendem beruhen kann. Das d u n k e 1 adaptierte Auge sieht die Sichel sehr hell, fast blendend. Daher wird in der Netzhaut der das Sichelbildchen umgebenden St\u00e4bchenapparat","page":345},{"file":"p0346.txt","language":"de","ocr_de":"346\nWilhelm Filehne.\n\u2014 infolge relativer Blendung \u2014 auf gr\u00f6fsere, fast blendende Helligkeit adaptiert und verliert seine Empfindlichkeit gegen schwaches Licht, so dafs er durch den schwachen Venusd\u00e4mmerungsschein nicht mehr erregt wird, w\u00e4hrend in der Zeit der irdischen D\u00e4mmerung die Sichel nur als schwach leuchtend empfunden und durch sie die D\u00e4mmerungsadaptierung des St\u00e4bchenapparates nicht gest\u00f6rt wurde. In dieser D\u00e4mmerungsadaptation ist aber der St\u00e4bchenapparat maximal,, jedenfalls gen\u00fcgend empfindlich, um dem Sehbewufstsein die Wahrnehmung des schwachen Venusd\u00e4mmerungslichtes zu erm\u00f6glichen. \u2014\nWenn die Technik des Planetenphotographierens imstande w\u00e4re, derartige feine Einzelheiten, wie die der VoGELschen Figur, objektiv festzulegen, so w\u00fcrden die Astronomen ja schon l\u00e4ngst den Sachverhalt auf diesem Wege klargestellt haben. Da aber gerade hierin der photographische Apparat erheblich weniger leistet als das menschliche Auge, erlaube ich mir den Astronomen einen Vorschlag zu machen und einen Weg zu zeigen, auf dem mit Leichtigkeit sich ermitteln l\u00e4fst, ob meine an der 5 cm-Kugel gemachten Erfahrungen sinngem\u00e4fs auf die Venus zu \u00fcbertragen sind.\nEin Beobachter habe in der Zeit der beginnenden irdischen D\u00e4mmerung neben der Venussichel den VoGELschen Lichtschein gesehen und einige Stunden sp\u00e4ter am Nachthimmel sein Fehlen festgestellt. Er erhelle jetzt den Raum, in dem er sich befindet, mit einem ebenso starken D\u00e4mmerlichte, wie jenes war, bei dem er die VoGELsche Figur gesehen hatte. Er adaptiere sein Auge f\u00fcr diese Helligkeit. Unseren experimentellen Ermittlungen entsprechend sind jetzt, d. h. so lange die D\u00e4mmerungsadaptierung seines Auges vorh\u00e4lt, s\u00e4mtliche Bedingungen erf\u00fcllt, um auch am Nachthimmel die Venusd\u00e4mmerung wahrzunehmen. Sollte jetzt die VoGELsche Figur nicht sichtbar sein und ihre Sichtbarwerdung in keiner Weise sich verwirklichen lassen, so sind zwar meine Experimente und Schl\u00fcsse darum doch richtig, aber sie w\u00fcrden f\u00fcr die Venusd\u00e4mmerung nicht anwendbar sein. Ich zweifele aber nicht, dafs der vorgeschlagene Versuch ein positives Ergebnis liefern wird.","page":346}],"identifier":"lit33667","issued":"1919","language":"de","pages":"338-346","startpages":"338","title":"\u00dcber irdische Vorg\u00e4nge, die nur in der D\u00e4mmerung sichtbar sind, und \u00fcber D\u00e4mmerungsvorg\u00e4nge am Planeten Venus","type":"Journal Article","volume":"50"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:05:43.834189+00:00"}