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Mitteilungen über das Sehen der Farben bei halbgeschlossenen Augen

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{"created":"2022-01-31T16:51:45.286517+00:00","id":"lit33669","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"Baley, Stephan","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 49: 79-84","fulltext":[{"file":"p0079.txt","language":"de","ocr_de":"79\nMitteilungen \u00fcber das Sehen der Farben bei halbgeschlossenen Augen.\nVon\nDr. Stephan Baley.\nMan hat vielfach die Erscheinungen studiert, die bei der Verdunkelung des Gesichtsfeldes nach der Fixation von buntgef\u00e4rbten oder neutralen Fl\u00e4chen auftreten. Dabei erreicht man die n\u00f6tige Verdunkelung dadurch, dafs entweder das objektive Licht geschw\u00e4cht event, g\u00e4nzlich ausgel\u00f6scht wird, oder dafs die Augen geschlossen und zugedeckt werden. Dagegen scheint man bis jetzt wenig Aufmerksamkeit den Ph\u00e4nomenen gewidmet zu haben, die dann auftreten, wenn man nach einer k\u00fcrzer oder l\u00e4nger dauernden Fixation die Augen zukneift, ohne sie g\u00e4nzlich zuzuschliefsen, so dafs man durch die verengte Lidspalte das vorher fixierte Objekt weiter sehen kann. Wenigstens habe ich bis jetzt in der Literatur keinen Hinweis auf diesbez\u00fcgliche Beobachtungen finden k\u00f6nnen. Da sie aber wegen ihrer Eigenartigkeit die Aufmerksamkeit der Forscher sicherlich verdienen, so m\u00f6chte ich hier \u00fcber einige von ihnen eine kurze Mitteilung machen.\nIch bemerke von vornherein, dafs die zu beschreibenden Erscheinungen nicht bei allen Personen in gleichem Mafse auftreten, und dafs Manche diese Erscheinungen schwach oder nur zum Teil an sich beobachten k\u00f6nnen.\nIch beginne mit einer Erscheinung, die sehr leicht zu beobachten ist. Man nehme zwei rote Papierschnitzelchen von etwa 1 cm Durchmesser, lege sie auf ein Blatt weifses Papier in Entfernung von einigen Zentimetern voneinander, so dafs, wenn man ein Schnitzelchen fixiert, das andere noch indirekt gesehen wird. Man fixiere nun das eine Schnitzelchen und kneife nach einer","page":79},{"file":"p0080.txt","language":"de","ocr_de":"80\nStephan Baley.\nganz kurzen Zeit (etwa 2 Sek.) die Augenlider zusammen, ohne die Fixationsrichtung zu \u00e4ndern. W\u00e4hrend das direkt gesehene Quadiat dabei unver\u00e4ndert bleibt, \u00e4ndert das indirekt gesehene seine Farbe. Manche Personen sehen es lebhaft gr\u00fcn, andere bezeichnen die gesehene Farbe als gr\u00fcnblau oder blau; andere sehen es anfangs schwarz ; bei einer etwas l\u00e4ngeren Fixation bekommt aber auch bei ihnen das Schnitzelchen einen Stich ins Gr\u00fcne oder Blaugr\u00fcne.\nDafs die Erscheinung mit dem bekannten MACHschen 1 2 3 * * * Ph\u00e4nomenen eine Verwandtschaft besitzt, f\u00e4llt gleich auf, insbesondere, wenn man die vereinfachten Bedingungen der Erscheinung ber\u00fccksichtigt, die Pauli 2 angegeben hat. Es ist naheliegend, die Erscheinung durch Nachbild zu erkl\u00e4ren; wir wollen aber jetzt von den Erkl\u00e4rungsm\u00f6glichkeiten absehen. Interessant ist jedenfalls die Promptheit, mit der sich bei vielen Personen die gr\u00fcne Farbe einstellt, w\u00e4hrend das Rot des fixierten Schnitzelehens noch erhalten bleibt. Wie beim Versuch von Pauli ist auch hier die rote Farbe des fixierten Schnitzelchens keine notwendige Bedingung; sie erleichtert nur das Bemerken der Kontrastfarbe im indirekten Gesichtsfelde.\nWir gehen jetzt zu anderen Erscheinungen \u00fcber. Man nehme ein Quadrat in roter Farbe (dessen Seite etwa 3 cm betr\u00e4gt), lege es auf einen weifsen Grund, fixiere die Mitte der Figur etwas l\u00e4nger (8\u201415 Sekunden) und kneife die Augen zu; das mit halbgeschlossenen Augen gesehene Quadrat erscheint dann in gr\u00fcner Farbe.8 Ist die Zeit der Fixation k\u00fcrzer, dann erscheint es schwarz; bei noch k\u00fcrzerer Zeit \u00fcberzieht es sich nur mit einem grauen Schimmer. Manche Personen sehen dabei das Gr\u00fcn ganz leicht, und es erscheint ihnen sehr ges\u00e4ttigt, andere m\u00fcssen l\u00e4nger fixieren und sehen nach dem Zukneifen nui ein fl\u00fcchtiges schwaches Gr\u00fcn, das sich \u00fcber das dunkel gewordene Quadrat legt. Wahrscheinlich spielt aufser der subjektiven Disposition auch die Art, die Augen zuzukneifen, dabei\n1\tE. Mach. Die Analyse der Empf. 5. Aufl. S. 205ff.\n2\tR. Pauli. \u00dcber die Beurteilung der Zeitordnung von optischen Heizen. Archiv f. ges. Psychol. 21.\n3\tAnstatt die Augen zuzukneifen, kann man auch im passenden Mo-\nment ein St\u00fcckchen weifsen Canavas, event, doppelt zusammengelegt, dicht\nvor die Augen setzen und dann durch einen solchen Schleier die Fl\u00e4che\nweiter fixieren.","page":80},{"file":"p0081.txt","language":"de","ocr_de":"Mitteilungen \u00fcber das Sehen der Farben bei halbgeschlossenen Augen. 81\neine Rolle; eine objektive Kontrolle dar\u00fcber habe ich nicht vornehmen k\u00f6nnen; jedenfalls versuchten die beobachtenden Personen die Lidspalte so weit offen zu lassen, wie es beim Herumprobieren f\u00fcr das Ph\u00e4nomen am g\u00fcnstigsten schien.\nEbenso wie die gr\u00fcne kann man jede beliebige andere bunte Farbe auf diese Weise in ihre Kontrastfarbe \u00fcberf\u00fchren. Befindet sich aufser der fixierten Farbe noch eine andere im indirekten Sehen, so schl\u00e4gt auch sie in die komplement\u00e4re um. Zu einem Bouquet aus verschiedenfarbigen Blumen, das ev. noch mit gr\u00fcnen Bl\u00e4ttern umrahmt ist, kann man, wenn man zu dieser Erscheinung subjektiv gut disponiert ist, ein h\u00fcbsches komplement\u00e4res \u201ePendant\u201c bekommen, aber leider nur auf eine kurze Zeit, denn die Erscheinung verfl\u00fcchtigt sich rasch.\nDas Zukneifen der Augen nach einer kurzen oder l\u00e4ngeren Fixation von Fl\u00e4chen, die nur neutrale Farben enthalten, l\u00e4fst auch bunte Farben auftreten. Und zwar erscheint eine weifse Fl\u00e4che auf schwarzem Grunde nach hinreichender Fixation bei nicht zu schwacher Tagesbeleuchtung gr\u00fcnlich, wobei sich das umgebende schwarze Feld mit r\u00f6tlichem Schimmer \u00fcberzieht. Man kann sich davon \u00fcberzeugen, wenn man ein Quadrat aus weifsem Papier mit etwa 5 cm Seitenl\u00e4nge auf ein gr\u00f6fseres St\u00fcck schwarzen Sammt legt, die Mitte des Quadrates aus einer Entfernung von etwa 20\u201430 cm fixiert und dann die Augen zukneift, ohne die Fixation zu unterbrechen. Noch deutlicher tritt die gr\u00fcnliche F\u00e4rbung dann auf, wenn das Weifs im indirekten Sehfelde liegt. Um es zu sehen kann man den vorigen Versuch so ab\u00e4ndern, dafs man das weifse auf dem schwarzen Sammt liegende Quadrat etwas gr\u00f6fser nimmt (etwa 8 cm Seitenl\u00e4nge), in dessen Mitte ein kleineres Quadrat aus schwarzem Sammt (etwa 5 cm Seitenl\u00e4nge) liegt und nun die Mitte des schwarzen Quadrates fixiert. Das schwarze Quadrat in der Mitte wird in diesem Falle ebenso wie das Schwarz der Umgebung r\u00f6tlich, w\u00e4hrend der weifse Rahmen sich gr\u00fcn f\u00e4rbt.1\nDas Gr\u00fcn und das Rot, das man unter diesen Umst\u00e4nden zu sehen bekommt, sind nicht immer rein, sondern enthalten\n1 Dafs beim starken Licht und einer bestimmten Stellung zur Licht quelle Schwarz auf weifsem Grunde mit halbgeschlossenen Augen betrachtet \u2014 sogar ohne vorhergehendes Fixieren mit offenen Augen \u2014 rot erscheint, ist bekannt. Vgl. Gehler, Physikalisches W\u00f6rterbuch, IVB. Erste Abt. S. 130 und 131.","page":81},{"file":"p0082.txt","language":"de","ocr_de":"82\tStephan Baley.\neinen Zusatz von Gelb oder Blau, dessen St\u00e4rke nicht konstant bleibt.\nIst die schwarze und die weifse Farbe auf der fixierten Fl\u00e4che so verteilt, dafs Schwarz und Weifs mehrere Male miteinander abwechseln (ein schwarzweifser Rost oder mehrere konzentrische schwarze Ringe auf weifsem Grund, oder eine schwarze Spirale auf weifsem Grund), dann gestalten sich die Verh\u00e4ltnisse nach gen\u00fcgend langer Fixation \u00e4hnlich wie oben. Es bedeckt sich also auch hier Weifs mit Gr\u00fcn und Schwarz mit Rot.1 So sehen z. B. bei der schwarzweifsen Spirale, wie sie im Handbuch der Optik von Helmholtz abgebildet ist2, manche Personen die gr\u00fcne und die rote Farbe sehr deutlich, so dafs sie die Erschei-nung, die sich dort entwickelt, als eine farbenpr\u00e4chtige bezeichnen. Eine Person gab mir an, dafs sich die gr\u00fcne und die rote Farbe dabei auch plastisch voneinander abheben. Bei k\u00fcrzerer Fixation f\u00fcllen die Farben nicht genau die schwarzen und die weifsen Felder, sondern sie entwickeln sich nur an den Grenzlinien von schwarz und weifs, oder sie bilden nur farbige Flecke^ die mit der neutralen k arbe abwechseln. Eine Person hat nur die rote (und zwar eine ziegelrote) Farbe auf der schwarzen Spirallinie sehen k\u00f6nnen ; der weifse Grund bleibt bei ihr farblos.\nAlles dies gilt, wie schon erw\u00e4hnt, f\u00fcr die nicht zu schwache Tagesbeleuchtung. Schon beim Beginnen der .D\u00e4mmerungsbeleuchtung gestalten sich dagegen die Verh\u00e4ltnisse anders. Die schwarzen Partieen des Gesichtsfeldes, welche bei Tageslicht r\u00f6tlich erschienen, nehmen jetzt eine gelblichgr\u00fcne F\u00e4rbung an, die bei noch schw\u00e4cherer Beleuchtung entschieden gr\u00fcn wird. Die weifsen Partieen des Gesichtsfeldes f\u00e4rben sich dann komplemen-t\u00e4i. Man kann also bei dieser Beleuchtung von einer schwarzweifsen Figur ein farbiges Bild bekommen, das zu demjenigen, welches bei Tagesbeleuchtung gesehen wurde, komplement\u00e4r gef\u00e4rbt ist Es ist dabei aber eins zu bemerken. Fixiert man eine schwarzweifse Figur lange abwechselnd mit offenen und zugekniffenen Augen, dann \u00e4ndert sich das Bild derart, dafs die\n1 Eine \u00e4hnliche Erscheinung, die aber unter anderen Bedingungen eintntt, beschreibt Helmholtz, Handb. der physiol. Optik, zweite Auflage S. 563. Der dort angegebene Grund des Ph\u00e4nomens kann auch hier den Ausgangspunkt der Erkl\u00e4rung bilden.\nHelmholtz, Handb. der physiol. Optik, zweite Auflage, S. 531,","page":82},{"file":"p0083.txt","language":"de","ocr_de":"Mitteilungen \u00fcber das Sehen der Farben bei halbgeschlossenen Augen.\ngesehenen Farben wiederum ins Komplement\u00e4re Umschlagen, oder dafs die eine von ihnen verschwindet und die andere sich \u00fcber das ganze Gesichtsfeld ergiefst; wir wollen aber auf diese verwickelten Verh\u00e4ltnisse weiter nicht eingehen.\nIch erw\u00e4hne noch den Fall, wo das schwarzweifse Feld aus ganz schmalen Streifen besteht, die parallel zueinander in der Fl\u00e4che liegen. Verlaufen die Streifen schief, so kann man auf einem solchen Muster das \u201eStreifenph\u00e4nomen\u201c von Rollet1 zu sehen bekommen. Das Ph\u00e4nomen stellt sich bekanntlich in der Regel nicht gleich im ersten Moment des Beobachtens ein, und manche Personen bekommen es \u00fcberhaupt nur schwer zu sehen. Bemerkenswert ist die Tatsache, dafs bei solchen Personen das Zukneifen der Augen das Wahrnehmen des Ph\u00e4nomens sehr erleichtern kann. Man kann auf demselben Muster auch Farbenph\u00e4nomene beobachten, die aber von den oben beschriebenen Farbenerscheinungen wohl zu unterscheiden sind. Fixiert man es n\u00e4mlich mit stark zusammenengekniffenen Augen, so dafs die Lidspalte m\u00f6glichst eng bleibt, dann erscheinen die schwarzen Streifen in bunten Farben, welche von einem Streifen zum anderen wechseln. Der Eindruck, den man dabei hat, ist demjenigen \u00e4hnlich, welchen die Streifen auf rotierenden Scheiben hervorrufen, mit deren Hilfe man die sog. FECHNEEschen Farben erzeugt (schwarzweifse Scheibe mit schwarzen B\u00f6gen).2\nIch habe schon gesagt, dafs das Sehen mit zugekniffenen Augen das Bemerken des RoLLETsehen Ph\u00e4nomens erleichtern kann. Man kann diesen Kunstgriff auch in anderen F\u00e4llen mit Erfolg anwenden, so z. B. bei PKEYERschem Muster3, das aus kleinen weifsen auf schwarzem Felde nebeneinander liegenden Kreisen besteht. Die weifsen Kreise verwandeln sich bekanntlich beim Sehen aus einer gewissen Entfernung in Polygone und bekommen in der Mitte dunkle Schatten. Bei zugekniffenen Augen kann man diese Erscheinung auch aus einer Entfernung sehen, bei welcher sie unter gew\u00f6hnlichen Umst\u00e4nden sich noch nicht\n1\tE. Eollet. \u00dcber ein subjektives optisches Ph\u00e4nomen. Zeitschr. f. Sinnespliysiol. 46.\n2\tAbgebildet u. a. auch bei W. Bagley, An investigation of Fechners colors. Am. Journ. of Psychol. 13, S. 507.\n3\tAbgebildet in On certain Optical Phaenomena (Letter from W. Preyer to E. C. Sanford), Am. Journ. of Psychol. 9.","page":83},{"file":"p0084.txt","language":"de","ocr_de":"84\nStephan Baley.\neinstellt.1 Bei l\u00e4ngerer Fixierung tritt auch auf diesem Muster nach der fr\u00fcher angegebenen Regel die bunte F\u00e4rbung auf.\nAls ich die hier berichteten Tatsachen u. a. auch Herrn P. F. Swindle mit der Bitte um Kontrolle vorlegte, teilte er mir mit, dafs er den Einflufs des Zukneifens der Augen auf die Erscheinungsweise der Farben schon fr\u00fcher bemerkt hatte, und dafs er die diesbez\u00fcglichen Tatsachen in einer Abhandlung verwerten wird, die jetzt schon abgeschlossen ist, und demn\u00e4chst ver\u00f6ffentlicht werden wird. Seine Abhandlung soll auch eine Erkl\u00e4rung der Erscheinnngen bringen. Ich will den Ausf\u00fchrungen des Herrn Swindle nicht vorgreifen.\n1 Die Erscheinung tritt auch dann ein, wenn man die Augen m\u00f6glichst weit \u00f6ffnet, wodurch die Aug\u00e4pfel gewissermafsen nach vorne gedr\u00e4ngt werden. Sieht man bei solcher Stellung der Augen das Muster etwas l\u00e4nger an, dann beginnen bald bunte Farben sich auf dem Muster bemerkbar zu machen. Ich sehe davon ab, dieser Erscheinung hier weiter nachzugehen.","page":84}],"identifier":"lit33669","issued":"1916","language":"de","pages":"79-84","startpages":"79","title":"Mitteilungen \u00fcber das Sehen der Farben bei halbgeschlossenen Augen","type":"Journal Article","volume":"49"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:51:45.286522+00:00"}

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