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{"created":"2022-01-31T13:58:11.306475+00:00","id":"lit33675","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"Kries, J. von","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 49: 297-315","fulltext":[{"file":"p0297.txt","language":"de","ocr_de":"297\n(Aus dem physiologischen Institut zu Freiburg i. B.)\nMessende Versuche \u00fcber die Funktionsstellung im\nSehorgan.\n(Nach Beobachtungen von Herrn Dr. Ludwig Schmidt. l)\nVon\nJ. von Keies.\nGeht man von der Annahme aus, dafs das Sehorgan sich aus den beiden, peripher durch die Zapfen und die St\u00e4bchen repr\u00e4sentierten Bestandteilen zusammensetzt, von denen der eine vorzugsweise dem lagessehen, der andere dem D\u00e4mmerungssehen dient, so mufs man sich des Weiteren vorstellen, dafs ganz im allgemeinen die Funktion eine kombinierte ist, an der jene beiden Bestandteile in wechselnder Weise beteiligt sein k\u00f6nnen. Als sicher kann in dieser Hinsicht W<jP gelten, dafs unterhalb eines gewissen Lichtwertes, der Zapfenschwelle, die Funktion einheitlich und zwar lediglich durch die St\u00e4bchen vermittelt ist. Und sehr wahrscheinlich ist auch, dafs man durch starke Helladaptation (z. B. indem man f\u00fcr einige Minuten gegen den hellen Himmel blickt) f\u00fcr einige Zeit einen Zustand herbeif\u00fchren kann, bei dem eine Funktion der St\u00e4bchen ganz fehlt oder doch auf ein kaum bemerkbares Mafs herabger\u00fcckt ist.2 Sehen wir von diesen\n\\ gl. Ludw ig Schmidt. Quantitativ\u00a9 Ermittelungen \u00fcber die Funktionsteilung im Sehorgan. Dissertation Freiburg 1914, wo noch einige hier beiseite gelassene Einzelheiten der Untersuchung mitgeteilt sind.\n2 Hierf\u00fcr spricht u. a. die genaue \u00dcbereinstimmung der bei guter Helladaptation zu erhaltenden Peripheriewerte mit den parazentral ermittelten Minimalfeld- und Minimalzeithelligkeiten. Vgl. dar\u00fcber Zahn. \u00dcber den Helligkeitswert reiner Lichter bei kurzen Wirkungszeiten. Diese Zeitschrift 46, S. 293. 1912.\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 49.\n20","page":297},{"file":"p0298.txt","language":"de","ocr_de":"298\nJ. von Kries.\nextremen F\u00e4llen ab, so sind wir \u00fcber die Art der Funktionsteilung zwar qualitativ unterrichtet: mit zunehmender Helligkeit treten jedenfalls die Zapfen immer mehr in den Vordergrund und die St\u00e4bchen zur\u00fcck ; quantitativ jedoch k\u00f6nnen wir vorderhand bestimmte Angaben nicht machen. Die sch\u00e4tzungsm\u00e4fsige Veranschlagung, die ich unl\u00e4ngst in dieser Richtung versucht habe,1 besitzt daher auch nur die Bedeutung einer gr\u00f6beren Orientierung. Messende Ermittelungen sind nun auch nicht unter beliebigen Bedingungen ausf\u00fchrbar. Sobald in der Funktion der Zapfen die farbigen Qualit\u00e4ten auftreten, wird ihre Leistung mit derjenigen der St\u00e4bchen unvergleichbar. Dagegen ist f\u00fcr Ermittelungen dieser Art eine geeignete Grundlage da gegeben wo auch die Zapfen nur eine farblose Helligkeitsempfindung liefern, namentlich also beim Sehen mit stark exzentrischen Netzhautteilen. F\u00fcr diese schwankt das Helligkeitsverh\u00e4ltnis zweier verschiedener Lichter, z. B. eines lang- und eines kurzwelligen, oder eines farbigen und des gemischten weifsen je nach Adaptation und absoluter Helligkeit zwischen zwei \u00e4ufsersten Werten, von denen, wie wir annehmen d\u00fcrfen, der eine der ausschliefslichen Funktion der St\u00e4bchen, der andere einer reinen T\u00e4tigkeit der Zapfen entspricht. Findet man unter mancherlei beliebig herzustellenden Bedingungen eine Einstellung jenes Verh\u00e4ltnisses auf Betr\u00e4ge, die sich zwischen jenen Extremen bewegen, so werden diese geeignet sein, uns von dem Zusammenwirken der beiden Organteile ein Bild zu verschaffen. Damit ist die M\u00f6glichkeit gegeben jene uns qualitativ, dem Sinne nach bekannte Abh\u00e4ngigkeit des Genaueren messend festzulegen.\nDie weitere Erw\u00e4gung der hier bestehenden Verh\u00e4ltnisse und der Art wie die Versuchsbedingungen zu gestalten sind, f\u00fchrt uns sogleich auf einige im voraus kurz zu besprechende Punkte. Die Beteiligung der beiden Sehepithelien h\u00e4ngt wie bekannt einerseits vom Adaptationszustande, andererseits aber auch von der absoluten St\u00e4rke der Lichter ab, mit denen die Funktion gepr\u00fcft wird.2 Diese beiden Umst\u00e4nde sind jedoch insofern untereinander verkn\u00fcpft, als ja die Belichtung wiederum den\n1\ty. Kries. \u00dcber die Funktionsteilung im Sehorgan und die Theorie der Nachtblindheit. Klinische Monatsbl\u00e4tter f\u00fcr Augenheilkunde 49 (N. F. 11), S. 241 1911.\n2\tVgl. hier\u00fcber y. Kries. Die Gesichtsempfindungen. Nagels Hand-buch der Physiologie 3, S. 180.","page":298},{"file":"p0299.txt","language":"de","ocr_de":"Messende Versuche \u00fcber die Funktionsstellung im Sehorgan\n299\nAdaptationszustand modifiziert und auf die Dauer bestimmt. Wollten, wir daher pr\u00fcfen wie sich ein Auge in mittlerem Adaptationszustande gegen\u00fcber sehr starken oder sehr schwachen Lichtern verh\u00e4lt, so w\u00fcrde w\u00e4hrend der Pr\u00fcfung der Zustand sich \u00e4ndern. Schwierigkeiten dieser Art machen sich wie bekannt in st\u00f6render Weise geltend, wenn man verschiedene Adaptationszust\u00e4nde durch Ermittelung von Schwellenwerten zu charakterisieren versucht. Wie weit sie sich durch eine sehr schnelle Ausf\u00fchrung der betreffenden Ermittelungen \u00fcberwinden lassen, mag hier dahingestellt bleiben. F\u00fcr den hier verfolgten Zweck erschien es m\u00f6glich und daher ratsam ihnen dadurch ganz auszuweichen, dafs man die Funktionsweise immer gerade f\u00fcr dasjenige Licht pr\u00fcft, dem das Auge auch vorher l\u00e4ngere Zeit ausgesetzt gewesen ist, und durch dessen Einwirkung sich der Adaptationsgiad bestimmt hat. In diesem falle wird sich der Adaptationszustand durch die Ausf\u00fchrung der Pr\u00fcfungen nicht \u00e4ndern. \u00dcbeidies ist es auch in erster Linie von Interesse zu erfahren wie das Auge gegen\u00fcber bestimmten Lichtst\u00e4rken gerade dann funktioniert, wenn es eben diesen Lichtern f\u00fcr l\u00e4ngere Zeit ausgesetzt ist und sich ihnen angepafst hat. Als Grundgedanke des Veisuchsplanes ergab sich hiernach der, die Funktionsweise des Auges mit einer Anzahl passend zu w\u00e4hlender Lichtst\u00e4rken zu pi\u00fcfen, und zwar so, dals es der Einwirkung jedes dieser Lichter hinreichend lange ausgesetzt w\u00fcrde um einen bestimmten, eben nach dieser Lichtst\u00e4rke sich richtenden Adaptationsgrad zu en eichen, und dafs dann bei eben dieser Beleuchtungsst\u00e4rke das Helligkeitsverh\u00e4ltnis zweier Lichter ermittelt w\u00fcrde, bei dem sie, exzentrisch und infolgedessen farblos gesehen, gleich erscheinen.\nDa bei reinen (spektralen) Lichtern weit gr\u00f6fsere Unterschiede des Tages- und D\u00e4mmerungssehens erhalten werden k\u00f6nnen als bei den gemischten Lichtern farbiger Papiere, so konnte die Benutzung der ersteren zun\u00e4chst wohl ratsamer erscheinen. Indessen bringt die Methode, die zur Bestimmung der Peripheriewerte reiner Lichter sonst geeignet ist,1 hier eine Leihe von Un-zutr\u00e4ghchkeiten mit sich, die namentlich mit der Notwendigkeit, einen Okularspalt zu benutzen, in Zusammenhang stehen. Da sich zeigte, dafs auch f\u00fcr farbige Papiere die \u00c4nderung der\nS. y. Kries. \u00dcber die Farbenblindheit der Netzhautperipherie. Diese Zeitschrift 15, S. 253, 1897.\n20*","page":299},{"file":"p0300.txt","language":"de","ocr_de":"300\nJ. von Kries.\nHelligkeitsverh\u00e4ltnisse noch grofs genug ist, um die zu erwartenden Abstufungen mit gen\u00fcgender Genauigkeit zu verfolgen, so ist dieses Verfahren zun\u00e4chst benutzt worden. Es wurde in erster Linie ein rotes und ein graues Papier verwendet. Das rote war das sehr ges\u00e4ttigte, im Farbenton dem spektralen Rot nahekommende der RoTHE\u2019schen Sammlung. Zu diesem wurde zun\u00e4chst aus einer sehr fein abgestuften Reihe grauer Papiere dasjenige herausgesucht, das ihm bei stark herabgesetzter Beleuchtung und guter Dunkeladaptation gleich erschien, oder wie wir kurz sagen wollen, ihm d\u00e4mmerungsgleich war. Bei hoher Beleuchtung und maximaler Helladaptation besafs das Rot einen Peripheriewert, der rund das 4,3 fache von dem des Grau betrug. Bei irgendeinem durch die dauernde Einwirkung eines bestimmten Lichtes erzielten Adaptationsgrades und Pr\u00fcfung mit eben dieser Lichtst\u00e4rke waren somit Verh\u00e4ltnis werte zwischen Rot und Grau zu erwarten, die sich zwischen jenen beiden Extremen 1:1 und 1:4,3 bewegten, wie sich auch ohne weiteres best\u00e4tigte. Gleich hier sei betont, dafs die Vergleichungen nat\u00fcrlich nur dann eine bestimmte Bedeutung haben, wenn die Beleuchtung des grauen und roten Papieres im einen und anderen Falle mit Lichtern von verschiedener absoluter St\u00e4rke, aber qualilativ gleicher Zusammensetzung stattfindet. In voller Strenge l\u00e4fst sich dieser Forderung bekanntlich \u00fcberhaupt nicht gen\u00fcgen. F\u00fcr die hier verfolgten Zwecke erschien es gen\u00fcgend, durchweg Metallfadenlampen zu benutzen, die bei normaler Spannung brannten. Die Ver\u00e4nderung der Beleuchtung geschah in erster Linie durch Wechsel des Abstandes. Doch erschien es unbedenklich Lampen von gleicher Art aber verschiedener Kerzenst\u00e4rke zu verwenden. Dagegen wurde es vermieden, bei der Beleuchtung des grauen und roten Papieres Abschw\u00e4chungen durch dunkle Gl\u00e4ser u. dgl. zu verwenden, da durch diese die Zusammensetzung des Lichtes mehr oder weniger ge\u00e4ndert wird.1\nDurch eine Reihe von Vorversuchen war vor allem festzustellen, welche Helligkeiten \u00fcberhaupt zweckm\u00e4fsig zu verwenden w\u00e4ren. Es zeigte sich dabei (wodurch die Versuche in erw\u00fcnschter Weise vereinfacht wurden), dafs es nicht notwendig wrar sehr hohe Helligkeiten zu verwenden. Vielmehr gen\u00fcgte\n1 F\u00fcr die Feldbeleuchtung, bei der die genaue Einhaltung der Lichtqualit\u00e4t nicht von so grofser Bedeutung war, ist, wie unten zu erw\u00e4hnen, diese Methode der Abschw\u00e4chung auch herangezogen worden.","page":300},{"file":"p0301.txt","language":"de","ocr_de":"Messende Versuche \u00fcber die Funktionsstellung im Sehorgan.\n301\ndie Helligkeit eines mit 30 MK. beleuchteten weifsen Papiers schon um Werte zu erhalten, die den bei maximaler Helladaptation zu erhaltenden ziemlich nahe kamen (Verh\u00e4ltniswerte von 3,8 und dar\u00fcber). Dagegen erwies sich als notwendig bis zu Beleuchtungen von etwa 0,01 MK. herunterzugehen um dem einem reinen D\u00e4mmerungssehen entsprechenden Wert 1 hinreichend nahe zu kommen. Teils diese Tatsache teils andere bei den Vorversuchen gemachte Erfahrungen liefsen die folgende Versuchsanordnung als geeignet erscheinen.\nUm f\u00fcr die Helligkeitsvergleichung eine m\u00f6glichst grofse Sicherheit zu gewinnen, empfahl sich nach bekannten Erfahrungen die Methode des Flecks, d. h. eine Einrichtung, bei der das eine der zu vergleichenden Lichter von dem anderen rings umschlossen wird, \u00fcberdies durch keine sichtbare Grenzlinie getrennt ist. Gewohnten Verfahrungsweisen gem\u00e4ls wurde auch hier so zu V erke gegangen, dafs das eine Licht durch einen ersten mit einer \u00d6ffnung versehenen Schirm gegeben ist, das andere durch einen hinter jener \u00d6ffnung angebrachten und durch sie sichtbaren zweiten Schirm. Um die beiden Schirme in der gew\u00fcnschten Weise unabh\u00e4ngig voneinander zu beleuchten, wurden (gleichfalls der \u00dcbung entsprechend) zwei aneinanderstofsende Zimmer benutzt. In dem einen befand sich der das Feld bildende Schirm und in ihm hatte auch der Beobachter seinen Platz; im anderen war der zweite Schirm und die f\u00fcr seine Beleuchtung zu verwendenden Apparate aufgestellt. In der die beiden R\u00e4ume verbindenden T\u00fcr war eine der \u00d6ffnung des Feldschirmes korrespondierende \u00d6ffnung angebracht.\nWas die Anordnungen im ersteren Zimmer anlangt, so war die Stellung des Beobachters durch einen Kopfhalter so fixiert, dafs das beobachtende Auge etwa 50 cm von der \u00d6ffnung entfernt war und die gegen diese gezogene Linie etwa senkrecht auf der Ebene des Schirmes stand. Dieser selbst wurde durch ein weifses Papier von solcher Ausdehnung gebildet, dafs es zwar nicht das Ganze aber den gr\u00f6fsten Teil des Gesichtsfeldes einnahm. Seitlich neben der \u00d6ffnung konnte eine Fixiermarke angebracht werden, so dafs der Fleck in passender Exzentrizit\u00e4t gesehen wurde.\nDie Beobachtungen mufsten, wie aus dem eingangs Gesagten hervorgeht, so ausgef\u00fchrt werden, dafs sowohl wenn das graue als wenn das rote Papier durch die \u00d6ffnung gesehen wurde, der","page":301},{"file":"p0302.txt","language":"de","ocr_de":"302\nJ. von Kries.\nFleck zum Verschwinden, d. h. v\u00f6lligem Gleicherscheinen mit der Umgebung gebracht werden konnte, also unter Bedingungen, die keine Farbenunterscheidung gestatteten. Wie bekannt, ist die Grenze einer total farbenblinden Zone eine relative und namentlich von der Gr\u00f6fse des farbigen Bezirkes abh\u00e4ngig. Die Beobachtungen wurden in erster Linie mit hoher Exzentrizit\u00e4t (32 Grad Abstand) im nasalen Gesichtsfelde ausgef\u00fchrt. Hier war eine Gr\u00f6fse der \u00d6ffnung von 1 cm (entsprechend bei 50 cm. Abstand einer Winkelgr\u00f6fse von 1,2 Grad) geeignet. Doch wurden sp\u00e4ter auch andere Netzhautstellen gepr\u00fcft, worauf unten zur\u00fcckgekommen werden soll.\nDa die Feldbeleuchtung innerhalb der vorhin erw\u00e4hnten, immer noch ziemlich weiten Grenzen in quantitativ fixierter Weise gewechselt werden mufste, so war nat\u00fcrlich k\u00fcnstliche Beleuchtung anzuwenden. Das Zimmer wTar daher durch lichtdichte L\u00e4den verdunkelt und die Beleuchtung wurde durch eine in ein lichtdichtes Geh\u00e4use eingesetzte elektrische Lampe bewirkt. Der Wechsel der Beleuchtung geschah in erster Linie durch Verstellung der Lampe, die zu diesem Zweck auf einer passenden Schlittenbahn angebracht war. Da indessen die Entferung nicht wohl kleiner als 0,5 und nicht gr\u00f6fser als 4 m gemacht werden konnte, so liefs sich die Beleuchtung auf diese Weise nicht so ausgiebig ver\u00e4ndern als es geboten war. Es wurden daher auch um schw\u00e4chere Beleuchtungen zu erzielen der Lampe mehr oder minder geschw\u00e4rzte photographische Platten vorgesetzt, deren Verdunklungswerte photometrisch ermittelt wurden.1\nWas die Anordnung des zweiten Zimmers anlangt, so konnte hier als Fleck, also hinter der \u00d6ffnung und durch sie sichtbar, nach Belieben ein mit dem roten oder ein mit dem d\u00e4mmerungsgleichen grauen Papier \u00fcberzogener kleiner Schirm angebracht werden. Beleuchtet wurde dieser von einer wiederum auf einer\n1 Um den Verdunkelungswert der Platten zu bestimmen, konnte die f\u00fcr die Beobachtungen selbst dienende Versuchseinrichtung ohne weiteres benutzt werden. Es war nur n\u00f6tig das Feld ohne sonstige \u00c4nderung abwechselnd mit und ohne Einschaltung der betreffenden Platte zu beleuchten und die Stellungen der den Fleck beleuchtenden Lampe zu ermitteln, die im einen und anderen Falle zur Erzielung von Gleichheit erforderlich waren. Zweckm\u00e4fsig war dabei nat\u00fcrlich das graue Papier zu verwenden, wobei dann, da keine Farbendifferenz zwischen Fleck und Feld bestand, die Einstellungen auch mit direkter Fixation gemacht werden konnten.","page":302},{"file":"p0303.txt","language":"de","ocr_de":"Messende Versuche \u00fcber die Funktionsstellung im Sehorgan.\n303\nSchlittenf\u00fchrung angebrachten Lampe. Die Richtung dieser Verschiebung war der die Zimmer trennende Wand parallel, somit senkrecht auf die Richtung der Beobachtung. Der Schirm wurde so aufgestellt, dafs seine Ebene den Winkel dieser beiden Richtungen halbierte: er wurde also unter 45 Grad beleuchtet und unter dem gleichen Winkel betrachtet. Die den Fleck beleuchtende Lampe konnte vom Beobachter mittels eines Schnurlaufes verschoben werden. Um bei einer bestimmten Feldbeleuchtung abwechselnd f\u00fcr das graue und rote Papier einzustellen, wurde stets nur die Entfernung der den Fleck beleuchtenden Lampe ge\u00e4ndert. Dagegen mufsten f\u00fcr verschiedene Feldbeleuchtungen, um in passenden Entfernungsgrenzen zu bleiben, verschiedene Lampen zur Beleuchtung des Flecks verwendet werden.\nDer allgemeine Gang der Versuche war nun der, dafs dem Felde eine passende Beleuchtung gegeben wurde und das Auge ohne gerade streng zu fixieren, ann\u00e4hernd auf die erw\u00e4hnte Marke gerichtet blieb. So war namentlich die zu pr\u00fcfende Netzhautstelle, auf der sich der Fleck abbildet, der gew\u00fcnschten St\u00e4rke der Belichtung ausgesetzt. War dies f\u00fcr eine hinreichend lange Zeit geschehen, um die Erreichung eines ann\u00e4hernd bestimmten und f\u00fcr diese Belichtung definitiven Adaptationszustandes annehmen zu k\u00f6nnen, so wurde zun\u00e4chst ein rotes, dann ein graues, dann wieder ein rotes als Fleck angebracht und f\u00fcr jedes die Lampe so eingestellt, dafs das betreffende Papier der Umgebung gleich erschien, der Fleck also verschwand. Das Verh\u00e4ltnis der f\u00fcr das eine und andere Papier erforderlichen Beleuchtungen wird gegeben durch das der Quadrate der im einen und anderen Falle erforderlichen Entfernungen und stellt den uns interessierenden, wie schon gesagt, zwischen 1 und 4,3 sich bewegenden Wert dar.\nEin Punkt, der zu mancherlei Bedenken Anlafs geben konnte, betrifft die zeitliche Anordnung der Versuche. Im Hinblick auf bekannte Tatsachen konnte zun\u00e4chst bef\u00fcrchtet werden, dafs f\u00fcr jede Beleuchtung ein bestimmter Adaptationszustand erst nach sehr langer Zeit sich einstellen werde und dafs daher die Beobachtungen, wenn man sie nicht mit einem kaum durchf\u00fchrbaren Zeitaufwand belasten wollte, sehr schwankende Ergebnisse liefern w\u00fcrden. Indessen liefsen schon die Vorversuche erkennen, dafs dies nicht der Fall war. Und es kamen wohl mehrere Umst\u00e4nde in Betracht, die die hierin liegende Schwierig-","page":303},{"file":"p0304.txt","language":"de","ocr_de":"304\nJ. von Kries.\nkeit sehr einschr\u00e4nkten. Zun\u00e4chst schon der, dafs eine Variierung der Helligkeiten nur innerhalb nicht gar zu weiter Grenzen erforderlich war, insbesondere keine gr\u00f6fseren Helligkeiten als eine Beleuchtung des weifsen Papieres mit 30 Mk. angewandt zu werden brauchten. \u00dcberdies aber war es auch nicht erforderlich pl\u00f6tzlich von einem zum anderen Extrem \u00fcberzugehen, sondern es konnten sich die Versuche mit gradatim abgestuften Helligkeiten aneinander schliefsen, so dafs das Auge sich bei jeder Stufe auf eine Helligkeit einzustellen hatte, die von der vorauf-srehenden nicht sehr stark verschieden war. Es ist wohl diesen Umst\u00e4nden zuzuschreiben, dafs der Beobachter ziemlich bald zu einem Verfahren gelangte, das sich durch die Ergebnisse selbst als geeignet und gen\u00fcgend erwies. In der Regel wurden nach l\u00e4ngerem Aufenthalt im tageshellen aber nicht gerade stark beleuchteten Zimmer die Versuche mit der h\u00f6chsten der zu benutzenden Beleuchtungen (25 oder 30 MK.) begonnen. Dieser wurde das Auge f\u00fcr 10 Minuten ausgesetzt, ohne dafs Beobachtungen gemacht wurden. Der Blick wurde dabei ann\u00e4hernd gegen die Fixiermarke gerichtet, ohne dafs jedoch eine strenge Fixation eingehalten wurde. Nach Verlauf dieses Vorbereitungsstadiums begannen die Einstellungen und zwar so, dafs in Zwischenr\u00e4umen von drei Minuten abwechselnd mit dem grauen und mit dem roten Papier eine Einstellung gemacht wurde. Im ganzen wurden f\u00fcr eine Beleuchtung 7 Einstellungen gemacht, vier mit dem einen, drei mit dem anderen. In der gleichen Weise wurde dann auch f\u00fcr jede folgende Helligkeitsstufe verfahren: das Auge wurde ihr zun\u00e4chst w\u00e4hrend 10 Minuten ansgesetzt, ohne dafs Bestimmungen ausgef\u00fchrt wurden; sodann wurden in einer im ganzen etwa 20 Minuten umfassenden Zeit die Bestimmungen gemacht.\nDas Auge war also einer bestimmten Beleuchtung im ganzen etwa 31 Minuten ausgesetzt, von denen 10 lediglich der Vorbereitung dienten, w\u00e4hrend in den folgenden 20 die Beobachtungen ausgef\u00fchrt wurden. Da die Ergebnisse der innerhalb dieses Zeitraumes aufeinander folgenden Einstellungen stets innerhalb der Fehlergrenzen \u00fcbereinstimmten, niemals aber eine \u00c4nderung in einem bestimmten Sinne erkennen liefsen, so darf wohl angenommen werden, dafs unter den hier eingehaltenen Bedingungen schon nach der Einwirkung eines Lichtes von 10 Minuten ein ann\u00e4hernd definitiver Zustand erreicht war.","page":304},{"file":"p0305.txt","language":"de","ocr_de":"Messende Versuche \u00fcber die Funktionsstellung im Sehorgan.\n305\nAus diesem Gange der Versuche ergab sich ohne Weiteres auch zugleich die z^eckm\u00e4fsige Art der Berechnung. Verglichen wurde stets ein f\u00fcr Rot erhaltener Entfernungswert mit dem arithmetischen Mittel der vorher und der nachher f\u00fcr Grau erhaltenen. Das Verh\u00e4ltnis ihrer Quadrate ergibt einen Verh\u00e4ltniswert. Bei sieben Einstellungen werden drei solcher Quotienten erhalten, deren arithmetisches Mittel das Ergebnis darstellt. Als Beispiel eines Versuches sei die nachstehende kleine Tabelle raitgeteilt.\nTabelle 1.\n\tLampenabst\u00e4nde in cm.\t\tQuotient der\n\tGrau 1\tKot\tQuadrate\n0. Minute\tI 354 (beobachtet)\t\t\n3-\t\u201e\t| i\t340,5 (errechnet) QQ7\t644 (beobachtet)\t3,594\n\u00df. \u201e\t\u00d6Cj i (beobachtet)\t\t\n1 9\t331,5\t609\t3.377\n\u00bb\t(errechnet)\t(beobachtet)\t\n12. \u201e\t336 (beobachtet)\ti 1\t\n15.\t\u201e\t335 (errechnet)\t628 (beobachtet)\t3,514\nh-L 00\t334 (beobachtet)\t|\t\nAuf diese Weise konnten innerhalb einer Versuchsreihe, die etwa drei Stunden in Anspruch nahm, die sechs Helligkeiten, auf die die Beobachtungen sich erstrecken sollten, durchgepr\u00fcft werden.\nDie Hauptergebnisse der in dieser Art angestellten Versuche sind in den iolgenden Tabellen 2\u20144 wiedergegeben. Diese enthalten im ersten Stabe die Feldbeleuchtungen ; jeder folgende V ertikalstab enth\u00e4lt die Ergebnisse einer Versuchsreihe. Dabei ist zu beachten, dals jede Zahl in der soeben erw\u00e4hnten Weise aus 7 einzelnen Einstellungen berechnet ist, also schon die Bedeutung eines Mittelwertes aus mehreren Beobachtungen besitzt. Im letzten Stabe ist f\u00fcr jede Feldbeleuchtung das Mittel aus den 6 bzw. 5 in den einzelnen Versuchsreihen erhaltenen Werte berechnet. Die Versuchsreihen in Tab. 2 und 3 sind von Herrn","page":305},{"file":"p0306.txt","language":"de","ocr_de":"306\nJ. von Kries.\nSchmidt ausgef\u00fchrt worden, und zwar die der ersteren s\u00e4mtlich in den Nachmittagsstunden, die der letzteren s\u00e4mtlich Vormittags, die in Tab. 4 sind von einem anderen Beobachter (H.) ausgef\u00fchrt (Vormittags). Endlich ist noch anzuf\u00fchren, dafs die Beobachtungen der Tab. 2 und 4 mit der vorhin erw\u00e4hnten Exzentrizit\u00e4t, 32 Grad, die der Tab. 3 mit etwas kleinerer, 24 Grad, angestellt wurden.\nTa bel le 2.\nBeob. Schm. Feld 32 Grad Abstand vom Zentrum nasal.\nFeld- beleuchtung\t\t2.\t3.\t4.\t5.\t6.\tMittel\n25\t3,934\t\t3,474\t\t3,609\t\t1 : 3,672\n15\t3,469\t3,617\t3,290\t3,302\t3,241\t3,369\t1 : 3,381\n5\t3,107\t3,245\t2,803\t2,989\t2,932\t3,063\t1 : 3,023\n1\t2,497\t2,485\t2,090\t2,238\t2,196\t2,269\t1 : 2,299\nCO o\t1,867\t1,845\t1,456\t1,384\t1,328\t1,614\t1 : 1,584\n0,01\t1,412\t1,831\t1,026\t1,117\t1,029\t1,204\t1 : 1,270 i\nTabelle 3.\nBeob. Schmidt. Feld 24 Grad Abstand vom Zentrum nasal.\nFeld beleuehtung\t1.\t2.\t3.\t4.\t5. \t\t6.\tMittel\n25\t3,245\t3,447\t\t3,601\t3,550\t3,683\t1 : 3,505\n15\t3,113\t3,264\t3,488\t3,306\t3,433\t3,408\t1 : 3,335\n5\t2,672\t2,820\t3,077\t2,982\t2,881\t2,811\t1 : 2,874\n1\t2,119\t2,187\t2,358\t2,313\t2,219\t2,278\t1 : 2,460\n0,3\t1,553\t1,576\t1,793\t1,744\t1,684\t1,710\t1 : 1,677\nTabelle 4.\nBeob. H. Feld 32 Grad Abstand vom Zentrum nasal.\nFeld- beleuchtung\t1.\t2.\t3.\t4.\t5.\t| Mittel i\n25\t3,495\t3,407\t3,653\t3,548\t3,439\t1 : 3,508\n15\t3,248\t\t3,119\t3,231\t3,187\t1 : 3,196\n5\t3,071\t3,010\t3,077\t2,976\t2,878\t1 : 3,002\n1\t!\t2,339\t2,336\t2,355\t2,187\t2,069\t1 : 2,257\n0,3\t1,679 i\t7\t2,048\t1,618\t1,649\t1,654\t1 : 1,729\n0,01\t1,517\t1,494\t1,214\t1,210\t1,299\ti 1 : 1,347 !","page":306},{"file":"p0307.txt","language":"de","ocr_de":"Messende Versuche \u00fcber die Funktionsstellung im Sehorgan.\n307\nAn den Ergebnissen sei hier Folgendes hervorgehoben. Es zeigt sich zun\u00e4chst, dals in der Tat die Helligkeitsverh\u00e4ltnisse Rot/Grau mit sinkender Beleuchtung und entsprechender \u00c4nderung der Adaptation mit grofser Regelm\u00e4fsigkeit abnehmen, namentlich auch die Werte f\u00fcr mittlere Beleuchtungen in den einzelnen Versuchsreihen leidliche \u00dcbereinstimmung aufweisen, worauf sogleich noch zur\u00fcckzukommen ist. Die bei 25 Mk. erhaltenen Werte bleiben mit 3,5 bis 3,8 hinter den einer maximalen Helladaptation entsprechenden noch um einen nicht ganz unerheblichen Betrag zur\u00fcck. Ebenso wird auch bei der Beleuchtung 0,01 Mk. der einem reinen D\u00e4mmerungssehen entsprechende Wert 1 noch nicht ganz erreicht. \u2014 Zwischen den Ergebnissen der beiden Beobachter sowie auch zwischen denjenigen, die der eine bei den Vormittags- und den Nachmittagsbeobachtungen erhalten hat, ist ein sicherer und konstanter Unterschied nicht festzustellen, wie dies die folgende Zusammenstellung der Gesamtmittel noch deutlicher hervortreten l\u00e4fst, bei der im ersten Stabe die Beleuchtungen in Mk., im zweiten, dritten und vierten die Mittelwerte der ersten und zweiten Beobachtungsserie von Schmidt, sowie derjenigen von H. aufgef\u00fchrt.\nTabelle 5.\nMK. li\tSi\ts2\tH\n|i 25\t3,67\t3,50\t3,51\n15\t3,38\t3,33\t3,20\n! 5\t3,02\t2,87\t3,00\n1\t2,30\t2,46\t2,26\n\u00b0,3\t!\tGO LO rH\t1,68\t1,73\n0,01\t1,27\t\t1,35\nVon einigem Interesse ist es, dafs f\u00fcr den einen Beobachter (Schmidt), von dem die Tab. 2 und 3 herr\u00fchren, ein deutlicher Unterschied der einzelnen Versuchsreihen zu bemerken ist. In der Tab. 2 sind die Zahlen des Stabes 2 die h\u00f6chsten, die der Versuchsreihe 3 die niedrigsten ; zwischen sie ordnen sich die \u00fcbrigen etwa in der Reihenfolge 1 6 4 5 ein. \u2014 Es d\u00fcrfte hieraus hervorgehen, dafs der Zustand des Sehorgans ein etwas schwankender ist, so zwar, dafs unter sonst gleichen Bedingungen","page":307},{"file":"p0308.txt","language":"de","ocr_de":"308\nJ. von Kries.\ndurchweg an einem Tage etwas niedrigere Zahlen erhalten werden, im Sinne der Theorie also die St\u00e4bchen etwas st\u00e4rker funktionieren oder die Bildung des Sehpurpurs etwas lebhafter ist, als am anderen. Eine Tatsache, die von einigem Interesse ist, \u00fcbrigens nicht besonders befremden kann. \u00dcber den Grund dieser Schwankungen hat sich etwas Bestimmtes nicht ermitteln lassen. Ein Einflufs der Tageszeit ist auch in dieser Hinsicht nicht bemerkbar. Denn auch in der Tab. 3, die die Vormittagsbeobachtungen von Schm, enth\u00e4lt, tritt der Unterschied der einzelnen Tage \u00e4hnlich hervor. Die Reihen ordnen sich deutlich in die Folge 3 6 4 5 2 1, so dafs wir wenigstens \u00fcberwiegend bei 3 die h\u00f6chsten bei 1 die niedrigsten Zahlen antreffen. \u2014 F\u00fcr den anderen Beobachter machen sich \u00e4hnliche Schwankungen nicht bemerkbar. Die Zahlen der Tab. 4 lassen sich untereinander nicht in der entsprechenden Weise ordnen.\nEhe ich auf den Versuch einer etwas eindringenderen theoretischen Verwertung und Deutung der erhaltenen Zahlen eingehe, mag noch Einiges \u00fcber ihre Abh\u00e4ngigkeit von verschiedenen Umst\u00e4nden beigebracht werden. Zun\u00e4chst erschien es von Interesse zu pr\u00fcfen wie sich (unter gleichen Bedingungen) verschiedene Teile der Netzhaut in bezug auf den relativen Anteil der St\u00e4bchen-und der Zapfenfunktion verhalten. Um hier\u00fcber Aufschlufs zu erhalten war nur erforderlich die Fixiermarke an verschiedenen Stellen anzubringen, wodurch die den Fleck bildende \u00d6ffnung an beliebige Stellen des Gesichtsfeldes gebracht werden konnte. Dabei war es allerdings notwendig, um stets unter der Farbenschwelle zu bleiben, mit abnehmenden Abstande des Flecks vom Fixierpunkt zugleich seine Gr\u00f6fse in geeignetem Mafse zu vermindern. Es sind auf diese Weise von Herrn Schm. 15 Gesichtsfeldstellen vergleichend gepr\u00fcft worden, n\u00e4mlich die in Abst\u00e4nden von 8, 16, 24 und 32 Grad vom Zentrum im nasalen temporalen oberen und unteren Meridian. Nat\u00fcrlich h\u00e4tte es sich kaum durchf\u00fchren lassen und es erschien auch nicht notwendig jede dieser Stellen f\u00fcr alle die in den ersten Versuchsreihen benutzten Beleuchtungen durchzupr\u00fcfen. Um einen Vergleich der Funktionsweise und einen Aufschlufs \u00fcber etwaige Unterschiede zu erhalten, war es gen\u00fcgend jene 15 Stellen mit einer passend gew\u00e4hlten mittleren Beleuchtung zu untersuchen. Es wurde hierzu die von 5 MK. gew\u00e4hlt. Diese Versuche enth\u00e4lt Tab. 6.","page":308},{"file":"p0309.txt","language":"de","ocr_de":"Messende Versuche \u00fcber die Funktionsstellung im Sehorgan.\nTabelle 6.\n309\n! 1\t32\u00b0\t24\u00b0\t16\u00b0\t8\u00b0\nOberes Gesichtsfeld . .\t2,726\t3,000\t3,097\t3,039\nUnteres Gesichtsfeld. .\t2,977\t2,981\t2,972\t2,951\nNasales Gesichtsfeld . .\t3,023\t2,874\t3,034\t3,021\nTemporales Gesichtsfeld\t3,327\t3,234\t\t3,150\nWie man sieht, zeigt sich in keinem der untersuchten Meridiane eine deutliche Zunahme der Zahlen mit Ann\u00e4herung an das Netzhautzentrum, Es entspricht dies der auch durch andere Beobachtungen schon wahrscheinlich gemachten Vorstellung, dafs mit wachsendem Abstande vom Netzhautzentrum das Verh\u00e4ltnis der St\u00e4bchen- und Zapfenfunktion sich zun\u00e4chst rapide \u00e4ndert, dafs aber schon in m\u00e4fsigen Abst\u00e4nden von ca. 8 Grad ein definitives Verh\u00e4ltnis erreicht wird, das dann beim Fortschritt zu noch gr\u00f6fseren Exzentrizit\u00e4ten keine erheblichen \u00c4nderungen mehr erf\u00e4hrt.1\nIm Anschlufs hieran ist noch anzuf\u00fchren, dafs der gleiche Beobachter auch die Verh\u00e4ltnis werte bei maximaler Helladaptation f\u00fcr verschiedene Netzhautstellen gepr\u00fcft hat. Hier ergaben sich f\u00fcr 32 Grad nasal 4,28, f\u00fcr 32 Grad temporal 4,24, ein Unterschied also, der durchaus in den Fehlergrenzen bleibt. Aufserdem wurde dieses Verh\u00e4ltnis auch (nach der Siebeckschen Methode der Minimalfelder2) f\u00fcr parazentrale vermutlich noch in die Fovea fallende oder ihr unmittelbar benachbarte Stellen bestimmt. Hier wurde der Wert 4,26 erhalten, der zwischen jenen beiden zuf\u00e4llig-genau in der Mitte liegt. Hie sehr ann\u00e4hernde \u00dcbereinstimmung macht wohl wahrscheinlich, dafs sich in der hier eingehaltenen Weise in der Tat eine auschliefsliche Funktion der Zapfen zur Beobachtung bringen l\u00e4fst, zugleich auch, dafs diese keine \u00f6rtlichen Unterschiede zeigt.\nVon einigem Interesse war es auch, dar\u00fcber etwas zu erfahren, in welchem Mafse etwa individuelle Unterschiede in den hier\n1\tVgl. hier\u00fcber v. Kries. \u00dcber die absolute Empfindlichkeit der verschiedenen Netzhautstellen im dunkeladaptierten Auge. Biese Zeitschrift 15, S. 336. 1897.\n2\tR. Sieeeck. \u00dcber Minimalfeldhelligkeiten. Diese Zeitschrift 41, S. 89. 1906.","page":309},{"file":"p0310.txt","language":"de","ocr_de":"310\nJ. von Kries.\ngepr\u00fcften Verh\u00e4ltnissen zur Geltung kommen. Dafs die Bef\u00e4higung zum D\u00e4mmerungssehen bei verschiedenen Personen sehr ungleich ist, (auch innerhalb derjenigen Grenzen, in denen man noch von keiner Abnormit\u00e4t sprechen wird) ist bekannt. Es war zu er-erwarten, dafs diese Unterschiede auch darin zum Ausdruck kommen w\u00fcrden, dafs f\u00fcr das Grau-Rot-Verh\u00e4ltnis unter bestimmten passend gew\u00e4hlten Bedingungen ungleiche Werte sich, ergeben w\u00fcrden. \u00c4ufsere Umst\u00e4nde brachten es leider mit sich, dafs diesen Untersuchungen nur eine geringe Ausdehnung gegeben werden konnte. Es wurden (wiederum f\u00fcr die Beleuchtung von 5 MK.) aufser von den schon erw\u00e4hnten beiden Beobachtern noch von 4 weiteren solche Bestimmungen ausgef\u00fchrt. Die erhaltenen Werte sind in Tab. 7 zusammengestellt. Der letzte Stab dieser Tabelle enth\u00e4lt die von den verschiedenen Beobachtern unter den Bedingungen maximaler Helladaptation erhaltenen Werte.\nTab. 7.\nVerh\u00e4ltnis wert\nBeobachter\tbei 5 MK.\tbei maximaler Helladaptation 1\nS.\t3,64\ti 4,50\nM.\t3,55\t4,26\nK.\t3,48\t4,41\nE.\t3,40\t4,44\nSch.\t3,02\t1\t4,26\nMan kann bemerken, dafs die letzteren, voraussichtlich einer reinen Zapfenfunktion entsprechenden Zahlen nur geringe, die Fehlergrenzen kaum \u00fcberschreitende Unterschiede aufweisen. Dagegen lassen die bei einer Adaptation auf 5 MK. erhaltenen Werte doch betr\u00e4chtlichere, die Unsicherheit der Bestimmung wohl \u00fcbersteigende Unterschiede erkennen, Unterschiede, die \u00fcbrigens den ersteren nicht parallel gehen. Hiernach d\u00fcrfte der Schlufs wohl gerechtfertigt sein, dafs in der Tat die Unterschiede der Helligkeitsverh\u00e4ltnisse bei mittleren Beleuchtungen auf Ungleichheiten der Funktionsteilung zwischen St\u00e4bchen und Zapfen zu beziehen sind. Doch wird es einer weiteren Ausdehnung \u00e4hnliche Beobachtungen bed\u00fcrfen, um Aufschlufs dar\u00fcber zu erhalten, wie grofse Unterschiede hier Vorkommen, ob sie sonstigen Unter-","page":310},{"file":"p0311.txt","language":"de","ocr_de":"Messende Versuche \u00fcber die Funktionsstellung im Sehorgan.\n311\nschieden hinsichtlich des D\u00e4mmerungssehens, namentlich solchen der absoluten Empfindlichkeit, parallel gehen, und ob sie sich zu einer Charakterisierung von Zust\u00e4nden oder Eigent\u00fcmlichkeiten des Sehorgans eignen.\nWie vorhin bereits angedeutet, w\u00fcrde es von besonderem Interesse sein, die Zahlen, die in den obigen Versuchen f\u00fcr das Helligkeitsverh\u00e4ltnis des grauen und roten Papiers erhalten werden, in genauerer Weise quantitativ zu verwerten. Entspricht einer ausschliefslichen Funktion der Zapfen der Wert 4,2, einer ausschliefslichen T\u00e4tigkeit der St\u00e4bchen der Wert 1,0, so wird bei einem zwischen diesen Extremen liegenden Werte p eine Beteiligung beider Gebilde in einem Verh\u00e4ltnis anzunehmen sein,\ndas sich rechnerisch ermitteln l\u00e4fst. Man kann zu diesem Zwecke\n\u2022 \u2022\nvon der folgenden \u00dcberlegung ausgehen. Da das benutzte graue und rote Papier \u201ed\u00e4mmerungsgleich\u201c sind, so ist bei gleicher Beleuchtung ihre Wirkung auf die St\u00e4bchen gleich. Da ferner bei aussehliefslicher Zapfenfunktion das graue n fach st\u00e4rker beleuchtet werden muls, als das rote, so wird die Zapfen Wirkung des grauen (bei gleicher Beleuchtung) mit 1 jn von derjenigen des roten zu veranschlagen sein, wenn wir jenen \u00e4ufsersten Wert 4,2 mit n bezeichnen. Nehmen wir an, dafs unter irgendwelchen Bedingungen bei der Wirkung des roten Lichtes Zapfen und St\u00e4bchen am Gesamterfolge in einem Verh\u00e4ltnis l:x, beteiligt sind, so k\u00f6nnten wir die Wirkung des roten Papieres mit 1 -[- x ansetzen ; bei gleicher St\u00e4rke der Beleuchtung wird alsdann die\ndes grauen Papieres =\u2014j-x sein. Finden wir unter irgend-\nn\tb\nwelchen Bedingungen den Verh\u00e4ltniswert p, so sagt dies, dafs\ndas graue Papier p fach st\u00e4rker beleuchtet werden mufs als\ndas rote, um diesem gleich zu erscheinen. Wir erhalten also1\n1 Bei dieser Berechnung setzen wir die Beizerfolge den Belichtungen proportional, und dies bedeutet nicht nur (was ohne Belang w\u00e4re) eine willk\u00fcrliche Messung derselben, sondern es wird dabei die positive Voraussetzung gemacht, dafs die Reizerfolge im einen und anderen Organbestandteil in \u00fcbereinstimmender Weise von der Lichtst\u00e4rke abh\u00e4ngen, so dafs, wenn einem auf die Zapfen und einem auf die St\u00e4bchen wirkenden Licht gleiche Erfolge hinsichtlich der gesehenen Helligkeit zukommen, diese \u00c4quivalenz bei beliebiger gleichm\u00e4fsiger Verst\u00e4rkung oder Abschw\u00e4chung beider Lichter bestehen bleibt. Diese Annahme ist, wie nicht \u00fcbersehen werden darf, nicht einwandfrei; sie wird sogar f\u00fcr sehr ausgiebige Ver\u00e4nderungen der absoluten Lichtst\u00e4rken, insbesondere wenn wir uns bei","page":311},{"file":"p0312.txt","language":"de","ocr_de":"312\nJ. von Kries.\nl-\\-x \u2014 p\nworaus sich x \u2014\np\u20141\noder =\nn\u2014p n(p\u20141)\nergibt.\nSetzen wir f\u00fcr das graue Papier analog das Verh\u00e4ltnis der Zapfen- und St\u00e4bchenfunktion wie 1 :y, so ist y \u2014 nx. Noch zweck-m\u00e4fsiger ist es, die Bruchteile der Gesamtfolge darzustellen, die auf jeden der beiden Bestandteile kommen. Diese Werte sind offenbar\ni\tx\t\\\ty\n\u2014und \u2014v f\u00fcr das rote, \u2014\u2014r und \u2014r f\u00fcr das graue\nx-\\-1\tx-\\-1\ty -p 1 y +1\nPapier. Wie sie sich aus dem festen Werte n und dem f\u00fcr\neine beliebige Beobachtung erhaltenen p berechnen, ist in der\nfolgenden Tabelle zusammengestellt.\nAnteil der Zapfen Anteil der St\u00e4bchen\nRot\tGrau\nn (p\u2014 1)\tp\u20141\np (n\u20141)\tn\u20141\nn\u2014p\tn\u2014p\np(n\u20141)\tn\u20141\nMan best\u00e4tigt leicht, dafs, wie es der Fall sein mufs, die Anteile der St\u00e4bchen verschwinden, wenn p = n, die Anteile der Zapfen, wenn p = 1 wird. \u2014 Die in den Tabellen 2 und 3 enthaltenen Ergebnisse d. h. nur die in den letzten St\u00e4ben aufgef\u00fchrten Mittelwerte aller 6 Reihen sind in den folgenden Tabellen 8 und 9, in der eben besprochenen Weise umgerechnet, nochmals zusammengestellt. Man erh\u00e4lt auf diese Weise ein recht anschauliches Bild von dem Zusammenwirken der beiden Bestandteile und von der Art, wie es mit zunehmender Beleuchtung sich \u00e4ndert.\nAbschw\u00e4chung den Schwallen n\u00e4hern, sicher nicht zutreffen. Es sei daher auch betont, dafs insofern den an die obige Formel ankn\u00fcpfenden Berechnungen nur eine bedingte Bedeutung zukommt. Immerhin ist die Berechnung nicht ohne Interesse und wohl geeignet unsere Vorstellungen von der Funktionsteilung etwas greifbarer zu machen.","page":312},{"file":"p0313.txt","language":"de","ocr_de":"313\nMessende Versuche \u00fcber die Funktionsstellung im Sehorgan.\nTabelle 8.\nUmrechnung nach Tabelle 2.\nFeld- beleuch- tung\t1 Beim Sehen des Grau\t\t1 \u25a0 Beim Sehen des Rot\t\n\tAnteil der St\u00e4bchen\tAnteil der Zapfen\tAnteil der St\u00e4bchen\tAnteil der Zapfen\n25\t0,1801\t0,8199\t0,0491\t0,9509\n15\t0,2694\t0,7306\t0,0797\t0,9203\n5\t0,3793\t0,6207\t0,1255\t0,8745\n1\t0,6014\t0,3986\t0,2616\t0,7384\n0,3\t0,8208\t0,1792\t0,5181\t0,4819\n0,01\t0,9170\t0,0830\t0,7221\t0,2779\nTabelle 9.\nUmrechnung nach Tabelle 3.\nFeld- beleuch- tung\tBeim Sehen des Grau\t\tBeim Sehen des Rot\t\n\tAnteil der St\u00e4bchen\tAnteil der Zapfen\tAnteil der St\u00e4bchen\tAnteil der Zapfen\n25\tJ 0,2314\t0,7686\t0,0660\t0,9340\n15\t0,2835\t0,7165\t0,0850\t0,9150\n5\t0,4250\t0,5750\t0,1479\t0,8521\n1\t0,6169\t0,3831\t0,2750\t0,7250\n0,3\t|\t0,7923\t0,2077\t0,4724\t0,5276\nEs m\u00f6gen hier schliefslich noch einige Punkte kurz ber\u00fchrt werden, in denen die erhaltenen Resultate zun\u00e4chst auff\u00e4llig erscheinen k\u00f6nnen und daher eine etwas genauere Beleuchtung verdienen. \u00dcberraschend kann man es zun\u00e4chst wohl finden, dafs bei einer Beleuchtung von 25 oder 30 MK. ein Zustand des Sehorgans erhalten wird, bei dem die Leistungen der St\u00e4bchen (auch f\u00fcr farbloses Licht) hinter derjenigen der Zapfen schon sehr zur\u00fccktritt, rund nur etwa mit Vs am ganzen Erfolge beteiligt ist. Es kann scheinen als ob das damit im Widerspruch st\u00fcnde, dafs, wie ich in meiner fr\u00fcheren unseren Gegenstand betr. Arbeit gezeigt habe und wie man leicht best\u00e4tigen kann, unter solchen Bedingungen die absolute Empfindlichkeit des D\u00e4mme-\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 49.\t21","page":313},{"file":"p0314.txt","language":"de","ocr_de":"314\nJ. von Kries.\nrungssehens betr\u00e4chtlich gr\u00f6fser als die der Zapfen ist, die exzentrischen Schwellenwerte schon merklich unter dem fovealen liegen. \u2014 Man wird indessen beachten m\u00fcssen, dafs f\u00fcr die beiden Bestandteile des Sehorgans Abh\u00e4ngigkeit der Funktionsst\u00e4rke vom Reiz sehr wohl verschieden sein kann. So mag bei einem bestimmten physiologischen Zustand der eine bereits bei schw\u00e4cheren Lichtern mit merklichen Erfolgen reagieren, aber auf ein relativ niedriges Leistungsmaximum eingestellt sein, w\u00e4hrend der andere trotz h\u00f6herer Schwellen zu st\u00e4rkeren T\u00e4tigkeiten veranlafst werden kann. Es wird also gerade im Hinblick hierauf zu beachten sein, dafs bei unseren Versuchen die Funktionsweise gerade f\u00fcr die den Adaptationszustand bestimmenden Lichtst\u00e4rken, in diesem Falle also f\u00fcr die schon ziemlich hohen Helligkeiten des mit 25 MK. beleuchteten weifsen Papieres gepr\u00fcft wird. \u2014 Was ferner die niedrigsten angewandten Beleuchtungen anlangt, so k\u00f6nnte man versucht sein daran zu erinnern, dafs im Allgemeinen ein mit 0,03 MK. beleuchtetes weifses Papier an der Grenze der fovealen Sichtbarkeit steht und die Frage aufzuwerfen, wie es kommt, dafs wir bei Beleuchtungen, die unter diesen Wert heruntergehen, nicht bereits die reinen Verh\u00e4ltnisse des D\u00e4mmerungssehens zur Beobachtung kommen. Um dies richtig zu beurteilen mufs man beachten, dafs der Wert von 0,01 MK. die Beleuchtung des das umgebende Feld bildenden weifsen Papieres bedeutet. Besitzt das Rot einen niedrigen D\u00e4mmerungswert und ist ihm daher ein verh\u00e4ltnism\u00e4fsig dunkles graues Papier d\u00e4mmerungsgleich, so mufs dieses betr\u00e4chtlich st\u00e4rker als mit 0,01 MK. beleuchtet werden, um dem mit 0,01 MK. beleuchteten weifsen gleich zu erscheinen. Diese Beleuchtung (deren absoluter Wert f\u00fcr die obigen Zwecke nicht interessiert und nicht ermittelt worden ist) d\u00fcrfte etwa das 16 bis 20 fache von derjenigen des weifsen betragen haben. Bei dieser Beleuchtung ist ein weifses und auch das rote Papier bereits \u00fcber der fovealen Schwelle, so dafs eine Mitwirkung des Zapfenapparates bei dem letzteren erwartet werden kann und mit dem sonst Bekannten nicht in Widerspruch kommt. Dem entsprach es, dafs auch bei den niedrigsten angewandten Beleuchtungen bei direkter Fixation des farbigen Fleckes die rote Farbe stets mit Sicherheit erkennbar war. F\u00fcr das farblose Papier w\u00e4re allerdings unter diesen Umst\u00e4nden ein reines D\u00e4mmerungssehen zu erwarten gewesen, w\u00e4hrend sich die Beteiligung der St\u00e4bchen am Gesamt-","page":314},{"file":"p0315.txt","language":"de","ocr_de":"Messende Versuche \u00fcber die Funktionsstellung im Sehorgan.\n315\nerfolg nui mit 0,92 berechnet. Offenbar liegt hier gerade der Fall vor, m dem die Berechnung in der vorhin angedeuteten Weise (s. o. Anm.) nicht mehr streng zutreffend erscheint. So lange das von dem roten Papier ausgehende Licht noch \u00fcber der Zapfenschwelle liegt, finden wir zwischen ihm und dem ihm d\u00e4mmerunggleichen farblosen noch einen von 1 verschiedenen Verh\u00e4ltniswert, erhalten also rechnungsm\u00e4fsig f\u00fcr beide einen von Null verschiedenen Wert f\u00fcr die Beteiligung der Zapfen. Der hier offenbar vorliegende Fall, dafs der Reiz wert des grauen 1 apieres unter der Zapfenschwelle liegt, ist eben der, der in Voraussetzungen der Rechnung nicht ber\u00fccksichtigt wird.","page":315}],"identifier":"lit33675","issued":"1916","language":"de","pages":"297-315","startpages":"297","title":"Messende Versuche \u00fcber die Funktionsstellung im Sehorgan. (Nach Beobachtungen von Herrn Dr. Ludwig Schmidt)","type":"Journal Article","volume":"49"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:58:11.306481+00:00"}