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{"created":"2022-01-31T14:59:47.271477+00:00","id":"lit33683","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Krueger","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 29: 152-154","fulltext":[{"file":"p0152.txt","language":"de","ocr_de":"152\nLiteraturbericht.\nvon Beispielen an, wo eine fr\u00fcher empfundene \u00e4hnliche Emotion beim Wahrnehmen einer \u00e4hnlichen Erfahrung wieder wach gerufen wurde, ohne dafs irgend welche associative Verst\u00e4rkung durch andere Vorstellungen hinzugekommen w\u00e4re. Nach Verf. hat daher das wahre affective Ged\u00e4cht-nifs seine Wurzel nicht in der Lebhaftigkeit der die Emotion constituirenden Vorstellungen, sondern in einer bestimmten Disposition des Organismus. Oft jedoch combiniren sich beide F\u00e4lle. \u2014\nWas den Kernpunkt der Frage anbelangt, so geh\u00f6rt nach Ansicht des Referenten die Erinnerung an Emotionen, die nicht von neuem gef\u00fchlt werden, \u00fcberhaupt nicht zum emotionellen Ged\u00e4chtnifs, da in solchen F\u00e4llen die Erinnerung vorherrschend Sache des Intellects ist. Das Wesen der emotionellen Reproduction erfordert die Wiederkehr der k\u00f6rperlichen Erregung. Dabei ist es gleichg\u00fcltig, ob die Emotion sogleich beim Auftauchen einer bestimmten Vorstellung bezw. Empfindung wieder erscheint oder erst durch das Hinzutreten von anderen Vorstellungen sich entwickelt. Je nachdem erfolgt aber das emotionelle Reproduciren rascher oder langsamer. Daher die verschiedenen Ansichten der Forscher bez\u00fcglich der Geschwindigkeit des Wiederauflebens von Emotionen im Verh\u00e4ltnifs zu anderen Arten von Reproduction. Das Functioniren des emotionellen Ged\u00e4chtnisses haben wir in gr\u00f6fster Reinheit bei Thieren. Zusammenfassend k\u00f6nnte man sagen, dafs wir eine emotionelle Reproduction bei der Wiederkehr von solchen Eindr\u00fccken des individuellen oder Gattungslebens haben, welche durch ihre unmittelbar f\u00f6rdernden oder hemmenden Beziehungen zu den Lebensbedingungen des Individuums mit rasch vor\u00fcbergehender oder l\u00e4nger anhaltender organischer Betonung verbunden sind (vgl. Giessler, Die Identificirung von Pers\u00f6nlichkeiten, Vierteljakrsschrift f\u00fcr wissenschaftliche Philosophie, 1900).\tGiessler (Erfurt).\nM. Meyer. Contributions to a Psychological Theory of Music. The University of Missouri Studies 1 (1). 80 S. 1901.\nDen Grundirrthum aller neueren Musiktheorie erblickt Meyer in dem \u201eDogma\u201c der diatonischen Tonleiter. Er findet in der Verwandschaft aufeinander folgender T\u00f6ne und in der Tonalit\u00e4t die Principien aller musikalischen Tonverbindung. Melodische Verwandtschaft besteht, direct oder indirect, nur zwischen T\u00f6nen, deren Schwingungsverh\u00e4ltnisse durch die Primzahlen 1, 2, 3, 5, 7 oder deren Producte k\u00f6nnen ausgedr\u00fcckt werden. Andere T\u00f6ne seien in einem musikalischen Ganzen nicht verwendbar; aber keines von jenen Verh\u00e4ltnissen sei von vorn herein auszuschliefsen. Die \u201evollst\u00e4ndige musikalische Skala\u201c enthielte demnach die unbegrenzte Reihe aller Producte aus den Potenzen von 2, 3, 5 und 7. Der Verf. hat diese Reihe so weit ausgef\u00fchrt, als die von ihm untersuchten Tonwerke ihm das n\u00f6thig zu machen schienen. Die Potenzen von 3 sind bis zur 6., diejenigen von 5 bis zur 3., von 7 ist nur die 1. Potenz (7) ber\u00fccksichtigt. Alle Potenzen von 2, d. h. alle Octavenlagen der T\u00f6ne, sind nach Meyer hinsichtlich der Verwandtschaftsverh\u00e4ltnisse \u201eabsolut gleichwerthig\u201c [?]. Unter diesen Voraussetzungen ergeben sich 29 Verh\u00e4ltnifszahlen, wodurch die in der Musik m\u00f6glichen Tonbeziehungen auszudr\u00fccken seien. Es ergeben sich also innerhalb der Octave 29 \u2014, f\u00fcr jeden Halbton bis 3 m\u00f6gliche T\u00f6ne.","page":152},{"file":"p0153.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n153\nDie herk\u00f6mmliche musikalische Notirung ist ungenau. Meyer construirte eine Pfeifenorgel, die innerhalb der absoluten Grenzen von 64 und 1024 Schwingungen alle T\u00f6ne seiner vollst\u00e4ndigen Skala enthielt, und ermittelte daran die \u201erichtige Intonation\u201c verschiedener Musikst\u00fccke.\nDie Abweichungen dieser Intonation von der \u00fcblichen bestehen nicht darin, dafs bei Meyer das Princip der Tonverwandtschaft reiner durchgef\u00fchrt w\u00e4re. Denn in jeder complicirteren Melodie mufs auch er T\u00f6ne zulassen, die mit einander \u201enicht verwandt, oder besser, nicht direct\u201c, sondern nur \u201edurch Vermittelung eines dritten Tones\u201c verwandt sind; z. B. Intervalle wie 2n : 405 oder 2\u00ab : 675. Das Wesentliche der neuen Theorie ist eine von allen fr\u00fcheren abweichende Fassung des Begriffs To ni ca. Das Grundgesetz der Tonalit\u00e4t wird so formulirt: \u201eIst von zwei in verwandtschaftlicher Beziehung stehenden T\u00f6nen einer ein ganzes Vielfaches von 2 [einschliefslich 2\u00b0 \u2014 1], so w\u00fcnschen wir diesen Ton am Ende der Tonfolge zu h\u00f6ren.\u201c Weiterhin wird auch in jeder Folge von mehr als zwei T\u00f6nen, die sich wTie 2n : 3, 5, 7 oder wie die Producte dieser Zahlen zu einander verhalten, 2\u00ab als Tonica, d. h. als allein bebefriedigender Schlufston der Melodie bezeichnet. Dieser neue Begriff der Tonica ist, wie man sieht, z. Th. enger, z. Th. erheblich weiter als der gegenw\u00e4rtig geltende. Lipps hat k\u00fcrzlich in dieser Zeitschrift (27, 225 ff.) auf Grund von Thatsachen seine Undurchf\u00fchrbarkeit nachgewiesen. Meyer sieht sich \u00fcbrigens gezwungen, zahlreiche Melodien \u201eohne prim\u00e4re Tonica\u201c anzuerkennen, selbst solche, die in ihrem Verlaufe eine Potenz von 2 enthalten, was, wie Lipps mit Becht hervorhebt, bei den wirklich auf 2 \u00ab ihren tonalen Abschlufs findenden Melodien keineswegs nothwendig ist. Ein der Tonica im eben angegebenen Sinne verwandter Ton, z. B. 3, soll als \u201esecund\u00e4re Tonica\u201c jene ersetzen k\u00f6nnen.\nAus den so verstandenen Beziehungen der Tonalit\u00e4t und der Tonverwandtschaft glaubt der Verf. den Bau einer jeden Melodie psychologisch erkl\u00e4ren zu k\u00f6nnen. Die Begriffe: Modulation, Tonart, Tonleiter, Dominante und Subdominante, Leitton, Vorhalt, Dur und Moll sind danach theoretisch \u00fcberfl\u00fcssig. Die wichtigste thats\u00e4chliche Consequenz der neuen Theorie ist eine ver\u00e4nderte Intonation der Quarte und der gr. Sexte der Tonica. Meyer fordert f\u00fcr jene das Verh\u00e4ltnifs 63 : 48 statt 64 : 48 = 4 : 3, f\u00fcr diese das Verh\u00e4ltnifs 81 : 48 statt 80 : 48 \u2014 5 : 3. Diese Forderung steht und f\u00e4llt mit seiner Auffassung der Tonica. Sie gr\u00fcndet sich ferner auf die erw\u00e4hnten Beobachtungen an der Orgel mit \u201evollst\u00e4ndiger\u201c Tonskala.\nF\u00fcr alle von ihm analysirten Tons\u00e4tze unternahm es Meyer, an seinem Instrumente die \u201erichtige Intonation\u201c, die von den Componisten eigentlich gemeinten Tonh\u00f6hen neu festzustellen. Ueberall stiefs er auf Tonverbindungen, die er einem Bach, Beethoven, Mozart nicht glaubte Zutrauen zu d\u00fcrfen. Niemals schwankte er selbst zwischen mehr als zwe Intonationen. Die ihm wohlgef\u00e4lligste weicht jedesmal von der vorgeschriebenen und bis jetzt gebr\u00e4uchlichen erheblich ab. Sie stimmt zugleich mit der \u201eneuen Theorie\u201c \u00fcberein. \u2014 Es ist erstaunlich, dafs ein geschulter Experimentator mit einer solchen Contr\u00f4le seiner Theorie sich begn\u00fcgen konnte. Nach Analogie anderer Erfahrungen ist durchaus zu erwarten, dafs in gr\u00f6fseren musikalischen Zusammenh\u00e4ngen mannigfache","page":153},{"file":"p0154.txt","language":"de","ocr_de":"154\nLi ter a turberich t.\nAbweichungen yon den mathematischen Normalverh\u00e4ltnissen und von der conventioneilen Notation \u00e4sthetisch werden gefordert sein. Aber wirklich G\u00fcltiges kann sich hier\u00fcber nur aus objectiven Versuchen ergeben, wozu in jedem Falle zahlreiche Beobachter, namentlich musikalisch hervorragend ge\u00fcbte, wenn m\u00f6glich die Sch\u00f6pfer der untersuchten Tonst\u00fccke selbst heranzuziehen w\u00e4ren. Die Variation der Bedingungen m\u00fcfste innerhalb viel weiterer Grenzen sich bewegen als in Meyer\u2019s Versuchen. Und erst nachdem auf diese Weise Maafs und Richtung der zu erwartenden regel-m\u00e4fsigen Abweichungen exact festgestellt ist, werden ihre psychologischen Ursachen erkennbar sein.\nEin weiteres principielles Bedenken gegen die neue Theorie erw\u00e4chst aus der einseitig beschr\u00e4nkten Auswahl der vom Verf. betrachteten Melodien. Es giebt V\u00f6lker, deren s\u00e4mmtliche Intervalle von denen der diatonischen Leiter wie auch der neuen MEYER\u2019schen verschieden sind. Die Musik der Siamesen oder der Javesen ist nach Meyer\u2019s Voraussetzungen ganz unbegreiflich. Er glaubt, im Gegensatz zu den meisten Musiktheoretikern, die Gesetze \u201eder\u201c Melodie ohne R\u00fccksicht auf Zusammenkl\u00e4nge ermitteln zu k\u00f6nnen und zu m\u00fcssen. Jeder pfeifende Strafsenjunge beweise, dafs es melodische Musik \u201eohne Harmonie\u201c gebe. Aber warum leben in Berlin, London, Paris Melodien von v\u00f6llig anderem Bau als etwa in Bangkok? Strafsenjungen pflegen ihre Melodien nicht selbst zu erfinden, und in keinem Falle sind sie von ihrer Umgebung musikalisch unabh\u00e4ngig. Die Intervalle des europ\u00e4ischen Culturkreises sind nicht zu verstehen ohne Ber\u00fccksichtigung der Harmonie und Disharmonie in Zusammenkl\u00e4ngen.\nNach dem Gesagten w\u00e4re es verfr\u00fcht, die weiteren, interessanten Folgerungen Meyer\u2019s \u2014 zur muthmaafslichen Geschichte der Melodie, zur Theorie der Consonanz und Harmonie \u2014 hier zu er\u00f6rtern.\nKrueger (Kiel).\nJoh. Volkelt. Die psychologischen Quellen des \u00e4sthetischen Eindruckes. Zeitschrift f. Philosophie u. phil. Kritik 117 (2), 161\u2014189. 1901.\nDie heutige Aesthetik ist im Grofsen und Ganzen darin einig, dafs das Wesentliche des Aesthetischen in einem bestimmten psychischen Verhalten des Subjectes liegt. Wie beschaffen dieses psychische Verhalten sei, dar\u00fcber gehen die Meinungen allerdings auseinander; doch wird in der Regel die stillschweigende Voraussetzung gemacht und eingehalten, dafs das Charakteristische des \u00e4sthetischen Betrachtens und Geniefsens immer nur auf eine einzige seelische Beth\u00e4tigungsweise zur\u00fcckzuf\u00fchren sei. Gegen diese Voraussetzung wendet sich Volkelt. Sie sei von vornherein durchaus nicht einleuchtend, und Lipps habe Unrecht, wenn er (im 3. \u00e4sthetischen Literaturbericht) in der Vielheit der von ihm (Volkelt) angenommenen Quellen des Aesthetischen einen Mangel erblickt, der allein schon gegen die Haltbarkeit seiner Ansichten spreche.\nRef. glaubt, dafs Lipps doch nicht so ganz Unrecht hat. L\u00e4fst man es schon einmal gelten \u2014 und daran wird Angesichts vielf\u00e4ltigster Erfahrungen und Thatsachen nicht zu r\u00fctteln sein \u2014 dafs das Gebiet der Aesthetik ein nat\u00fcrlich und innerlich zusammengeh\u00f6riges ist, und sucht man das Wesent-","page":154}],"identifier":"lit33683","issued":"1902","language":"de","pages":"152-154","startpages":"152","title":"M. Meyer: Contributions to a Psychological Theory of Music. The University of Missourie Studies 1 (1). 80 S","type":"Journal Article","volume":"29"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:59:47.271482+00:00"}