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{"created":"2022-01-31T15:01:37.653893+00:00","id":"lit33685","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Kreibig","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 29: 156-157","fulltext":[{"file":"p0156.txt","language":"de","ocr_de":"156\nLi teraturb ericht.\nnat\u00fcrlich nicht m\u00f6glich, diese Analyse vorzuf\u00fchren. Daran aber sei erinnert, dafs sich demnach Yolkelt\u2019s Auffassung der \u00e4sthetisch-psychischen Thatsachen mit der erw\u00e4hnten Forderung ihrer psychologischen Einerleiartigkeit schliefslich doch in Einklang erweist und sich, von anderem abgesehen, schon dadurch als im Wesentlichen richtig empfiehlt.\nWitasek (Graz).\nOskar Kraus. Zur Theorie des Werthes. Eine Bentham-Studie. Halle a. S., Max Niemeyer. 1902. 148 S. 3,60 Mk.\nDer Yerf. unternimmt es in dieser Schrift, die Werththeorie vom Standpunkte Franz von Brentanos neu zu fundiren und w\u00e4hlt als Ausgangspunkt seines Raisonnements die hedonistische Ethik Bentham\u2019s, deren logische und psychologische Unhaltbarkeit er nachzuweisen sucht.\nDer \u201evoluntarische Apriorismus\u201c von Brentano und Kraus wurzelt in dem Satze, dafs die \u201epsychischen Th\u00e4tigkeiten des Gem\u00fcthslebens, das Lieben und Hassen und alle seine Modificationen in analoger Weise eine innere Richtigkeit und Unrichtigkeit aufweisen, wie die Acte des Ur-theilens, das Bejahen und Verneinen ; dafs ferner dem evidenten Urtheilen eine als richtig charakterisirte Liebe an die Seite gestellt werden kann.\u201c In dem richtig Charakterisirtsein der Liebe liege das Kriterium des Guten und \u00fcberhaupt des Werthbesitzenden. Als Beispiele f\u00fcr die Werthseite des Guten werden angef\u00fchrt \u201edie Liebe zur Erkenntnifs, das Meiden des Irrthums, das Hassen der Unwissenheit, die Liebe zu jeder richtigen Ge-m\u00fcthsth\u00e4tigkeit\u201c (11). Die Schwierigkeit, aus einer solchen Begr\u00fcndung auch das empirisch gegebene Mehr oder Minder der Werthsch\u00e4tzung abzuleiten, sucht der Yerf. mit Brentano durch die Einf\u00fchrung eines neuen Begriffs dei \u201elichtig charakterisirten Bevorzugung\u201c, welche mit der Intensit\u00e4t des F\u00fchlens und Wollens nichts zu thun hat, zu l\u00f6sen. Ein fundamentales Postulat dieser Theorie ist der Satz, dafs es schlechthin intensit\u00e4tslose Freuden gebe, n\u00e4mlich jene an nichtphysischen Inhalten. \u201eWo ein psychischer Act keinen physischen, sondern einen begrifflichen Inhalt aufweist, dort mangelt auch jede Intensit\u00e4t\u201c (S. 15). Was bei solchen Acten an Lustbegleitung thats\u00e4chlich auftrete, sei eine \u201eLustredundanz\u201c, welche allerdings Intensit\u00e4t und Gr\u00f6fse, aber nicht richtiges Charakterisirtsein auf weise. \u201eDer physische Schmerz\u201c, sagt der Yerf., \u201eist dahei stets ein unrichtiger (!) Gem\u00fcthsact, denn der Empfindungsinhalt, auf den er gerichtet ist, ist \u00bbin sich\u00ab liebenswerth\u201c (17). Auch wird der Verf. nicht m\u00fcde, dem Gute des Lustbesitzes die \u201egeistigen\u201c G\u00fcter als nicht lustbetonte entgegenzusetzen (67). Dies in der Hauptsache die Anschauung des Yerf.\u2019s. Sie sei, wie er stolz sagt, die \u201enat\u00fcrliche Grundlage, auf welcher der Bau der Ethik und Politik unersch\u00fcttert ruhen kann, und seine Sicherheit durch untr\u00fcgliche Kriterien gew\u00e4hrleistet!\u201c (35).\nIn den folgenden Capiteln bespricht der Verf. in sinnvoller, anregender Weise die einschl\u00e4gigen Lehren von Bernouilli, Laplace, Fechner, Gossen, Jevons und Menger, welche s\u00e4mmtlich in dem schon von Bentham zutreffend formulirten Gesetze gipfeln, dafs Lustertrag und G\u00fcterbesitz nicht im gleichen absoluten Maafse, sondern im Sinne einer relativen Con-","page":156},{"file":"p0157.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n157\nstante wachsen. Auf die daran sich schliefsenden eingehenden und sehr beachtenswerthen Ausf\u00fchrungen des Verf.\u2019s \u00fcber die \u00f6konomische Werthlehre und das Grenznutzengesetz (namentlich in der Fassung von Wieseks) kann hier nur im Allgemeinen hingewiesen werden.\nSo bedenklich a limine ein Versuch erscheinen mag, innerhalb eines kurzen Referates zu einer gedankenreichen Theorie Stellung zu nehmen, so glaubt doch der Ref. einige kritische Bemerkungen nicht unterdr\u00fccken zu sollen. Bei aller dankbaren Hochsch\u00e4tzung, die der Ref. dem Logiker und Psychologen Brentano entgegenbringt, kann er den soeben angedeuteten timologischen Voraussetzungen nicht zustimmen. Ein Analogon des evidenten Urtheils giebt es auf dem emotionalen Gebiete gewifs, man mag es nun (was n\u00e4her zu untersuchen w\u00e4re) in der Function eines selbstsicher urtheilenden Gewissens, einer festgegr\u00fcndeten Gef\u00fchlsanlage (Werthdisposition) oder einer dauernden Willensrichtung (Gesinnung) suchen. Allein zur Sicherung und Begr\u00fcndung dieser Thatsache bedarf es nicht im Mindesten der constructiven Annahme eines Liebens, das weder ein F\u00fchlen, noch ein Wollen, noch ein Urtheilen ist, das keine Intensit\u00e4t besitzt, und bei alledem absolut sichere und verbindliche Werthungsacte vollzieht, somit die Richtung des Handelns bestimmt. Wozu die unbegreifliche Behauptung, dafs intensit\u00e4tsbesitzende Lust nur aus physischen Inhalten (wTozu auch die gesammte Kunst geh\u00f6ren solle, S. 16) fliefse, w\u00e4hrend die th\u00e4tige Liebe zur Wissenschaft und zur Erkentnifs an sich kein lustvoller Inhalt sei ; wozu ferner die Annahme richtiger und unrichtiger (!) Gem\u00fcths-acte? Keinem modernen Werththeoretiker f\u00e4llt es ein, die Lust in abstracto f\u00fcr das prim\u00e4re Gut zu erkl\u00e4ren, vielmehr ist es allgemeine Ueberzeugung geworden (auch Bentham vertrat dieselbe), dafs die gegebenen Inhalte, seien sie nun physische oder psychische Data, G\u00fcter seien, wenn sie von actueller oder dispositioneller Lust begleitet dem Subject sich darbieten. Will man nun unter den gegebenen Inhalten, welche G\u00fcter sind, eine timologische Rangordnung begr\u00fcnden \u2014 und das ist die Kernaufgabe der Werththeorie \u2014 so bringt die Entgegensetzung von sinnlicher Lust (mit Intensit\u00e4t) und intensit\u00e4tslosem, richtigen Lieben des wahren Urtheilens als petitio principii nicht um einen Schritt weiter.\nHaben wir damit unseren Bedenken gegen das psychologische Fundament der KRAus\u2019schen Werththeorie Ausdruck gegeben, so obliegt uns andererseits, den Scharfsinn und wissenschaftlichen Ernst des Verf.\u2019s in der Durchf\u00fchrung des Einzelnen dankbar anzuerkennen. Gerade die Ethik und ihre Grenzgebiete waren in letzter Zeit so oft Gegenstand popul\u00e4r-literarischen Strohdreschens, dafs eine logisch subtile Arbeit, wie die vorliegende, eine wahre Erholung gew\u00e4hrt.\tKreibig (Wien).\nN. Vaschide et Cl. Vurpas. D\u00e9lire par introspection mentale. Nouvelle iconographie de la Salp\u00e9tri\u00e8re. 1901.\n\u2014 \u2014 D\u00e9lire par introspection. Centralblatt f\u00fcr Nervenheilkunde u. Psychiat. 21 (138 u. 139), 385\u2014408 u. 475\u2014490. 1901.\nDem in dieser Zeitschrift (27, S. 302) berichteten Falle f\u00fcgen die beiden Verff. merkw\u00fcrdigerweise, ohne auf die einzelnen inhaltlich sehr \u00e4hnlichen","page":157}],"identifier":"lit33685","issued":"1902","language":"de","pages":"156-157","startpages":"156","title":"Oskar Kraus: Zur Theorie des Werthes. Eine Bentham-Studie. Halle a. S. Max Niemeyer. 1902. 148 S.","type":"Journal Article","volume":"29"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:01:37.653899+00:00"}