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Die Raumschwelle der Haut bei Successivreizung

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{"created":"2022-01-31T16:19:17.864627+00:00","id":"lit33689","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Frey, M. von","role":"author"},{"name":"R. Metzner","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 29: 161-182","fulltext":[{"file":"p0161.txt","language":"de","ocr_de":"161\nDie \u00dfaumschwelle der Haut bei Suecessivreizungi\nVon\nM. von Fbey und R. Metznee.\nDie Durchf\u00fchrung der vorliegenden Untersuchung ist durch \u00e4ufsere Umst\u00e4nde sehr verz\u00f6gert worden. Begonnen im Herbst 1898 in Z\u00fcrich, wurde sie bis zum August 1899 soweit gef\u00f6rdert, dafs der physikalisch-medicinischen Gesellschaft zu W\u00fcrzburg eine vorl\u00e4ufige Mittheilung \u00fcber die Ergebnisse gemacht werden konnte. Der Wechsel des Wohnsitzes des einen von uns, die dadurch bedingte gr\u00f6fsere Entfernung der Verfasser und die Schwierigkeit eine f\u00fcr beide von Berufspflichten freie Arbeitszeit zu finden, haben die Wiederaufnahme der Versuche um zwei Jahre hinausgeschoben. Inzwischen ist ihnen die Arbeit von A. Bb\u00fccknee1 zu gute gekommen, welche nicht nur eine noth-wendige Erg\u00e4nzung der Aufgabe darstellt, sondern auch zu einer Verfeinerung der H\u00fclfsmittel f\u00fchrte, von welcher in den vorliegenden Versuchen mit geringen Aenderungen Gebrauch gemacht wurde.\nDas Verfahren E. H. Webeb\u2019s 2 3, zwei Punkte der Haut durch die gleichzeitig aufgesetzten Spitzen eines Cirkels zu erregen, giebt, wie man jetzt weifs, die Raumschwelle der Haut nur f\u00fcr diese specielle Fragestellung. Es war diesem Forscher bereits bekannt und ist von allen sp\u00e4teren Untersuchern, namentlich von Judd 8 best\u00e4tigt worden, dafs bei ungleichzeitiger Reizung die erkennbaren Abst\u00e4nde wesentlich kleiner sind. Es beweist dies nicht, wie Judd meint, dafs die Methode Webee\u2019s unbrauchbar oder weniger zuverl\u00e4ssig ist (S. 423), sondern dafs durch jedes der beiden Verfahren eine andere Schwelle be-\n1 Dies., W\u00fcrzburg 1901 und diese Zeitschrift 26, S. 33.\nR. Wagner, Handw\u00f6rterb. der Physiologie III2 und separat Braunschweig 1851.\n3 Philosophische Studiert 12, S. 409.\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie 29.\n11","page":161},{"file":"p0162.txt","language":"de","ocr_de":"162\nM. von Frey und R. Metzner.\nstimmt wird, welche als Simultan- und Successiv-schwelle passend unterschieden werden.\nE. H. Weber h\u00e4lt die Simultanschwelle f\u00fcr den Ausdruck einer bestimmten anatomischen Anordnung, der sog. Empfindungskreise, in der Haut; eine Annahme, welche schon durch die Ver\u00e4nderlichkeit der Sclrwelle, namentlich ihre betr\u00e4chtliche Verkleinerung unter dem Einflufs der Uebung, wenig Wahrscheinlichkeit besitzt. Dagegen fand Judd die Successivschwellen unabh\u00e4ngig von der Uebung (S. 425). Hier kann also viel eher eine Beziehung zu festen anatomischen Einrichtungen vermuthet werden, als welche vor Allem die Vertheilung der sog. Tastpunkte in Betracht kommt.\nWirsteilten uns die Aufgabe, zu untersuchen, ob benachbarte Tastpunkte bei isolirter und successiver Beizung unterschieden werden k\u00f6nnen. Diese Fragestellung f\u00fchrt allerdings zu der sehr empfindlichen Beschr\u00e4nkung, dafs sie an vielen K\u00f6rperstellen, namentlich an den eigentlichen Tastfl\u00e4chen, nicht gepr\u00fcft werden kann. An diesen liegen n\u00e4mlich die Endorgane so dicht, dafs eine isolirte Beizung einzelner ausgeschlossen ist. Wollte man auf diese Beschr\u00e4nkung verzichten und zu fl\u00e4chenhafter, mit anderen Worten mehrere Endorgane ergreifender Beizung seine Zuflucht nehmen, so w\u00fcrde man eine neue Ver\u00e4nderliche in den Versuchsplan einf\u00fchren und die ohnehin schwierigen Versuche noch weiter verwickeln. Wir haben uns daher auf die obige Aufgabe beschr\u00e4nkt, da sie jedenfalls eine Bearbeitung erheischt und verdient.\nVersuchsverfahren.\nZur isolirten Beizung einzelner Tastpunkte bedienten wir uns anf\u00e4nglich leichter einarmiger Holzhebel, deren endst\u00e4ndige Borste auf dem zu pr\u00fcfenden Tastpunkt aufstand. Die","page":162},{"file":"p0163.txt","language":"de","ocr_de":"Die Hemmschwelle der Haut bei Successivreizung.\n163\nReizung wurde durch Niederdr\u00fccken des Hebels mit der Hand bewirkt. Sp\u00e4ter verwendeten wir den bereits von Br\u00fcckner 1 beschriebenen Hebel (s. Abbildung). Der lange (6 ein) Arm desselben trug, wie dort angegeben, eine feinste N\u00e4hnadel, die mit ihrem stumpfen Pol den gew\u00e4hlten Tastpunkt ber\u00fchrte; der kurze Arm einen kleinen Anker, welcher von dem um die Hebelaxe drehbaren Elektromagnet angezogen wurde. Weiter unten werden die Gr\u00fcnde mitgetheilt, die uns sp\u00e4ter veran-lafsten statt der Nadeln wieder Borsten zu verwenden.\nZu jedem der beiden Elektromagnete geh\u00f6rte ein besonderer zwei DANiELL\u2019sche Zellen und einen Schleifcontact enthaltender Stromkreis, dessen Schliefsung und Oeffnung durch ein Uhrwerk besorgt wurde. Bezeichnet man den einen Stromkreis mit I und den anderen mit II, so wurde also durch das Uhrwerk zun\u00e4chst\nI geschlossen und nach sehr kurzer Zeit wieder ge\u00f6ffnet. Dem hierdurch in I erzeugten Stromstofs folgte in beliebigem zeitlichen Abstand ein zweiter im Kreise II. Die gebrauchten Abst\u00e4nde waren: 718, % % % 72, 1, %, %, 2, 3 und 5 Secunden. Nach dem Stromstofse in II trat eine Pause von 40 Sec. ein, worauf sich der Vorgang in genau gleicher Weise wiederholte.\nW\u00e4ren nun die beiden Kreise I und II in unver\u00e4nderlicher Weise mit den beiden Elektromagneten a und b verbunden gewesen, so h\u00e4tte in der Reihenfolge der gereizten Hautstellen ein Wechsel nicht eintreten k\u00f6nnen. Durch eine zwischen die Daniele\u2019sehen Zellen und das Contactuhrwerk einerseits, die Elektromagnete andererseits eingeschaltete Doppelwippe konnte indessen jeder der beiden Stromkreise nach Belieben sowohl mit a wie mit b verbunden werden, so dafs bei unver\u00e4ndertem Betriebe\ndes Contactuhrwerks die beiden Stromstofse in denselben oder in verschiedene Elektromagnete hereinbrachen. Bezeichnet man die beiden Elektromagnete bezw. die durch dieselben gesetzten Hautreize mit a und b, so konnten die vier Combinationen aa, ab, ba, bb durch einfaches Umlegen der Wippen ohne Aenderung des Contactapparates erzielt werden. Als contactausl\u00f6sendes Uhrwerk diente uns ein Trommel - Kymograph von E. Zimmermann-Leipzig in Verbindung mit dem Universalcontactapparat derselben Firma. Durch ein stets eingeschaltetes Amperemeter wurde die Constanz der Stromst\u00e4rke (0,7 A.) controlirt. Endlich schlofs der Contactapparat bei jeder Umdrehung vor\u00fcbergehend noch einen\n1 A. a. O. S. 34.\n11*","page":163},{"file":"p0164.txt","language":"de","ocr_de":"164\nM. von Frey und It. Metzner.\nSignalkreis, dessen leises Glockenzeichen den Reagenten auf das Hereinbrechen der Reize aufmerksam machte.\nDie \u00fcbrigen Vorbereitungen waren \u00e4hnlich wie bei den Versuchen Bj&\u00fcckner\u2019s. Als Versuchsfeld diente vorwiegend wieder das mittlere Drittel des Vorderarms, woselbst auf m\u00f6glichst grofser Fl\u00e4che die sorgf\u00e4ltige Lagebestimmung und Bezeichnung s\u00e4mmtlicher Tastpunkte zu geschehen hatte. Aus der grofsen Zahl derselben wurden dann solche Paare nebeneinanderliegender Tastpunkte ausgew\u00e4hlt, welche sich durch eine m\u00f6glichst grofse und gleiche Reizbarkeit auszeichneten. Eine kleinere Anzahl Versuche wurden an der Volarseite des Handgelenks angestellt.\nAuf zwei solcher Punkte wurden dann, nachdem der Reagent auf seinem Stuhle Platz genommen und den Unterarm in die zugeh\u00f6rige Hohlform eingef\u00fchrt hatte, die Nadeln bezw. Borsten der Reizhebel eingestellt und zun\u00e4chst, durch Drehung derElektro-magnete, jene Reizst\u00e4rken gew\u00e4hlt, welche gen\u00fcgten, um eine deutliche Ber\u00fchrungsempfindung auszul\u00f6sen.\nDas Versuchsverfahren war in Bezug auf den Reagenten theils ein wissentliches, theils ein unwissentliches. Dem Reagenten war das Intervall der Reize bekannt, ihr Eintritt wurde durch das Signal angezeigt; die aus den vier m\u00f6glichen Combinationen vom Beobachter gew\u00e4hlte Reizfolge blieb ihm stets verborgen, w\u00e4hrend die Lage der gereizten Punkte ihm in einem Theil der Versuche bekannt, in einem anderen Theil unbekannt war. Uebrigens liefsen es sich die Reagenten von selbst angelegen sein, die Augen zu schliefsen und alle ablenkenden Sinneseindr\u00fccke zu vermeiden, da nur bei ungetheilter Aufmerksamkeit brauchbare Resultate zu erhalten waren. Der gr\u00f6fseren Ruhe wegen wurden die Versuche ausschliefslich in den sp\u00e4ten Abendstunden angestellt.\nIn den meisten Versuchen wurde von dem Reagenten nur Angabe verlangt, ob die beiden Reize gleich oder ungleich waren, mit anderen Worten, ob sie denselben Hautpunkt oder verschiedene trafen. Die Aussagen waren aber spontan vielfach reichhaltiger und betrafen:\n1.\tdie Qualit\u00e4t der Reize,\n2.\tdie St\u00e4rke der Reize,\n3.\tdie Lage der Reize.\nEine kleine Anzahl der Versuche war ausschliefslich auf Erkennung der Lage gerichtet. Ueber diese, wie \u00fcber die spontanen Lageangaben wird unten weiter berichtet.","page":164},{"file":"p0165.txt","language":"de","ocr_de":"Die Daumschwelle der Haut hei Successivreizung.\n165\nL Versuche mit einfacher Reizunterscheidung.\nEs wird sich vielleicht zur Orientirung \u00fcber den allgemeinen Gang der Versuche empfehlen, ein Protokoll ausf\u00fchrlich wiederzugeben und dann erst in eine Discussion der Ergebnisse einzutreten.\nE Aug. 1901. VI. Versuchsreihe, Reagent M.\nTastpunkte g u. f, an der Volarseite des rechten Unterarms, 2,5 mm von einander entfernt, f distal nnd etwas radial von g. Zwischen je zwei im Intervall von 4/3 Sec. einander folgenden Reizen 40 Sec. Pause.\nOrdnungszahl der Versuche\tReiz- folge 9 f\tAngaben des Reagenten\tAussa^ Beschaffenheit der Reize\tjen \u00fcber Lage der Reize\n1\t2 2\tZweimalige Reizung eines Punktes\tr\t\n2\t2 2\tWohl proximal-distal\tf\t\n3\t3 3\tZweimalige Reizung eines Punktes\tr\t\n4\t2\tEbenso, aber ein anderer Punkt wie\tf\t\n\t3\tvorher\t\t\n5\t3 2\tDasselbe\tf\t\n6\t3\tVerschiedene Punkte, wohl distal-\tr\tr\n\t2\tproximal\t\t\n7\t2 3\tUnsicher; zweiter Reiz st\u00e4rker\t0\t\n8\t2 3\tGlaube proximal-distal\tr\tr\n9\t2 2\tZweimalige Reizung eines Punktes\tr\t\n10\t3\tZweimalige Reizung des anderen\tr\t\n\t3\tPunktes\t\t\n11\t3\tVerschiedne, ungeheuer nahe Punkte,\tr\t\n\t2\tglaube distal-proximal\t\t\n12\t2 3\tReiz 2 st\u00e4rker als 1. Unsicher\t0\t\n13\t2\tEbenso\t0\t\n\t3\t(Neue Einstellung)\t\t\n14 11\t2 3\tReiz 1 leise, Reiz 2 verschwindend\t0\t\n15\t1,5\tReize ganz gleich stark, aber doch\tr\t\n\t2\tverschiedene Punkte\t\t\n16\t1,5\tEin Punkt zweimal gereizt\tr\t\n\t1,5\t\t\t","page":165},{"file":"p0166.txt","language":"de","ocr_de":"166\nM. von Frey und I\u00cf. Metzner.\nOrdnungszahl der Yersuehe\tReiz- folge 9 f\tAngaben des Reagenten\tAussag Beschaffenheit der Reize\ten \u00fcber Lage der Reize\n17\t2\tEin Punkt zweimal gereizt; Reize\tr\t\n\t2\tstark\t\t\n18\t2\tGanz gleich starke Reize; wie Ver-\tr\t\n\t1,5\tSchiebung\t\t\n19\t1,5\tVielleicht verschiedene Punkte. Un-\tr\t\n\t2\tsicher\t\t\nUnterbrechung der Reihe wegen starker Par\u00e4sthesien und Erm\u00fcdung. Bemerkungen:\nad 1. Der erste Stab giebt die Ordnungszahlen der einzelnen Reizungen entsprechend ihrer zeitlichen Aufeinanderfolge; der zweite mit g f \u00fcberschriebene Stab giebt die St\u00e4rke und Art der Reizung. Die St\u00e4rke des Reizes wird bei stets gleicher Stromintensit\u00e4t durch den Abstand zwischen Anker und Magnet in Bogengraden gemessen (beide sind um dieselbe Axe drehbar s. o.).\ng f\nEs bedeutet also z. B. das Symbol 2 einen Reiz von der\n2\nSt\u00e4rke 2 (im obigen Sinne), welcher zweimal hinter einander in dem am Kopf des Protokolls bemerkten Zeitabstand von 4/3 Sec.\n9 f\nden Punkt g trifft; das Symbol 3 Reize von der St\u00e4rke 3\n2\nbezw. 2, welche in dem obigen Intervall auf die Punkte f und g einwirken, und zwar kommt f\\3 als erster, g 2 als zweiter Reiz. Diesen Zeichen folgen dann im dritten Stab die Aussagen des Reagenten. Der vierte und f\u00fcnfte Stab geben an, ob die Aussagen des Reagenten in Bezug auf Beschaffenheit (Gleichheit oder Ungleichheit) der Reize und \u00fcber die Lagebeziehungen derselben richtig (r), oder falsch (f), oder unbestimmt (0) sind, und zwar werden als richtige bezw. falsche F\u00e4lle auch diejenigen gerechnet, welche durch ein \u201evielleicht\u201c, \u201eich glaube\u201c oder dgl. ausdr\u00fccklich als unsichere hingestellt sind.\nad 2. Die beiden proximalen Reize werden von dem Reagenten als verschiedene (proximal \u2022 distal) bezeichnet. Die Aussage ist also falsch in Bezug auf die Beschaffenheit. Was die Lage betrifft, so w\u00e4re proximal richtig, distal falsch ; unter diesen Umst\u00e4nden unterbleibt eine Censur der Aussage. Bemerkt sei","page":166},{"file":"p0167.txt","language":"de","ocr_de":"Die Raumschwelle der Haut hei Successivreizung.\n167\nnoch, dafs die Angaben \u00fcber die Lage im f\u00fcnften Stabe nicht verlangt, sondern freiwillig abgegeben wurden.\nad 7. Die hier ebenfalls spontan abgegebene Aussage \u00fcber die relative Reizst\u00e4rke soll die Unsicherheit des Reagenten erkl\u00e4ren. Wie sp\u00e4ter noch weiter zu zeigen sein wird, ist bei Successivreizung ebenso wie bei Simultanreizung (vgl. Br\u00fcckner, a. a. O. S. 51) m\u00f6glichste Gleichheit und nicht zu geringe St\u00e4rke der Reize von Vortheil. Dafs indessen die Unsicherheit des Reagenten aus der ungleichen St\u00e4rke der Reize nicht allein zu erkl\u00e4ren ist, geht aus\n8. hervor, wo trotz unge\u00e4nderter Reizst\u00e4rke eine Aussage, wenn auch eine unsichere, m\u00f6glich ist. Es handelt sich hier um kleine Schwankungen der Auf merksamkeit, welche bei der Schwierigkeit der Versuche sehr einflufsreich werden. Dafs \u00fcbrigens die Reize dem Schwellenwerthe nahe sind, lehren die Aussagen\n12\u201414. Es wird daher versucht zwischen 13 und 14 durch eine neue Einstellung der Nadeln auf die bezeichneten Tastpunkte einen g\u00fcnstigeren Reizerfolg zu erzielen. Da dies nicht gelingt, wird eine Verst\u00e4rkung beider Reize vorgenommen, welche wie die Aussagen 15\u201418 lehren, sofort eine gr\u00f6fsere Sicherheit des Reagenten herbeif\u00fchren. Die letzte Aussage\n19 wird durch die Erm\u00fcdung des Reagenten und durch starke im Arm auftretende Par\u00e4sthesien gest\u00f6rt und daher unsicher.\nDie starke Erm\u00fcdung der Reagenten nach relativ kurzer Versuchsdauer wird durch die erzwungene K\u00f6rperruhe bedingt. Da die reizenden stumpfen Nadelenden nur ganz lose auf der Haut aufruhen, so gen\u00fcgt die leiseste Bewegung oft schon ein tiefer Athemzug, um eine kleine Verschiebung herbeizuf\u00fchren. Ein Ab weichen um nur 0,1 mm von der durch den Farbpunkt bezeichneten g\u00fcnstigsten Reizstelle gen\u00fcgt aber schon, um den Reiz bedeutend weniger wirksam zu machen. Sollten daher die Reizst\u00e4rken nicht best\u00e4ndigen Schwankungen ausgesetzt sein, so mufste der Reagent sich bestreben, f\u00fcr die Dauer der Versuchsreihe jede K\u00f6rperbewegung zu vermeiden. Dadurch wird jede Haltung, so bequem sie auch zu Beginn sein mag, auf die Dauer peinlich und gezwungen. Dies veranlafste uns in den sp\u00e4teren Versuchsreihen, die Nadeln zu ersetzen durch Schweinsborsten, deren freies Ende durch eine Spur Klebwachs auf der Haut haftend gemacht wurde. Diese geringf\u00fcgige Ab\u00e4nderung hat sich sehr bew\u00e4hrt und die Aufgabe des Reagenten wesentlich","page":167},{"file":"p0168.txt","language":"de","ocr_de":"168\nM. von Frey und R. Metzner.\nerleichtert. Fast unvermeidlich ist es jedoch, dafs nach l\u00e4ngerem Verweilen des Armes sich juckende Empfindungen einstellen, welche die Aufmerksamkeit ablenken und fr\u00fcher oder sp\u00e4ter zur Unterbrechung des Versuchs zwingen. Ein vollst\u00e4ndiges Fehlen solcher vager Empfindungen aus verschiedenen Hautstellen wird wohl niemals zu erwarten sein. Solange sie aber m\u00e4fsige Inten sit\u00e4tsgr ade nicht \u00fcberschreiten und die k\u00fcnstlich gesetzten Reize nicht zu schwach sind, werden sie den Versuch nicht wesentlich beeintr\u00e4chtigen. So glauben wir die hier, wie bei den Versuchen Bruckner\u2019s hervortretende Thatsache verstehen zu m\u00fcssen, dafs die Angaben des Reagenten bestimmter bezw. die Simultanschwellen kleiner werden, sobald eine Verst\u00e4rkung der Reize stattfindet. Als Beweise m\u00f6gen aufser den Reizungen 15 bis 18 in dem oben mitgetheilten Protokoll noch folgende Erfahrungen dienen:\n30. Juli 1901. IV. Versuchsreihe, Reagent v. F.\nTastpunkte c\u201c und &, Abstand 2,3 mm, c\" ulnar und etwas distal von &. Reizintervall 1 Sec.\n\tReiz- folge cu &\tAngaben des Reagenten\tAussage: Beschaffenheit der Reize\tu \u00fcber Lage der Reize\n1\t2\tVerschiedene Punkte, beide Reize\tr\t\n\t2\trecht schwach\t\t\n\t\tNeue Einstellung\t\t\n2\t1\tVerschiedene Punkte, Reiz 1 schwach,\tr\t\n\t1\t2 deutlich\t\t\n\t\tNeue Einstellung\t\t\n3\t1 1\tReiz 1 nicht gesp\u00fcrt, Reiz 2 ulnar\t0\tf\n\t\tNeue Einstellung\t\t\n4\t1 2\tVerschiedene Punkte\tr\t\n5\t2 2\tEin Punkt zweimal gereizt\tr\t\n6\t1 1\tEin Punkt zweimal gereizt\tr\t\n7\t1 2\tVerschiedene Punkte\tr\t\nBemerkungen: Da gleich zu Anfang die Reize als schwach bezeichnet werden, wird versucht sie durch Aenderung der Reizst\u00e4rke und wiederholte neue Einstellungen auf die feinen Farbpunkte deutlich und gleich stark zu machen. Dies gelingt nach dem dritten Versuch, worauf bestimmte und richtige Antworten erfolgen.","page":168},{"file":"p0169.txt","language":"de","ocr_de":"Die Raumschwelle der Haut bei Successivreizung.\n169\n1. Aug. 1901. III. Versuchsreihe, Reagent y. F.\nDieselben Punkte wie vorstehend, Intervall der Reize 2 Sec.\n\tReiz- folge cu c*\tAngaben des Reagenten\tAussagei Beschaffenheit der Reize\ti \u00fcber Lage der Reize\n9\t1,7 1,7\tZweimalige Reizung eines Punktes\tr\t\n10\t2 1,7\tDasselbe\tf\t\n11\t1,7 2\tReiz 2 nicht gef\u00fchlt\t0\t\n12\t1,7 2\tEbenso\t0\t\n13\t1 1\tZwei verschiedene Punkte, deutlich\tr\t\n14\t1 1\tEin Punkt zweimal gereizt\tr\t\nBemerkung: Durch die Verst\u00e4rkung der Reize nach Versuch 12 h\u00f6ren die falschen und unsicheren Urtheile sofort auf.\n3. Aug. 1901. VII. Versuchsreihe, Reagent M.\nPunkte g und f, g 2,5 mm proximal von f. Reizintervall 4/3 Sec.\n\tReiz- folge 9 f\tAngaben des Reagenten\tAussage: Beschaffenheit der Reize\tq \u00fcber Lage der Reize\n14\t1 1\tZweimalige Reizung eines Punktes\tr\t\n15\t2,5\tUnsicher, bitte noch einmal\t0\t\n\t2,5\t\t\t\n16\t2,5\tZweimalige Reizung eines Punktes,\tr\t\n\t2,5\tganz leise Reize\t\t\n17\t2,5\tWieder leise Reize, glaube zwei ver-\tr\t\n\t1\tschiedene Punkte\t\t\n18\t1\tZweimalige Reizung eines Punktes\tf\t\n\t2,5\t\t\t\n19\t1 2\tVerschiedene Punkte, deutlich\tr\t\n20\t1 1\tZweimalige Reizung eines Punktes\tr\t\nBemerkung: Hier sind die Reize des Punktes f sehr schwach, daher die Antworten z. Th. unsicher oder falsch. Durch die Verst\u00e4rkung nach dem 18. Reiz tritt Sicherheit der Antworten ein.","page":169},{"file":"p0170.txt","language":"de","ocr_de":"170\nM. von Frey und B. Metzner.\nEs m\u00f6ge bei dieser Gelegenheit ausdr\u00fccklich bemerkt werden, dafs die benutzten Reizst\u00e4rken stets gering waren, d. h. \u00fcber den Schwellenwerth nur so weit gesteigert wurden, als zur Erlangung sicherer Resultate n\u00f6thig war. Diese Vorsicht ist aus zwei Gr\u00fcnden geboten. Erstens w\u00fcrde es bei starken Reizen unvermeidlich sein, dafs die auf der Haut gesetzte Deformation sich von dem direct getroffenen Tastpunkt auf die benachbarten ausdehnt, was der gestellten Aufgabe widerspricht. Zweitens tritt bei st\u00e4rkeren Reizen der Uebelstand hervor, dafs neben der Schliefsung des Stroms auch noch die Oeffnung empfunden wird, statt zweier wirksamer Reize demnach drei oder vier gesetzt werden. Es r\u00fchrt dies davon her, dafs im Moment der Entmagnetisirung die in die Gleichgewichtslage zur\u00fcckspringende Haut den leicht beweglichen Hebel etwas emporschnellt; das Zur\u00fcckfallen des letzteren bedingt dann eine neue Reizung. Auf die Vermeidung solcher \u201eOeffnungserregungen\u201c (vgl. v. Frey und Kiesow, diese Zeitschrift 20, S. 158 ff.) wurde jedesmal Bedacht genommen. Sie verschwanden \u00fcbrigens fast vollst\u00e4ndig, nachdem in der oben geschilderten Weise die Nadeln durch Borsten ersetzt waren.\nEin Wandern der Aufmerksamkeit findet nat\u00fcrlich nicht nur unter dem Einflufs zuf\u00e4lliger Reizungen, sondern auch aus inneren Gr\u00fcnden statt; es ist eben nicht m\u00f6glich die Aufmerksamkeit f\u00fcr l\u00e4ngere Zeit ausschliefslich auf das Versuchsfeld und die dort sich abspielenden Vorg\u00e4nge zu lenken. So kann es Vorkommen, dafs w\u00e4hrend einer l\u00e4ngeren Versuchsreihe trotz andauernd gen\u00fcgender Reizst\u00e4rken und ohne ersichtliche \u00e4ufsere Veranlassung die Aussagen des Reagenten f\u00fcr einige Zeit unsicher oder falsch werden, um dann ebenso pl\u00f6tzlich wieder Bestimmtheit und Richtigkeit zu gewinnen. Man vergleiche in dieser Richtung die Versuchsreihe III, 3. Aug., auf folgender Seite. Es ist das eine dem Psychologen nicht neue Erscheinung, auf welche schon wiederholt hingewiesen worden ist.1\n1 Pastore und Agliardi, Accad. r. di Torino 1901. Slaughter, Am. Journ. of Psychol. 12, S. 313.","page":170},{"file":"p0171.txt","language":"de","ocr_de":"Die Raumschwelle der Haut bei Successivreizung.\n171\n3. Aug. 1901. III. Versuchsreihe, Reagent y. F.\nPunkte c\u201c und c1 wie oben, Intervall 4/3 Sec.\nOrdnungszahl der Versuche\tReiz- folge c\u201c c\u2018\tAngaben des Reagenten\tAussage Beschaffenheit der Reize\tm \u00fcber Lage der Reize\nl\t3,5\tVerschiebung, proximal - distal\tr\tf\nl\t2,5\t\t\t\n2\t2,5\tZweimalige Reizung eines Punktes\tr\t\n|\t2,5\t\t\t\n3 I\t3,5\tZweimalige Reizung des ulnaren\tr\tr\n\t3,5\tPunktes\t\t\n4 !\t2,5\tVerschiebung, zweiter Reiz sehr\tr\t\ni\t3,5\tschwach\t\t\n5 i\t3 3\tZweimalige Reizung eines Punktes\tr\t\n6 i\t2,5 3\tVerschiebung, proximal - distal\tr\tf\ni 7\t3\tUnsicher, noch einmal\t0\t\n!\t2,5\t\t\t\n8\t3\tDeutliche Verschiebung, ulnar radial;\tr\tr\n1\t2,5\tradialer Reiz etwas schw\u00e4cher, der\t\t\n| i\t\tulnare recht kr\u00e4ftig\t\t\n9\t4\tWohl dasselbe wie vorher, Reizst\u00e4rken\tf\t\n\t4\tjetzt gleicher\t\t\n10\t4\tVerschiebung in umgekehrter Rieh-\tr\t\n\t2,5\ttung, bitte noch einmal\t\t\n11\t4\tDoch zweimalige Reizung des radialen\tf\t\n\t2,5\tPunktes, erster Reiz schwach\t\t\n12\t: 4\tDeutliche Verschiebung, erster Reiz\tr\t\n\ti\t2,5\tschwach\t\t\n13\tj\t2,5\tZweimalige Reizung des ulnaren\tf\t\n\t! 3\tPunktes\t\t\n14\t3\tWohl Verschiebung, bitte noch ein-\tf\t\n\t3\tmal\t\t\n15\t3\tNicht sicher, wohl radial-ulnar, Reize\tf\t\n\t3\trecht gleich\t\t\n16\t3\tZweimalige Reizung des radialen\tf\t\n\t2,5\tPunktes\t\t\n17\t!\t2,5 3\tDeutliche Verschiebung radial-ulnar\tr\tr\n18\t3\tGlaube zweimalige Reizung desselben\tf\t\n\t2,5\tPunktes, nicht sicher, bitte noch\t\t\n\t\teinmal\t\t\n19\t! 3\tUnsicher, juckende Empfindungen!\t0\t\n\t2,5\t\t\t\n20\t1 3\tVerschiebung ulnar-radial\tr\tr\n\tll\t2,5\t\t\t","page":171},{"file":"p0172.txt","language":"de","ocr_de":"172\nM. von Frey und R. Metzner.\nOrdnungszahl der Versuche\tReiz- folge Qli\tAngaben des Reagenten\tAussag Beschaffenheit der Reize\ten \u00fcber Lage der Reize\n21\t3\tZweimalige Reizung des ulnaren\tr\tr\n\t3\tPunktes\t\t\n22\t2,5\tZweimalige Reizung des anderen\tr\t\n\t2,5\tPunktes\t\t\n23\t2,5 3\tVerschiebung radial-ulnar\tr\tr\n24\t3\tVerschiebung ulnar - radial\tr\tr\n\t2,5\t\t\t\n25\t2,5\tZweimalige Reizung eines Punktes\tr\t\n\t2,5\t\t\t\n26\t3 3\tNicht sicher, bitte noch einmal\t0\t\n27\t3\tZweimalige Reizung eines Punktes,\tr\tf\n\t3\tdes radialen\t\t\n28\t2,5\tZweiter Reiz nicht deutlich, glaube\tr\tr\n\t3\tVerschiebung radial - ulnar, bitte\t\t\n\t\tnoch einmal\t\t\n29\t2,5 3\tJa, Verschiebung radial-ulnar\tr\tr\nDie qualitative Verscliiedenlieit der beiden Reize wird in dieser Versuchsreihe, \u00fcbrigens auch in Nr. 18 der oben mitge-theilten Reihe, als Verschiebung des Reizes empfunden und\nangegeben. Auf diese Angabe wird unten noch zur\u00fcckzukommen sein.\nIm Ganzen wurden an drei Reagenten (v. F., K. und M.) 51 Paare von Tastpunkten, in Abst\u00e4nden von 0,9\u20143,5 mm, zu Versuchen benutzt und zwar 25 an v. F., 9 an K. und 17 an M. Die Zahl der Versuchsreihen war 107. In jedem Falle konnte die Verschiedenheit der Punkte erkannt, d. h. die Poppelreizung eines Punktes von der successiven Reizung zweier Nachbarpunkte unterschieden werden. Die Sicherheit der Unterscheidung, ausgedr\u00fcckt in der procentischen Menge richtiger Aussagen, war aber nat\u00fcrlich eine sehr wechselnde. Gute Resultate (bis 90 \u00b0/0 richtige Aussagen) wurden nur dann erhalten, wenn die oben bezeichneten Bedingungen erf\u00fcllt, also die Reize nicht zu schwach oder ungleich, der Reagent nicht erm\u00fcdet und alle die Aufmerksamkeit st\u00f6renden Einwirkungen ferngehalten waren.\nEs sei hier ausdr\u00fccklich bemerkt, dafs es f\u00fcr das Ergebnifs der Qualit\u00e4tspr\u00fcfung v\u00f6llig gleichg\u00fcltig ist, ob ein schon be-","page":172},{"file":"p0173.txt","language":"de","ocr_de":"Die Raumschwelle der Haut bei Successivreizung.\n173\nkanntes und wiederholt benutztes oder ein frisches Punktpaar zum Versuche gebraucht wird. Wir haben bei orientirenden Versuchen auf noch niemals benutzten, ihrer Lage nach dem Reagenten unbekannten Punkten genau ebenso gute Resultate erlangt, wie auf oft benutzten, dem Reagenten wohlbekannten Punkten. Es handelt sich hier offenbar um ein ganz urspr\u00fcngliches, durch Uebung nicht merklich zu sch\u00e4rfendes Unterscheidungsverm\u00f6gen. Die \u00fcbereinstimmende Erfahrung Judd\u2019s haben wir oben bereits erw\u00e4hnt.\nWir schliefsen daraus, dafs am Unterarm und wohl auch sonst am K\u00f6rper, wo es gelingt benachbarte Endorgane des Tastsinns isolirt zu erregen, eine Unterscheidung derselben m\u00f6glich ist, richtige Versuchsbedingungen vorausgesetzt.\nVersteht man unter Successivschwelle die kleinste Entfernung, in der zwei successive Reize unter g\u00fcnstigen Bedingungen noch als verschieden erkannt werden, so kann dieselbe jedenfalls nicht gr\u00f6fser sein als die Abst\u00e4nde der jeweils benutzten Punkte. Wir sind der Meinung, dafs die Schwelle auch nicht wesentlich kleiner sein kann.\nDa alle oberfl\u00e4chlichen Tastempfindungen durch die Tastpunkte der Haut, bezw. deren Nerven vermittelt werden, so k\u00f6nnte eine Reizung zwischen zwei Tastpunkten nur dann zu qualitativ verschiedenen Empfindungen f\u00fchren, wenn abwechselnd der eine und der andere der beiden Tastpunkte st\u00e4rker erregt wird. Seien A und B die beiden Tastpunkte und a und b die beiden gereizten Stellen, so k\u00f6nnte der in a gesetzte\nA a b B \u2022 \u2022 \u2022 \u2022\nEindruck nur dann von b verschieden empfunden werden, wenn durch a vorwiegend oder ausschliefslich A, von b ebenso B erregt w\u00fcrde. In diesem Falle w\u00e4re die Gr\u00f6fse der Successivschwelle nicht gleich dem Abstande AB, sondern gleich ab zu setzen. Dafs eine gewisse Verkleinerung der Schwellen-werthe auf diesem Wege erzielt werden k\u00f6nnte, ist von vorne-herein nicht abzuweisen; es kann sich indessen immer nur um sehr kleine Werthe handeln. Je mehr die Reizstelle a sich von A entfernt, um so geringer wird die Wirkung des Reizes und damit die Sicherheit der Unterscheidung. Benutzt man aber starke Reize, so l\u00e4uft man Gefahr, aufser A auch noch B und","page":173},{"file":"p0174.txt","language":"de","ocr_de":"174\nM. von Frey und R. Metzner.\neventuell noch andere naheliegende Tastpunkte zu erregen. Wir k\u00f6nnen mangels derartiger Versuche nicht beurtheilen, ob ein solcher Erfolg f\u00fcr die Unterscheidung der Reize vorteilhaft ist. Die Aufgabe, auf diese Weise die Werthe der Successiv-schwellen zu verkleinern, schien uns von ausschliefslich versuchstechnischem Interesse. Wir halten es aber f\u00fcr unwahrscheinlich auf Grund folgender Erfahrungen : Die Reize a und b wurden statt zwischen A und B zu beiden Seiten von A, in 1 mm gegenseitiger Entfernung ausge\u00fcbt und so stark gew\u00e4hlt, dafs sehr deutliche Empfindungen resultirten. Bei der Dichte der Tastpunkte im Versuchsfelde (Handgelenk) mufsten aufser A auch noch weitere Tastpunkte erregt werden, wenn in beiden F\u00e4llen dieselben, dann doch jedenfalls nicht mit gleicher Intensit\u00e4t. Trotzdem ist eine Unterscheidung von a und b niemals gelungen.\nAus diesen Erfahrungen darf weiter auch geschlossen werden, dafs fl\u00e4chenhafte, d. h. eine Summe von Tastpunkten ergreifende Reizungen nicht wesentlich kleinere Successivschwellen ergeben, als die von uns ge\u00fcbten, nur je einen Tastpunkt treffenden (monostigmatischen) Reize. In diesem Sinne sprechen auch die Versuchsergebnisse von Judd, welche bei ziemlich ausgebreiteten Reizen eine Successivschwelle von im Mittel 2 mm ergaben (a. a. O. S. 422).\nWir glauben daher den Satz aussprechen zu d\u00fcrfen, dafs auf allen Tastfl\u00e4chen, auf welchen eine isolirte Erregung einzelner Tastpunkte gelingt, die Suc-oessivsch wellen bei g\u00fcnstigsten Auffassungsbedingungen den Abst\u00e4nden der Tastpunkte merklich gleiehwerthig sind.\nBedeutung des Reizintervalls. Br\u00fcckner hat gezeigt (a. a. 0. S. 38), dafs benachbarte Tastpunkte bei simultaner Reizung niemals unterschieden werden. Wir finden, dafs bei successive!* Reizung unter Umst\u00e4nden ein Intervall von 1/1S Sec. gen\u00fcgt, um eine Unterscheidung zu erm\u00f6glichen, doch erfolgt sie sehr schwierig. Die Versuche ergeben sehr viele unbestimmte Angaben und sind mit einem grofsen Procentsatz von Fehlangaben behaftet. Selbst bei einem Intervall von 1/9 Sec. verschmelzen die beiden Reize leicht noch zu einem einzigen, und es gelingt meist erst nach einer Reihe von Reizungen, die","page":174},{"file":"p0175.txt","language":"de","ocr_de":"Die Raumschwelle der Haut hei Successivreizung.\n175\nVerschiedenheit der getroffenen Punkte zu erkennen. Mit wachsendem Reizintervall bessern sich dann die Ergebnisse, aber nur bis zu einem Intervall von beil\u00e4ufig 4/3 Sec. Bei weiterer Verl\u00e4ngerung scheint die Sicherheit der Angaben langsam wieder abzunehmen.\nZieht man f\u00fcr alle diejenigen Reizintervalle, von welchen zwei oder mehrere Versuchsreihen vorliegen, das Mittel aus den Procentzahlen der richtigen Angaben, so erh\u00e4lt man:\nf\u00fcr 4/9, 4/6, 4/3, 7s\u00bb\t7s. 2 Secunden Reizintervall\n56, 64, 65, 67, 61, 68, 59 % richtige Angaben.\nWir glauben indes, dafs f\u00fcr eine derartige Statistik die Zahl der Versuchsreihen, 2\u201410 f\u00fcr ein Intervall, zu klein ist. Die vielen St\u00f6rungen, denen diese schwierigen Versuche ausgesetzt sind, machen sich in sehr ungleicher Weise geltend. Etwas beweisender erscheint uns die Erfahrung, dafs sich die h\u00f6chsten Procentzahlen richtiger Angaben, 88 und 90 %, unter allen Versuchen bei dem Intervall von 4/s Sec. finden. Am beweisendsten f\u00fcr die Existenz eines optimalen Intervalls von ungef\u00e4hr dieser L\u00e4nge sind die directen Angaben der Reagenten \u00fcber die Schwierigkeit der Aussagen bei den k\u00fcrzeren und l\u00e4ngeren Intervallen und die H\u00e4ufung unbestimmter Aussagen, welche 30\u201440 \u00b0/0 s\u00e4mmtlicher Reizungen betragen.1\nDie Gr\u00fcnde f\u00fcr die Schwierigkeit sind in den beiden F\u00e4llen verschiedene. Bei langem Intervall verblafst offenbar der Eindruck des ersten, schwachen und fl\u00fcchtigen Reizes so weit, dafs seine Vergleichung mit dem nachfolgenden unsicher wird. L\u00e4ngere Dauer des reizenden Stromstofses bezw. der dadurch gesetzten Deformation (die Dauer betr\u00e4gt 4/9 Sec.) w\u00fcrde das Resultat kaum \u00e4ndern, weil bei eben nur \u00fcberschwelliger Reizung eines einzelnen Tastpunktes die Erregung unter allen Umst\u00e4nden rasch abklingt, d. h. den Charakter der Ber\u00fchrungsempfindung besitzt. Bei k u r z e m Intervall ist es dagegen die Neigung zur Ver-schmelzung bezw. Summation der Erregungen (vgl. Br\u00fcckneb S. 38), die die Aussagen unsicher macht, bis schliefslich bei Simultanreizung eine Unterscheidung der Reize \u00fcberhaupt unm\u00f6glich wird.\n1 Man vgl. in dieser Richtung auch die Angaben von Angell, Philos. Studien 7, S. 426 und Ament, Ebenda 16, S. 171. Systematische Versuche zur Feststellung des optimalen Intervalls sind uns nicht bekannt.","page":175},{"file":"p0176.txt","language":"de","ocr_de":"176\nM. von Frey und R. Metzner.\nWie der eine von uns bereits bei anderer Gelegenheit kurz ausgef\u00fchrt hat, kann eine anatomische Deutung dieser Erfahrung in der Annahme gesucht werden, dafs in einem untergeordneten (subcorticalen) Abschnitt des Nervensystems eine irgendwie beschaffene Repr\u00e4sentation der peripheren Sinnespunkte gegeben ist. Die Erregung eines einzelnen Punktes bleibt nun in diesem Abschnitte nicht isolirt, sondern breitet sich, nach Art der Reflexe im R\u00fcckenmark nach verschiedenen Richtungen aus, wobei die Erregung mit zunehmender Entfernung vom Eintrittspunkte an Intensit\u00e4t und Dauer einb\u00fcfst. Entstehen in Folge gleichzeitiger Erregung zweier Tastpunkte zwei solche Ausbreitungsgebiete, so fliefsen sie zusammen, wodurch auch f\u00fcr einen \u00fcbergeordneten (corticalen) Abschnitt die Unterscheidung der beiden Reizorte verhindert wird. H\u00e4tte dagegen bis zum Eintritt der zweiten Erregung die erste Zeit bis auf einen kleinen und scharfumschriebenen Rest abzuklingen, so erscheint die M\u00f6glichkeit der Unterscheidung gegeben. Die Vorstellung, dafs die Art des Abklingens f\u00fcr den Erfolg von Bedeutung sei, wird durch das auff\u00e4llig rasche Verblassen schwacher Tastreize nahe gelegt.\nAls Resultat der Versuche dieses Abschnittes stellen wir den Satz hin, dafs die Unterscheidung zweier benachbarter Tastpunkte am leichtesten gelingt, die Suc-cessivschweile also den kleinsten Werth erreicht, wenn die beiden Reize in einem Intervall von ungef\u00e4hr 4/3 Secunden auf einander folgen.\nII. Die Lagebestimmung successiver Reize.\nDie Antworten der Reagenten erhalten neben den Aussagen \u00fcber Gleichheit oder Verschiedenheit der Reize h\u00e4ufig auch Ur-theile \u00fcber deren Localisation. Es handelt sich dabei nicht um n\u00e4here Bezeichnung der Lage der gereizten Punkte auf dem Unterarm, sondern stets nur um Orientirung ihrer Verbindungslinie zur L\u00e4ngsaxe des Gliedes und um die Lagebestimmung der Punkte auf dieser Linie. Ausnahmsweise wird auch ihr gegenseitiger Abstand als sehr grofs oder sehr klein gesch\u00e4tzt im Ver-\nh\u00e4ltnifs zu dem im Allgemeinen bekannten Abstand zweier benachbarter Tastpunkte.\nMan mufs hier unterscheiden zwischen Versuchen, in denen der Reagent um die Lage der gereizten Punkte wufste (wissent-","page":176},{"file":"p0177.txt","language":"de","ocr_de":"Die Raumschivelle der Haut bei Successivreizung.\n177\nliehe Versuche) und solchen, in denen sie ihm nicht bekannt war (unwissentliche Versuche).\nUnter den wissentlichen Versuchen sind localisirende Angaben h\u00e4ufig, namentlich wenn bereits eine Anzahl von Versuchsreihen an demselben Punktpaare ausgef\u00fchrt worden sind und der Reagent sich mit der Lage vertraut glaubt. Wir haben solche Aussagen nicht verhindert, weil sie uns werthvolle Aufschl\u00fcsse versprachen. Zuweilen beginnen (wie in Versuch III vom 3, Aug., s. o. S. 171) die localisirenden Angaben gleich mit der ersten Reizung, ohne dafs sie deshalb von besonderer Zuverl\u00e4ssigkeit zu sein brauchen. Es kommt vor, dafs in Versuchsreihen mit erheblichem Procentsatz richtiger Aussagen \u00fcber die Qualit\u00e4t der Reize die Lo-calisationen s\u00e4mmtlich oder zum gr\u00f6fsten Theil falsch sind. So sind auch in dem oben angezogenen Protokolle bei Reizung 1, 6 und 27 die Qualit\u00e4tsurtheile richtig, die Localisationen dagegen falsch.\nBei den unwissentlichen Versuchen ist die Neigung zur Localisation geringer. Der Reagent erkennt bald, dafs er sich durch Beschr\u00e4nkung auf Qualit\u00e4tsurtheile die Aufgabe erleichtert. Objectiv \u00e4ufsert sich die gr\u00f6fsere Anstrengung, welche die Localisation bedingt, in einer Verschlechterung der Qualit\u00e4tsurtheile. Auf Grund dieser Erfahrungen wurde von dem Re-agenten nur Auskuft \u00fcber die Qualit\u00e4t der Reize verlangt. Die zuweilen angegebenen Localisationen sind dann spontane.\nUm indessen die Localisation auch unbeirrt durch Qualit\u00e4tsurtheile zu studiren, haben wir einige Versuche nach folgendem Verfahren ausgef\u00fchrt:\nZwei benachbarte, in Bezug auf ihre Lage dem Reagenten nicht bekannte Tastpunkte wurden in einem Intervall von etwa 1 Sec. hinter einander gereizt, und zwar war die Reihenfolge ganz in das Belieben des Beobachters gestellt. Der Reagent wufste, dafs Doppelreize auf einem Punkte nicht vorkamen und hatte nach jeder Reizung Auskunft zu geben \u00fcber die vermeintliche Richtung, in welcher der Reiz fortgeschritten war.\nVersuche vom 10. Nov. 1898.\nI.\nReagent y. F. Gereizte Punkte II n. 3 an der Volarseite des 1. Handgelenks. Entfernung der Punkte 3,7 mm. Punkt II liegt proximal und etwas ulnar von 3.\nReizfolge\tAussagen des Reagenten\nII 3\tradial-ulnar und zugleich distal - proximal\nII 3\tulnar-radial und zugleich proximal - distal\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie 29.\n12","page":177},{"file":"p0178.txt","language":"de","ocr_de":"178\nEeizfolge\nM. von Frey und B. Metzner.\nAussagen des Reagenten\nII\t3\tulnar-radial und zugleich proximal - distal\nII\t3\tumgekehrt\n3\tII\tulnar-radial\n3\tII\tradial - ulnar\n3\tII\tebenso\nII\t3\tulnar-radial\nII\t3\tproximal-distal\n3\tII\tdistal-proximal, der proximale Reiz hat zugleich ulnaren Charakter. II.\nReagent derselbe; gereizte Punkte II und 6, II liegt radial und zugleich\t\t\ndistal\tvon 6.\tAbstand 2,0 mm.\nReizfolge\t\tAussagen des Reagenten\nII\t6\tproximal-distal und vielleicht auch radial\nII\t6\tproximal-distal\nII\t6\tradial - ulnar\nII\t6\tebenso\n6\tII\tulnar-radial\nII\t6\tradial-ulnar und zugleich distal-proximal\nII\t6\tebenso\nII\t6\tebenso\n6\tII\tulnar-radial und zugleich proximal-distal\nII\t6\tumgekehrt\nII\t6\tebenso\nBeide Reihen zeigen anf\u00e4nglich eine grofse Unsicherheit in der Richtungsangabe, bis sich nach einer Anzahl von Reizungen schliefslich die richtige Vorstellung herausarbeitet, die dann festgehalten wird. Der Reagent gab ausdr\u00fccklich an, dafs er trotz des Bewufstseins der Unver\u00e4nderlichkeit der Reizorte die Empfindung habe, als ob von einem Versuch zum anderen eine Drehungder Reizrichtung stattf\u00e4nde, bis sie endlich eine definitive Lage zum Unterarm bekam. Das unsichere Tasten hier steht in auffallendem Gegens\u00e4tze zu dem von Anfang an bestimmten Ergebnifs der Qualit\u00e4tspr\u00fcfung, sobald die Versuchsbedingungen \u00fcberhaupt eine Aussage gestatten.\nAus allen diesen Erfahrungen folgt, dafs die Unterscheidung zweier Reize schlechtweg und ihre Localisation verschiedene Leistungen sind. Es besteht nicht nur die M\u00f6glichkeit der Unterscheidung benachbarter Tastpunkte ohne Lagebestimmung, sondern diese Aufgabe ist sogar die einfachere und leichtere. Die Angabe, dafs die","page":178},{"file":"p0179.txt","language":"de","ocr_de":"Die Raumschweile der Haut bei Successivreizung.\t179\nbeiden gesetzten Reize verschieden, ihre Lage aber nicht an-gebbar sei, kehrt stets wieder, oder es wird zu einer bestimmten Aussage \u00fcber die Qualit\u00e4t der Reize eine sehr unsichere \u00fcber die Lage hinzugesetzt. Es bedarf einer \u00f6fteren Wiederholung des Reizes, wenn zur Erkennung der Verschiedenheit die der Lage hinzutreten soll. Unsere Erfahrungen stehen hier in v\u00f6lligem Einklang mit den \u00e4lteren von Czermak und Judd; dieselben verdienen aber unseres Erachtens eine weit gr\u00f6fsere Beachtung, als ihnen durch die genannten Forscher zu Theil geworden ist.\nWundt hat zuerst im Jahre 1858 (Beitr\u00e4ge zur Theorie der Sinneswahrnehmung) gezeigt, dafs die von Lotze den Tastempfindungen zugesprochenen Localzeichen zwar mit Recht auf eine physiologische Vorbedingung der Unterscheidung zur\u00fcckgreifen, im Uebrigen aber die Raum Vorstellung bereits als gegeben voraussetzen. Er f\u00fchrt dann in der angezogenen Schrift, sowie in den verschiedenen Auflagen seiner Physiologischen Psychologie die Entwickelung der Raum Vorstellung zur\u00fcck auf eine Verschmelzung von Tast- (bezw. Gesichts-) mit Bewegungsempfindungen. Denselben Gedanken hat Helmholtz in seiner physiologischen Optik ausgesprochen ; eine ausf\u00fchrliche und \u00fcberaus klare Darstellung findet sich ferner in dem bekannten Vortrage: Die Thatsachen in der Wahrnehmung. Nach diesen Theorien sind die Tastempfindungen von Ort zu Ort der Haut bei stets gleicher Reizung qualitativ verschieden. Das Quale braucht aber kein r\u00e4umliches zu sein. Die r\u00e4umliche Beziehung, so zu sagen die Ausmessung der Coordinaten, geschieht erst durch die Bewegungsempfindungen.\nDurch die mitgetheilten Erfahrungen scheinen uns diese Annahmen sehr an Wahrscheinlichkeit zu gewinnen. Wenn es unter den beschriebenen Versuchsbedingungen so leicht gelingt, zwei gereizte Punkte zu unterscheiden, und so schwer, ihre Lage zu bestimmen, so kann das nur so verstanden werden, dafs jeder Punkt zwar eine leicht erkennbare individuelle F\u00e4rbung oder Qualit\u00e4t besitzt, dafs aber die an diese sich kn\u00fcpfende Lagevorstellung eine sehr unbestimmte ist. In der That ist bei schwacher Reizung eines einzelnen Punktes die Localisation eine \u00e4ufserst unsichere, so dafs selbst T\u00e4uschungen \u00fcber den getroffenen Gliederabschnitt Vorkommen.1 Bei Reizung zweier\n1 Man vgl. hier\u00fcber auch V. Henri, Die Raum Wahrnehmungen des Tastsinns, Berlin 1898, S. 90 ff.\n12*","page":179},{"file":"p0180.txt","language":"de","ocr_de":"180\nM. von Frey und R. Metzner.\nPunkte wird die Verschiedenheit der Reize entweder als solche erkannt, oder, namentlich bei den k\u00fcrzeren Intervallen, als V e r -Schiebung des Reizes, als ein Streichen desselben \u00fcber die Haut gedeutet. Erst an diese Aussage kn\u00fcpft sich die Lagebestimmung, sofern eine solche \u00fcberhaupt gegeben werden kann. Also auch die Vorstellung der Bewegung wird nicht etwa aus den Lage- oder Richtungsbestimmungen erschlossen, sondern geht ihr voraus als die durch den Willen bewirkbare Aenderung in der Qualit\u00e4t der Tastempfindung. Man sieht, dafs aus dem Verschmelzungsvorgang, den die obgenannten Theorien annehmen, nicht so festgef\u00fcgte psychische Gebilde entstehen, dafs sie nicht unter geeigneten Bedingungen wieder in ihre Componenten zerlegt werden k\u00f6nnten.\nAlle diese Erscheinungen sind auf Grund der Annahmen Lotze\u2019s ganz unverst\u00e4ndlich. W\u00e4ren die Localzeichen im Sinne dieses Autors die Voraussetzung der Unterscheidbarkeit, so k\u00f6nnte die Erkennung der gereizten Punkte von vorneherein nur eine \u00f6rtliche sein. Wir halten es daher f\u00fcr zweckm\u00e4fsig, jene Empfindungsqualit\u00e4t, welche die \u00f6rtliche Unterscheidung bedingt, mit ihr aber nicht identisch ist, durch einen Ausdruck zu bezeichnen, der nichts pr\u00e4judicirt und nicht mifs-verstanden werden kann. Wir schlagen hierzu das Wort \u201eMerkzeichen\u201c vor.\nWelcher Art nun die Merkzeichen der unterscheidbaren Tastpunkte sind, entzieht sich naturgem\u00e4fs einer weiteren Beschreibung. Dieselbe k\u00f6nnte nur gegeben werden durch Empfindungsqualit\u00e4ten noch einfacherer Art, als die hier vorl\u00e4ufig als elementar angenommenen. Immerhin m\u00f6chten wir bemerken, dafs die Unterschiede im Empfindungscharakter benachbarter Tastpunkte wiederholt so bedeutend waren, dafs die Reagenten unaufgefordert dar\u00fcber Ausk\u00fcnfte gaben. Zwischen scharf umschriebenen, pr\u00e4gnanten Empfindungen und stumpfen, unbestimmten oder verwischten kamen mannigfache Ueberg\u00e4nge vor, die namentlich in dem verschiedenen zeitlichen Ablauf der Erregung, in der Art ihres Abklingens begr\u00fcndet zu sein schienen. Ob diese Verschiedenheiten die Merkzeichen begleiten, oder als das eigentliche Wesen derselben zu betrachten sind, m\u00fcssen wir dahingestellt sein lassen.1\n1 Hier sei auf die interessanten Er\u00f6rterungen von v. Kries u. Auerbach, Arch, f\u00fcr Physiologie 1877, S. 351 hingewiesen.","page":180},{"file":"p0181.txt","language":"de","ocr_de":"Die Raumschwelle der Haut bei Successivreizung.\n181\nDa successive Reize auf benachbarten Tastpunkten nur schwer, bezw. erst nach einiger Uebung localisirt werden k\u00f6nnen, w\u00e4hrend bei gr\u00f6fserem Abstande die Erkennung der Lage sofort gelingt, so mufs es einen Minimalabstand f\u00fcr diese Leistung geben. Derselbe ist als Richtungsschwelle von dem einen von uns bezeichnet worden. Versuche zu ihrer Bestimmung besitzen wir nicht. Eine ann\u00e4hernde Vorstellung von ihrer Gr\u00f6fse im Verh\u00e4ltnifs zur reinen Suceessiv- oder Qualit\u00e4tsschwelle geben die Versuche von Judd (S. 420, Tabelle I). Bei jenen Versuchen hatte der Reagent zwei Aussagen zu machen, erstens \u00fcber die Qualit\u00e4t und zweitens \u00fcber die Lage der beiden Reize. Da letztere bei den Versuchen mit abnehmender Reizdistanz bekannt war, beziehen sich die Aussagen dieser Versuche auf die Successivschwelle. Bei den Versuchen mit zunehmender Reizdistanz war dagegen die Lage unbekannt und die gefundenen Schwellenwerthe geh\u00f6ren der oben definirten Richtungsschwelle an. Vergleicht man in der angezogenen Tabelle die Werthe f\u00fcr das ab- und auf steigende Verfahren, so findet man letztere ungef\u00e4hr doppelt so grofs wie erstere. Nach der hier vorgeschlagenen Bezeichnungsweise w\u00fcrde dies heifsen, dafs die Richtungsschwelle ungef\u00e4hr doppelt so grofs ist wie die Successivschwelle.\nZusammenstellung der Ergebnisse.\nWir stellen die Ergebnisse unserer Versuche und die aus ihnen gezogenen Folgerungen in nachstehenden S\u00e4tzen zusammen :\n1.\tAn K\u00f6rperstellen, an denen isolirte Erregung einzelner Tastpunkte m\u00f6glich ist, werden benachbarte Tastpunkte bei successiver Reizung stets als verschieden erkannt, geeignete Versuchsbedingungen vorausgesetzt. Die Successivschwelle, d. i. die kleinste Entfernung in der irgend zwei auf der Haut gesetzte Reize noch als verschieden erkannt werden k\u00f6nnen, wird der Entfernung benachbarter Tastpunkte merklich gleich zu setzen sein.\n2.\tDie Unterscheidung benachbarter Tastpunkte geschieht am leichtesten, wenn das Intervall der beiden Reize etwa 4/s Sec. betr\u00e4gt. Auch die St\u00e4rke der Reize ist von Bedeutung.","page":181},{"file":"p0182.txt","language":"de","ocr_de":"182\nM. von Frey und Ii. Metzner.\n3.\tDie Unterscheidung zweier Punkte ist zun\u00e4chst eine rein qualitative, welche weiterhin zu einer Lagebestimmung f\u00fchren kann ; letztere ist aber wesentlich schwieriger und unsicher. Die Unterscheidbarkeit kann daher nicht auf Localzeichen im Sinne Lotze\u2019s beruhen. Wir bezeichnen die qualitative Eigenth\u00fcmlich-keit in der Empfindung jedes Tastpunktes als sein Merkzeichen und nehmen an, dafs aus diesem und anderen Bestimmungsgliedern secund\u00e4r die Lagebestimmung hervorgeht.\n4.\tDie kleinste Entfernung zweier Reize, bei der ihre Lagebeziehung mit Sicherheit erkannt werden kann, die sog. Richtungsschwelle, ist ungef\u00e4hr doppelt so grofs wie die Successivschwelle.\n(Eingegangen am 6. Mai 1902.)","page":182}],"identifier":"lit33689","issued":"1902","language":"de","pages":"161-182","startpages":"161","title":"Die Raumschwelle der Haut bei Successivreizung","type":"Journal Article","volume":"29"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:19:17.864633+00:00"}

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