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{"created":"2022-01-31T16:38:54.480298+00:00","id":"lit33700","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Giessler","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 29: 228-231","fulltext":[{"file":"p0228.txt","language":"de","ocr_de":"228\nLiteratur bericht.\nwegs. Er macht vielmehr den Versuch, dieselbe durch Annahme eines zweiten, katoptrischen Netzhautbildes zu l\u00f6sen. Es wird \u00fcberhaupt nicht nur die allgemeine Theorie entwickelt, sondern ihre Anwendung zur Erkl\u00e4rung der einzelnen Erscheinungen bis ins Einzelne durchgef\u00fchrt und dabei sich ergebende Einw\u00e4nde finden sorgf\u00e4ltige Ber\u00fccksichtigung. Auch sucht Verf. seine Hypothesen dadurch m\u00f6glichst zu begr\u00fcnden, dafs er Folgerungen aus ihnen durch Erfahrungsthatsachen sich best\u00e4tigen l\u00e4fst. Insbesondere constatirt er durch Untersuchung von Personen, denen durch Staaroperation aus beiden Augen die Linsen entfernt wurden, dafs das Auftreten der optischen Inversion in der That an das Vorhandensein der Linsen gebunden ist. Die optische Inversion betrachtet er auch als das Prim\u00e4re an der bekannten T\u00e4uschung des Z\u00d6LLNER\u2019schen Musters, hei der durch die Bildung partieller W\u00f6lbungsmaxima der Linse die parallelen L\u00e4ngslinien als schr\u00e4g in die Tiefe laufend empfunden werden, w\u00e4hrend durch die secund\u00e4r damit gegebene Verschiebung der Netzhautelemente ihre scheinbare Divergenz sich noch vergr\u00f6fsert. Auf die Frage, wie denn das Auge dazu komme, ohne das Bed\u00fcrfnifs der Ad\u00e4quation von Doppelbildern die eigent\u00fcmliche, zur Erkl\u00e4rung der T\u00e4uschung angenommene Form der Linsenw\u00f6lbung hervorzurufen, giebt Verf. freilich nur eine nicht recht befriedigende \u201eassociationspsychologische Erkl\u00e4rung durch Gewohnheit\u201c. Eine richtige wie eine nicht allzu falsche Perspectivzeichnung, meint er, reize das Auge, sich gewohnheitsm\u00e4fsig so einzurichten, wie es sich f\u00fcr den dargestellten Gegenstand accommodiren w\u00fcrde. Derselbe Mechanismus, der im Dienst der Bildausgleichung steht, k\u00f6nne ja auch in den Dienst der Accommodation treten. Aber gerade das letztere scheint bestreitbar. Wenn die Folge der Accommodation nicht Verlagerung aller Bildpunkte in eine der Netzhaut m\u00f6glichst gen\u00e4herte Ebene, sondern im Gegentheil eine Auseinanderziehung in verschiedene Ebenen sein soll, so ist es schwer, eine prim\u00e4re Tendenz des Auges nach solcher Accommodation anzunehmen.\tDure (Leipzig).\nS. Freud. U\u00dfb\u00dfr d\u00dfll Tr\u00e4um. Grenzfragen des Nerven- und Seelenlebens von Loewenfeld u. Kurella 8, S. 307\u2014344. 1901.\nIm Vordergr\u00fcnde des heutigen Interesses f\u00fcr den Traum steht nach Verf. die Bedeutung desselben. Schubert sieht ihn als eine Losl\u00f6sung der Seele von den Fesseln der Sinnlichkeit an, Scherner und Volkelt als Entfaltung seelischer Kr\u00e4fte, welche tags\u00fcber an ihrer Entfaltung verhindert sind, Binz als einen unn\u00fctzen, in vielen F\u00e4llen krankhaften Zustand.\nFreud wandte auf die Tr\u00e4ume ein Verfahren an, das aus der Psycho-theiapie stammt, und das ihm bei der L\u00f6sung von Phobien, Zwangsideen, Wahnideen u. s. w. gute Dienste geleistet hatte. Es betrifft eine Aufdeckung der dem Bewufstsein verh\u00fcllten Associationswege, durch welche die krankhaften Ideen mit dem \u00fcbrigen seelischen Inhalte verbunden sind. Fr. l\u00e4fst sich von dem Kranken alle m\u00f6glichen Einf\u00e4lle erz\u00e4hlen, die zu seiner fixen Idee in Beziehung stehen. Er gewinnt dadurch psychisches Material, welches deutlich an die krankhafte Idee ankn\u00fcpft. Die L\u00f6sung besteht nun darin, dafs die krankhafte Idee durch eine neue ersetzt wird,","page":228},{"file":"p0229.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n229\ndie sich in verst\u00e4ndiger Weise in den seelischen Zusammenhang einf\u00fcgt. Yerf. zeigt an einem Beispiel, wie dieses Verfahren auf den Traumzustand anwendbar ist. Er ist im Stande, die dem Traume zu Grunde liegenden Gedanken zu logisch verbundenen Ketten zusammenzuf\u00fcgen, in denen gewisse Vorstellungen als centrale Vorkommen. Der Traum bildet also einen Ersatz zu jenen affectvollen und sinnreichen Gedankeng\u00e4ngen. Verf. nennt nun den Traum selbst den \u201emanifesten\u201c, das durch die Analyse gefundene Material den \u201elatenten\u201c Trauminhalt, den Vorgang der Verwandlung aus dem latenten in den manifesten Trauminhalt die \u201eTraumarbeit\u201c. Diese Begriffe haben eigentlich nur Bedeutung f\u00fcr die verworrenen Tr\u00e4ume, nicht aber f\u00fcr die vern\u00fcnftigen. Bei letzteren f\u00e4llt der manifeste und latente Trauminhalt zusammen. Namentlich die Tr\u00e4ume der Kinder sind sinnvoll : Es sind einfache Erf\u00fcllungen ihrer W\u00fcnsche vom Tage her. Auch bei Erwachsenen kommen solche Wunscherf\u00fcllungen in meist kuizen Tr\u00e4umen vor. Verf. theilt die Tr\u00e4ume je nach ihrem Verhalten gegen die Wunscherf\u00fcllung in 3 Classen: erstens in solche, die einen un verdr\u00e4ngten Wunsch unverh\u00fcllt darstellen (Tr\u00e4ume von infantilem Typus), zweitens Tr\u00e4ume, welche einen verdr\u00e4ngten Wunsch verh\u00fcllt zum Ausdruck bringen (die grofse Mehrzahl der Tr\u00e4ume), drittens Tr\u00e4ume, die zwar einen verdr\u00e4ngten Wunsch darstellen aber ohne oder in ungen\u00fcgender Verh\u00fcllung. Letztere Tr\u00e4ume sind von Angst begleitet.\nBei der Traumarbeit ist die ungeheuere Zusammendi\u00e4ngung oder Verdichtung bemerkbar. Die Traumarbeit bringt die verschiedenen Com-ponenten des Traummaterials zur Deckung. Dann tritt das Gemeinsame im Gesammtbilde deutlich hervor, die widersprechenden Details l\u00f6schen einander nahezu aus. Wo solches Gemeinsames nicht vorhanden ist, wird es von der Traumarbeit geschaffen. Aus der Verdichtungsarbeit erkl\u00e4ien sich auch die Sammelgebilde und Mischpersonen. Jedes der Elemente (|es Trauminhalts ist durch das Material der Traumgedanken \u00fcberdetermmirt. \u2014 Was im manifesten Trauminhalt breit und deutlich als der wesentliche Inhalt dargestellt war, das spielt im latenten Trauminhalt eine untergeordnete Bolle und umgekehrt. Also w\u00e4hrend der Traumarbeit geht die psvchische Intensit\u00e4t an den Gedanken und Vorstellungen, denen sie berechtigterweise zukommt, auf andere \u00fcber, die nach unserem Urtheil keinen Anspruch auf solche Betonung haben. Dies nennt Verf. Traumverschiebung oder Umwerthung der psychischen Werthigkeiten. \u201eWo der Trauminhalt bedeutungsloses und uninteressantes Vorstellungsmaterial behandelt, da deckt die Analyse die zahlreichen Verbindungswege auf, mittels welcher dieses Werthlose mit dem Werthvollen in der psychischen Sch\u00e4tzung des Einzelnen zusammenh\u00e4ngt.\u201c \u2014 Der Traum strebt ferner nach bilderreichei Anschaulichkeit. Die Traumgedanken scheinen nicht in der n\u00fcchternen Form gegeben, deren sich unser Denken vorzugsweise bedient, sie sind vielmehr in symbolischer Weise durch Gleichnisse und Metaphern dargestellt. Unter den Traumgedanken befinden sich regelm\u00e4fsig Erinnerungen an eindrucksvolle Ereignisse. Dieselben wirken gleichsam alsKiystallisations punkte anziehend und vertheilend auf das Material der Traumgedanken. Bez\u00fcglich der Traumarbeit ist Folgendes hervorzuheben: Die Causal-beziehung zwischen zwei Gedanken wird entweder ohne Darstellung ge-","page":229},{"file":"p0230.txt","language":"de","ocr_de":"230\nLi ter a turberich t.\nlassen oder ersetzt durch das Nacheinander. Die Verwandlung eines Dinges in ein anderes scheint die Delation von Ursache und Wirkung darzustellen. Die Alternative ..Entweder-Oder\u201c wird durch \u201eUnd\u201c \u00fcbersetzt. Das \u201enicht\u201c scheint im Traume nicht zu existiren. Die Empfindung der gehemmten Bewegung stellt einen Willensconflict dar. Alles, was Aehnlichkeit, Gemeinsamkeit, Uebereinstimmung zeigt, wird vom Traume zu einer neuen Einheit zusammengezogen. Wo der Traum absurd erscheint, da bringt er nach Verf. ein St\u00fcck von intellectuellem Inhalt der Traumgedanken zum Ausdruck. Absurdit\u00e4t im Traume bedeutet Widerspruch, Spott und Hohn im Traumgedanken (?). \u2014\nDie vorliegende Abhandlung enth\u00e4lt viel Zutreffendes, vor Allem das Constatiren der Ph\u00e4nomene der Verdichtung, Verschiebung, anschaulichen Verarbeitung sowie die Darstellung der Modi der Verarbeitung. Bez\u00fcglich der Function der Verneinung k\u00f6nnte man noch weiter anf\u00fchren, dafs diese Function in den mehr mit repr\u00e4sentativen Vorstellungen arbeitenden Tr\u00e4umen weniger irritirt erscheint, mehr dagegen in denjenigen Tr\u00e4umen, wo die Bilder vorherrschen. Die Methoden der Verneinung bestehen hier entweder in einer allgemeinen Ueberf\u00fchrung der falschen Constellation in die richtige oder in einer Umgestaltung bestehender Gebilde oder in einem Danebenstellen der richtigen Auffassung neben die falsche. \u2014 Der Ansicht des Verf., dafs die meisten Tr\u00e4ume einen verdr\u00e4ngten Wunsch unverh\u00fcllt ausdr\u00fccken, kann Bef. leider nicht beistimmen. Bef. hat eine grofse Anzahl von Tr\u00e4umen darauf hin untersucht. Dafs die Tr\u00e4ume der Kinder Wunschtr\u00e4ume sind, hat seinen Grund darin, dafs \u00fcberhaupt das Sinnen und Trachten der Kinder vorherrschend auf die Befriedigung der Bed\u00fcrfnisse gerichtet ist, also vorherrschend aus W\u00fcnschen besteht, was beim Erwachsenen nicht der Fall ist. \u2014 Verf. will davon nichts wissen, dafs die Tr\u00e4ume durch die isolirte Th\u00e4tigkeit einzelner, aus dem Schlafe geweckter Hirngruppen entstanden sind. Dafs der Traum sein Material aus affect-vollen und sinnreichen Gedankeng\u00e4ngen nimmt, daran kann allerdings nicht gezweifelt werden. Es sind dies die Vorstellungskreise des wachen Lebens. Der Traum zerst\u00fcckelt aber jene Vorstellungsreihen und setzt die Tr\u00fcmmer in einer Weise zusammen, wie wir sie als unsinnig bezeichnen m\u00fcssen. Bef. ist daher im Gegensatz zu Fe. der Ansicht, dafs der Traumzustand den Zerfall bezeichnet. Vergl. Giesslee, die Grundthatsachen des Traumzustandes. (.Allgemeine Zeitschrift f\u00fcr Psychiatrie 58. 1901.) Bef. weist diesen Zerfall zun\u00e4chst bei Vorstellungen nach, speciell bei der Vorstellung von unserem Traumleibe, von unserer Traumpers\u00f6nlichkeit, von solchen Vorstellungen, welche mit specielleren Systemen von Muskelinnervationen verbunden sind (r\u00e4umliche Orientirung, Sprechen und Lesen, Schreiben und Zeichnen),, zweitens den Zerfall der Vorstellungsreihen, und zwar der rein psychologischen und der logischen Verbindungen der Vorstellungen. \u2014 Bichtig erscheint dem Beferenten die Angabe, dafs der Traum die von aufsen an den Schl\u00e4fer herandringenden Beize, welche die Tendenz haben, ihn zu wecken, dadurch compensirt, dafs er einen zu ihnen in Beziehung stehenden Gegenstand erscheinen l\u00e4fst, der dann Gegenstand der Aufmerksamkeit des Tr\u00e4umenden wird.\tGiesslee (Erfurt).","page":230},{"file":"p0231.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n231\nH Bergson. Le r\u00eave. Rev. scientifique 15 (23), 705 713. . 1901.\nDie Abhandlung bildet einen Vortrag, den Vert im psychologischen Institut zu Paris gehalten hat. Vert constat\u00e2t zun\u00e4chst durch Beispiele die bekannte Thatsache von Neuem, dafs viele Tr\u00e4ume au\u00a3 Grund von bestehenden Organreizen entstehen. Die angeblichen sch\u00f6pferischen Leistungen\n\u00bb r, ovier\u00bbv\u00bbpm artistischem und wissenschaftlichem Gebiete\ndes Traumes auf literarischem, artistiscnem unu w\nweist B. zur\u00fcck. Nach ihm ist der Traummechanismus im Grofsen und Ganzen derselbe wie bei der Perception im Wachen. Er zeigt dies unter Hinweis auf die Experimente von Goldscheider und Muller un von M\u00fcnsterbero, welche sich bekanntlich auf die Auffassung von momentan beleuchteten W\u00f6rtern bezogen. Wir haben im Traume einersei s reel e Eindr\u00fccke, andererseits Erinnerungen, welche \u201esich einreihen Eindr\u00fccke. Weiterhin spricht Verf. \u00fcber das Wese* des Traumes Im Traume haben wir zwar dieselben seelischen Functionen, abei sie befinden \u201cd im zustande der Spannung, bald in dem des Nachlassens Wir percipiren noch, wir erinnern uns noch, wir denken noch, sogar mit ein gewissen F\u00fclle. Aber F\u00fclle bedeutet hier nicht Anstrengung Es fehl die Precision Der Traum ist nach B. haupts\u00e4chlich durch dreierlei\ncharakterisirt: erstens durch Zusammenhangslosigkeit, zweitens durch das Erl\u00f6schen des Zeitsinns, was darin seinen Grund hat, dafs das Aufmerken auf die Aufsenwelt, welches die Folge der inneren Zustande im Wachen regulirt im Traumzustande fehlt, drittens durch die Ordnung m welcher sich die Erinnerungen pr\u00e4sentiren. Im anormalen Schlaf, d. h. m einem solchen , welcher uns ohne Erquickung l\u00e4fst, tr\u00e4umen wir von Dingen, welche uns an demselben Tage intensiv besch\u00e4ftigt haben, im gesun en Schlafe dagegen von den unbedeutendsten Ereignissen des wachen Lebens, von solchen, welche die Seele wie der Blitz durcheilt hatten. -\nEs fragt sich, ob Verf. mit diesen drei Punkten die charakteristischen\nMerkmale des Traumzustandes wirklich ersch\u00f6pft\nB. Leroy et J. Tobolowska. Sur le m\u00e9canisme intellectuel du r\u00eave. Rev.\nwhiles 51 (61 570\u2014593. 1901.\nVerff. halten es im Gegens\u00e4tze zu dem heutzutage \u00fcblichen Verfahren, den Traumzustand mit wachen und pathologischen Zust\u00e4nden zu vergleichen f\u00fcr richtiger, zun\u00e4chst den Traumzustand einfach fur sich zu beschre b und durch zahlreiche Beispiele seine Entstehung, Entwic e ung un i Beziehungen der verschiedenen Elemente zu einander zu erkennen und dann erst\u201cVergleiche anzustellen mit andersartigen Zustanden. Speciel in der vor legenden Abhandlung soll ohne B\u00fccksicht auf Emotionen und Handlungen lediglich die Anordnung der intellectuellen Elemente des Traumes die Hallucinationen, Perceptionen und Vorstellungen beschrieben werden Verff. sagen damit nichts Neues. Bet hat ausgehend von einer Ph\u00e4nomenologie des Traumlebens diesen Gang der Forschungjn.;seu^\u00ff Schriften \u00fcber Tr\u00e4ume bereits eingehalten.\tv w\nDie vorliegende Abhandlung enth\u00e4lt folgende Eine grolse Zahl von Traumbildern folgen kaleidoskopartig tim-ohne subjectives Band. Vor Allem gilt dies von den Traummetamorphosen.","page":231}],"identifier":"lit33700","issued":"1902","language":"de","pages":"228-231","startpages":"228","title":"S. Freud: Ueber den Traum. Grenzfragen des Nerven- und Seelenlebens von Loewenfeld u. Kurella 8, S. 307-344. 1901","type":"Journal Article","volume":"29"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:38:54.480303+00:00"}