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{"created":"2022-01-31T12:58:20.669667+00:00","id":"lit3380","links":{},"metadata":{"alternative":"Philosophische Studien","contributors":[{"name":"Kraepelin, Emil","role":"author"},{"name":"Julius Merkel","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Philosophische Studien 10: 499-506","fulltext":[{"file":"p0499.txt","language":"de","ocr_de":"Beobachtungen bei zusammengesetzten Reactionen.\nZwei briefliche Mittheilungen an den Herausgeber\nvon\nE. Kraepelin und Julias Merkel.\nI.\nBietet die Vorbereitungszeit bei der Unterscheidungsreaction wesentlich andere Momente, als bei der einfachen sensoriellen Reaction? Ich glaube diese Frage mit nein beantworten zu m\u00fcssen, sofern es sich, wie gew\u00f6hnlich, um \u00e4hnliche Sinnesreize auf demselben Gebiete handelt. Man bereitet sich auch bei der einfachen Reaction nicht in der Weise auf den ganz bestimmten Eindruck vor, dass gerade nur dieser einzige besonders leicht aufgefasst w\u00fcrde. Mir scheint sich vielmehr die Aufmerksamkeit viel allgemeiner auf ein ganzes Sinnesgebiet oder wenigstens auf eine ganze Gruppe von Eindr\u00fccken einzustellen (Farben, T\u00f6ne, leise Ger\u00e4usche, Ber\u00fchrungen einer bestimmten Hautpartie u. s. w.). Es wird keinen Unterschied in der Reactionsdauer machen, ob jedesmal dieselbe Farbe oder immer wechselnde als Reize dienen, wenn nicht ausdr\u00fccklich verlangt wird, dass eine Unterscheidung ausgef\u00fchrt werden soll. Ich glaube mich zu entsinnen, dass ich vor Jahren solche Versuche mit wechselnden Vocalen ohne erkennbaren Zeitunterschied f\u00fcr die einfache Reaction angestellt habe; erst wenn au\u00dfer der Reaction noch die Unterscheidung verlangt wird, nehmen die Zeiten zu. Das l\u00e4sst sich ja rasch und leicht pr\u00fcfen.","page":499},{"file":"p0500.txt","language":"de","ocr_de":"500\nE. Kraepelin und Julius Merkel.\nF\u00fcr diese Auffassung spricht auch die Gleichheit der Unterscheidungszeiten hei wachsender Zahl gleichm\u00f6glicher, qualitativ verschiedener Eindr\u00fccke. Ob 5 oder 20 Buchstaben wechselnd vorgef\u00fchrt werden, ist ganz gleichg\u00fcltig,. w\u00e4hrend nach der entgegengesetzten Ansicht doch die Vorbereitung immer unbestimmter werden m\u00fcsste. Die sinnliche Bereitschaft ist eben nie eine so scharf begrenzte; erst dann, wenn die Wahrnehmung stattgefunden hat, kommt die Beschr\u00e4nkung der weiteren Verarbeitung auf ganz bestimmte Richtungen zur Geltung. Darum glaube ich auch nach dem Eintritte des \u00e4u\u00dferen Eindruckes in das Bewusstsein noch einen besonderen Act des Wiedererkennens, eben die Unterscheidung, annehmen zu m\u00fcssen. Bei den Versuchen habe ich deutlich das Gef\u00fchl, dass ich mir gewisserma\u00dfen erst dar\u00fcber Rechenschaft gebe, welcher Reiz es eigentlich gewesen ist, w\u00e4hrend ich bei der einfachen Reaction die besondere sinnliche Qualit\u00e4t des Reizes nicht weiter beachte, sondern mich damit zufrieden gebe, dass es eben \u00abder Reiz\u00ab gewesen ist. Man w\u00fcrde gewiss auch reagiren, wenn es zuf\u00e4llig einmal ein anderer, sehr \u00e4hnlicher Reiz w\u00e4re, vorausgesetzt, dass nicht die Unterscheidung gefordert w\u00e4re. Die Verschiedenheit w\u00fcrde in diesem Falle erst aufgefasst werden, wenn der Bewegungsvorgang bereits begonnen h\u00e4tte. Insofern geht, wie ich glaube, die ausgesprochen sensorielle Reaction dadurch in die Unterscheidungsreaction \u00fcber, dass nicht nur die Zugeh\u00f6rigkeit des Eindruckes zu einer Gruppe von Eindr\u00fccken, sondern seine besondere Eigenart erkannt werden soll. Darum ist auch die Selbstcontrole bei der Unterscheidungsreaction so schwierig. W\u00e4re schon die Vorbereitung in beiden F\u00e4llen eine ganz verschiedene, so w\u00fcrde man schwer begreifen, warum so leicht (Alcohol, Erm\u00fcdung) die Unter-scheidungsreactionen nicht nur in sensorielle, sondern sogar in muskul\u00e4re und vorzeitige Reactionen \u00fcbergehen (Tischer, Traut-scholdt1). Bei der unter solchen Bedingungen eintretenden Erleichterung der centralen motorischen Ausl\u00f6sung beginnt eben einfach der motorische Act schon in einem fr\u00fcheren Stadium des Auffassungsvorganges.\n1) Phil. Stud. I, S. 585.","page":500},{"file":"p0501.txt","language":"de","ocr_de":"Beobachtungen bei zusammengesetzten Reaotionen.\n501\nBesitzt der Vorgang der Wahl bei Wahlreactionen den Charakter eines besonderen Actes? Ganz unzweifelhaft! Ich bin mir deutlich dessen bewusst, dass ich jedesmal dem Impulse erst eine bestimmte Richtung ertheile. Der Satz, dass bei einer vollkommen einge\u00fcbten Wahlreaction der Ablauf dem der sensoriellen ganz \u00e4hnlich sein k\u00f6nne, ist falsch. Der h\u00f6chste Uebungsgrad wird nach meinen sehr ausgedehnten Erfahrungen bei der Wahlreaction sehr rasch erreicht (bei Wahl zwischen zwei Bewegungen). Dann aber, bei ganz vollkommener Uebung, besteht unter allen Umst\u00e4nden noch ein sehr bedeutender Zeitunterschied gegen\u00fcber der sensoriellen Reaction, was gar nicht anders zu erkl\u00e4ren ist als durch das Einschieben eines Wahlactes. Das Beispiel des Clavier-spielers trifft die Sache gar nicht, weil dort durch Vorauslesen der Noten die Vorg\u00e4nge sich \u00fcberdecken. Auch der beste Clavierspieler w\u00fcrde auf den einzelnen Reiz keine wesentlich anderen Wahlzeiten liefern als wir. Das Vorkommen der Fehlreactionen ist nicht, wie behauptet wird, auf mangelhafte Uebung zur\u00fcckzuf\u00fchren. Im Gegentheil nehmen dieselben mit wachsender Uebung gar nicht oder nur in ganz unbedeutendem Ma\u00dfe ab. Sie werden aber unter den gleichen Umst\u00e4nden sofort sehr h\u00e4ufig, unter denen auch sonst vorzeitige Reactionen auftreten (k\u00f6rperliche Erm\u00fcdung, Alkohol), weil hier eben wegen Steigerung der centralen motorischen Erregbarkeit der Impuls ausgel\u00f6st wird, bevor der Wahlact stattgefunden hatte. Je mehr sich also der Wahlact dem einfachen Reactions-vorgange n\u00e4hert, desto h\u00e4ufiger werden gerade die Fehlreactionen, w\u00e4hrend nach jener Behauptung das Gegentheil der Fall sein soll.\nEndlich m\u00f6chte ich noch auf einige merkw\u00fcrdige Ansichten \u00fcber die Associationsreaction etwas eingehen, die nach meinen Erfahrungen g\u00e4nzlich unhaltbar sind. Wenn von der Auffassung des Reizwortes bis zum Auftauchen der Association eine mehr oder weniger lange Zeit verstreicht, so kann ich keinen vern\u00fcnftigen Grund daf\u00fcr finden, warum diese Zeit nicht mit zur Associationszeit geh\u00f6ren sollte. Darin liegt ja gerade das Interesse der Associationsreaction, dass wir zeigen k\u00f6nnen, wie verschieden die Leichtigkeit ist, mit der sich die Vorstellungen unseres Erinnerungsschatzes aus dem Unbewussten durch die gebotene Anregung\nWundt, Philos. Studien. X.\t33","page":501},{"file":"p0502.txt","language":"de","ocr_de":"502\nE. Kraepelin und Julius Merkel.\nheraus heben lassen. In der entstehenden Pause vollzieht sich doch offenbar, wie etwa beim \u00bbBesinnen\u00ab, allm\u00e4hlich das Anwachsen der psychophysischen Erregung, mit um so geringerer Geschwindigkeit, je entfernter die Beziehungen zur Reizvorstellung und je schw\u00e4cher die Spuren waren, welche die associirte Vorstellung psychophysisch repr\u00e4sentiren. Dass die Bewegungsinnervation in verschiedenen Stadien der Entwickelung der Associationen erfolgen kann, ist nur f\u00fcr das \u00e4ltere Trautscholdt\u2019sche Verfahren, nicht aber f\u00fcr den Gebrauch des Lippenschl\u00fcssels zuzugeben. Hier erfolgt die Reaction erst in einem ganz bestimmten Stadium der Entwickelung, n\u00e4mlich dann, wenn die motorische Sprachvorstellung gebildet wurde und sich zum Bewegungsimpulse gestaltet hat. Der Begriff der Associationszeit ist damit ein vollkommen eindeutig bestimmter, und ich w\u00fcsste, nachdem ich vielleicht 10000 Associations-reactionen selbst ausgef\u00fchrt und noch weit mehr an Andern re-gistrirt habe, schlechterdings nicht, was an der Methodik au\u00dfer den von mir selbst in meinem Buche*) S. 17 ff. ber\u00fchrten Bedenken noch auszusetzen w\u00e4re.\nDie Unterschiede in den einzelnen Associationsreactionen haben denn auch thats\u00e4chlich ganz andere Gr\u00fcnde als man meint. Ich muss nach den Aeu\u00dferungen \u00fcber diesen Punkt annehmen, dass es den betreffenden Kritikern g\u00e4nzlich an eigener Erfahrung fehlt. Die Associationsreactionen geben uns in der That, wof\u00fcr ich die vollg\u00fcltigsten Beweise beibringen kann, ein durchaus genaues Bild von der Festigkeit, mit der die einzelnen Verbindungen gekn\u00fcpft sind, und sie gew\u00e4hren nach vielen Richtungen hin einen ausgezeichneten Einblick in die Mechanik unseres Denkens. Genaueres dar\u00fcber werden meine Sch\u00fcler und wohl auch ich selbst in nicht ferner Zeit beibringen.\nHeidelberg.\tE. Kraepelin.\n1) Ueber die Beeinflussung einfacher psychischer Vorg\u00e4nge durch einige Arzneimittel. Jena 1892.","page":502},{"file":"p0503.txt","language":"de","ocr_de":"Beobachtungen bei zusammengesetzten Reactionen.\n503\nII.\nUeber das Verfahren bei der Bestimmung der Unterscheidungszeiten bemerkt Joh. von Kries, dass bei Erwartung mehrerer Eindr\u00fccke der einwirkende langsamer oder schneller erkannt werde, je nachdem er selbst oder ein anderer vorgestellt werde, und dass man sich nach der Apperception sagen m\u00fcsse: \u00bbJetzt habe ich erkannt, jetzt muss ich reagiren\u00ab. Daher komme noch ein Werth von unbekannter Gr\u00f6\u00dfe zu den Unterscheidungszeiten hinzu. (Vierteljahrsschrift f\u00fcr wissenschaftl. Philosophie, XI, S. 12.) Und Ziehen sagt \u00fcber das Wiedererkennen: \u00bbEs schiebt sich ja hier, abgesehen von dem besonderen Auftauchen des Erinnerungsbildes, noch meist ein Urtheilsvorgang ein, indem die Person erst dann reagirt, wenn sie das Urtheil gef\u00e4llt hat: jetzt habe ich das Licht oder den Schall erkannt.\u00ab (Leitfaden der physiolog. Psychologie, S. 198.) Eine derartige Vorstellung eines Reizes kam bei meinen Unterscheidungen (Phil. Stud. II, S. 73 ff.), wie ich sicher wei\u00df, nicht in Frage. Es handelte sich bei meinen Versuchen um die Unterscheidung der Zahlen 1 bis 5 und I bis V, die mit gro\u00dfer Leichtigkeit erkannt werden konnten. Ich wartete, ohne mir irgend eine Vorstellung \u00fcber die erscheinende Zahl zu machen, die Aufmerksamkeit in normaler Weise dem Eindr\u00fccke und der Reactionsbewegung zugewandt, ruhig ab, bis eine solche sichtbar wurde und reagirte nach Erkennung derselben sofort, wie es mir schien. Wenigstens ist mir eine Urtheilsbildung, wie etwa: \u00bbdas ist 4, nun musst du reagiren\u00ab, oder \u00bbdas ist 5 und nicht 1\u00ab, niemals zum Bewusstsein gekommen. Selbst bei den Versuchen von Tischer, bei denen es sich um vorher einge\u00fcbte Schalleindr\u00fccke handelte, stellte ich mir nicht von vornherein einen Reiz vor, sondern suchte alle gleichm\u00e4\u00dfig im Ged\u00e4chtniss zu behalten und reagirte, nachdem ich die Unterscheidung getroffen, welcher Schall eingewirkt hatte. Hier w\u00e4re es allerdings m\u00f6glich, dass man sich z. B. bei 3 Schallen den mittleren genau vorstellte, um dann zu entscheiden, ob der einwirkende dieser selbst oder der kleinere bez. gr\u00f6\u00dfere sei (Tischer, Phil. Stud. I, S. 530). Eine bewusste Urtheilsbildung ist mir auch hier nicht erinnerlich.\nDie Reaction erfolgte bei den Reactions- und Unterscheidungs-\n33*","page":503},{"file":"p0504.txt","language":"de","ocr_de":"504\nE. Kraepelin und Julius Merkel.\nversuchen auf Grund eines der Selbstbeobachtung deutlich wahrnehmbaren Willensimpulses. Mir ist ein Unterschied in der vorangehenden Vorbereitung bei diesen Versuchsgattungen nicht bekannt geworden. Ich glaube sogar, dass selbst bei den Wahlversuchen ein nennenswerther Unterschied der Vorbereitung nicht stattgefunden hat. Bei meinen Versuchen mussten ja immer alle zehn Finger die Tasten niederdr\u00fccken und eine besondere Zuwendung der Aufmerksamkeit auf die Reactionsweise fand nicht statt. Die Reactionen waren weder sensorielle noch muskul\u00e4re, ich m\u00f6chte sie normale nennen. Denn will man die Dauer geistiger Vorg\u00e4nge bestimmen, so wird man nicht die Spannung der Aufmerksamkeit auf die Reaction, das Mittel zum Zweck, vorwiegend richten d\u00fcrfen, man wird aber auch dieses Mittel nicht v\u00f6llig unbeachtet lassen d\u00fcrfen. Die Unzweckm\u00e4\u00dfigkeit der muskul\u00e4ren Reaction lie\u00dfen die Versuchsergebnisse von Lorenz unzweifelhaft erkennen, der wenigstens z. Th. muskul\u00e4r reagirte, denn es ergaben sich oft negative Unterscheidungszeiten, vielfache Fehlschl\u00e4ge bei den Wahlreactionen und fast immer wesentlich andere Zahlenwerthe als bei allen \u00fcbrigen 9 Beobachtern. Bei muskul\u00e4rer Reaction wird man versucht sein, nach Erkennung eines Schalles die Reaction auszuf\u00fchren und dann noch die Entscheidung treffen k\u00f6nnen, welche St\u00e4rke er hatte. Ich habe eine derartige Beobachtung nicht gemacht, glaube aber, dass man bei Ausf\u00fchrung nur gelegentlicher Versuche in dieser Weise get\u00e4uscht werden k\u00f6nnte. Dass bei meinen Versuchen Erkennung und Unterscheidung jedenfalls sehr nahe zusammenfielen und der Selbstbeobachtung nicht als verschiedene Acte erkennbar waren, w\u00e4hrend bei den Versuchen von Tischer beide Acte zu unterscheiden waren, geht auch aus den Ergebnissen hervor. Bei meinen Versuchen blieb die Unterscheidungszeit bei 2 bis 10 Eindr\u00fccken constant, bei den Versuchen von Tischer wuchs sie mit der Zahl der Eindr\u00fccke.\nGanz zweifellos ist es mir weiter, dass sich bei den Wahlreactionen ein besonderer Act zwischen die Unterscheidung und die Ausl\u00f6sung des Willensimpulses einschob. Diese Selbstbeobachtung wird, wie ich glaube, jeder machen, der Wahlversuche mit mehreren Eindr\u00fccken ausf\u00fchrt. Die Zuordnung der Bewegung zum Eindruck muss dabei gerade eine m\u00f6glichst gel\u00e4ufige sein, und","page":504},{"file":"p0505.txt","language":"de","ocr_de":"Beobachtungen bei zusammengesetzten Reactionen.\n505\nes l\u00e4sst sich ja kaum eine einfachere treffen, als die Zahlen von 1 bis 5 und die Finger einer Hand. Benutzt man etwa 5 verschiedene Farben, so wird die Ueberlegung, auf welche Farbe z. B. der zweite Finger zu reagiren hat, unter Umst\u00e4nden eine gewisse Zeit erfordern, und es werden sich gro\u00dfe Wahlzeiten ergeben. Man kann aber in letzterem Falle deutlich die Wahlzeit und die vorausgehende zur Feststellung der Zuordnung n\u00f6thige Zeit durch Selbstbeobachtung wahrnehmen. Auch bei unseren Versuchen ergaben sich bei den ersten Reihen vereinzelte darauf bez\u00fcgliche F\u00e4lle. Sie gaben Wahlzeiten, die entschieden aus der Reihe der \u00fcbrigen herausfielen und die z. B. bei physikalischen Versuchen gestrichen werden w\u00fcrden. Das Gef\u00fchl, das ich bei den Wahlreactionen hatte, war folgendes: In sehr kurzer Zeit war die Zahl erkannt und im selben Augenblicke schien mir auch klar zu sein, welcher Finger die Reaction auszuf\u00fchren habe. Trotzdem verging eine gewisse Zeit, ehe ich den Willensimpuls gewisserma\u00dfen in die richtige Leitung sandte, in einzelnen F\u00e4llen schien es, als ob man die einzelnen Finger geradezu der Reihe nach vor\u00fcberziehen lasse und dann bei dem richtigen Halt mache. Was im Bewusstsein vorging, wurde gewisserma\u00dfen nach au\u00dfen, nach den Fingern pro-jicirt. War dann die richtige Leitung gefunden, so erfolgte der Willensimpuls augenscheinlich ebenso schnell wie bei den Reactions-und Unterscheidungsversuchen. Wenn man von dem h\u00e4ufigen Vorkommen von Mitbewegungen benachbarter Finger und von falschen Reactionen spricht, so glaube ich, dass muskul\u00e4re Reaction angewandt worden ist, wie bei den Versuchen von Lorenz. Bei letzterem kamen ebenfalls h\u00e4ufig Fehlreactionen vor, w\u00e4hrend solche bei allen andern Beobachtern nur vereinzelt auftraten. Dass es nat\u00fcrlich m\u00f6glich ist, nach l\u00e4ngerer Uebung die Wahlzeiten auf eine kleinere Gr\u00f6\u00dfe herabzudr\u00fccken, ist ja nicht zu bestreiten. Dann muss man aber die Versuche so einrichten, dass man tagelang hinter einander zahlreiche Wahlreactionen ausf\u00fchren l\u00e4sst. Ich habe ja auch derartige Versuche ausgef\u00fchrt, die sich jedenfalls noch weiter ausdehnen lie\u00dfen. Aber selbst bei den letzten Wahlversuchen hatte ich die Ueberzeugung, dass die Wahlacte eine gewisse Zeit erforderten.\nIch komme nunmehr noch auf ein Bedenken in Bezug auf die","page":505},{"file":"p0506.txt","language":"de","ocr_de":"506 E. Kraepelin und Julius Merkel. Beobachtungen bei zusammengesetzten Reaetionen.\nGr\u00f6\u00dfe der Erkennungszeit einfacher Zahlen. Die einfachen Reaetionen erfolgten anfangs so, dass reagirt wurde, nachdem man eine wei\u00dfe Fl\u00e4che, auf deren Erscheinen man vorbereitet war, erkannt hatte, die Unterscheidungsreactionen erfolgten, nachdem man eine einstellige Zahl, die vorher nicht angegeben wurde, unterschieden hatte. Die Ausrechnungen ergaben dann aber meist negative Unterscheidungszeiten f\u00fcr die Zahlen. Eine der ersten Reihen war z. B. folgende. R bedeutet die Reactionszeit, TJ die Unterscheidungszeit, W die Wahlzeit; Vr, Vu und Vw stellen die entsprechenden mittleren Variationen dar. Die Zahlen (in a = 0,001 Sec.) sind die Mittel aus 6\u201410 Versuchen:\nBeobachter\tX\tVr\tU\tVu\tW\tv r V)\nLorenz\t198\t10\t\u2014 29\t12\t89\t46\nMehner\t223\t26\t\u2014 1\t27\t117\t76\nMerkel\t275\t21\t\u2014 15\t13\t84\t52\nTischer\t250\t13\t\u2014 3\t12\t119\t37\nOffenbar zeigten diese Ergebnisse, dass die Erkennung einer wei\u00dfen Fl\u00e4che dieselbe oder eine gr\u00f6\u00dfere Zeit erforderte, als die Erkennung einer Zahl. Es wurde dann die Festsetzung getroffen, sofort bei der Wahrnehmung des ersten Lichteindruckes zu reagiren, also nicht zu warten, bis die wei\u00dfe Fl\u00e4che erkannt war (Phil. Stud. H, S. 75).\nM\u00f6glicherweise liegt in dieser Bestimmung noch keine sichere Abgrenzung des Momentes, in welchem die Erkennung der Zahl beginnt. Noch weniger indess ist die c-Methode von Donders geeignet, die Unterscheidungszeit abzugrenzen, sie liefert Zeiten, welche f\u00fcr Wahl und Unterscheidung zugleich gelten, und die Annahme Cattell\u2019s (Phil. Stud. Ill, S. 455), dass diese Zeiten gleich seien, ist rein willk\u00fcrlich. Die Selbstbeobachtung w\u00fcrde nach meinen Erfahrungen eher f\u00fcr ein wesentliches Ueberwiegen der Wahlzeit sprechen, doch kann ich ein sicheres Urtheil nicht abgeben, da ich diese Methode nur bei einzelnen Reihen angewandt habe, weil sich die zuletzt genannte entschieden als ein wurfsfreier erwies.\nZittau.\tJulius Merkel.","page":506}],"identifier":"lit3380","issued":"1894","language":"de","pages":"499-506","startpages":"499","title":"Beobachtungen bei zusammengesetzten Reactionen","type":"Journal Article","volume":"10"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:58:20.669673+00:00"}