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{"created":"2022-01-31T16:17:44.767829+00:00","id":"lit35906","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Umpfenbach","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 29: 455-456","fulltext":[{"file":"p0455.txt","language":"de","ocr_de":"Li te ra turberich t.\n455\nAusdruck findet. Das Lachen nimmt so viele verschiedene Formen an, als es verschiedene Charaktere, Geisttypen und Seelenzust\u00e4nde giebt; es f\u00fcgt sich daher keiner allgemeinen Theorie und ist nicht Object der Wissenschaft\u201c (?). \u2014 Ein unerwartet d\u00fcrftiges Ergebnifs! Dankenswerth ist der referirende und kritische Theil des Buches, in welchen vier Haupttheorien des Lachens zur Besprechung gelangen, n\u00e4mlich 1. die physiologische von Spencer und Bain (das Lachen ist eine explosive Entladung von Nerven-energie), 2. die intellectualistische Theorie des Gegensatzes von Schopenhauer, Dumont, Renouvier, Lachen ist Correlat des Widerspruches, der Ueberraschung, 3. die pessimistische Theorie von Aristoteles, Hobbes, Lamennais (Lachen ist Aeufserung des D\u00fcnkels, der Boshaftigkeit, der Ueberlegenheitsfreude, der befriedigten Eigenliebe) endlich 4. die \u00e4sthetische Theorie einiger dramaturgischer Schriftsteller (Lachen ist ein Modus des Spieles, der Geist spielt mit dem L\u00e4cherlichen). Lesenswerth sind auch die Abschnitte \u00fcber Sympathie und Antipathie im Lachen (S. 32) und \u00fcber die dreifache (hygienische, moralische und \u00e4sthetische) Function des Lachens.\nNoch eine Bemerkung: Sollte es nur Pedanterie sein, wenn wir die Wortverbindung \u201ePsychologie des Lachens\u201c f\u00fcr ebenso unzul\u00e4ssig halten, wie etwa Verbindungen \u201ePsychologie des Hustens oder des Niefsens?\u201c Wir finden n\u00e4mlich, dafs das Lachen selbst eine specifisch physiologische Erscheinung ist; psychologischer Natur w\u00e4re das L\u00e4cherliche (der lachenerregende Vorstellungsinhalt) oder die Heiterkeit oder das Innewerden des Komischen u. dergl. Ob nicht bei Festhaltung dieser Unterscheidung das ganze Ergebnifs des Buches ein anderes geworden w\u00e4re?\nKreibig (Wien).\nA. Allin. Play. The University of Colorado Studies 1 (1), 59\u201473. 1902.\nDer Verf. vertritt den Standpunkt, dafs das Spiel der Jugend eine Prop\u00e4deutik f\u00fcr das sociale Leben bedeute, und dafs sich aus dieser Rolle auch die Berechtigung des Spielens ergebe. Die Lehre Spencer\u2019s und Groos\u2019 vom Spielinstinet sucht der Verf. durch Anf\u00fchrung sonstiger das Spiel begr\u00fcndender Umst\u00e4nde zu verbessern und kommt zu dem Schl\u00fcsse: \u201eSpiele sind entweder 1. von den Vorfahren \u00fcbernommene Beth\u00e4tigungen Erwachsener, welche der Jugendnatur angepafst werden, oder 2. Beth\u00e4tigungen Erwachsener der Gegenwart in Uebertragung auf die Reife des kindlichen Verstandes, oder endlich 3. allgemein \u00fcbliche gesellige Beth\u00e4tigungen, ausgef\u00fchrt mit Vergn\u00fcgen an Ehre und Meisterschaft.\u201c\nEinige beachtenswerthe Hinweise auf das Spiel in Ceremonien- und M\u00e4rchenpflege sind beigef\u00fcgt. Die Abhandlung ist, von einigen \u00fcberfl\u00fcssigen Superlativen in der Werthsch\u00e4tzung des Spieles abgesehen, jedenfalls anregend geschrieben und als Uebersicht der einschl\u00e4gigen Hauptgesichtspunkte nicht ohne Nutzen.\tKreibig (Wien).\nLoewenstimm. Eid und Zeugnifspflicht nach den Ansichten des Volkes. Archiv f\u00fcr Criminal- Anthrop. 7, S. 191\u2014213. 1900.\nJe h\u00f6her die Cultur eines Landes, desto mehr verliert der Eid an Bedeutung, da in einem solchen Staate das Bewufstsein ausgebildet ist, dafs","page":455},{"file":"p0456.txt","language":"de","ocr_de":"456\nLiteraturbericht.\nJedermann verpflichtet ist, dem Gericht durch seine Aussage die Arbeit zu erleichtern. Eine Weigerung, die Wahrheit zu sagen, ist ein Verbrechen gegen Staat und Gesellschaft. Der gebildete und ehrenwerthe Mann unterst\u00fctzt die Justiz in ihrem Kampfe mit dem Verbrechen. Beim einfachen Menschen ist dies anders; er hat wenig Pflichtgef\u00fchl und einen stark ausgebildeten Egoismus. Ihm gegen\u00fcber mufs der Staat scharfe Noten auf-ziehen, Strafandrohung allein gen\u00fcgt nicht. Deshalb \u2014 wird die Religion zu H\u00fclfe genommen. Der Eid ist berechnet auf das religi\u00f6se Gef\u00fchl des Menschen. Je fr\u00f6mmer ein Volk, je fanatischer es ist, desto gr\u00f6fser ist die Bedeutung des Eides. Eidesform und Ceremonie der Vereidigung entsprechen den religi\u00f6sen Ansichten des Volkes. In Westeuropa hat die hohe Cultur mit alten Sitten und Gebr\u00e4uchen meist aufger\u00e4umt; alle christlichen Confessionen haben eine einzige Eidesform, die Vereidigung geschieht \u00fcberall durch den Pr\u00e4sidenten. Anders ist es z. B. noch in Rufsland mit seinen verschiedenen V\u00f6lkerschaften, die von der Cultur wenig oder gar nicht ber\u00fchrt sind. Hier ist es leichter, diejenigen Ansichten des Volkes aufzudecken, welche mit den Bestimmungen des geschriebenen Rechtes aus einander gehen. Im Kaukasus z. B. ist der Meineid weit verbreitet. Die Form des Meineids h\u00e4ngt von \u00e4ufseren Umst\u00e4nden ab. W\u00e4hrend bei uns jeder Mensch nur f\u00fcr seine strafbaren Handlungen verantwortlich ist, \u2014 ist z. B. dort die Verantwortung der Familie und des Stammes noch lange nicht verschwunden. Die Blutrache steht noch in voller Bl\u00fcthe. Daher wagen viele Leute nicht, die Wahrheit zu sagen. L. bringt dann h\u00f6chst interessante Angaben \u00fcber die Anschauungen verschiedener V\u00f6lker von dem Wesen und der Bedeutung des Eides, so der Kutuis, Osetinen, Jaguseten, Muhamedaner etc., \u2014 und \u00fcber allerlei Kniffe, die das dortige Volk an wendet, um vor seinem eigenen Gewissen, trotz des Schw\u00f6rens, keinen Meineid zu leisten, wenn auch das Gesetz nachher die Anklage auf Meineid erheben mufs. Die Ceremonie der Vereidigung mufs so eingerichtet werden, dafs sie den Ansichten des Schw\u00f6renden entspricht, der Eid darf nicht zur leeren Formalit\u00e4t werden. Das Volk hat noch Achtung vor dem alten Eid nach der Volkssitte. Die Grenze zwischen Religion und Sitte ist sehr schwer zu ziehen. Die Volkssitte ist sehr oft nur ein Ueberrest des heidnischen Glaubens, welcher vom Volke noch nicht vergessen ist. Darauf mufs auch der Staat R\u00fccksicht nehmen.\tUmpeenbach.","page":456}],"identifier":"lit35906","issued":"1902","language":"de","pages":"455-456","startpages":"455","title":"Loewenstimm: Eid und Zeugni\u00dfpflicht nach den Ansichten des Volkes. Archiv f\u00fcr Criminal-Anthrop. 7, S. 191-213. 1900","type":"Journal Article","volume":"29"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:17:44.767834+00:00"}