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{"created":"2022-01-31T15:05:11.960145+00:00","id":"lit35926","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"Exner, Franz","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 52: 157-164","fulltext":[{"file":"p0157.txt","language":"de","ocr_de":"157\nZur Frage nach der spezifischen Helligkeit der\nFarben.\nVon\nProf. Franz Exner (Wien).\nDer Begriff der spezifischen Helligkeit der Farben wurde schon vor langer Zeit von E. Hering in seiner Theorie der Gegenfarben eingef\u00fchrt und Versuche \u00fcber Farbenmischungen, die von F. Hillebrand ausgef\u00fchrt wurden, sollten die tats\u00e4chliche Existenz dieser spezifischen Helligkeiten beweisen; dagegen glaube ich in zwei Arbeiten 1 2 gezeigt zu haben, dafs gegenw\u00e4rtig kein Grund f\u00fcr die Notwendigkeit der HERiNGschen Annahme vorliegt. Gegen meine Ausf\u00fchrungen hat in j\u00fcngster Zeit Hillebrand 2 Stellung genommen und ich mufs darauf mit wenigen Worten zur\u00fcckkommen, um nicht den Schein zu erwecken, als w\u00e4ren seine Einw\u00e4nde irgend berechtigt. Ich werde dabei keineswegs in die Details eingehen nicht nur mit R\u00fccksicht auf die Art und Form dieser Einw\u00e4nde, sondern vor allem deshalb, weil mir die verschiedenen Standpunkte, der rein ph\u00e4nomenologische einerseits, der physikalisch-physiologische andererseits allzu verschieden erscheinen, um eine Verst\u00e4ndigung zu gestatten.\nWorin diese Schwierigkeit vor allem begr\u00fcndet ist, soll das Folgende zeigen. Die beiden Theorien, welche wir als die typischen Repr\u00e4sentanten der zwei eben genannten Standpunkte ansehen k\u00f6nnen, die auf ph\u00e4nomenologischer Basis aufgebaute Theorie der Gegenfarben von E. Hering und die Dreifarbentheorie von Young-Helmholtz sind von ihrer ersten Anlage an v\u00f6llig verschieden.\nZwar gehen beide von der Tatsache aus, dafs irgendeine farbige Empfindung durch die drei Bestimmungsst\u00fccke: Farbton, S\u00e4ttigung und Helligkeit festgelegt ist, allein diese Worte haben\n1\tSitzungsbericht der Akademie der Wissenschaften in Wien, II. Abt., 127 (1918), S. 1829 und 128 (1919), S. 71.\n2\tZeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 51 (1920), S. 46.","page":157},{"file":"p0158.txt","language":"de","ocr_de":"158\nFranz Exner.\nin beiden Theorien keineswegs die gleiche Bedeutung. In Helmholtz\u2019 Theorie sind diese drei Begriffe wohl definiert: der Farbton durch die Schwingungszahl eines Lichts, die S\u00e4ttigung durch den Weifsgehalt einer sonst reinen Farbe und die Helligkeit in einerWeise, wie ich es in einer der Eingangs zitierten Arbeiten dargelegt habe. Diese Definitionen sind so gew\u00e4hlt, dafs sie m\u00f6glichst der unmittelbaren Empfindung des Auges sowie dem gew\u00f6hnlichen Sprachgebrauche gerecht werden. Dafs sie nicht die einzig m\u00f6glichen sind, ist selbstverst\u00e4ndlich ; vielleicht liefse sich noch eine praktischere Wahl treffen, allein es handelt sich vor allem darum, die Begriffe, mit denen man operiert, so zu bestimmen, dafs jeder weifs, wovon die Bede ist. Aufserdem bieten diese Definitionen noch den grofsen Vorteil, dafs sie f\u00fcr die Gr\u00f6fsen die Aufstellung von Mafszahlen gestatten und dadurch die Konsequenzen der Theorie nicht nur qualitativ, sondern auch quantitativ zu verfolgen erm\u00f6glichen.\nWie steht es nun in dieser Hinsicht mit der Theorie der Gegenfarben? Heeing steht auf streng ph\u00e4nomenologischem Standpunkt und lehnt darum f\u00fcr die Charakteristik der Farbenwahrnehmungen jeden Bezug auf Vorg\u00e4nge aufserhalb des Empfindungsgebietes prinzipiell ab. Diese Beschr\u00e4nkung in den Definitionen \u2014 wenn man von solchen sprechen soll \u2014 auf die Empfindungen allein hat aber eine sehr wichtige Folge: Emp-findungen haben keine Mafszahlen und es kann niemals eine solche als ein bestimmtes Multiplum einer anderen gleichartigen angegeben werden. Damit entf\u00e4llt aber jede M\u00f6glichkeit die Begriffe Farbton, S\u00e4ttigung und Helligkeit scharf zu definieren, und in der Tat sind in Heeings Theorie auch diese Begriffe nur durch allgemeine Beschreibungen der Sinneseindr\u00fccke einiger-mafsen anschaulich gemacht. Man k\u00f6nnte glauben, dafs hier Fechnees psychophysisches Gesetz zu Hilfe herangezogen werden k\u00f6nnte, allein dieses gibt selbst nur scheinbar eine numerische Beziehung zwischen Empfindungen, denn die Annahme, auf welcher es basiert, dafs eben merkliche Empfindungsunterschiede auch gleich grofs sind, ist weder bewiesen noch \u00fcberhaupt beweisbar.\nEs ist bemerkenswert, dafs gerade E. Heeing 1 sich schon vor langer Zeit aus dem gleichen Grunde und auf das sch\u00e4rfste\n1 Sitzungsbericht der Wiener Akademie, Abt. III, 72 (1875). S. 310.","page":158},{"file":"p0159.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Frage nach der spezifischen Helligkeit der Farben.\n159\ngegen die G\u00fcltigkeit von Fechners Gesetz gewendet hat, indem er nicht begreifen konnte, \u201ewelcher logische Zusammenhang zwischen dem WEBERsehen Satze von den eben merklichen Unterschieden und dem Satze Fechners denn eigentlich besteht\u201c, Herino schliefst eine ausf\u00fchrliche Mitteilung mit dem Satze : \u201eDenn der Satz, dafs gleichen relativen Reizzuw\u00fcchsen gleiche Empfindungszuw\u00fcchse entsprechen, bliebe dennoch falsch . . . Damit f\u00e4llt aber zugleich das psychophysische Grundgesetz . .\nDie Erkenntnis des Mangelhaften in Fechners Deduktionen hat vielleicht dazu beigetragen, Hering von jedem Versuche abzuhalten, auf dem Gebiete der Empfindungen Mafszahlen und Mafseinheiten f\u00fcr die verschiedenen Gr\u00f6fsen festzusetzen.\nEine Folge dies Umstandes ist es, wenn, wie erw\u00e4hnt, in der HERiNGschen Theorie die Grundbegriffe: Farbton, S\u00e4ttigung, und Helligkeit nur in sehr unbestimmter Form erscheinen. Was den Farbton charakterisiert und wann zwei Farbt\u00f6ne als gleich anzusprechen sind, wird nicht festgelegt. Wollte man, wie in der HELMHOLTzschen Theorie, auch hier den Farbton durch Angabe einer Wellenl\u00e4nge bestimmen, so w\u00e4re das nicht ausf\u00fchrbar. In jener Theorie ist das wohl m\u00f6glich, da Mafseinheiten und Mafszahlen gegeben sind und jede Farbe sich nach Angabe ihrer Wellenl\u00e4nge wieder hersteilen l\u00e4fst.\nNach Herings Theorie aber ist das ausgeschlossen und man bleibt auf die subjektiven Angaben des Auges angewiesen. Ob es zutreffend ist, wenn man allen Mischungen von Weifs mit einer Farbe bestimmter Wellenl\u00e4nge auch den gleichen Farbton zuschreibt, das ist eine Frage f\u00fcr sich, die in zweiter Linie steht; wichtig aber ist es \u00fcberhaupt eine strenge Definition der Begriffe\nzu haben, \u00fcber welche man sich verst\u00e4ndigen will.\n\u2022 \u2022\n\u00c4hnliche Unbestimmtheiten wie hier zeigen sich auch bez\u00fcglich des Begriffes der S\u00e4ttigung oder Reinheit einer Farbe. Diese ist nach Hering durch die Beimischung der Schwarzweifsempfindung zu jener der reinen Farbe bedingt. Er sagt: \u201eDas Verh\u00e4ltnis, in welchem beide vereinigt Vorkommen, bestimmt die sogenannte S\u00e4ttigung.\u201c Ein solches Verh\u00e4ltnis kann aber nur durch die Mafszahlen von Farbe (F), Weifs (W) und\n1 Wenn Hillebrand (a. a. O.) auf meine Einwendungen gegen Fechners Gesetz erwidert: \u201eNicht Empfindungen werden gemessen, sondern Empfindungsabst\u00e4nde\u201c, so gen\u00fcgt es zu bemerken, dafs auch diese \u201eAbst\u00e4nde\u201c keine Mafszahlen haben und daher nicht gemessen werden k\u00f6nnen.","page":159},{"file":"p0160.txt","language":"de","ocr_de":"160\nFr cm z Exner.\nSchwarz (S) ausgedr\u00fcckt werden, diese aber fehlen vollst\u00e4ndig und Hering ersetzt sie durch Umschreibungen wie \u201eDeutlichkeit\u201c der Empfindungen oder \u201eAnteil\u201c oder \u201eGewicht\u201c derselben im Gemisch. Wollte man, der Definition entsprechend die S\u00e4ttigung durch eine Formel ausdr\u00fccken, so k\u00f6nnte man daf\u00fcr den Aus-\nF\ndruck -T7\u2014.- \u00f6 setzen, allein dieser h\u00e4tte, wie alle \u00e4hnlichen und W -f- b\nwie Hering selbst betont, nur eine symbolische, aber gar keine mathematische Bedeutung. Was also unter S\u00e4ttigung im Sinne der HERiNGschen Theorie zu verstehen sei, bleibt wesentlich unbestimmt; in Helmholtz\u2019 Theorie dagegen ist die S\u00e4ttigung stets zahlenm\u00e4fsig anzugeben. Seiner Definition des Begriffes \u201eS\u00e4ttigung\u201c entsprechend nimmt Hering eine \u00c4nderung derselben nicht nur durch Zumischen von Weifs zu einer Farbe, sondern\nebenso auch durch zugemischtes Schwarz an. Nun zeigt sich\n\u2022 \u2022 ________________\naber in den \u00dcberg\u00e4ngen einer Farbe nach Weifs und nach Schwarz, also in den Reihen F\u2014W und F\u2014S ein prinzipieller Unterschied: in der ersteren k\u00f6nnen zwei Glieder lediglich durch Variation der Helligkeit niemals gleich aussehend gemacht werden, in der letzteren dagegen immer. Das ist nach der Theorie von Helmholtz selbstverst\u00e4ndlich, ob und wie es nach der HERiNGschen Theorie, ohne Zuhilfenahme neuer Hypothesen, zu erkl\u00e4ren ist, weifs ich nicht, doch scheint mir dieses Verhalten wohl einer Erkl\u00e4rung wert.\nAuch der dritte der drei Grundbegriffe, jener der Helligkeit, in Helmholtz\u2019 Theorie bestimmt definiert und zahlenm\u00e4fsig aus-dr\u00fcckbar, entbehrt in der Theorie der Gegenfarben der w\u00fcnschenswerten Klarheit. Hering sagt: \u201eHelligkeit ist eine den drei Ur-qualit\u00e4ten des Gesichtssinnes, Weifs, Gelb und Rot, Dunkelheit eine den drei Urqualit\u00e4ten Schwarz, Blau und Gr\u00fcn inh\u00e4rente Eigenschaft\u201c, und Hillebrand (a. a. 0.) \u00e4ufsert sich dahin: \u201eDie Helligkeit ist also erstens ein quantitatives Merkmal; sie ist zweitens nicht als Intensit\u00e4t aufzufassen ; und sie ist drittens keine von den \u00fcbrigen unabh\u00e4ngige Variable.\u201c Dieser Auffassung der Helligkeit als einer nicht intensiven Gr\u00f6fse hat Hillebrand in einer fr\u00fcheren Arbeit mit den Worten Ausdruck gegeben: \u201eWir werden mithin das Bestehen von Intensit\u00e4tsunterschieden innerhalb der Gesichtsempfindungen \u00fcberhaupt in Abrede stellen d\u00fcrfen.\u201c\nWas Hering unter Helligkeit versteht, ergibt sich am besten","page":160},{"file":"p0161.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Frage nach der spezifischen Helligkeit der Farben.\n161\nans seinen Ausf\u00fchrungen \u00fcber die Reihe der weifs-schwarzen Empfindungen. In jedem Gliede dieser Reihe, also in jedem Grau sieht er sowohl Weifs als Schwarz und die Helligkeit des Grau soll durch das Verh\u00e4ltnis, in welchem die Empfindungen W und S darin Vorkommen, gegeben sein. Die Helligkeit w\u00e4re\nalso durch\nW\ns\ndefiniert oder,\nwie Hering sp\u00e4ter annahm, durch\nW\nW+S\u2019\nDie Formel ist nat\u00fcrlich wieder nur eine symbolische,\nda f\u00fcr W und S die Mafszahlen fehlen. Dieselben werden daher durch ganz unbestimmte Ausdr\u00fccke wie die \u201eDeutlichkeit\u201c, der \u201eAnteil\u201c oder das \u201eGewicht\u201c der Empfindungen ersetzt, wobei unter Umst\u00e4nden auch von der \u201eDeutlichkeit oder Intensit\u00e4t\u201c der Empfindungen W und S die Rede ist.\nDen so erl\u00e4uterten, man kann nicht sagen festgelegten Begriff der Helligkeit \u00fcbertr\u00e4gt Hering dann auch auf die farbigen Empfindungen. Da jede derselben, praktisch, mit einer gewissen W-S- Empfindung verbunden ist, so gibt die obige Formel auch einen Hinweis f\u00fcr die Helligkeit der Gesamtempfindung. Da diese aber schwerlich blofs von den Anteilen an W und S abh\u00e4ngen kann, so wurde auch der reinen Farbe, in Abwesenheit jedes W und S eine Helligkeit zugeschrieben. Jede der vier Urfarben Rot, Gelb, Gr\u00fcn und Blau sollte so ihre bestimmte \u201eEigenhelligkeit\u201c haben. Hier treffen wir also auf eine neue, von den Empfindungen W und S unabh\u00e4ngige Art von Helligkeit, \u00fcber deren Zusammenhang mit der fr\u00fcher besprochenen nicht weiter die Rede ist und welche auch nicht weiter definiert wird. Hering war urspr\u00fcnglich der Meinung, dafs diese vier Eigenhelligkeiten untereinander und gleich jener eines mittleren Grau seien. Unter letzterem ist dabei ein solches verstanden, welches vom reinen Weifs und vom reinen Schwarz gleich weit entfernt ist, und das Hering ungef\u00e4hr gleich der Empfindung des dunkel adaptierten Auges im verfinsterten Raum sch\u00e4tzt. Was soll nun aber dieses \u201egleich weit entfernt\u201c bedeuten? Es kann wohl nur gemeint sein, dafs beiderseits desselben die gleiche Anzahl eben merklicher Helligkeitsunterschiede zu liegen kommt. Die Voraussetzung aber, dafs diese untereinander gleich grofs sind, ist ja gerade die von Hering so entschieden und mit Recht bek\u00e4mpfte Grundlage des FECHNERschen Gesetzes.\nSp\u00e4ter hat Hering von einer gleichen Eigenhelligkeit der","page":161},{"file":"p0162.txt","language":"de","ocr_de":"162\nFranz Exner.\nvier Urfarben abgesehen und f\u00fcr Rot und Gelb eine spezifisch erhellende, f\u00fcr Gr\u00fcn und Blau eine spezifisch verdunkelnde Wirkung angenommen; bei dem durchaus schwankenden Begriff der Helligkeit sind derartige Annahmen nat\u00fcrlich innerhalb weiter Grenzen m\u00f6glich. Es ist charakteristisch, dafs Hering nach Er\u00f6rterung des Zusammenwirkens der W-S-Empfindung und der Eigenhelligkeit der Farben zu dem Schl\u00fcsse kommt, es eigne sich \u201eder Begriff der Helligkeit oder Dunkelheit nicht zu pr\u00e4zisen Bezeichnungen\u201c. Dazu eignen sich aber auch nicht die Begriffe \u201eDeutlichkeit\u201c, \u201eGewicht\u201c oder \u201eIntensit\u00e4t\u201c von Empfindungen und dazu eignen sich auch nicht die symbolischen Gleichungen, deren Gr\u00f6fsen keine Mafszahlen haben. H\u00e4lt man dazu noch, dafs auch der Begriff der S\u00e4ttigung in Herings Theorie ein ungekl\u00e4rter ist und dafs auf Grund des ph\u00e4nomenologischen Befundes nicht einmal angegeben werden kann, wann zwei Empfindungen sich ihrem Farbtone nach unterscheiden, so kann man sich nicht wundern, wenn diese Unbestimmtheiten zu einem Zustand f\u00fchren, den ich, wie ich glaube mit Recht, als ein ph\u00e4nomenologisches Chaos bezeichnet habe.\nUm die Untersuchungen, welche Hillebrand 1 vor l\u00e4ngerer Zeit zum Nachweis der Eigenhelligkeit oder, wie er es nannte, der spezifischen Helligkeit der Farben ausf\u00fchrte, nachpr\u00fcfen zu k\u00f6nnen, war es notwendig eine Methode anzuwenden, die das Helligkeitsverh\u00e4ltnis zweier verschiedenfarbiger Pigmente im Tagessehen numerisch zu bestimmen gestattete.* 1 Diese Methode habe ich fr\u00fcher schon beschrieben; sie setzt voraus, dafs dieses Helligkeitsverh\u00e4ltnis von der absoluten Intensit\u00e4t der Beleuchtung unabh\u00e4ngig ist und dem schien eine \u00e4ltere Beobachtung von A. K\u00f6nig zu widersprechen. Dieser fand einen noch merklichen Einflufs des PuRKiNJEschen Ph\u00e4nomens bis zu den h\u00f6chsten Lichtst\u00e4rken, indem er direkt durch heterochrome Photometrie verschiedene Partien des Spektrums bei wechselnder Intensit\u00e4t miteinander verglich. Da eine heterochrome Photometrie im Spektrum wohl eine sehr schwierige Messung ist, so habe ich die Messungen\n1 Wiener Sitzungsbericht, III. Abt., 98 (1889), S. 70.\n1 Gegen diese Methode hat Hillebrand den Einwurf erhoben, dafs die Messung notwendig mit einem Fehler behaftet ist, der im Resultat unter Umst\u00e4nden sehr vergr\u00f6\u00dfert erscheinen kann; das gilt fast von allen physikalischen Messungen, denn kein Mafsstab ist fehlerfrei. Es kommt eben nicht auf den absoluten, sondern auf den prozentuellen Fehler des Resultates an; das scheint \u00fcbersehen worden zu sein.","page":162},{"file":"p0163.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Frage nach der spezifischen Helligkeit der Farben.\n163\nan Pigmenten aber ohne heterochrome Photometrie bis zu den h\u00f6chsten Beleuchtungsst\u00e4rken wiederholt; ich konnte aber keine Spur des PuRKiNJEschen Ph\u00e4nomens im Tagessehen bemerken, so dafs die auf Barytpapier als Einheit bezogenen Helligkeiten der verschiedenen Pigmente als charakteristische Konstanten anzusehen waren. Nur zu diesem Zwecke und in diesem Sinne habe ich mich \u00fcberhaupt mit dem PuRKiNjEschen Ph\u00e4nomen besch\u00e4ftigt. Auf die Anschauungen Herings \u00fcber die Ursache desselben und auf die Bedingungen seines Entstehens einzugehen, lag nicht der geringste Grund vor; es haben deshalb auch die diesbez\u00fcglichen Ausf\u00fchrungen Hillebrands auf meine Arbeit gar keinen Bezug.\nDie Experimente nun, welche Hillebrand als Beweis f\u00fcr die Existenz spezifischer Helligkeiten der Farben ansieht, st\u00fctzen sich auf Herings Annahme, dafs die Helligkeiten farbiger Pigmente im farblosen D\u00e4mmerungssehen eben die Weifsvalenzen der Farben, auch bei Tagessehen darstellen. Es hat nun Hillebrand diese Weifsvalenzen f\u00fcr Rot, Gelb, Gr\u00fcn und Blau (durch Vergleich mit einer Grauskala) bestimmt und dann im Tagessehen am Kreisel Mischungen aus Gelb und Grau oder Blau und Grau usw. hergestellt, die innerhalb jeder Gruppe nach seinen Messungen der Weifsvalenzen die gleiche Helligkeit untereinander haben sollten, obwohl dabei der farbige Anteil der Mischung (und nat\u00fcrlich auch der Weifszusatz) variiert wurde. Es zeigte sich, dafs z. B. bei den Gelb-Grau-Mischungen, trotz gleicher Weifsvalenz der einzelnen, jene die hellsten waren, welche das meiste Gelb enthielten. Umgekehrt waren die Blau-Grau-Mischungen, wieder bei gleicher Weifsvalenz, um so dunkler, je mehr Blau sie enthielten, und analog verhielten sich die roten und gr\u00fcnen Gemische. In diesen Unterschieden zwischen der beobachteten und der nach den Weifsvalenzen zu erwartenden Helligkeiten der Mischungen sieht Hillebrand einen Beweis f\u00fcr die Existenz der sog. \u201espezifischen Helligkeiten44 der Farben oder des von Hering angenommenen spezifisch erhellenden Einflusses von Gelb und Rot, sowie des verdunkelnden von Blau und Gr\u00fcn.\nNun ist aber die Annahme der G\u00fcltigkeit der D\u00e4mmerungswerte, der Weifsvalenzen, auch f\u00fcr das Tagessehen eine ganz willk\u00fcrliche und wie sie v. Kries 1 schon vor l\u00e4ngerer Zett be\n1 In Nagels Handbuch der Physiologie, Bd. 3, S. 192.","page":163},{"file":"p0164.txt","language":"de","ocr_de":"164\nFranz Exncr.\nzeichnete \u201eschlechterdings unhaltbar\u201c. Das ist auch nicht anders zu erwarten, denn den Erscheinungen des D\u00e4mmerungs- und des Tagessehen liegen ja ganz verschiedene Sehakte zugrunde, aber freilich, wenn man rein ph\u00e4nomenologisch vorgeht und jeden Bezug auf die \u00e4ufseren Vorg\u00e4nge prinzipiell ablehnt, so kann man auch solche Annahmen machen.\nDie Diskrepanz zwischen den Folgerungen aus dieser Annahme und dem Experiment wird nun von Hillebrand durch eine zweite Annahme ausgeglichen, eben durch die der Existenz spezifischer Helligkeiten der Farben, welche das Gleichgewicht zwischen berechneter und beobachteter Helligkeit der Gemische st\u00f6ren.\nBetrachtet man aber das Tagessehen als einen Akt f\u00fcr sich, unabh\u00e4ngig vom D\u00e4mmerungssehen, wie es physiologisch ohne Zweifel geboten ist, und bestimmt man die Helligkeiten der Farben in der von mir angegebenen Weise einzeln, so geben, wie das Experiment zeigt, alle ihre Kombinationen \u2014 auch die HilleBRANDschen Gleichungen \u2014 volle \u00dcbereinstimmung zwischen den beobachteten Helligkeiten der Gemische und der Summe der Helligkeiten der Komponenten. Ich habe (a. a. 0.) aus diesen Messungen den Schlufs gezogen : es sei \u201ef\u00fcr die Annahme der von Hering vorausgesetzten sogenannten spezifischen Helligkeit der Farben, also f\u00fcr ihren aufhellenden, respektive verdunkelnden Einflufs derzeit kein objektiver Grund vorhanden\u201c, und seitdem hat sich auch nichts in dieser Frage ge\u00e4ndert.\nVielleicht zeigen die vorstehenden Zeilen, wie wenig eine ausschliefslich ph\u00e4nomenologische Betrachtungsweise der Farbenerscheinungen zum Studium derselben und zu ihrer Erkenntnis geeignet ist; ob der andere Weg, wie ihn die HELMHOLTzsche Theorie unter Ber\u00fccksichtigung der \u00e4ufseren Faktoren geht, weiter f\u00fchrt, das kann nur die Erfahrung lehren, die bisher allerdings daf\u00fcr zu sprechen scheint. Dafs die Ph\u00e4nomenologen, sobald sie \u00fcber die blofse Beschreibung von Tatsachen hinausgehen wollen, von der Forderung Herings abweichen m\u00fcssen, sich von allen Vorstellungen \u00fcber die \u00e4ufseren Vorg\u00e4nge frei zu halten, das zeigt am besten Hering selbst; seine Hypothese von den drei Sehsubstanzen und den sich darin abspielenden Prozessen, die Zuordnung derselben zu den Empfindungen, kurz das Fundament seiner Theorie w\u00e4re sonst nicht m\u00f6glich. Darum scheint mir auch eine scharfe Trennung beider Wege nicht f\u00f6rderlich.","page":164}],"identifier":"lit35926","issued":"1921","language":"de","pages":"157-164","startpages":"157","title":"Zur Frage nach der spezifischen Helligkeit der Farben","type":"Journal Article","volume":"52"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:05:11.960150+00:00"}