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{"created":"2022-01-31T16:48:25.623653+00:00","id":"lit35927","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"Lau, Ernst","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 53: 1-35","fulltext":[{"file":"p0001.txt","language":"de","ocr_de":"1\n(Aus dem Berliner Psychologischen Institut.)\nNeue Untersuchungen \u00fcber das Tiefen- und\nEbenensehen.\nVon\nErnst Lau.\n(Mit 12 Abbildungen.)\nEinleitung und \u00dcberblick.\nDer erste Teil der vorliegenden Arbeit ist einer Nachpr\u00fcfung der HERiNGschen Theorie des Tiefensehens gewidmet. Er sucht eine exakte experimentelle Best\u00e4tigung des Satzes : dafs die Reizung korrespondierender oder identischer Stellen der Netzh\u00e4ute einen Kernebeneneindruck ergibt. Diese experimentelle Best\u00e4tigung gelingt f\u00fcr kleine Sehwinkel. Gleichzeitig ergeben sich aus dem Gang der Untersuchungen einige Erweiterungen der HERiNGschen Theorie.\nDer zweite Teil besch\u00e4ftigt sich mit dem Horopterproblem. Helmholtz hatte einige Besonderheiten bei der Einstellung dreier St\u00e4be in eine Ebene entdeckt, die ihm Anlafs gaben anzunehmen, dafs die Raumwerte der Netzhautstellen nicht konstant seien. Hillebrand 1 hat diese Beobachtungen durch mathematische Behandlung des Problems so aufgekl\u00e4rt, dafs diese Horopterbeobachtungen Helmholtz\u2019 umgekehrt eine interessante Best\u00e4tigung der HERiNGschen Theorie des Tiefensehens geworden sind. Er hatte dabei auch einige empirische Studien zur Best\u00e4tigung seiner Theorie unternommen. Die vorliegende Arbeit f\u00fcgt erg\u00e4nzend den experimentellen Nachweis hinzu, dafs die Theorie auch trotz der Einw\u00e4nde, die man nach dem Stande unserer Kenntnisse\n1 Zeitschr. f. Psychol. 5, S. 1. 1893.\nZeitschrift f. Sinnesphysiol. 53.\t1","page":1},{"file":"p0002.txt","language":"de","ocr_de":"2\nErnst Lau.\nnoch erheben kann, gilt. Einw\u00e4nde k\u00f6nnten sich aus den TscHEEMAKschen1 Arbeiten ergeben. Er hat verschiedene Ebeneneinstellungen bei fallenden Tropfen und h\u00e4ngenden Loten konstatiert. Auch die Ph\u00e4nomene der scheinbaren Gr\u00f6fse k\u00f6nnten f\u00fcr Helmholtz sprechen. F\u00fcr die Beobachtungen Tschebmaks ergaben sich \u00fcbrigens im Laufe unserer Versuche interessante Aufkl\u00e4rungen.\nIn dem letzten Teil wird einmal von der Fragestellung ab-gegangen : Wie ist der Horopter bei symmetrischer Augenstellung. Wir fragen : wie ordnen wir eine Reihe von St\u00e4ben in eine scheinbare frontale Ebene bei bewegten Augen. Auch hier k\u00f6nnen wir die bisherigen Kenntnisse erweitern und einige \u00fcberraschende psychologische Tatsachen nachweisen.\nIch danke an dieser Stelle Herrn Prof. Dr. Rupp (R.), der mich auf den Problemkreis aufmerksam gemacht hat und meine Arbeiten mit regstem Interesse unterst\u00fctzt hat. Den Dank an meine Vpn. Herrn Dr. v. Allesch (A.), cand. phil. Bandmann (B.), Fr\u00e4ulein A. Huckeiede (H.), Herrn stud. med. K\u00e4mmebek (K.), Herrn Dr. phil. K\u00fchn (K\u00fc.) m\u00f6chte ich an dieser Stelle gleich anschliefsen. In der Arbeit werden die Vpn. nur mit den beigef\u00fcgten Abk\u00fcrzungen zitiert.\nI. Teil.\nExperimentelle Best\u00e4tigung der Heringschen Theorie des\nTiefensehens.\nA. Die erste Versuchsanordnung.\nDie erste fundamentale Frage, die zu beantworten ist, ist die: liefert uns die Reizung identischer Punkte wirklich einen Kernebeneneindruck. Die Versuche hier\u00fcber wurden mit Hilfe des bekannten HEEiNGschen Haploskops2 3 angestellt. Dieses Instrument ist z. B. in der HiLLEBBANDschen Arbeit 1893 (s. o.) geschildert worden, ebenso haben Hoemann8, Jaensch4 und Rupp 5 *\n1\tPfl\u00fcgers Archiv f\u00fcr die ges. Physiologie 81, S. 328. 1900.\n2\tHermans Handbuch der Physiol. Ill 1, S. 393 ff.\n3\tHofmann, Raumsinn des Auges in Tigerstedts Handbuch der physiologischen Methodik. III. Bd., Abt. II, S. 152.\n4\tZeitschr. f. Psychologie. Erg\u00e4nzungsband 6, S. 6 ff. 1911.\n6 Katalog Spindler und Hoyer, G\u00f6ttingen. Apparate f\u00fcr psychologische\nUntersuchungen 1908.","page":2},{"file":"p0003.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Untersuchungen \u00fcber das Tiefen- und Ebenensehen.\t3\ndasselbe neuerdings geschildert. Wir geben hier nur eine schematische Darstellung dieses Instruments.\nDas HEKiNGsche Haploskop ist prinzipiell weiter nichts als ein WHEATSToNEsches Stereoskop, bei dem die Konvergenz der Augen beliebig eingestellt werden kann. In 3 cm Entfernung vom rechten und linken Auge befindet sich je ein kleiner Spiegel. Diese Spiegel sind auf zwei Schienen angebracht, die aufserdem noch je einen Rahmen enthalten. Diese Schienen sind um Punkte drehbar, die genau unter dem Drehpunkt des Auges hegen. Die Spiegel bilden einen Winkel von 45\u00b0 mit der Blicklinie der Augen, die so auf die Mitten der Rahmen schauen. Dreht man die Schienen in einer Horizontalebene, so bleibt das Lageverh\u00e4ltnis von Spiegel, Rahmen und Auge konstant. Die Augen m\u00fcssen dabei nur eine Drehung ausf\u00fchren, d. h. ihre Konvergenz \u00e4ndern. Der Konvergenzgrad ist auf dem Apparat leicht ablesbar. Die Rahmen k\u00f6nnen auf den Schienen hin- und hergeschoben werden, damit \u00e4ndert man die Entfernung des Bildes von den Augen. Auf jedem der Rahmen sind 3 vertikale F\u00e4den anzubringen. Der Mittelfaden auf den Rahmen ist unbeweglich. Die rechten und linken F\u00e4den eines jeden Rahmens k\u00f6nnen seitlich oder schr\u00e4g bewegt werden, so dafs die Bilder der laden in beliebiger Weise variiert werden k\u00f6nnen. Das Verschieben der Seitenf\u00e4den erfolgt mit Hilfe von Mikrometerschrauben. Die Verschiebungen sind mit Hilfe eines Nonius auf /100 mm abzulesen. Betrachtet man wie wir in unseren sp\u00e4teren Versuchen nur die Mitte der F\u00e4den und variiert die Seitenf\u00e4den entweder nur oben oder unten, so k\u00f6nnen Verschiebungen der Mitte dei Seitenf\u00e4den von 25/jq00 mm noch gut abgelesen werden.\nF\u00fcr uns handelt es sich darum : wie gestalten wir den Apparat um, so dafs wir feststellen k\u00f6nnen: sind die Punkte, die uns in einer Ebene erscheinen, wirklich auch korrespondierend oder identisch. Zun\u00e4chst wurden einige Versuche angestellt mit einer Versuchsanordnung, die von Herrn Prof. Dr. Rupp1 vorgeschlagen wurde. Auf dem unteren Gleitschlitten des rechten Rahmens wurden zwei Fadenhalter angebracht, die bis zur Mitte des Rahmens reichten. Dann wurde ein schwarzer Mittelfaden von Frauenhaar vertikal durch den ganzen Rahmen gespannt (siehe\n1 Katalog von Max Marx, Mechanische Werkst\u00e4ttten. Apparate f\u00fcr psychologische Untersuchungen. S. 27. 1913.\n1*","page":3},{"file":"p0004.txt","language":"de","ocr_de":"4\nErnst Lau.\nAbb. 1A auf S. 4) und rechts und links mittels der Fadenhalter zwei weitere Frauenhaare nur bis zur Mitte. Der linke Rahmen wurde ganz \u00e4hnlich ausgestattet, nur wurden die Fadenhalter an den oberen Gleitschlitten befestigt (s. Abb. 1B). In die Mitte eines jeden Rahmens wurde horizontal vor die Halter ein 1 mm breiter Balken gelegt, der die Enden der Fadenhalter verdeckte. Das vereinigte Bild sah dann aus, wie es Abb. 1C zeigt. Hinter die Rahmen mufste ein heller Hintergrund gesetzt werden. Das mir zur Verf\u00fcgung stehende erste Modell dieses Apparates zeigte aber aufser einigen mechanischen M\u00e4ngeln st\u00f6rende Effekte, die ihn f\u00fcr uns unbrauchbar machte, andererseits uns aber zu Erkenntnissen f\u00fchrten, die eine wichtige Erweiterung der Hering-schen Anschauung zu sein scheinen.\nA\nr/\t' -\ty <\t? *\nr\t \t i\t\ty\t\nB\nrechter Rahmen\nlinker Rahmen Abbildung 1.\na\tb\tV \u00ab\tr?\na\t1\tb' \u00ab\t1 -\nc\nvereinigtes Bild\nWir bezeichnen in der Abbildung die F\u00e4den in der Reihenfolge, wie sie uns im Spiegelbild erscheinen. Man sieht, dafs in dem vereinigten Bild die Mittellinien bb' einfach erscheinen, es tritt Fusion zwischen den beiden Fadenbildern ein. Ebenso erscheint der Mittelbalken einfach. Von oben und unten aber ragen a' c' und a c in das Bild hinein, diese F\u00e4den werden immer nur von je einem Auge gesehen. Der Effekt sollte nun der sein: die Mitte von bb' sollte fixiert werden, dann sollte a' und c' so eingestellt werden, dafs sie genau die Verl\u00e4ngerung von a und c bildeten. War dies der Fall, dann sollten uns die durch diese Linien und die Horizontale gebildeten Schnittpunkte die Deckpunkte der beiden Augen angeben. Wenn man so die korrespondierenden Punkte erst genau bestimmt hatte, dann konnte man hoffen, nachpr\u00fcfen zu k\u00f6nnen, ob diese identischen Punkte bei gleichzeitiger Reizung den Kernebeneneindruck lieferten.","page":4},{"file":"p0005.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Untersuchungen \u00fcber das Tiefen- und Ebenensehen.\nre\no\nB. Versuchsresultate.\nAls ich an die Untersuchung heranging, zeigte sich nun aber folgender unerwarteter Effekt. Es ergaben sich ganz verschiedene Resultate f\u00fcr die identischen Punkte, je nachdem, welchen Konvergenzgrad ich einstellte. Die Rahmen wurden in eine Entfernung von 20 cm von den Augen gestellt und auch bei allen Konvergenzgraden so gelassen. Der Faden c f\u00fcr das rechte Auge wurde auf eine Entfernung von 10 mm von der Mittellinie eingestellt. In dem linken Rahmen sollte nun e' in die Verl\u00e4ngerung von c nach Vereinigung der Rahmen zu einem Bilde eingestellt werden. Es ergab sich f\u00fcr c' bei einer Konvergenz von 10\u00b0 der Abstand 8,4 mm (mV 1 = 0,2 mm) von der Mittellinie, f\u00fcr eine entsprechende Einstellung bei 7 0 Konvergenz 9 mm mit etwa derselben Streuung, bei 6 0 10 mm. Man sieht, die identischen Punkte scheinen sich mit der Konvergenz zu \u00e4ndern.\nc\t\t;\t\t 1 v L\t<y\nc\t\u25a0 - \t\u00e0'\t\tV)\nAbbildung 2.\n\t\t\t\na\t~yt\t\u00ab <\tr>\nAbbildung 3.\n! , b ! .. i . ...\tb\u2018\tc'\n1 ! a \u00f6 \u00ce\t,\t\u20ac\nAbbildung 4.\nW\u00e4re das wirklich der Fall, dann w\u00fcrde Herings ganze Anschauung aufgegeben werden m\u00fcssen, W\u00e4hrend der Abstand bb' \u2014 c konstant bleibt, \u00e4ndert sich der Abstand bby \u2014 & bei verschiedener Konvergenz! Herr Prof. Dr. Rupp best\u00e4tigte das Ph\u00e4nomen. Bei l\u00e4ngerem Zusehen kl\u00e4rte sich aber dieses \u00fcberraschende Resultat in folgender interessanten Weise auf. Wandte man einen sehr starken Konvergenzwinkel an, so trat f\u00fcr mich der Mittelfaden plastisch vor den Hintergrund, w\u00e4hrend die Seitenf\u00e4den wie schwarze Linien auf dem Hintergrund gezeichnet waren. Ich schlofs daraus, dafs zum Zustandekommen des plastischen Eindrucks die beiden Mittelf\u00e4den nicht-identische Punkte gereizt haben m\u00fcssen. Der Mittelfaden wird offenbar nicht mehr fixiert, sondern Punkte daneben. Zum Beweis daf\u00fcr wurde folgender kleiner Versuch gemacht: Der obere Teil von b im rechten Rahmen wurde abgedeckt, Es entstand dann bei einer Konvergenz von 12 0 ein Bild wie Abb. 2. bb' ist infolge\n1 mV \u2014 mittlere Variation.","page":5},{"file":"p0006.txt","language":"de","ocr_de":"6\nErnst Lau.\nder Querdisparation gegen b\\ das einfach gesehen wird, verschoben.1\nDiese Erscheinung ist ein eindeutiger Beweis, dafs bei starken Konvergenzgraden die Blicklinien tats\u00e4chlich nicht mehr auf b und b' gerichtet waren, sondern auf Punkte daneben, so dafs zum Zustandekommen des einfachen Bildes von b b' eine Fusion querdisparater Fadenbilder stattgefunden haben mufste. Infolge dieser Fusion ergab sich f\u00fcr den Mittelfaden unter g\u00fcnstigen Umst\u00e4nden bei mir ein deutlich plastisches Hervortreten gegen\u00fcber den Seitenf\u00e4den, vielleicht ein \u00e4hnlicher Effekt, wie bei dem PANUMschen Ph\u00e4nomen, wo ja auch nur ein Faden ein Bild in beiden Augen erzeugt, w\u00e4hrend der zweite lose daneben schwebt, weil er nur auf einer Netzhaut sich abbildet. Herr Prof. Dr. Rupp sah als Vp. dieselbe Erscheinung wie in Abb. 2, allerdings kam der plastische Eindruck nicht zustande. Die scheinbare Abweichung von der Konstanz der Raumwerte, die sich bei unseren Vorversuchen ergeben hat, hat sich somit dahin aufgekl\u00e4rt, dafs die Mittellinien der Bilder bei starker Konvergenz nicht mehr fixiert wurden. Liefs man die Konvergenz geringer werden, so trat ungef\u00e4hr bei einer Konvergenz von 6\u00b0 bei mir der Fall ein, dafs bei Abdecken der oberen H\u00e4lfte des rechten Rahmens b' genau in die Verl\u00e4ngerung von bb' zu fallen schien. Verringerte man die Konvergenz noch mehr, also etwa auf 4\u00b0, so wanderte b' auf die linke Seite von bb' hin\u00fcber, d. h. es trat bei bb' eine Querdisparation im ungekehrtem Sinne ein. Bei etwa 8\u00b0 Konvergenz liegt nun aber der Wert der Konvergenz, der der Entfernung des Rahmens von 20 cm von den Augen entspricht. Bei 8 0 trat aber f\u00fcr mein Auge noch immer der Fall ein, dafs das rechte Auge einen Punkt rechts von b fixierte und das linke Auge einen Punkt links von b'.2\n1\tDie Rollung der Augen wurde durch Drehen der Rahmen kompensiert.\n2\tEine Zeitlang glaubte ich, dafs Helmholtz bereits eine Erfahrung in der physiologischen Optik (S. 650) beschrieben hat, die auf dieselbe Weise zu erkl\u00e4ren sei. Sein Versuch ist folgender: Wenn man genau vor der Nase ein Lot h\u00e4ngen l\u00e4fst und zwischen Lot und Nase ein Blatt Papier aufgestellt wird, so dafs das Lot eben noch von beiden Augen gesehen wird, und wenn man dann mit der rechten Hand auf den Faden schr\u00e4g nach vorn zustofsen will mit Hilfe eines Bleistifts, dann st\u00f6fst man stets rechts vorbei zu weit nach hinten. Ich habe den Versuch umgebildet, indem ich statt des Lotes senkrecht zu dem Papier eine Pappe mit einem Zielpunkt an","page":6},{"file":"p0007.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Untersuchungen \u00fcb as Tiefen- und Ebenensehen.\n7\nBei dieser Versuchsanordnung fiel noch ein st\u00f6rendes Kovariantenph\u00e4nomen auf, das eine besondere Erg\u00e4nzung zu den Ko Variantenuntersuchungen von Jaensch 1 darstellt. Sah man nur mit einem Auge auf einen Rahmen, etwa auf den rechten, so konnte folgendes beobachtet werden. Waren erst a und c in symmetrischer Lage zu dem Mittelfaden und wurde dann a in der Richtung auf den Mittelfaden b zu bewegt, so sah ich c eine deutliche Scheinbewegung in derselben Richtung ausf\u00fchren (s. Abb. 3 S. 5). Die Erscheinung trat h\u00e4ufig erst ein, nachdem die Entfernung a\u2014b gr\u00f6fser war als b\u2014c. Diese Beobachtung, die m\u00f6glicherweise prim\u00e4r gegen\u00fcber den Kovariantenbeobachtungen von Jaensch ist, schien mir wichtig genug, um sie von einigen Vpn. best\u00e4tigen zu lassen. Vp. B. wurde gebeten, an dem Haploskop nur den rechten Rahmen zu betrachten und mir mitzuteilen, welche F\u00e4den sich bewegen. Weitere Aufkl\u00e4rung wurde ihm nicht gegeben. Zuerst sah er nur a sich bewegen, nach kurzer Zeit aber rief er aus: jetzt bewegt sich c in derselben Richtung, c blieb aber objektiv stehen. So bildet seine Aussage eine einwandfreie Best\u00e4tigung meiner Beobachtungen. R. erlebte das Ph\u00e4nomen etwas anders. Er schilderte sein Erlebnis wie folgt: \u201eWird der linke Faden der Mitte gen\u00e4hert, so f\u00fchrt von einer gewissen Stelle an der mittlere Faden eine deutliche Scheinbewegung aus gegen den sich n\u00e4hernden linken Faden hin, der \u00e4ufsere bleibt stehen. Der mittlere und linke erscheinen nicht unabh\u00e4ngig voneinander, sondern wie gekoppelt, sie f\u00fchren eine zusammengeh\u00f6rige, deutlich einheitliche Bewegung aus. Dafs der Abstand zwischen mittlerem und rechtem Faden gr\u00f6fser wird,\nder Stelle des Lotes angebracht habe, dann stiefsen meine Vpn. Fr\u00e4ulein H. und Herr K. bei binokularem Sehen ganz, wie man es nach Helmholtz zu erwarten hatte, immer rechts daneben. Nahm man das Papier zwischen Nase und Zielpunkt fort, so stiefsen sie gleich h\u00e4ufig rechts und links daneben. Ich glaubte schon eine analoge Erkl\u00e4rung wie oben heranziehen zu d\u00fcrfen, als sich herausstellte, dafs auch bei monokularem Sehen dasselbe Ph\u00e4nomen auftrat: verdeckte man das linke Auge und stiefs mit der rechten Hand auf das Ziel zu, so stiefs man stets rechts daneben, solange das Papier zwischen Nase und Ziel stand. Hamit fiel meine Deutung um. Es handelt sich offenbar nur darum, dafs von dem Blatt Papier eine Hemmung ausgeht, die am richtigen Zustofsen hindert. Der Versuch ist ein sehr einfaches Schulbeispiel f\u00fcr das Auftreten einer Hemmung. Helmholtz glaubte eine Unsicherheit in der Tiefenwahrnehmung feststellen zu m\u00fcssen. Dieselbe wird durch obigen Versuch in keiner Weise bewiesen.\n1 Zeitschr. f. Psychol. Erg\u00e4nzungsband 6, S. 6\u201439. 1911.","page":7},{"file":"p0008.txt","language":"de","ocr_de":"8\nErnst Lau.\nwird erst in zweiter Linie erfafst.\u201c Das Erlebnis ist meinem und\ndem von Herrn B. sehr \u00e4hnlich, die Abstands\u00e4nderungen sind\nvon allen Vpn. gleich beobachtet worden; in erster Linie \u00e4ndert\nsich als Wirkung des objektiven Reizes der Abstand a\u2014b, dann\n\u2022 \u2022\nerfolgt eine scheinbare \u00c4nderung von b\u2014c. Bei R. stand dabei scheinbar der rechte Faden still, w\u00e4hrend bei B. und mir der mittlere Stillstand.\nEin weiteres Ph\u00e4nomen trat sehr st\u00f6rend bei binokularem Sehen auf. Wurde a auf a' zu bewegt (s. Abb. 4), so versuchte das Auge, den zuerst gesehenen Abstand von a'\u2014a aufrechtzuerhalten, a' wanderte scheinbar in derselben Richtung und liefs sich gleichsam nur mit M\u00fche einholen. War dann endlich a in der Verl\u00e4ngerung von a', so konnte man sie wiederum nicht auseinanderziehen, a' machte alle Bewegungen von a mit. Auch dieses Ph\u00e4nomen wurde bei allen Beobachtern in derselben Weise geschildert. Manchmal kam es auch vor, dafs zwischen a' und a Tiefenunterschiede w\u00e4hrend dieser Ph\u00e4nomene auftraten.\nAlle diese Erlebnisse zwangen uns dazu, zu einer neuen Versuchsanordnung \u00fcberzugehen, bei der sich die Einstellung der F\u00e4den in eine Linie ohne solche st\u00f6renden Nebenerscheinungen vollzieht.\nC. Die zweite Versuchsanordnung.\nVier Bedingungen mufsten erf\u00fcllt werden. 1. Es durfte keine Bildverzerrung durch Fusion der Fixationsreize wie in Abb. 2 auftreten, ein Fusionsanreiz aber mufste da sein, da sonst das Doppelbild nicht gen\u00fcgend Stabilit\u00e4t besafs. 2. Es mufs ein Indikator sein, der uns abzulesen gestattet, ob wirklich die Bildmitte fixiert wird. 3. Es m\u00fcssen Marken vorhanden sein, die die identischen Punkte anzeigen. 4. Es mufs alles getan werden, um die Urteilsbildung zu erleichtern, speziell um uns von den immer ablenkenden Kovarianzerscheinungen zu befreien.\nUnter verschiedenen Anordnungen bew\u00e4hrte sich folgende am besten:\nrechter Rahmen.\nlinker Rahmen.\nAbbildung 5.","page":8},{"file":"p0009.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Untersuchungen \u00fcber das Tiefen- und Ebenensehen.\n9\no\n=\u2014-I--I\no\nA\nAbbildung 6.\nEs wurden diesmal nur zwei senkrechte weifse Frauenhaare gespannt. Die F\u00e4den wurden (Abb. 5 A) auf dem rechten Rahmen durch einen hellgrauen Papierschirm abgedeckt, der in der Mitte einen horizontalen 2 mm breiten Schlitz hatte. In einer Entfernung von 3 mm von der oberen Kante dieses Schlitzes waren dar\u00fcber und darunter je ein Loch gestanzt. Der linke Rahmen bekam ebenfalls zwei weifse Frauenhaare und dar\u00fcber wurde ebenso wie auf der rechten Seite graues Papier gespannt, das ebenfalls einen Schlitz von 2 mm Breite enthielt, aber die L\u00f6cher \u00fcber und unter dem Schlitz waren so angeordnet, dafs sie einen Abstand von 3 mm von der unteren Kante erhielten (Abb. 5 B). Wurden die beiden Bilder vereinigt, so entstand Abb. 6A. Alle vier von uns gestellten Bedingungen wurden durch diese Ver-suchsanordnung erf\u00fcllt. 1. die beiden runden L\u00f6cher dienten als Fusionsreiz. Sie gaben so dem Bild die Stabilit\u00e4t. Da sie aber aufserhalb des Schlitzes lagen, trat keinerlei Bildverzerrung in der N\u00e4he der weifsen Frauenhaare ein. Die beiden Schlitze standen so ganz unbeeinflufst durch den Fusionsprozefs \u00fcbereinander. Die F\u00e4den \u00fcbernehmen eine doppelte Funktion. Sie erf\u00fcllen die Bedingung 2, indem sie uns anzeigen, ob der Fixationspunkt wirklich in der Verbindungslinie der Mitte der beiden kleinen Kreise liegt. Wenn unsere Bedingung erf\u00fcllt ist, dann stehen die L\u00f6cher genau \u00fcber der Mitte zwischen der Linie a' und b', sonst wird das Bild unsymmetrisch. Die F\u00e4den erf\u00fcllen ferner die Bedingung 3, indem sie uns, wenn sie sich in der Verl\u00e4ngerung voneinander wie in der Abb. 6 A befinden, die korrespondierenden Punkte der beiden Netzh\u00e4ute anzeigen. 4. Das Urteil \u00fcber die Verl\u00e4ngerung von a' und a wurde stets, solange es sich um kleine Sehwinkel handelte, mit grofser subjektiver Sicherheit abgegeben. Auch die objektive \u00dcbereinstimung innerhalb der einzelnen Messungsreihen war recht gut (s. u.). Dafs sich das Urteil verh\u00e4ltnism\u00e4fsig so sicher vollzog, verdanken wir den grofsen Vereinfachungen, die diese Versuchsanordnung gegen\u00fcber der zuerst geschilderten enth\u00e4lt, a) Zun\u00e4chst sind es","page":9},{"file":"p0010.txt","language":"de","ocr_de":"10\nErnst Lau.\nnur zwei Fadenpaare, deren Mitte fixiert werden mufs, das ist viel einfacher, als wenn man drei Fadenpaare hat, wobei der mittlere Faden fixiert werden mufs, w\u00e4hrend an einem der seitlichen Fadenpaare Ver\u00e4nderungen vorgenommen werden. Ob der mittlere von den drei F\u00e4den w\u00e4hrend einer Versuchsreihe\nimmer fixiert wird, dar\u00fcber kann die Vp. sehr selten ein sicheres _ \u2022 \u2022\nUrteil abgeben. Der mittlere Faden erschwert nur die \u00dcbersicht und gibt uns andererseits nicht den Gewinn, dafs wir genau angeben k\u00f6nnten, welcher Punkt w\u00e4hrend der Versuche fixiert wird. Uber die zwei Fadenpaare dagegen ist ein gleichzeitiges Urteil sehr wohl m\u00f6glich, weil die zwei F\u00e4den eines Rahmens mit den Schlitzr\u00e4ndern sehr leicht zu einem einheitlichen Rechteck zusammen-gefafst werden, dessen Mitte sich bequem fixieren l\u00e4fst. Es werden dann bei einer Einstellung einfach die beiden Rechtecke aneinander passend gemacht. H\u00e4ufig kam es w\u00e4hrend der Urteilsbildung vor, dafs die beiden Rechtecke sich zu einem einzigen vereinigten und die beiden sich verl\u00e4ngernden F\u00e4den als einheitliche Linien aufgefafst wurden, b) Eine weitere Verbesserung ist, dafs im Gegensatz zu der ersten Versuchsanordnung die beiden Rechtecke unmittelber aneinander stofsen. Dadurch wird das Urteil viel sicherer, als wenn noch ein Abstand zwischen den F\u00e4den ist. Auch fiel trotz oder vielleicht infolge der gr\u00f6fseren N\u00e4he das Mitfolgen von a' bei einer Einstellung von a fast v\u00f6llig fort, c) Die weifsen F\u00e4den bew\u00e4hrten sich besonders deshalb, weil man den Hintergrund dann auch hellgrau w\u00fce den Vordergrund oder doch nur wenig abweichend zu machen brauchte. Das Fehlen starker Beleuchtungskontraste erleichterte das Urteil auch. Allerdings habe ich auch ganz brauchbare Werte mit dunklerem Hintergrund gewonnen.\nDiese Versuchsanordnung gibt uns ein bequemes Mittel zur L\u00f6sung der Hauptfrage an die Hand. Wenn wir feststellen wollen, ob die Reizung identischer Punkte auch einen Kernebenen-eindruck liefert, m\u00fcssen wir auf folgende Weise verfahren: Wir heben nach Einstellung der identischen Punkte (Abb. 6A) den rechten Rahmen um einige Millimeter hoch, bis ein Bild wie Abb. 6 B entsteht. Dabei schieben sich die beiden Linien langsam ineinander, und man kann unmittelbar feststellen, dafs die Reizung identischer Punkte nunmehr einen Kernebeneneindruck liefert. Man kann auch umgekehrt von einem Kernebeneneindruck wie in Abb. 6 B ausgehen und","page":10},{"file":"p0011.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Untersuchungen \u00fcber das Tiefen- und Ebenensehen.\n11\ndann die Schlitze wie in Abb. 6 A auseinanderziehen und so die umgekehrte Probe machen. Diese beiden Methoden bezeichnen wir im folgenden als qualitative im Gegensatz zu der dritten Methode, die man als quantitative bezeichnen kann. Bei ihr verf\u00e4hrt man folgendermafsen : die Yp. f\u00fchrt mehrere Einstellungen des Verl\u00e4ngerungsurteils aus, die Einstellungen werden abgelesen und diese quantitativen Ergebnisse werden dann mit den quantitativen Resultaten mehrerer Einstellungen des Kernebeneneindrucks verglichen. Hierbei wurde stets der rechte Faden, der dem rechten Auge dargeboten wurde, eingestellt.\nD. Die Resultate.\nDie beiden F\u00e4den wurden zun\u00e4chst in einen Abstand von etwa 4 mm voneinander gebracht, Der Abstand vom Fixierpunkt betrug also etwa 2 mm. Die Entfernung der beiden Rahmen von den Augen wurde auf 23 cm reguliert. Die untersuchten korrespondierenden Punkte haben einen Abstand von 1\u00b0 voneinander. Das Mittel von 8 Einstellungen betrug bei mir:\n2,02 mm mit einer mittleren Variation (mV) von + 0,01 mm, bei einem Verl\u00e4ngerungsurteil gegen\u00fcber 2,01 mm mit derselben mV f\u00fcr Kernebeneneinstellung.\nMan sieht, der Unterschied der mittleren Einstellung von Kernebeneneindruck und Verl\u00e4ngerungsurteil ist \u00e4ufserst gering. Die Differenz betr\u00e4gt nur etwa 0,01 mm und liegt innerhalb der Fehler der Ablesung, die nur auf 0,025 mm genau ist. Auch die qualitativen Urteile fielen so aus, dafs ich immer sagen mufste, wenn ich die vereinigten Bilder auseinanderzog: die F\u00e4den verl\u00e4ngern sich.\nIch und meine Vpn. haben zur \u00dcbung viel mehr Werte eingestellt. Erst wenn die Einstellungen nur geringe Schwankungen zeigten, habe ich die Werte angenommen, dann konnte ich mich aber auch mit wenigen Einstellungen begn\u00fcgen.\nBei korrespondierenden Punkten, die einen Abstand von 2\u00b0 voneinander haben, ist das Resultat ebenso. Die Entfernung der beiden F\u00e4den voneinander wurde auf etwa 8 mm eingestellt, der Abstand der Rahmen von den Augen blieb wie beim ersten Versuch. Es ergaben sich folgende Resultate:\nMittel von 8 Einstellungen bei Verl\u00e4ngerungsurteil : 4,02 mm (mV = 0,015 mm), bei Kernebene : 4,02 mm (mV = 0,015 mm).","page":11},{"file":"p0012.txt","language":"de","ocr_de":"12\nErnst Lau.\nDie quantitativen Werte decken sich zuf\u00e4lligerweise genau. Das qualitative Urteil fiel ebenso wie beim ersten Versuch aus.\nSchwieriger wurde die Messung bei noch gr\u00f6fseren Sehwinkeln. Schon Helmholtz betont: \u201eVon einer genauen Vergleichung der Lage der Doppelbilder kann . . . nur in dem mittleren Teil der Sehfelder die Hede sein, da an ihren peripheren Teilen sowohl die Erkennung der Deckstellen, wie auch die Abmessung der Distanzen durch das Augenmafs zu unsicher ist\u201c (Physiol. Optik, I. Aufl., Bd. 1, S. 708). Wollten wir die seitlichen Abst\u00e4nde der F\u00e4den auf 6 mm von der gedachten Mittellinie erh\u00f6hen, so war mir kein sicheres Urteil \u00fcber die Deckpunkte mehr m\u00f6glich. Um nun doch einen gr\u00f6fseren Sehwinkel noch anwenden zu k\u00f6nnen, halfen wir uns, indem wir die Rahmen n\u00e4her an das Auge des Beschauers heranbrachten. Das Aubeht-F\u00f6BSTERsche Ph\u00e4nomen liefs mich vermuten, dafs bei gr\u00f6fserer N\u00e4he und gleichzeitiger Mikropsie der Winkel deutlichen Sehens vergrofsert w\u00fcrde. Diese Vermutung best\u00e4tigte sich v\u00f6llig. Wir stellten den Rahmen auf 15 cm Entfernung von den Augen ein und liefsen den Abstand der F\u00e4den auf 4 mm vom Mittelpunkt. Dann gelang uns bei passender Konvergenz f\u00fcr einen Abstand der identischen Punkte von etwa 3\u00b0 voneinander noch eine brauchbare Bestimmung der Deckpunkte. Es folgen die Mittel von 8 Werten. Verl\u00e4ngerungsurteil : 4,03 mm (mV = 0,03 mm). Kernebenenurteil: 4,025 (mV = 0,025). Um einen noch gr\u00f6fseren Winkel zu erhalten, mufste ich noch mehr mit den Rahmen an die Augen herangehen. Wir n\u00e4herten die Rahmen auf 12 cm, alles \u00fcbrige blieb bis auf die Konvergenz wie beim vorigen Versuch. Der Abstand der untersuchten Punkte betrug dann rund 4\u00b0. Mittel von 8 Werten: Verl\u00e4ngerungsurteil : 4,1 mm (mV = 0,05 mm). Kernebenenurteil: 4,1 mm (mV = 0,03 mm). Auch diese Werte stimmen wieder sehr gut miteinander \u00fcberein. Die Streuung ist allerdings etwas grofser. Die Ausf\u00fchrung der Urteile \u00fcber die Deckpunkte war subjektiv mit grofser Unsicherheit verbunden. Auch die qualitativen Urteile fielen best\u00e4tigend wie bei unseren ersten Versuchsreihen aus.\nF\u00fcr meine Augen ist somit der Satz, dafs die Reizung identischer Punkte einen Kernebenen Eindruck hervorruft, f\u00fcr die Werte bis zu 4\u00b0 Sehwinkel bewiesen. Zu bemerken ist noch, dafs, wenn die F\u00e4den zu weit auseinanderstanden, also z. B. 12 mm in einer Entfernung von 23 cm von den Augen, die","page":12},{"file":"p0013.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Untersuchungen \u00fcber das Tiefen- und Ebenensehen.\n13\nMessung leicht v\u00f6llig abweichende Werte ergibt. Bei mir zeigte sich bei einer Messungsreihe eine Abweichung von 0\u00b010'. Wie sollen wir uns dieses Resultat erkl\u00e4ren? Trotzdem die mV bei diesen Einstellungen sehr gering waren und die Urteile subjektiv mit grofser Sicherheit abgegeben worden sind, kann man vielleicht doch sagen, dafs sie nicht ebenso gewertet werden k\u00f6nnen wie die obigen Resultate. Die beiden F\u00e4den sind bei der zuletzt mitgeteilten Versuchsreihe so weit auseinander, dafs das Rechteck von mir nicht mehr als Einheit empfunden wurde. Ich sah vielmehr nur die beiden Gesamtschlitze als Einheiten, die irgendwo von weifsen F\u00e4den gekreuzt wurden. Die F\u00e4den standen unter sich in keinem Zusammenhang. Infolgedessen war ich auch stets unsicher, ob ich w\u00e4hrend des Urteils die Mitte der Rechtecke fixierte.\nDie Einstellungen der Vpn. H. u. K. ergaben \u00e4hnliche Resultate wie die meinigen. F\u00fcr einen Sehwinkel von ca. 1\u00b0 ergaben sich bei einem Rahmenabstand von 23 cm folgende Mittelwerte:\nVerl\u00e4ngerungsurteil K.: 2,39\nmV bei 8 Werten i 0,04 mm H.: 1,75\nmV bei 8 Werten \u00b1 0,08 mm\nKernebenenurteil\n2,403\ni 0,03 mm 1,715\ni 0,5 mm\nMan sieht, dafs die beiden Vpn. bei diesen geringen Sehwinkeln im wesentlichen meine Resultate best\u00e4tigen. Auch ihre qualitativen Aussagen sind mit meinen \u00fcbereinstimmend. Bei gr\u00f6fseren Sehwinkeln traten f\u00fcr beide Vpn. \u00e4hnliche Schwierigkeiten auf wie f\u00fcr mich bei der zuletzt mitgeteilten Versuchsreihe. K. hatte besondere Schwierigkeiten mit dem Einstellen der Kernebene. Seine Tiefenempfindung versagte merkw\u00fcrdigerweise. Wenn ich die Rahmen wie bei mir den Augen n\u00e4hern wollte, so ergab sich daraus keine Besserung, im Gegenteil, die Schwierigkeiten steigerten sich f\u00fcr ihn noch. Bei H. trat das Mitfolgen von a' bei Bewegung von a, wie wir es bei der ersten Versuchsanordnung geschildert haben, so stark auf, dafs sie nur mit gr\u00f6fster M\u00fche einige Werte einstellte, die objektiv und subjektiv ganz unzuverl\u00e4ssig erschienen. Ihre Werte bei 1\u00b0 Sehwinkel zeigen auch schon recht grofse Streuung (s. oben). Ich mufste mich trotz aller Bem\u00fchungen meiner Vpn. leider mit den oben mitgeteilten Werten begn\u00fcgen. R., der sich auch als Vp. zur Verf\u00fcgung stellte, konnte \u00fcberhaupt keine brauchbaren Werte einstellen,","page":13},{"file":"p0014.txt","language":"de","ocr_de":"14\nErnst Lau.\nda die F\u00e4den sich f\u00fcr ihn dauernd gegeneinander verschoben. Wahrscheinlich liegt das an seiner Kurzsichtigkeit, die anderen Vpn. waren normalsichtig. Helmholtz beschreibt S. 707 seiner Physiologischen Optik \u00e4hnliche Erlebnisse, wie sie R. schilderte. Die von mir eingestellten Werte waren wohl nur m\u00f6glich, nachdem ich fast ein halbes Jahr das Sehen mit dem Haploskop Tag f\u00fcr Tag ge\u00fcbt hatte, eine Bem\u00fchung, die ich meinen Vpn. nicht zumuten konnte. Meine Werte \u00fcbertreffen jedenfalls durch ihre geringe Streuung die aller Vpn. und erst recht die fr\u00fcheren Resultate von Volkmann, die er mit seiner auch bei Hering und Helmholtz geschilderten Versuchsanordnung zur Untersuchung der identischen Punkte lieferte (Streuung 1 mm bei sehr kleinen Sehwinkeln).\nAbschliefsend k\u00f6nnen wir also sagen, dafs bei kleinen Sehwinkeln tats\u00e4chlich die Anschauung Herings best\u00e4tigt wird: die Reizung korrespondierender Netzhautstellen ruft den Eindruck einer Kernebene hervor. Man wird demnach wohl auch annehmen k\u00f6nnen, dafs bei den peripheren Teilen der Netzhaut, wo den meisten Menschen noch ein deutliches Tiefensehen m\u00f6glich ist, die HERiNGsche Anschauung zu Recht besteht; aber nachpr\u00fcfen wird man die Theorie dort kaum k\u00f6nnen.\nWenn wir mit beiden Augen in das Haploskop hineinsehen, so entsteht bei konstanter Entfernung der Rahmen von den Augen nur bei einer Einstellung des Konvergenzgrades der Lineale die Abb. 6 A oder 6B, in denen die Linien oder Kreise \u00fcber den Linien wirklich stehen. Bei allen anderen Konvergenzeinstellungen der Lineale zeigen uns die Blickrichtungsindikatoren, dafs die Augen der im Haploskop eingestellten Konvergenz nicht folgen. Dieser eine Wert, wo die beiden Augen auch wirklich die Mitte der Bilder fixieren, entspricht bei mir und meinen Vpn. bei aller Sorgfalt der Einstellung des Haploskops niemals dem mathematischen Konvergenzwinkel, der sich aus der Entfernung der beiden Augen voneinander und der Entfernung des Gegenstandes, in unserem Fall der Rahmen von den Augen berechnen w\u00fcrde. Stets ist die empirische Konvergenz kleiner. Es m\u00f6ge eine kleine Tabelle der gemessenen Winkel folgen :","page":14},{"file":"p0015.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Untersuchungen \u00fcber das Tiefen- und Ebenensehen.\n15\nEntfernung\t\tKonvergenzwinkel\t\t\nder K\u00e4hmen\ttheoretisch ax\tLau\tempirisch Hukriede\t\u00ab2 K\u00e4mmerer 1\n23 cm\t8\u00b0\t6\u00b0\t5\u00b0\t5,2\u00b0\n15 \u201e\t12\t11\t\u2014\t9\n12 \u201e\t15,5\t12\t\u2014\t11\nEs ergibt\tsich daraus,\tdafs wir im\tnormale\tn Leben\nwahrscheinlich stets eine von der mathematischen Konvergenz abweichende Augenstellung einnehmen und zwar ist die empirische Blicklinie der beiden Augen stets auf einen Punkt hinter dem fixierten Punkt gerichtet. Wir sehen, wenn wir den Blick auf nahegelegene Gegenst\u00e4nde wenden, demnach in den seltensten F\u00e4llen wirklich mit identischen Stellen, sondern meist tritt bereits eine Fusion von Bildern disparater Stellen ein. Eine weitere Folgerung ergibt sich aus folgender Tatsache. Hillebrand hat schon in seiner Untersuchung im Jahre 1893 ausgef\u00fchrt, dafs, wenn man drei F\u00e4den mit Hilfe des Haploskops in eine Ebene eingestellt hat, diese relative Lage der F\u00e4den zueinander bei den verschiedensten Konvergenzstellungen erhalten bleibt. Auch Jaensch hat neuerdings dieselbe Beobachtung gemacht. Wir k\u00f6nnen dieselbe ebenfalls best\u00e4tigen. Wir wissen jetzt, dafs die Konvergenzstellung der Augen der Einstellung der Lineale im Haploskop nicht gefolgt sein wird. Es werden nur bei einer Stellung identische Stellen gereizt werden, sonst immer Punkte, die nach rechts oder links von den identischen Stellen abweichen. Hieraus ergibt sich ohne weiteres eine betr\u00e4chtliche Erweiterung des HERiNGschen Satzes. Wir k\u00f6nnen ihn jetzt so formulieren. Haben mehrere Punkte auf der Netzhaut gleiche Querdisparation, so erscheinen sie in einer Frontalebene. Der Kernebeneneindruck bei Reizung mehrerer identischer Punkte ist nur ein Spezialfall dieses Gesetzes, der eintritt, wenn die Querdisparation gleich Null wird.\nDiese Tatsache ist auch zu ber\u00fccksichtigen bei der Beurteilung\ndes HEiNEschen Ph\u00e4nomens.2 Heine hatte nachgewiesen, dafs\ndie Querdisparation um so besser ausgen\u00fctzt wird, je entfernter\ndas Fadenprisma steht und er kam nach Versuchen im Haplo-\n\u2022 \u2022\nskop zu der \u00dcberzeugung, dafs einer bestimmten Querdisparation\n1\tAugenabstand s\u00e4mtlicher Vpn. ist zwischen 64 u. 65 mm.\n2\tArchiv f\u00fcr Ophthalmolog. 51, S. 563. 1900.","page":15},{"file":"p0016.txt","language":"de","ocr_de":"16\nErnst Lau.\nje nach der Konvergenz der Augen ein anderer Tiefenwert entspricht. Wir m\u00fcssen hierzu bemerken, dafs wenigstens im Haploskop nur bei einer Konvergenzeinstellung die beiden \u00e4ufseren F\u00e4den des Fadenprismas keine Querdisparation hatten, dafs bei anderen Einstellungen auch schon, wenn die F\u00e4den in der Frontalebene des Fixationspunktes sind, eine bestimmte Ausgangsquerdisparation vorhanden ist, also beim Sehen eines Prismas eine weitere Querdisparation zu der gegebenen Ausgangsdisparation hinzukommt. Nun ist aber der Tiefenwert auf keinen Fall einfach proportional der Querdisparation, also kann der Wert a einer Querdisparation, die f\u00fcr Tiefensehen ausgenutzt wird, nicht als gleich empfunden werden, wenn er zu einem Ausgangswert von Querdisparation xx x2 x3 . . . hinzukommt.\nII. Teil.\nDie Konstanz der identischen Punkte beim Sehen auf\nverschiedene Entfernungen.\nA. Experimentelle Best\u00e4tigung der HiLLEBEAxnschen\nHoroptertheorie.\nDie Frage des zweiten Teiles ist die : Ordnen sich die identischen Punkte unter verschiedenen Bedingungen um, bleiben dieselben Punkte miteinander korrespondierend, wenn man die\nEntfernung der Gegenst\u00e4nde von den Augen \u00e4ndert? Das\n\u2022 \u2022\nPh\u00e4nomen der scheinbaren Gr\u00f6fse macht eine \u00c4nderung nicht unwahrscheinlich. Ferner: Tschermak hat nachgewiesen, dafs die Horoptereinstellungen bei fallenden Tropfen anders sind als bei ruhenden Loten. Scheinen da nicht unter verschiedenen Bedingungen die korrespondierenden Punkte der Netzhaut sich umzuordnen?\nDer Untersuchung zugrunde gelegt wurde der Horopter-\n\u00ab \u2022\napparat nach Kupp *, an dem nur nach Bedarf gewisse \u00c4nderungen vorgenommen wurden (siehe Abb. 7). Die Vp. sieht auf drei senkrechte F\u00e4den (a, b, c), die aus Frauenhaaren bestehen. Diese F\u00e4den kann die Vp. durch Drehen an einer Rolle nach vorn oder hinten bewegen. Sie sind unten mit Metalloten beschwert, so dafs sie immer senkrecht h\u00e4ngen. Die Schwingung der Lote wurde ged\u00e4mpft. Der Kopf des Beobachters war durch Stirn-\n1 Katalog Marx, s. o.","page":16},{"file":"p0017.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Untersuchungen \u00fcber das Tiefen- und Ebenensehen.\n17\nund Kinnhalter fixiert, der mittlere Faden wurde m\u00f6glichst genau vor die Mitte der Nase des Beobachters gesetzt. Es wurden verschiedenfarbige Frauenhaare in Anwendung gebracht, ebenso verschiedene Hintergr\u00fcnde und Beleuchtungen, bis ich mich f\u00fcr zwei extreme Versuchsanordnungen entschied, die in verschiedener\nf,\na b c\nA\nAbbildung 7.\nAbbildung 8.\nEntfernung angewendet wurden. Einmal wurden weifse F\u00e4den auf hellgrauem Grunde angewendet. Auf die drei weifsen F\u00e4den blickte man durch einen Ausschnitt, der aus weifsem Karton hergestellt war. Diesem Karton wurde m\u00f6glichst dieselbe Helligkeit gegeben wie dem Hintergrund. Der Ausschnitt war 2 cm hoch und etwa 10 cm breit. Er wurde so nahe wie m\u00f6glich an die F\u00e4den herangebracht. W\u00e4hrend der Versuche wurde nur die Lage des mittleren Fadens variiert. Die Aufgabe bestand darin, den mittleren Faden in dieselbe Ebene wie die Seitenf\u00e4den zu stellen. Der Mittelfaden sollte w\u00e4hrend der Einstellungen fixiert werden. Die zweite etwas ver\u00e4nderte Versuchsanordnung werden wir nachher schildern. Die Art der Ablesung der eingestellten Werte geht aus Abb. 8 hervor. Es wurde durch Visieren der Winkel y bestimmt und daraus der Abstand des Mittelfadens von einer zwischen die Seitf\u00e4den gespannt gedachten Ebene berechnet.\nIch teile jetzt die Werte mit, die ich bei hellem Hintergrund eingestellt habe.\n1. In 240 mm Entfernung und 6 mm Abstand der seitlichen F\u00e4den vom Mittelfaden wurde der Mittelfaden von mir um\nZeitschrift f. Sinnesphysiol. 53.\t2","page":17},{"file":"p0018.txt","language":"de","ocr_de":"18\nErnst Lau.\n0,09 mm zu weit nach hinten eingestellt. Der Wert ist ein Mittel von 8 Ablesungen, wobei der Faden von hinten nach vorn bewegt wurde und von 8 Ablesungen, wobei der Faden von vorn nach hinten bewegt wurde. Die mV betrug etwa + 0,05 mm, ganz gleich, ob man die F\u00e4den von vorn oder von hinten auf die Kernebene hin bewegte.\n2. Bei 860 mm Abstand von den Augen und 9 mm Abstand der Seitenf\u00e4den vom Mittelfaden wurde von mir der Faden fast genau in die mathematische Ebene der Seitenf\u00e4den gestellt. Der Mittelwert von 16 Messungen betr\u00e4gt : 0,015 mm hinter der Ebene. mV : = 0,08 mm.\n8. Bei 480 mm Abstand und 12 mm seitlichem Abstand wurde der Mittelfaden gleichfalls genau in die Ebene der Seitenf\u00e4den gestellt. Die mV betrug + 0,01 mm.\n4. Bei 1440 mm Abstand von den Augen und 36 mm Abstand der Seitenf\u00e4den vom Mittelfaden wurde der Faden um 1,1 mm im Mittel zu weit nach vorn gestellt. mV: = + 0,5 mm.\nMan sieht, die HELMHOLTzschen Beobachtungen haben sich durchaus best\u00e4tigt. Will man den Horopter einstellen, so stellt man nicht den mathematischen Horopter nach M\u00fcllee einr sondern man stellt in der N\u00e4he die F\u00e4den so ein, dafs der mittlere Faden etwas hinter den Seitenf\u00e4den steht, aber nicht weit genug, um die M\u00dcLLEEsche Gleichung zu erf\u00fcllen. In der Feme stellt man den mittleren Faden sogar nach vorn. H\u00e4tte nun Hillebeand recht, dafs die korrespondierenden Punkte der Netzhaut nicht umgeordnet werden, so mufs das Verh\u00e4ltnis von a und \u00df (s. Abb. 7) konstant1 bleiben, wenn ich dieselben Sehwinkel bei verschiedenen Entfernungen anwende. Die folgende Tabelle best\u00e4tigt die HiLLEBEANDsche Theorie vollkommen. Sie ist aus den oben mitgeteilten Werten berechnet.\nEntfernung: 240 mm\t360 mm\t480 mm\t1440 mm\n\u00ab = 1\" 24' 19\"\t1\u00b0 25' 04,6\"\t1\u00bb 25' 24,4\"\t1\u00b0 25' 47,4\"\n\u00df = 1\u00b0 24, 32\"\t1\u00b0 25' 25,8\"\t1\u00bb 25' 41\"\t1\u00bb 25' 59\"\nDiff.:\t=\t13\"\t21,2\"\t16^6\"\t11,6\"\nMan sieht, dafs bei ann\u00e4hernd konstanten Sehwinkeln die Differenzen von \u00df\u2014a ziemlich konstant sind. Die Werte\n1 Die Abweichung der empirischen yonder mathematischen Konvergenz bleibt hier unber\u00fccksichtigt. Sie bildet eine Fehlerquelle, deren Gr\u00f6fse sich schwer nachweisen l\u00e4fst, aber die wohl zu vernachl\u00e4ssigen ist","page":18},{"file":"p0019.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Untersuchungen \u00fcber das Tiefen- und Ebenensehen.\n19\nschwanken nur um 10\". Das ist aber etwa der geringste Wert, den man \u00fcberhaupt erwarten kann.\nMeine Vpn. best\u00e4tigten meine Ergebnisse (s. Tabelle).\nK\u00e4mmeree : Entfernung: 250 mm \u00ab = 1\u00b0 20' 46\" \u00df = 1\u00b0 21' 36\"\nDiff.: =\t50\"\n500 mm 1\u00b0 21' 50\"\n1\u00b0 22' 28\" 38\"\nHukriede : \u00ab = 10 20' 57\" \u00df = 1\u00b0 21' 25\"\nDiff.: =\t28\"\n1\u00b0 22' 1\" 1\u00b0 22' 17\" 16\"\nDie Streuung ist bei meinen Vpn. bei den Einstellungen etwas gr\u00f6fser als bei mir. Die Differenzen der Winkel bei verschiedenen Entfernungen stimmen auch nicht ganz so gut \u00fcberein wie bei meinen Werten. Jedoch kann man sagen, dafs unter der Bedingung: weifse F\u00e4den,j hellgrauer Hintergrund und hellgrauer Spalt die Horoptertheorie Hillebrands sich vollauf best\u00e4tigt hat. Die identischen Punkte bleiben konstant in verschiedenen Entfernungen des Objekts und entsprechend verschiedener Konvergenz der Augen. Es hat sich auch best\u00e4tigt, dafs der Winkel a (s. Abb. 7) des einen Auges stets einem gr\u00f6fseren Winkel \u00df des anderen Auges entspricht. Bei mir und Fr\u00e4ulein Hukriede ist das Verh\u00e4ltnis der Winkel gerade so, dafs der Horopter f\u00fcr kleine Sehwinkel in einer Entfernung von ungef\u00e4hr 1/2 m genau eine gerade Ebene ist, eine Tatsache, die teleologisch gewifs * von grolser Bedeutung ist. Bei Herrn K\u00e4mmerer ist das Verh\u00e4ltnis von a und \u00df derart, dafs er bereits in x/4 m Entfernung den Mittelfaden zu weit nach vornstellt. Die Verh\u00e4ltnisse bei ihm \u00e4hneln mehr denen, die Hillebrand von sich mitteilt.\nB. St\u00f6rungen bei den Horopterversuchen.\nDie einfachen Resultate des vorigen Kapitels m\u00fcssen aber noch eine Einschr\u00e4nkung erfahren. Nimmt man statt des hellen Hintergrundes und des hellen Schlitzes einen tief schwarzen Hintergrund und Schlitz und verdunkelt das Zimmer v\u00f6llig, w\u00e4hrend man nur die F\u00e4den durch einen Projektionsapparat von der Seite hell beleuchtet, so ist die jedesmalige Horoptereinstellung von der unmittelbaren Vorgeschichte\n2*","page":19},{"file":"p0020.txt","language":"de","ocr_de":"20\nErnst Lau.\nder Einstellung abh\u00e4ngig.1 Wird der Faden beispielsweise von hinten gen\u00e4hert, so sind s\u00e4mtliche Einstellungen des Horopters zu weit nach hinten. Ich will zun\u00e4chst eine Tabelle meiner Einstellungen geben. Die Tabelle enth\u00e4lt den Mittelwert von 8 Einstellungen, die ich gemacht habe, indem ich den Mittelfaden von hinten in die Frontalebene, die durch die beiden Seitenf\u00e4den geht, einstellte.\nEntfernung: 240 mm\t480 mm\t1440 mm\n= 1\u00b0 24' 33\"\t1\u00b0 25' 45,4\"\t1\u00b0 25' 54,4\"\n= 1\u00b0 24' 18\"\t1\u00b0 25' 20\"\t1\u00b0 25' 52,5\"\nDiff.:\t=\t15\"\t25,4\"\t1,9\"\nDie Streuung ist bei den Einstellungen bei mir etwa dreimal so grofs als bei denen bei hellem Grund, niemals aber wurde der Faden weiter nach vom gestellt, als es dem richtigen Wert der Einstellung bei weifsem Grunde entsprach. Man sieht, dafs jetzt a gr\u00f6fser ist als \u00df, ganz \u00e4hnlich wie bei dem sog. Tropfenhoropter von Tscheemak. Man k\u00f6nnte nun einfach sagen, die Ungenauigkeit der Einstellung erkl\u00e4rt sich aus der Unsch\u00e4rfe der Konturen. Die weifsen F\u00e4den bilden einen Kontrast mit dem tiefschwarzen Hintergrund, und es tritt so Irradiation ein. Da man nun den Faden von hinten n\u00e4hert, stellt man den Grenzwert ein, der eben noch gerade als Ebene empfunden werden kann. Diesem Gedanken widerspricht aber das Verhalten der Vpn. w\u00e4hrend der Versuche: S\u00e4mtliche Vpn. verhielten sich ebenso wie ich, dafs sie den Mittelfaden erst zu weit nach vorn einstellten und dann wieder zur\u00fcckgingen, bis sie sich bei einem Wert begn\u00fcgten, der der obigen Tabelle entspricht. Besonders krasse Einstellungen f\u00fchrte B. aus. Bei K. und R. war der Ein\u00fcufs der Vorgeschichte in \u00e4hnlicher Weise zu bemerken wie bei mir. Am geringsten wurde H. beeinflufst, die kaum abweichende Resultate gegen\u00fcber der Versuchsanordnung des vorigen Kapitels lieferte. Letztere zeigt auch bei der qualitativen Schilderung ihrer Erlebnisse besondere Eigenschaften.\nUmgekehrt, wurde der Faden von vorn der Ebene gen\u00e4hert, so wurde er von mir und meinen Vpn. stets zu weit nach vorn eingestellt, und zwar war die quantitative Abweichung von den\n1 Die F\u00e4den waren nicht so hell und blendend, dafs die Tiefenempfindung versagte..","page":20},{"file":"p0021.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Untersuchungen \u00fcber das Tiefen- und Ebenensehen.\n21\nim vorigen Kapitel mitgeteilten Daten etwa ebenso grofs, nnr im entgegengesetzten Sinne, als in den oben er\u00f6rterten F\u00e4llen.\nZur Erkl\u00e4rung dieses Ph\u00e4nomens schienen mir die qualitativen Beobachtungen der Beobachter herangezogen werden zu m\u00fcssen.\nC. Psychologische Begleiterscheinungen bei den\nHoropterversuchen.\nUm systematisch alle M\u00f6glichkeiten von Einfl\u00fcssen psychologischer Faktoren herauszustellen, habe ich s\u00e4mtliche Vpn. ihre qualitativen Beobachtungen bei hellem Hintergrund, wenn der Mittelfaden vorn stand, wenn er hinten stand, wenn er in einer Ebene mit den Seitenf\u00e4den stand, zu Protokoll geben lassen. Dasselbe tat ich auch bei schwarzem Hintergrund. W\u00e4hrend der qualitativen Beobachtungen waren die F\u00e4den stets etwa 48 cm von den Augen entfernt, doch ergaben Stichproben, dafs bei anderen Entfernungen die qualitativen Beobachtungen im wesent liehen dieselben sind. Abb. 9 bringt eine \u00dcbersicht \u00fcber s\u00e4mtliche uns wichtig erscheinende Erlebnisse, besonders von Quasik\u00f6rpern, die bei hellem Hintergr\u00fcnde, wenn der Mittelfaden vorn stand, geschildert worden sind. Rechts oben auf den einzelnen Rubriken stehen die Vpn., die das Ph\u00e4nomen beschrieben haben. Die Zeichnungen geben die Erscheinungen, die von der Seite des Schlitzes her gesehen wurden, von oben her gesehen wieder. Mir selbst und meinen Vpn. dr\u00e4ngte sich diese Art der Zeichnung auf.\nla.\tEin Glasprisma steht scheinbar zwischen dem Schlitz und einem Hintergrund, der \u201eein ganzes St\u00fcck\u201c (H.) hinter dem Glasprisma steht.\nlb.\tEine zusammenh\u00e4ngende Ebene wird gesehen, die sich an den vorderen Rahmen anschliefst. Um die F\u00e4den herum ist die Ebene etwas aufgehellt und zwischen den F\u00e4den ist sie etwas dunkler. Die F\u00e4den stellen Knicke der Ebene, die vielleicht aus Papier bestehen k\u00f6nnte, dar.\na\tBJ1MR.L\n\tV\"\nb\tK.L\nc\tH.K.L. \t% \u2014\nd\t- r ^ ~S/*~\nAbbildung 9. (I)","page":21},{"file":"p0022.txt","language":"de","ocr_de":"22\nErnst Lau.\nlc.\tWie Ib, nur gehen die seitlichen Ebenen nicht auf den Rahmen zu, sondern bleiben frontal.\nld.\tR. sieht nur eine Ecke, die an den Kanten verdunkelt ist. Dahinter nimmt er wolkenartigen Hintergrund wahr.\nAbb. 9a bringt eine \u00dcbersicht \u00fcber die Erscheinungen von Quasik\u00f6rpern bei hellem Hintergrund, wenn der Mittelfaden hinten stand.\nII a. Ein Prisma wie Ia. \u201eDas Prisma erscheint viel seltener und ist schwerer hervorzurufen wie im Fall der Abb. 9 (I)\u201c (H.).\nIIb. H. beschreibt das Bild \u00e4hnlich wie Ic. Bei ihr sind die Kanten etwas dunkler im Gegensatz zu K., bei dem sie stets heller geschildert werden.\nII c. Es bestehen keine Verbindungsebenen. Die F\u00e4den stehen wie in einem Nebel, der vorn lichter wird. (R. schildert ein Erlebnis, was zwischen IIb und IIc steht: Ich k\u00f6nnte nicht sagen, ob die F\u00e4den zu den Fl\u00e4chen geh\u00f6ren oder nicht. Sie werden kaum apperzepiert. Sie geh\u00f6ren weder dazu, wie etwa eine Randleiste oder eine gemalte Randverzierung, noch auch sind sie selbst\u00e4ndige F\u00e4den.)\nII\td. Zuweilen kam bei mir ein Quasik\u00f6rper mit gekr\u00fcmmten Fl\u00e4chen zustande.\nDie Seltenheit von II a, die Existenz von c und d beweisen, dafs die Quasik\u00f6rperauffassung etwas schwerer ist als bei der Serie Abb. 9.\nAbb. 9 b bringt die Erlebnisse bei hellem Hintergrund, wenn die F\u00e4den in einer Ebene stehen.\nlila. Man sieht eine Glasebene. Dieselbe ist durchsichtig und hat einen hellen Hintergrund. Die F\u00e4den sind wie Einritzungen (K. und H.) auf Glas.\nIIIb. Wie lila, nur ist die Glasebene aus Milchglas.\nIII\tc. Die Ebene ist schwach steppenartig (K.). Die Schattierung: in der N\u00e4he der F\u00e4den heller, zwischen den F\u00e4den dunkler \u2014 scheint beim Zustandekommen des Eindrucks eine Rolle zu spielen.\nIII d. Eine umgekehrte Steppdecke \u201ewie eine kanellierte S\u00e4ule\u201c (R.).\nIlle. F\u00e4den, die im leeren Raum h\u00e4ngen, dahinter ein oberfl\u00e4chenhafter Hintergrund.\nZusammenfassendes Urteil \u00fcber I\u2014III: Die weifsen F\u00e4den auf hellgrauem Grunde sind leicht ein Anlafs","page":22},{"file":"p0023.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Untersuchungen \u00fcber das Tiefen- und Ebenensehen.\n23\nzur Bildung eines Quasik\u00f6rpers, der meistens nur aus d\u00fcnnen (Papier-) oder glasartigen Ebenen besteht. Zuweilen zeigen die Ebenen geringe W\u00f6lbungen.\na\tB.ff.RL.RT\n\t\n\t\nb\tH.KL\n\t\t\t \t\t\nc\tK.L.\n\t\nd\tLR.\n\u2022\t- '\u2022cT \u25a0V\"'0\t\nr\t/?\nO o o\t\nAbbildung 9a. (II)\tAbbildung 9 b. (III)\nAnders liegen die Verh\u00e4ltnisse, wenn man einen tiefschwarzen Hintergrund und Schlitz nimmt und nur die F\u00e4den hell beleuchtet. Abb. 10a schildert die Erscheinungen, wenn der Mittelfaden vorn steht :\nIV a. Die drei leuchtenden F\u00e4den haben an sich eine schwarze Masse h\u00e4ngen, die stark gew\u00f6lbte Oberfl\u00e4chen hat. Die hellen F\u00e4den verbreiten einen Lichtschein um sich. Der Zusammenhang in der Figur ergibt sich erst bei l\u00e4ngerer Betrachtung, dann aber ist er \u00e4hnlich sinnlich deutlich wie in I\u2014III (H. K. L. R).\nIV b. Der Raum ist von einer schwarzen Masse erf\u00fcllt, die nach vorn durch ebene Oberfl\u00e4chen begrenzt wird. Zwischen den F\u00e4den scheint die schwarze Masse noch dunkler zu sein. K, kann nur die Oberfl\u00e4chen der Ecke erkennen, die seitlichen Oberfl\u00e4chen fehlen bei ihm. Die leuchtenden F\u00e4den geh\u00f6ren nicht zu der Masse, sondern sind wie \u201eaufgesetzte Metallstreifen\u201c (H.). Diese letzte Beobachtung gilt f\u00fcr alle F\u00e4lle. K. schildert die Oberfl\u00e4chen als glatt und ganz hart wie \u201eBogenlichtkohle\u201c.","page":23},{"file":"p0024.txt","language":"de","ocr_de":"24\nErnst Lau.\n\u201eDie gegenst\u00e4ndliche Auffassung wird durch kleine Schattierungen herbeigef\u00fchrt\u201c (R.).\nAbb. 10b. Schwarzer Hintergrund, der Mittelfaden ist hinten.\nVa. Schwarzer Raum, der durch Ebenen begrenzt wird, die an hellen F\u00e4den h\u00e4ngen. Die W\u00f6lbung der Ebenen ist viel st\u00e4rker wie bei II d (L.).\nVb. Wie IV b. R. : Die Verbindung ist nicht k\u00f6rperlich, nicht fest.\nA\nAbbildung 10a. (IV)\nB\nAbbildung 10b. (V)\na\tB.H.KL.R.\nb\tni\u00fci i\t^J \u2019\nc\t\nd\t\u25a0\u25a0nu tim im ff\nc\to a 9\nAbbildung 10 c. (VI)\t\nVc. (auf der Abbildung nicht enthalten) Analog IVc. R: \u201eDer Zusammenhang der F\u00e4den ist rein dynamisch.u\nAbb. 10c. Die drei hellen F\u00e4den in einer Ebene, tiefschwarzer Hintergrund.\nVia. \u201eIch sehe einen dunklen gew\u00f6lbten Vorhang, durch dessen Schlitze Licht dringt\u201c (B.) L. sieht besonders deutlich eine \u00e4hnliche Erscheinung, wenn der Mittelfaden von vorn in die Ebene hineinbewegt wird. R. schildert \u201eEs ist eine z\u00e4he Masse, in die","page":24},{"file":"p0025.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Untersuchungen \u00fcber das Tiefen- und Ebenensehen.\n25\nsich der Lichtk\u00f6rper hineinsenkt\u201c. F\u00fcr R. ist eine konkave oder konvexe, aber auch eine ebene Form der Oberfl\u00e4chen nicht erkennbar.\nVIb. An die Lichtstreifen h\u00e4ngt sich etwas wie ein schwarzer\nVorhang, besonders wenn der Faden von hinten kommt.\n\u2022 \u2022\nVIc. \u00c4hnlich wir VIb, nur die Einbuchtungen in der Mitte fehlen.\nVId. Vor dem schwarzen Hintergrund steht ein dunklerer Streifen als der Hindergrund. Der Streifen hat leuchtende Ecken und einen leuchtenden Mittelstreifen.\nVIe. Ein schwarzer Hindergrund, davor 3 Seiten, die in dem Raum in einer Ebene gespannt sind. Der Hintergrund ist eine gleichm\u00e4fsige schwarze Fl\u00e4che.\nFassen wir zusammen, so k\u00f6nnen wir sagen, dafs die leichten Papier- und Glasebenen wie I\u2014III so gut wie gar nicht entstehen. Immer handelt es sich um dunkle, in die Tiefe gehende Massen, die sich an anders geartete Streifen anschliefsen. H\u00e4ufig haben die Oberfl\u00e4chen dieser sch w arzen Mass e stark gekr\u00fcmmte Formen, besonders ab er bei Bewegung der F\u00e4den. Die Masse ist \u201ez\u00e4h\u201c (R.) und will den Bewegungen der F\u00e4den nicht recht folgen. Sie nimmt besonders bei mir bei Bewegung gern Formen wie Abb. Via und VIb an. Dadurch wird nach meinem Empfinden w\u00e4hrend der Versuche das Kriterium der Querdisparation in seiner Wirkung gest\u00f6rt. Diese St\u00f6rungen k\u00f6nnen sich um so unangenehmer bemerkbar machen, als die Feinheit der Auffassung der F\u00e4den wohl auch durch Irradiation beeinflufst ist. Diese St\u00f6rungen durch Quasik\u00f6rper sind f\u00fcr die verschiedenen Versuchspersonen verschieden stark. R. empfand diese Beeinflussungen als etwas Sekund\u00e4res, trotzdem bei ihm die Werte, je nachdem ob der Faden von vorn oder von hinten gen\u00e4hert wurde, deutlich auseinanderfielen. H. gelang es zuweilen, dieser St\u00f6rungen ganz Herr zu werden und Abbildungen wie VId und VIe ohne die z\u00e4hen Massen zu sehen. Ihre Einstellungen zeigen sich auch objektiv frei von Beeinflussungen. Ganz \u00e4hnlich liegt der Fall bei Herrn Dr. K\u00fchn, den ich nachtr\u00e4glich noch zu Versuchen heranzog. Seine Einstellungen wurden von der Vorgeschichte gar nicht beeinflufst. Er hat auch niemals irgendwelche gekr\u00fcmmten Oberfl\u00e4chen gesehen. Gerade die Tatsache, dafs H. und K\u00fc. subjektiv die St\u00f6rung nicht so empfanden wie z. B. ich und dementsprechend auch objektiv die Einstellungen Vornahmen, be-","page":25},{"file":"p0026.txt","language":"de","ocr_de":"26\nErnst Lau.\nst\u00e4tigt die Theorie, dafs die psychologischen Faktoren tats\u00e4chlich die St\u00f6rungen verursacht haben. Noch ein anderer Hinweis auf die Richtigkeit meiner Theorie wurde mir vom Zufall geliefert. Eines Tages war meine Versuchsordnung nicht ganz in Ordnung. Der Hintergrund bekam ganz geringe Lichtreflexe von der Bogenlampe, die die F\u00e4den beleuchtete. Die Bogenlampe flackerte infolge mangelhafter Kohlen und brachte durch ihre Reflexe eine Unruhe in den Hintergrund. Diese Unruhe verhinderte bei mir das Zustandekommen des Quasik\u00f6rpers und sogleich fielen die Werte v\u00f6llig zusammen, ob ich den Mittelfaden nun von vorn oder von hinten der Kernebene n\u00e4herte.\nD. Der sogenannte Tropfen-Horopter\nnach Tschebmak.\nIm Anschlufs an diese Resultate sei es erlaubt, einmal auf die Resultate des Momentan-Horopters von Tschermak einzugehen. Seine beste Versuchsordnung ist folgende : In etwa 0,5m Entfernung von den Augen waren drei St\u00e4be aufgestellt. Die beiden linken St\u00e4be wurden dauernd als Reiz gegeben. Der rechte Stab dagegen wurde nur momentan beleuchtet, w\u00e4hrend er sonst nicht wahrnehmbar war. Bei Versuchen mit dieser Anordnung ergab sich nun, dafs dieser momentan beleuchtete Stab weiter nach vorn gestellt wurde, wenn er in eine scheinbare Ebene mit den beiden linken St\u00e4ben eingestellt werden sollte, als wenn der Stab ruhig beleuchtet w\u00fcrde. Tschebmak glaubte hieraus schliefsen zu m\u00fcssen, dafs der Momentan-Horopter st\u00e4rker gekr\u00fcmmt sei als der Lot-Horopter. Jaensch, der diese Versuche wiederholte, kam zu \u00e4hnlichen Resultaten.\nZun\u00e4chst m\u00fcssen wir nach unseren Erfahrungen einige Einw\u00e4nde gegen die Versuchsanordnung erheben. Es ist aufserordent-lich ung\u00fcnstig, dafs Tschebmak den in seiner Tiefenstellung variierbaren Momentanreiz auf der einen Seite anfgestellt hat. Der Einflufs dieser seitlichen Anbringung des Momentanreizes machte sich bei meinen ersten orientierenden Versuchen \u00fcber dasTscHEBMAK-Ph\u00e4nomen sehr st\u00f6rend geltend. Ich benutzte wiederum die Versuchsanordnung mit weifsen F\u00e4den und hellem Hintergr\u00fcnde, machte den Hintergrund aber so hell, dafs die wreifsen F\u00e4den sich bei der Tagesbeleuchtung nicht von dem Hintergrund abhoben. Darauf beleuchtete ich die F\u00e4den durch eine elektrische Lampe und stellte einen Episkotister so auf, dafs es den rechten seitlichen","page":26},{"file":"p0027.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Untersuchungen \u00fcber das Tiefen\u25a0 und Ebenensehen.\n27\nFaden beschatten und belichten konnte. Bei Drehen des Epis-kotisters wurde der rechte Faden etwa 1/30 Sekunde alle zwei Sekunden dreimal belichtet. Als ich diese Versuchsanordnung fertiggestellt hatte, blickte ich einen Augenblick in meine Bogenlampe und wollte dann eine Einstellung des rechten Seitenfadens in eine Ebene mit den linken F\u00e4den machen. Dabei beobachtete ich, dafs das Nachbild der Bogenlampe, auch w\u00e4hrend ich mir die gr\u00f6fste M\u00fche gab, den Mittelfaden zu fixieren, immer dem rechten aufflackernden Faden zuwanderte. Es besteht also eine sehr starke Tendenz, den Blick auf Momentanreize hinzurichten, y. A., K\u00fc. und R. erlebten das Ph\u00e4nomen ganz \u00e4hnlich; besonders wenn sie ein Urteil abgeben wollten, war es ihnen ganz unm\u00f6glich, ihren Blick nicht auf den aufflackernden Faden zu richten. Man sieht daraus, dafs Tschermak wahrscheinlich bei unsymmetrischer Konvergenz der Augen gearbeitet hat, ein Fall, bei welchem sich, wie wir nachher zeigen werden, die Resultate auf jeden Fall verschieben m\u00fcssen. Jaensch hat dadurch, dafs er die Momentanreize rechts und links gleichzeitig darbot und nur den Mittelstab konstant beleuchtete, diese st\u00f6rende Tendenz, den Momentanreiz zu fixieren, ausgeschaltet. Er kommt auch dabei noch zu \u00e4hnlichen Resultaten wie Tschermak, hat allerdings keine quantitativen Messungen ausgef\u00fchrt. Man sieht aus den Versuchen von Jaensch, dafs die TscHERMAK\u2019schen Versuche durch die soeben erw\u00e4hnte Fehlerquelle nicht voll aufgekl\u00e4rt werden.\nSchwerwiegender als dieser kleine Fehler in der Versuchsanordnung ist eine falsche Folgerung, die Tschermak aus seinen Versuchen zog. Tschermak behauptete, dafs der Tropfen-Horopter oder der Momentan-Horopter sich mehr dem M\u00fcller\u2019sehen Horopter-Kreis n\u00e4here als der Lot-Horopter. Der ganze Tropfen-Horopter bestand aber bei ihm nur darin, dafs ein seitlicher Reiz momentan gegeben wurde. Wie unsere Versuche zeigen werden, kann man diese Versuche nur folgendermafsen beschreiben: Momentanreize m\u00fcssen vor die Ebene von Dauerreizen gestellt werden, wenn sie in einer Ebene mit Dauerreizen empfunden werden sollen. Wir verfuhren bei unserem Versuch folgendermafsen. Die beiden \u00e4ufseren weifsen F\u00e4den wurden durch zwei verschiedene Lichtquellen beleuchtet, der mittlere aber wurde durch den Episkotister in demselben Rhythmus belichtet wie bei der provisorischen Versuchsanordnung. Die Seitenf\u00e4den waren etwa 2,5 cm von dem Mittelfaden entfernt, die 3 F\u00e4den etwa 50 cm von dem Beobachter.","page":27},{"file":"p0028.txt","language":"de","ocr_de":"28\nErnst Lau.\nW\u00e4hrend ich nun den Mittelfaden, bei ruhiger Beleuchtung 0,55 mm hinter die Ebene der Seitenf\u00e4den stellte, stellte ich ihn bei rhythmischer Momentanbelichtung 0,3 mm vor die Ebene des Mittelfadens. \u00c4hnliche Resultate lieferte K\u00fc. ; w\u00e4hrend er bei ruhender Beleuchtung den Mittelfaden ca. 1,3 mm hinter die Seitenf\u00e4den einstellte, stellte er ihn bei Momentanbelichtung 1 mm vor die Ebene der Seitenf\u00e4den. Wir kommen also zu ganz \u00e4hnlichen Resultaten wie Tschekmak. Die schnelle Wiederholung des Momentanreizes beeinflufst das Resultat dabei nicht. Der Momentanreiz mufs weiter nach vorn eingestellt werden, um in derselben scheinbaren Ebene zu erscheinen wie die Seitenf\u00e4den.\nWollte ich aus meinem Resultat denselben Schlnfs ziehen wie Tschekmak, so w\u00fcrde ich zu einem entgegengesetzten Momentan-Horopter kommen als Tschermak. Man sieht, wie irref\u00fchrend die Darstellung Tschermaks war.\nTschermak hat keine Theorie dieses Ph\u00e4nomens angedeutet. Auch Jaensch ist sehr vorsichtig in der Deutung dieser Tatsache. Aus dieser Arbeit ergibt sich folgende Erkl\u00e4rungsm\u00f6glichkeit f\u00fcr die Erscheinung. In dem ersten Teil der vorliegenden Arbeit hatten wir festgestellt, dafs man beim Fixieren von F\u00e4den wahrscheinlich normalerweise hinter die Ebene der F\u00e4den blickt. Man sieht also die F\u00e4den mit einer gewissen Querdisparation. Nun ist aber festgestellt worden, dafs die Querdisparation bei Momentanbeleuchtung 1 nicht zu voller Auswirkung kommt. Folglich mufs der Mittelfaden, wenn er momentan beleuchtet wird, als mit geringerer Querdispiration gesehen erscheinen. Er mufs daher, um wiederum scheinbar in eine Ebene mit den Seitenf\u00e4den gestellt zu werden, n\u00e4her an den Beobachter herangef\u00fchrt werden, d. h. seine Querdisparation mufs gr\u00f6fser gemacht werden, um dem Querdisparationswert der ruhig beleuchteten Seitenf\u00e4den gleich\n1 L. v. Karpinska. Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Analyse der Tiefenwahr nehmung. Zeitschr. f. Psych. 1910. Bd. 57. S. 1\u201488.\nHier siehe auch die weiteren Literaturangaben.\nWenn Fr 1. Karpinska zu der falschen Auffassung kam, dafs bei Momentanbeleuchtung die Querdisperation \u00fcberhaupt keine Wirkung hat, so liegt das daran, weil den Vpn. w\u00e4hrend der Momentanbeleuchtung zu viel Unbekanntes gezeigt wurde. Es war immer ein ganz unbekanntes Objekt, was stereoskopisch dargeboten wmrde, da war die Deutung der Tiefendimension immer eine Aufgabe neben vielen und daher sehr schwer. Der einfache Hering-sche Fallversuch, die TscHERMAxschen Versuche beweisen zur gen\u00fcge, dafs Helmoltz\u2019s Auffassung richtiger ist.","page":28},{"file":"p0029.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Untersuchungen \u00fcber das Tiefen- und Ebenensehen.\n29\nempfunden zu werden. Zu dieser Theorie w\u00fcrde sehr gut passen, dafs Tschermak bei den k\u00fcrzesten Belichtungen die gr\u00f6fsten Abweichungen gegen\u00fcber dem Lot-Horopter gehabt hat, dafs er bei l\u00e4ngerer Belichtung dagegen Werte bekam, die dem Lot-Horopter \u00e4hnlicher waren. Je k\u00fcrzer die Belichtungszeit, um so weniger scheint demnach die Querdisparation ausgenutzt zu werden. Durch \u00e4hnliche systematische Versuche k\u00f6nnte man quantitativ feststellen, wie die Entwicklung des Tiefeneindrucks von der Belichtungszeit abh\u00e4ngt.\nIII. Teil.\nPh\u00e4nomenologie frontaler Ebenen bei bewegten Augen.\nA. Die psychologischen und geometrischen Voraussetzungen zum Verst\u00e4ndnis unserer Frage.\nDie Fragestellung des III. Teils lautet: Wie ordnen wir bei bewegten Augen eine Reihe von St\u00e4ben an, so dafs sie uns in einer Ebene erscheinen? Daraus ergibt sich sofort die andere Frage: Wie erscheint uns eine mathematische Ebene? Diese Fragen sind unseres Wissens noch nicht ganz gel\u00f6st. Jaensch1 ber\u00fchrt sie in seinem Kapitel \u00fcber orthogene Lokalisationstendenz, ohne sie ganz der L\u00f6sung entgegengef\u00fchrt zu haben. Zwei Voraussetzungen m\u00fcssen wir kennen: die psychologische Voraussetzung zum Verst\u00e4ndnis unserer Frage ist bereits mit ziemlicher Klarheit von Filehne 2, aber auch von Jaensch herausgearbeitet worden. Die geometrische Seite der Sache aber scheint mir bisher etwas vernachl\u00e4ssigt. Daher zeigen die bisherigen Ergebnisse noch eine gewisse Unklarheit. \u2014 Die psychologische Voraussetzung zum Verst\u00e4ndnis unserer letzten Versuchsreihe k\u00f6nnen wir am besten an einigen allgemein bekannten Erscheinungen erl\u00e4utern. Stehen wir etwa an der Meeresk\u00fcste und blicken auf den Horizont, indem wir den Kopf bald nach rechts und bald nach links wenden, so bemerken wir, dafs die Mitte der von uns gesehenen Horizontlinie immer ungef\u00e4hr senkrecht zur Blicklinie zu verlaufen scheint. Halten wir den Kopf still und bewegen nur die Augen, so entsteht dasselbe Erlebnis: Immer scheint die Horizontmitte sich etwa senkrecht zur Blickrichtung des Beobachters zu befinden. Schliefst man ein Auge, so wird\n1\tZeitschr. f. PsycholErg\u00e4nzungsband 6, S. 173.\n2\tPfl\u00fcgers Archiv 59, S. 280.","page":29},{"file":"p0030.txt","language":"de","ocr_de":"30\nErnst Lau.\nan diesem Erlebnis nichts ge\u00e4ndert. Auch ein Auge sieht die Horizontmitte senkrecht zur Blicklinie. Die Kreisform des Horizontes scheint, wie Jaensch angedeutet hat, eine Art psychologischen Integrals aus den einzelnen Erlebnissen an dem Horizont bei bewegten Augen zu sein. \u00c4hnliche Beobachtungen beschreibt Filehne dem Himmelsgew\u00f6lbe gegen\u00fcber: Wir sehen \u201ein aufrechter Stellung bei ruhendem Blick nur ein St\u00fcck Himmel, welches uns wie eine ebene Fl\u00e4che senkrecht zur Sehrichtung erscheint. Erst wenn wir den Blick wandern lassen, entsteht die Vorstellung von der W\u00f6lbung\u201c. Bei Beobachtungen am Himmel mufs man aber sehr darauf achten, dafs Tiefeneindr\u00fccke von der Erdoberfl\u00e4che oder den Konturen der Wolken nicht allerlei Verzerrungen des Gew\u00f6lbeeindruckes hervorrufen. Am Himmelsgew\u00f6lbe l\u00e4fst sich auch demonstrieren, dafs die vertikale Bewegung der Augen eine analoge Wirkung hat wie die oben geschilderte horizontale Bewegung.\nWir stellten noch einige Kontrollversuche f\u00fcr diesen ganzen Tatsachenkomplex am Haploskop an. Wir henutzen unsere Anordnung aus Teil I, Versuchsanordnung II und schauen zun\u00e4chst nur mit dem rechten Auge auf den Schlitz des rechten Rahmens, der von den beiden F\u00e4den geschnitten wird. Wenn wir den Rahmen bei 0\u00b0 Konvergenz betrachten, da scheint die Ebene, die durch die F\u00e4den geht, frontal zu sein. Drehen wir den Rahmen so, dafs das Auge etwa 10\u00b0 nach rechts sehen mufs, so scheint die Fadenebene wiederum senkrecht zur Blicklinie zu stehen. Drehen wir den Rahmen so, dafs das Auge nach der Nase hin sehen mufs, so ist auch hier dieselbe Erscheinung zu beobachten. S\u00e4mtliche Vpn. (H., K. und R.) machten hier dieselbe Wahrnehmung (vielleicht riefen die schr\u00e4gen Konturen der Spiegel gewisse St\u00f6rungen hervor, aber das Ph\u00e4nomen war unbestreitbar deutlich). Arbeitet man nun mit beiden Augen zun\u00e4chst in der Art, dafs man symmetrische Konvergenz anwendet, so bleibt stets die Kernebene frontal. Arbeitet man dann mit unsymmetrischer Konvergenz, so dafs z. B. das rechte Auge 10\u00b0 nach rechts blickt, w\u00e4hrend das linke Auge mit 18\u00b0 zur Nase zu blickt, so bleibt die Kernebene ann\u00e4hernd senkrecht zur Blickrichtung, allerdings nahm ich selbst und meine Versuchspersonen geringe Abweichungen zur senkrechten Lage, bald nach der einen, bald nach der anderen Richtung wahr. Aber diese Abweichungen sind unbedeutend und gegen\u00fcber den Grundtatsachen zu ver-","page":30},{"file":"p0031.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Untersuchungen \u00fcber das Tiefen- und Ebenensehen.\t\u00dft\nnachl\u00e4ssigen. Es wiederholen sich also im wesentlichen dieselben Erscheinungen wie beim ein\u00e4ugigen Sehen. Eine Besonderheit beim binokularen Sehen wurde von H., L. und K. bemerkt. Das Richtungsempfinden ist viel st\u00e4rker als bei ein\u00e4ugigen Sehen. H. meint: \u201eBei ein\u00e4ugigem Sehen mufs man sich die Richtung erst denken, dagegen ist es bei zwei\u00e4ugigem Sehen wie ein Strom, der von mir ausgeht\u201c. Meine Empfindungen und auch die von K. stimmen damit vollst\u00e4ndig \u00fcberein. R. schildert nur starke Empfindungen in den Augenmuskeln. Die resultierende Richtung, die mit beiden Augen empfunden wird, ist die mittlere Blickrichtung der beiden Augen. \u2014 Wir kommen demnach zu demselben Resultat wie Jaensch in seinem Kapitel \u00fcber orthogene Lokalisation. Wir zitieren ihn : \u201eWir sagen, dafs die verschiedenen Teile der Figur .... eine Tendenz zeigen .... auf der Blickrichtung, mittels deren sie b\u00e9trachtet werden, senkrecht zu stehen. Wir k\u00f6nnen darum von einer \u201eorthogenen Lokalisationstendenz\u201c reden.\u201c\nDiese orthogene Lokalisationstendenz kommt nat\u00fcrlich nur dann allein zur Geltung, wenn keine Querdisparation eintritt. Die Querdisparation ist die Ursache, dafs in einer Ebene angeordnete St\u00e4be bei binokularem Sehen nicht in einer konkaven W\u00f6lbung zu stehen scheinen. Das Zustandekommen von Querdisparation ist zun\u00e4chst eine rein geometrische Frage. Das Entstehen derselben sei an Abb. 11 erl\u00e4utert.\nCB sei ein Teil einer Ebene CD, die frontal vor den beiden Augen Ae und Ar steht. Dann sieht das Auge Ae den ebenen Streifen unter dem Winkel au w\u00e4hrend das Auge Ar den Streifen unter dem etwas kleineren Winkel a2 sieht. Es mufs also eine Querdisparation eintreten. W\u00fcrde keine Querdisparation eintreten, so w\u00fcrde man den Ebenenstreifen wie C'B' wahrnehmen. Da aber Querdisparation eintritt, wird eine St\u00f6rung der orthogenen Lokalisation eintreten und nach der bekannten Regel C'B' wieder in die Richtung etwa von CB gebracht werden. Bei grofser N\u00e4he der Ebene CD wird die Querdisparation recht\nAbbildung 11.","page":31},{"file":"p0032.txt","language":"de","ocr_de":"32\nErnst Lau.\nbetr\u00e4chtliche Werte annehmen. Infolgedessen ist es m\u00f6glich, dafs bei grofser N\u00e4he und infolgedessen grofser Querdisparation die Ebene CB umgekehrt schr\u00e4g erscheint wie C'B', also durch C\" geht. Eine kurze Rechnung mag uns mit den Gr\u00f6fsenordnnngen von Querdisparationen, die wir zu erwarten haben, bekannt machen. Der Augenabstand sei 64 mm, C B sei 20 cm, AE sei 1 m, CAeE = 45\u00b0. Dann ist ct1 = 6\u00b0 20' 25\", a2 = 5\u00b0 56'55\". Die Differenz ergibt den betr\u00e4chtlichen Winkel von 23' 30\". Erst wenn das Ebenenst\u00fcck CB etwa 16 m entfernt w\u00e4re, h\u00f6rte die Querdisparation auf, merklich zu sein. d. h. die Winkeldifferenz bekommt den Wert von etwa 30\". Es mufs dann die orthogene Lokalisationstendenz nahezu allein zur Geltung kommen.\nB. Die Versuche.\nNunmehr sind die theoretischen Vorbedingungen zum Verst\u00e4ndnis unserer Versuchsreihe gegeben. In einem dunklen Zimmer mit tiefschwarzen W\u00e4nden wurden auf einem Tisch 6 senkrecht auf je einem Fufse angebrachte Stahlnadeln (ca. 30 cm lang) folgendermafsen gestellt. 2 von den Stahlnadeln wurden so aufgestellt, dafs sie frontal vor der Vp. standen. Der Abstand von der Vp. betrug 1 m, die St\u00e4be waren 15 cm voneinander entfernt. Um das linke Auge des Beschauers wurde ferner ein Kreis von 1 m Radius auf den Tisch gezogen (s. Fig. 12). Dieser Kreisbogen wurde auf der linken Seite von den beiden frontal stehenden Nadeln durch 4 Radien geschnitten, die an der Peripherie einen Abstand von je 15 cm hatten. An beliebige Stellen dieser Radien wurden die \u00fcbrigen 4 Stahlnadeln gestellt. Auf alle 6 Stahlnadeln f\u00e4llt von der Seite Licht. Die Lichtquelle wird dem Beobachter unsichtbar gemacht. Die Stahlnadeln wirken auf den Beobachter wie selbstleuchtende St\u00e4be. Sie wurden durch einen Schlitz beobachtet. Die St\u00e4be werden von rechts nach links gez\u00e4hlt.1\nNachdem alles so vorbereitet, erh\u00e4lt die Vp. die Instruktion, sie solle den Blick zwischen der Mitte von Stab 1 und 2 und der Mitte von Stab 2 und 3 hin und her wandern lassen und angeben, wie der Stab 3 ger\u00fcckt werden mufs, damit die Ebene\n1 Nach den Erfahrungen im vorigen Kapitel h\u00e4tte man vielleicht lieber einen hellen-Hintergrund und weifse St\u00e4be nehmen sollen. Aber dabei w\u00e4ren st\u00f6rende Konturen des Schlitzes usw. sichtbar geworden.","page":32},{"file":"p0033.txt","language":"de","ocr_de":"J\nNeue Untersuchungen \u00fcber das Tiefen- und Ebenensehen.\n33\nzwischen 2 und 3 die Ebene zwischen 1 und 2 zu verl\u00e4ngern scheint. Ist dies geschehen, dann geht man zum Stab 4 \u00fcber und l\u00e4fst ihn so einstellen, dafs die Ebene 3\u20144 die Ebene 1\u20143 zu verl\u00e4ngern scheint usw., bis 1\u20146 eine Frontalebene vor der Vp. darstellt. Die Resultate dieser Einstellung ergeben sich aus der Figur. Die St\u00e4be wurden stets so angeordnet, dafs sie eine Kurve zwischen den Kurven I und II bildeten. K. und L. -haben mehrere Einstellungen gemacht, v. A. und H. machten mehrere Einstellungen an einer nicht ganz so vollkommenen Versuchsordnung. Sie best\u00e4tigten unsere Ergebnisse durchaus.1\n2 /\nI Ebenenkurve binokular von K.\nII\tn\tn\t\u00bb I^*\nIII\tKrasser Fall einer Ebenenkurve von L. monokular.\nIV\tScheinbarer Verlauf einer mathematischen Ebene.\nV\tKreisbogen um das linke Auge des Beobachters.\nAbbildung 12.\nKurven scheinbarer Ebenen bei 1 m Entfernung.\nYio nat\u00fcrliche Gr\u00f6fse.\nKurve III ist monokular und beweist, dafs kein sekund\u00e4res Kriterium neben der Querdisparation vorhanden ist. Die St\u00e4be werden wild durcheinander aufgestellt.\nFassen wir das Ergebnis zusammen: Eine flache W\u00f6lbung wird in der N\u00e4he bei bewegtem Blick als eine Ebene empfunden und eine mathematische Ebene scheint konvex zu sein (vgl. Kurve IV). Kurve IV kann nat\u00fcrlich nicht quantitativ genau gezeichnet werden. S\u00e4mtliche Vpn. (A., H., K., L.) schilderten qualitativ den Eindruck eines konvexen Gew\u00f6lbes. In grofser Entfernung mufs umgekehrt eine mathematische Ebene konkav erscheinen, weil dort das Gesetz der orthogenen Lokalisation durch Querdisparation nicht mehr gest\u00f6rt wird. Diese Erscheinung konnte ich im Psychologischen Institut infolge der Enge der R\u00e4ume nicht mehr nach weisen, doch kann man sie im Freien an Gittern und Z\u00e4unen nachpr\u00fcfen. Gerade Z\u00e4une, die in grofser Entfernung frontal vor dem Beobachter stehen, scheinen bei bewegtem Blick in einer konkaven W\u00f6lbung angeordnet zu\n1 Die qualitativen Erlebnisse stimmen mit den von Jaensch bei \u00e4hnlichen Anordnungen beschriebenen \u00fcberein.\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 53.\t3","page":33},{"file":"p0034.txt","language":"de","ocr_de":"34\nErnst Lau.\nsein, \u00e4hnlich wie der Horizont. Dazwischen gibt es einen Werk wo ein Gitter uns auch wirklich als gerade Ebene erscheint. Ich f\u00fchrte mit Vp. K\u00fc. an dem Nordgitter der Berliner Universit\u00e4t einige Beobachtungen aus. In grofser N\u00e4he erschien uns beiden das Gitter konvex gew\u00f6lbt. F\u00fcr mich im Abstand von 4 m und f\u00fcr K\u00fc. im Abstand von 9\u201410 m erschien das Gitter eben. In gr\u00f6fserer Entfernung entstand deutlich der Eindruck eines konkaven Gew\u00f6lbes. An den \u00e4ufsersten Seiten rechts und links trat wahrscheinlich durch Wirkung der Perspektive eine Abschw\u00e4chung sowohl der konvexen wie der konkaven Kr\u00fcmmung ein.\nBei der \u00c4hnlichkeit dieses Ph\u00e4nomens mit dem von Hering, Helmholtz und Hillebrand geschilderten Horopter - Ph\u00e4nomen m\u00fcssen wir einmal auf die Verschiedenheit dieser beiden Erscheinungen hinweisen. Auch bei dem HiLLEBRAND\u2019schen Ph\u00e4-nom ist es bekanntlich so, dafs eine Ebene einem Beobachter in der N\u00e4he als konvexe W\u00f6lbung erscheint, in der Ferne aber als konkave Wirkung. Dazwischen liegt ein Wert, in dem die mathematische Ebene auch subjektiv als Ebene wahrgenommen wird. Dem gegen\u00fcber stehen aber betr\u00e4chtliche Unterschiede.\nZun\u00e4chst ist das Verhalten des Beobachters bei unserem Ph\u00e4nomen durchaus anders als bei Helmholtz-Htllebrand. Dort mufs der Beobachter ruhig den Mittelfaden fixieren. Bei unseren Versuchen dagegen mufs er den Blick \u00fcber die ganze Ebene hin und her schweifen lassen. Dabei werden viel gr\u00f6fsere Ebenenst\u00fccke erfafst, als man mit ruhendem Blick umfassen kann.\nEin weiterer Unterschied besteht in den Resultaten: Die Entfernung, in der eine mathematische Ebene auch als Ebene empfunden wird, liegt bei unserem Ph\u00e4nomen in etwa 4\u201410 m, dagegen bei Helmholtz - Hering - Hillebrand etwa in 1/2 m (s. oben S. 17).\nEin fundamentaler Unterschied besteht auch in der Erkl\u00e4rung beider Ph\u00e4nome. Er wird besonders deutlich darin, dafs der Eindruck der konkaven W\u00f6lbung in der Ferne durch ganz andere Faktoren bei den beiden Ph\u00e4nomenen hervorgerufen wird. Bei Hillebrand kommt dieser Eindruck zustande gerade auf Grund des Vorhandenseins von Querdisparation beim Anschauen einer Ebene (s. unsere Messung auf S. 18 bei 1440 mm Abstand von den Augen und deren Auswertung ebenda). Bei unserem","page":34},{"file":"p0035.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Untersuchungen \u00fcber das Tiefen- und Ebenensehen.\n35\nW\u00f6lbungserlebnis ist der Grund das Nicht auf treten einer Querdisparation bei Seitlichwenden des Blickes. Ein extremer Fall ist das Himmelsgew\u00f6lbe am Tage. Es hat \u00fcberhaupt keine Punkte, die disparat in beiden Augen erscheinen k\u00f6nnen. Es erscheint monokular bei wanderndem Blick infolge der orthogenen Lokalisation genau so gew\u00f6lbt wie binokular.\nSind irgendwelche Marken da auf dem Gew\u00f6lbe, wie z. B. die Sterne in der Nacht, so k\u00f6nnen sich die beiden Ph\u00f6nomene erg\u00e4nzen. Bei ruhendem Blick wird der vor einem stehende fixierte Stern unter gleich hellen Sternen zur\u00fccktreten infolge von Querdisparation auf Grund des HiLLEBRANDschen Ph\u00e4nomens. Wird nun der Blick bewegt, so ordnet sich dieser Gew\u00f6lbeein-durck nach Hillebrand dem Gew\u00f6lbeeindruck infolge orthogener Lokalisation ein\nWir hoffen, dafs diese Argumente gen\u00fcgen, um die Eigenartigkeit unseres Ph\u00e4nomens dem Helmholtz-Hering-Hille-BRAKDschen gegen\u00fcber nachzuweisen und das Verh\u00e4ltnis der beiden zu kennzeichnen.\nEine Zusammenfassung der Resultate befindet sich am Anfang.\n3*","page":35}],"identifier":"lit35927","issued":"1922","language":"de","pages":"1-35","startpages":"1","title":"Neue Untersuchungen \u00fcber das Tiefen- und Ebenensehen","type":"Journal Article","volume":"53"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:48:25.623659+00:00"}