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Die Weißempfindung des Stäbchenauges

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{"created":"2022-01-31T13:48:38.292751+00:00","id":"lit35943","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"Kroh, Oswald","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 53: 187-196","fulltext":[{"file":"p0187.txt","language":"de","ocr_de":"187\n(Aus dem Psychol. Institut der Universit\u00e4t G\u00f6ttingen.)\nDie Weifsempfmduiig des St\u00e4bchenauges.\nY on\nOswald Kroh.\nv. Kries 1 fand als Resultat diesbez\u00fcglicher Untersuchungen, dafs die Weifsempfindung des dunkeladaptierten Auges (St\u00e4bchenauges) eine bl\u00e4uliche T\u00f6nung besitzt, die einer Wellenl\u00e4nge von 483 nfi entsprechen soll. Entsprechendes fand Nagel, w\u00e4hrend Gullstrand unter Hinweis auf m\u00f6gliche Fehlerquellen eine anderweitige Deutung der Versuchsresultate zu geben suchte. Somit ist die Frage nach der Qualit\u00e4t der St\u00e4bchenempfindung immer noch als kontrovers anzusehen. F\u00fcr eine Nachuntersuchung mufste es darauf ankommen, etwaige Fehlerquellen tunlichst zu eliminieren. Eine Vereinfachung der Versuchstechnik, die eine leichte Nachpr\u00fcfung des Resultats und gegebenenfalls eine Verwendung als Demonstrationsversuch m\u00f6glich machte, war \u00fcberdies erw\u00fcnscht.\n1. Yersuchsanordnuug und -methode.\nDas Licht einer 100 Watt starken Nitralampe (180 Kerzen), die in einen innen gut weifs ausgekleideten Metalltubus eingebaut war, wurde von einer Mattscheibe so aufgefangen, dafs seitlicher\n1 Zeitschr. /'. Psychol. 12, S. 27/28 (F. v. Kries u. W. Nagel, Einflufs von Lichtst\u00e4rke und Adaptation auf das Sehen des Dichromaten). Genauere Literaturnachweise in kritischer Beleuchtung bringt eine demn\u00e4chst in dieser Zeitschrift erscheinende, die gesamte Materie des St\u00e4bchensehens behandelnde Arbeit von Prof. Dr. G. E. M\u00fcller. Im Hinblick darauf ist hier die einschl\u00e4gige Literatur absichtlich nur gestreift worden.\nZeitschrift f. Sinnesphysiol. 53.\t13","page":187},{"file":"p0188.txt","language":"de","ocr_de":"188\nOswald, Kroli.\nLichtaustritt verhindert wurde. An der \u2014 dem Tubus abgekehrten \u2014 Vorderseite war diese Mattscheibe mit schwarzem Papier zugedeckt; nur durch zwei leicht und genau regulierbare A\u00fcBEETsche Diaphragmen, die in dem Papier angebracht waren, konnte das Licht durch zwei diesen Diaphragmen Vorgesetzte schwarze Papierr\u00f6hren auf eine weitere Mattscheibe fallen. An deren R\u00fcckseite konnten vor jedem Papierrohr Gelatinebl\u00e4tter angebracht werden. Die Vorderseite war durch einen weifsen Karton abgeblendet, der in Abst\u00e4nden von je 5 cm 4 kreisrunde L\u00f6cher von je 1 cm Durchmesser trug.\nDie eine (engere) Papierr\u00f6hre beleuchtete immer nur 1 Loch, die andere (weitere) konnte je nach ihrer Stellung, die durch seitliche Verschiebung leicht zu variieren war, nach Belieben auf 1 oder 2 dieser L\u00f6cher Licht geben. Jedes Kreisloch liefs sich durch einen kleinen Schieber sowohl v\u00f6llig abblenden, wie auch zu einem Fixationspunkt umwandeln.\nDie Beobachtungen fanden durch eine grofse Dunkeltonne von 60 cm L\u00e4nge statt, in die die Vp. ihren Kopf hineinzustecken hatte. Das Gesichtsfeld war alsdann \u2014 bis auf die etwa beleuchteten Kreisl\u00f6cher \u2014 v\u00f6llig dunkel. Die Versuchsanordnung erm\u00f6glichte gleichzeitige foveale und extrafoveale Darbietung von Lichtreizen, die \u2014 qualitativ v\u00f6llig gleich, weil derselben Lichtquelle entstammend \u2014 voneinander unabh\u00e4ngig durch Verschiebung an den Diaphragmen die verschiedensten Intensit\u00e4tsgrade annehmen konnten. Es waren sowohl monokulare wie binokulare Beobachtungen m\u00f6glich.\nDie Versuche mufsten bei v\u00f6lliger Dunkeladaptation aus-gef\u00fchrt werden. Dreifsig Minuten langer Aufenthalt im Dunkelzimmer wurde dazu als ausreichend angesehen. Zun\u00e4chst wurden die beiden zur Darbietung kommenden Felder (je 2 der vorhin erw\u00e4hnten Kreisl\u00f6cher) auf subjektive Gleichheit gebracht; zu dem Zwecke hatte die Vp. einen in der Mitte der Verbindungslinie der beiden Felder liegenden Lichtpunkt zu fixieren. Die Diaphragmen gestatteten die Herstellung der subjektiven Gleichheit mit zureichender Genauigkeit. Dabei wurde von unterschwelligen oder ebenmerklichen Feldern ausgegangen und ihre Helligkeit so lange gesteigert, bis sie auch bei l\u00e4ngerer (bis 10 Bekunden dauernder) Betrachtung gerade nicht verschwanden. War diese Einstellung erreicht, so wurde nach einer kleinen Pause","page":188},{"file":"p0189.txt","language":"de","ocr_de":"Die Weifsempfindung des St\u00e4bchenauges.\n189\nin die Beobachtung eingetreten. Das eine der Felder oder der an seiner Stelle angebrachte Fixierpunkt wurde fixiert, die farbige Erscheinungsweise des anderen Feldes, das 5 bzw. 10 bzw. 15 cm vom Fixationspunkt entfernt lag, sollte bei festgehaltener Fixation beurteilt werden. Wechsel der Raumlage wurde dadurch herbeigef\u00fchrt, dafs das fr\u00fcher periphere Feld fixiert und die fr\u00fchere Fixationsstelle beobachtet wurde. Die Felder wurden instantan, 2, 5 bzw. 10 Sekunden lang dargeboten. Instantan\u00e9 Darbietung lieferte meist kein Resultat.\nAls Beobachter fungierten die Herren: Privatdozent Dr. G\u00e7\u00fcnee-Hegge, Dr. jur. Kelle\u00bb (hemeralop), Dr. med. Stapel, cand. phil. Galley (deuteranomal) und cand. phil. Katona.\n2. Versuche und Yersuchsergebnisse.\nSchon bei den ersten Versuchen, bei denen das verwendete Licht nicht durch einen farbigen Filter hindurchgeleitet wurde, stellte sich heraus, dafs das periphere Feld vorwiegend als bl\u00e4ulich bezeichnet wurde, w\u00e4hrend die Vpn. dasselbe Feld, sobald es fixiert wurde, als weifs bzw. gelblich-weifs ansprachen. In der Tat besafs das Licht auch sowohl an und f\u00fcr sich wie infolge der Absorption durch die Mattscheiben eine schwachgelbliche T\u00f6nung. Da es aber, wie eine spektroskopische Untersuchung zeigte, daneben eine verh\u00e4ltnism\u00e4fsig starke Blaukomponente auf wies, konnte das angegebene Resultat \u2014 Blauerscheinen eines lichtschwachen peripher dargebotenen Feldes \u2014 nicht als sichere Grundlage f\u00fcr eine den Feststellungen der eingangs genannten Autoren entsprechende Behauptung gelten. Eine erh\u00f6hte Blauempfindlichkeit der peripheren Zapfen h\u00e4tte aus dem Resultat ebenso gut gefolgert werden k\u00f6nnen.\nEine solche Erkl\u00e4rung wurde sogar durch gewisse Beobachtungen bei etwas gesteigerter Lichtst\u00e4rke nahegelegt. Hierbei gab z. B. die Vp. Ga. an, dafs sie das periphere Feld abwechselnd vorherrschend gelb oder bl\u00e4ulich sehe. Bei l\u00e4ngerer Betrachtung (bis zu 5 Sekunden) erschien ihr das Feld z. B. bei einer Versuchsreihe als bl\u00e4ulich, um dann vor\u00fcbergehend gelblich zu erscheinen und nach etwa 10 Sekunden wieder blau zu werden. Die Angaben besafsen einen hohen Grad von Regelm\u00e4fsigkeit, die auf sichere Beobachtung hindeutete. Direkt als gelbbl\u00e4ulich bezeichnete unter den erw\u00e4hnten Bedingungen\nDr. Ge.-H. das Feld; das Gelb erschien ihm durch einen bl\u00e4u-\n13*","page":189},{"file":"p0190.txt","language":"de","ocr_de":"190\nOswald Kroh.\nlichen Nebel verh\u00fcllt. Noch anders gestalteten sich die Angaben von Dr. St., der eine gelbliche Scheibe mit einem vorgelagerten bl\u00e4ulichen Rand von deutlichem Raumfarbencharakter beschrieb. Das Blau erschien als bl\u00e4ulicher Nebel und von so fremder Struktur, dafs es als \u201ewahrscheinlich subjektiv\u201c bezeichnet wurde. Alle diese Angaben, so verschieden sie auf den ersten Blick sein m\u00f6gen, stimmen darin \u00fcberein, dafs neben einem Blau die wirkliche Farbe des Feldes \u2014 Gelb \u2014 gesehen wurde. Das deutete auf eine Miterregung der Zapfen hin, die darum auch f\u00fcr das daneben beobachtete Blau nicht mit gen\u00fcgender Sicherheit ausgeschaltet schien.\nDieses Bedenken konnte bei weiteren Versuchen beseitigt werden durch Verwendung eines Lichtes, das blaue Strahlen nicht enthielt. Besonders geeignet schien rotes Licht. F\u00fcr dieses besitzt bekanntlich das Zapfenauge ein so geringes farbloses Intervall, dafs mehrfach die Existenz dieses Intervalls bestritten wrorden ist. Hier war also in den F\u00e4llen, in denen das Rot peripher nicht erkannt wunde, mit hoher Sicherheit eine nahezu\nreine St\u00e4bchenerregung anzunehmen.\nAls Lichttilter dienten Gelatinebl\u00e4tter, die so zusammengestellt waren, dafs die spektroskopische Untersuchung nur rotes Licht nach weisen konnte. (Die spektroskopische Untersuchung war nat\u00fcrlich nur bei einer Lichtintensit\u00e4t m\u00f6glich, die weit \u00fcber die bei unseren Versuchen verwandte hinausging. Die M\u00f6glichkeit zu einer solchen Intensit\u00e4ts\u00e4nderung gaben die Diaphragmen an die Hand. Es ist klar, dafs ein Licht, das selbst bei hoher Intensit\u00e4t blaue Strahlen nicht auf weist, bei blofser Verminderung derselben erst recht als blaufrei angesehen werden mufs.)\nAuch mit den so erhaltenen Feldern wurden die vorhin erw\u00e4hnten Einstellungen auf gleiche Erscheinungsweise bei Eben-nichtverschwunden vorgenommen. Die Resultate zeigten nun sofort eine h\u00f6here \u00dcbereinstimmung. Mit einer Ausnahme, von der sp\u00e4ter (S. 192) noch zu berichten ist, erkl\u00e4rten alle Vpn. ganz unabh\u00e4ngig von der Betrachtungszeit (vorausgesetzt, dafs diese \u00fcberhaupt ein sicheres Urteil zuliefs), dafs das periphere Feld bl\u00e4ulich-weifs sei. Wurde dieses Feld dann fixiert, so wurde es als grauwreifs beschrieben. Bei einigen Vpn. machte es ziemliche Schwierigkeiten, dieses Urteil zu erlangen. Entweder war das Feld so schwach, dafs es bei fixierender Betrachtung schnell verschwand oder aber seine Rotqualit\u00e4t wurde richtig erkannt oder","page":190},{"file":"p0191.txt","language":"de","ocr_de":"Die Wei/sempfmd\u00eeing des St\u00e4bchenauges.\n191\nvermutet. Das Intervall, in dem die Zapfen der Fovea rotes Licht farblos zu sehen imstande sind, scheint bei gewissen Individuen aufserordentlich schmal zu sein, so dafs seine taton-nierende Bestimmung Schwierigkeiten machen kann. M\u00f6glich erwies sie sich in allen F\u00e4llen.\nWurden alsdann v\u00f6llig gleiche Felder foveal und peripher dargeboten, so lag der Fall vor, dafs das foveaie Feld grau-weifs, das periphere blauweifs erschien, \u00fcbrigens war letzteres auch dann der Fall, wenn zentral statt des Feldes blofs ein Fixationspunkt dargeboten wurde.\nEs lag damit also das Resultat vor, dafs vollkommen blaufreies Licht auf der Fovea des dunkeladaptierten Auges als grau-weifs bestimmt wurde, w\u00e4hrend es beim gleichen Zustand der Augen peripher bl\u00e4ulich-weifs erschien. Hier mufs also, da eine Blauerregung der Zapfen bei unseren Versuchen v\u00f6llig ausgeschlossen war, die Erregung der St\u00e4bchen als Ursache angesehen werden. Mithin scheint die Tatsache, dafs eben diese Weifserregung der St\u00e4bchen im allgemeinen eine bl\u00e4uliche T\u00f6nung besitzt, als gesichert gelten zu k\u00f6nnen. Der Versuch, eine Bestimmung der Wellenl\u00e4nge des beobachteten Blau voizunehmen, f\u00fchrte zu keinem gesicherten Resultat.\n\u00dcbrigens best\u00e4tigt sich dieses Versuchsresultat auch im t\u00e4glichen Leben. Schwaches Licht, das in dunklen N\u00e4chten aus nicht- oder weifsverh\u00e4ngten Fenstern auf die gut dunkel adaptierte Peripherie f\u00e4llt, erscheint oft bl\u00e4ulich get\u00f6nt. Erst, wenn der Leuchtk\u00f6rper selbst mit seiner h\u00f6heren Intensit\u00e4t wahrgenommen wird, wird auch die wirkliche T\u00f6nung des Lichtes extrafoveal empfunden. Dem angegebenen Resultat scheint zu widersprechen, dafs bei weifsen und hellgrauen Feldern betr\u00e4chtlicher Sehgr\u00f6fse die bl\u00e4uliche T\u00f6nung gelegentlich unbestimmt werden oder gar fortfallen kann. Das trifft besonders dann zu, wenn es sich um die Beurteilung der Farbe eines bekannten Okjektes handelt. Es liegt nahe, in solchen F\u00e4llen an die Wirkung zentraler Faktoren, die im Sinne der Ged\u00e4chtnisfarben wirken, also an Transformationserscheinungen, zu denken.\n\u00dcber die besondere Natur dieser Blauempfindung mag an der Hand der Versuchsprotokolle noch einiges berichtet werden. Gem\u00e4fs der schon von Katz 1 beobachteten Tatsache,\n1 D. Katz, Die Erscheinungsweisen der Farben und ihre Beeinflussung durch die individuelle Erfahrung, Erg. Bd. 7 der Zeitschr. f. Psychol., S. 290ff.","page":191},{"file":"p0192.txt","language":"de","ocr_de":"192\nOswald Kr oh.\ndafs peripher dargebotene Farben einem deutlichen Fl\u00e4chenfarbencharakter zuneigen, war zu erwarten, dafs das periphere Feld als Fl\u00e4chenfarbe beschrieben wurde, zumal es auch bei fovealer Betrachtung keine ausgesprochene Oberfl\u00e4chenstruktur zeigte. Auch der Umstand, dafs Farben geringer Intensit\u00e4t mit steigender Dunkelheit ihrer Umgebung jene Sicherheit der Lokalisation verlieren, die notwendiges Ingredienz der Oberfl\u00e4chenfarbe ist, legte eine \u00e4hnliche Annahme nahe. Doch scheint nach den Angaben unserer Vpn. der Fl\u00e4chenfarbencharakter ihres St\u00e4bchenweifs ganz besonders auff\u00e4llig in die Erscheinung zu treten, ja sich sogar einer raumhaften Erscheinungsweise anzun\u00e4hern. Sie alle betonten die aufgelockerte Struktur, den nebelartigen Charakter, den scheinbaren Tiefeneindruck und die Unbestimmtheit der Lokalisation.1 Die Blauempfindung selbst scheint zwar \u00fcberall mit geringer, aber nicht v\u00f6llig gleicher S\u00e4ttigung beobachtet zu werden. Vp. G. sprach gelegentlich von einem deutlichen Blaugr\u00fcn, wobei zu bemerken ist, dafs diese Vp. als Deuteranomaler die Gr\u00fcnkomponente nicht eigentlich sah, sondern blofs vermutete. Daneben steht die Aussage von Vit. St., der seine Empfindung als die eines weifsen Nebels, in den \u201eganz wenig blau\u201c hineingemischt sei, gelegentlich auch als dem fahlblauen Glanz von Perlmutter vergleichbar, schilderte. Vp. Ka. sprach von der Farbe frischen Kalkanstrichs. Vp. Gr.-H. bevorzugte auch hier die Bezeichnung gelbbl\u00e4ulich. Ein schwaehgelblicher Grund wurde wie durch einen bl\u00e4ulichen Schleier hindurch gesehen.2\nAus dem Rahmen der mitgeteilten Resultate fielen nur die Angaben unserer hemeralopen Vp. Dr. K. heraus. Dieser beschrieb das f\u00fcr einen Normalen deutlich bl\u00e4uliche periphere Lichtfeld stets als grauweifs, genau wie das zentrale. Sogar auf direktes Befragen erkl\u00e4rte er, keine Spur Blau wahrzunehmen. W\u00fcrde man, wie fr\u00fcher \u00fcblich, die Hemeralopie als Folge einer St\u00f6rung des St\u00e4bchenapparats betrachten, so w\u00fcrde die Deutung dieses abweichenden Resultates ohne weiteres gegeben sein.\nMan m\u00fcfste dann annehmen, dafs bei Dr. K. unter den angegebenen Bedingungen der St\u00e4bchenapparat \u00fcberhaupt nicht\n1 vgl. auch D. Katz, a. a. O. S. 261.\nvgl. dazu: O. Kroh, \u00dcber einen Fall von anomaler Funktionsweise des St\u00e4bchenapparats, diese Zeitschrift 53, S. 197.","page":192},{"file":"p0193.txt","language":"de","ocr_de":"Die Weifsempfindung des St\u00e4bchenauges.\n193\noder nur ungen\u00fcgend in Funktion getreten sei. Daf\u00fcr spricht in der Tat der Umstand, dafs bei weiteren Versuchen mit gr\u00f6fseren und helleren Feldern, \u00fcber die im folgenden noch berichtet wird, auch bei dieser Vp. eine deutliche, wenn auch geringe, Blauempfindung hervorgerufen werden konnte.\nEiner derartigen Erkl\u00e4rung widersprechen auch nicht die Feststellungen von C. v. Hess u. A., nach welchen bei der Hemeralopie allemal auch der Zapfenapparat in Mitleidenschaft gezogen ist, zumal ja durch die Resultate dieser Forscher eine gleichzeitige St\u00f6rung des St\u00e4bchen apparats keineswegs als ausgeschlossen gelten darf. Wohl aber legte der erw\u00e4hnte Befund eine Untersuchung des Zapfenapparats nahe. Diese wurde am Spektralfarbenmischapparat von Ashek f\u00fcr hell- und dunkeladaptiertes Auge durchgef\u00fchrt und ergab eine deutliche Farbenschw\u00e4che. Herr Dr. K. erkannte keinen einzigen Farbton so fr\u00fch wie die \u00fcbrigen bei der Untersuchung verwandten farbent\u00fcchtigen Vpn. Alle Farben wiesen bei ihm eine merklich erh\u00f6hte absolute Erkennbarkeitsschwelle auf. So erkannte er Rot, Gelb und Gr\u00fcn erst bei Spalt\u00f6ffnungen, die 2\u20143 mal so grofs waren wie die f\u00fcr normale Nichthemeralope notwendigen. Bei Blau war seine Farbenschwelle sogar noch bedeutend gr\u00f6fser. Dagegen liefs sich feststellen, dafs das sogenannte farblose Zapfenintervall bei ihm \u00fcberall von abnormer L\u00e4nge war und sich als deutliches Grau-weifs geltend machte.\nDemnach w\u00e4re also anzunehmen, dafs hier das abweichende\nResultat der Hauptversuche darauf zur\u00fcckzuf\u00fchren ist, dafs die\n*\nHemeralopie den St\u00e4bchenapparat so stark beeintr\u00e4chtigte, dafs er bei den verwendeten geringen Lichtst\u00e4rken \u00fcberhaupt nicht oder nur unzureichend in Funktion trat, w\u00e4hrend die gleichzeitige St\u00f6rung des Zapfenapparats sich in der festgestellten anomalen L\u00e4nge des farblosen \u2014 d. h. beim Zapfenapparat weifs-lichen \u2014 Intervalls \u00e4ufserte. Weifses Zapfenlicht war es also, was Herr Dr. K. bei unseren Versuchen beobachtete und beschrieb.\nEs liegt nahe, die Bl\u00e4ulichkeit der St\u00e4bchenempfindung auf eine Gelbindolenz der Beobachter zur\u00fcckzuf\u00fchren. Der Gelbindolente neigt dazu, ein schwachgelbliches Weifs als reinweifs zu bezeichnen ; und es w\u00e4re verst\u00e4ndlich, wenn er in Konsequenz dieser Verschiebung der Bezugsgrundlage der Farbenbeurteilung ein reines Grauweifs bl\u00e4ulich get\u00f6nt nennen w\u00fcrde. Dafs mit einer solchen Deutung zum mindesten nicht alle F\u00e4lle, in denen","page":193},{"file":"p0194.txt","language":"de","ocr_de":"194\nOswald Kroh.\ndie St\u00e4behenempfindung als bl\u00e4ulich bezeichnet wird, erkl\u00e4rt werden k\u00f6nnen, beweist zun\u00e4chst die Tatsache, dafs von unseren 5Ypn. 3 keine Spur von Gelbindolenz zeigten. Nur die Herren Dr. K. und Ka. waren leicht gelbindolent, und trotzdem war gerade bei ihnen die Bl\u00e4ulichkeit der St\u00e4bchenempfindung, sofern sie \u00fcberhaupt in die Erscheinung trat, besonders gering.\n3. Best\u00e4tigung des Resultats durch andere Yersuehe.\nDafs die anormale Verhaltungsweise unsres Beobachters Dr. K. ein Resultat der besonderen Versuchsbedingungen war und keineswegs geeignet erscheint, die Allgemeing\u00fcltigkeit unseres Ergebnisses (Bl\u00e4ulichkeit der St\u00e4bchenempfindung) zu ersch\u00fcttern, zeigte sich bei weiteren Versuchen, die wieder eine direkte Bestimmung\nder farbigen Natur der St\u00e4bchenempfindung bezweckten. Aus-\n\u2022 \u2022\ngehend von der \u00dcberlegung, dafs auch im direkten Sehen die Besonderheit des St\u00e4bchenlichtes in die Erscheinung treten mufs, sofern nur der Reizbezirk die Fovea gen\u00fcgend weit \u00fcberschreitet* verwandte ich nunmehr grofse (20 cm Durchmesser) rotierende Scheiben, die aus einem Abstand von 11/2 m beobachtet wurden. Zwei Systeme MAxwELLseher Scheiben waren unmittelbar nebeneinander in gleicher H\u00f6he auf Kreiselmotoren angebracht. Das eine Scheibensystem bestand aus roten, gr\u00fcnen und weifsen Sektoren, denen wenig Blau zugemischt wurde, das andere aus gelbgr\u00fcnen, violetten und schwarzen Sektoren. Beide Systeme waren so zusammengestellt, dafs sie bei der Rotation im hellen Lichte dem helladaptierten Auge als v\u00f6llig ^ gleich und gut grau erschienen. Dabei wurde Gewicht darauf gelegt, dafs dieses Grau in keinem Falle bl\u00e4ulich get\u00f6nt erschien.\nAls Beobachter fungierte aufser den fr\u00fcher Genannten noch der Protanope Herr Studienreferendar Entzian.\nWar eine befriedigende Einstellung erzielt, so wurde die Vp. aus dem Zimmer gef\u00fchrt pnd dieses soweit verdunkelt, dafs das durch ein Diaphragma einfallende diffuse Tageslicht gerade hinreichte, die beiden Scheiben so deutlich erkennen zu lassen, wie n\u00f6tig war, um \u00fcber ihre farbige Erscheinungsweise bei helladaptiertem Auge ein Urteil abzugeben. Die nun wieder hereingerufene Vp. hatte die beiden Scheiben sofort zu vergleichen und ihre farbige Erscheinungsweise zu beschreiben. Die Beobachtung geschah mit wechselnder Fixation der beiden Scheiben. Es zeigte sich, dafs die von den einzelnen Vpn. anerkannte","page":194},{"file":"p0195.txt","language":"de","ocr_de":"Die Weifsempfindung des St\u00e4bchenauges.\n195\nGleichung nicht gest\u00f6rt war; wohl aber erschienen die beiden Scheiben in allen F\u00e4llen trotz der v\u00f6lligen Helladaption schwach bl\u00e4ulich get\u00f6nt. Diese T\u00f6nung verschwand jedoch recht bald und blieb in keinem der untersuchten F\u00e4lle l\u00e4nger als 8 Sekunden bestehen, um dann dem Eindruck v\u00f6lliger Grauheit Platz zu machen. Dafs es sich hierbei nicht um eine St\u00e4bchenerregung, sondern nur um gewisse Umstimmungserscheinungen des Zapfenauges handeln kann, wird durch den Adaptationszustand nahe-gelegt.\nWar der Eindruck der Scheiben station\u00e4r geworden, so wurde nunmehr der Raum f\u00fcr 30 Minuten v\u00f6llig verdunkelt, um eine gute Dunkeladaptation herbeizuf\u00fchren. Alsdann wurde der n\u00e4mliche Beleuchtungszustand hergestellt, der vorher den Beobachtungen bei Helladaptation zugrunde gelegt worden war. Betrachtungsmodus und Aufgabe der Vp. waren ebenfalls die gleichen. Es ergab sich, dafs alle Beobachter jetzt wieder beide Scheiben als gleich und bl\u00e4ulich get\u00f6nt beschrieben. Gewifs waren die Scheiben in Anbetracht der h\u00f6heren Empfindlichkeit des Dunkelauges deutlicher sichtbar als beim vorigen Versuch. Sicher war auch die Gesamthelligkeit des Raumes derart hoch, dafs eine, wenn auch langsam einsetzende und allm\u00e4hlich ansteigende, Mitwirkung des Zapfenapparats eintreten mufste. Doch \u00fcberwog zun\u00e4chst, meist f\u00fcr mehrere Minuten, der St\u00e4bchenapparat noch so stark, dafs die Blauempfindung erhalten blieb. Erst bei l\u00e4ngerer Betrachtung ging sie merkbar zur\u00fcck, um dann v\u00f6llig zu verschwinden.\nWas die S\u00e4ttigung des beobachteten Blau an betrifft, so war sie offenbar wieder stark verschieden. Ohne Zweifel bestand bei den beiden Farbenunt\u00fcchtigen (dem Deuteranomalen Ga. und dem Protanopen E.) der h\u00f6chste beobachtete S\u00e4ttigungsgrad. Die r\u00e4umliche Erscheinungsweise des Blau war diesmal weniger charakteristisch als bei den zuerst angestellten Versuchen. Zwar ergeben bekanntlich alle Beobachtungen an rotierenden Scheiben angen\u00e4herte Fl\u00e4chenfarbenstruktur, andererseits aber darf man nicht vergessen, dafs in Anbetracht der hohen Helligkeit eine v\u00f6llige Ausschaltung des Zapfenapparats wohl nicht vorlag.\nDafs auch unsere hemeralope Vp. Dr. K. bei dieser Variation der Versuche eine, wenn auch offenbar recht schwache, Blauempfindung hatte, wird verst\u00e4ndlich, wenn wir annehmen, dals","page":195},{"file":"p0196.txt","language":"de","ocr_de":"196\nOsivald Kroh, Die Weifsempfindung des St\u00e4bchenauges.\nnunmehr auch bei ihr der St\u00e4bchenapparat in Funktion trat, eine Annahme, die angesichts der bedeutend h\u00f6heren Feldhelligkeit in keinem Widerspruch zu unserem fr\u00fcheren abweichenden Befund und seiner Deutung steht.\nDas Resultat erscheint geeignet, zur Erkl\u00e4rung der zweifellos bestehenden Pr\u00e4valenz des Blau bei gewissen subjektiven Gesichtserscheinungen beizutragen, die sich z. B. beim Kontrast (vgl. Tschermak, Ergebn. der Physiol., II, 2, S. 762) sowie vielfach auch bei subjektiven Anschauungsbildern aller Art nach-weisen l\u00e4fst. Vielleicht ist die Annahme nicht unbegr\u00fcndet, dafs hier endogene Erregungszust\u00e4nde vorliegen, in denen Komponenten mitwirken, wie sie sonst durch St\u00e4bchenreizung ausgel\u00f6st werden. Eine derartige Annahme w\u00fcrde aber nur auf der Grundlage ganz bestimmter Voraussetzungen \u00fcber die Leitung und zentrale Lokalisation der St\u00e4bchenerregung sowie \u00fcber Ort und Art ihrer Vereinigung mit Zapfenerregungen m\u00f6glich sein, Voraussetzungen, \u00fcber deren G\u00fcltigkeit gesicherte Resultate einstweilen nicht vorzuliegen scheinen.","page":196}],"identifier":"lit35943","issued":"1922","language":"de","pages":"187-196","startpages":"187","title":"Die Wei\u00dfempfindung des St\u00e4bchenauges","type":"Journal Article","volume":"53"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:48:38.292756+00:00"}

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