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Über einen Fall von anomaler Funktionsweise des Stäbchenapparats

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{"created":"2022-01-31T12:48:24.230226+00:00","id":"lit35944","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"Kroh, Oswald","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 53: 197-212","fulltext":[{"file":"p0197.txt","language":"de","ocr_de":"197\n(Aus dem Psychologischen Institut der Universit\u00e4t G\u00f6ttingen.)\n\u2022 \u2022\n\u00fcber einen Fall von anomaler Funktionsweise\ndes St\u00e4bchenapparats.\nVon\nOswald Krott.\nBei einer in anderem Zusammenh\u00e4nge (vgl. diese Zeitschrift 53, S. 187) durchgef\u00fchrten Untersuchung lieferte Herr Studienreferendar H. Entzian ein eigenartiges Resultat, das die Annahme nahelegte, dafs bei ihm eine besondere, bisher nicht beschriebene Anomalie vorl\u00e4ge, die eine eingehende Untersuchung w\u00fcnschenswert erscheinen lasse.\n1. Allgemeiner Befund.\nHerr E., der sich in liebensw\u00fcrdiger Weise f\u00fcr eine Untersuchung zur Verf\u00fcgung stellte, besitzt eine ausgesprochene Sehschwache, die sich in einer Herabsetzung der Sehsch\u00e4rfe rechts aut 0,1 und links auf 0,6 \u00e4ufsert. Eigentliche Kurzsichtigkeit ist nicht vorhanden, dagegen sind beide Augen etwas astigmatisch. Irgendwelche Abnormit\u00e4ten des Augenhintergrundes liefsen sich bei augen\u00e4rztlicher Untersuchung nicht feststellen. \u2014 Im Fortgang der Versuche offenbarte sich eine Tendenz zu labiler T ixation, die aber willk\u00fcrlich unterdr\u00fcckt werden konnte und nicht so erheblich war, dafs sie sich als Nystagmus \u00e4ufserte.\nVon vorgelegten Papieren erkannte die Vp. Gr\u00fcn nie, Rot, sobald es bei gen\u00fcgender S\u00e4ttigung in gr\u00f6fseren Fl\u00e4chen dargeboten wurde. Dagegen wurden Blau und Gelb, auch in geringer S\u00e4ttigung sowie bei Mischung mit anderen Farbt\u00f6nen, stets sicher erkannt. Ganz entsprechend bestand das bei m\u00e4fsiger","page":197},{"file":"p0198.txt","language":"de","ocr_de":"198\nOswald Kroh.\nSpaltweite am AsHEEschen Spektralfarbenmischapparat vorbeigef\u00fchrte Spektrum aus einer gelben und einer blauen H\u00e4lfte.\nAlle Rott\u00f6ne wurden dunkleren, alle Gr\u00fcnt\u00f6ne helleren Stufen einer Grauskala zugeordnet wie von farbent\u00fcchtigen Beobachtern. Diesem Befund entsprach das Ergebnis einer Feststellung der Lage des Helligkeitsmaximums im Spektrum, wobei sich dasselbe als gegen das kurzwellige Ende (ins Gelbgr\u00fcn) verschoben erwies.\nBei der Pr\u00fcfung am kleinen Anomaloskop von Nagel verlangte Herr E. zur Herstellung der RAYLEiGHschen Gleichung ungew\u00f6hnlich hohe Rotwerte. Doch lagen dieselben noch so nahe am Durchschnitt der f\u00fcr Normale g\u00fcltigen Einstellungen, dafs kein Zwang besteht, ihn als protanomal anzusprechen, zumal Herr E. im allgemeinen Gleichungen der Normalen anerkannte.\nDas Spektrum war am langwelligen Ende bedeutend verk\u00fcrzt.\nEs ergibt sich somit das Bild einer Protanopie, die angeboren\nzu sein scheint, da sie auch in der direkten Aszendenz vor-\n\u2022 \u2022\ngekommen sein soll (Grofsvater) und Herr E. eine \u00c4nderung, im besonderen eine Verschlechterung, im Farbensehen nicht an sich beobachtet hat.\nAber dieser an sich einfache Tatbestand zeigte sich in merkw\u00fcrdiger Weise kompliziert. Versuche \u00fcber etwaige neutrale Stellen im Spektrum machten zuerst auf diese Tatsache aufmerksam.\n2. Der Wendepunkt im Gr\u00fcn.\nDie Vp. vermochte, wie auch aus dem Vorhergehenden hervorgeht, im Spektrum kein Gr\u00fcn zu erkennen. Trotzdem hatte sie im Gr\u00fcn keine neutrale Stelle; vielmehr sah sie in dem Bereich, in dem beim Normalen das reine Gr\u00fcn bzw. beim Protanopen die neutrale Stelle liegt, stets ein blau und gelb get\u00fcpfeltes Feld. Kleine Flecken beider Farben erschienen unmittelbar aneinander gelagert in gleicher Tiefe.\nNun ist ja bekannt, dafs das Gesichtsfeld auch guter Spektralapparate sehr oft Stellen besitzt, an denen Farbent\u00f6ne sichtbar werden, die von der im Gesichtsfelde vorherrschenden Farbe erheblich abweichen. Auch der verwendete Apparat war von solchen M\u00e4ngeln nicht v\u00f6llig frei. Doch waren die wenigen Stellen dieser Art so unregelm\u00e4fsig im Gesichtsfeld verteilt, dafs von einer regelrechten T\u00fcpfelung, wie Herr E. sie beschrieb, keine Rede sein konnte.","page":198},{"file":"p0199.txt","language":"de","ocr_de":"\u00bb \u2022\nUber einen Fall von anomaler Funktionsweise des St\u00e4bchenapparats, 199\nWestphal 1 beobachtete, dafs auch unter den Normalen Individuen Vorkommen, die angeben, ein reines Gr\u00fcn niemals sehen zu kpnnen. Je nach der psychischen Einstellung scheint ihnen das Gr\u00fcn Gelb oder Blau zu enthalten. In solchen F\u00e4llen erweist \u25a0es sich zur Bestimmung des Wendepunktes im Gr\u00fcn als zweck-m\u00e4fsig, auf dasjenige Gr\u00fcn einzustellen, das eine gleichgrofse \u00c4hnlichkeit zu Gelb wie zu Blau besitzt. Nun besteht zwischen einem derartigen \u201eHineindenkenk\u00f6nnen\u201c und dem wirklichen ..Sehenm\u00fcssen\u201c, das in unserem Falle vorlag, ein betr\u00e4chtlicher Unterschied. Trotzdem schien es angezeigt, zwecks Feststellung des \u201eWendepunktes\u201c der Vp. eine \u00e4hnliche Instruktion zu geben, n\u00e4mlich die, auf ein Feld einzustellen, das gleichviel Blau und Gelb auf wies.\nDiese Einstellungen wurden, gleichen Adaptationszustand, gleiche Betrachtungszeit und konstante Feldhelligkeit vorausgesetzt, mit hoher Regelm\u00e4fsigkeit vollzogen. Ein Feld von 495 pp ergab sich z. B. als Mittel aus einer gr\u00f6fseren Zahl von Einstellungen, die bei guter Helladaptation 1 2, 1\u20142 Sek. langer Betrachtungszeit und mittlerer Feldhelligkeit angestellt wurden. Wurde bei helladaptiertem Auge die Betrachtungszeit verk\u00fcrzt, so schien das Blau um ein geringes zur\u00fcckzutreten. Alsdann war der Wendepunkt um etwa 2 pp dem kurzwelligen Ende des Spektrums zu verschoben. Gleiches trat ein, wenn die Feldhelligkeit durch Vergr\u00f6fserung des Spaltes gesteigert wurde. Bei Verl\u00e4ngerung der Betrachtungszeit sowie bei m\u00e4fsiger3 Verengerung des Spaltes trat der entgegengesetzte Effekt ein. Noch gr\u00f6fser waren die Verschiebungen, die sich ergaben, wenn die Helladaptation, sei es auch nur durch kurzen Aufenthalt im Dunklen oder einem wenig hellen Raum, gest\u00f6rt war. Der Grad dieser Verschiebung erwies sich als vom Adaptationszustande abh\u00e4ngig und war bei v\u00f6lliger Dunkeladaptation am gr\u00f6fsten.\nIn allen F\u00e4llen zeigte das Intervall, in dem so nebeneinander\n1\tvgl. H. Westphal, Unmittelbare Bestimmung der Urfarben, Zeitschr. f. Sinne sphysiol. 44, S. 198.\n2\tDie Helladaptation wurde zuerst durch l\u00e4ngeren Aufenthalt im Tageslicht, sp\u00e4ter \u2014 ohne Beeintr\u00e4chtigung des Resultates \u2014 durch Blicken auf eine weifse Papp wand herbeigef\u00fchrt, die von einer 200 Watt Nitralampe, der ein Nivalglas (gel. von der Reinlichtges. M\u00fcnchen) vorgesetzt war, beleuchtet wurde.\n*\t1 3 In einem anderen Zusammenh\u00e4nge (Kap. 4) wird \u00fcber die Wirkung\nst\u00e4rkster Spaltverengungen berichtet werden.","page":199},{"file":"p0200.txt","language":"de","ocr_de":"200\nOswald Kroli.\nGelb und Blau gesehen wurden, eine ziemliche Breite. Ging man vom Wendepunkt aus dem Gelb zu, so verblafsten die Blauflecken, wurden kleiner und verschwanden schliefslich. Ebenso \u00e4ufserte sich das Zur\u00fccktreten des Gelb, sobald der Spalt dem kurzwelligen Ende zu verschoben wurde. Um ein Urteil \u00fcber die Breite der Zone des gleichzeitigen Auftretens der beiden komplement\u00e4ren Farben zu erhalten, wurden die Stellen bestimmt, in denen Blau bzw. Gelb eben nicht mehr gesehen werden konnten. Unter denselben Bedingungen, unter denen als Wendepunkt der oben angegebene Wert von 495 pti gefunden worden war, konnte festgestellt werden, dafs bei 480 juju gerade kein Gelb und bei 506 jaja gerade kein Blau mehr gesehen wurde. Die gesuchte Zonen breite betrug also etwa 20 w und erstreckte sich ziemlich gleich weit nach links und rechts vom Wendepunkte aus.\n3. Das langwellige Ende des Spektrums.\nWurde ein mittel weit er Spalt des Spektralapparats von 506 fi\u00df aus dem langwelligen Ende zu verschoben, so sah die Vp. nur Gelb, das ]'e nach S\u00e4ttigungsgrad und Helligkeit ihr mehr oder weniger rein bzw. mit Weifs oder Schwarz verh\u00fcllt erschien. Rot sah sie im Spektralapparat nur dann, wenn es bei gr\u00f6fserer Blendenweite in hoher S\u00e4ttigung und starker Helligkeit dargeboten wurde, d. h. bei sehr grofsen Spalt\u00f6ffnungen (3 mm und mehr) im Bereiche des Gelbrot, unter Bedingungen also, wie sie sonst bei optischen Versuchen nur selten Anwendung finden, weil sie zu inhomogenes Licht liefern. Diesem Rot, das f\u00fcr ihn offensichtlich eine starke Gelbkomponente aufwies, sprach Herr E. im besonderen den Charakter des Leuchtenden zu.\nRott\u00f6ne geringer Helligkeit und S\u00e4ttigung wurden im alb gemeinen Gelb genannt. Aber doch nur im allgemeinen. In vielen F\u00e4llen wurde nunmehr neben dem Gelb wieder Blau sichtbar. Aber die Erscheinungsweise des Blau war diesmal eine ganz andere. Es erschien als \u201eSchimmer\u201c, der \u00fcber das Gelb gelagert war. Damit war der Fall eines optischen Hintereinander komplement\u00e4rer Farben gegeben, eine Erscheinung von der Art, wie sie \u00e4hnlich von D. Katz (Die Erscheinungsweisen der Farben, 1911, S. 15) und neuerdings eingehend von H. Henning (Zeitschr. f. Psychol. 86, S. 144 ft.) beschrieben wurde. Der gekennzeichnete Fall trat bei Helladaptation dann ein, wenn die Helligkeit des Feldes f\u00fcr die Vp. stark herabgesetzt erschien und die Betrach-","page":200},{"file":"p0201.txt","language":"de","ocr_de":"Uber einen Fall von anomaler Funktionsweise des St\u00e4bchenapparats. 20l\ntungszeit verl\u00e4ngert wurde oder bei Dunkeladaptation, sobald ein \u00e4hnlich helles Feld, wenn auch nur kurz, betrachtet wurde. Am deutlichsten wurde der Blaueindruck, wenn Dunkeladaptation und schwache Feldhelligkeit zusammenkamen. Dann konnte es Vorkommen, dafs nur Blau gesehen wurde (vgl. Kap. 4). Derartige F\u00e4lle traten z. B. des \u00f6fteren ein, wenn ein m\u00e4fsig weiter Spalt im Bereich des Rot verschoben wurde. In den geringeren Wellenl\u00e4ngen, bis etwa 700 jm/j, war alsdann das gesehene Gelb noch eben erkennbar. Mit abnehmender Feldhelligkeit aber, die f\u00fcr die Vp. bei weiterer Verschiebung des Spaltes ins langwellige Licht sehr rasch fortschritt, trat, besonders leicht und eindringlich bei dunkeladaptiertem Auge, ein ziemlich lebhaftes Blau auf. Die Stelle, an der das Gelb durch Blau ersetzt wurde bzw. neben dem Gelb ein blauer Schimmer auftrat, erhielt f\u00fcr den Beobachter den Charakter eines spektralen Wendepunktes. \u201eHier geht das Gelb in Blau \u00fcber.\u201c\nDer Umschlag wurde besonders deutlich, wenn die Vp. den Spalt unter dauernder Beobachtung des Feldes langsam verschob. War dabei die Helligkeit des Feldes sehr gering und der Adaptationszustand des Beobachters ziemlich konstant, so pflegte das Blau an einer bestimmten Stelle aufzutreten bzw. zu verschwinden. Mehrere unter identischen Bedingungen hintereinander angestellte Versuche ergaben dann f\u00fcr den \u201eWendepunkt\u201c recht genau \u00fcbereinstimmende Werte. Meist bestand der Eindruck, dafs sich zwischen die Zone des Gelb und die des Blau eine neutrale Stelle einschiebe, die unter den angegebenen Bedingungen bei etwa 700 /a/a lag. Bevor sich n\u00e4mlich das Blau entwickelte, deckte sich gew\u00f6hnlich \u00fcber das gelbliche Feld ein grauer Nebel, aus dem das Blau dann hervorging (vgl. S. 202).\nDoch zeigte sich bald, dafs die Stelle des Umschlags von Gelb in Blau erheblich differierte, sobald nur der Adaptationszustand, die Betrachtungszeit oder die Feldhelligkeit eine Ver\u00e4nderung erfuhren. Auch hier verschob sich die ausgezeichnete Stelle nach dem langwelligen Ende zu, wenn bei Helladaptation die Betrachtungszeit verk\u00fcrzt oder bei Dunkeladaptation die Feldhelligkeit gesteigert wurde. Im allgemeinen zeigte sich, dafs das Blau um so leichter auftrat, je besser die Dunkeladaptation war. So liefs sich, ein gen\u00fcgend lichtschwaches Feld und gute Dunkeladaptation vorausgesetzt, ohne Schwierigkeiten erreichen, dafs der Beobachter in jenem Bereich von vornherein Blau sah.","page":201},{"file":"p0202.txt","language":"de","ocr_de":"202\nOswald Kroh.\n4. Untersuchungen bei geringer Feldhelligkeit.\nGerade diese weitgehende Abh\u00e4ngigkeit von der Helligkeit des Feldes legte die Frage nahe, ob die Vp. unter geeigneten Bedingungen auch im \u00fcbrigen Teile des Spektrums Blau zu sehen verm\u00f6chte.\nDargeboten wurde zun\u00e4chst Natrium gelb in einer Helligkeit, bei welcher der Versuchsleiter soeben Gelb erkennen konnte, beil\u00e4ufig eine Spalt weite von 0,02 mm. Bei helladaptiertem Auge erschien dann der Vp. das Feld zuerst gelb, wurde nach 5 Sek. grau, um dann nach weiteren 3 Sek. bl\u00e4ulich zu werden. Die Bl\u00e4ulichkeit stieg bei verl\u00e4ngerter Betrachtungszeit bis auf einen Maximalwert, der als sehr deutlicher blauer Schimmer bezeichnet wurde. Wurde das Feld durch Erweiterung des Spaltes auf 0,03 mm auf gehellt, so war das Gelb entsprechend ges\u00e4ttigter und heller ; die graue Phase trat nun erst nach etwa 10 Sek auf und machte erst nach weiteren 5 Sek. einem leicht blauen Schimmer Platz. Das Gelb verschwand jetzt nicht mehr v\u00f6llig, sondern blieb sowohl hinter dem Grau als auch dem Blau erkennbar. Bei 0,04 mm weitem Spalt waren die entsprechenden Zeiten noch h\u00f6her (15 bzw. 25 Sek.) Es zeigte sich somit, dafs das Grau um so sp\u00e4ter auf trat, je heller und je ges\u00e4ttigter das gelbe Feld war. Die graue Phase nahm ebenfalls fortgesetzt an L\u00e4nge zu. Der blaue Schimmer entwickelte sich bei zunehmender Spaltweite immer sp\u00e4ter und langsamer, blieb dabei aber an Deutlichkeit fortgesetzt zur\u00fcck. Bei helladaptiertem Auge trat bei Spaltweiten \u00fcber 0,05 mm hinaus im Bereiche des Gelb Blau \u00fcberhaupt nicht mehr auf.\nBei Dunkeladaptation verschob sich das Resultat insofern, als nunmehr bei der geringsten Spaltweite (0,02 mm) Blau sofort sichtbar wurde und auch bei den h\u00f6heren Spaltweiten merklich eher auf trat.\nUm den m\u00f6glichen Einwand auszuschliefsen, der Apparat habe bl\u00e4uliches Licht durchgelassen, wurde bei den weiteren Versuchen im langwelligen Teile des Spektrums ein Gelatinefilter vorgesetzt, der nur gelblichrotes Licht durchliefs. Die Resultate wurden durch diese Mafsnahme nur insofern beeinflufst, als jetzt infolge der starken Lichtabsorption durch den Filter alle Spaltenwerte merklich vergr\u00f6fsert werden mufsten, um den fr\u00fcheren Effekt hervorzurufen. So leistete z. B. eine Spaltweite von","page":202},{"file":"p0203.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber einen Fall von anomaler Funktionsweise des St\u00e4bchenapparats. 203\n0,05 mm jetzt dasselbe, was vorher ein Spalt von 0,02 mm geleistet hatte. Jedenfalls bewies der Versuch, dafs nicht etwa ein Mangel des Apparats im Verein mit einer \u00dcberempfindlichkeit der Vp. f\u00fcr Blau die beobachtete Erscheinung hervorgerufen hatte.\n\u00dcber die Erscheinungsweise des Spektrums im Gr\u00fcn ist schon im 2. Kap. einiges berichtet worden. Hier ist nur noch nachzutragen, wie sich die Verh\u00e4ltnisse gestalteten, wenn die Lichtst\u00e4rke jenen minimalen Wert annahm, bei dem der Normale den farbigen Charakter des Gr\u00fcn soeben sicher anzusprechen vermag. In diesen F\u00e4llen ergab sich wieder: Je lichtschw\u00e4cher das Feld, je v\u00f6lliger die Dunkeladaptation, desto deutlicher und desto fr\u00fcher trat die Blauempfindung auf. Ja, die Vp. sah hier schon Blau, wenn der Versuchsleiter noch keine Empfindung hatte. Bei etwas gesteigerter Helligkeit erschien das Blau vor einem gelblichen Grunde, der sich merkw\u00fcrdigerweise auch in einem Bereich zeigte, in dem die Vp. bei der fr\u00fcheren Untersuchung (Kap. 2) kein Gelb mehr gesehen hatte. Die geringere Feldhelligkeit mufste f\u00fcr diesen ver\u00e4nderten Effekt verantwortlich gemacht werden.\nIm Bereiche des Blau zeigte die Vp. eine anscheinend sehr hohe Farbenempfindlichkeit. Nur liefsen sich hier 2 verschiedene Arten von Blau unterscheiden. Im ganzen Bereich des Blau ergab sich n\u00e4mlich bei den geringsten Spalt\u00f6ffnungen wieder jener blaue \u201eSchimmer\u201c, der auch bei allen anderen Wellenl\u00e4ngen beobachtet worden war. Wurde ein sehr wenig lichthelles Blaufeld dem dunkeladaptierten Auge dargeboten, so trat das Blau sofort und v\u00f6llig rein auf. Wurde die Lichtst\u00e4rke etwas gesteigert, so schien auch hier hinter dem nun schw\u00e4cheren Blau noch eine hellere Lichtfl\u00e4che zu liegen, deren Farbe als gelblich beschrieben wurde. Bei weiterer Steigerung (gr\u00f6lserer Spaltweite) verschwand dieses Gelb dann vollst\u00e4ndig. Nunmehr blieb nur eine reine Blauempfindung zur\u00fcck; doch war dieses Blau von anderer Beschaffenheit als der blaue Schimmer, es war ges\u00e4ttigter und bestimmter lokalisiert. Im Farbton schien dagegen kein prinzipieller Unterschied zu bestehen.\nDafs aber jener blaue Schimmer, den ein sehr lichtschwaches Blaufeld hervorrief, identisch war mit den Blauerregungen, die von ebenso lichtschwachen roten, gelben oder gr\u00fcnen Feldern ausgel\u00f6st wurden, bewies die Tatsache, dafs sich Gleichungen\nzwischen jenen und diesen ohne Schwierigkeiten hersteilen liefsen.\n14\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 53.","page":203},{"file":"p0204.txt","language":"de","ocr_de":"204\nOswald Kroh.\nDie lichtschwachen Felder brauchten zu dem Zweck der Vp. nur gleich hell zu erscheinen, dann zeigten sie sich auch gleich blau. Herr E. versicherte sogar, so ideale Gleichungen wie bei diesen Versuchen im AsHERschen Spektralfarbenmischapparat sonst nie gesehen zu haben.\nAuch im violetten Ende des Spektrums liefsen sich jene zwei verschiedenen Blauempfindungen sichtbar machen. Nur am \u00e4ufsersten Ende fand sich, je nach der Helligkeit, wieder der \u201eblaue Schimmer\u201c allein oder einem gelblichem Hell vorgelagert.\n5. Erkl\u00e4rung.\nGerade die Beobachtungen im Bereiche des Blau lieferten den Schl\u00fcssel zu einem Erkl\u00e4rungsversuch.\nEs braucht wohl nicht besonders betont zu werden, dafs die als blauer Schimmer bezeichnete Blauempfindung nicht das negative Nachbild einer Gelberregung war. Einmal kamen ja F\u00e4lle vor, in denen auch mit ausgeruhtem Auge sofort Blau gesehen wurde. Zum anderen war trotz mehrfacher Versuche eine Projektion des Blau auf einen weifsen oder grauen Schirm auch nach langer Betrachtung niemals m\u00f6glich. Gewifs kann es auch sonst einmal Vorkommen, dafs schon w\u00e4hrend der Fixation eines Feldes sich der Nachbildprozefs einleitet, wie sich bei leichten Blickschwankungen an komplement\u00e4rfarbigen R\u00e4ndern zeigt. Aber niemals l\u00e4fst sich dann eine so kontinuierliche, andauernde \u00dcberlagerung der fixierten Farbe durch die ihr komplement\u00e4re beobachten.\nVielmehr stehen wir hier vor einer auf sich selbst gegr\u00fcndeten unabh\u00e4ngigen Erregung, die nur dann auftritt, wenn das Auge von sehr schwachen Lichtern getroffen wird und die sich durch Dunkeladaptation beg\u00fcnstigt zeigt. Im Zusammenhang mit der an anderer Stelle 1 gesicherten Tatsache, dafs die Erregung der St\u00e4bchen eine bl\u00e4uliche Empfindung ausl\u00f6st, ergibt sich eine ungezwungene Erkl\u00e4rung. Der bl\u00e4uliche Schimmer ist offenbar nichts anderes als das Resultat der St\u00e4bchenerregung; als solches wird er sowohl durch seine geringe S\u00e4ttigung wie auch durch seine r\u00e4umliche Erscheinungsweise charakterisiert.2 Was Herrn E. auszeichnet, ist eben neben der St\u00e4rke\n1\tvgl. diese Zeitschrift 53, S. 187 ff.\n2\tSeiner r\u00e4umlichen Erscheinungsweise nach steht dieser blaue Schimmer zwischen einer Fl\u00e4chenfarbe und einer Raumfarbe.","page":204},{"file":"p0205.txt","language":"de","ocr_de":"\u2022 \u00ab\n\u00fcber einen Fall von anomaler Funktionsweise des St\u00e4bchenapparats. 205\ndieser Blauerregung, die schon in der oben zitierten Untersuchung aufgefallen war, die Tatsache, dafs diese Blauerregung auch bei helladaptiertem Auge festgestellt werden kann. Aber wie die mitgeteilten Untersuchungsresultate zeigen, war er dann niemals imstande, jenes Blau sofort wahrzunehmen; es bedurfte immer einer gewissen, im Minimum etwa 5 Sek. betragenden Betrachtungszeit, um das allm\u00e4hliche Auftreten des Blau bzw. seine Entwicklung aus einem grauen Nebel zu beobachten. Nun liegt aber das Feld im AsHEEschen Apparat inmitten einer dunklen Umgebung; zudem mufste, damit die Vp. \u00fcberhaupt jene schwachen Felder sehen konnte, das seitlich angebrachte Adaptationslicht vom Auge abgeblendet werden. Unter diesen Umst\u00e4nden kann nat\u00fcrlich keine Rede davon sein, dafs bei l\u00e4nger dauernder Betrachtung des Feldes der Zustand der Helladaptation noch ungest\u00f6rt bestanden h\u00e4tte.\nWie weit vielmehr bei E. die Dunkeladaptation dabei schon vorgeschritten sein mufste,* davon lieferten eigens angestellte Adaptationsversuche einen \u00fcberzeugenden Beleg. Bei diesen Versuchen wurde das Dunkelzimmer abgeblendet. Nur durch ein kleines AuBEExsches Diaphragma fiel Licht herein. Wurden dann der Vp. sowie einem Beobachter mit v\u00f6llig normaler Adaptations- und Sehf\u00e4higkeit, die beide vorher gut helladaptiert waren, Leseproben in gleicher Entfernung dargeboten, so zeigte Herr E. eine ganz ungew\u00f6hnlich schnelle Adaptation. Er war imstande, trotz seiner geringen Sehsch\u00e4rfe die vorgelegten Proben schon ohne Schwierigkeiten zu lesen, wenn die Vergleichsperson noch nicht einzelne Buchstaben unterscheiden konnte. Schon nach wenigen Sekunden unterschied er deutlich alle Gegenst\u00e4nde im Raum usw. \u2014 Ziehen wir diese F\u00e4higkeit schneller Dunkeladaptation in Betracht, dann wird verst\u00e4ndlich, dafs auch bei vorher helladaptiertem Auge so bald jene Blauempfindung auf treten konnte, die wir auf eine Erregung des St\u00e4bchenapparats zur\u00fcckf\u00fchren mufsten.\nAber unserer Erkl\u00e4rung scheint eine Schwierigkeit im Wege zu stehen. Das Gesichtsfeld im Asher ist bekanntlich klein und entsprach bei unseren Versuchen einem Winkel von 6\u20147 Grad. Da nun meist Halbfelder dargeboten wurden, deren Mitte zu fixieren war, so traf die Erregung im wesentlichen den st\u00e4bchenfreien Bezirk. Nimmt man, wie \u00fcblich, den Gesichtswinkel, der diesem Bezirk entspricht, mit etwa 3 Grad an, so leuchtet ein,","page":205},{"file":"p0206.txt","language":"de","ocr_de":"206\nOswald Kroh.\ndafs Halbfelder, wie die von uns dargebotenen, nur seitlich mit kleinen Fl\u00e4chen auf den St\u00e4bchenbereich zur Wirkung kommen; und es scheint fraglich, ob die Reizung eines so geringen extra-fovealen Netzhautteiles imstande ist, der Fovea ihre Empfindung vorzuschreiben.1 Eine derartige Annahme m\u00fcfste aber notwendig gemacht werden, wenn man auch f\u00fcr E. daran festhalten will, dafs jener Bezirk st\u00e4bchenfrei sei.\nHier tauchte ein neues Problem auf, das weiterer Verfolgung bedurfte. Es mufste untersucht werden, wie es mit der Blauerregung aussah, wenn nur die Fovea gereizt wurde. Zu diesem Zwecke wurden die fr\u00fcher angegebenen Versuche bei auf etwa 1 Grad verkleinertem Gesichtsfeld wiederholt. Dabei wurde dieVp. angehalten, besonders scharf zu fixieren. An dem Erfolg ihrer Bem\u00fchung, diese Instruktion zu befolgen, zu zweifeln, liegt kein Grund vor. Trotzdem zeigten sich keinerlei Abweichungen von unseren fr\u00fcheren Befunden. Der blaue Schimmer trat auch jetzt auf.\nDas Ergebnis stand im Gegensatz zu den fr\u00fcheren Beobachtungen an anderen Vpn. Diese hatten durchweg auf der Fovea eine farblose Helligkeitsempfindung von einem Reiz, der peripher das St\u00e4bchenblau auszul\u00f6sen imstande war. Es liegt nun wohl kaum ein Grund vor, dieses Unterschieds wegen an unserer Grundannahme zu r\u00fctteln, dafs der blaue Schimmer auch bei Herrn E. jenes St\u00e4bchenblau war. Tut man das aber nicht, so bleibt nur die M\u00f6glichkeit, bei E. auch f\u00fcr die Fovea die Existenz von St\u00e4bchen (neben Zapfen nat\u00fcrlich) an zunehmen.\nAuf Grund dieser Annahme erh\u00e4lt nun aber der ganze Fall eine einheitliche Beleuchtung. Sie macht die geringe Sehsch\u00e4rfe ohne weiteres verst\u00e4ndlich, denn es ist ja von reinen St\u00e4bchensehern her bekannt, \u00fcbrigens auch aus der besonderen Art der Verbindung der St\u00e4bchen mit den bipolaren Zellen ohne weiteres zu begreifen, wrie sehr der St\u00e4bchenapparat an Seh-\n1 K. L. Sch\u00e4fer hat in Pfl\u00fcgers Archiv (160, S. 573 f.) zu zeigen vei> mocht, dafs sich die Fovea des Dunkelauges ebenso verh\u00e4lt, wie der blinde Fleck im Hellauge, d. h., dafs sie immer eine Empfindung repr\u00e4sentiert, die derjenigen entspricht, die ihre Umgebung ausl\u00f6st. Dafs infolgedessen gen\u00fcgend grofse fixierte Felder auch in der Umgebung des Fixationspunktes bei Dunkeladaptation blau erscheinen, wie fr\u00fcher (diese Zeitschrift 53, S. 195) experimentell gezeigt wurde, braucht nicht wunder zu nehmen.","page":206},{"file":"p0207.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber einen Fall von anomaler Funktionsweise des St\u00e4bchenapparats. 207\nsch\u00e4rfe hinter dem Zapfenapparat zur\u00fcckbleibt. (Sehsch\u00e4rfe der reinen St\u00e4bchenseher im allgemeinen nur ein Drittel bis ein Zehntel.) Dafs auch im extrafovealen Teil der Netzhaut der St\u00e4bchenapparat bei E. \u00fcbernormal stark vertreten ist, daf\u00fcr spricht schon die ungew\u00f6hnlich hohe Deutlichkeit der St\u00e4bchenempfindung. \u2014 Auch die Labilit\u00e4t der Fixation k\u00f6nnte aus dem Vorkommen der St\u00e4bchen in der Fovea begreiflich gemacht werden. Es l\u00e4ge damit eine gewisse Parallele zu einem Befund von Elschnig1 vor, der bei Albinos auch auf der Fovea St\u00e4bchen feststellen konnte.\nNimmt man mit G. E. M\u00fcller 2 an, dafs die Protanopie die Folge eines xiusfalls peripherer Erregungsvorg\u00e4nge ist, die nat\u00fcrlich an die Zapfent\u00e4tigkeit gekn\u00fcpft gedacht werden m\u00fcssen, so ist der Tatbestand dieser, dafs einer mangelhaften Funktion des Zapfenapparats ein \u00dcberfunktionieren des St\u00e4bchenapparats gegen\u00fcbersteht.\nAuf Grund dieser Auffassung ergibt sich nun zun\u00e4chst eine ungezwungene Deutung f\u00fcr den aufserordeutlich schnellenAn-s tie g der Dunk el adaptation. Es ist ja bekannt, wie sehr sich der St\u00e4bchenapparat durch die F\u00e4higkeit der Dunkeladaptation auszeichnet und es ist daher verst\u00e4ndlich, dafs eine \u00dcberfunktion des St\u00e4bchenapparats der Dunkeladaptation zugute kommen mufs. Aber wir gewinnen auf dem Boden unserer Annahme auch die M\u00f6glichkeit zu einer einfachen Erkl\u00e4rung f\u00fcr die hohe Geschwindigkeit der St\u00e4bchenadaptation bei E. Dafs die T\u00e4tigkeit des St\u00e4bchenapparats an die Sehpurpurzersetzung gebunden ist, daran kann nach den Untersuchungen von Abelsdorff und K\u00f6ttgen (Zeitschr. f. Psychol. 12, S. 161 ff.) sowie von Trendelenburg (Zeitschrift f. Psychol. 37, S. Iff.) wohl kaum ein Zweifel bestehen. Nun hat G. E. M\u00fcller3 neuerdings die Anschauung vertreten, dafs die bei hellem Licht im Sinne einer Hemmung der Sehpurpurbildung sich geltend machende Wirkung des hellen Lichtes vom Zapfenapparat ausgeht. Da wir bei Herrn E. nun schon sowohl\n* Archiv f. Ophthalmologie 84, S. 401 ff. 1913.\n2\tvgl. G. E. M\u00fcller, Zur Psychophysik der Gesichtsempfindungen, Zeitschr. f. Psychol. 14, S. 164 ff., sowie Per. \u00fcber den 1. Kongr. f. exp. Psychol. S. 8. 1904.\n3\tIch beziehe mich hierbei auf Ausf\u00fchrungen, die Herr Prof. Dr. G. E. M\u00fcller in seiner Vorlesung \u201e\u00dcber die Psychophysik der Farbenempfindungen\u201c W.-S. 1919/20 machte.","page":207},{"file":"p0208.txt","language":"de","ocr_de":"208\nOswald Kroh.\nans seiner Protanopie wie aus seiner geringen Sehsch\u00e4rfe auf eine besondere Schw\u00e4che bzw. Unentwickeltheit des Zapfenapparats schliefsen m\u00fcssen, so w\u00fcrde es verst\u00e4ndlich sein, wenn gerade bei ihm die Hemmung der Sehpurpurbildung keine so vollst\u00e4ndige w\u00e4re wie bei Individuen mit normalem Zapfen apparat. In diesem Falle aber m\u00fcfste, da sich auch im Hellen fortgesetzt Sehpurpur bilden w\u00fcrde, der vom Vorhandensein jenes Sensibilisators in seiner normalen (Dunkel-)Funktion abh\u00e4ngige St\u00e4bchenapparat sich bei E. dauernd in einem Zustand erh\u00f6hter An-sprechbarkeit bzw. Gebrauchsf\u00e4higkeit befinden.\nAber wir k\u00f6nnen diesen so nur allgemein charakterisierten Tatbestand noch n\u00e4her kennzeichnen. Piper hat (Zeitschr. f. Sinnes-physiol. 31, S. 161) die Kurve der Dunkeladaption mitgeteilt. Als Mafs der Adaptation nimmt er die erreichte Empfindlichkeit und diese selbst wieder setzt er gleich dem reziproken Schwellenwerte. Trug Piper das Mafs der Empfindlichkeit als Ordinate und die einzelnen Zeitwerte vom Beginn des Aufenthaltes im Dunkeln an gerechnet als Abszissen ab, so erhielt er Kurvenbilder, die sich im wesentlichen aus 3 deutlich gegliederten Teilen zusammen* setzten. Nach einem bis etwa zur Abszisse 8\u201410 Minuten reichenden allm\u00e4hlichen Anstieg steigt die Kurve bis zur Abszisse 35 Minuten bedeutend st\u00e4rker an, um dann einen fast horizontalen Verlauf anzunehmen. Protanope zeigen dabei keine wesentlichen Abweichungen von Normalen.\nAuff\u00e4llig ist hier besonders die Zone des langsamen Anstiegs bis 8 bzw7. 10 Minuten. Man greift wohl nicht sehr daneben, wenn man annimmt, dafs in diesem Intervall die Adaptation infolge ungen\u00fcgender Sehpurpurzersetzung langsam fortschreitet und dafs letztere selbst wieder das Resultat der noch nicht weit genug fortgeschrittenen Sehpurpurbildung ist. Die w\u00e4hrend der vorhergegangenen m\u00f6glichst vollst\u00e4ndigen Helladaptation besonders energische Hemmung der Sehpurpurbildung w\u00fcrde eine plausible Ursache jener anf\u00e4nglichen Sehpurpurarmut sein.\nIn \u00dcbereinstimmung mit unseren obigen Voraussetzungen aber w\u00fcrde man f\u00fcr E. niemals eine vollkommene Hemmung, also Unterbindung der Sehpurpurbildung, anzunehmen brauchen. Eine gewisse Menge Sehpurpur wird ihm dauernd zur Verf\u00fcgung stehen. Der 8 Minuten lang dauernde Anreicherungsprozefs des Normalen w\u00fcrde damit bei ihm wesentlich abgek\u00fcrzt. In der Tat zeigten denn ja auch unsere Versuche, dafs E. trotz voraus-","page":208},{"file":"p0209.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber einen Fall von anomaler Funktionsweise des St\u00e4bchenapparats.\t209\ngegangener Helladaptation unter g\u00fcnstigen Umst\u00e4nden schon nach 5 Sek. Empfindungen beschreibt, die als deutliche St\u00e4bchen -empfindungen und damit als Resultat einer st\u00e4rkeren Sehpurpurzersetzung anerkannt werden m\u00fcssen. Ob und in welchem Umfange im weiteren Verlauf die Dunkeladaptation von der angenommenen gr\u00f6fseren H\u00e4ufigkeit der St\u00e4bchen oder von einer an sich reicheren Sehpurpurbildung abh\u00e4ngig ist, kann hier uner\u00f6rtert bleiben.\n\u2022 \u2022\nF\u00fcr die stets nur fl\u00fcchtig und als deutliche \u00dcbergangserscheinung auftretende graue Phase braucht eine spezifische Erregung wohl nicht angenommen zu werden. Zwei Erkl\u00e4rungsm\u00f6glichkeiten liegen hier besonders nahe. Einmal w\u00e4re es durchaus verst\u00e4ndlich, wenn das sich entwickelnde Blau nicht von Anfang an gen\u00fcgend ges\u00e4ttigt w\u00e4re und seiner geringen spezifischen Helligkeit wegen daher zun\u00e4chst grau erschiene. Daf\u00fcr spricht die Angabe der Vp., dafs sich das Blau aus dem Grau entwickele wie ebenso der Umstand, aafs dieser Entwick-lungsprozefs, soweit er sich beobachten liefs, in einer zunehmenden S\u00e4ttigung mit Blau bestand. \u2014 Aber auch die andere Annahme, dafs in der Phase des Grau St\u00e4bchen- und ZapEenerregung (Blau und Gelb) vor\u00fcbergehend und teilweise miteinander verschmelzen und sich d\u00e4bei zu Grau kompensieren, d\u00fcrfte nicht ohne weiteres auszuschliefsen sein, zumal ja auch im gew\u00f6hnlichen Sehen \u2014 soweit nicht extreme Adaptations- und Beleuchtungsverh\u00e4ltnisse vorliegen \u2014 offenbar in der Regel eine Verschmelzung beider Erregungen bzw. eine Mischung der ihnen entsprechenden Empfindungen stattfindet. Vielleicht gew\u00e4hrt gerade die Verfolgung dieser zweiten Annahme gewisse Einblicke in Art und Ort des Zusammenwirkens der Erregungen von St\u00e4bchen und Zapfen bzwT. der durch dieselben ausgel\u00f6sten Empfindungen.\nDafs die Zone der T\u00fcpfelung nicht auf eine gleichzeitige Erregung der beiden peripheren Apparate zur\u00fcckgef\u00fchrt werden kann, wird klar, wenn man bedenkt, dafs die T\u00fcpfelung auch bei guter Hell adaptation und hoher Feldhelligkeit beobachtet wurde. Auch schon die andersartige Erscheinungsweise des Blau spricht gegen eine solche Annahme. Dann aber bleibt nur die M\u00f6glichkeit, beide Empfindungen auf Zapfent\u00e4tigkeit zur\u00fcckzuf\u00fchren. Man steht dann vor der Notwendigkeit, eine verschiedene Reaktionsweise der Zapfen in den einzelnen Partien","page":209},{"file":"p0210.txt","language":"de","ocr_de":"210\tOswald, Kroh.\nder Netzhaut bei Einwirkung identischen Lichtes anzunehmen. Damit w\u00e4re ein Tatbestand gegeben, wie er \u00e4hnlich auch in einem von Albutz mitgeteilten Falle vorliegt.\nEiner Erkl\u00e4rung bedarf noch der leicht gelblicheHinter-grund, vor dem der blaue Schimmer zu erscheinen pflegte. Dafs er kein notwendiges Korrelat der St\u00e4bchenerregung darstellt, wird schon durch den Umstand bewiesen, dafs er gelegentlich \u2014 bei den geringsten Feldhelligkeiten sowie bei guter Dunkeladaptation \u2014 fehlte. Dafs er andererseits nicht die normale Gelberregung des Zapfenapparats repr\u00e4sentierte, liegt auf der Hand ; wie k\u00f6nnte er sonst bei Darbietung rein blauer Felder gesehen werden? \u2014 Aus dem Verhalten im Gebiete des langwelligen Spektrums k\u00f6nnen wir aber keinen gesicherten Schlufs auf seine besondere Wesenheit tun. Hier pflegt er allm\u00e4hlich mit fortschreitender Spalterweiterung in die Gelbempfindung der Zapfen \u00fcberzugehen, und eine genauere Angabe, an welcher Stelle sich dieser \u00dcbergang vollzieht, war von der Vp. nicht zu gewinnen. Anders dagegen im kurzwelligen Teile des Spektrums. Hier verschwand das Gelb \u00fcberall, sobald eine gewisse Helligkeit des Gesichtfelds erreicht wurde und machte nunmehr einem reinen Blau Platz. Es handelt sich also offenbar um eine von der St\u00e4bchenerregung unabh\u00e4ngige, auf einen schmalen Bereich geringer Helligkeit beschr\u00e4nkte Empfindung eines schwach get\u00f6nten, gelblichen Grau. Demnach kann nur eine auf diesen engen Bereich beschr\u00e4nkte Zapfenerregung in Frage kommen, d. h. aber, es kann sich nur um das sogenannte farblose Zapfenintervall handeln.\nEhe wir die Annahme machen, dafs jenes sonst tats\u00e4chlich farblose Intervall bei Herrn E. eine leicht gelbliche T\u00f6nung aufweist, m\u00fcssen wir uns nach einer n\u00e4her liegenden Erkl\u00e4rung Umsehen. F\u00fcr den Fall, dafs der gelbliche Grund von St\u00e4bchenblau \u00fcberlagert wird, ist eine Erkl\u00e4rung ohne weiteres gegeben. Hier wirkt das Blau wie eine blaue Beleuchtung. Dafs aber ein an und f\u00fcr sich weifser Grund unter diesen Umst\u00e4nden als gelblich get\u00f6nt gesehen werden kann, folgt unmittelbar aus den Tatsachen der Farbentransformation, die man also hier bezgl. des Blau in Rechnung zu setzen h\u00e4tte. Anders ist die Sachlage in den F\u00e4llen, in denen auch im kurzwelligen Spektrum jenes Gelb sofort gesehen wurde. Hier war aber jedesmal unmittelbar eine Helladaptation vorausgegangen. Es ist durchaus m\u00f6glich und durch","page":210},{"file":"p0211.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber einen Fall von anotnaler Funktionsweise des St\u00e4bchenapparats. 211\nBeobachtungen, die neuerdings Katona 1 im hiesigen Institut an\u00bb stellte, nahegelegt, dafs ein positives Nachbild des schwachgelblichen starken Adaptationslichtes die Ursache der schwachen Gelbt\u00f6nung ist.\n6. \u00dcbersicht \u00fcber die Farbenempfinduiigen bei E.\nAus dem Vorhergehenden w\u00fcrde sich demnach als Empfin-dungsfolge bei zunehmender Intensit\u00e4t homogener Reizlichter f\u00fcr dunkeladaptiertes Auge f\u00fcr Herrn E. ergeben :\na)\tim kurzwelligen Teile des Spektrum (jenseits 486 jn/i)\n1.\tblauer Schimmer allein \u2014 St\u00e4bchenerregung;\n2.\tblauer Schimmer vor gelblichem Grunde \u2014 St\u00e4bchen-erregung und farblose Zapfenerregung;\n3.\treines Blau \u2014 in geringeren Helligkeitsstufen vielleicht zusammengesetzt aus St\u00e4bchenerregung und Zapfenblau, die miteinander verschmelzen und ph\u00e4nomenologisch nicht mehr getrennt werden k\u00f6nnen; bei h\u00f6heren Helligkeiten reines Zapfenblau;\nb)\tim langwelligen Teile des Spektrums (vor 506 ju/n)\n1.\tblauer Schimmer allein \u2014 St\u00e4bchenerregung;\n2.\tblauer Schimmer vor gelblichem Grunde \u2014 St\u00e4bchen-erregunguncl farblose Zapfenerregung, zu welch letzterer vielleicht noch Zapfengelb hinzutritt;\n3.\treines Gelb \u2014 Zapfengelb;\nc)\tin der mittleren Zone (486 fJLpi\u2014506 juju.)\n1.\tblauer Schimmer \u2014 St\u00e4bchenerregung;\n2.\tblauer Schimmer vor gelbem Grunde \u2014 St\u00e4bchenerregung und farblose Zapfenerregung;\n3.\tblau und gelb nebeneinander \u2014 Zapfenerregung bei der bei niederen Helligkeiten das Blau zu einem Teil offenbar noch von einer Erregung der St\u00e4bchen kommt, was aus der Abh\u00e4ngigkeit der Lage der neutralen Stelle von Helligkeit und Adaptationszustand folgt;\nd)\tdazu kommen sowohl am langwelligen wie am kurzwelligen Ende des Spektrums Zonen, in denen je nach\n1 IHese Zeit sehr. 53.","page":211},{"file":"p0212.txt","language":"de","ocr_de":"212 Osicald Kr oh, \u00dcber einen Fall von anomaler Funktionsiveise usw.\nder erreichbaren (meist nur geringen) Feldhelligkeit entweder der blaue Schimmer allein oder derselbe vor gelblichem Grunde auftritt.\nBei guter Helladaptation liegen die Verh\u00e4ltnisse insofern anders, als hier das reine St\u00e4bchenintervall, also Phase 1, ausf\u00e4llt und sich erst in Phase 2 der blaue Schimmer nach l\u00e4ngerer Betrachtungszeit, durch die bei wenig hellen Feldern wahrscheinlich die Helladaptation gest\u00f6rt wird, entwickelt.","page":212}],"identifier":"lit35944","issued":"1922","language":"de","pages":"197-212","startpages":"197","title":"\u00dcber einen Fall von anomaler Funktionsweise des St\u00e4bchenapparats","type":"Journal Article","volume":"53"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:48:24.230231+00:00"}

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