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Beiträge zur Physiologie der Gemeingefühle [I. Physiologie des Schmerzes / II. Physiologie der Kitzel- und Juckempfindung / III. Über Gemeingefühle / IV. Über die Beziehungen der grauen Substanz zu den Gemeingefühlen]

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{"created":"2022-01-31T16:47:32.731823+00:00","id":"lit35949","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"Goldscheider, A.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 57: 1-14, 15-25, 26-34, 35-45","fulltext":[{"file":"a0001.txt","language":"de","ocr_de":"Zeitschrift\nf\u00fcr\nPsychologie und Physiologie der Sinnesorgane\nbegr\u00fcndet von\nHERMANN EBBINGHAUS und ARTHUR K\u00d6NIG\nherausgegeben von\nFRIEDRICH SCHUMANN und MARTIN GILDEMEISTER\nII. Abteilung\nZeitschrift\nf\u00fcr\nSinnesphysiologie\nIn Gemeinschaft mit\nJ. v. Kries, G. E. M\u00fcller, C. Stumpf, A. v. Tschermak W. Uhthoff, Th. Ziehen, H. Zwaardemaker\nherausgegeben von\nMARTIN GILDEMEISTER\n\u00abv\n57. BAND\n19\t2\t6\nLeipzig / Verlag von Johann Ambrosius Barth","page":0},{"file":"a0002contents.txt","language":"de","ocr_de":"Seite\nInhaltsverzeichnis.\nA. Goldscheider, Beitr\u00e4ge zur Physiologie der Gemeingef\u00fchle.\nI.\tPhysiologie des Schmerzes.................................. 1\nII.\tPhysiologie der Kitzel-\tund Juckempfindung.................15\nIII.\t\u00dcber Gemeingef\u00fchle.........................................26\nIV.\t\u00dcber die Beziehungen der grauen Substanz zu den Gemeingef\u00fchlen ............................................. ...\t35\nKarl Miescher, Beitr\u00e4ge zur Farbenlehre.\n1.\tZur Kennzeichnung der Farben............................46\n2.\tZur Messung der Farben..................................72\n3.\tZur graphischen Darstellung der Farben..................101\n4.\tZur Frage des nat\u00fcrlichen Schwarzgehaltes kalter K\u00f6rperfarben 111\n5.\tDie Halbschattenmethode...................................116\n6.\t\u00dcber Farbenhalbe und Gegenfarben..........................122\nN. Poschoga, Der einseitige Astigmatismus und sein Einflufs auf das\nbinokulare Sehen.........................................  127\nTenzo Mitsumoto, Olfaktometrische Untersuchungen..................144\nTenzo Mitsumoto, Narkoseversuche am Geruchsorgan..................166\nKarl vom Hofe, Die Beurteilung der K\u00f6rperrichtung...............174\nAchter Internationaler Psychologenkongrefs ................ 193, 280\nHugo Schroeder, Die zahlenm\u00e4fsige Beziehung zwischen den physikalischen und physiologischen Helligkeitseinheiten und die Pupillenweite bei verschiedener Helligkeit..........................195\nFritz Bohnenberger -j-, \u00dcber einige Grundfragen der praktischen Farbenmessung ..........................................................224\nAdolf Steichen, F\u00e4rbung rotierender Scheiben bei doppelter Beleuchtung ........................................................247\nPaul Kronenberger, Ein Beitrag zur Kaumphysiologie................255\nStephan Krauss, St\u00e4bchenfunktion und Farbenkonstanz...............262\nAlois Kreidl, Sigm. Exner f.......................................281\nLudwig Janicki und Ernst Lau, \u00dcber die Abh\u00e4ngigkeit der Farbe von\nder Intensit\u00e4t.............................'.............288\nFritz Bohnenberger f, \u00dcber Messung entfernter Oberfl\u00e4chenfarben\n(insbesondere Kollektivfarben) und selbstleuchtender Farben . 294\nC. Stumpf, Bemerkungen zur folgenden Abhandlung...................305\nH. Philipps, Analyse einer Periode von m Sinusschwingungen verschiedener Wellenl\u00e4nge und Amplitude..............................307\nF. B. Hofmann f, Berichtigung zur Abhandlung von Tenzo Mitsumoto 317 Namenregister.....................................................318","page":0},{"file":"a0003.txt","language":"de","ocr_de":"Alle Rechte,\n\u2022 \u2022\ninsbesondere das der \u00dcbersetzung, Vorbehalten.","page":0},{"file":"p0001.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Physiologie der Gemeingef\u00fchle.\nVon\nGeh. Medizinalrat Prof. Dr. A. Goldscheider.\nI. Physiologie des Schmerzes.\nTrotz meiner gegen die Lehre von den spezifischen Schmerznerven beigebrachten Untersuchungen wird dieselbe von mafs-gebenden Physiologen weiter vertreten und verk\u00fcndet. Ich nenne aufser v. Frey v. Kries 1 und das LANDOis-RosEMANNsche Lehrbuch der Physiologie, v. Frey hat in neueren Untersuchungen seinen Standpunkt weiter zu begr\u00fcnden versucht. Er w\u00fcnscht zu zeigen, dafs es durch zweckm\u00e4fsig gew\u00e4hlte Hautreize gelingt, reine Schmerzempfindungen ohne vorhergehende oder begleitende nnterschmerzliche Empfindungen zu erzeugen und dafs die Latenz des Schmerzes nicht auf Summation unterschmerzlicher Erregungen beruhe. Bekanntlich erkl\u00e4rt er das zeitliche Intervall, welches zwischen dem ausl\u00f6senden Beiz und der Schmerz* empfindung gelegen und welches auch bei elektrischer Reizung nachweisbar ist, so, dafs der Ausl\u00f6sungsVorgang in den von ihm angenommenen Schmerznerven l\u00e4ngere Zeit beanspruche als in den Drucknerven.\nv. Frey1 2 setzt die \u201eStachelborste\u201c senkrecht auf die Beugefl\u00e4che des Oberarms, dem Biceps entsprechend, welcher durch die Lagerung erschlafft ist, und l\u00e4fst sie dort 5\u201410 Sek., bei sehr schwachen Reizen auch l\u00e4nger ruhen. Die Ergebnisse zerfallen in 4 Klassen:\na)\tKeine Empfindung.\nb)\tBer\u00fchrungsempfindung.\nc)\tEmpfindungen schmerzhafter Art, zu denen v. Frey solche rechnet, -\u201edie von der Vp. teils ausdr\u00fccklich als solche, teils als stechend, brennend und juckend bezeichnet werden;\nd)\tBer\u00fchrungsempfindung und Schmerz.\n1\tAllgem. Sinnesphysiologie. 1923.\n2\tZtschr. f. Biol. 76. 1922. \u2014 Ztschr. f. d. ges. Neur. u. Psych. 39, S. 324. 1922.\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 57.\t1","page":1},{"file":"p0002.txt","language":"de","ocr_de":"2\nA. Goldscheider.\nDie H\u00e4ufigkeit der 4 Erfolgsarten, aus 250 Versuchen mit der Stachelborste Vag und ebenso vielen mit der Stachelborste 1 g berechnet (3 Vpn.) betrug : Bei l/\u00ab g:\na = 16\u00b0/o b \u2014 6,4% c = 57,6% d = 20 %, bei lg: a = 4% b = 10,8% 0 = 41,6% d = 43,6%.\nDie Technik dieser Reizversuche ist so, dafs sie ziemlich un\u00fcbersichtliche Reizbedingungen schafft. Bei dem langen Ruhenlassen der Borste sind selbstverst\u00e4ndlich Ungleichm\u00e4fsigkeiten des Druckes, teils durch das Halten der Borste, teils durch die pulsatorischen Schwankungen des Gewebs-druckes nicht zu vermeiden. Hierzu kommen vasomotorische Reizwirkungen sowie Reizsummationen \u2014 deren Vorhandensein doch auch v. Fbey nicht wird leugnen k\u00f6nnen. Es ist nicht zu verwundern, wenn bei einer solchen Versuchsanordnung die Ergebnisse in grofser Breite wechseln ! Aus dieser Mannigfaltigkeit nun schmiedet v. Fbey eine Waffe gegen meine Summationstheorie des Schmerzes, indem er sagt: \u201eAuf die hier mitgeteilten Beobachtungen ist dieser Erkl\u00e4rungsversuch kaum verwendbar, denn er l\u00e4fst es v\u00f6llig unverstanden, warum nicht nur die Ber\u00fchrungsempfindung, sondern auch der versp\u00e4tete Schmerz f\u00fcr sich allein in Erscheinung treten k\u00f6nnen, warum derselbe Reiz bei Pr\u00fcfung auf benachbarten Hautstellen hier sofort Stechen erzeugt, dort erst nach einer Reihe von Sekunden, warum auf der einen Stelle der Schmerz sogleich wieder schwindet, auf einer anderen lange nachdauert.\u201c Diese Einw\u00e4nde sind ganz unberechtigt. Dafs bei 6,4 bzw. 10,8 % der Versuche Ber\u00fchrungsempfindung allein auftrat, ist belanglos, da in meiner mit Gad ver\u00f6ffentlichten Arbeit ausgef\u00fchrt wurde, dafs der Summationsschmerz von gewissen Reizbedingungen abh\u00e4ngig ist. Dafs der versp\u00e4tete Schmerz f\u00fcr sich allein in Erscheinung tritt, ist gleichfalls verst\u00e4ndlich; ich habe selbst darauf hingewiesen, dafs die prim\u00e4re Reizung untermerklich sein kann. Auch die Dauer des Schmerzes ist nat\u00fcrlich von den Reizbedingungen der zur Summation kommenden Reize abh\u00e4ngig.\nDie Zahl der F\u00e4lle, bei welchen Ber\u00fchrung und Schmerz angegeben wurden, ist im \u00fcbrigen recht stattlich (20 bzw. 43,6 /o) ; wenn man die F\u00e4lle von reiner Ber\u00fchrungsempfindung (6,4 bzw. 10,8%) hinzurechnet, so ergeben sich f\u00fcr V* g 26,4 %, f\u00fcr 1 g 54,4 % F\u00e4lle, bei welchen keine reine Schmerzempfindung erzielt wurde; das Verh\u00e4ltnis stellt sich f\u00fcr die Ber\u00fchrungsempfindung noch g\u00fcnstiger, wenn man es unter Ausschlufs der Fehlversuche, d. h. der F\u00e4lle, bei denen \u00fcberhaupt keine Empfindung auftrat, berechnet, v. Frey erkl\u00e4rt diese Reizerfolge durch Miterregung der Drucknervenendigungen. Wenn er hinzusetzt: \u201eW411 man die gelegentlich noch auftretenden Ber\u00fchrungsempfindungen vollst\u00e4ndig ausschliefsen, so braucht man nur die N\u00e4he der Haarb\u00e4lge zu meiden', so erscheint angesichts dieser Zahlen die Ausdrucksweise \u201egelegentlich noch\u201c unberechtigt. Die Ergebnisse k\u00f6nnen vielmehr mit gleichem Recht f\u00fcr die Summationstheorie ausgelegt werden.\nIch habe die prim\u00e4re Empfindung besonders regelm\u00e4fsig auftreten sehen, wenn ich den Beiz nicht senkrecht, sondern m\u00f6glichst flach gegen die Haut richtete. Bei senkrechter Rieh-","page":2},{"file":"p0003.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Physiologie der Gemeingef\u00fchle.\n3\ntung der Spitze weicht die Haut aus, indem sie sich trichterf\u00f6rmig einsenkt, w\u00e4hrend gegen die der Hautoberfl\u00e4che nahezu parallel gerichtete Deformation der Widerstand und die elastische Gegenwirkung des Gewebes viel bedeutender ist. Infolgedessen verl\u00e4uft die Druckzunahme steiler und pflanzt sich weniger weit fort als bei senkrechtem Eindruck, mit anderen Worten: die mechanische Reizung wirkt hierbei mehr auf eine eng umschriebene Verschiebung des getroffenen Punktes der oberfl\u00e4chlichen Hautschicht hin. Auch v. Frey h\u00e4lt dies f\u00fcr erstrebenswert, wie aus seinen fr\u00fcheren Ausf\u00fchrungen und aus seinen Worten a. a. O. hervorgeht, in welchen er hervorhebt, dafs die Eindellung der Haut bei Anwendung seiner Stachelborsten sich durch ihre Beschr\u00e4nkung auf die allern\u00e4chste Umgebung des Reizortes auszeichnet (S. 326). Trotz dieser Erkenntnis w\u00e4hlte er f\u00fcr seine Versuche eine sehr ungeeignete K\u00f6rpergegend, n\u00e4mlich die besonders eindr\u00fcckbare Haut an der Beugefl\u00e4che des Oberarms. Auch bei senkrechter F\u00fchrung der Spitze wird die prim\u00e4re Ber\u00fchrungsempfindung seltener vermifst, wenn durch k\u00fcnstliche Spannung der Haut ihr Widerstand erh\u00f6ht wird. Die Deformation der Hautoberfl\u00e4che, welche hinreicht, um eine merkliche Empfindung zu erzeugen, ist bei flacher Nadelf\u00fchrung, wie ich mich mittels der Lupe \u00fcberzeugte, viel unbedeutender als bei senkrechtem Eindruck und absolut \u00e4ufserst gering (vgl. meine Schrift \u201eDas Schmerzproblem\u201c 1920, S. 18). Wenn der Druck in der oberfl\u00e4chlichen Hautschicht nicht hinreichend steil an w\u00e4chst, so erreicht die Reizung der sensiblen Nerven derselben nicht die Schwelle der Ber\u00fchrungsempfindung, w\u00e4hrend die Summation der an sich unmerklichen Erregungen doch zur Schmerzerzeugung ausreicht. So kommt es, dafs bei nicht optimalen Versuchsbedingungen \u2014 wie es offenbar die von v. Frey waren \u2014 die \u00fcbrigens nicht leicht zu erkennende prim\u00e4re Ber\u00fchrungsempfindung so oft vermifst wurde. Die Einwendungen meines Gegners gegen diese meine Reiztechnik sind unberechtigt. Ich zweifle jedoch, dafs die \u201ereine Schmerzempfindung\u201c wirklich ein so h\u00e4ufiges Vorkommnis war wie v. Frey meint, da als solche bezeichnet wird : Brennen, Beifsen, Stechen und Jucken. Letzteres als identisch mit Schmerz zu betrachten ist mindestens verwirrend.\nv. Frey teilt ferner mit, dafs es mittels \u00f6rtlich umschriebener chemischer und thermischer Reizung gelinge \u201ereinen\u201c Schmerz\nl*","page":3},{"file":"p0004.txt","language":"de","ocr_de":"4\nA. Goldscheider.\nzu erzeugen. Selbst die Richtigkeit dieser Beobachtungen zugegeben, ist es mir unklar, wie dieselben f\u00fcr die Theorie der spezifischen Schmerznerven verwendet werden und dagegen sprechen sollen, dafs die Schmerzempfindung einem h\u00f6heren Grade von Erregung eines taktilen Nerven entspricht. Wenn eine chemische oder thermische Reizung die taktilen Nerven in so steilem Verlaufe und hinreichender St\u00e4rke trifft, um es nicht erst zu unterschmerzlichen Empfindungen kommen zu lassen, so werden solche eben vermifst werden. Bei dem v. F\u00dfEYschen Verfahren ist letzteres nun aber gar nicht der Fall. Ich habe seine Versuche mit Ameisen- and Essigs\u00e4ure sowie Eisessig nach seinen Vorschriften an der Beugefl\u00e4che meines linken Unterarmes nachmachen lassen. Dem Schmerz ging stets ein unterschmerzliches Prickeln oder Ziehen, auch eine brennende aber noch deutlich unterschmerzliche Empfindung voraus ; zuweilen gingen diese Empfindungen vor dem Schmerz in Jucken \u00fcber. Ebenso empfand Herr Dr. H\u00f6eer zun\u00e4chst ein leises Kriebeln, ber\u00fchrungs\u00e4hnliche Sensationen, dann leises Jucken, welches in allm\u00e4hlich zunehmendes Brennen \u00fcberging und erst nach geraumer Zeit schmerzhaft wurde.\nIch habe keine Erkl\u00e4rung f\u00fcr diesen Widerspruch in den Befunden von v. Frey und mir, wenn nicht die einzige, dafs dieser Autor unter Schmerz etwas anderes versteht als was ich und soviel mir bekannt die meisten anderen Leute darunter verstehen.\nv. Frey f\u00fchrt gegen mich an, dafs es mittels thermischer Reizung gelinge eine reine Schmerzempfindung ohne begleitende Ber\u00fchrungsempfindung zu erzeugen. Er bedient sich einer Sammellinse oder eines Hohlspiegels, mittels deren er Sonnenstrahlen auf der Haut konzentriert.\nBei der Wiederholung des Verfahrens nach v. Freys Angaben erhielt ich zwei Arten von Reizerfolgen; n\u00e4mlich bei einem Teil der Versuche unterschmerzliche Empfindungen von Prickeln, Ziehen, Spannen und Stechen, welche meist schnell einem Schmerz Platz machten, bei einem anderen Teil wie v. Frey sofortigen stechenden Schmerz. Ich vermag aber nicht einzusehen, dafs diese Beobachtung gegen die Summationstheorie spricht. Dafs bei st\u00e4rkerem Reiz eine prim\u00e4re Schmerzempfindung auftreten kann, habe ich schon in meiner Arbeit mit Gad auseinandergesetzt und noch einmal in meiner Schrift \u00fcber das Schmerzproblem er\u00f6rtert (S. 8, 10, 12, 80, 89), welche v. Frey zitiert, um mir die Behauptung in den Mund zu legen, dafs eine Ber\u00fchrungsempfindung den Schmerz regelm\u00e4fsig begleiten","page":4},{"file":"p0005.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Physiologie der Gemeingef\u00fchle.\n5\noder ihm vorausgehen soll. Dies gilt aber, wie ich hinreichend deutlich hervorgehoben habe, nicht f\u00fcr Reize von solcher St\u00e4rke, dafs die Erregung das Stadium der Ber\u00fchrungsempfindung schnell durchlaufend sofort zur schmerzhaften H\u00f6he ansteigt. Maximale Scbmerzreize sind \u00fcberhaupt ganz ungeeignet, um in dieser Frage etwas zu entscheiden, da der pl\u00f6tzlich einbrechende starke Schmerz alle anderen Empfindungen \u00fcberlagert. Ich habe deshalb den Verbrennungsschmerz gar nicht .in den Kreis meiner Untersuchungen einbezogen und es w\u00e4re besser gewesen, wenn auch mein Gegner auf dieses unzureichende Beweismaterial verzichtet h\u00e4tte.\nBei faradischen Schwellenreizen an Schmerzpunkten mittels Nadelelektroden findet y. Frey, dafs ein schwaches Brennen oder Jucken auftritt, welches aber erst mit einer Versp\u00e4tung von einer oder mehreren Sekunden dem Reiz nachfolgt. Das Zeitintervall bezieht er auf einen zwischengeschobenen Ausl\u00f6sungsvorgang bzw. neuerdings auf Sch\u00e4digungen der Haut (s. unten). Summation kommt nach v. Frky nicht in Betracht, da taktile Erregungen bei den schw\u00e4cheren Reizen in der Regel vollst\u00e4ndig fehlen und ferner, weil die schmerzhaften Empfindungen verschwinden, wenn man die Nadelelektrode gegen eine Elektrode von ein oder mehreren Quadratzentimetern Fl\u00e4che vertauscht; hierbei erhalte man nur Schwirren usw., keinen Schmerz, obwohl doch die Bedingungen f\u00fcr Summation gegeben seien.\nWas den letzten Punkt betrifft, so findet sich in der Arbeit von Gad und mir \u00fcber die Summation eine Ausf\u00fchrung \u00fcber die Frage der Summation einer Reihe von Reizen, von denen jeder nach seiner St\u00e4rke imstande ist die Summationsbahn zu durchbrechen. Es ist fraglich bis zu welchem Mafse eine Energiespeicherung m\u00f6glich ist, wenn die Einzelreize stark werden.\nBei der Nachpr\u00fcfung durch Hoefer und Kohlrausch 1 an Schmerzpunkten, welche weitab von Druckpunkten gelegen waren, ergab sich : Bei schwellenm\u00e4fsiger elektrischer Reizung wurden Stechen, Jucken, Brennen, Schneiden, aber auch ganz indifferente hauchartige und Ber\u00fchrungsempfindungen wahrgenommen. Diese Ber\u00fchrungsempfindungen traten sowohl bei Einzelreizen wie Reizserien auf, jedoch erst unmittelbar \u00fcber der absoluten Schwelle, bei minimaler Reizverst\u00e4rkung verschwanden sie und es trat eine der anderen Qualit\u00e4ten (Stechen, Jucken, Brennen, Schneiden) an ihre Stelle. Bei Einzelschl\u00e4gen und ganz kurzen Reizserien Ch o Sek. Dauer) wurde von den genannten Qualit\u00e4ten nur Stechen\n1 Arch. f. d. ges. Physiol. 205, H. 3/4.\t1924.","page":5},{"file":"p0006.txt","language":"de","ocr_de":"6\nA. Goldscheider.\nbeobachtet, bei l\u00e4ngeren Reizserien (x/2\u20141 Sek. Dauer) sowohl Stechen wie Jucken, Brennen oder Schneiden. Bei langen Reizreihen wurde als schwellenm\u00e4fsiger Reizerfolg Ber\u00fchrung seltener, Stechen (bzw. Jucken, Brennen oder Schneiden) h\u00e4ufiger beobachtet als bei Einzelschl\u00e4gen und ganz kurzen Serien, Jucken als Schwellenreizerfolg war bei langen Reizserien h\u00e4ufig, bei Einzelschl\u00e4gen und ganz kurzen Serien war es \u00e4ufserst selten.\nWichtig ist ferner das bez\u00fcglich der Latenz gewonnene Ergebnis der beiden Autoren : Eine deutliche Latenz (%\u2014lx/2 Sek.) war eigentlich nur bei langen Reizserien und wenn die Empfindungen \u201eJucken\u201c oder \u201eBrennen\u201c auftraten, zu beobachten; bei kurzen Reizen und der Empfindung \u201eStich\u201c war eine Latenz nur angedeutet oder unmerklich.\nInteressant ist, dafs sich bei den 3 Vpn. (den beiden Autoren und mir) bez\u00fcglich der Frage, inwieweit die Qualit\u00e4ten Stechen, Jucken, Brennen oder Schneiden als schmerzhaft oder schmerzlos erschienen, erhebliche individuelle Abweichungen zeigten. Diese Verschiedenheiten psychologischer Einstellung erschweren das Studium gerade der Schmerzfrage in bedeutendem Mafse.\nDafs bei Schwellenreizung isolierter Schmerzpunkte schmerzfreie Empfindungen zur Beobachtung kamen, widerspricht der von v. Frey immer wieder ins Feld gef\u00fchrten Behauptung und best\u00e4tigt meine Lehre. Eine h\u00f6here Stufe der Empfindung als die indifferente ber\u00fchrungs- oder hauchartige Empfindung stellt das Stechen dar (Einzelschl\u00e4ge und kurze Reizreihens, w\u00e4hrend Jucken, Brennen, Schneiden bereits Reizsummationen zu entsprechen scheinen. Ich weise darauf hin, dafs Thunberg wie auch Lehmann die Bemerkung gemacht haben, dafs die Schmerzpunkte besser als \u201eStichpunkte\u201c bezeichnet werden m\u00fcfsten. Die elektrischen Reizversuche von Hoefer und Kohlrausch best\u00e4tigen die von mir bei mechanischer Reizung gefundenen Abstufungen der Empfindung (s. oben).\nWas die Latenz betrifft, so wurde im Gegensatz zu v. Frey festgestellt, dafs dieselbe nicht alle durch den Schmerzpunkt vermittelten Empfindungen betrifft, vielmehr bei kurzen Reizen und der Empfindung \u201eSticfi\u201c fehlte. Dies widerlegt die v. Frey-sche Behauptung, dafs den Schmerznerven an sich eine tr\u00e4gere Reaktion eigen sei und best\u00e4tigt meine Behauptung, dafs an den Schmerzpunkten durch taktilen Reiz eine unterschmerzliche Empfindung nach dem den Druckempfindungen gleichen Zeitintervall","page":6},{"file":"p0007.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Physiologie der Gemeingef\u00fchle.\n7\nzu erzielen ist. Dafs die Latenz sich auf die l\u00e4ngeren Reizreihen und die Qualit\u00e4ten Jucken und Brennen beschr\u00e4nkte, macht es wahrscheinlich, dafs es sich hierbei um eine Summationserscheinung handelt. Denn wenn es lediglich ein tr\u00e4gerer Vorgang in den Schmerznerven w\u00e4re, welcher die gr\u00f6fsere Latenz bedingte, so m\u00fcfste die letztere auch nach Einzelschl\u00e4gen und kurzen Reizreihen beobachtet werden. Bei den v. F\u00dfEYschen Versuchen wurden lediglich Reizreihen von 50 Einzelschl\u00e4gen und 1/2 Sekunde Dauer verwendet, ein unvollkommenes Verfahren, welches eine Differenzierung von Einzelschl\u00e4gen, k\u00fcrzeren und l\u00e4ngeren Reizreihen nicht gestattet und selbstverst\u00e4ndlich stets sehr zusammengesetzte und Summationen bedingende Reize einwirken l\u00e4fst. Es ist kein Wunder, dafs v. Frey bei diesem Versuchsverfahren zu falschen Schl\u00fcssen kommen mufste.\nDie Latenz bei der elektrischen Reizung der \u201eSchmerznerven\u201c, welche v. Frey fr\u00fcher1 auf eine \u201egeringere Beweglichkeit\u201c derselben zur\u00fcckf\u00fchrte, bringt er neuerdings mit Sch\u00e4digungen der Haut in Beziehung. Hiergegen spricht schon, dafs das Auftreten der schmerzhaften oder dem Schmerz \u00e4hnlichen Empfindungen (Jucken usw.) im allgemeinen schnell abklingt und nur ausnahmsweise, wenn tats\u00e4chlich eine R\u00f6tung entstanden ist, von l\u00e4ngerer Dauer ist; hierbei handelt es sich also um besondere F\u00e4lle.\nv. Frey hat neuerdings auch die von mir mit Gad ausgef\u00fchrten Versuche \u00fcber die Summation von Hautreizen nachgepr\u00fcft (s. oben) und ist zu einem dem unsrigen entgegengesetzten Schlufs gekommen. Leider hat er sich nicht genau nach unseren Angaben gerichtet. Die von ihm gew\u00e4hlte Versuchsstelle (Gegend der Ellenbeuge) ist besonders schwierig, weil man hier sehr schwache Reize anwenden mufs, was nach v. Freys Beschreibung nicht durchweg geschehen ist. H\u00e4ufig wird die prim\u00e4re Empfindung als Beifsen, Stechen bezeichnet; mehrfach wird sogar intensives Stechen, sehr lebhaftes Beifsen usw. aufgef\u00fchrt. Wir haben aber in unserer Arbeit ausdr\u00fccklich bemerkt, dafs die sekund\u00e4re Empfindung beeintr\u00e4chtigt wird bzw. fehlt, wenn schon die prim\u00e4re unangenehm stechend ist. v. Frey findet nun als Nachwirkung der Reizung mehrfach schmerzhafte Sensationen bei nicht-schmerzhafter unmittelbarer Reiz Wirkung, auch Jucken bzw. Beifsen bei ganz fehlender unmittelbarer Reiz-\n1 Untersuchung \u00fcber die Sinnnesfunktionen, S. 261.","page":7},{"file":"p0008.txt","language":"de","ocr_de":"8\nA. Goldscheider.\nWirkung, aber er deutet dies nicht im Sinne einer Summation, sondern findet keine Beziehung zwischen den unmittelbaren und den nachkommenden Reizwirkungen. Nun dar\u00fcber ist nicht zu streiten. Aus den ausf\u00fchrlichen Aufzeichnungen, welche ich mit Gad gegeben habe, gehen diese Beziehungen deutlich hervor. Sie fehlen auch nicht in den v. F\u00dfEYschen Aufzeichnungen.\u2018 Aber man wird nichts finden, wenn man nichts finden will. Ich verzichte daher darauf, um den Leser nicht zu erm\u00fcden, auf Einzelheiten einzugehen.\nv. Frey erkl\u00e4rt das Auftreten der sekund\u00e4ren Schmerzempfindung nach Einwirkung der elektrischen Reizreihe so, dafs gelegentlich derselben auch Schmerzpunkte getroffen seien, deren Erregung infolge des verz\u00f6gerten Ausl\u00f6sungsvorganges eine nachhinkende Schmerzempfindung zur Folge habe. Wenn dies zutr\u00e4fe, so m\u00fcfste es offenbar f\u00fcr die Entstehung der sekund\u00e4ren Empfindung ganz gleichg\u00fcltig sein, ob ein oder mehrere Reize und ob dieselben in k\u00fcrzeren oder l\u00e4ngeren Zwischenr\u00e4umen erteilt wurden. Wir haben aber sehr genaue Angaben dar\u00fcber gemacht, wie einerseits die Anzahl der in der Reizreihe enthaltenen Reize wie ihr zeitliches Intervall das Auftreten und die Deutlichkeit der sekund\u00e4ren Empfindung beeinflufsten (vgl. Ges. \u00c4bh. \u00ee, S. 406). Schon hierdurch wird bewiesen, dafs die v. Frey-sche Deutung unm\u00f6glich ist.\nIm \u00fcbrigen wiederhole ich einen Einwand, den ich bereits\nin meinem \u201eSchmerzproblem\u201c (S. 8) erhoben habe, dafs n\u00e4mlich\n\u2022 \u2022\ndie von uns nach Applikation einer Reihe von Offnungsschl\u00e4gen beobachtete, nach einem empfindungslosen Intervall auftretende neue Empfindung gar nicht schmerzhaft zu sein braucht; ja es kann letztere bei hinreichender Reizsteigerung sogar schw\u00e4cher als die prim\u00e4re diskontinuierliche und unter Umst\u00e4nden schmerzhafte Empfindung sein. Die Summationsempfindung, so schlossen wir, braucht nicht notwendig eine schmerzhafte zu sein. Man kann diese zweite Empfindung daher unm\u00f6glich auf einen verz\u00f6gerten Erregungsvorgang in \u201eSchmerznerven\u201c beziehen. Und wenn man dies trotzdem tut, so gibt man damit zu, dafs diese Schmerznerven auch unterschmerzliche Empfindungen zuleiten,, d. h. dafs spezifische Schmerznerven nicht existieren.\nThunberg 1 hat gegen unsere Summationsarbeit folgende Einwendungen erhoben : Er hat doppelte Schmerzempfindungen auch mit einem einzigem\n1 Skand. Arch.\tPhys. 12, S. 394. 1901.","page":8},{"file":"p0009.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Physiologie der Gemeingef\u00fchle.\n9\nInduktionsschlag erhalten. Die prim\u00e4re Schmerzempfindung kam bei schw\u00e4chster schmerzerzeugender Reizung und erst bei st\u00e4rkerer Reizung in gewissen F\u00e4llen auch die verz\u00f6gerte. Es w\u00e4re hier die M\u00f6glichkeit in Erw\u00e4gung zu ziehen, ob ein einziger Induktionsschlag nicht unter Umst\u00e4nden eine oszillatorische Erregung ausl\u00f6sen k\u00f6nnte. Ferner fand er bei punktf\u00f6rmiger momentaner Reizung an den einzelnen gepr\u00fcften Hautpunkten divergente Resultate in folgender Art: einzelne Punkte gaben blofse Ber\u00fchrungsempfindungen, andere Ber\u00fchrungs- und folgende Stichempfindung (nach Intervall), andere Stichempfindung-Intervall-Stichemp-findung usw. Dafs das Ph\u00e4nomen der sekund\u00e4ren Schmerzempfindung nicht an allen Punkten in gleicher Vollendung zustande kommt, hatten wir (Gad und Goldscheider) selbst angegeben. Wenn man sich erinnert, dafs bestimmte von uns n\u00e4her pr\u00e4zisierte Erregungsbedingungen vorhanden sein m\u00fcssen, um das Resultat optimal zu gestalten, und dafs, wie wir nachgewiesen haben, jeder mechanische Reiz einer Reizreihe entspricht, so kann dieser Befund nicht verwunderlich sein. Thunberg erkl\u00e4rt die doppelte Empfindung so, dafs die erste der direkten Reizung des Nerven selbst, die zweite der des Endorgans entspricht, in welchem nun erst der chemische zu einer Nervenerregung f\u00fchrende Ausl\u00f6sungsvorgang Platz greifen m\u00fcsse. Diese Erkl\u00e4rung k\u00f6nnte nat\u00fcrlich nur f\u00fcr starke Reize in Betracht kommen. F\u00fcr unsere Versuche mit elektrischen Reizreihen ist er bedeutungslos, da dieselben prim\u00e4re Schmerzempfindungen gar nicht ausl\u00f6sen und da er sich mit den von uns aufgedeckten bestimmten Beziehungen zwischen Reizzahl, Reizintervallen und der sekund\u00e4ren Empfindung nicht vertr\u00e4gt. Die von Thunberg mittels thermischer Reizwirkung erhaltene doppelte Schmerzempfindung (Stich, Intervall, st\u00e4rkerer Stich, wobei das Intervall wie bei uns 0,9 Sek. betrug) spricht durchaus f\u00fcr Summation. \u00dcbrigens schliefst sich Thunberg der v. FREYschen Deutung keineswegs an. Er wdll die Schmerznerven besser als Stichnerven oder Stichschmerznerven bezeichnet wissen, da sie auch \u201edie schwachen, beinahe oder gar nicht gef\u00fchlsbetonten Stichempfindungen ausl\u00f6sen\u201c.1\nEin weiterer Einwand gegen meine Schmerztheorie betrifft meine in Gemeinschaft mit Br\u00fcckner ansgef\u00fchrten Untersuchungen \u00fcber die Empfindlichkeit der Hornhaut des Auges, v. Frey berichtet \u00fcber neue Versuche, welche er mit einer Reihe von Vpn. \u00fcber diesen Gegenstand angestellt hat.2 \u00dcbereinstimmend mit seinen fr\u00fcheren Angaben fand v. Frey, dafs verschiedenartige mechanische Reize auf der Bindehaut und Hornhaut entweder gar nicht oder schmerzhaft empfunden wurden, auch nach Kokainisierung kamen Druckempfindungen nicht, sondern nur stechende Empfindungen zustande.\nUm den Widerspruch zwischen seinen und den unsrigen Ergebnissen zu erkl\u00e4ren, glaubt v. Frey auf eine Fehlerquelle hinweisen zu sollen, die\n1\tIn Nagels Handbuch der Physiol, des Menschen, Bd. Ill, S. 696. 1905.\n2\tv. Frey u. Webels. Ztschr. f. Biol. 74 (3/4). 1922.","page":9},{"file":"p0010.txt","language":"de","ocr_de":"10\nA. Goldscheider.\nuns vielleicht entgangen sein k\u00f6nne und darin bestehe, dafs das Reizhaar von der Hornhaut abgleite und den Lidrand oder die Wimpern ber\u00fchre. Hierauf ist zu erwidern, dafs wir nicht blofs Reizhaare, sondern auch spitz-ausgezogene Watteb\u00e4uschchen und Metallsonden angewendet haben. Selbstverst\u00e4ndlich haben wir auch darauf geachtet, dafs das Reizhaar nicht absprang und das Lid traf.\nAuch Marx1 findet jede Ber\u00fchrung der Hornhaut schmerzhaft, aber er begeht den bedauerlichen Irrtum, unangenehm und schmerzhaft zu identifizieren. Er bezeichnet die Ber\u00fchrungsempfindung als \u201ed\u00e9sagr\u00e9able\u201c und da man aus einer unangenehmen Empfindung keine neue Qualit\u00e4t machen k\u00f6nne, ordnet er dieselbe \u201etout simplement sous la rubrique des sensations \u00e0 la douleur\u201c ! v. Frey billigt dies, ich nicht.\nAuf meine Veranlassung haben dann Kant und Hahn2 die Versuche in abge\u00e4nderter Form wiederholt. Ber\u00fchrungen der Lider und Wimpern wurden auf das sorgf\u00e4ltigste vermieden. Als ein geeignetes Reizmittel wurde N\u00e4hgarn von 2/5 mm Durchmesser benutzt, dessen Ende, von scharfer Schere in glatter Fl\u00e4che abgeschnitten, ein wenig auseinanderfaserte. Wurde es 3 cm lang gefafst, so konnte man etwa 10 mg auf einer chemischen Wage durch senkrechtes Aufdr\u00fccken das Gleichgewicht halten, ohne dafs es abgebogen wurde. Beim Abbiegen steigerte sich dieser Druck entsprechend dem Grade der Kr\u00fcmmung bis 20 mg, um\ndann wieder abzusinken. Aus den Versuchsprotokollen ging\n\u2022 \u2022\nhervor, dafs die Vpn. mit grofser \u00dcbereinstimmung bei schw\u00e4chstem, senkrechtem Aufsetzen des unabgebogenen Fadens auf Conjunctiva wie Cornea in nahezu der H\u00e4lfte der F\u00e4lle reine Ber\u00fchrung oder Druck angaben. Bei dem Rest der Einwirkungen fand sich teils ein als unangenehm empfundener Druck, teils ein solcher mit dem Nebengef\u00fchl des Stechens und Schmerzes. Reiner Schmerz trat verschwindend selten auf. Mit dem Abbiegen des Garnes trat das Schmerzhafte und Unangenehme mehr in den Vordergrund. Besonders eindeutige Ergebnisse wurden am kokainisierten Auge, namentlich 24 Stunden nach der Applikation erzielt, zu welcher Zeit die Reizschwelle f\u00fcr Schmerz noch erh\u00f6ht, f\u00fcr Ber\u00fchrung schon wieder normal war. Das Garn wurde 2 cm lang mit einer Kraft von 20\u201435 mg angewendet.\nAls brauchbar erwiesen sich auch Flaumfedern sowie kleine Zylinder aus Hollundermark. Man konnte verfolgen, wie die\n1\tAnnales de V Oculistique. Oct. 1921.\n2\tKlin Woch. 8, S. 112. 1924.","page":10},{"file":"p0011.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Physiologie der Gemeingef\u00fchle.\n11\nBer\u00fchrungsempfindung bei Verst\u00e4rkung der Kraft in Druck \u00fcberging, um nach einem Stadium des Unangenehmen schmerzhaft zu werden.\n\u2022\u2022\nZum Uberflufs ist die Behauptung v. Feeys im eigenen Lager widerlegt .worden. Stein 1 (von der Nervenabteilung von v. Weizs\u00e4cker) teilt mit, dafs er bei F\u00e4llen von Trigeminusst\u00f6rung Druckempfindung bei vorhandener Schmerzhaftigkeit f\u00fcr st\u00e4rkere Reize festgestellt habe.\nEine weitere St\u00fctze f\u00fcr die v. FREYsche Schmerztheorie bildet die von Kiesow gefundene angebliche Analgesie eines gewissen Gebietes der Mundschleimhaut bei vorhandener Druckempfindlichkeit. Obwohl an Kiesows Mitteilung schon auff\u00e4llig war, dafs an der schmerzunempfindlichen Stelle K\u00e4lte- und W\u00e4rmeschmerz empfunden werden sollte, ist diese Behauptung als eine Tatsache kritiklos durch die Literatur geschleppt worden. Die auf meine Veranlassung von Hahn und Hajen 1 2 ausgef\u00fchrten Untersuchungen, an denen ich mich selbst beteiligte, haben dann ergeben, dafs die Schmerzempfindlichkeit der Schleimhaut der Mundh\u00f6hle unter physiologischen Verh\u00e4ltnissen nirgends wesentlich von derjenigen der K\u00f6rperoberfl\u00e4che ab weicht. Stellen mit aufgehobener Schmerzempfindlichkeit bei erhaltener taktiler Sensibilit\u00e4t konnten nicht aufgefunden werden usw.\nIch kehre noch einmal zur Latenz der durch einen schwachen mechanischen Reiz ausgel\u00f6sten Schmerzempfindung zur\u00fcck, welche v. Frey auf den verz\u00f6gerten peripherischen Erregungsvorgang in spezifischen Schmerznerven bezieht, w\u00e4hrend ich in ihr einen Ausdruck des Summationsvorganges sehe. Ich habe bereits in meinem \u201eSchmerzproblem\u201c S. 12 ff. einen Einwand erhoben, welcher m. E. hinreicht, um die v. FREYsche Theorie zu entkr\u00e4ften. Da mein Gegner es nicht f\u00fcr erforderlich gehalten hat, ihn auch nur zu erw\u00e4hnen, so bin ich leider gezwungen noch einmal in aller K\u00fcrze das Argument zu wiederholen. Es handelt sich um neue Untersuchungen, deren Ergebnis ich im Archiv f. d. ges. Physiol. 168, 1917 ver\u00f6ffentlicht habe. Eine mechanische Reizung der Haut erzeugt aufser der prim\u00e4ren Empfindung nach kurzem zeitlichen Intervall eine zweitphasische entweder schmerz-\n1\tKlin. Woch. 1925. Nr. 17. Vgl. meine \u00e4hnliche Angabe in \u201eSchmerzproblem\u201c S. 39.\n2\tArch. f. d. ges. Physiol., 204. 1924.","page":11},{"file":"p0012.txt","language":"de","ocr_de":"12\nA. Goldscheider.\nhafte oder unterschmerzliche Empfindung, welche stets mit einer Irradiation verbunden ist. Diese irradiierende Empfindung bevorzugt die proximale Ausbreitung und zeigt im kleinen ganz und gar die Eigenschaften, welche ich von den Irradiationsbezirken schmerzhafter Dauerreize nachgewiesen habe, n\u00e4mlich dafs sie sich in der Ausdehnung des zugeh\u00f6rigen spinalen Sensibilit\u00e4tsbezirkes ausbreiten. Dies deutet darauf hin, dafs die zweite Empfindungsphase im Gebiete spinaler Nervenzellen zustande kommt. Mit dieser zweitphasischen Empfindung ist nun die, wie v. Feey sie nennt, versp\u00e4tete Schmerzempfindung nach einem mechanischen Reize identisch. Die Irradiation, von welcher man sich bei einiger Aufmerksamkeit und \u00dcbung leicht \u00fcberzeugen kann, ist durch einen peripherischen Vorgang nicht erkl\u00e4rbar, sondern weist auf einen zentralen hin. Der verz\u00f6gerte peripherische Erregungsvorgang, welchen v. Feey annimmt, gibt keine M\u00f6glichkeit diese Irradiation zu verstehen. Vielmehr deutet das Ph\u00e4nomen mit grofser Sicherheit darauf hin, dafs peripherische Erregungsst\u00f6fse zentral gesammelt und gespeichert werden, um von dort her einen neuen sich ausbreitenden ErregungsVorgang auszul\u00f6sen. Ich habe ferner gezeigt, dafs es sich um einen allgemeineren auch die thermischen Erregungen betreffenden Vorgang handelt. Die Latenz der Schmerzempfindung ist somit kein auf diese bzw. die angeblichen Schmerznerven beschr\u00e4nkter Vorgang und daher auch nicht so zu erkl\u00e4ren wie v. Feey annimmt.\nDie Transformation nicht schmerzhafter in schmerzhafte Erregungen im R\u00fccken marks grau war zuerst von M. Schiff behauptet worden, v. Frey gibt an, dafs diese Lehre durch Miescher 1 und Woroschiloff 2 sowie durch Rothmann3 widerlegt worden sei. Woroschiloff hatte gefunden, dafs die Schmerzleitung durch lange Bahnen (Seitenstr\u00e4nge) erfolge, w\u00e4hrend Rothmann gerade nachwies, dafs dieselbe bei Durchschneidung aller langen Bahnen nicht vollst\u00e4ndig verloren geht, und ausdr\u00fccklich die Anschauungen von Schiff und Brown S\u00e9quard best\u00e4tigt. Es ist schwer verst\u00e4ndlich wie v. Frey sich auf Rothmann berufen kann.\nZusammenfassend ist zu sagen, dafs die neuen von v. Feey zur St\u00fctze seiner Schmerznerventheorie beigebrachten Untersuchungsergebnisse der Kritik durchweg nicht standhalten.\n1\tBer. d. S\u00e4chs. Ges. d. Wiss. 22, S. 404. 1870.\n2\tEbendort 26, S. 248. 1874.\n3\tBerl. kl. Woch., 1906, S. 50","page":12},{"file":"p0013.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Physiologie der Gemeingef\u00fchle.\n13\nEine besondere Ber\u00fccksichtigung verdient noch die Frage des Tiefenschmerzes, v. Frey stellt die Existenz eines Tiefendrucksinnes in Abrede und erkennt den tieferen Geweben nur eine Schmerzhaftigkeit zu; jedoch l\u00e4fst er eine Spannungsempfindung der Muskeln zu.\nIch bin mit Hoefer zu dem Ergebnis gelangt, dafs ein gewisser wenn auch sehr stumpfer Tiefendrucksinn besteht und auch die neueren Untersuchungen aus der v. F\u00dfEYschen Schule sind nicht imstande dies zu widerlegen.1 Wenn sich bez\u00fcglich des oberfl\u00e4chlichen Hautschmerzes die Beweisf\u00fchrung v. Freys auf das Vorhandensein der Schmerzpunkte st\u00fctzt, so fehlt es f\u00fcr die Existenz tiefer spezifischer Schmerznerven ganz an Beweisen, denn die einzige Grundlage seiner Lehre, dafs n\u00e4mlich die tieferen Gewebe des Verm\u00f6gens Druckempfindungen zuzuleiten entbehren ist hinf\u00e4llig. Um die Schmerznerven zu retten, m\u00fcfste man folglich die Annahme machen, dafs die tieferen Gewebe zwei getrennte zentripetale Leitungssysteme besitzen, eines f\u00fcr Druck-und eines f\u00fcr Schmerzempfindungen. F\u00fcr die Muskeln hat v. Frey diese Annahme bereits gemacht.2 *\nEine Erscheinung, welche sich schwer mit der Schmerz-nerventheorie in Verbindung bringen l\u00e4fst, ist auch folgende: An den Fingerbeeren \u00fcberwiegen bekanntlich die Druckpunkte, w\u00e4hrend sich Schmerzpunkte sp\u00e4rlich finden. Trotzdem ist die Schmerzhaftigkeit der Haut an diesen Stellen sehr grofs. Wenn man eine Hautklemme, wie ich sie bei meinen Hyperalgesie-versuchen verwendete, hier so ansetzt, dafs eine m\u00f6glichst d\u00fcnne oberfl\u00e4chliche Hautfalte (Epidermis) gefafst wird, so entsteht in einem gewissen Umfange eine Hyperalgesie, derart, dafs die leichteste Ber\u00fchrung mit einer Nadelspitze, sogar mit einer gespitzten mittelstarken Borste den bekannten feinen oberfl\u00e4chlichen Schmerz in heftiger St\u00e4rke erzeugt. Hier sind offenbar Nerven, welche unter normalen Erregbarkeitsverh\u00e4ltnissen unterschmerzlich reagieren, infolge der k\u00fcnstlich herbeigef\u00fchrten \u00dcbererregbarkeit schmerzhaft geworden.8\nVon einigen Kritikern ist gegen meine Schmerzlehre der Ein wand erhoben worden, dafs die Syringomyelie die Existenz besonderer Schmerz-\n1\tVgl. Goldscheider. Zur Frage der tiefen Druckempfindungen. Klin. Woch. 4, Nr. 20. 1925.\n2\tSitz.-Ber. d. phys. med. Ges. zu W\u00fcrzburg, 15. 1. 1914.\n* Vgl. Arch. f. d. ges. Physiol. 168, S. 56. 1917.","page":13},{"file":"p0014.txt","language":"de","ocr_de":"14 A. Goldscheider, Beitr\u00e4ge zur Physiologie der Gemeingef\u00fchle.\nnerven beweise. Der partielle Ausfall der Schmerzempfindung bei dieser Krankheit legt aber im Gegenteil gerade die Notwendigkeit der grauen Substanz f\u00fcr das Zustandekommen des Schmerzes dar. Dadurch erledigt sich auch die so oft geh\u00f6rte Frage, weshalb beim Ausfall der grauen Substanz die Hinterstr\u00e4nge nicht imstande sein sollten, die Schmerzempfindung zu leiten.\nErgebnis :\nDie Lehre von dem Vorhandensein spezifischer peripherischer Nerven f\u00fcr die Zuleitung der Schmerzempfindung ist auch durch die Arbeiten nicht begr\u00fcndet.\nneueren","page":14},{"file":"p0015.txt","language":"de","ocr_de":"15\nBeitr\u00e4ge zur Physiologie der Gemeingef\u00fchle.\nVon\nGeh. Medizinalrat Prof. Dr. A. Goldscheider.\nII. Physiologie der Kitzel- und Juckempfindung.\nDen Kitzel habe ich schon in meinen ersten Arbeiten auf eine \u201ebesondere\u201c bzw. sehr schwache Erregung der Drucknerven zur\u00fcckgef\u00fchrt. Ich fand ihn vorwiegend und am st\u00e4rksten an den Druckpunkten, allerdings auch an der dazwischen liegenden Haut und den Schmerzpunkten.1 Eine sehr einfache Art sich von der Beziehung des Kitzels zu den Druckpunkten zu \u00fcberzeugen, ist folgende : man erzeugt durch Streichen \u00fcber die Haut eine G\u00e4nsehautbildung. Bei Ber\u00fchrung der erhaben hervortretenden Haarinsertionen empfindet man Kitzel.\nv. Frey,2 welcher fr\u00fcher Kitzel und Jucken auf die Gef\u00e4fs-nerven bezogen hat, nimmt neuerdings seine Ansicht zur\u00fcck und bezieht den Kitzel auf die Drucknerven, wobei er anerkennt, dafs ich dies schon fr\u00fcher behauptet habe. Kitzel l\u00e4fst sich an den Druckpunkten ausl\u00f6sen (v. Frey).3 Er hat mit Felix gefunden, dafs die Reaktionszeit des Kitzels derjenigen der Tastreize entspricht (0,139\u20140,153 Sek.). Die Kitzelschwelle entspreche der Ber\u00fchrungsschwelle.\nAuch Basler4 spricht sich dahin aus, dafs der Kitzel an die Elemente der Ber\u00fchrungsempfindung gebunden sei.\nDas Jucken ist, wie ich fr\u00fcher ausgef\u00fchrt habe, dem Schmerz verwandt.5 Ich fand es im k\u00fcnstlich erzeugten hyper-\n1\tGes. Abh. 1, S. 45, 81, 202.\n2\tZtschr. f. Biol. 78, S. 45. 1923.\n3\tZtschr. f. Biol. 79. 1923.\n4\tM. m. W. 60, S. 1809. 1913.\n5\tArch. f. d. ges. Phys. 165, S. 16. 1916.","page":15},{"file":"p0016.txt","language":"de","ocr_de":"16\nA. Goldscheider.\nalgetischen Felde besonders ausgesprochen. Th\u00f6le *, welcher untersuchte, in welcher Zeitfolge bei Erzeugung von R\u00fcckenmarksan\u00e4sthesie die verschiedenen Gef\u00fchlsqualit\u00e4ten verschwinden bzw. zur\u00fcckkehren, ermittelte, dafs nach Eintritt der Analgesie Schmerzreize Jucken erzeugen und schliefst : Juckgef\u00fchl entsteht durch im Vergleich zum Schmerzgef\u00fchl geringere Reize normal reagierender Schmerzfasern oder durch gleich starke Reizung von vermindert erregbaren Schmerzfasern. Kitzelempfindung verhalte sich zum Tastsinn wie Juckempfindung zum Schmerzsinn, eine Ansicht, der ich beipflichte, v. Frey findet das Jucken an den Schmerzpunkten und mit einer Latenz von grofser Schwankungsbreite (zwischen 0,3 und 6 Sek., im Mittel 1 \u2014 2 Sek.). Er rechnet es der Schmerzqualit\u00e4t zu, in dem Sinn, dafs schwache Reize Jucken, st\u00e4rkere Schmerzen ausl\u00f6sen.\nIn demselben Sinne sprechen pathologische Beobachtungen von Rothmann.1 2 3 Bei Analgesie blieb Juckpulver erfolglos; vom Drucksinn fand er das Jucken unabh\u00e4ngig.\nT\u00f6r\u00f6k 3 vermifste an den analgetischen Stellen bei Syringomyelie und Lepra wie nach ScHLEicnscher Infiltration Juckempfindung; er bezieht Jucken und Schmerz auf denselben Nervenapparat.\nAls weiteren Unterschied zwischen Kitzel und Jucken hebt v. Frey noch hervor, dafs Kitzel nur mechanisch erregt werden k\u00f6nne; jedoch auch schw\u00e4chste faradische Reizung der Nerven-st\u00e4mrne erzeugt eine exzentrische kitzelnde Empfindung, wie ich angegeben habe. Ferner dafs Jucken durch eine grofse Nachdauer ausgezeichnet ist, w\u00e4hrend schwache Kitzelreize keine Nachdauer hinterlassen. Nur bei mehrfachem Streichen oder an sehr kitzelempfindlichen Stellen (Gesicht usw.) tritt eine Nachdauer ein, \u201edie sich aber durch ihren neuartigen Charakter (Fr\u00f6steln, Schmerzen, Jucken)\u201c u. a. m. \u201eals abgeleitete oder sekund\u00e4re zu erkennen gibt.\u201c Ich gebe diese sekund\u00e4ren Wirkungen zu, aber man empfindet doch zweifellos an den angegebenen Stellen auch den Kitzel selbst, den man sehr wohl von den abgeleiteten Wirkungen unterscheiden kann, lange nachdauernd. Ich finde, dafs die Nachdauer des Kitzels um so gr\u00f6fser ist, je kitzelempfindlicher die gereizte Hautstelle ist.\n1\tNeur. Z. Bl., Nr. 31. 1912.\n2\tArch. f. Derm. u. Syph. 139. 1922.\n3\tZtschr. f. Psychol. 46, S. 23. 1907.","page":16},{"file":"p0017.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Physiologie der Gemeingef\u00fchle.\n17\nDie Beziehung des Kitzels zu den Druckpunkten gibt sich darin zu erkennen, dafs an dem gr\u00f6fsten Teil der K\u00f6rperoberfl\u00e4che die Haare die Kitzelempfindung vermitteln. Jedoch best\u00e4tigt v. Feey die Angabe von Alrutz, dafs es durch geeignete Reize gelinge, auch abseits von den Druckpunkten Kitzel zu erregen, sieht aber darin keinen Grund, f\u00fcr die Ausl\u00f6sung desselben andere nerv\u00f6se Einrichtungen als die des Drucksinns verantwortlich zu machen (a. a. O. S. 58). Ein weiterer Unterschied besteht darin, dafs das Jucken irradiiert, der Kitzel nicht oder sehr wenig. Das gibt sich auch darin zu erkennen, dafs das Jucken die von mir beschriebene Erscheinung des Anklingens darbietet.1 Die Unterdr\u00fcckung des Juckens erfordert auch viel st\u00e4rkere Hautreize als die des Kitzels (s. ebendort). Kitzel kann an manchen Stellen in Jucken und Schmerz ausklingen (s. ebendort S. 51), wie \u00fcbrigens auch v. Frey hervorhebt, so an der Kinn - Unterlippengegend und Nasen - Lippenfurche.\nErzeugt man mittels eines dauernden Schmerzreizes ein hyperalgetisches Feld, so findet sich innerhalb desselben die Kitzelempfindlichkeit aufgehoben, w\u00e4hrend Jucken spontan auf-tritt und Kitzelreize Jucken ausl\u00f6sen.\nUntersuchungen von Hoeeer und Kohlrausch2 \u00fcber die Schwellenempfindungen an Schmerzpunkten der Haut ergaben, dafs bei elektrischer Reizung Jucken als Schwellenreizerfolg bei langen Reizserien h\u00e4ufig, bei Einzelschl\u00e4gen und ganz kurzen Serien \u00e4ufserst selten und dann nicht rein, sondern stechend, juckend war.\nNach Me Kendrick erzeugt Ber\u00fchrung der Lippe oder Haut mit einer Borste, die an einer Stimmgabel von 600\u20141500 Schwingungen befestigt ist, Kitzel, a\u00abf welchen dann intensives Jucken erfolgt.3\nWinckler (a. a. O.) kam bei seinen Untersuchungen gleichfalls zu einem Zusammenhang von Jucken und Schmerz, und zwar trete ersteres sekunder auf. Die Zinken einer schwingenden Stimmgabel erzeugen an den Lippen und anderen Stellen Vibrationsempfindung und nach einem empfindungslosen Intervall Jucken; das gleiche l\u00e4fst sich beobachten, wenn man an der Zinke ein Pferdehaar befestigt. Nach Saponininjektion geht Tast empfindung verloren, w\u00e4hrend Schmerz bleibt. Die Schwingungen erzeugen Schmerz, an den sich Jucken anschliefst.\n1 Arch. f. d. ges. Phys. 168, S. 53. 1917.\n3 Arch. f. d. ges. Phys. 205, H. 3/4. 1924.\n8 Zit. nach Winckler Arch. f. Derm. u. Syph. 99. 1910. -Zeitschr. f. Sinnesphysiol. 57.","page":17},{"file":"p0018.txt","language":"de","ocr_de":"18\n.4. Goldscheider.\nWinckler trennt \u00fcbrigens Juck- und Schmerzempfindung voneinander; erstere h\u00e4nge mit den Vasomotoren zusammen.\nDas gleichzeitige Vorkommen von Kitzel und Jucken bzw. das Zur\u00fcckbleiben des letzteren nach Hautreizen macht f\u00fcr die Erkl\u00e4rung, dafs beide durch verschiedene Nervenbahnen \u00fcbermittelt werden, keine Schwierigkeit.\nPathologisch treffen wir Jucken h\u00e4ufig, Kitzel selten an. Es kann durch zentrale Nervenreizung (z. B. bei Hemiplegie) oder durch Reizung der peripherischen Nervenenden bedingt sein; in diesem Falle handelt es sich um Ver\u00e4nderungen des Gewebschemismus (Ikterus, Gicht, Diabetes, Granulom, Allergie, Hautkrankheiten) bzw. auch um eine Neurose. Bei der Dermo-grafia elevata1 tritt nach meiner Beobachtung Jucken auf, sobald Fl\u00fcssigkeit aus den Gef\u00e4fsen austritt, nicht durch die Kontraktion oder Dilatation der Gef\u00e4fse. Auch sonst spricht nichts daf\u00fcr, dafs das Jucken etwas mit der Ver\u00e4nderung der Gef\u00e4fsweite zu tun hat. Kroner2 3 hat neuerdings zu beweisen gesucht, dafs das Jucken durch Reizung der in der Haut verlaufenden dem vegetativen Nervensystem angeh\u00f6rigen Nervenbahnen zustande komme. Unna hat aufgestellt, dafs das Jucken durch das Mifs-verh\u00e4ltnis zwischen dem Druck des Gewebssaftes und dem Gegendruck der Oberhaut bedingt werde. Wir kratzen, um der juckenden Stelle etwas Blut oder Lymphe zu entlocken.\nDie Bek\u00e4mpfung des Juckens durch Dr\u00fccken, Reiben, Kratzen habe ich stets auf hemmende Einwirkung dieser Reize zur\u00fcckgef\u00fchrt. Es ist bekannt, dafs ein st\u00e4rkerer Hautreiz die Kitzelempfindlichkeit auf einen gewissen Umkreis hin auf hebt. \u00c4hnlich liegt es beim Jucken. \u201eWenn es auch nahe liegt anzunehmen, dafs die Gewohnheit des Kratzens sich aus der bewufsten Absicht entwickelt habe, irgendwelche an der Haut befindlichen kleinen Fremdk\u00f6rper hinwegzur\u00e4umen, so ist doch unverst\u00e4ndlich, weshalb wir auch dann, wenn solche nicht vorhanden sind, kratzen, und weiter, weshalb wir uns nicht begn\u00fcgen, einfach den Fremdk\u00f6rper, im Falle dafs einer da ist, aus dem Wege zu r\u00e4umen, sondern, nachdem dies geschehen, die Kratzbewegungen noch fortsetzen. Endlich kratzen wir auch, wenn wir \u00fcberzeugt sind, dafs eine innere nicht hinwegzur\u00e4umende Ursache das Jucken hervorbringt, z. B. bei heilenden Geschw\u00fcren, und zwar nicht einmal an der Stelle des Juckgef\u00fchls, sondern im Umkreise. Das Kratzen erzeugt eine st\u00e4rkere Erregung der mechanosensiblen Nerven, welche hemmend auf die schw\u00e4chere des Juckens wirkt. Hierauf deutet es auch, dafs das Kratzen bis zu einer gewissen\n1\tD. m. W., Nr. 11/13. 1925.\n2\tKlin. Woch. 3, S. 351\t1924.\n3\tGoldscheider, Arch. f. Anat. u. Physiol1885. Ges. Abh. I, 8. 204","page":18},{"file":"p0019.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Physiologie der Gemeingef\u00fchle.\n19\nS\u00e4ttigung fortgesetzt zu werden pflegt, n\u00e4mlich bis der Erregungszustand eine zur Unterdr\u00fcckung des Kitzels bzw. Juckens gen\u00fcgende St\u00e4rke erreicht hat.\nGegen die Beziehung des Juckens zum Schmerz wird geltend gemacht, dals man Jucken durch Reiben usw. unterdr\u00fcckt, ja dafs dasselbe reflektorisch eine Kratzbewegung ausl\u00f6st, was beim Schmerz nicht zutreffe. Jedoch auch der letztere kann durch starke schmerzhafte Reize, bei geringeren Graden schon durch m\u00e4fsigen Druck, verdunkelt werden; auch die verdunkelnde Wirkung des K\u00e4ltereizes auf den Schmerz geh\u00f6rt hierher. \u00dcbrigens wird Jucken gerade durch sanften oder m\u00e4fsigen Druck oft besser und dauernder unterdr\u00fcckt als durch Kratzen, welches nach einer Pause erneutes, oft st\u00e4rkeres Jucken entstehen l\u00e4fst.\nAus dem vorstehenden ist der Schlufs abzuleiten, dafs die Kitzelempfindung bei schw\u00e4chster Erregung der mechanosensiblen, insbesondere der spezifischen Drucknerven zustande kommt, w\u00e4hrend die Juckempfindung durch dieselbe Art von Reizung bedingt ist, welche die Schmerzempfindung hervorbringt und wie diese eine merkliche Latenz zeigt. Man k\u00f6nnte dies im Sinne der Anh\u00e4nger der Schmerznervenlehre so deuten, dafs die Juckempfindung durch eine unterschmerzliche Erregung derselben ausgel\u00f6st wird (v. Frey) oder im Sinne der Gegner dieser Lehre so, dafs die mechanosensiblen (allgemeinen Gef\u00fchls-) Nerven bei summierten Erregungen Jucken und bei Steigerung der Erregung Schmerz zuleiten.\nDie Entstehungsbedingungen f\u00fcr Kitzel und Schmerz sind somit jedenfalls ganz verschieden. Manche wie z. B. Alrutz lassen zwischen Kitzel und Jucken nur einen graduellen Unterschied zu; \u00fcbrigens hat gerade der genannte Autor den juckenden Charakter der Schmerzpunkte hervorgehoben.\nDafs das pathologische Jucken nicht in Schmerz \u00fcbergeht, worauf mit Recht Kroner (a. a. 0.) hinweist, wird wahrscheinlich so Zusammenh\u00e4ngen, dafs die Schmerzschwelle wesentliah h\u00f6her liegt und von den chemischen usw. Reizen nicht erreicht wird. Diese Erfahrung kann jedenfalls nicht dagegen sprechen, dafs Jucken und Schmerz durch die gleichen Nervenbahnen vermittelt wird.\nWie soll man es sich nun erkl\u00e4ren, dafs die Drucknerven\nneben der Ber\u00fchrungs- und Druckempfindung auch Kitzelemp-\n2*","page":19},{"file":"p0020.txt","language":"de","ocr_de":"20\nA. Goldscheider.\nfindung zuleiten ? v. Frey 1 f\u00fchrt aus, dafs durch gleichzeitige Reizung von Druckpunkten oder durch folgeweise intermittierende Reizung derselben, welche das Gef\u00fchl des Schwirrens erzeugt, sich der Empfindungsinhalt \u00e4ndert. Dies beruhe darauf, \u201edafs die in den peripherischen Empfangsorganen gesetzten Erregungen nicht unver\u00e4ndert nach den Orten gelangen, wo die den Bewufst-seinserscheinungen zugeordneten physiologischen (psychophysischen) Vorg\u00e4nge sich abspielen. Die Erregungen treten zueinander in Beziehungen, verschmelzen bis zu einem gewissen Grade, bilden neue Komplexe. Dies verr\u00e4t sich u. a. darin, dafs ein grofsfl\u00e4chiger Reiz nicht als das empfunden wird, was er tats\u00e4chlich darstellt, eine Vielzahl, eine Mosaik von Einzelerregungen, sondern als ein zwar ausgedehntes, aber stetig zusammenh\u00e4ngendes einheitlich geschlossenes Ganzes.\u201c Ich habe schon in meiner Dissertation \u00fcber die Lehre von den spezifischen Energien ausgef\u00fchrt, dafs im Gebiete des Drucksinns durch gleichzeitige Erzeugung von Einzelempfindungen eine neue Empfindungsqualit\u00e4t des Gesamteindrucks ausgel\u00f6st werde.1 2\nv. Frey meint3, dafs das Erlebnis des Kitzels bzw. der Ber\u00fchrung haupts\u00e4chlich von der Einstellung der Aufmerksamkeit abh\u00e4nge \u201einsofern als bei Richtung auf den \u00e4ufseren Reiz der Eindruck der Ber\u00fchrung, bei Richtung auf das erregte Subjekt der Eindruck des Kitzels entsteht\u201c. In dem folgenden Satze schr\u00e4nkt er freilich diese Ansicht wieder etwas ein. Haltbar ist sie aber \u00fcberhaupt nicht, denn der Kitzel dr\u00e4ngt sich ohne jede Einstellung auf. Freilich kann man bei einer Kitzel erzeugenden Ber\u00fchrung die Aufmerksamkeit entweder mehr auf die Ber\u00fchrungsempfindung oder mehr auf den Kitzel richten, auch beide gleichzeitig wahrnehmen, aber gerade dies beweist, dafs beide Empfindungen nebeneinander vorhanden und nicht blofs Produkte der Einstellung sind und \u00fcberhebt uns nicht der Aufgabe eine physiologische Erkl\u00e4rung zu suchen.\nv. Frey er\u00f6rtert auch die Erscheinung, dafs neben den Druckempfindungen Ber\u00fchrungs- und Kitzelempfindungen nicht auf-kommen k\u00f6nnen. \u201eHier tritt eine andere Form gegenseitiger Beeinflussung der in benachbarten Bahnen ablaufenden Erregungen\n1\tZtschr. f. Biol. 79. 1923.\n2\tGes. Abh. I, S. 37.\n3\tZtschr. f. Biol. 78, S. 60. 1923.","page":20},{"file":"p0021.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Physiologie der Gemeingef\u00fchle.\n21\nin Erscheinung, die in einer Verminderung der Deutlichkeit, in \u2022 \u2022 _\neiner Art \u00dcberw\u00e4ltigung und Aufsaugung der schw\u00e4cheren Erregungen durch die vorherrschende besteht.\u201c\nIn der von ihm zitierten Arbeit1 hat er, z. T. mit Cook festgestellt, dafs 2 oder mehrere gleichzeitig gesetzte Druckpunktreizungen aufeinander verschiedene Wirkungen aus\u00fcben: 1. Verst\u00e4rkung, v. Frey m\u00f6chte diese Wirkung nicht mit dem Worte Bahnung bezeichnen, sondern vergleicht sie mit Srerringtons immediate or direct spinal induction (z. B. Verst\u00e4rkung des Kratzreflexes des Hundes, wenn 2 in seinem Ausl\u00f6sungsgebiet gelegene Hautstellen gleichzeitig gereizt werden). 2. Verdeckung oder Verh\u00fcllung. Eine gegebene Druckempfindung wird durch eine 2. gleichzeitig eintretende in ihrer Deutlichkeit herabgesetzt. Diese Wirkung ist eine Funktion der St\u00e4rke und des Abstandes des Nebenreizes. Die schw\u00e4chere Empfindung wird durch die st\u00e4rkere selbst auf weite Strecken verdeckt. 3. Die gegenseitige Anziehung zweier oder mehrerer gleichzeitiger Druckempfindungen, welche sich darin ausspricht, dafs der scheinbare Abstand derselben erheblich geringer erscheint als der wirkliche.\nAn seine interessanten Feststellungen schliefst v. Frey eine sehr lehrreiche Bemerkung: \u201eDie Wirkung, die der einfachste experimentell herstellbare Druckreiz ausl\u00f6st, ist bereits ein verwickelter Vorgang, der mit seinen verst\u00e4rkenden und verh\u00fcllenden Einfl\u00fcssen ein ausgedehntes Hautgebiet umfafst und auch seinerseits von dem Zustande dieses Gebietes beeinflufst wird.\u201c\nDafs der Druckreiz auf einen gewissen Umkreis wirkt, geht auch aus meiner Beobachtung hervor, dafs derselbe zu einer zweitphasischen irradiierenden Empfindung f\u00fchrt.\nDie \u201everdeckende\u201c Wirkung tritt nicht allein bei gleichzeitigen sondern auch bei folgeweisen Reizungen hervor. Schon leichte Druck-, Schmerz- und K\u00e4ltereize gen\u00fcgen, um f\u00fcr eine gewisse Zeit die Kitzelempfindlichkeit an der betroffenen Stelle und in einem gewissen Umkreise aufzuheben. Diese Beobachtung l\u00e4fst die Deutung zu, dafs die schwachen Reize, welche den Kitzel ausl\u00f6sen, dazu nicht mehr imstande sind, wenn die Erregbarkeit durch st\u00e4rkere Reize ver\u00e4ndert worden ist. In demselben Sinne spricht die bekannte Erscheinung, dafs Druckreize von einer gewissen St\u00e4rke Druckempfindungen ohne jeden Kitzel ausl\u00f6sen. Auch die an sehr kitzelempfindlichen Stellen (Gesicht) zu beobachtende Nachdauer des Kitzels ist durch Drucke oder Reibungen zum Verschwinden zu bringen.\n1 Ztschr. f Biol. 56. 1911.","page":21},{"file":"p0022.txt","language":"de","ocr_de":"22\nA. Goldscheider.\n\u00c4hnliches zeigt sich bei der Juckempfindung. Auch bei dieser gelingt das Ausl\u00f6schen, wie ich entgegen v. Frey feststellen mufs, durch Fernreize, vorausgesetzt dafs der Abstand nicht zu grofs ist. Eine weitere hierher geh\u00f6rige Beobachtung ist, dafs auch die oberfl\u00e4chliche feine Schinerzempfindung durch mechanische Reize verhindert oder ausgel\u00f6scht wird.\nDer langdauernde Erregungszustand nach einmaligem, selbst schwachem Reiz und das Anschwellen der Empfindung k\u00f6nnte zentral wie peripherisch bedingt sein. Im ersten Fall m\u00fcfste man eine aufserordentliche Anh\u00e4ufung labilen zersetzlichen Materials in den Nervenzellen bzw. den Fibrillen annehmen, um zu erkl\u00e4ren, dafs ein einmaliger Anstofs gen\u00fcgen w\u00fcrde, um im Zentrum einen so langsam abklingenden Prozefs in Gang zu bringen. Ich habe fr\u00fcher eine Reihe von Beobachtungen angef\u00fchrt, welche daf\u00fcr sprechen, dafs den peripherischen Reizempf\u00e4ngern jedenfalls eine sehr wichtige Bedeutung f\u00fcr die in Rede stehende Erscheinung zuf\u00e4llt.1\nIch kam zu dem Ergebnis: es ist sehr wahrscheinlich, dafs der taktile Reiz bei dem Vorgang der Umsetzung in eine Nervenerregung peripherische Ver\u00e4nderungen bedingt, welche nicht sofort, sondern erst nach einer gewissen im Einzelfall wechselnden Zeit zum Ausgleich gelangen. Ob dies damit zusammenh\u00e4ngt, dafs der taktile Reiz selbst einer zusammengesetzten Reihe von Reizst\u00f6fsen entspricht, sei dahingestellt. Die in den peripherischen Reizempf\u00e4ngern ausgel\u00f6ste Ver\u00e4nderung ist als ein oszillatorischer Vorgang anzusehen. Das bei einmaliger Reizung eines Druckpunktes zu beobachtende Schwirren (v. Frey) bringt den oszillatorischen Vorgang unmittelbar zur Wahrnehmung. Die Reiz\u00fcbertragung auf die Drucknerven ist eine tetanisierende (v. Frey).2\nDurch \u00e4ufserst schwache mechanische Reize, am besten Ber\u00fchrung der Haare, kann man reinen Kitzel ohne Ber\u00fchrungsempfindung ausl\u00f6sen. Meist jedoch bzw. bei einer minimalen Reizsteigerung nimmt man gleichzeitig eineBer\u00fchrungsempfindung wrahr, welche dann den Kitzel \u00fcberdauert und unter Umst\u00e4nden eine l\u00e4ngere allm\u00e4hlich abklingende Nachdauer erkennen l\u00e4fst.\n1\tArch. f. d. ges. Physiol. 168, S. 71.\t1917.\n2\tAbhandl. d. Ges. d. Wiss. Leipzig, Bd. 23, S. 219. 1896. \u2014 Ztschr. f. Biol. 63, S. 345. 1914.","page":22},{"file":"p0023.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Physiologie der Gemeingef\u00fchle.\n23\nDer der Ber\u00fchrungsempfindung entsprechende Vorgang ist somit von l\u00e4ngerer Dauer; ob die Bedingungen dieser Erscheinung in der Peripherie oder im Zentrum gelegen sind, ist wie gesagt fraglich. Es spricht jedoch manches daf\u00fcr, dafs der mechanische Reiz in den peripherischen Endigungen einen oszillatorischen Vorgang ausl\u00f6st (s. vorher). In der zitierten Arbeit1 macht v. Frey n\u00e4here Ausf\u00fchrungen hier\u00fcber. \u201eDie Bedingungen f\u00fcr das Auftreten von Schwirren unterscheiden sich von denen f\u00fcr den Kitzel darin, dafs die Reize st\u00e4rker sein m\u00fcssen und dafs die Ausl\u00f6sung auf den unbehaarten Fl\u00e4chen besser gelingt.\u201c Die Reize m\u00fcssen ferner kleinfl\u00e4chig sein. \u201eDie oszillierende oder tetanische Erregung, zu der die Rezeptoren des Drucksinns auch bei konstantem Reiz (mechan. Deformation, galvanischer Strom) bef\u00e4higt sind, kommt nur dann deutlich zur Wahrnehmung, wenn ein Druckpunkt f\u00fcr sich allein oder doch st\u00e4rker gereizt wird als seine Nachbarn. Sie h\u00f6rt auf bemerkbar zu sein, sobald der Reiz ein ausgebreiteter ist, m\u00f6glicherweise deshalb, weil die Erregungsst\u00f6fse in den einzelnen Endorganen nicht mit gleicher Frequenz bzw. Phase ablaufen und sich daher gegenseitig \u00fcberdecken.\u201c\nMan wird nun folgender Vorstellung eine gewisse Berechtigung nicht abstreiten k\u00f6nnen. Wenn die Oszillationen von geringer Frequenz und grofser Amplitude sind, werden sie als solche erkannt (Schwirren). Bei gr\u00f6fserer Frequenz und kleinerer Amplitude bewirken sie eine kontinuierliche Empfindung, deren Qualit\u00e4t durch die Frequenz und Amplitude mit dem Erfolge bestimmt wird, dafs an dem dom Schwirren entgegengesetzten Ende der Schwingungsskala der Kitzel steht, welchem dann in der Richtung auf das Schwirren hin die Ber\u00fchrungs- und weiter die Druckempfindung folgt. Diese Anschauung w\u00fcrde verstehen lassen, dafs die eine Qualit\u00e4t der Empfindung die andere zum Ausl\u00f6schen bringt. Die dem Kitzel und der Ber\u00fchrungsempfindung zugrunde liegenden Erregungsformen m\u00fcfsten gleichzeitig bestehen k\u00f6nnen, was man sich etwa so denken k\u00f6nnte, dafs den gr\u00f6beren Schwingungen der Ber\u00fchrungsempfindung die feineren des Kitzels aufgesetzt sind.\nTrotz der Beziehung des Kitzels zu den Drucknerven finden sich die Stellen, an welchen der Drucksinn am meisten ausgebildet ist, am wenigsten kitzelempfindlich; so die Fingerbeeren,\n1 Ztschr. f. Biol 78. S. 61. 1923.","page":23},{"file":"p0024.txt","language":"de","ocr_de":"24\nA. Goldscheider.\nMitte des Daumen- und Kleinfingerballens, Zungenspitze, w\u00e4hrend1 Gegenden von wenig entwickeltem Drucksinn \u00e4ufsert kitzel-empfindlich sein k\u00f6nnen. Es scheint somit, daFs an den erstgenannten Stellen die Drucknervenendigungen ganz besonders auf die der Ber\u00fchrungs- und Druckempfindung entsprechende Erregungsform eingestellt sind. In dem Haarmangel allein; kann der Unterschied nicht begr\u00fcndet sein, da die unbehaarten Gegenden gleichfalls den Gegensatz zwischen Druck- und Kitzelempfindlichkeit erkennen lassen (z. B. Finger beere und Fingerseitenfl\u00e4che). Eine weitere auff\u00e4llige Erscheinung besteht darin, dafs die Kitzelempfindlichkeit an Stellen, an welchen die oberfl\u00e4chliche Schmerzempfindlichkeit besonders grofs ist und sich zahlreiche Schmerzpunkte finden, sehr entwickelt ist. Dies l\u00e4fst nur die Auslegung zu \u2014 falls man nicht spezifische Kitzelnerven annehmen will \u2014, dafs der Kitzel nicht allein durch die in den, Druckpunkten endigenden, sondern allgemein durch die mechano-sensiblen Nerven zugeleitet wird. Nach der v. FREYschen Lehre, die aufser den Druckpunkten nur Schmerzpunkte anerkennt, das Vorhandensein von Nerven, welche eine taktile Empfindung vermitteln, in den Zwischenfeldern der Druckpunkte in Abrede stellt, entstehen somit Schwierigkeiten. Freilich gibt dieser Forscher zu, dafs es gelingt auch in den Zwischenfeldern der Druckpunkte Kitzel zu erzeugen (s. oben), aber er ist offenbar geneigt, diese Erscheinung durch eine Fortleitung der Erregung auf die Drucknerven zu erkl\u00e4ren. Allerdings hat v. Frey mit Felix (1. c.) bewiesen, dafs die Kitzelschwelle zwischen den Haarpunkten erheblich h\u00f6her und die Kitzelempfindung undeutlicher ist als an den Haarpunkten. Die Beteiligung der Schmerznerven am Kitzel haben die genannten Autoren auf Grund des KataphoreseVersuchs mit Novokain ausgeschlossen. Derselbe ergibt, dafs der Kitzel bestehen bleibt (wenn auch etwas geschw\u00e4cht), w\u00e4hrend die Schmerz- und Juekempfindlich-keit aufgehoben ist, was ich best\u00e4tigen kann. Auch mufs ich v. Frey zugeben, dafs an den Sehmerzpunkten durch faradische Schwellenreize Jucken und nicht Kitzel ausgel\u00f6st wird. Die L\u00f6sung der Schwierigkeit k\u00f6nnte so gedacht werden, dafs zwischen den Haarinsertionen noch Druckpunkte von geringerer Empfindlichkeit bestehen, was ich stets behauptet habe. Oder gern\u00e4fs meiner bereits fr\u00fcher entwickelten Theorie, nach welcher der Kitzel der schw\u00e4chsten Erregung aller mechano-sensiblen Nerven","page":24},{"file":"p0025.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Physiologie der Gemeingef\u00fchle.\n25\nder Haut entspricht, d. h. nicht blofs der eigentlichen Druck-nerven, sondern auch der in den Zwischenfeldern der Druckpunkte verbreiteten Nerven (welche v. Feey als Schmerznerven ansieht), w\u00e4hrend das Jucken ebenso wie der Schmerz durch dieselben Nerven aber als Summationserscheinung vermittelt wird. Die Schmerzpunkte sind nach meinen Untersuchungen nicht Rezeptoren spezifischer Schmerznerven, sondern solche mit einer besonders niedrigen Schmerzschwelle. Hierdurch erkl\u00e4rt es sich, dafs sie auch in besonderem Mafse zur Vermittlung der Juckempfindung bef\u00e4higt sind. Das feine Stechen, welches dem Jucken zugeordnet ist, entsteht gerade bei Reizung der sogenannten Schmerzpunkte. Die dem Jucken zugrunde liegende Erregungsform verh\u00e4lt sich, wie ich annehme, zu der dem Kitzel zugrunde liegenden, wie die dem Schmerz entsprechende zu der der Be-r\u00fchrungs- bzw. Druckempfindung. Wenn ich fr\u00fcher gesagt habe, dafs das Jucken durch leichteste Erregung der mechano-sensiblen Nerven im Zustande erh\u00f6hter Schmerzempfindlichkeit zustande kommt, so mufs ich dies jetzt freilich dahin einschr\u00e4nken, dafs ein solcher Zustand zwar das Jucken sehr steigert, aber zur Ausl\u00f6sung desselben nicht n\u00f6tig ist.\nDiese Theorie beseitigt alle Schwierigkeiten; sie l\u00e4fst verstehen, dafs die Kitzelempfindlichkeit an den Druckpunkten besonders stark ist und dafs sie sich andererseits auch dort, wo die feine oberfl\u00e4chliche Schmerzempfindlichkeit und das Jucken besonders ausgebildet ist, gut entwickelt findet.\nDaf\u00fcr, dafs das Jucken gleich dem Schmerz eine Summationserscheinung ist, spricht:\n1.\tDie Latenz der Juckempfindung, die auch bei der fara-dischen Schwellenreizung nachweisbar ist (s. oben).\n2.\tDie Irradiation und das Anklingen.\n3.\tDer Kitzel tritt erstphasisch auf, das Jucken zweitphasisch.\nErgebnisse.\n1.\tDer Kitzel entspricht der schw\u00e4chsten Erregung der mechano-sensiblen Nerven.\n2.\tDas Jucken ist wie der Schmerz eine Summationserscheinung.\n3.\tEs wird eine Theorie des Kitzels entwickelt, welche davon ausgeht, dafs sich bei der Reizung der mechano-sensiblen Nerven ein oszillatorischer Vorgang abspielt.","page":25},{"file":"p0026.txt","language":"de","ocr_de":"26\nBeitr\u00e4ge zur Physiologie der Gemeingef\u00fchle.\nVon\nGeh. Medizinalrat Prof. Dr. A. Goldscheider.\n, III. \u00dcber Gemeingef\u00fchle.\nUnter Gemeingef\u00fchlen verstehen wir Empfindungen, welche wir nicht auf \u00e4ufsere Objekte, sondern auf den eigenen K\u00f6rper beziehen, als Zustand des f\u00fchlenden Subjekts auffassen (E. H. Weber). Weder die Reize noch die Reizeinpf\u00e4nger brauchen bei den Empfindungen, welche wir als Eigenschaften \u00e4ufserer Objekte auslegen und denjenigen welche wir im eigenen K\u00f6rper lokalisieren, grunds\u00e4tzlich verschieden zu sein. Denn die Beziehung auf die Aufsenwelt (Objektivierung) h\u00e4ngt von verwickelten psychologischen Vorg\u00e4ngen ab.\nEs kommt in der Hauptsache darauf an, dafs Empfindungen bzw. durch dieselben ausgel\u00f6ste Vorstellungen in einer bestimmten Anordnung und zeitlichen Folge auftreten, welche nach unserer Erfahrung bestimmten \u00e4ufseren Reizen als Folgeerscheinungen entsprechen. Die Erkenntnis des Kausalzusammenhanges zwischen \u00e4ufserem Reiz und Empfindung und damit die Objektivierung wird gef\u00f6rdert durch die Wahrnehmung, dafs bestimmte Ver\u00e4nderungen der Reizbedingungen bestimmte Ver\u00e4nderungen der Empfindungen ausl\u00f6sen, was die Mitwirkung eines zweiten Sinnesorganes, welchem wir eben diese Wahrnehmung verdanken, voraussetzt. Im \u00fcbrigen m\u00f6ge auf den psychologischen Teil der Objektivierungsfrage hier nicht n\u00e4her eingegangen werden.\nSo k\u00f6nnen die gleichen Empfindungen als Eigenschaften eines \u00e4ufseren Objektes gedeutet oder auf unser Ich bezogen werden. Temperaturempfindungen z. B. k\u00f6nnen ebensowohl objektiviert wie als Zust\u00e4nde unserer selbst wahrgenommen werden: mich friert, mir ist warm. Dies ist keineswegs nur dann der Fall, wenn die Temperaturempfindung durch innere Reize (Ver\u00e4nderung der Blutverteilung, z. B. Fieber, Gef\u00e4fsverengerung oder -erweite-","page":26},{"file":"p0027.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Physiologie der Gemeingef\u00fchle.\n27\nrung) bedingt ist; vielmehr auch bei l\u00e4ngerem Aufenthalt in einem k\u00fchlen oder \u00fcberwarmen Raum, wo es sich also um \u00e4ufsere W\u00e4rmeab- oder -Zuleitung handelt. Oft sind wir unsicher in unserer Beurteilung. \u201eMich friert; ist es in dem Zimmer zu kalt oder liegt es an mir?\u201c Man sucht die Entscheidung, indem man andere Personen fragt, ob ihnen auch kalt sei. Eine Sehnen-bzw. nach v. Fbey eine Muskelspannungsempfindung kann als Schwere eines Gewichts gedeutet oder auf einen inneren Zustand, eine l\u00e4stige Druckempfindung auf ein hartes Objekt oder auf eine krankhafte \u00dcberempfindlichkeit (Rheumatismus, Gef\u00fchl von Zerschlagenheit usw.) bezogen werden. Beim Tasten mit einer Sonde und bei der paradoxen Widerstandsempfindung werden Haut-, Gelenk- und Muskelempfindungen in vollendeter Weise objektiviert, die unter anderen Umst\u00e4nden als k\u00f6rperliche Empfindungen wahrgenommen werden. Wir beziehen die durch \u00e4ufsere Reize ausgel\u00f6sten Empfindungen dann auf den eigenen K\u00f6rper, wenn sie uns in einer St\u00e4rke, Verteilung, in einem zeitlichen Verlauf zugehen, welche von den f\u00fcr die Einwirkung \u00e4ufserer Objekte nach unserer Erfahrung charakteristischen abweicht, besonders wenn sonstige f\u00fcr die Objektivierung in Betracht kommende Merkmale (z. B. bei Temperaturempfindungen die Wahrnehmung einer Ber\u00fchrung, Ver\u00e4nderung der Empfindung durch willk\u00fcrliche Ab\u00e4nderung der Bedingungen u. a. m.) fehlen. So wird das Schwirren beim Elektrisieren oder bei Nervendruck nicht auf ein \u00e4ufseres Objekt bezogen, obwohl es sich um eine Reizung derselben Druckpunkte handelt, deren Erregung wir unter anderen Bedingungen auf ein betastetes Objekt beziehen. Gewisse Empfindungen, die durch \u00e4ufsere Reize erzeugt sind, werden nach ihrer Qualit\u00e4t auf den eigenen K\u00f6rper bezogen wie z. B. Schmerz, Jucken, Kitzel. Die Betastung des Gaumens oder der Rachen wand erzeugt auf reflektorischem Wege das Gemein-gef\u00fchl der Ubligkeit, mechanische Reizung der Genitalien erzeugt das Gemeingef\u00fchl der Wollust. Ein sehr vordringlicher Gef\u00fchlston ist der Objektivierung einer Empfindung hinderlich. Andere Gemeingef\u00fchle werden durch innere Reize ausgel\u00f6st (Hunger, Durst, Atemnot, Gef\u00fchl des Harndrangs usw.).\nWie der gleiche Nervenapparat Tr\u00e4ger einer objektivierten Sinnesempfindung und eines Gemeingef\u00fchls sein kann, l\u00e4fst sich am Drucksinn der Haut zeigen. Bei der Reizung einzelner Druckpunkte nimmt man ein Schwirren wahr, welches man in","page":27},{"file":"p0028.txt","language":"de","ocr_de":"28\nA. Goldscheider.\ndie Haut verlegt; die nach einem fl\u00fcchtigen objektivierten Tastreiz zur\u00fcckbleibende Nachempfindung verlegt man im allgemeinen als Gemeingef\u00fchl in die Haut; es kommt aber auch vor, dafs wir uns nicht dar\u00fcber klar werden, ob der \u00e4ufsere Gegenstand nicht doch noch in Kontakt mit der Haut ist und das Auge oder die Betastung zur Hilfe nehmen, um uns dar\u00fcber zu versichern. Sehr schwache Reizung der Druckpunkte erzeugt Kitzelgef\u00fchl, das wir nicht objektivieren. \u00dcbrigens gibt es auch \u00e4hnliche Beispiele von den h\u00f6heren Sinnen. Das Flimmerskotom wird zwar in den \u00e4ufseren Raum verlegt, aber doch als im Auge entstanden gedeutet; das Ohrenklingen wird in das Ohr verlegt. Beim Geruch und Geschmack sind \u00fcberhaupt fliefsende \u00dcberg\u00e4nge zwischen objektivierter Wahrnehmung und Gemeingef\u00fchl vor-handen.\nEs sind vornehmlich die von der Haut und den Muskeln wie von der Tiefensensibilit\u00e4t ganz allgemein ausgehenden sensiblen Erregungen, welche sowohl f\u00fcr die Erkennung der Aufsenwelt wie f\u00fcr die Wahrnehmung eigener k\u00f6rperlicher Zust\u00e4nde Verwendung finden und deren Bewufstseinsinhalte sowohl den Sinnen wie den Gemeingef\u00fchlen hinzugez\u00e4hlt werden k\u00f6nnen. Ihnen gegen\u00fcber werden die Empfindungen der sogenannten h\u00f6heren Sinne so gut wie ganz (Auge, Ohr) oder vorzugsweise (Geschmack, Geruch) objektiviert. Andererseits gibt es Empfindungen, welche ausschliefslich als Zust\u00e4nde und Vorg\u00e4nge im eigenen K\u00f6rper gedeutet werden, wie der Schmerz und die mit dem vegetativen Leben verbundenen Empfindungen. Selbst bei gr\u00f6fster M\u00fche der Einstellung gelingt es nicht diese Empfindungen zu objektivieren. Die Wiederkehr der zum Schmerz f\u00fchrenden Bedingungen, die vielf\u00e4ltige Erfahrung \u00fcber die urs\u00e4chlichen Beziehungen bestimmter \u00e4ufserer Vorg\u00e4nge zur Erzeugung von Schmerz, die M\u00f6glichkeit die Schmerzerzeugung durch willk\u00fcrliche Handlungen auszul\u00f6sen und aufzuheben bringt dennoch eine Objektivierung des Schmerzes, Juckens, Kitzels,\nder Atemnot usw. nicht zu Wege.\nEine Objektivierung des Schmerzes findet in Wirklichkeit niemals statt, denn unter einer solchen kann man nur diejenige geistige T\u00e4tigkeit verstehen, kraft deren wir die Empfindungsqualit\u00e4t als eine Eigenschaft des aufser uns befindlichen Objektes auffassen und wahrzunehmen vermeinen. Schmerzen fliegen nicht in der Luft herum, sagte Lotze (nach Stumpf, Zeitschr. f. Psych\u00f6l.","page":28},{"file":"p0029.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Physiologie der Gemeingef\u00fchle.\n29\n44, 7, 1907). Wenn v. Kries 1 ansf\u00fchrt, dafs wir von einem schmerzenden Gegenstand sprechen, wenn z. B. eine wunde Hautstelle von einer bedeckenden H\u00fclle gescheuert wird oder wenn ein Fremdk\u00f6rper der Hornhaut anhaftet, so geschieht hier die Beziehung auf einen \u00e4ufseren Gegenstand offenbar unter dem Einflufs begleitender Tastempfindungen. Wo die letzteren zur\u00fccktreten oder wo es unm\u00f6glich ist von dem \u00e4ufseren Gegenstand durch tastende Bewegungen Kenntnis zu erhalten, wie z. B. bei einem an der Hornhaut festsitzenden Fremdk\u00f6rper, empfinden wir lediglich Schmerz. Die meisten betroffenen Personen wissen gar nicht, dafs die Ursache des Schmerzes ein an der Hornhaut haftendes K\u00f6rnchen ist ; man nimmt es erst im Spiegel wahr oder der Augenarzt stellt es fest; etwas anderes ist es bei einem in den Bindehautsack gelangten Korn, welches man als hart und schmerzend wahrnimmt. Niemand wird das Korn als Tr\u00e4ger des Schmerzes bezeichnen ; es ist eben schmerzend; wohl aber nennen wir es hart. Wir betrachten das betreffende Objekt stets nur als Ursache des Schmerzes. Wir nennen den dr\u00fcckenden Stiefel eng und hart, aber es f\u00e4llt uns nicht ein, den Schmerz des H\u00fchnerauges als einen Stiefelschmerz zu deuten. Die von v. Kries so bezeichnete Objektivierung ist lediglich eine Kausalbeziehung. Es ist daher verfehlt \u2014 wie es bekanntlich auch\nv. Frey tut \u2014 den Schmerz den echten Sinnen zuzurechnen.\n\u2022\u2022\nEs sind nicht einmal, wie v. Kries meint, fliefsende \u00dcberg\u00e4nge zwischen Schmerz und Sinnesempfindungen vorhanden. Die Anschauung dieses Forschers folgt aus seiner Definition der \u201eObjektivierung\u201c, unter welcher er versteht (S. 20), dafs ein Sinneseindruck weder auf unser seelisches Ich noch auf unseren K\u00f6rper, sondern auf ein \u00e4ufseres Verhalten bezogen wird. Diese Begriffsbestimmung ist m. E. nicht hinreichend scharf und klar, da sie die \u00fcber den kausalen Zusammenhang nachdenkende und Erfahrungsschl\u00fcsse ziehende T\u00e4tigkeit nicht von dem unmittelbaren Erleben trennt. Das Wesen der Objektivierung besteht nicht darin, dafs eine Empfindung auf ein \u00e4ufseres Verhalten bezogen wird, sondern dafs sie sofort als Eigenschaft eines \u00e4ufseren Gegenstandes in unser Bewufstsein tritt ; dafs es sich um eine Empfindung unserer selbst handelt, welche durch eine bestimmte Eigenschaft des Gegenstandes ausgel\u00f6st wird, erfahren wir dabei erst durch Nachdenken oder Belehrung.\n1 Allgemeine Sinnesphysiol. S. 22 ff. 1923.","page":29},{"file":"p0030.txt","language":"de","ocr_de":"30\nA. Goldscheider.\nv. Kries (S. 15) hebt hervor, dafs auch die Vorstellung unseres K\u00f6rpers etwas Gegenst\u00e4ndliches bedeutet, \u201eetwas Objektives, das wir unserer Subjektivit\u00e4t im engsten Sinne des Wortes gegen\u00fcberstellen k\u00f6nnen. Gehen wir hiervon aus, so k\u00f6nnten wir wohl von der Objektivierung eines Sinneseindruckes oder eines Gef\u00fchles schon dann sprechen, wenn diese nicht schlechtweg als Zustand unserer selbst d. h. unseres seelischen Ichs, sondern als Zustand unseres K\u00f6rpers, vor allem, wenn sie als Zustand eines bestimmten K\u00f6rperteils aufgefafst werden.\u201c \u201eEs ist indessen zweckm\u00e4fsiger den Begriff der Objektivierung enger zu nehmen und von einem solchen nur da zu sprechen, wo die Empfindung sich als der Eindruck eines \u00e4ufseren Gegenstandes oder Vorganges darstellt.\u201c \u201eWir k\u00f6nnen dann die Somatisierung etwa als eine Vorstufe der Objektivierung bezeichnen.\u201c Diese Erkl\u00e4rung ist unbefriedigend. Wenn ich einen eigenen K\u00f6rperteil betrachte, so ist der Akt der Wahrnehmung kein anderer als bei der Betrachtung eines fremden K\u00f6rperteils. Desgleichen wenn ich mir durch Betastung meines eigenen K\u00f6rperteils eine Vorstellung \u00fcber denselben bilde. Wenn ich etwa ein knarrendes Ger\u00e4usch bei Bewegung eines mir geh\u00f6rigen Gelenkes wahrnehme, so ist dies f\u00fcr den Geh\u00f6rsinn nichts anderes als ob ich das Ger\u00e4usch eines fremden Gelenkes h\u00f6re usw.\nEs kann daher in der Deutung der Empfindungen auf einen \u00e4ufseren Vorgang unm\u00f6glich das Wesen der Objektivierung gefunden werden. Vielmehr scheint es mir richtig den Unterschied zwischen objektivierten Empfindungen und Gemeingef\u00fchlen folgendermafsen zu beschreiben. Bei der Objektivierung bilde ich mir aus den Empfindungen eine Vorstellung \u00fcber die Beschaffenheit des Dinges, von welchem die den Empfindungen zugrunde liegenden Reize ausgehen, ganz gleich ob das Ding sich aufserhalb des eigenen K\u00f6rpers befindet oder demselben angeh\u00f6rt. Bei den G e m e i n gef\u00fchlen lokalisiere ich zwar die Empfindungen am K\u00f6rper (Somatisierung v. Kries), aber ich bilde mir keine Vorstellung \u00fcber die Beschaffenheit des K\u00f6rperteiles, von welchem die Reize ausgehen oder \u00fcber die Beschaffenheit des \u00e4ufseren Dinges, durch dessen Einwirkung die Empfindungen ausgel\u00f6st werden. Vielmehr erlebe ich ausschliefslich die Empfindung. Schmerz, Kitzel, Jucken, Hunger, Wollust usw. sagen mir \u00fcber die Beschaffenheit des K\u00f6rperteils, an welchem ich die Empfindungen lokalisiere, nichts aus. Wenn ich aus dem Hunger","page":30},{"file":"p0031.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Physiologie der Gemeingef\u00fchle.\n31\nauf einen leeren Magen, aus dem Schmerz auf einen scharfen Gegenstand schliefse, so handelt es sich um ein aus der Erfahrung gesch\u00f6pftes Urteil \u00fcber den urs\u00e4chlichen Zusammenhang. Beim Schmerz wirken, falls er durch einen \u00e4ufseren Vorgang bedingt ist, aufserdem noch Tast-, Temperatur-, optische Wahrnehmungen mit.\nMan kann somit unterscheiden:\t*\na)\tEmpfindungen, die fast ganz f\u00fcr die Erkennung der Aufsenwelt verwendet werden (h\u00f6here Sinnesempfindungen),\nb)\tEmpfindungen, die je nach den Bedingungen auf die Aufsenwelt oder den eigenen K\u00f6rper bezogen werden (von der Haut und der Tiefensensibilit\u00e4t ausgehende Empfindungen),\nc)\tEmpfindungen, die ausschliefslich auf den eigenen K\u00f6rper bezogen werden. Diese Gruppe stellt die Gemeingef\u00fchle im engeren Sinne dar.\nDie Gemeingef\u00fchle sind durch das besonders starke Hervortreten der begleitenden Gef\u00fchle der Lust und Unlust ausgezeichnet, daher f\u00fcr sie der Ausdruck Gef\u00fchl gebr\u00e4uchlich ist. Aber das Gef\u00fchl der Lust und Unlust fehlt auch den echten Sinnesempfindungen keineswegs.\nDie Gemeingef\u00fchle im engeren Sinne, welche zu den vegetativen Funktionen in Beziehung stehen, f\u00fchren zu reflektorischen Entladungen. Die Reflexausl\u00f6sung des Reizes tritt um so mehr zur\u00fcck, je mehr derselbe den zur Erkennung der Aufsenwelt dienenden Erregungen angeh\u00f6rt. Optische und akustische Wahrnehmungen k\u00f6nnen wohl reflektorische Bewegungen aus-l\u00f6sen, aber vorwiegend auf dem Wege \u00fcber assoziierte Vorstellungen bzw. ausgel\u00f6ste Affekte, w\u00e4hrend das Blendungsgef\u00fchl als Gemeingef\u00fchl zwangsm\u00e4fsig Augenschlufs und Abwendung des Kopfes bewirkt. Der Pupillenreflex nimmt als unabh\u00e4ngig von der Lichtempfindung eine besondere Stellung ein. H\u00f6reindr\u00fccke \u00fcberraschender Art bedingen eine reflektorische Bewegung des Kopfes, wobei aber schon die psychische Einstellung mitwirkt. Die \u00fcblen Ger\u00fcche und Geschm\u00e4cke, welche Reflexbewegungen ausl\u00f6sen, geh\u00f6ren bereits den Gemeingef\u00fchlen an. Sinneswahrnehmungen, welche Affekte ausl\u00f6sen (Grauen oder Schrecken erregende oder sonst \u00fcberraschende Gesichtswahrnehmungen oder Tastwahrnehmungen, wahrgenommene Hilferufe usw.) bewirken reflektorische Entladungen.","page":31},{"file":"p0032.txt","language":"de","ocr_de":"32\nA. Goldscheider.\nEine \u00e4hnliche Beziehung gilt f\u00fcr die I r r a d i a t i o n. Gef\u00fchlsbetonte Empfindungen und Gemeingef\u00fchle irradiieren, Empfindungen, welche den eigentlichen Sinnen angeh\u00f6ren, irradiieren sehr wenig. Die Kitzelempfindung, welche durch die minimale Erregung der mechano-sensiblen Nerven hervorgerufen wird und zu den Gemeingef\u00fchlen zu rechnen ist, irradiiert st\u00e4rker als die den Druckpunkten entstammend\u00ab Tastempfindung. Der Schmerz irradiiert sehr erheblich. Die Irradiation der in Reflexen sich entladenden vegetativen Gemeingef\u00fchle ist sehr auff\u00e4llig. Sie w\u00e4chst mit der Dauer des Reizes und dem Anwachsen der Intensit\u00e4t der Empfindung. Man denke an die sexuelle Empfindung. Der Urindrang kann sich, wenn ungestillt, zu einem bis zur Lendengegend aufsteigenden Schmerz auswachsen. \u00c4hnliches gilt vom Def\u00e4ka-tionsreiz. Es m\u00f6gen hierbei Kontraktionen glatter Hohlmuskeln mitwirken, aber auch dies ist auf Irradiation zu beziehen. Unbefriedigter Urindrang kann sogar zu Stuhldrang, unbefriedigter Etuhldrang zu Urindrang f\u00fchren. Einen Beweis f\u00fcr die Irradiation der Gemeingef\u00fchle liefert die grofse Ausbreitung der reflektorischen Entladungen: der Niesreiz wirft seine Wellen bis zur Kehlkopf- und Thoraxmuskulatur, ja er f\u00fchrt wie der G\u00e4hn-reflex zu Gef\u00e4fskontraktionen am ganzen K\u00f6rper (Schauder- und K \u00e4lteempfindung).\nDie Irradiation und Reflexausl\u00f6sung weisen darauf hin, dals die in die Leitungsbahn eingeschaltete graue Substanz f\u00fcr \u25a0die Zuleitung der Gemeingef\u00fchle von besonderer Bedeutung ist.\nEin weiteres den Gemeingef\u00fchlen eigenes Merkmal ist ferner die allm\u00e4hliche Entwicklung der Empfindung und ihr Anwachsen mit der Reizdauer; dagegen pflegt bei den Sinnesempfindungen die Erregung schnell ihre H\u00f6he zu erreichen. W\u00e4hrend ferner die durch kutane Reize ausgel\u00f6sten Reflexe, ebenso die proprio-rezeptiven Muskelreflexe eine kurze Ausl\u00f6sungszeit besitzen, bedarf es bei den mit dem vegetativen Leben verkn\u00fcpften Reflexen einer gr\u00f6fseren Reizdauer (Nies-, W\u00fcrge-, Brech-, sexuelle Reflexe usw.). Offenbar ist bei den f\u00fcr die Abwehr \u00e4ufserer Reize eingerichteten Reflexapparaten die Bereitschaft gr\u00f6fser. Eine fl\u00fcchtige Ber\u00fchrung der Nasen-, Gaumen-, Rachenschleimhaut erzeugt noch keinen Nies- usw. Reflex. Freilich bestehen individuelle Unterschiede der Reizbarkeit, wie man z. B. bei der \u00e4rztlichen Inspektion des Schlundes und Kehlkopfes wahrzunehmen Gelegenheit hat. Dafs beim Schmerz eine Energiespeicherung","page":32},{"file":"p0033.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Physiologie der Gemeingef\u00fchle.\n33\nin der grauen Substanz vorliegt, glaube ich mit Gad wahrscheinlich gemacht zu haben. Die Annahme, dafs auch bei den \u00fcbrigen und speziell den zu Reflexentladung f\u00fchrenden Gemeingef\u00fchlen ein entsprechender Vorgang zugrunde liegt, wird schon dadurch begr\u00fcndet, dafs eben die Reflexausl\u00f6sung einer gewissen Andauer der Reizung bedarf. Dies ist nur so zu verstehen, dafs die Erregbarkeit allm\u00e4hlich soweit gesteigert wird, dafs der Widerstand des Reflexapparates zur \u00dcberwindung gelangt.\nDer Umstand, dafs die Empfindung mit der Reflexausl\u00f6sung verschwindet, sich im Reflex \u201eentladet\u201c, l\u00e4fst darauf schliefsen^ dafs die Er\u00f6ffnung des betreffenden motorischen Kernes mit einem Energieverbrauch verbunden ist; vielleicht fliefst eine chemische Substanz, welche bei der Steigerung der Erregung entsteht bzw. dieselbe bedingt, auf die motorischen Nervenzellen \u00fcber. Man vergleiche die modernen Anschauungen \u00fcber die kolloid-chemischen Grundlagen der Erregung (H\u00f6bee). Solche Entladungen kommen bei den eigentlichen Sinnesempfindungen, welche objektiviert werden, nicht vor. Wahrscheinlich finden Energiespeicherungen, Anh\u00e4ufungen differenter dissimilatorischer {saurer?) Substanzen hier nicht statt. Der Erregungsvorgang kommt vielmehr bei den h\u00f6heren Sinnen, wie es scheint, sehr viel schneller zur Abgleichung, wenn es auch nach starken Reizen an visuellen und akustischen Nachbildern nicht fehlt.\nAus den vorstehenden Darlegungen geht hervor, dafs f\u00fcr die ausschliefsliehen Gemeingef\u00fchle die in die Leitung eingef\u00fcgte graue Substanz von besonderer Bedeutung ist. In der primitiven Erregung mag eine Andeutung der Qualit\u00e4t der Ekel-, \u00dcbligkeits-, Sexualempfindung usw. bereits enthalten sein, aber die volle Auspr\u00e4gung der Qualit\u00e4t erhalten diese und andere Gemeingef\u00fchle erst durch die Summation und Umformung in der grauen Substanz.\nAuch f\u00fcr die durch die h\u00f6heren Sinne ausgel\u00f6sten Gef\u00fchle, d\u00fcrfte die eingelagerte graue Substanz von Bedeutung sein.\nDie Reize, welche zum Auftreten der Gemeingef\u00fchle Veranlassung geben, sind teils die besprochenen \u00e4ufseren, teils innere. Letztere sind vorzugsweise chemische. Hierher geh\u00f6ren die Par\u00e4sthesien und Juckempfindungen bei Ikterus, Gicht, Zuckerkrankheit, wahrscheinlich auch das Jucken bei malignem Granulom und Allergie. , Bei Dermographia elevata entsteht Jucken, sobald Fl\u00fcssigkeit aus den Kapillaren in das Gewebe tritt. Anscheinend reagieren die sensiblen Nerven auf Ver\u00e4nderungen Zeitschrift f. Sinnesphysiol. 57.\t3","page":33},{"file":"p0034.txt","language":"de","ocr_de":"34\nA. Goldscheider, Beitr\u00e4ge zur Physiologie der Gemeingef\u00fchle.\nder chemischen Zusammensetzung des Gewebssaftes mit Erregung. Schade spricht von einer Osmosensibilit\u00e4t. Er zitiert die Angabe von Massart, dafs die Bindehaut Salzl\u00f6sungen, die von der Zusammensetzung der Ir\u00e4nen-\nfl\u00fcssigkeit ab weichen, schmerzhaft empfindet.\nIntra- oder subkutane Injektion von Fl\u00fcssigkeiten, welche der Zusammensetzung des Gewebssaftes nicht entsprechen, erzeugt Schmerz oder andere als Gemeingef\u00fchl auftretende Empfindungen (Spannung,\nPrickeln usw.l\nDie durch Muskelkontraktion bedingte, die Erm\u00fcdungsempfindung der Muskeln, die Atemnot ist chemisch begr\u00fcndet. Wir erhalten durch die Gemeingef\u00fchle Nachrichten \u00fcber den ver\u00e4nderten Chemismus des Gewebes. Wahrscheinlich geh\u00f6rt auch der Entz\u00fcndungsschmerz hierher. Die meisten pathologischen Schmerzen d\u00fcrften chemisch bedingt sein. Die teleologische Bedeutung der chemischen Einwirkung auf die sensiblen Gewebsnerven liegt auf der Hand; es ist auch m\u00f6glich, dafs reflektorisch gewisse Regu lierungen ausgel\u00f6st werden. Selbstverst\u00e4ndlich spielt auch bei der Er-regung der Rezeptoren der Sinnersnerven der chemische Vorgang eine wesentliche reizvermittelnde Rolle.\nAuch durch Ver\u00e4nderung der Blutverteilung werden sensible Nerven-reizungen herbeigef\u00fchrt. K\u00e4lte- und W\u00e4rmeempfindungen als Gemeingef\u00fchle werden durch Zusammenziehung und Erweiterung der Gef\u00e4fse bewirkt, ebenso Spannungsempfindungen. Angiospasmen l\u00f6sen Schmerz aus (wahrscheinlich chemisch vermittelt). Wir haben ein gewisses Turgorgef\u00fchl, eine Spannungsempfindung, welche bei st\u00e4rkerer Blutf\u00fcllung w\u00e4chst und dann pulsierend sein kann. Ob diese Empfindung lediglich durch die Hautspannung oder auch durch die tiefere Sensibilit\u00e4t vermittelt wird, steht dahin. F\u00fcr letzteres spricht, dafs man auch in der Tiefe V\u00f6lle-, Spannungsund klopfende Empfindungen haben kann. Auch Blutleere des Gewebes kann spannende und kriebelnde Empfindungen, gleichfalls unter Umst\u00e4nden pulsierend ausl\u00f6sen, wovon man sich durch Emporheben der Hand \u00fcberzeugen kann. Das Pulsieren beruht dabei auf Herabsetzung des Blutdrucks im Verh\u00e4ltnis zur Gewebsspannung und dadurch bedingter Vergr\u00f6fserung der Amplitude zwischen systolischem und diastolischem Blutdruck.\nGewisse Gemeingef\u00fchle entstehen dadurch, dafs die mit den Organfunktionen verbundenen sonst unterschwelligen Reize infolge erh\u00f6hter Erregbarkeit der Nerven oder verst\u00e4rkter Organt\u00e4tigkeit (z. B. Herzklopfen, vermehrte Darmperistaltik) zum Bewufstsein kommen.\nVon besonderem Interesse sind die auf Hyper\u00e4sthesie beruhenden \u2018 Empfindungen der inneren Organe, wie wir sie bei Neurasthenie finden, und die durch Reizzust\u00e4nde bedingten HEA\u00fcschen Zonen. Die Lokalisation der Hyper\u00e4sthesie in grauen Massen setzt wiederum die Bedeutung der letzteren f\u00fcr die Gemeingef\u00fchle ins Licht. In das Gebiet der Gemeingef\u00fchle geh\u00f6ren aufserdem noch Gef\u00fchle, welchen keine \u00f6rtliche Beziehung anhaftet: Gef\u00fchl der Kraft, Frische, Schw\u00e4che, Apathie, allgemeine Lust-und Unlustgef\u00fchle.\n1 Die physikalische Chemie in der inneren Medizin, S. 428.\t1920.","page":34},{"file":"p0035.txt","language":"de","ocr_de":"35\nBeitr\u00e4ge ziir Physiologie der Gemeingef\u00fchle.\nVon\nGeh. Medizinalrat Prof. Dr. A. Goldscheider.\nIV. \u00dcber die Beziehungen der grauen Substanz zu den\nGemeingef\u00fchlen.\nDie sensiblen Erregungen erfahren bei ihrem Durchtritt durch die grauen Kernmassen eine Reihe von Beeinflussungen. Die Leitung teilt und verzweigt sich in so vielf\u00e4ltiger und umfangreicher Weise, dafs anatomisch die M\u00f6glichkeit der Fortleitung des Reizes nach den verschiedensten und entferntesten Teilen des Nervensystems besteht. Schon die banale Tatsache, dafs der Reiz gleichzeitig Reflexe ausl\u00f6st und zum Bewufstseins-organ fortschreitet, beweist die Spaltung der Fortleitung. Zahlreiche Erfahrungen lassen erkennen, dafs tats\u00e4chlich die Reizverbreitung eine sehr weitgehende sein kann. Eine einfache Form der Reiz-Ausbreitung ist die segmentale. Schmerzreize l\u00f6sen, wie ich gezeigt habe, hyperalgetische Irradiationsfelder von spinal-segmentalem Typus aus. Noch elementarer ist die bei jedem taktilen Einzelreiz, welcher die Hautnerven trifft, zu beobachtende Irradiationserscheinung. Die prim\u00e4re Ber\u00fchrungsoder thermische Empfindung wird, wie ich gezeigt habe, nach einem kurzen zeitlichen Intervall von einer zweiten Phase der Empfindung gefolgt, welche eine gewisse Ausbreitung besonders proximalw\u00e4rts erkennen l\u00e4fst.1 Die Erregung schl\u00e4gt somit im Grau eine Mehrheit von Wegen ein, indem sie sich einmal zentripetal nach dem Gehirn hin fortpflanzt, andrerseits in dem Netz der grauen Substanz ausbreitet und hierbei verschiedenartige Wirkungen auf motorische und sensible Bestandteile derselben aus\u00fcbt ; auch diese Ausstrahlungen finden zum Teil ihren Weg nach dem Bewufstseinsorgan, welches sie verz\u00f6gert erreichen.\n1 N\u00e4heres s. Arch. f. d. ges. Physiol, 168. 1917.\n3*","page":35},{"file":"p0036.txt","language":"de","ocr_de":"36\nA. Goldscheider.\nIn welchem quantitativen Verh\u00e4ltnis der geradlinig zentripetal fortgeleitete Anteil der Erregung zu dem sich verzweigenden steht, wird von dem wechselnden Verh\u00e4ltnis der Fortleitungswiderst\u00e4nde abh\u00e4ngen. Im Bereich der h\u00f6heren Sinnesorgane scheint die direkte Leitung gegen\u00fcber der irradiierenden sehr stark bevorzugt zu sein.\nIn einer fr\u00fcheren Darstellung habe ich die Lehre von den Neuronschwellen aufgestellt, deren gr\u00f6fsere oder geringere H\u00f6he den Weg, welchen die Erregung durch das spinale Grau nimmt, bestimmen sollte. Als Neuronschwelle bezeichnete ich diejenige H\u00f6he der Erregung eines Neurons, welche eben hinreicht, um im Kontakt-Neuron eine Erfolgserregung hervorzurufen. Diese Art den Vorgang zu betrachten scheint mir auch jetzt noch durchaus brauchbar. Denn die Erregbarkeit und damit der Widerstand der zentralen Leistungswege sind nicht konstant und daher die Ausbreitung der Erregungen und die Richtung, welche sie nehmen, ver\u00e4nderlich. Man kann folglich wie von einer Schwellen-Labilit\u00e4t gegen\u00fcber dem peripherischen Reiz auch von einer solchen gegen\u00fcber dem in das Grau eintretenden sprechen. Auch bei Ablehnung der Neuron-Theorie kann man nicht umhin, den Ganglienzellen eine Bedeutung als Sammel- und Schaltvorrichtungen beizumessen. Wenn auch durch die Forschungen von Bethf, u. a. eine Kontinuit\u00e4t der Fibrillen nachgewiesen ist, so mufs doch aus physiologischen und pathologischen Gr\u00fcnden vorl\u00e4ufig an der biologischen Einheit der Neurone festgehalten werden. Hofmann1 hat geltend gemacht, dafs meine Theorie nicht erkl\u00e4re, wie die Bahnung bestimmte Bahnen ausw\u00e4hle und dafs es unklar sei, wie die Fortleitung bei st\u00e4rkeren Erregungen sich gestalte. Er schliefst sich daher der HEEiNGschen Erkl\u00e4rung an, welche qualitativ verschiedene Erregungsvorg\u00e4nge annimmt.2 Hebing hat bekanntlich die Joh. M\u00dcLLERsche Lehre von den spezifischen Energien, welche besagt, dafs dem Bewufst-sein nicht die Qualit\u00e4ten der Reize, sondern diejenigen der Sinnessubstanzen zugeleitet werden, dahin erweitert, dafs der Sinnesnerv imstande sei, auf verschiedene Reize mit verschiedenen Qualit\u00e4ten zu reagieren. Wenn man aber in Erw\u00e4gung zieht, dafs selbst so verwandte Qualit\u00e4ten wie Kalt und Warm auf verschiedene\n1\tDie Natunvissenschaften 1921 H. 10.\n2\tHering. F\u00fcnf Reden. S. 123 ff.","page":36},{"file":"p0037.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Physiologie der Gemeingef\u00fchle.\n3 7\nNervenbahnen verteilt sind, so erscheint die HERiNGsche Lehre recht wenig begr\u00fcndet. Dazu kommt die Schwierigkeit, diese qualitativ verschiedenen Erregungsvorg\u00e4nge chemisch oder sonst wie zu fassen.\nNach Hering wird die von der Peripherie kommende Erregung im spinalen Grau auf diejenigen Anschlufs-Neurone \u00fcbertragen, die eine besondere Eignung f\u00fcr die ihnen zugeleitete Erregungsqualit\u00e4t haben.\nHering r\u00fchmt an dieser Vorstellung, dafs sie Entwicklungsm\u00f6glichkeiten zulasse, w\u00e4hrend die Gleichartigkeitstheorie solche ausschliefsen. Ich finde im Gegenteil, dafs diese Pr\u00e4destination die M\u00f6glichkeiten der Anpassung und Entwicklung stark einschr\u00e4nkt. Die HERiNGsche Theorie ist \u00fcberfl\u00fcssig, da die Neuronschwellentheorie die Tatsache der \u00fcbenden Anpassung hinreichend erkl\u00e4rt. Gegen\u00fcber Hofmann ist zu sagen, dafs die Widerst\u00e4nde der Bahnen wahrscheinlich gar nicht von vornherein ganz gleichartig sind, sondern gewisse Verschiedenheiten der Anlage aufweisen. Bei st\u00e4rkeren Erregungen ist in der Tat die Ausbreitung eine gr\u00f6fsere; zudem kommen hierbei komplizierte Vorg\u00e4nge der Abstumpfung bzw. der Hemmung zur Ausl\u00f6sung.\nDie Ausstrahlung der sensiblen Erregung im Grau l\u00f6st Steigerungen und Herabsetzungen der Erregbarkeit benachbarter Teile der sensiblen Leitungsbahn aus. v. Frey hat bewiesen, dafs mehrere gleichzeitig gesetzte Erregungen des Drucksiniis teils verst\u00e4rkende teils verdeckende Wirkungen aufeinander aus\u00fcben.1 Er kommt zu dem Schlufs, dafs \u201edie Wirkung die der einfachste experimentell herstellbare Druckreiz ausl\u00f6st, bereits ein verwickelter Vorgang ist, der mit seinen verst\u00e4rkenden und verh\u00fcllenden Einfl\u00fcssen ein ausgedehntes Hautgebiet umfafst\u201c usw. Ich selbst habe gefunden (1. c.), dafs ein punktf\u00f6rmig umschriebener Reiz eine gesteigerte Erregbarkeit am Reizpunkt und in dessen Umgebung ausl\u00f6st, dafs andererseits aber auch Herabsetzungen auftreten; beide Zustandsver\u00e4nderungen k\u00f6nnen sich aneinanderreihen oder gleichzeitig nebeneinander bestehen. Auch Temperaturreize entfalten solche Wirkungen, welche gleichfalls \u00fcber den gereizten Punkt hinaus die Umgebung beeinflussen.\nIch habe schon fr\u00fcher2 darauf hingewiesen, dafs es sich bei der gegenseitigen Hemmung und JBahnung von sensorischen Reizungen nicht\n1\tZeitsch. f. \u00dfiol. 56. 1911.\n2\tDie Bedeutung der Reize usw. Leipzig, Ambr. Barth. 1898. S. 52.","page":37},{"file":"p0038.txt","language":"de","ocr_de":"A. Goldscheider.\n38\num rein in das psychische fallende, sondern um Vorg\u00e4nge in der Leitungsbahn (graue Substanz) handelt. Eine mit der meinigen sich deckende Darstellung gibt neuerdings Ebbecke.1 Einen neuen Beweis f\u00fcr solche spinalen Hemmungsvorg\u00e4nge konnte ich mit Hahn und Joachimoglu2 erbringen. Bei der perkutanen chemischen Reizung der Temparaturnerven treten K\u00e4lte- und W\u00e4rmeempfindung nicht gleichzeitig auf, sondern die eine folgt der anderen nach einem gewissen Zeitintervall. Wir zeigten, dafs man diese Erscheinung nicht morphologisch erkl\u00e4ren kann, vielmehr so deuten mufs, dafs die Erregung der einen Art von Temperaturnerven auf diejenige der anderen einen hemmenden Einflufs aus\u00fcbt. Solche gegenseitigen hemmenden Beziehungen zwischen kalt und warm, sowie zwischen Temperatur- und Schmerzreizen3 habe ich auch fr\u00fcher beschrieben. Ich habe dort ausgef\u00fchrt, wie die irradierende Erregung im spinalen Grau neue in einem gewissen Umkreise eintretende Erregungen ablenkt und zum Teil aufsaugt. F\u00fcr die vorliegende Frage sind auch die Untersuchungen von Matthaei4 zu vergleichen.\nSherrington zeigte, dafs beim Hunde der Kratzreflex durch Reize, welche im spinalen Grau sich verbreiten, beeinflufst werden kann. v. Frey macht es wahrscheinlich, dafs f\u00fcr den Ortssinn der Haut das Gef\u00e4lle der Erregungsausbreitung, welche die Reizung der Druckpunkte zur Folge hat, im spinalen Grau von Bedeutung ist.\nBei der Irradiation des Reizes treten auch Qualit\u00e4tsver\u00e4nderungen auf. Bo unterscheidet sich die irradiierende zweit-phasische Empfindung von der erstphasischen dadurch, dafs sie wie von innen her zu kommen scheint, hauchartig, schwellend, endlich schmerzhaft auch juckend ist.\nF\u00fcr Verschmelzung von Erregungen im spinalen Grau spricht es, dafs wahrscheinlich hier den Druckerregungen sich kin\u00e4sthe-tische beigesellen.\nEine auff\u00e4llige Erscheinung im Gebiete der Mechano-Sensibilit\u00e4t der Haut ist es, dafs Ver\u00e4nderungen der Intensit\u00e4t des Reizes gewisse Qualit\u00e4tsunterschiede zur Folge haben. Ein minimaler taktiler Reiz l\u00f6st Kitzel aus, beim Anwachsen desselben tritt die Empfindung der Ber\u00fchrung bzw. des Druckes hinzu, wobei der Kitzel zur\u00fccktritt. St\u00e4rkere mechanische Eindr\u00fccke k\u00f6nnen denselben auf heben. Auch schw\u00e4chste faradische Reize\n1\tPfl\u00fcgers\tArch.\tf.\td.\tg es.\tPhysiol.\t169.\t1917.\n2\tPfl\u00fcgers\tArch.\tf.\td.\tges.\tPhysiol.\t206.\t1924.\n3\tPfl\u00fcgers\tArch.\tf.\td.\tges.\tPhysiol.\t165.\t22. 1916.\t168.\t1917.\n\u2018 Zeitschr.\tf. AUg.\tPhysiol. 20, H.\ti. H.\t3/4 1923. - D. m.\tWoch. 1922.\nNr. 35/36.","page":38},{"file":"p0039.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Physiologie der Gemeingef\u00fchle.\n39\nl\u00f6sen zun\u00e4chst Kitzel bzw. Jucken aus (vgl. im \u00fcbrigen Kap. II). Steigerung des Reizes f\u00fchrt zu Schmerzempfindung. Auch die Schmerzpunkte verlangen eine h\u00f6here Schwelle des mechanischen Reizes als die Druckpunkte (v. Frey). F\u00fcr den Schmerz verlangt v. Frey ein eigenes rezeptorisches System, w\u00e4hrend ich die Schmerzqualit\u00e4t den gesamten mechano-sensiblen Nerven \u00fcbertrage und die graue Substanz f\u00fcr eine Umformung der Erregung in Anspruch nehme. F\u00fcr Kitzel und Jucken besondere rezep-torische Apparate und Leitungsbahnen anzunehmen, lehnt auch v. Frey ab, indem er das Jucken den Schmerznerven, den Kitzel den Drucknerven \u00fcberweist.\nEine weitere Eigent\u00fcmlichkeit besteht darin, dafs die Kitzelempfindung, welche gerade dem schw\u00e4chsten Reiz entspricht, sich durch ihre Irradiation gegen\u00fcber der Druckempfindung auszeichnet und dafs sie von einem sehr ausgesprochenen Gef\u00fchlston begleitet ist, welcher der letzteren nahezu ganz fehlt. Ber\u00fchrungen, Streichungen k\u00f6nnen zwar auch angenehm oder unangenehm empfunden werden, aber der intensive Gef\u00fchlston des Kitzels wird von ihnen nicht erreicht. Die Irradiation spricht sich auch in den vom Kitzel ausgel\u00f6sten weit verbreiteten Reflexen aus (Schauder, Muskelkontraktionen). Man k\u00f6nnte die Erscheinung so deuten, dafs die ganz schwache Reizung einen Erregungsablauf von bestimmter Art erzeugt, welcher durch st\u00e4rkere Reizung eine Unterdr\u00fcckung erf\u00e4hrt. Im Kap. Kitzel und Jucken sind hier\u00fcber n\u00e4here Ausf\u00fchrungen gemacht worden.\nDie der Druckempfindung entsprechende Erregungsform w\u00fcrde hiernach sich von der dem Kitzel entsprechenden durch eine Form der Oszillationen unterscheiden, die jener abtr\u00e4glich ist und einem st\u00e4rkeren Erregungszustand entspricht. Eine qualitativ verschiedene Erregungsform l\u00e4ge keineswegs vor, sondern eine abweichende Zusammensetzung des komplexen Erregungsvorgangs aus gleichartigen Erregungselementen, bedingt durch die verschiedene St\u00e4rke des ausl\u00f6senden Reizes. Die Verschiedenheit der Wirkung auf das Bewufstsein w\u00fcrde bei dieser Art die Dinge anzusehen ganz in das Zentrum verlegt werden. Die Qualit\u00e4t der Empfindung von der Form des zentralen Erregungsvorganges, speziell von der zeitlichen Folge und Zusammensetzung elementarer Erregungen abh\u00e4ngig zu machen, begegnet keinen Schwierigkeiten und vertr\u00e4gt sich durchaus mit der Lehre von der spezifischen Energie der Sinnessubstanzen.","page":39},{"file":"p0040.txt","language":"de","ocr_de":"40\nA. Goldscheider.\nDer Unterschied gegen\u00fcber Hering w\u00e4re darin gelegen, dafs eine verschiedene \u201eQualit\u00e4t\u201c des Leitungsvorganges vermieden w\u00fcrde.\nEiner zweifachen Leitungsbahn f\u00fcr Kitzel und Druckempfindungen bed\u00fcrfte es hiernach nicht. Man k\u00f6nnte freilich auch leicht eine Vorstellung durchf\u00fchren, welche eine zweifache Leitungsbahn entweder schon von der Peripherie her oder eine peripherische gemeinsame mit Spaltung im spinalen Grau voraussetzen w\u00fcrde, wobei die Beanspruchung der Kitzelbahn bzw. der Druckbahn entweder nach der HERiNGschen Qualit\u00e4tentheorie oder nach der Neuronschwellentheorie erkl\u00e4rt werden w\u00fcrde. Allein es ist sicherlich nicht sehr befriedigend, eine besondere zentrale Bahn f\u00fcr die Kitzelempfindung anzunehmen. Die bekannte Erfahrung, dafs die letztere zu einer nicht kitzelnden hauchartigen oder leicht spannenden Empfindung abklingt, reiht sich der Vorstellung einer gemeinsamen Kitzel- und Druckbahn gl\u00fccklicher ein als der Annahme eines doppelten Leitungssystems.\nDagegen ist f\u00fcr die Schmerz empf in du ng die Annahme einer Gabelung einer gemeinsamen peripherischen Bahn im spinalen Grau bereits gemacht worden.\nIch gehe zun\u00e4chst von der von mir vertretenen Lehre aus, dafs die den Schmerz zuleitenden Nerven auch einer unterschmerzlichen druck\u00e4hnlichen Empfindung f\u00e4hig sind. Die Gabelung im R\u00fcckenmarksgrau w\u00e4re so vorzustellen, dafs die dort beginnende Schmerzbahn eine (interneuronale) Reizschwelle besitzt, welche oberhalb desjenigen Erregungswertes gelegen ist, der f\u00fcr die Fortleitung auf die Drucknerven bzw. auf die nicht-schmerzleitenden mechano-sensiblen Gemeingef\u00fchlsnerven ben\u00f6tigt wird.\nDie Schmerzbahnschwelle kann teils durch hinreichend starke peripherische Reize erreicht werden, teils durch Summation schw\u00e4cherer Reize. Diese ist so vorzustellen, dafs es durch Energiespeicherung zu einem erh\u00f6hten Erregungszustand kommt, welcher sich entladet und durch seine Entladung einen gesteigerten Reiz auf das oder die Nachbarneurone bzw. die in Verbindung stehenden Nerventeile aus\u00fcbt. Dies Entladen und Ab-fliefsen sieht man bei der Bildung des hyperalgetischen Feldes. Die Juckempfindung mufs der Schmerzbahn zugewiesen werden.\nDieser Auffassung st\u00e4nden 2 andere M\u00f6glichkeiten gegen\u00fcber :\n1. Der Schmerz verf\u00fcgt nicht \u00fcber eine gesonderte zentrale Bahn und ein gesondertes Zentrum, sondern kommt durch eine besondere Art des Erregungsvorganges in den der Druckempfindung oder dem unterschmerzlichen Gemeingef\u00fchl dienenden Nerven und Zentren zustande (wie z. B. neuerdings v. Weizs\u00e4cker anninimt). Man m\u00fcfste sich dann vorstellen, dafs diese besondere Art des Erregungsablaufs nicht einfach einer st\u00e4rkeren Erregung entspreche \u2014 denn die st\u00e4rkste Druckempfindung ist etwas ganz","page":40},{"file":"p0041.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Physiologie der Gemeingef\u00fchle.\n41\nanderes als der leiseste Schmerz \u2014 sondern dafs eine Art von Umstimmung der Erregbarkeit vorliege, welche durch die im spinalen Grau wirksam werdenden von der Peripherie hergeleiteten Erregungen bedingt w\u00e4re. Ohne Zweifel ist diese Vorstellung schwierig und die Annahme einer morphologisch geschiedenen zentralen Schmerzbahn f\u00fcr unser Verst\u00e4ndnis n\u00e4herliegend.\nNeuerdings wird ein Vorstofs gegen die Lehre von den spezifischen Energien von Stein1 (bei v. Weizs\u00e4cker) gemacht. Er findet an der Hornhaut des Auges (entgegen den Behauptungen von v. Frey) die Empfindung f\u00fcr Druck, Schmerz, K\u00e4lte, W\u00e4rme, w\u00e4hrend nach Boeke die Nervenendigungen einf\u00f6rmig sein sollen. Aus dem \u2014 bis jetzt \u2014 fehlenden Nachweis von 4 spezifischen Rezeptoren schliefst er, dafs die 4 genannten Qualit\u00e4ten einem viergestaltigen Erregungsvorgang des einheitlichen Gef\u00fchlssinnes entsprechen. Es ist kaum n\u00f6tig darauf hinzuweisen, dafs gerade f\u00fcr Druck-, K\u00e4lte- und W\u00e4rmeempfindung die spezifische Energie der bez\u00fcglichen Nervenleitungen \u00fcber jeden Zweifel sicher gestellt ist.\n2. Dem Schmerz dient nicht blofs eine zentrale, sondern auch eine peripherische Schmerzleitungsbahn mit besonderen Reizempf\u00e4ugern. Hiergegen sprechen die Gr\u00fcnde, welche ich gegen die v. FREYSche Lehre geltend gemacht habe (vgl. Kapitel I).\nAlles in allem ist es somit am wahrscheinlichsten, dafs eine mechano-sensible Gemeingef\u00fchlsbahn von der Peripherie zum spinalen Grau leitet, welche sich in der angegebenen Weise dort spaltet.\nIn den Netzen der grauen Substanz laufen daher nicht blofs Vorg\u00e4nge der Umschaltung, sondern auch der Umformung der Erregungen ab. Es ist bemerkenswert, dafs aus der Umformung Empfindungen hervorgehen, welche mit einem ausgesprochenen Gef\u00fchlston begabt sind (Jucken, Schmerz) und besonders eng dem sog. Gemeingef\u00fchl angeschlossen sind.\nZu den Empfindungen, welche aus einer Umformung von Erregungen in der grauen Substanz hervorgehen, geh\u00f6ren auch die bei gewissen Reflexen auftretenden, z. B. beim W\u00fcrg-, Nies-refiex usw. Der in der grauen Substanz sich ausbreitende, die Reflexbewegung ausl\u00f6sende Reiz f\u00fchrt gleichzeitig zu einer wachsenden Erregung sensibler, zentripetaler Bahnen, welche eine bewufste Empfindung von einem eigent\u00fcmlichen qualitativen Inhalt zur Folge hat. Je mehr sich die Erregung der Reflexausl\u00f6sung n\u00e4hert, desto st\u00e4rker w\u00e4chst die Empfindung unter zunehmender Auspr\u00e4gung ihrer Qualit\u00e4t an, um mit der Entladung des Reflexes ihren H\u00f6hepunkt zu erreichen und dann j\u00e4h abzufallen. W\u00e4hrend des Ablaufes des kinetischen Anteils des Reflexvorganges str\u00f6men dem Bewufstsein neue Empfin-\n1 Klin. Woch. 17. 1925","page":41},{"file":"p0042.txt","language":"de","ocr_de":"42\nA. Goldscheider.\nd\u00fcngen zu, welche der ausgel\u00f6sten Muskelkontraktion (Niesen, Erbrechen/Ejakulation usw.) ihre Entstehung verdanken.\nDiese dem kinetischen Anteil des Reflexes entstammenden Empfindungen nehmen insofern eine eigenartige Stellung ein, als sie durch den spinalen Reflexapparat zur Ausl\u00f6sung gebracht werden und \u00fcberhaupt nur auf diesem Wege spinaler Vermittlung in Erscheinung treten k\u00f6nnen. Eine \u00e4hnliche Entstehungsweise findet sich bei den Empfindungen, welche die reflektorisch ausgel\u00f6sten Magen- und Darm-, Blasen-, Uterus- usw. Kontraktionen, die Kontraktionen der glatten Hautmuskulatur, der Blut-gef\u00e4fse (Schauder, Temperaturempfindungen), die unter krankhaften Bedingungen auftretenden Spasmen der muskul\u00f6sen Hohlorgane begleiten. Die graue Substanz erscheint in diesen F\u00e4llen als ein Organ, welches Reize summiert, auf Reflexzentren umschaltet und auf diesem Wege neue Empfindungen zur Ausl\u00f6sung bringt, welche auf dem Wege einer unmittelbaren Reizung \u00fcberhaupt nicht zustande kommen k\u00f6nnen. Es ist f\u00fcr die grunds\u00e4tzliche Bedeutung dieses Vorganges dabei ohne Bedeutung, ob er in spinalen, zerebralen oder sympathischen Reflexzentren stattfindet. Die den wachsenden summierten Reiz begleitende Empfindung wird durch den Reflexvorgang zum\nAusl\u00f6schen gebracht (Entladung, Befriedigung).\nBesonders klar tritt dieser Vorgang der Vermittlung bei den sexuellen Empfindungen und Reflexen hervor. Die Wollustempfindung w\u00e4chst w\u00e4hrend des Geschlechtsaktes an und irradiiert ganz aufserordentlich. Die Erregung der zuleitenden Bahnen wird durch die Wiederholung und Andauer des peripherischen Reizes zunehmend gesteigert und verbreitet; hier findet sicherlich eine Summation von Erregungen statt, welche in zentralen grauen Massen zustande kommt. Der Einzelreiz ruft wohl eine der Wollust \u00e4hnliche, aber gegen\u00fcber der Intensit\u00e4t, Ausbreitung und dem qualitativen \u00fcberw\u00e4ltigenden Empfindungsinhalt doch ganz unterschiedliche Empfindung hervor. Die neue Empfindung verdankt ihre Entstehung einem im spinalen Grau ablaufenden Vorgang der Umformung der aus der Peripherie zugehenden Erregungen mittels Summierung und Energiespeicherung bei gleichzeitiger Irradiation.\nZugleich mit ihrer Intensit\u00e4tssteigerung l\u00e4fst die Empfindung eine Ver\u00e4nderung ihrer Qualit\u00e4t erkennen; dies beruht zum Teil auf der Irradiation (dem Hinzutreten von anderen irradiierten Empfindungen), zum Teil auf einzelnen der definitiven Reflexentladung oft vorausgehenden Muskelkontraktionen. Man kann daher sagen, dafs der peripherische Reiz, indem er das spinale Grau durchl\u00e4uft, eine Umformung des prim\u00e4ren Empfindungs-","page":42},{"file":"p0043.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Physiologie der Gemeingef\u00fchle.\n43\ninhaltes bewirkt, welche von seiner St\u00e4rke und Dauer abh\u00e4ngt. Diese neue m\u00f6ge im Gegensatz zur prim\u00e4ren unmittelbaren als mittelbare Empfindung bezeichnet werden, eine Benennung, welche vor dem Ausdruck \u201esekund\u00e4re\u201c Empfindung Vorz\u00fcge hat, Auch die durch die Reflexentladung hinzutretenden, wenn auch auf dem Wege der Muskelkontraktion peripherisch ausgel\u00f6sten Empfindungen, sind den Komplexen der mittelbaren Empfim d\u00fcngen hinzuzurechnen. Endlich geh\u00f6ren hierher diejenigen Qualit\u00e4ten, welche durch Summation von Reizen \u00fcberhaupt erst entstehen: Schmerz, Jucken.\nBei dem Hindurchtreten durch die graue Substanz \u00fcben die sensiblen Erregungen somit eine Reihe von Wirkungen aus, welche teils zu Ver\u00e4nderungen ihrer selbst, teils zu gegenseitigen Beeinflussungen f\u00fchren: Die Erregung irradiiert in der grauen Substanz ; hierdurch k\u00f6nnen Empfindungen von ver\u00e4nderter Qualit\u00e4t entstehen. Sie schl\u00e4gt aufser zu Reflexzentren auch zum Gehirn hin eine Mehrheit von Bahnen ein. Sie wirkt auf benachbarte Teile des Graus teils im Sinne der Erh\u00f6hung, teils im Sinne der Herabsetzung der Erregbarkeit. Sie erf\u00e4hrt selbst eine Steigerung bzw. Senkung. Sie wird mit anderen gleichartigen Erregungsst\u00f6fsen zusammen summiert, indem dieselben gespeichert werden und zur Ausl\u00f6sung autochthoner Erregungen Anlafs geben. Diese fliefsen zum Gehirn hin ab, wo sie empfunden werden; gewisse Reize er\u00f6ffnen aufserdem bestimmte Reflexapparate, deren T\u00e4tigkeit wieder neue sensible Erregungen entstehen l\u00e4fst, welche f\u00fcr sich Empfindungei* besonderer Qualit\u00e4t ausl\u00f6sen. Endlich k\u00f6nnen verschiedenartige Erregungen zu assoziativen Empfindungskomplexen verschmolzen werden. Man kann die aus den verschiedenartigen Umformungen der Erregungen innerhalb des spinalen Graus hervorgehenden Empfindungen als \u201emittelbare\u201c Empfindungen bezeichnen. Dieselben geh\u00f6ren gr\u00f6fstenteils den sog. Gemeingef\u00fchlen an. Schon bei der 2. Phase der Druckempfindung f\u00e4llt es auf, dafs sie mehr in die Haut, nicht nach aufsen verlegt wird. Jucken, Schmerz, die die Reflexe begleitenden Empfindungen, werden durchweg auf den eigenen K\u00f6rper, nicht auf die Aufsenwelt bezogen. Es w\u00e4re jedoch falsch zu sagen, dafs die Gemeingef\u00fchle sich auf die mittelbaren Empfindungen beschr\u00e4nken (vgl. Kap. Gemeingef\u00fchle).\nDiese Darlegungen bringen die Vermutung nahe, dafs in der","page":43},{"file":"p0044.txt","language":"de","ocr_de":"44\nA. Goldscheider.\nein gelagerten grauen Substanz auch derjenige Vorgang zu suchen ist, welcher zum Auftreten der die Sinnesempfindungen begleitenden Gef\u00fchle f\u00fchrt. Wie durch Umformung der von der Peripherie her zufliefsenden Erregungen Gemeingef\u00fchle wie Schmerz, Jucken, Ekel, Wollust usw. entstehen, so m\u00f6gen auch die sog. Gef\u00fchlst\u00f6ne der Lust und Unlust, Annehmlichkeit und Unannehmlichkeit, welche Stumps 1 in einer sehr ansprechenden Theorie als Gef\u00fchlsempfindungen auffafst, in der grauen Substanz zustande kommen. Wie taktile Reize durch Speicherung und Umformung der Erregung in der grauen Substanz Gef\u00fchle verschiedener Art entstehen lassen, so k\u00f6nnten auch optische, akustische usw. Reize in \u00e4hnlicher Weise zur Ausl\u00f6sung von gewissen Gef\u00fchlen Veranlassung geben, welche eben das darstellen, was wir als Lust- oder Unlustgef\u00fchlst\u00f6ne zu bezeichnen pflegen. Der Unterschied gegen\u00fcber den sog. Gemeingef\u00fchlen w\u00fcrde darin bestehen, dafs letztere einen bestimmten Empfindungsinhalt haben, w\u00e4hrend ersteren nur die nicht mehr als Empfindungsqualit\u00e4t erkennbare \u201eStimmung\u201c der Lust oder Unlust eigen ist. Man ist daher im allgemeinen geneigt, diese die Empfindungen begleitenden Gef\u00fchle mehr den Affekten als den Empfindungen zuzurechnen. Aber es l\u00e4fst sich mit demselben Recht eine entgegengesetzte Auffassung verteidigen. Das Angenehme oder Unangenehme der Gemeingef\u00fchle ist ohne Affekt vorhanden, durch die Qualit\u00e4t der Empfindung als solche bestimmt. Es ist nicht blofs denkbar, sondern sehr wahrscheinlich, dafs es Empfindungen von sehr schwachem Inhalt gibt, welche aber trotzdem die Lust oder Unlust deutlich erkennen lassen.\tEs d\u00fcrfte z. B. sehr schwer sein, den Unterschied\nzwischen frischer Luft und weniger guter Luft nach dem Empfindungsinhalt genauer anzugeben, von etwaigen \u00fcblen Ger\u00fcchen abgesehen, w\u00e4hrend die Annehmlichkeit der einen und die Unannehmlichkeit der anderen sich uns ohne weiteres aufdr\u00e4ngt und doch m\u00fcssen feinste Empfindungsunterschiede vorhanden sein. Ich m\u00f6chte mich der Beweisf\u00fchrung von Stumpf ganz anschliefsen und finde, dafs sie sich sinnesphysiologisch sehr wohl begr\u00fcnden l\u00e4fst.\n1 Zeitschr. f. Psychol, u. Physiol, d. Sinnesorgane 44, I. Abt., S. 1, 1907. \u2014 Ebendort 75, S. 1, 1915.","page":44},{"file":"p0045.txt","language":"de","ocr_de":"Beitr\u00e4ge zur Physiologie der Gemeingef\u00fchle.\n45\nErgebnisse (Kap. III und IY).\n1.\tEin Teil der Gemeingef\u00fchle wird durch dieselben Nervenapparate zugeleitet, welche unter anderen Bedingungen objektivierte Sinnesempfindungen bewirken.\n2.\tGemeingef\u00fchle im engeren Sinne sind solche, welche aus-schliefslich auf den eigenen K\u00f6rper bezogen werden.\n3.\tLetztere verdanken ihre Entstehung nur mittelbar peripherischen Reizen und werden durch Umformungsvor-g\u00e4nge derselben in der eingelagerten grauen Substanz ausgel\u00f6st.\n4.\tIn der grauen Substanz finden komplizierte und mannigfaltige Vorg\u00e4nge von gegenseitiger Beeinflussung der Erregungen, von Energiespeicherung und Umformung statt.","page":45}],"identifier":"lit35949","issued":"1926","language":"de","pages":"1-14, 15-25, 26-34, 35-45","startpages":"1","title":"Beitr\u00e4ge zur Physiologie der Gemeingef\u00fchle [I. Physiologie des Schmerzes / II. Physiologie der Kitzel- und Juckempfindung / III. \u00dcber Gemeingef\u00fchle / IV. \u00dcber die Beziehungen der grauen Substanz zu den Gemeingef\u00fchlen]","type":"Journal Article","volume":"57"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:47:32.731828+00:00"}

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