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{"created":"2022-01-31T16:10:09.363840+00:00","id":"lit35972","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"Skramlik, Emil v.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 56: 69-140","fulltext":[{"file":"p0069.txt","language":"de","ocr_de":"69\n*\n(Aus dem physiologischen Institut der Universit\u00e4t Freiburg i. Br.)\n\u2022 \u2022\nUber die Lokalisation der Empfindungen bei den\nniederen Sinnen.\nVon\nEmil y. Skramlik (Freiburg i. Br.).\n(Mit 10 Textabbildungen.)\nInhalt.\tSeite\nI.\tEinleitung und Fragestellung................................ 69\nII.\tEigene Untersuchungen...................................... 70\nA.\tDie Lokalisation der\tGeschmacksempfindungen..............70\nB.\t\u201e\t\u201e\t\u201e\tGeruchsempfindungen.................. 88\nC.\t\u201e\t\u201e\t\u201e\tTemperaturempfindungen................123\nD.\t\u201e\t\u201e\t\u201e\tSchmerzempfindungen...................135\nIII.\tZusammenfassung der Versuchsergebnisse.....................139\nI. Einleitung und Fragestellung.\nZur genaueren Charakterisierung einer Empfindung m\u00fcssen zu den Angaben \u00fcber ihre Qualit\u00e4t und Intensit\u00e4t auch solche \u00fcber ihre Lage im Raum hinzukommen. Die F\u00e4higkeit, Empfindungen richtig im Raume unterzubringen, bezeichnet man als das Lokalisationsverm\u00f6gen. Die Methoden zu dessen Untersuchung sind von Weber f\u00fcr das Getast in musterg\u00fcltiger Weise entwickelt worden. Man kann bei den Fernsinnen pr\u00fcfen, ob und mit welcher Sicherheit angegeben wird, von wo aus ein Reiz wirkt, oder bei den Nahsinnen, wo ein Reiz das periphere Sinnesfeld getroffen hat. Man kann aber auch fragen, wie weit voneinander entfernt zwei Reize einwirken m\u00fcssen, damit sie getrennt wahrgenommen werden. Soweit die Sprache diese beiden Verfahren zu charakterisieren gestattet, wird mit Hilfe des ersteren das absolute Erkennungs-,\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 56.\t6","page":69},{"file":"p0070.txt","language":"de","ocr_de":"70\nEmil v. Skramlik.\ndes zweiten das Unterscheidungsverm\u00f6gen bei dem betreffenden Sinneswerkzeug untersucht. Wir wdssen, dafs bei\nGesicht und Getast die Sicherheit des ersteren und die Feinheit\n*\ndes letzteren sehr grofs, aber \u00f6rtlich ungleich ist. So sind beide\nin der Netzhautgrube st\u00e4rker ausgebildet als an der Peripherie,\nan der Fingerbeere besser als auf dem R\u00fccken. Im Gegensatz\nzu dem hochentwickelten Lokalisationsverm\u00f6gen bei diesen beiden\nSinnen ist das des Geh\u00f6rs als ein d\u00fcrftiges zu bezeichnen.\nEin ausreichend gesichertes Untersuchungsmaterial1 hat gelehrt,\ndafs hier die Unterscheidung von rechts und links stets richtig\nerfolgt, die von vorn und hinten Irrt\u00fcmern unterworfen und die\n\u2022 \u2022\nvon oben und unten ganz unsicher ist. Uber das Lokalisationsverm\u00f6gen bei den \u00fcbrigen Sinneswerkzeugen sind wir bisher nur sehr mangelhaft unterrichtet. Es bestehen nur sp\u00e4rliche Angaben \u00fcber die absolute Erkennung des Reizortes beim Geschmacks-, Temperatur- und Schmerzsinn. Daher sollte es Aufgabe der vorliegenden Untersuchung sein, das Lokalisation s verm\u00f6gen vor allem nach der Seite der Unterscheidung zweier Reizstellen beim Geschmacks-, Geruchs-, Temperatur- und Schmerz sinn in m\u00f6glichst umfassender Weise zu pr\u00fcfen.2\nII.\nA. Die Lokalisation der Geschmacksempfindungen.\nDie Versuche zur Bestimmung des Lokalisationsverm\u00f6gens beim Geschmackssinn 3 k\u00f6nnen nat\u00fcrlich nur so angestellt werden, dafs man gleichzeitig zwei Stellen des Sinnesfeldes auf der Zunge mit verschieden schmeckenden L\u00f6sungen bepinselt und aussagen l\u00e4fst, welche Qualit\u00e4t an der einen, welche an der anderen getroffenen Stelle empfunden wurde. Dieser Vorgang entspricht nicht der Bestimmung der Raumschwellen beim Tastsinn mit zwei zugleich aufgesetzten Spitzen ; denn f\u00fcr den Geschmack\n1\tJ. v. Kries, \u00dcber das Erkennen der Schallrielitung. Zeitschr. f. Psychol, und Physiol, d. Sinnesorg. 1, 235. 1890.\n2\tVgl. auch die kurze Mitteilung: v. Skramlik, \u00dcber die Lokalisation der Geschmacksempfindungen. D. med. Wochenschrift, Nr. 46, 1921 ; sowie Per. \u00fcb. d. yes. Physiol. 22 (5/6), 1924.\n3\tMeines Wissens bestehen hier\u00fcber gar keine Angaben. M. Ponzo hat (Atti del V. congresso int. di Psicolog. 274 Roma 1906) bei anomaler Lage der Zunge einige Versuche \u00fcber die Lokalisation der Geschmacksempfindungen angestellt.","page":70},{"file":"p0071.txt","language":"de","ocr_de":"Lokalisation der Empfindungen bei den niederen Sinnen.\n71\nmufste das Verfahren dahin abge\u00e4ndert werden, dafs gleichzeitig entweder zwei verschiedene Qualit\u00e4ten, oder zwei verschiedene Konzentrationen der gleichen Qualit\u00e4t zur Darbietung gelangen. Eine andere Methodik l\u00e4fst sich hier nicht anwenden, denn beim Bepinseln einer Stelle k\u00f6nnte nat\u00fcrlich der Reizort auch durch den Tastsinn bestimmt werden. So aber ist dessen Einflufs v\u00f6llig ausgeschaltet.\nAls Vpn. waren t\u00e4tig: die Herren 1. Dr. med. Waltee Betzendahl, 2. Dr. med. Wilhelm Senner, 3. Verf., sowie die Damen 4. cand. med. Franziska Birkenhauer, 5. cand. med. Ida Franke, 6. cand. med. Hella Korn, 7. cand. med. Frieda Reitmayer, 8. cand. med. Anna Schoeller, 9. cand. med. Grete Steinbach, 10. cand. med. Lena Tresp.\nEs liegt mir am Herzen, meinen Mitarbeitern f\u00fcr die grofse Sorgfalt und M\u00fche, sowie das Interesse, das sie den Versuchen zugewendet haben, auch an dieser Stelle bestens zu danken.\nAls Geschmacksreize gelangen am besten reine Vertreter der vier Komponenten bitter, salzig, sauer und s\u00fcfs zur Verwendung und zwar in einer solchen Konzentration, dafs sie wohl stark \u00fcberschwellige, aber nicht etwa unangenehme Empfindungen ausl\u00f6sen. Bei der Pr\u00fcfung des Lokalisationsverm\u00f6gens nach dem angegebenen Verfahren hat sich sehr bald gezeigt, von welcher Bedeutung f\u00fcr das Ergebnis die genaue Kenntnis der Verteilung der Empfangsapparate ist. Die Untersuchung gliedert sich daher in einen anatomischen und einen physiologischen Teil.\na) Anatomischer Teil.\nEine eingehendere Betrachtung der Zungen von verschiedenen Vpn. in Verbindung mit photographischen und zeichnerischen Aufnahmen hat gelehrt, dafs die Papillen, welche die eigentlichen Sinneswerkzeuge, die Geschmacksknospen, enthalten, nicht nur individuell verschieden angeordnet, sondern auch bei derselben Person an symmetrischen Stellen in ungleicher Zahl und Bildung vertreten sind. So finden sich auf der Zungenoberfl\u00e4che rechts und links von der Raphe, die als sagittal verlaufende Symmetrieachse dienen kann, auf gleich grofsen und symmetrisch gelegenen leldern Papillen in wechselnden Mengen; aber nicht nur hier, sondern auch an den R\u00e4ndern,\nder Mitte und dem Zungengrunde. Das lehren die beigef\u00fcgten\n6*","page":71},{"file":"p0072.txt","language":"de","ocr_de":"72\nEmil v. Skramlik.\nAbbildungen 1 und 2 von Zungen zweier Vpn. Ausdr\u00fccklich sei bemerkt, dafs nur die Papillae fungiformes gezeichnet sind, die sich wegen ihrer lebhaft roten Farbe von ihrer Unterlage\nAbbildung 1.\nAbbildung 2.\nZungen zweier Vpn. (3, 9). Jedes Quadrat der Zeichnung entspricht einem Quadratzentimeter der Wirklichkeit. Man beachte die ungleiche Verteilung der Papillen auf symmetrisch gelegenen Feldern einer Zunge, sowie die individuellen Unterschiede in der Verteilung der Papillen auf zwei verschiedenen Zungen.\ngut abheben. Die Zeichnungen erheben nat\u00fcrlich keinen Anspruch auf volle Genauigkeit; die individuellen Unterschiede und anatomischen Asymmetrien sind aber so augenf\u00e4llig, dafs sie leicht wiedergegeben werden k\u00f6nnen. \u00dcberdies wurden die Verschiedenheiten durch Z\u00e4hlung der. Papillen festgehalten. Die Bestimmung erfolgte so, dafs man die Papillen auf einem d\u00fcnnen","page":72},{"file":"p0073.txt","language":"de","ocr_de":"Lokalisation dev Empfindungen bei den niederen Sinnen.\n73\ngeschliffenen Objekttr\u00e4ger mit Quadratmillimetereinteilung markierte, welcher auf die vorgestreckte Zungenspitze aufgedr\u00fcckt wurde. Der Kopf der Vp. ruht dabei auf einer Kinnst\u00fctze. Das Vorhalten der Zunge f\u00e4llt im Anfang manchmal etwas schwer, wird aber durch \u00dcbung beg\u00fcnstigt. Auch kann es dadurch erleichtert werden, dafs man die vorgestreckte Zunge mit den Z\u00e4hnen festh\u00e4lt. Um die Papillen deutlicher zu sehen, wurde bei der Aufnahme eine linear zehnfach vergr\u00f6fsernde Prismenlupe benutzt. Zur Wiederholung der Z\u00e4hlung bei derselben Vp. ist erforderlich, dafs die Zunge die gleiche Stellung einnimmt. Zur Erleichterung des Auffindens derselben wurden auf der Zungenspitze und den -r\u00e4ndern gewisse Punkte gezeichnet, die man mit entsprechenden Marken auf dem Objekttr\u00e4ger zur Deckung brachte. Die grofse Verschiebbarkeit der pilzf\u00f6rmigen Papillen, die nach den verschiedensten Richtungen umgelegt werden k\u00f6nnen, bewirkt, dafs auf den cm2 stets eine wechselnde Zahl zu liegen kommt. Dieses Verhalten \u00e4ndert wohl etwas an ihrer Verteilung auf den beiden Zungenh\u00e4lften, aber nichts an der Gesamtsumme. \u00dcberdies sind die Schwankungen keine grofsen ; die bei zwei verschiedenen Bestimmungen an der gleichen Zunge gefundenen Zahlen unterscheiden sich voneinander um maximal 10\u201415%. Die auf der Glasplatte markierten Papillen wurden zum dauernden Festhalten des Ergebnisses auf Pauspapier abgezeichnet und von da auf Millimeterpapier \u00fcbertragen. Die Ausz\u00e4hlung erfolgte in der gleichen Weise wie sie bei den Blutk\u00f6rperchen \u00fcblich ist; diejenigen Papillen, die sich auf dem linken und oberen Begrenzungsstrich des Quadrats befanden, wurden noch in dasselbe hineingez\u00e4hlt.\nTabelle 1.\nVp.\tPapillenzahl auf der Zungenh\u00e4lfte\t\n\trechts\tlinks\n1\t99\t139\n3\t119\t120\n7\t178\t195\nDie Ausz\u00e4hlungen auf den beiden Zungenh\u00e4lften lehren, dafs die linke vielfach etwas mehr Papillen auf weist, als die","page":73},{"file":"p0074.txt","language":"de","ocr_de":"74\nEmil v. Skramlik.\nrechte. Indessen ist der Unterschied (s. Tab. 1) nicht immer so grofs wie bei Vp. 1, wo sich links 139, rechts 99 finden. Besonders auffallend ist aber die ungleiche Verteilung an symmetrischen Stellen, die aus den beigef\u00fcgten Abbildungen 3 und 4 von zwei Vpn. entnommen werden kann.\n7 Z 3\t4\t5\t6\t7\t8\t9\t70\t11 7Z\nAbbildung 3.\nh\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n9\t*\t\u2022 \u2022\t\u2022 * \u2022\t\t\t\u2022\t\u2022\t\u2022\t\t\t\t9\t9 9\t\t\u2022 9 9\t\u2022\n\u00df\t\t\u2022 \u2022. \u2022\t*****\t\u2022 \u2022 \u2022\t9 \u2022\t\t\t\u2022\t\t\t\t\t\t\u2022 \u2022\t* \u2022 \u2022\u2022 \u2022 \u2022 \u00bb r\t\u2022\ne\t\t\t'\u2022 \u2022 V\t\u25a0 V* \u2022 \u2022 \u2022\t\u2022 \u2022 \u2022\t\u2022 \u2022.\t\u2022 \u2022 \u2022 \u2022\t. \u00bb\t*\u2022 \u2022 \u2022\t\u2022 9 9\t\t\u2022 \u2022\t\u00bb\u00bb \u2022 \u2022 \u2022 \u2022\t\t,*. , \u2022 \u00e8\t\nd\t\t\t\u2022\t\u2022 *\t, \u00bb\t\u2022 \u2022\u2022 \u2022 \u2022 \u2022 \u2022*.\t* * * \u25ba \u2022 \u2022 ,\tt\t\t\u2022 \u2022 \u2022 \u00ab\t\u2022\t\t\u2022 \u2022 \u2022 \u2022 \u2022 \u2022\t\u2022\t\u2022 \u2022 \u2022 \u00bb\t\t\nc\t\t\t\t\t\u2022 \u2022 \u2022 \u2022\t\u2022 \u2022 . \u2022 \u2022 \u2022 \u00ab \u2022*\t\u25a0'\u20221\t\t9 \u2022 \u2022 \u2022 \u2022\t* . ' \u2022 \u2022 \u2022 9 % \u00bb'\u2022\t\u2022\t9 \u2022\t9\t\t\t\t\t\nl\t\t\t\t\t\u2022 \u2022 \u2022 \u2022 \u2022\t: .\tV\u00ab *. *.* . < \u00ab 4*\t\u2022\u2022 \u2022 \u2022 \u2022 \u00ab\t.\u2018\u25a0U*.\t\u2022 9\t\u2022 * \u2022\u2022 \u2022'\t\u2018 s \\ \u2022 \u2022 *\t\u00bb \u00bb \u2022\t\t\t\t\na\t\t\t\t\t.\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\t7\t\t3\t\u00a5\t5\t6\t7\t8\t9\t70\t11\t1Z\t13\t74\u00ab\t75\t76\nh\n9\n\u00df\ne\nd\nc\nb\na\nL\nAbbildung 4.\nDarstellung der Papillenverteilung auf der Zungenspitze (von Vpn. 3 u. 7), wie sie durch Markierung auf einem in Quadratmillimeter eingeteilten, geschliffenen Objekttr\u00e4ger gefunden wurde. Ein Quadrat der Zeichnung\nentspricht 0,25 cm2 der Wirklichkeit.\nSo sind bei Vp. 3 in dem linken Felde 8d zwei, in dem symmetrisch rechts gelegenen 5d zehn Papillen. Noch ausgepr\u00e4gter sind die Unterschiede an den Seitenteilen, wo sich z. B. bei der gleichen Vp. links (Feld lld) acht, an der symmetrischen Stelle rechts (Feld 2d) eine befindet. Diese Asymmetrien im anatomischen Aufbau gehen in gleicher Weise aus der Abbildung 4 hervor.","page":74},{"file":"p0075.txt","language":"de","ocr_de":"Lokalisation der Empfindungen bei den niederen Sinnen.\n75\nWie schon fr\u00fcheren Beobachtern 1 aufgefallen war, ist auch die Ausdehnung der von Papillen freien Zone auf dem Zungenr\u00fccken individuell eine sehr verschiedene. Gelegentlich finden sich hier, besonders an den den seitlichen R\u00e4ndern benachbarten Teilen einzelne versprengte ; vielfach ist aber zwischen den Papillen der Zungenspitze und den Papillae vallatae des Zungengrundes \u00fcberhaupt keine gelegen.\nAbbildung 5.\nZunge eines \u00f6j\u00e4hr. Kindes (Mimi v. S.). Die Papillen sind viel regelm\u00e4fsiger \u00fcber die Zungenfl\u00e4che verteilt, als beim Erwachsenen. Jedes Quadrat der Zeichnung entspricht einem Quadratzentimeter der Wirklichkeit.\n9\t70\t11 IX.\nAbbildung 6.\nDarstellung der Verteilung der Papillen auf der Zunge eines neunj\u00e4hrigen Kindes (Toni v. S.), wie sie durch Markierung auf einem in Quadratmillimeter eingeteilten, geschliffenen Objekttr\u00e4ger gefunden wurde. Ein Quadrat der Zeichnung entspricht 0,25 cm2 der Wirklichkeit.\nDie bisher beschriebenen Verh\u00e4ltnisse sind beim Erwachsenen anzutreffen. Im Gegensatz dazu haben Beobachtungen an Kindern gelehrt, dafs bei diesen die Papillen noch \u00fcber die ganze Zungenoberfl\u00e4che verteilt sind. Dazu ist die Verteilung eine sehr viel regelm\u00e4fsigere als beim Er-\n1 Schreiber zitiert nach Nagel, Handbuch III, 622. 1909, sowie L. E. Shore, A contribution to our knowledge of taste sensations. Journ. of physiol 13, 191. 1892.","page":75},{"file":"p0076.txt","language":"de","ocr_de":"76\nEmil v. Skramlik.\nwachsenen (s. Abb. 5). Immerhin kommen auch hier Asymmetrien im anatomischen Aufbau vor; doch sind diese sehr viel geringer, wie aus dem beifolgenden Schema Abbildung 6 hervorgeht. So finden sich in der Reihe a auf den rechten Feldern 4, 5, 6 vier, acht, zw\u00f6lf Papillen und auf den symmetrisch gelegenen links 9, 8 und 7 vier, sechs, elf. Diese Feststellungen bilden eine neue St\u00fctze f\u00fcr die Lehre, dafs im Laufe des Wachstums eine grofse Zahl von Papillen zugrunde geht.\nb) Physiologischer Teil.\nVor allem sollte das absolute Erkennungsverm\u00f6gen f\u00fcr Reizstellen durch den Geschmackssinn gepr\u00fcft werden. Zur Durchf\u00fchrung dieser Aufgabe wurden auf der Zungenoberfl\u00e4che vier Abschnitte abgegrenzt, zwei vordere mit Anteilen der Zungenspitze und der -r\u00e4nder, und zwei hintere, welche die Papillae foliatae und vallatae enthalten. Diese vier Felder wurden (s. Abb. 7) mit Zahlen bezeichnet und paarweise miteinander verglichen.\nAbbildung 7.\nSchematische Zeichnung einer Zunge mit Einteilung in 4 Felder. Auf der dem Rachen zugewendeten Fl\u00e4che sind die Papillae vallatae\nangedeutet.\nAls Geschmacksreize gelangten in dieser ersten Serie von Versuchen eine 0,0063 m Chinin, hydrochl.-, 1,71 m NaCl-, 0,059 m Weinsteins\u00e4ure- und eine 1,11 m Traubenzuckerl\u00f6sung zur Verwendung. Wie aus den Zahlen hervorgeht, sind die Konzentrationen ziemlich starke. Dies war erforderlich, um das Erkennen zu erleichtern; denn es wurde an der vorgestreckten ruhig gehaltenen Zunge experimentiert und zwar so, dafs die L\u00f6sungen dem gew\u00fcnschten Feld mittels Haarpinsel aufgebracht wurden, die ungef\u00e4hr 1/2 ccm aufnahmen. Die Zunge mufste ruhig gehalten werden, um eine Vermengung der Geschmacks-","page":76},{"file":"p0077.txt","language":"de","ocr_de":"Lokalisation der Empfindungen bei den niederen Sinnen.\n77\nlosungen zu verh\u00fcten. Jeder kann sich davon \u00fcberzeugen, wie sehr aber die Empfindlichkeit des Geschmackssinns leidet, wenn Bewegungen der Zunge nicht gestattet sind, weiter wenn nicht die ganze Zunge zur Pr\u00fcfung herangezogen werden kann, sondern nur begrenzte Teile. Einen gewissen Ersatz f\u00fcr diesen Ausfall bietet dann die Verst\u00e4rkung der Konzentration und das Einpinseln, wodurch der gew\u00f6hnliche Schmeckakt einigermafsen nachgeahmt wird. Die eigentlichen Versuche konnten erst angestellt werden, wenn die Vp. so weit einge\u00fcbt war, dafs sie auf allen vier Feldern die vier Arten von Geschmacksreizen mit Sicherheit erkannte. Es ist befremdlich, dafs selbst so konzentrierte L\u00f6sungen bei unbewegter Zunge und begrenztem Schmeckfeld im Anfang nicht erkannt werden. Die einzelnen Qualit\u00e4ten verhalten sich dabei aber ungleich. Jeder erkennt entweder sofort oder nach wenigen Wiederholungen den s\u00fcfsen Geschmack des Traubenzuckers; bitter mufs etwas \u00f6fter ge\u00fcbt werden, verursacht aber zumeist keine besonderen Schwierigkeiten. Salzig und sauer dagegen werden anfangs vielfach verwechselt; bei manchen Vpn. mufsten sogar in verschiedenen Sitzungen diese Qualit\u00e4ten wiederholt geprobt werden, bevor ihre Unterscheidung mit Sicherheit gelang. Nach jeder einzelnen Darbietung wurde die Mundh\u00f6hle sorgf\u00e4ltig mit Trinkwasser gereinigt, bevor man eine neue Probe reichte. In der Kegel verstrichen zwischen je zwei Darbietungen ann\u00e4hernd drei Minuten. Die Versuche wurden an einer Vp. nicht zu lange fortgesetzt, um eine Erm\u00fcdung psychischer Art zu vermeiden; bei der Darbietung von bitter mufste aber das Experiment zumeist sehr fr\u00fch abgebrochen werden, da sich durch die wiederholte Aufpinselung von Chinin, vor allem aber durch das nachfolgende Absp\u00fclen, der Bittergeschmack \u00fcber die ganze Zunge verteilt und nicht mehr recht zu entfernen ist.\nDas angewendete Verfahren war stets ein unwissentliches. Die Vp., die dem Versuchsleiter gegen\u00fcber safs, mufste w\u00e4hrend der Darbietung die Augen geschlossen hallen. Die Zahl der bin\u00e4ren Kombinationen betr\u00e4gt bei vier Qualit\u00e4ten und vier Versuchsfeldern 36. Sie ist so grofs, dafs die Versuche durch eine Er war tungs Vorstellung nicht beeinflufsbar sind.\nDie Untersuchung des Lokalisationsverm\u00f6gens auf den vier abgegrenzten Feldern nach dem angegebenen Verfahren hat nun ergeben, dafs bei Verwendung der vier L\u00f6sungen","page":77},{"file":"p0078.txt","language":"de","ocr_de":"78\nEmil v. Skraml\u00efk.\nmit wohlausgepr\u00e4gtem Geschmack eine richtige r\u00e4umliche Unterbringung der Empfindungen m\u00f6glich ist. Bringt man also z. B. auf Feld 1 die Qualit\u00e4t s\u00fcfs, auf 2 die Qualit\u00e4t bitter, so werden beide erkannt und ihre \u00d6rtlichkeit richtig angegeben, freilich erst nach Erlangung einiger \u00dcbung. Dies besagt, dafs niemand von vornherein lokalisieren kann, sondern es erst lernen mufs. Gewisse Schwierigkeiten verursacht allerdings auch der ziemlich komplizierte Urteilsprozefs, n\u00e4mlich das Erkennen der beiden Qualit\u00e4ten und die Ortsbestimmung. Auch sind manche Qualit\u00e4tenkombinationen, vor allem salzig und sauer, nicht leicht zu zergliedern. Es ergab sich aber bei der Pr\u00fcfung aller bin\u00e4ren Kombinationen, die durcheinander auf zwei verschieden zusammengestellten Feldern gereicht wurden, dafs man das Lokalisationsverm\u00f6gen allm\u00e4hlich erwerben kann.\nDie Geschmacksempfindungen richtig r\u00e4umlich unterzubringen, ist auch durchf\u00fchrbar, wenn gleichzeitig 3, ja sogar alle 4 Qualit\u00e4ten aufgepinselt werden. Doch gelang dies nur wenigen Vpn., nach langer \u00dcbung und auch dann nicht ausnahmslos. Bei diesen Versuchen zeichnete sich besonders Vp. 7 aus. Zumeist wurden nur drei Qualit\u00e4ten erkannt und lokalisiert und die vierte, die nicht deutlich ins Bewufstsein tritt, nur per exclu-sionem \u00f6rtlich bestimmt.\nVerst\u00e4rkt man die eine Reizqualit\u00e4t und schw\u00e4cht die anderen zu Konzentrationen ab, die aber noch immer ein vielfaches der Schwelle f\u00fcr das betreffende Feld betragen, so gelangen Unterdr\u00fcckungserscheinungen zur Beobachtung. Diese \u00e4ufsern sich darin, dafs der schw\u00e4chere Reiz bei Gegenwart des st\u00e4rkeren nicht wahrgenommen wird. Dies Verhalten entspricht beim Gesichtssinn z. B. dem Lesen mit einem Auge, wobei das zweite dunkle Gesichtsfeld bekanntlich nicht weiter st\u00f6rt und zumeist v\u00f6llig vernachl\u00e4ssigt wird. Als starke Konzentrationen dienten die bereits fr\u00fcher angef\u00fchrten L\u00f6sungen. Nach erlangter \u00dcbung konnte man bei Einzeldarbietungen auf den 4 Feldern bis auf eine 0,0003 m Chinin, hydrochl. \u2014, 0,1 m NaCl \u2014, 0,015 m Weinsteins\u00e4ure \u2014 und 0,14 m Traubenzuckerl\u00f6sung herabgehen, ohne das Erkennen zu erschweren. Wurde nun gleichzeitig eine von den starken L\u00f6sungen in einer der drei bin\u00e4ren Kombinationen mit den schw\u00e4cheren auf zwei Feldern dargeboten, so ergab sich, wenn auch nicht immer eine v\u00f6llige Unterdr\u00fcckung, doch","page":78},{"file":"p0079.txt","language":"de","ocr_de":"Lokalisation der Empfindungen bei den niederen Sinnen.\n79\nzumeist eine erheblicheErschwerung desErkennens der schw\u00e4cheren Qualit\u00e4t.\nDas geht aus der folgenden Tabelle 2 hervor.\nTabelle 2.\nFeld II\tDarbietung\tAus- sage\tVp.\tFeld\tDarbietung\tAus- sage\n1 1 1 1\t0,0063 m Chin. hydr. bitter\t\t5 1 j\t1\t1,71 m NaCl I\t\tsalzig \u25a0\n2 3\t0,015 m Weinst.\t0\t\t2\t0,015 m Weinst.\t0\n2 3\t0,0063 m Chin. hydr.\tbitter\t\t2\t1,71 m NaCl\tsalzig\n1 1 _\t0,015 m Weinst.\t0\t\t\t1\t0 015 m Weinst.\t0\n1 1\t1,71 m NaCl\tsalzig\t\t3\t0,059 m Weinst.\tsauer\t\ni 2 j\t0,0003 m Chin. hydr.\t0\t\t2\t0,1 m NaCl\t0\n1 2\t1,71 m NaCl\tsalzig\t\t\t2\t0,059 m Weinst.\tsauer\n1 \u20221\t0,0003 m Chin. hydr.\tbitter?\t\t1\t0,1 m NaCl\t0\nSie lehrt, dafs z. B. von Vp. 4 bei gleichzeitiger Darbietung einer 0,0063 m Chinin, hydrochl. auf dem Felde 1 und einer 0,015 m Weinsteins\u00e4urel\u00f6sung auf dem Felde 2 nur das Bitter empfunden wird. In Gegenwart des starken Bitterreizes wird das Sauer, das bei alleiniger Darbietung wohl zu erkennen ist, v\u00f6llig unterdr\u00fcckt. Das gleiche ist der Fall bei der umgekehrten Anordnung der Reize, wenn also bitter sich auf Feld 2, sauer auf Feld 1 befindet, sowie auch beim Zusammenarbeiten der Felder 1 und 3, d. h. die Unterdr\u00fcckung gelangt nicht nur auf Feldern verschiedener, sondern auch der gleichen Zungenseite zur Beobachtung.\nDie Unterdr\u00fcckungserscheinungen sind beim Geschmack grofsen individuellen Schwankungen unterworfen. Es zeigt sich auch bei dieser Gelegenheit wieder, wie dieser Sinn bei jedem einzelnen Individuum verschieden arbeitet.1 Wird z. B. bei stark vertretenem Salzig f\u00fcr Vp. 4 vorwiegend das Bitter und S\u00fcfs unterdr\u00fcckt, so ist es f\u00fcr drei\n1 Vgl. hier\u00fcber Emil v. Skramlik, Mischungsgleichungen im Gebiete des Geschmacksinns I. u. II. Ber. \u00fcber d. gesamte Physiol. II. 168, Zeitschr. f. Sinnesphysiol. 53, S. 36 u. 219. 1921.","page":79},{"file":"p0080.txt","language":"de","ocr_de":"80\nEmil v. Skraml\u00efk.\nweitere Vpn. (5, 6, 7) vor allem das Sauer. Bei starkem Sauerreiz wird wieder besonders das Salzig beeinflufst (Vpn. 5, 6, 7), seltener das S\u00fcfs (Vp. 4). Dieses Ergebnis steht in guter \u00dcbereinstimmung mit dem Befunde, dafs die Unterscheidung von salzig und sauer h\u00e4ufig grofse Schwierigkeiten verursacht und macht den l\u00e4ndlichen Sprachgebrauch verst\u00e4ndlich, bei dem diese beiden Qualit\u00e4ten zumeist verwechselt werden. Bei starkem Bitterreiz kommt es zumeist zur Unterdr\u00fcckung von sauer, seltener von salzig (Vpn. 4, 5, 6, 7). Interessant ist, dafs neben einem starken S\u00fcfs reiz alle schwach vertretenen Qualit\u00e4ten ausnahmslos von allen Vpn. mit Sicherheit erkannt werden.\nIm Anschlufs an diese Befunde kann hier die Frage gestellt werden, welches die verschiedenen Konzentrationen dreier Qualit\u00e4ten sind, welche mit der vierten willk\u00fcrlich gew\u00e4hlten den Eindruck gleicher Intensit\u00e4t machen. Bei dem Versuche, sie zu beantworten, st\u00f6fst man auf \u00e4hnliche Schwierigkeiten wie beim Gesichtssinn in der heterochromen Photometrie, wenn man z. B. vor die Aufgabe gestellt wird, zu einem bestimmten Rot ein Gr\u00fcn gleicher Helligkeit ausfindig zu machen. Zu allen \u00fcbrigen Erschwernissen (absolute Reizst\u00e4rke, Zustand des Sinneswerkzeugs u. a.) gesellen sich beim Geschmackssinn noch individuelle Schwankungen; man kann h\u00f6chstens das eine mit Sicherheit sagen, dafs der S\u00fcfsreiz sehr stark gew\u00e4hlt werden kann, ohne neben den anderen Qualit\u00e4ten besonders aufdringlich zu erscheinen.\nDie Erscheinungen der Unterdr\u00fcckung sind nicht nur physiologisch, sondern auch anatomisch von Interesse. Wird doch beim Gesichtssinn Wettstreit sowohl wie Unterdr\u00fcckung auf die Nachbarschaft der zentralen Projektionen peripherer Felder zur\u00fcckgef\u00fchrt, die durch die teilweise Kreuzung der Sehnervenfasern im Chiasma bedingt ist. Es ist nun zweifellos statthaft, aus der gleichartigen Funktion einen Schlufs auf eine gleichartige anatomische Grundlage zu ziehen. Dann aber haben wir in den Erscheinungen der Unterdr\u00fcckung beim Geschmackssinn einen Hinweis zu erblicken, dafs die Fasern, die von den beiden H\u00e4lften des peripheren Sinnesfelds zu den zentralen Anteilen hinziehen, an einer Stelle teil weise gekreuzt sind, oder aber, noch sch\u00e4rfer ausgedr\u00fcckt, dafs jeder Teil des peripheren Sinnesfelds im Zentrum zu beiden Seiten, d. h. doppelt repr\u00e4sentiert ist. Bei dem Mangel an gesicherten Tatsachen auf diesem","page":80},{"file":"p0081.txt","language":"de","ocr_de":"Lokalisation dey' Empfinduyigen bei den niederen Sinnen.\nschwierigen anatomischen Gebiet ist diese Feststellung von Be-deutung.\nIn den Unterdr\u00fcckungserscheinungen, die auf Feldern der gleichen Zungenseite zur Beobachtung gelangen, k\u00f6nnte es sich ebenfalls um einen Wettstreit handeln. Die anatomische Grundlage f\u00fcr diese Erscheinung w\u00e4re dann darin gegeben, dafs sich die zu einer Zungenseite hinziehenden \u00c4ste des Lingualis und Glossopharyngeus, die den vorderen bzw. hinteren Anteil versorgen, nicht streng auf einen bestimmten Bezirk beschr\u00e4nkt bleiben, vielmehr wechselseitig auf den benachbarten \u00fcbergreifen, wie Zander durch sorgf\u00e4ltige Pr\u00e4paration der Zungennerven nachgewiesen hat. Danach scheint es, als ob von gewissen Zungenteilen sich sensorische Nerven nicht nur auf denselben Bahnen nach der gleichen, bzw. gekreuzten Seite des Zentrums ziehen, sondern auch auf zwei v\u00f6llig getrennten Wegen, die sich erst in den Ganglienzellen der zentralen Repr\u00e4sentation des Geschmacks begegnen. Zur Erkl\u00e4rung dieser Unterdr\u00fcckungserscheinungen m\u00fcfste dann angenommen werden, dafs auch die zentralen Projektionen der gleichen Seite benachbart sind.\nEine Lokalisation der Geschmacksempfindungen ist im allgemeinen auch m\u00f6glich, wenn auf zwei Feldern gleichzeitig zwei verschieden starke L\u00f6sungen der gleichen Qualit\u00e4t dargeboten werden. Man st\u00f6fst aber dabei auf bemerkenswerte l\u00e4uschungen, die in das Gebiet der konstanten Fehler einzureihen sind. Sie \u00e4ufsern sich darin, dafs die objektiv st\u00e4rkere L\u00f6sung nicht in allen F\u00e4llen richtig lokalisiert wird, dafs vielmehr die Beurteilung ihrer Lage vom Individuum, der \u00d6rtlichkeit und den Konzentrationsunterschieden in mannigfacher Weise abh\u00e4ngt.\nGanz extreme F\u00e4lle dieser Art sind bei der Qualit\u00e4t salzig gefunden worden. So kann von manchen Vpn. (1, 2, 3, 6) die Lage einer 1,71 m und einer gleichzeitig gebotenen 0,15 m NaCl-L\u00f6sung ausnahmslos mit Sicherheit angegeben werden, wenn die erste L\u00f6sung auf dem rechten, die zweite auf dem linken Anteil der Zungenh\u00e4lfte dargeboten wird, nicht aber umgekehrt. Dies Verhalten wird ohne weiteres verst\u00e4ndlich, wenn man h\u00f6rt, dafs die Empfindlichkeit f\u00fcr bestimmte Qualit\u00e4ten an symme-\n1 Zander, R., \u00dcber das Verbreitungsgebiet der Gef\u00fchls- und Geschmacksnerven in der Zungenschleimhaut. Anat. Anz. 14, 131. 1897.","page":81},{"file":"p0082.txt","language":"de","ocr_de":"82\nEmil v. Skramlik.\nIrischen Stellen nicht gleich grofs ist.1 \u00dcberraschend ist nur, dafs die Unterschiede derartig ausgepr\u00e4gt und nicht bei jedem Individuum zu verzeichnen sind, sowie, dafs sie in diesem Aus-mafs nur die Qualit\u00e4t salzig betreffen.\nMan kann aber ausnahmslos f\u00fcr jede Vp. und f\u00fcr beliebige zwei Felder Konzentrationen der Geschmacksreize ermitteln, deren Unterscheidung in der einen Anordnung m\u00f6glich, in der anderen ausgeschlossen ist. Als geringste Konzentrationsunterschiede, bei denen diese funktionellen Asymmetrien noch mit Sicherheit auftreten, sind f\u00fcr bitter eine 0,00035 m im Vergleich mit 0,00063 m Chin, hydrochl.-, f\u00fcr salzig eine 0,34 m im Vergleich mit einer 0,43 m NaCl-, f\u00fcr sauer eine 0,009 m im Vergleich mit einer 0,024 m Weinsteins\u00e4ure- und endlich f\u00fcr s\u00fcfs eine 0,55 m im Vergleich mit einer 0,67 m Traubenzuckerl\u00f6sung gefunden worden. Dies besagt, dafs bei Verkleinerung des Unterschiedes zwischen den beiden angef\u00fchrten Konzentrationen die T\u00e4uschungen keine Konstanz mehr auf weisen, dafs sie dagegen oft bei noch viel gr\u00f6fseren Differenzen mit voller Gleichm\u00e4fsig-keit erscheinen. Das lehrt die folgende Tabelle 3.\nBietet man also Vp. 4 gleichzeitig auf Feld 4 eine 0,00063 m Chin, hydr.-, auf Feld 2 eine 0,00012 m Chin. hydr.-L\u00f6sung dar, so erscheinen sie subjektiv gleich, stellt man den Versuch umgekehrt an, so wird die 0,00063 m Chin. hydr.-L\u00f6sung deutlich bitterer empfunden.\nEine Gesetzm\u00e4fsigkeit f\u00fcr diese geschmacklichen Rechts-Links-Asymmetrien kann nur f\u00fcr jede Vp. einzeln, nicht allgemein angegeben werden und auch da auf zwei bestimmten Feldern nur f\u00fcr eine Qualit\u00e4t, weil sich bitter, salzig, sauer und s\u00fcfs in dieser Beziehung oft ganz verschieden verhalten. Es kommt n\u00e4mlich h\u00e4ufig vor, dafs bei einer Vp. z. B. f\u00fcr salzig die rechts dargebotene objektiv st\u00e4rkere Konzentration auch subjektiv st\u00e4rker empfunden wird, in der umgekehrten Anordnung aber nicht, dafs aber f\u00fcr s\u00fcfs die links dargebotene objektiv st\u00e4rkere Konzentration auch subjektiv st\u00e4rker erscheint, nicht aber bei der seitenverkehrten Darbietung. Es braucht nicht eigens hervorgehoben zu werden, dafs sich die verschiedenartigsten\n1 Vgl. D. P. H\u00e4nig, Zur Psycliophysik des Geschmacksinns. Wundts philos. Studien 17, 576. 1901, der gefunden hat, dafs die Schwellen f\u00fcr die einzelnen Qualit\u00e4ten \u00f6rtlich ungleich sind.","page":82},{"file":"p0083.txt","language":"de","ocr_de":"Lokalisation der Empfindungen bei den niederen Sinnen.\n83\nKonzentrationsunterschiede zur Hervorrufung dieser Asymmetrien eignen.\nTabelle 3.\nVp.\tFeld\tDarbietung\tAussage\tVp.\tFeld\tDarbietung\tAussage\n4 l j 1 ;\t! 4 2\t0,00063 m Ch. hydr. 0,00012 m \u201e\t\u201e\t} gleich\t10 1\t1 3\t0,00063 m Ch. hydr. 0,0003 m \u201e\t\u201e\tbitterer\n\t2 4\t0,00063 m Ch. hydr, 0,00012 m \u201e\t\u201e\tbitterer\t\t1 8 1\t0,00063 m Ch. hydr. 0,0003 m \u201e\t\u201e\t! gleich\n\t1 4 2\t0,43 m NaCl 0,34 m \u201e\t| gleich\t\t4 2\t0,86 m NaCl 0,34 m \u201e\t} gleich\n\t2 4\t0,43 m NaCl 0,34 m \u201e\tsalziger\t\t2 4\t0,86 m NaCl 0,34 m \u201e\tsalziger\n\t1 3\t0,024 m Weinst. 0,009 m\t| gleich\t\t3 2\t0,024 m Weinst. 0,009 m\t\u201e\t\u2022 saurer ! !\n\t3 1\t0,024 m Weinst. 0,009 m\t\u201e\tsaurer\t\t2 3\t0,024 m Weinst. 0,009 m\t\u201e\tsaurer\n\t4 2\t0,83 m T. 0,67 m \u201e\t| gleich\t\t1 2\t0.67 m T. 0,55 m \u201e\t| gleich\n\t2 i 4\t0,83 m T. 0,67 m \u201e\ts\u00fcfser\t\t2 1\t0,67 m T. 0,55 m \u201e\ts\u00fcfser\nDiese Befunde lassen sich alle ohne weiteres dadurch erkl\u00e4ren, dafs die Empfindlichkeit f\u00fcr die einzelnen Qualit\u00e4ten auf symmetrischen Stellen der Zunge ungleich grofs ist. Die gegebene Deutung steht mit der anatomischen Feststellung von der asymmetrischen Anordnung der Papillen durchaus im Einklang. Die Intensit\u00e4t der Empfindung h\u00e4ngt beim Geschmack wegen der zerstreuten Anordnung der Papillen bei gleichem Reiz nicht einfach von der Gr\u00f6fse des getroffenen Feldes, sondern von der Zahl der getroffenen perzipierenden Elemente ab. Nach den Ergebnissen von Oehbwall 1 sprechen aber nicht alle Papillen auf jede Reizqualit\u00e4t an, vielmehr finden sich sehr h\u00e4ufig solche, die nur auf eine Qualit\u00e4t reagieren. Die Empfindlichkeit eines Anteils des Geschmacksfeldes f\u00fcr eine Qualit\u00e4t ist also von der Zahl derjenigen Sinnesgebilde abh\u00e4ngig, die auf den betreffenden Reiz ansprechen. Die funktionellen\n1 Oehrwall, H., Untersuchungen \u00fcber den Geschmackssinn. Skand. Arch. f. Physiol. 2, 1. 1891.","page":83},{"file":"p0084.txt","language":"de","ocr_de":"84\nEmil v. Skramlik.\nAsymmetrien bilden daher einen Hinweis, dafs sich auf der Zunge an symmetrischen Stellen nicht die gleiche Zahl gleichwertig funktionierender Elemente findet.\nDie bisherigen Ergebnisse lehren, dafs wir mit dem Ge* schmackssinn die Reizstelle angeben k\u00f6nnen, sie sagen aber noch nichts \u00fcber die Feinheit des Unterscheidungsverm\u00f6gens zweier Reizstellen aus. Zur Beantwortung dieser Frage wurden Versuche an einzelnen Papillen angestellt, die bei den Vpn. 3, 5 und 9 so gew\u00e4hlt waren, dafs sie m\u00f6glichst isoliert standen. Die Reizung geschah durch Aufbringen konzentrierter L\u00f6sungen der Geschmacksstoffe mittels feinster Haarpinsel in \u00dcbereinstimmung mit dem von Oehrwall eingeschlagenen Verfahren. Verwendet wurden eine 0,05 m Chin, hydr.-, 3,4 m NaCl-, 0,3 m Weinsteins\u00e4ure- und 2,2 m Traubenzuckerl\u00f6sung. Bemerkenswert ist, dafs Reizung der einzelstehenden Papillen, die sich in der Gegend der Zungenmitte etwa 3\u20144 cm von der Spitze entfernt befinden, bei Personen \u00fcber 30 Jahren keine Geschmacksempfindung mehr erzeugt, selbst wenn man noch so oft und lange probt. Offenbar gehen also im Laufe der Entwicklung nicht nur ganze Papillen zugrunde, sondern auch Geschmacksknospen allein, w\u00e4hrend die Papillen noch stehen bleiben. Bei allen Vpn. mufsten aber auch diejenigen Papillen, die noch erregbare Sinnesgebilde enthielten, ausnahmslos auf die einzelnen Qualit\u00e4ten erst einge\u00fcbt werden. Das geht aber im allgemeinen sehr rasch; man kann oft schon in der zweiten Sitzung feststellen, dafs das Erkennen mit Sicherheit gelingt. Aufgefallen ist mir, wie viele Papillen auf der Zungenoberfl\u00e4che in der N\u00e4he der Spitze auch auf alle vier Qualit\u00e4ten ansprechen, besonders bei j\u00fcngeren Leuten.\nBei jeder Vp. wurden mehrere Paare von Papillen ausgesucht, die verschieden zueinander angeordnet lagen, vor allem in der sagittalen und frontalen Richtung (zur Bestimmung der RaumschwTellen in der L\u00e4ngs- und Querrichtung). In der ersten Versuchsreihe bin ich so vorgegangen, dafs bei jedem Paar die eine der Papillen mit einer schmeckbaren L\u00f6sung, die andere gleichzeitig mit Trinkwasser bepinselt wurde. Dabei ergab sich, dafs mit Sicherheit lokalisiert wird, also vorn und hinten, rechts und links unterschieden werden kann, selbst wenn sich die beiden Papillen in einer Entfernung voneinander befinden, die nur wenige mm betr\u00e4gt. Diese Ergebnisse sind an 3 Vpn. gewonnen worden","page":84},{"file":"p0085.txt","language":"de","ocr_de":"Lokalisation der Empfindungen bei den niederen Sinnen.\n85\nund in Tabelle 4 zusammengestellt. Die Mittelwerte betragen in der L\u00e4ngsrichtung 3,0 mm, in der Querrichtung 2,5 mm. Es besteht also eine gewisse Bevorzugung der Querrichtung, die ja auch f\u00fcr die Raumschwellen des Drucksinns bekannt ist. Die Urteile werden nach einiger \u00dcbung mit grofser Sicherheit und Schnelligkeit abgegeben. Ich habe mich von der Richtigkeit dieser Befunde durch lange Serienversuche \u00fcberzeugt, die bei salzig, sauer und s\u00fcfs ohne weiteres wiederholt werden k\u00f6nnen, bei bitter dagegen aus bekannten Gr\u00fcnden nur an mehreren Versuchstagen in k\u00fcrzeren Reihen zu gewinnen sind.\nTabelle 4.\nVp.\tL\u00e4ngs-\tQuer-\n\trichtung\trichtung\n3\t3,5 mm\t2,5 mm\n5\t3,5\t\u201e\t3,0\t\u201e\n9\t2,5\t\u201e . 1\t2,0 \u201e\nBei den angegebenen Entfernungen kann man auch zwei verschiedene Qualit\u00e4ten richtig r\u00e4umlich unter bringen. Eigens zu diesem Zweck angestellte Versuche haben gelehrt, das dies nach l\u00e4ngerer \u00dcbung wohl m\u00f6glich ist, doch nicht immer gelingt. Es darf eben nicht vergessen werden, dafs ein aufser-ordentlich komplizierter Urteilsprozefs vorliegt, denn man mufs die beiden Qualit\u00e4ten erkennen und ihre \u00d6rtlichkeit angeben. Die Urteile werden darum gleich sicherer, wenn die Vp. die beiden dargebotenen Qualit\u00e4ten oder wenigstens eine von ihnen kennt. Immerhin k\u00f6nnen auch zwei der Vp. unbekannte Qualit\u00e4ten lokalisiert werden. Manche Kombinationen wie salzig und s\u00fcfs, oder salzig und sauer verursachen dabei besondere Schwierigkeiten f\u00fcr das Erkennen.\nN\u00e4her beisammenstehende Papillen konnten zur Untersuchung nicht herangezogen werden. Denn diese sind zumeist auch zu Gruppen vereinigt, wodurch die Technik des Verfahrens an Exaktheit einb\u00fcfst. Es liegt dann die Gefahr vor, dafs der Reiz nicht auf die gew\u00fcnschte Papille allein einwirkt, sondern auch auf benachbarte. Die Ortsbestimmung braucht in diesem Falle nicht durch die gepr\u00fcften, sondern die in der N\u00e4he befindlichen, weiter auseinander stehenden besorgt zu werden.\n7\nZeitschrift f. Sinnesphysiol. 56.\t1","page":85},{"file":"p0086.txt","language":"de","ocr_de":"86\nEmil v. Skramlik.\nAuf Grund dieser Befunde kann ausgesagt werden, dafs die Raum schwellen beim Geschmackssinn nahezu ebenso niedrige sind wie beim Ge fast, die nach Weber auf der Zungenspitze bekanntlich am niedrigsten sind und 1 mm betragen.\nMit Bestimmtheit werden auf zwei Papillen auch zwei verschiedene Konzentrationen derselben Qualit\u00e4t lokalisiert, die gleichzeitig zur Darbietung gelangen. Man mufs nur den Unterschied in der St\u00e4rke der L\u00f6sungen recht grofs machen und z. B. eine 0,05 m mit einer 0,01 m Chin. hjnlr.-, eine 3,4 m mit einer 1,7 m NaCl-, eine 0,3 m mit einer 0,06 m Weinsteins\u00e4ure* und eine 2,2 m mit einer 1,1 m Traubenzuckerl\u00f6sung vergleichen lassen. Bei diesen Konzentrationsunterschieden werden die Urteile \u00fcber die Lage der st\u00e4rkeren L\u00f6sung noch mit voller Sicherheit abgegeben. Macht man die Unterschiede kleiner, so wird die Beurteilung schon eine sehr unsichere.\nBemerkenswert ist, dafs beim Aufbringen der gleichen Konzentration einer schmeckbaren L\u00f6sung auf zwei Papillen der Empfindungserfolg ein wesentlich st\u00e4rkerer ist, als wenn man dieselbe Geschmacksprobe nur auf eine Papille aufbringt. Es handelt sich hier um eine Summation der Wirkung, die durch die Reizung von mehreren Sinneselementen bedingt ist. Sie bildet die Grundlage f\u00fcr die ungleiche Empfindlichkeit der einzelnen Zungenanteile; denn je mehr Sinneselemente sich auf einer bestimmten Stelle befinden, um so schw\u00e4cher kann der Reiz gemacht werden, der noch zu einem Erfolg f\u00fchrt. Es sei erw\u00e4hnt, dafs die Erscheinung der Summation durch die Untersuchungen Pipers beim Gesichtssinn, durch die v. Freys beim Tastsinn wohl-bekannt ist.\nAn letzter Stelle erhebt sich die Frage, was sinnlich geschieht, wenn man zwei Reize auf zwei so nahe aneinander gelegene Papillen aufbringt, dafs eine Ortsangabe, wo sich der eine, wo sich der andere befindet, nicht mehr m\u00f6glich ist. Zur Entscheidung dieser Frage werden am besten einer und derselben Papille Mischungen von zwei Qualit\u00e4ten auf gepinselt. Dabei stellte sich heraus, dafs sehr ge\u00fcbten Vpn. die Erkennung der beiden Reizarten gelingt, doch verursacht auch hier die Zusammenstellung salzig-sauer gewisse Schwierigkeiten. Die beiden Qualit\u00e4ten werden gleichzeitig nebeneinander empfunden, und man kann die einzelne durch Zuwendung der Aufmerksamkeit gesondert festhalten, w7obei dann die andere gewissermafsen","page":86},{"file":"p0087.txt","language":"de","ocr_de":"Lokalisation der Empfindungen bei den niederen Sinnen.\n87\nin den Hintergrund des Erlebnisses tritt, ohne indes v\u00f6llig zu verschwinden. Dieser Befund lehrt von neuem, dafs wir mit Hilfe des Geschmackssinns analysieren k\u00f6nnen, dafs wir also imstande sind, den Empfindungskomplex, der bei gleichzeitiger Einwirkung zweier Reize auftritt und urspr\u00fcnglich einheitlich erscheint, in seine Bestandteile aufzul\u00f6sen. Es ist aber besonders wichtig zu erfahren, dafs wir die Analyse auch mit Hilfe einer einzigen Papille besorgen k\u00f6nnen, die, wenn auch kein einzelnes Sinneselement, so doch eine engbegrenzte Gruppe von Empfangsapparaten darstellt. Bei keinem anderen Sinn sind die peripheren Endapparate Untersuchungen so bequem zug\u00e4nglich, wie beim Geschmack.\nc) Zusammenfassung der Versuchsergebnisse.\nDie Ergebnisse dieser Untersuchung sind teils anatomischer, teils physiologischer Art. Die anatomischen Befunde lassen sich dahin zusammenfassen, dafs die Verteilung derPapillen auf der Zungenoberfl\u00e4che des Kindes noch eine relativ sehr regelm\u00e4fsige ist, dafs dagegen beim Erwachsenen grofse individuelle Schwankungen Vorkommen. Aber auch bei demselben Individuum ist die Anordnung der Papillen an symmetrisch gelegenen Stellen eine durchaus ungleichartige. Die physiologischen Befunde lassen sich gliedern in solche bei grofs- und k 1 einfl\u00e4chigen Reizen. Bietet man z. B. auf den vorderen Zungenanteilen rechts und links verschiedene schmeckbare L\u00f6sungen gleichzeitig dar, so werden sie nach einiger \u00dcbung erkannt und ihre \u00d6rtlichkeit mit Sicherheit angegeben. Die Geschmacksempfindungen werden also lokalisiert. Bei Verst\u00e4rkung der einen Qualit\u00e4t und Abschw\u00e4chung der anderen zu Konzentrationen, die aber noch immer ein Vielfaches des Schwellenwertes auf dem betreffenden Feld betragen, gelangen Unterdr\u00fcckungserscheinungen zur Beobachtung. Diese \u00e4ufsern sich darin, dafs die durch den schw\u00e4cheren Reiz ausgel\u00f6ste Empfindung von der durch den st\u00e4rkeren Reiz erzeugten v\u00f6llig ausgel\u00f6scht wird. Diese Unterdr\u00fcckung zeigte sich nicht nur bei Feldern der gleichen, sondern auch bei solchen von verschiedener Seite. Die letztere bildet dann einen Hinweis, dafs die zum Zentrum auf steigenden Bahnen an einer Stelle teilweise eine Kreuzung erfahren. Eine\nLokalisation der Geschmacksempfindungen ist im\n7*","page":87},{"file":"p0088.txt","language":"de","ocr_de":"88\nEmil v. Skramlik.\nallgemeinen auch m\u00f6glich, wenn an zwei Stellen gleichzeitig verschieden starke L\u00f6sungen der gleichen Qualit\u00e4t dargeboten werden. Dabei treten T\u00e4uschungen auf, indem die objektiv st\u00e4rkere L\u00f6sung nicht in allen F\u00e4llen richtig lokalisiert wird. Die Beurteilung ihrer Lage h\u00e4ngt vielmehr vom _ _ _ \u2022 \u2022\nIndividuum, der \u00d6rtlichkeit und den Konzentrationsunterschieden in mannigfacher Weise ab. Sie beruhen auf einer an symmetrischen Stellen der Zunge ungleicher Empfindlichkeit f\u00fcr die einzelnen Qualit\u00e4ten, die f\u00fcr salzig besonders ausgepr\u00e4gt ist.\nVersuche mit kleinfl\u00e4chigen Reizen an einzelnen Papillen lehrten, dafs die Raum sch wellen des Geschmacksinns von der gleichen Gr\u00f6fsenordnung sind, wie beim Getast. Sie sind in der Querrichtung etwas tiefer als in der L\u00e4ngsrichtung. Reizt man eine Papille mit einer Mischung von zwei Geschmacksl\u00f6sungen, so kann, wie beim Geh\u00f6r, der urspr\u00fcnglich einheitlich erscheinende Empfindungskomplex in seine Bestandteile aufgel\u00f6st werden, die dann gl eichzeitig nebeneinander bestehen.\nWir verm\u00f6gen also mit einer auf engem Gebiet zusammengedr\u00e4ngten Gruppe von Geschmacksknospen zu analysieren.\nAls Hauptergebnis sei noch einmal hervorgehoben, dafs beim Geschmackssinn sowohl das absolute Erkennungsverm\u00f6gen f\u00fcr einen Reizort, als auch das Unterscheidungsverm\u00f6gen zweier Reizstellen ein sehr feines und von derselben Gr\u00f6fsenverordnung ist, wie beim Getast.\nB. Die Lokalisation der Geruchsempfindungen.\nSchon den ersten Bewohnern auf diesem Gebiete (vor allem Valentin1) ist aufgefallen, dafs die Geruchsempfindungen in eigenartiger Weise lokalisiert werden. Wir haben hier eine Art von Projektion nach aufsen vor uns, die sinnesphysiologisch ohne Analogon ist. Sie besteht darin, dafs die Empfindungen nicht an diejenige Stelle verlegt werden, wo sich das periphere Sinnesfeld ausbreitet, wie z. B. beim Getast, und auch nicht nach aufsen, wie z. B. beim Gesicht, sondern in den Eingang zur Nase, einen Ort, wo die erste Ber\u00fchrung des mit Duftstoff ges\u00e4ttigten Luftstroms mit dem K\u00f6rper stattfindet.\n1 G. Valentin, Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Braunschweig 1847. Bd. II.\ts","page":88},{"file":"p0089.txt","language":"de","ocr_de":"Lokalisation der Empfindungen lei den niederen Sinnen.\n89\nWegen der Anordnung des Riechepithels an einer f\u00fcr den Experimentator schwer zug\u00e4nglichen Stelle ist beim Geruch eine Bestimmung der Raumschwellen unm\u00f6glich; es kann einzig und allein gepr\u00fcft werden, ob eine Unterscheidung von Rechts- und Linkseindr\u00fccken erfolgt.\nMan geht dabei am besten so vor, dafs man entweder unter das eine Nasenloch eine mit Riechstoff gef\u00fcllte Flasche h\u00e4lt und unter das andere zum blofsen Vexieren eine mit destilliertem Wasser, oder aber, dafs jedem Nasenloch ein besonderer Riechstoff dargeboten wird. Sind die beiden Flaschen gleich grots und enthalten sie dieselbe Menge Fl\u00fcssigkeit, so ist eine Unterscheidung auf Grund von gelegentlich auftretenden Ger\u00e4uschen unm\u00f6glich.\nAbbildung 8.\nRiechr\u00f6hrchen zum Einf\u00fchren in die Nasenl\u00f6cher.\nIn der nat\u00fcrlichen Gr\u00f6fse.\nBei einer grofsen Anzahl von Versuchen bediente ich mich eigener Glasr\u00f6hren von nebenstehender Form (s. Abb. 8), deren Olive in die Nasenl\u00f6cher eingef\u00fchrt wurde. Dies hatte den Zweck, eine Vermengung der beiden Riechstoffe zu verh\u00fcten. Denn der Ab-schlufs durch das Hautseptum der Nase brauchte ja kein so vollkommener zu sein, um eine sichere Trennung der Rechts- und Linksreize zu gew\u00e4hrleisten. Die n\u00e4here Pr\u00fcfung des Verfahrens hatte indessen ergeben, dafs diese Vorsichtsmafsregel nicht notwendig ist. Man kann sich n\u00e4mlich von der Sicherheit des Abschlusses \u00fcberzeugen, wenn man z. B. nur unter das rechte Nasenloch eine Flasche mit Riechstoff h\u00e4lt und ihren Rand dem Septum dicht andr\u00fcckt, dagegen das andere Nasenloch frei l\u00e4fst. Beim Einatmen hat man fortlaufend Geruchsempfindungen, die aber sofort aufh\u00f6ren, sowie man den rechten Nasenfl\u00fcgel zudr\u00fcckt und auch nicht auf treten, wenn man durch das linke Nasenloch forciert einatmet.\nBei diesen Versuchen waren t\u00e4tig: die Herren 1. cand. med. Fridtjof Erben, 2. Verf. und die Damen 3. cand. ehern. Adrienne Eisner, 4. cand. med. Irene v. Trossel, 5. cand. med. Margarethe","page":89},{"file":"p0090.txt","language":"de","ocr_de":"90\nEmil v. Skramlik.\nLiebers. Es ist mir eine angenehme Pflicht, meinen Mitarbeitern auch an dieser Stelle f\u00fcr ihre treue Hilfe zu danken.\nDas Verfahren war stets ein unwissentliches; die Vpn. hielten die Augen geschlossen und waren angewiesen, auf ein gegebenes Zeichen den Atem anzuhalten. Nun wurden vom Versuchsleiter die beiden Flaschen der Vp. unter die Nasenl\u00f6cher gehalten. Auf ein weiteres Zeichen mufste durch die Nase tief eingeatmet werden; die Ausatmung hatte dagegen durch den Mund zu erfolgen, um ein wiederholtes Proben zu erm\u00f6glichen, denn beim Ausatmen durch die Nase k\u00f6nnte auch die andere H\u00e4lfte des Sinnesfeldes gereizt werden. Das aber ist zu vermeiden, wenn eine Ortsbestimmung durch das Verfahren erm\u00f6glicht sein soll.\nDie Untersuchung gliedert sich in zwei Hauptteile; im ersten soll der Erfolg beschrieben werden, wenn nur einem Nasenloch ein Riechstoff dargeboten, im zweiten, wenn durch jedes Nasenloch ein eigener Riechstoff zugeleitet wird. Das erste Verfahren soll in Anlehnung an die von Henning 1 eingef\u00fchrten Bezeichnungen als monorhines, das zweite als dichorhines bezeichnet werden.\na) Lokalisation bei monorhinein Verfahren.\nBei Versuchen dieser Art, wo also dem einen Nasenloch eine mit Riechstoff gef\u00fcllte Flasche, dem anderen zum blofsen Vexieren eine mit destilliertem Wasser untergehalten wird, hat sich herausgestellt, dafs die Ortsangabe, ob sich der Geruchstr\u00e4ger rechts oder links befindet, bei einem Riechstoff, wie z. B. dem Eukalyptol, m\u00f6glich, bei anderen, wie z. B. Geraniol, g\u00e4nzlich ausgeschlossen ist. Zur Kl\u00e4rung dieses auff\u00e4lligen Verhaltens war erforderlich, eine grofse Anzahl von chemisch einheitlichen Stoffen durchzupr\u00fcfen. Ich habe mit \u00fcber 200 experimentiert, deren Sammlung unter den heutigen Verh\u00e4ltnissen keine leichte Aufgabe war, die ich ohne Hilfe nicht h\u00e4tte durchf\u00fchren k\u00f6nnen.\nEs liegt mir am Herzen, auch an dieser Stelle zwei Herren zu danken, die mich besonders unterst\u00fctzt haben. Es sind dies Herr Professor Dr. Heinrich Wieland, der mir bereitwilligst die Sammlung des ihm an vertrauten Freiburger chemischen Laboratoriums zur Verf\u00fcgung stellte, und der Direktor der Werke\n1 Henning, H., Der Geruch. Leipzig 1916. S. 11.","page":90},{"file":"p0091.txt","language":"de","ocr_de":"Lokalisation der Empfindungen bei den niederen Sinnen.\n91\nSchimmel & Co., Miltitz bei Leipzig, Herr Professor Dr. E. Gildemeistee, der mir eine grofse Zahl seltener Duftstoffe freundlichst \u00fcberliefs.\nMit diesen 200 Riechstoffen ist nat\u00fcrlich die Skala der verschiedenartig riechenden einheitlichen K\u00f6rper lange nicht vollst\u00e4ndig: Es ist aber zu ber\u00fccksichtigen, 1. dafs \u2014 wenigstens in zahlreichen F\u00e4llen \u2014 die einzelnen Glieder der homologenen Reihen keine wesentlich anderen Wirkungen aus\u00fcben, als ihre unmittelbaren Nachbarn, wTas auch von den Isomeren gilt, und 2. dafs sehr viele Stoffe wohl einen Geruch besitzen, der aber sehr wenig ausgepr\u00e4gt ist. Es ist also nicht unbedingt notwendig, alle durchzuproben. Von gr\u00f6fster Bedeutung ist aber die m\u00f6glichste Reinheit der Stoffe, von der noch die Rede sein wird. Da in den zusammenfassenden Werken von Zwaardemakeb 1 und Henning1 2 eine \u00fcbersichtliche Zusammenstellung der Riechstoffe fehlt, so gebe ich hier meine unter Beif\u00fcgung der chemischen Formeln an.\nS\u00e4mtliche untersuchten K\u00f6rper gliedern sich chemisch in folgende Gruppen ein :\nA. Anorganische Verbindungen.\na)\tElemente: Chlor, Brom, Jod.\nb)\tVerbindungen: NH3, SH2, S02.\nB. Organische Verbindungen.3\na) Kohlenwasserstoffe.\n\u00ab) aliphatisch: Pentan C5II12, Hexan C0H14, \u00df) alizyklisch :\nCH\u00ab\nHexahydrobenzol\nHeptan C7H16, Myrcen C10Hld>\nSanten\nC9H14\nCH\n1\tH. Zwaardemaker, Die Physiologie des Geruchs. Leipzig 1895.\n2\tHenning, H., Der Geruch. S. 17 ff.\n3\tBei der Bearbeitung dieses Abschnitts bediente ich mich mit Vorteil des Buches von G. Cohn, Die Riechstoffe. Verlag Vieweg, Braunschweig 1904. Aufserdem unterst\u00fctzte mich Herr Prof. Dr. Hans Lecher, dem ich auch hier f\u00fcr seine freundschaftlichen Bem\u00fchungen herzlichst danke.","page":91},{"file":"p0092.txt","language":"de","ocr_de":"92\nEmil v. Skramlik.\nCH3\nCH\nC10H16: Menthen\n*\nH2C\nh2c\nch2\nCH\nLimonen\nCH2'\nCamphen\n\\/\nC\nCHg-CH-CHs\nCH\nHC.. ^ CII2\nch3-c-ch3\nHC\nPinen\nC~CH3 CH/^\\ch2 ch2\nCH\nI\nch3-c=ch2 C \u2014ch3\nch^3X>ch\nCH\u00ab\nSabinen\nC \u2014CH,\nCH3 ch3\n\\/\nCH\nC\nH2Cr /\n!/\nHC\nCH2\nch2\nC15H24 : Cadinen, Phellandren, Caryophyilen\ny) aromatische HC\nC\nII\nch2\nBenzol\nHC\nCH\t\tch3\nfNcH .CH\tToluol\t,/\\ntr o-Xylol (\nCH\nStyrol\nCH =CH\nNaphthalin\nb) Alkohole:\n\u00ab) aliphatische:\nCH,-OH, ch3ch2 oh, ch,(ch2)2\u2014oh, ^\u00bb\\chch2-oh\nCH3(CH2)3CH. OH, CH3(CH2)6CH2\u2014OH, CH,(CH2)8 ch2-oh Allylalkohol CH2 = CHCH2\u2014OH\nOH \\\tOH\nLinalool \u00a3 \u00bb )>C=CH-CH2-CH2-C-CH=CH2\nCH,\nGeraniol ch!/C=CH-CH2\u2014CH2-C=CH-CH2OH\nCH,","page":92},{"file":"p0093.txt","language":"de","ocr_de":"Lokalisation der Empfindungen bei den niederen Sinnen.\n93\nCitronellol\nNerol.\nOH3s)0=CH-CH2-CH2-CH-CH2-CH2-OH\nch3\n\u00df) alizyklische : Methylcyclohexanol 1,2\n1.3\tCH3\u2014C0Hlo\u2014OH\n1.4\nMenthol\nTerpineol\nCH3-CH-CH,\ny) aromatische :\nSabinol\nch3 ch3\nCH\ni\n0\nCH2\t,ch2\nHC\t>^'CHOH\nCH\nII\nch2\nBorneol\nC-CH3\nOHv\nH I chs-c-ch3\nHoC1'\nCH2\nch2\nCH\nBenzylalkohol\nCH,OH\nMyrtol\nCH\nCH2^ I ^CH2\n:ch3-c-ch3\nch!\nc\n!\nch2oh\nCH\nPhenyl\u00e4thylalkohol :\nCHo\u2014CH.iOH\n\t,/N\\ch= Zimtalkohol:\tj\t\tCH\u2014CHoOH\n\tOH\t\\y ch3\tch3\n\t/\\\t/\\-OH\t/\\\nPhenole :\t\t\ti L\ti-OH\n\t\\S\t\\x\t\nPhenol\t\tCH\tCH\n\t\t/ \\ ch3 ch3 Carvacrol\tChT ^CH, Thymol","page":93},{"file":"p0094.txt","language":"de","ocr_de":"94\nEmil v. Skramlik.\nc) Aldehyde:\ncc) aliphatische :\nHcf\u00b0, CHSC^\u00b0, CH3CH2C^\u00b0 CH3(CH3)2C<^\nCHs(CH2)6C^; CH,(CH\u00e4).C^, CH3(CH2),G^O\nCH,(CHs),C^\u00a3, Citral g^\\c=CH_CH2-CH2 - C=OH-C^\nCH,\nCitronellal\nCH3\nCHj r.\u2014(:H,\u2014C H,\u2014G H\u2014C FI 2\u2014C <f\u00f9 CH3^ -\t-\tN*1\no\nH /\\ H\nCHscr >o\u2014ch3\nParaldehyd\nO\nO\nCH\nCH3\n/i) aromatische :\nCH,\nc^o\n\u00b0\\H\nBenzaldehvd\nc^\u00b0\nU\\H\no - \u00efolylaldehyd\n-OH\nI\u2014\n\\/ ^\nSalicylaldehyd\nC\n\n\\\nH\nCH2c/g\nCH,\u2014CH\u2014CH,\nPhenylacetaldehyd Cuminaldehyd\n,/VcH=CH-(/S\nI i\t\\H\n\u2022CH2-CH2-C^y\ny) heterozyklische :\nZimtaldehyd\nFnrfurol\nCH\nCH\nHydrozimtaldehyd\n:CH\nI cc^\u00b0\no\nd) Ketone.\n\u00ab) aliphatische :\nCH3C=OCH3 CH3C=0(CH2)2CH3 CH3C=0(CH2)3CH3 CH3C=0(CH2)5CHo CH3C=0(CH2)8CH3 CH8(CH2)aC=0(CH8)8CHa\no\nMethyl hep tenon ^N>CH-CH=CH-CH2\u2014C\u2014CH","page":94},{"file":"p0095.txt","language":"de","ocr_de":"Lokalisation der Empfindungen bei den niederen Sinnen\n95\n\u00df) alizyklische\n2. Iron.\n3. \u00ab-Ionon.\n1. Menthon.\tch3 ch3 v/\tch3 ch3 \\/\nCH\u2014CH3\tc\tc\nh.c/Nch,\tff^\\cH\u2014CH=CH\u2014c/SL \\ch3\tH2C|/\\cH\u2014CH\nB.20.yG=0\til^^CH-CH,\th2cL Jc-ch.\nCH\tCH,\tCH\nj CHS-CH-CH3\t\t\n4. \u00df- Ionon.\t5. Pulegon.\t6. Carvon.\t7. Thujon.\n\toh3\t\n\t/\t\nH2C\nh2c\nCH\u2014CHo\n,CH2\nC=0\nc\nI\nCHo \u2014C \u2014CH,\nC\nCH\u00bb\u2014C = CHo\nCH-CH3\nHC<^\\c=0\nh2Cv\\ Jch2\n\\1/\nc\ni\nCH3\u2014CH\u2014OHj\n'\\CH*\n8. Fenchon.\nCH,-CH -C(CH8)2\n!\" I i CH2\nI i\nCH,\u2014C \u2014 C=0\n\u2022 I ch3\n9. Campher.\nc-ch3\n/\n0=cf I >ch2 |ch3-c-ch3!\nh2c\n\\\nJCH,\n/\nCH\ny) aromatische:\nMethylacetophenon CH3C6H4C^2\n\\OHa\n0\n2. p\u2014Methoxyacetophenon CH3C-\n\nOCH","page":95},{"file":"p0096.txt","language":"de","ocr_de":"96\nEmil v. Skramlik.\ne) S\u00e4uren.\na) aliphatische:\nIIC^^\n1R\\0H\nCH C^\u00b0\ncn3L\\oH\n^0\nCH3CH,CsxOH CH3(CH2)2C^\u00b0h\nCH3(CH2)sC^h\nCHs(CH2),c/gH\nCH3(CHa)5C^H\nCH3(CH2)6C^gH\nCH3(CH2)7C^\u00b0h\nCH3(CH2)8C^h\nCH3(CH2^9C^gH\nAmeisen-S\u00e4ure Essig- \u201e Propion- \u201e Butter- \u201e Valerian \u201e Capron- \u201e Heptyl- \u201e Capryl-Nonyl- \u201e Caprin- \u201e Undecylin- \u201e\n\u00df aromatische Phenylessigs\u00e4ure:\nf) Ester.\n\u00ab) aliphatische S\u00e4uren mit aliphatischen Alkoholen.\nAmeisens\u00e4uremethylester i^O\nTip/O\naKj\\OC6Hxl\nAmeisens\u00e4ureqeranylester\nHC<g\nCH,-CH=C-CH2-CH2CH=C</2\u00a7* CH,\t\\Ati3\nhcc\\ch3\nAmeisens\u00e4ure\u00e4thylester\nML\\OC2H5 Ameisens\u00e4ureprony lester HC^\u00b0\n\\0C3 H7\tEssigs\u00e4ur egeranylester\nAmeisens\u00e4ureamylester H3C C^q\nCH2\u2014CH=C-CH2-CH2CH=C<^ii3 CH3\nEssigs\u00e4ur ezitronellylester\nH3C\nCH, - CH2 - CH - CH2 -CH2-CH=C<^S53 - CH3\nLinalylazetat\nh3c-c^\u00b0\no\nch2=hc-c-ch2-ch2-ch=cH\u00a3s\n\\Uji3\nCH,\nEssigs\u00e4ureamylester\nH\u00bbCG<OC5Hn\nEssigs\u00e4ureeisoamylester\nH3CC<8(CH2jCHCH\nEssigs\u00e4ureoktylester\nHsCCCo(CH2),CH3","page":96},{"file":"p0097.txt","language":"de","ocr_de":"Lokalisation der Empfindungen bei den niederen Sinnen.\n97\nButters\u00e4urecithylester\nHsC(CH\u00e4)<gC2H5\nBu tters\u00e4 ure isobutyles ter\nh3C(Ch2)2c^qCH2CH/ch3\nButter s\u00e4ur eamylester H,C,0H,),0^0(0Ht)t0Hi\nButters\u00e4ureisoamylester\nh3c(ch2)2c^(CH2)2Chch3\nValerians\u00e4ure\u00e4thylester\nH,0(0H,),C^g0tHj\nValerians\u00e4ureprop ylester\nh3o1ch2)3c^^CH2^CH3\nValerians\u00e4ur eamylester\nh3c(ch2)3 c<0 h^c Hs\nCaprons\u00e4ure\u00e4thylester\nH3C(CH2)6C^gC2H5\nCapr ins\u00e4ur e\u00e4 thy lester\nH3C(CH2),C^gC2H5\nAzetessigs\u00e4ure\u00e4thylester\n3 \\CH2C\\0C.2H5 Heptincarbons\u00e4ureester\n/?) aliphatische S\u00e4uren mit alizyklischen Alkoholen:\nEssigs\u00e4ure-Terpinylester\tValerians\u00e4urementhy lester\n\u201e\t-Bornylester\n\u201e\t-Isobornylester\n\u201e\t-Menthylester.\ny) aliphatische S\u00e4uren mit aromatischen Alkoholen :\nEssigs\u00e4urebenzylester\tValerians\u00e4ureguajakolester\nPropions\u00e4urebenzylester\nButters\u00e4urebenzylester\nValerian s\u00e4urebenzylester.\nS aromatische S\u00e4uren mit aliphatischen Alkoholen: Benzoes\u00e4ure-Methylester \u201e\t-\u00c4thylester\n\u201e\t-Propylester\nIsoamylester\nSalizyls\u00e4ure-Methylester \u201e\t\u2022 \u00c4thyl es ter\n\u201e\t- A my lester\nPhenylessigs\u00e4ure-Methylester \u201e\t-Amylester\nC^\u00b0\n\u00e4\\och3\n\u2014OH\nl\\och3\nCH2\u00b0\\och3","page":97},{"file":"p0098.txt","language":"de","ocr_de":"98\nEmil v. Skramlik.\nZimts\u00e4ure-Methylester \u201e\t-\u00c4thylester\n\u201e\t-Amylester\ne) aromatische S\u00e4uren mit aromatischen Alkoholen.\nZimts\u00e4urebenzylester.\n\u00c7) Lactone.\n3.\t\u00c4thylcumarin\n1. Cumarin\nCH\n2. Methylcumarin\nCH\nCH=cnc;/gCf[r!\ng) \u00c4ther.\na) aliphatische: 1. Di\u00e4thyl\u00e4ther C2H5OC2H5 \u00df) alizyklische: 2. Geranylmethyl\u00e4ther C\u2014CH3\nHoC\n3. Eukalyptol\nH2C\nO\n!\nCH-C-CH\nCH,\n3\n\nCH\n4.\tChlormethylmenthyl\u00e4ther.\ny) aromatische:\n1.\tAnisol.\n5.\tKreosol.\nOH\n2.\tAnethol.\nCH3\nO\nCH=CHCH\n6.\tEugenol.\n3.\tPhenetol.\n7. Eugenolmethyl\u00e4ther.\n4. Guajakol.\n8. Isoeugenol.\ny CHo\u2014CH=CH\nOCHfl\nOH\n9. Vanillin.\n10. Safrol.\n11. Isosafrol\nCH\u2014CH-CHs\n-0\n0\nCH,","page":98},{"file":"p0099.txt","language":"de","ocr_de":"Lokalisation der Empfindungen bei den niederen Sinnen.\n99\n12. Piperonal.\nO -\nCH2\n13. Resorcinmethyl\u00e4ther. OCHg\nh) Halogenverbindungen.\na) aliphatische :\n1.\tChloroform CHC13\n2.\tBromoform CHBr3\n3.\tJodoform CHJ3\n4.\tTetrachlorkohlenstoff CC14\n5.\tAethylbromid C2H5Br\n6.\tAethyljodid C2H5J\n7.\tAethylenchlorid CH2C1-CH2C1\n8.\tAethylenbromid CH2Br \u2014CH2Br\n9.\tAethylenjodid CH2J\u2014CH2J\n10.\tTrichloraethan CH2C1\u2014CHC12\n11.\tAcetylentetrachlorid CHC12\u2014CHC1.2\n12.\tPentachloraethan C2C15H\n13.\tHexachloraethan C2C10\n14.\tProbylbromid CH3CH2CH2Br\n15.\tPropyljodid CH3CH.2CH2J\n16.\tAllyltribromid CH2BrCHBrCH2Br\n17.\tBenzylchlorid C6H5CH2C1\n18.\tBenzalchlorid C6H5CHC12\n19.\tBenzotrichlorid C^HsCCl;*\n20.\tDichloressigs\u00e4ure CC12HC^qjj\n21.\tTrichloressigs\u00e4ure CC13C^qjj\n22.\tBromaceton CH3C-OCH2Br\n\u00df) aromatische:\nBr\nCHa\nBr\nBrombenzol\tBromtoluol\nBromstyrol\no-Chlorphenol\n-OH","page":99},{"file":"p0100.txt","language":"de","ocr_de":"100\nEmil v. Skramlik.\ni) N-Verbindungen.\n\u00ab) aliphatische :\n1. Amine.\t2. Nitrile.\nCH3NH2 (CH3)2NH C2H5NH2 (C2H5)2NH\tch3c=n\n(CH3)3N\t(G2h5)3n\n\u00df) aromatische:\n1. Anilin.\t2. o-Toluidin. ch3\t3. p-Toluidin. ch3\t4. Xylidin. ch3\t5. Nitrobenzol\n\t/\\nh,\t/\\\t//\\nh2 1\t(Nno2\n\\/\t\\/\tx/1 nh2\t\\/CH\u00e4\t1 \\x\n6. o-, m-, p-Nitrotoluol.\nch3-c6h4-no2\n8. Trinitrobutylxylol.\n(CH3)3 '\nNO*\n7. Trinitrobutyltoluol.\n(OH*)*\n9. Benzonitri]. C6H5C=N\n\u25a0y) heterozyklische:\n1. Pyridin.\t2. Collidin.\nCH\tch3\nch/^ch\t/\\\nCH^^JcH\t<JH i\tjCH;\nN\tN\n3. Piperidin.\t4. Pyrrol.\nCH2\nN\tN\nH\tH\n5. Chinolin. 6. Indol.\t7. Skatol.\t8. Nikotin.","page":100},{"file":"p0101.txt","language":"de","ocr_de":"Lokalisation der Empfindungen bei den niederen Sinnen.\n101\nk) Schwefelverbindungen.\n\u00ab) aliphatische:\nMerkaptane C2H5SH\tThio\u00e4ther C2H5SC2H5\n\u00df) heterozyklische:\nhc=ch\nThiophen j \\s.\nHC=CH\nEs ist bereits im Eingang zu diesem Abschnitt erw\u00e4hnt worden, dafs bei einem Riechstoff die Lokalisation m\u00f6glich, bei einem anderen g\u00e4nzlich ausgeschlossen ist. Die weitere Verfolgung dieser auff\u00e4lligen Tatsache an einem grofsen Material hat nun ergeben, dafs bei einem Geruchstr\u00e4ger die Lokalisation nur dann m\u00f6glich ist, wenn er nicht allein auf den Olfactorius, sondern auch auf benachbarte Sinneswerkzeuge ein wirkt. Als solche kommen Geschmacks-, K\u00e4lte-, W\u00e4rme-, Tast- und Schmerzsinn in Betracht. In dieser Zusammenstellung \u00fcberrascht auf den ersten Blick die Anf\u00fchrung des Geschmackssinns ; denn dafs die \u00fcbrigen Sinne, die in unmittelbarer Nachbarschaft des Riechfeldes in den Schleimh\u00e4uten der Nase untergebracht sind, bei der Ortsbestimmung mitwirken, scheint, wenn auch nicht selbstverst\u00e4ndlich, so doch nicht weiter befremdlich. Sind sie doch durch das Septum nasi in zwei voneinander streng getrennte Anteile zerlegt; trifft ein Reiz den einen, so wird die erzeugte Empfindung nach dieser Stelle projiziert. Dafs aber der Luftstrom, der durch den Pharynx nach abw\u00e4rts gegen die Zunge streicht, noch in zwei Teile gesondert sein sollte, wenn er auf der Zunge anlangt, ist wenig glaubhaft. Bei der richtigen r\u00e4umlichen Unterbringung von Riechstoffen durch den Geschmackssinn handelt es sich aber offenbar gar nicht um die Beteiligung derjenigen Knospen, die sich in den Papillen der Zunge befinden, vielmehr um Sinneselemente, die nach den Angaben von Rollett1 in der Schleimhaut des Nasen-Rachenraumes verteilt sind. Denn dort sind die beiden Luftstr\u00f6me, die durch die Nasenl\u00f6cher einstreichen, sicher noch un vermengt, nicht aber an weiter innen oder tiefer gelegenen Stellen. Bemerkenswert ist nun, dafs die Begleitempfindungen, die neben dem Geruch durch\n1 A. Rollett, Beitr\u00e4ge zur Physiologie des Geruchs, des Geschmacks, der Hautsinne und der Sinne im allgemeinen. Pfl\u00fcgers Arch. f. d. ges. Physiol. 74, 383. 1899.\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 56.\t8","page":101},{"file":"p0102.txt","language":"de","ocr_de":"Emil v. Skramlik.\nchemische Stoffe ausl\u00f6sbar sind, in eigenartiger Weise nach peripheren Stellen projiziert werden (s. Abb. 9) und zwar : die s\u00fcfse und saure Geschmacksempfindung auf den Nasenboden, die K\u00e4lteempfindung in die weiter nach aufsen gelegenen Anteile des Vorraums zum mittleren Nasengang, die W\u00e4rmeempfindung fast in die gleiche Gegend, nur etwas mehr nach h\u00f6her innen, die Tast- und Stichschmerzempfindungen endlich an diejenige Stelle der Schleimhaut,\nAbbildung 9.\nSagittalschnitt durch die Nase. Mit den Punkten bei 1 ist die Stelle markiert, wohin die Geschmacks-, mit 2, wohin die K\u00e4lte-, mit 3, wohin die Stichschmerz- und 4, wohin die W\u00e4rmeempfindungen subjektiv projiziert\nwerden.\ndie das Vestibulum nasi auskleidet, vorwiegend aber deren seitliche Partien. Diese Begleitempfindungen machen sich alle stets auf der gleichen Seite bemerkbar, wo der Riechstoff dargeboten wird. Fehlen sie, so ist eine Lokalisation der Rechts- und Linkseindr\u00fccke v\u00f6llig ausgeschlossen. Von dieser Tatsache habe ich mich durch lange Reihen von Versuchen \u00fcberzeugt. Als Urteile waren dabei erlaubt: 1. Ortsangabe bestimmt (objektiv richtig oder falsch), 2. Ortsangabe unsicher (objektiv richtig oder falsch), 3. Ortsangabe unbestimmt. Richtige und objektiv richtige, sub-","page":102},{"file":"p0103.txt","language":"de","ocr_de":"Lokalisation der Empfindungen bei den niederen Sinnen.\n103\njektiv unsichere Urteile wurden zusammengez\u00e4hlt, ebenso falsche und unbestimmte.\nBei dem Versuche, riechende Substanzen ohne Begleitwirkungen zu lokalisieren, werden die frappantesten T\u00e4uschungen erlebt. Man ist in vielen F\u00e4llen n\u00e4mlich vollkommen \u00fcberzeugt,\ndafs sich der Riechstoff tats\u00e4chlich auf derjenigen Seite befindet,\n\u2022 \u2022\ndie man bezeichnet hat, und h\u00f6rt dann zur gr\u00f6fsten \u00dcberraschung vom Versuchsleiter, dafs dies nicht zutrifft.\nEs wurde bereits darauf hingewiesen, dafs die Stoffe, die bei dieser Untersuchung zur Verwendung gelangen, 'm\u00f6glichst rein sein m\u00fcssen. Durch Verunreinigungen und Umwandlungen der K\u00f6rper k\u00f6nnen n\u00e4mlich Begleitempfindungen ausgel\u00f6st werden, die dem betreffenden Stoff im reinsten Zustande nicht zukommen. Vor Verunreinigungen sch\u00fctzt man sich durch Schmelz- und Siedepunktsbestimmungen, die in allen zweifelhaften F\u00e4llen durchgef\u00fchrt wurden. Doch k\u00f6nnen auch Beispiele f\u00fcr Stoffe angef\u00fchrt werden, bei denen es niemals ganz sicher ist, ob sie einen Geruch besitzen oder nicht. So behauptet Wallach, dafs reinster Methylalkohol v\u00f6llig geruchsfrei ist, und auch der Geruch des CS2 beruht auf einer Verunreinigung. In gleicher Weise wie vor Verunreinigungen mufs man sich auch vor Umwandlungen h\u00fcten. Ester werden zersetzt, wodurch die Wirkung der S\u00e4ure oder des Alkohols auf benachbarte Sinneswerkzeuge zum Durchbruch kommen kann; Aldehyde werden durch den Sauerstoff der Luit oxydiert, oft so rasch, dafs dies beim Einziehen des Stoffes in die Nase geschieht. Viele Stoffe polymerisieren beim l\u00e4ngeren Stehen und weisen dann auch ver\u00e4nderte sinnliche Eigenschaften auf. Bei der Pr\u00fcfung der Ester kann man sich vor der Wirkung der S\u00e4ure am einfachsten so sch\u00fctzen, dafs man diese neutralisiert, indem man den Ester mit einer NaHC03-L\u00f6sung sch\u00fcttelt. Doch ist dies Verfahren nicht immer anzuwenden, da manche Ester auf diese Weise zerlegt werden.\nZu denjenigen chemischen Verbindungen, die meistens nicht zu lokalisieren sind, bei denen also auf diese Weise keine Wirkung auf andere Sinneswerkzeuge als den Geruch nachweisbar ist, z\u00e4hlen :\n8*","page":103},{"file":"p0104.txt","language":"de","ocr_de":"104\nEmil v. Skramlik.\nVon aliphatischen Kohlenwasserstoffen: Myrcen ;\nalizyklischen\nLimonen\naliphatischen Alkoholen\nalizyklischen\t\u201e\naromatischen\t\u201e\naliphatischen Aldehyden alizyklischen Ketonen\naromatischen \u201e aliphatischen S\u00e4uren\naromatischen \u201e\nEstern,\tGruppe \u00ab\n55\t55\ty\n55\t55\tE\nLactonen,\t\u201e\t\u00c7\naliphatischen \u00c4thern aromatischen \u201e\nn\tN-Verbindungen\nheterozyklischen\nPinen, Cadinen, Caryo-phyllen, Phellandren ;\n: Decylalkohol, Citronellol, Geraniol, Linalool, Nerol;\n: Terpineol;\n: Benzylalkohol, Phenyl\u00e4thylalkohol, Carvacrol, Thymol;\n: Citral;\n: Iron, /3-Ionon, Carvon, Pulegon, Thujon ;\n: p Methoxyacetophenon ;\n: Valerian-, Capron-, Heptyl-, Capryl, Nonyl, Caprins\u00e4ure;\n: Phenylessigs\u00e4ure;\n: Essigs\u00e4ureoctylester, Caprins\u00e4ure-\u00e4thylester ;\n: Essigs\u00e4ure-, Propions\u00e4ure-, Butters\u00e4urebenzylester ;\n: Benzoes\u00e4ure\u00e4thylester, -propyl-ester, Phthals\u00e4uredi\u00e4thylester, Zimts\u00e4uremethylester ;\n: Cumarin, Methyl- und Aethyl-cumarin ;\n: Geranylmethyl\u00e4ther ;\n: AnetholjGuajakol, Kreosol, Eugenol, Isoeugenol, Eugenolmethyl\u00e4ther, Vanillin, Heliotropin;\n: o- und p-Toluidin, Xylidin, Toluol-, Xylolmoschus ;\n: Indol, Skatol.\nBesch\u00e4ftigen wir uns mit den angef\u00fchrten K\u00f6rpern, so ist zu vermerken, dafs mit Ausnahme der anorganischen Verbindungen, der organischen Halogen-, sowie Schwefelverbindungen s\u00e4mtliche Gruppen vertreten sind, denen Biechstoffe entnommen wurden. Es f\u00e4llt auf, dafs die niedrigen Glieder der homologenen Reihen nicht vorhanden sind. Die Valerians\u00e4ure ist mit C5 das niederste. Die angef\u00fchrten Ester sind entweder Verbindungen niederer aliphatischer Fetts\u00e4uren mit hohen aliphatischen Alkoholen (z- B- Essigs\u00e4ureoktylester) oder aromatischen Alkoholen (z. B. Essigs\u00e4urebenzylester), sowie aromatischer S\u00e4uren mit niederen aliphatischen Alkoholen (z. B. Benzo\u00e4s\u00e4ure\u00e4thylester). Bei der Esterifizierung geht die spezifische Wirkung der Esterbestandteile verloren: Die niederen aliphatischen Fetts\u00e4uren (unter C6) wirken","page":104},{"file":"p0105.txt","language":"de","ocr_de":"Lokalisation der Empfindungen bei den niederen Sinnen.\n105\nn\u00e4mlich auch auf den Geschmacks- und Schmerzsinn ein ; die hohen aliphatischen Alkohole erzeugen schwach brennende Empfindungen. Die aromatischen S\u00e4uren, z. B. Benzoes\u00e4ure, sind nahezu wirkungslos, die niederen aliphatischen Alkohole rufen starke W\u00e4rmeempfindungen in der Nase hervor.\nBetrachten wir die nicht lokalisierbaren K\u00f6rper vom \u00e4sthetischen Standpunkte, so ist zu vermerken, dafs Wohlger\u00fcche stark vertreten sind, dafs unangenehme Ger\u00fcche aber nicht fehlen (Indol, Skatol). Blumenger liehe sind repr\u00e4sentiert durch Geraniol, Terpineol, Linalool, Fruchtger\u00fcche durch einige Ester, Gew\u00fcrzger\u00fcche durch Anethol und Eugenol, Harzger\u00fcche durch Cadinen und Pinen. Hierzu kommen auch ranzige Ger\u00fcche, vertreten durch Capron-, Heptyls\u00e4ure und \u00e4hnliche, sowie F\u00e4kalger\u00fcche durch Indol und Skatol.\nOb diese Verbindungen nun wirklich nur auf den Geruchssinn einwirken, oder aber ob die Erregung der benachbarten Sinneswerkzeuge nur so schwach ist, dafs sie in dem Gesamtkomplex zur Lokalisation nicht mehr ausreicht, mufs vorerst unentschieden bleiben.\nEs w\u00e4re hier jener Unterdr\u00fcckungserscheinungen zu gedenken, die bei gleichzeitiger Einwirkung zweier verschieden starker Reize auf ein Sinneswerkzeug auftreten. So vermag beim Geh\u00f6r ein sehr lauter Ton einen schw\u00e4cheren, der f\u00fcr sich deutlich wahrgenommen werden kann, vollkommen zu unterdr\u00fccken. Ein gleiches ist beim Geruch zu verzeichnen, dafs n\u00e4mlich in Gegenwart eines sehr stark riechenden K\u00f6rpers ein schw\u00e4cher riechender nicht zur Wahrnehmung gelangt, wobei es vollkommen gleichg\u00fcltig ist, ob der schwache Geruch dem betreffenden Stoffe zu eigen ist oder nur auf seiner geringen Konzentration beruht. Was nun von zwei verschieden starken Reizen bei einem Sinneswerkzeug gilt, trifft auch f\u00fcr zwei zu, voraussichtlich allerdings nur im Bereiche der niederen Sinne. So ist bekannt, dafs bei sehr starkem Stichreiz der Geruch eines K\u00f6rpers nahezu vollkommen beseitigt wird. Dies trifft z. B. f\u00fcr den Formaldehvd oder das Ammoniak zu. Andererseits kann wieder ein sehr intensiver Geruch eine schwache Begleitempfindung unterdr\u00fccken.\nF\u00fcr die letztere Auffassung spricht vor allem die Beobachtung, dafs manchen von diesen Ger\u00fcchen z. B. ein bestimmter Geschmack anhaftet. Geraniol1, Citral, Terpineol und Eugenol-\n1 Roc\u00e9n, E., Contributions to the localisation of \u201esweet smell\u201c. Skand. Arch. f. Physiol., 40, 129. 1920.","page":105},{"file":"p0106.txt","language":"de","ocr_de":"106\nEmil v. Skraml\u00efk.\nmethyl\u00e4ther haben unzweifelhaft etwas \u201eS\u00fcfses\u201c an sich, \u00df-lonon, Carvon, Valerian- und Caprons\u00e4ure etwas \u201eSaures\u201c; ebenso Essig -s\u00e4ureoktylester, Capryl- und Caprins\u00e4ure\u00e4thylester. Linalool und Benzylalkohol zeichnen sich durch eine gewisse \u201eFrische\u201c aus, der wohl mit Sicherheit eine schwache K\u00e4lteempfindung zugrunde liegt. Phenyl\u00e4thylalkohol weist f\u00fcr manche Vpn. ein ganz schwaches Stechen auf, Citronellol ist deutlich herb. Bei den letzteren beiden wird es sich um schwache Wirkungen auf den Tast- bzw. Schmerzsinn handeln. So k\u00f6nnte man aus den nicht lokalisierbaren K\u00f6rpern \u2014 etwa 50 an Zahl \u2014 sicher noch weit \u00fcber die H\u00e4lfte herauslesen, bei denen eine Einwirkung auf benachbarte Sinneswerkzeuge zumindest sehr fraglich ist.\nEs mufs hervorgehoben werden, dafs die Lokalisation von riechenden Stoffen gewissen individuellen Schwankungen unterworfen ist. Es geschieht n\u00e4mlich nicht ganz selten, dafs bei einer Person die Wirkung des Riechstoffs auf andere Sinneswerkzeuge als den Geruch noch deutlich ist, w\u00e4hrend sie bei einer anderen nicht besteht. So kann z. B. das Pinen von manchen Leuten auf Grund einer begleitenden schwachen K\u00e4lteempfindung, wenn auch nicht immer, so doch in der \u00fcberwiegenden Anzahl der F\u00e4lle lokalisiert werden. Die Erkl\u00e4rung f\u00fcr dieses Verhalten f\u00e4llt nicht schwer. Bei dem einen ist die Schwelle f\u00fcr die K\u00e4lteempfindung niedriger als wie bei einem zweiten, und das gleiche gilt f\u00fcr Geschmack und Stichschmerz. Daraus l\u00e4fst sich der einfache, aber nicht unwichtige Schlufs ziehen, dafs die Riechstoffe auf verschiedene Vpn. durchaus nicht gleichartig einwirken und so'verschiedene Gef\u00fchlst\u00f6ne hervor-rufen.\nDurch Riechstoffe im Gaszustande werden zweierlei Arten von Geschmacksempfindungen erzeugt, die saure und die s\u00fcfse. Salzig und bitter wurden von meinen Mitarbeitern und mir niemals verzeichnet. Henning spricht von einem \u201ebitteren\u201c Geruch des Nitrobenzols, diesen habe ich ebensowenig wie Wallach feststellen k\u00f6nnen.\nSaure Geschmacksempfindungen l\u00f6sen aus :\nVon aliphatischen S\u00e4uren: Ameisen-, Essig-, Propion-, Butter-und Valerian-\ns\u00e4ure.\nDer saure Geschmack verschwindet aber selbst bei der Caprons\u00e4ure noch nicht v\u00f6llig, ist aber bereits so schwach, dafs er zur Lokalisation nicht ausreicht. Die meisten der angef\u00fchrten S\u00e4uren","page":106},{"file":"p0107.txt","language":"de","ocr_de":"Lokalisation der Empfindungen bei den niederen Sinnen.\n107\nwirken aber nicht nur auf den Geschmack ein, sondern sie erregen in mehr oder minder hohem Grade auch den Schmerzsinn. So ist bei der Ameisens\u00e4ure das \u201eStechen\u201c so ausgepr\u00e4gt, dafs nur ein undefinierbarer schwacher Geruch \u00fcbrig bleibt. Das Stechen h\u00f6rt erst bei der Butters\u00e4ure auf. Bei der Propions\u00e4ure tritt als etwas Neuartiges der \u201eranzige\u201c Geruch auf. Diese S\u00e4ure erzeugt also einen ganz eigenartigen Empfindungskomplex.\nSiifse Geschmacksempfindungen l\u00f6sen aus:\nVon aliphatischen Kohlenwasserstoffen : Pentan, Hexan, Heptan ;\n\u201e aromatischen\t\u201e\t: Benzol ;\n\u201e aliphatischen Ketonen\t: Methylpropyl- und Methylbutyl-\nEstern der Gruppe \u00ab\nn\tri\tjj ^\naromatischen Athern aliphatischen Halogenverbindungen :\naromatischen N-Verbindungen Schwefelverbindungen\nketon ;\n: Ameisens\u00e4ure\u00e4thylester, Ameisens\u00e4urepropylester ;\n: Zimts\u00e4ure\u00e4thylester ;\n: Isosafrol:\n\u00c4thylchlorid, \u00c4thylbromid, \u00c4thyljodid, Propylbromid, Propyljodid, \u00c4thylenchlorid, \u00c4thylenbromid, Trichlor\u00e4than, Pentachlor\u00e4than, Chloroform, Bromoform, Jodoform, Tetrachlorkohlenstoff; Nitrobenzol, Nitrotoluol (o-, m-, p-) ; der Geruchstr\u00e4ger des CS2.\nHauptvertreter dieser Gruppe von Stoffen sind die Halogenderivate, denen bekanntlich gleichzeitig eine starke narkotische Wirkung zukommt. Bei den Estern handelt es sich um diejenigen, deren Alkohol stark s\u00fcfsen Geschmack hat. Diese Stoffe weisen auch ein ganz feines Stechen auf. Hervorzuheben ist, dafs die Einf\u00fchrung einer N02-Gruppe den schwach s\u00fcfsen Geschmack des Benzols verst\u00e4rkt.\nSchon im Anfangsteil dieses Abschnitts wurde darauf hingewiesen, dafs die Projektion des sauren und s\u00fcfsen Geschmacks in eigenartiger Weise in die Gegend des Nasenbodens erfolgt. Im Anschlufs daran erhebt sich die Frage, welche Sinnesgebilde zur Reiz auf n ahme dienen. Es mufs sich offenbar um diejenigen Papillen, bzw. Geschmacksknospen handeln, die an verschiedenen Stellen des Nasenrachenraums, vorwiegend aber an der R\u00fcckseite des Gaumensegels gefunden wurden. Denn dafs der Luftstrom, der durch die beiden Nasenh\u00e4lften streicht, an dieser Stelle noch in zwei Anteile getrennt ist, l\u00e4fst sich sehr wohl vermuten. Die Projektion der begleitenden Geschmacks-","page":107},{"file":"p0108.txt","language":"de","ocr_de":"108\nEmil v. Skramlik.\nempfindungen auf den Nasenboden ist zweifellos als eine falsche anzusehen. Hat doch schon Beyer1 darauf hingewiesen, dafs bei vollst\u00e4ndigem Verschlufs der beiden Choanen auf experimentellem Wege eine Geschmacksempfindung bei nasaler Darbietung von riechenden Stoffen nicht auftritt. Auch ich habe mich in einigen Versuchen \u00fcberzeugt, dafs eine Bepinselung des Nasenbodens und der unteren Nasenmuschel mit konzentrierten L\u00f6sungen von Geschmacksstoften, einer 0,006 m Chin, hydr.-, 1,71 m NaCl-, 1,11 m Traubenzucker- und 0,06 m Weinsteins\u00e4urel\u00f6sung nicht die geringste Geschmacksempfindung ausl\u00f6st. Indessen ist durch diese Versuche das Problem des \u201enasalen Schmeckens'4 noch nicht als gel\u00f6st zu betrachten und bedarf noch einer weiteren Bearbeitung.\nAuf den Temperatursinn wirken ein : durch Ausl\u00f6sung von\nK\u00e4lteempfinduiigen :\nDie alizyklischen Kohlenwasserstoffe \u201e\t\u201e\tAlkohole\n\u201e aromatischen \u201e\n\u201e aliphatischen Aldehyde\naromatischen \u201e\n\u201e aliphatischen Ketone\n\u201e alizyklischen \u201e Ester Gruppe \u00ab\n11\tr\t11\tc\n\u201e alizyklischen \u00c4ther ,, aromatischen\nCamphen, Menthen, Sabinen; Methylcyclohexanol (1: 2, 1 : 8, 1 : 4), Menthol, Sabinol, Borneol, Myrtol ; Phenol ;\n: n-Oktvlaldehyd, Paraldehyd, Citro-nellal ;\n: Salicylaldehyd ;\n: Methylnonylketon.Methylhexylketon, Methylheptenon ;\n: a-Ionon, Menthon, Fenchon, Kampfer ;\n: Essigs\u00e4ureeisoamylester ;\n: Essigs\u00e4urebornylester, Essigs\u00e4ureisobornylester. Essigs\u00e4urementhyl-ester, V alerians\u00e4urementhylester ;\n: Salizyls\u00e4uremethylester, Salizyls\u00e4ure\u00e4thylester, Salizyls\u00e4ureamylester ;\n: Eukalyptol, (Chlormethylmenthyl-\u00e4ther) ;\n: Resorzinmethyl\u00e4ther, Safrol.\nChemisch ist es keine bestimmte Gruppe organischer Verbindungen, die eine Einwirkung auf den K\u00e4ltesinn aus\u00fcbt. Zum Teil handelt es sich um Wohlger\u00fcche (Salizylaldehyd, Methyl-nonylketon), auch Harzger\u00fcche sind stark vertreten (Kampfer, Camphen, Menthen, Menthon u. a.). Besonders interessant ist, dafs bei manchen Estern die K\u00e4ltekomponente des Alkohols be-\n1 H. Beyer, Nasales Schmecken. Zeitschr. f. Sinnesphysiol. 85, 260. 1904.","page":108},{"file":"p0109.txt","language":"de","ocr_de":"Lokalisation der Empfindungen bei den niederen Sinnen.\n109\nstehen bleibt (Essigs\u00e4urebornyl-, Essigs\u00e4urementhylester u. a.). Von Essigs\u00e4ure- und Valerians\u00e4urementhylester ist eigens zu vermerken, dafs man bei ihrer Darbietung ein versp\u00e4tetes Auftreten der K\u00e4lteempfindung wahrnehmen kann.\nRiecht man z. B. an Essigs\u00e4urementhylester, so erlebt man zuerst einen Wohlgeruch und nach Ablauf von einigen Sekunden (4\u20148) eine K\u00e4lteempfindung, die um so deutlicher ist, je st\u00e4rker der Luftstrom eingesogen wurde. Von Interesse ist, dafs sich hier zeitliche Differenzen im Auftreten der Empfindungen bemerkbar machen, die bei den anderen bisher untersuchten K\u00f6rpern nicht festzustellen waren. Auf die Bedeutung dieses Befundes komme ich noch an anderer Stelle zur\u00fcck.\nW\u00e4rmeempfindungen1 werden ausgel\u00f6st in Form eines Brennens :\nVon alizyklischen Kohlenwasserstoffen: Cyclohexan ;\n\u201e aliphatischen Alkoholen\t: Methyl-, \u00c4thyl-, Propyl-, Isobutyl-,\nAmyl-, Capryl-, Allylalkohol ;\n\u201e aromatischen \u201e\t: Phenyl\u00e4thylalkohol;\n\u201e aliphatischen Aldehyden\t: n-Decylaldehvd.\nWie man sieht, ist diese Gruppe von K\u00f6rpern sehr schwach vertreten; vorwiegend sind es die niederen Alkohole, die ein Brennen ausl\u00f6sen, das zumeist auch von Stichempfindungen begleitet ist.\nDie gr\u00f6fste und zugleich interessanteste Gruppe von chemischen Substanzen bilden diejenigen, die auch das Getast und den Schmerzsinn miterregen. Es handelt sich dabei um Wirkungen, die als Stichschmerzempfindungen zu kennzeichnen sind und sich vom schwachen Prickeln (z. B. beim Toluylaldehyd) bis zum lebhaftesten Schmerz (z. B. beim Azetaldehyd) abstufen. Die Begleitwirkungen k\u00f6nnen dann sogar so weit gehen, dafs sich auch vasomotorische Erscheinungen bemerkbar machen. Ich erinnere hier an den \u201eroten Kopf\u201c, den jeder bekommt, wenn er Azetaldehyd, der in schwacher Konzentration angenehm obstartig riecht, heftig einatmet.\n1 Einige wenige Angaben hier\u00fcber finden sich bei Henning 1. c. S. 18. Als warm wirkender K\u00f6rper werden Heliotropin und Moschus angegeben. Dieses \u201ewarm\u201c ist wohl nur vom \u00e4sthetischen Standpunkt aus zu verstehen.","page":109},{"file":"p0110.txt","language":"de","ocr_de":"110\nEmil v. Skramlik.\nStichsctamerzempfindungeii l\u00f6sen aus:\nVon anorganischen K\u00f6rpern \u201e aromatischen Kohlenwasserstoffen \u201e\tAlkoholen\nr\t\u00bb\n\u201e aliphatischen Aldehyden \u201e aromatischen \u201e\n\u201e aliphatischen Ketonen\n\u201e\tS\u00e4uren\n\u201e aromatischen \u201e\n\u201e Estern der Gruppe a\n\u00bb\tn\tr>\tr>\t\u00df\n)i\t5:\t\u00ab\tp\n\u201e aromatischen \u00c4ther \u201e aliph\u00e4t. Halogenverbindungen\n\u201e aromatische\t\u201e\n\u201e N-Verbindungen, aliphatische \u201e\t\u201e\t\u201e\theterzyklische\nS.\nCI2, Brg, J2) NH3, S02 ;\nToluol, Xylol, Styrol;\nZimtalkohol ;\nForm-, Azet-, Propion-, Valer-, Nonylaldehyd ;\n: Benz-, o-Toluyl-, Cumin-, Zimt-, Hydrozimtaldehyd, Phenylazetal-dehyd;\n: Azeton, Dipropylketon, Methyl-heptenon;\n: Ameisen-, Essig-, Propion-, Butters\u00e4ure ;\n: Benzoes\u00e4ure, Zimts\u00e4ure;\n: Geranyl-, Citronellyl-, Linalylazetat ;\n: Terpinylazetat ;\n: Phenylessigs\u00e4ureamylester ;\n: Phenetol;\n: Allyltribromid, Monochloressigs\u00e4ure, Dichloressigs\u00e4ure, Trichlor-essigs\u00e4ure ;\n: Brombenzol, Bromtoluol, Bromstyrol, o-Chlorphenol ;\n: prim\u00e4re, sekund\u00e4re, terti\u00e4re Methyl-, \u00c4thyl- und Propylamine;\n: Pyridin, Collidin, Piperidin, Pyrrol, Chinolin, Nikotin;\n: Thiophen.\nEin \u00dcberblick \u00fcber die hier angef\u00fchrten chemischen K\u00f6rper lehrt, dafs Elemente und anorganische Verbindungen vertreten sind, deren \u201eGeruch\u201c vorwiegend in einer heftigen Einwirkung auf benachbarte Sinneswerkzeuge besteht. Dazu kommen zahlreiche Aldehyde, organische Halogen-, N- und Schwefelverbindungen.\nDie angef\u00fchrten Estern erinnern noch bis zu einem gewissen Grade an den Alkohol. Je mehr Kohlenstoffatome aber die zur Esterifizierung verwendete S\u00e4ure hat, um so mehr ver\u00e4ndert sich der Alkoholgeruch. Die Formiate stehen also im Geruch dem Alkohol n\u00e4her als wie die Azetate und diese wieder mehr als wie die Propionate, bei denen sich bereits ein schwach ranziger Geruch bemerkbar macht. Bei der Esterbildung geht der w7eiche (s\u00fcfse) sinnliche Bestandteil des Alkohols verloren und macht einer gewissen \u201eFrische\u201c und \u201eHerbheit\u201c Platz.","page":110},{"file":"p0111.txt","language":"de","ocr_de":"Lokalisation der Empfindungen bei den niederen Sinnen.\n111\nEin interessantes Verhalten weisen die Amine auf, deren Geruch in hervorragendem Mafse durch die Ammoniakgruppe bestimmt wird. Das Faulige, das allen diesen K\u00f6rpern ebenso zu eigen ist, kommt um so mehr zum Vorschein, je mehr Radikale im Molek\u00fcl vertreten sind. Die terti\u00e4ren Amine riechen also st\u00e4rker faulig als die prim\u00e4ren. Da die Halogene f\u00fcr sich sehr stark reizend wirken, so w\u00e4re verst\u00e4ndlich, dafs ihre Einf\u00fchrung in einen chemischen Komplex das unwirksame Molek\u00fcl mit einer Komponente auf den Schmerzsinn ausstattet. Das ist indessen nicht der Fall; ich erinnere nur an die Halogenderivate der ges\u00e4ttigten und unges\u00e4ttigten Kohlenwasserstoffe, die s\u00fcfs \u201eriechen\u201c. Die Halogenierung vermag n\u00e4mlich nur bei denjenigen K\u00f6rpern die Wirkung auf den Tast- und Schmerzsinn zu steigern, wo schon prim\u00e4r eine solche besteht z. B. Toluol und Xylol bei \u00dcberf\u00fchrung von Bromtoluol bzw. -xylol. Ebenso bei Einf\u00fchrung von Chlor in das Molek\u00fcl der Essigs\u00e4ure-, Mono-, Di- und Trichloressigs\u00e4ure. Bei den heterozyklischen N-Verbin-dungen wie Pyridin oder Chinolin ist eine Wirkung auf mehrere Sinneswerkzeuge zu verzeichnen. Bei Pyridin neben Getast und Schmerzsinn sicher auch auf den Geschmack.\nDamit kommen wir auf diejenigen Stoffe zu sprechen, von denen Empfindungskomplexe \u00e4ufserst unangenehmen Charakters ausgel\u00f6st werden. Diese sind wohl zu lokalisieren ; die Begleitempfindungen sind aber von solcher St\u00e4rke und von so verschiedenartigem Wesen, dafs die Aussage, welche Sinne mitgereizt wurden, aufserordentlich schwer f\u00e4llt. Hier sind anzuf\u00fchren :\nVon anorganischen Verbindungen \u201e aliphatischen Alkoholen \u201e heterozyklischen Aldehyden \u201e alizyklischen Ketonen \u201e aliphatischen Halogenverbindun\n\u201e\t\u201e\tN-Verbindungen\n\u201e aromatischen\t\u201e\n\u201e aliphatischen S- \u201e\n\u201e heterozyklischen S- \u201e\n; H2S;\n: Allylalkohol;\n: Furfurol;\n: Fenchon;\n: Pentachlor\u00e4than, Hexachlor-\u00e4than;\n: Amine, Nitrile;\n: Benzonitril;\n: Merkaptane, Thio\u00e4ther;\n: Thiophen.\nDie meisten von diesen K\u00f6rpern bleiben nach Einziehen durch die Nase auf den Schleimh\u00e4uten l\u00e4ngere Zeit haften, \u201ekriechen\u201c gewissermafsen \u00fcber sie dahin und sind nicht recht fortzubringen. Auf diese Weise wird der lebhafteste Widerwille","page":111},{"file":"p0112.txt","language":"de","ocr_de":"112\nEmil v. Skramlik.\nerweckt, der sich bis zum W\u00fcrgreiz steigern kann. Es gesellen sich zu dem gesamten Empfindungskomplex auch noch reflektorische Vorg\u00e4nge.\nZu denjenigen K\u00f6rpern, denen teilweise auch ein Geruch zukommt, deren Hauptwirkung sich aber an anderen Sinneswerkzeugen \u00e4ufsert, geh\u00f6ren auch die sogenannten \u201eReizstoffe\", von denen einige im Gaskrieg eine Rolle gespielt haben.\nEs seien hier aufgez\u00e4hlt:\nBromazeton, Benzylchlorid, Benzalchlorid und Benzotrichlorid.\nDas Experimentieren mit diesen Substanzen ist bekanntlich mit Gefahren verbunden.\nWerfen wir nun einen \u00dcberblick \u00fcber die gesamten Stoffe, so f\u00e4llt als erstes auf, dafs die Zahl der nicht lokalisierbaren chemischen K\u00f6rper gegen\u00fcber denjenigen, die sich lokalisieren lassen, eine geringe ist. Die beiden Gruppen verhalten sich zueinander nach der vorliegenden Auf Stellung, die ja nat\u00fcrlich keinen Anspruch auf Vollst\u00e4ndigkeit erhebt, etwa wie 1 : 4. Bedenken wir aber, dafs sich auch unter den nicht lokalisierbaren K\u00f6rpern sicher noch zahlreiche aus-scheiden lassen, bei denen eine Nebenwirkung zumindest wahrscheinlich ist, so d\u00fcrfte das Verh\u00e4ltnis f\u00fcr die Riechstoffe ohne Nebenwirkung ein noch ung\u00fcnstigeres sein.\nVom chemischen Standpunkt aus begutachtet, sind die K\u00f6rper, bei denen eine Wirkung auf benachbarte Sinneswerkzeuge nicht merklich ist, die h\u00f6hermolekularen und weniger fl\u00fcchtigen ; die Substanzen mit niedrigem Molekulargewicht, die fl\u00fcchtiger sind, weisen zumeist starke Nebenwirkungen auf. Saure Geschmacksempfindungen werden von den niederen aliphatischen S\u00e4uren, s\u00fcfse besonders von den Halogenderivaten der ges\u00e4ttigten und unges\u00e4ttigten Kohlenwasserstoffe erzeugt. Auf den K\u00e4ltesinn wirken vorwiegend die alizyklischen, auf den W\u00e4rme sinn die niederen aliphatischen Alkohole. Stichs chm er zempfindungen werden in besonderem Mafse von zahlreichen aliphatischen und aromatischen Aldehyden hervorgerufen. Da aber die verschiedenartigen Nebenwirkungen niemals durch Verbindungen einer chemischen Reihe erzeugt werden, so kann bei dem heutigen Stande unserer Erkenntnis keine bestimmte Atomgruppe f\u00fcr den einen oder anderen Erfolg verantwortlich gemacht werden. Einzig und allein f\u00fcr den sauren Geschmack kann man gewisse Rieht-","page":112},{"file":"p0113.txt","language":"de","ocr_de":"Lokalisation der Empfindungen bei den niederen Sinnen.\n113\nlinien aufstellen und sagen, dafs f\u00fcr ihn das Vorhandensein eines H-Ions ausschlaggebend ist.\nDie niederen aliphatischen S\u00e4uren weisen ein starkes Stechen und eine saure Komponente auf. Das erstere ist besonders bei der Ameisens\u00e4ure 1 ausgepr\u00e4gt, wird bis zur Butters\u00e4ure immer schw\u00e4cher und geht bei der Valerians\u00e4ure verloren; die saure Komponente ist bei der Ameisens\u00e4ure durch die Stichschmerzempfindungen stark \u00fcbert\u00f6nt, wird bei der Essig- und Propions\u00e4ure sehr deutlich und von C4 an immer schw\u00e4cher. Sie ist aber auch noch bei den Gliedern C5\u2014C9 merklich, auch wenn sie nicht mehr zur Ortsbestimmung ausreicht. Von C3 an macht sich ein deutlich ranziger Geruch bemerkbar, und es ist \u00fcberhaupt fraglich, von welcher Beschaffenheit der Geruch der ersten beiden Glieder (Ameisen- und Essigs\u00e4ure) ist. Die aromatischen S\u00e4uren weisen entweder \u00fcberhaupt nur einen Geruch auf, z. B. Phenylessigs\u00e4ure, Zimts\u00e4ure, oder sind v\u00f6llig unwirksam, z. B. Salizyls\u00e4ure.\nDie niederen aliphatischen Alkohole erzeugen Brennen und eine S\u00fcfsempfindung. Das erstere ist beim Aethylalkohol besonders deutlich, beim Methylalkohol nur angedeutet, bei den Gliedern C3\u2014C5 in immer schw\u00e4cherer Weise vorhanden. Die S\u00fcfsempfindung nimmt von CA zu C2 zu und wird von da ab immer schw\u00e4cher, geht aber nicht ganz verloren (z. B. Geraniol!). Die alizyklischen Alkohole erzeugen vorwiegend K\u00e4lte (Menthol, Borneol, Methyl-Cyclohexanol). Die aromatischen Alkohole haben zumeist keine Wirkung auf die dem Geruch benachbarten Sinneswerkzeuge.\nDie Ester weisen, wenigstens vielfach, einen \u201e\u00e4therischen\u201c Geruch auf. Man kann den sinnlichen Eindruck, der durch die Ester erzeugt wird, am besten so beschreiben/ dafs es sich um Einwirkungen auf den Geruch handelt, denen Empfindungen des Geschmackssinns, die aus einer sauren, z. T. auch s\u00fcfsen Komponente bestehen, sowie von seiten des Tast-, (Schmerz) und Temperatursinns beigemengt sind. Dafs aus diesem Komplex der eigentliche Geruch dieser Substanzen nicht abgesondert werden kann, ist ohne weiteres zu verstehen. Er erinnert im\n1 Von den Ameisen als rein osmatischen Tieren zu reden, ist danach zweifellos zu weit gegangen, da die Orientierung nicht durch den Geruchssinn zu erfolgen braucht, vielmehr durch andere Sinneswerkzeuge bedingt sein k\u00f6nnte.","page":113},{"file":"p0114.txt","language":"de","ocr_de":"114\nEmil v. Skrcimlik.\nallgemeinen an die S\u00e4ure; doch ist zu bemerken, dafs es gar nicht schwer ist, ihn von dieser auseinander zu halten. Auch ist es, wovon ich mich in eigenen Versuchen \u00fcberzeugt habe, nicht m\u00f6glich, den Geruch eines Esters durch Mischung aus der S\u00e4ure und dem Alkohol, aus dem er sich zusammensetzt, nachzuahmen.\nAus diesen Befunden l\u00e4fst sich entnehmen, dafs die Stoffe, die als Geruchsreize verwendet werden k\u00f6nnen, sich in zwei Gruppen sondern lassen : in unlokalisierbare und lokalisierbare. Die letztere umfafst nun K\u00f6rper, bei denen sich eine Miterregung anderer Sinneswerkzeuge neben dem Geruch vielfach direkt nach-weisen l\u00e4fst. Wir sind auf Grund dieser Tatsache zu der Extrapolation berechtigt, dafs in allen F\u00e4llen, in denen eine Lokalisation von Geruchstr\u00e4gern m\u00f6glich ist, auch andere Sinne miterregt werden. Eigentlich k\u00f6nnen wir bei den nicht lokalisierbaren K\u00f6rpern noch nicht von reinen Geruchsstoffen, also solchen reden, die nur auf den Olfaktorius wirken, wreil die Erregung der anderen Sinne so schwach sein k\u00f6nnte, dafs sie in dem gesamten Empfindungskomplex nicht zur Wahrnehmung gelangt. Es ist aber im h\u00f6chsten Grade wahrscheinlich, dafs wir mit dem Geruch nicht lokalisieren k\u00f6nnen und dafs alle nicht lokalisierbaren Stoffe vorwiegend reine Geruchsreize sind.\nSoweit aus den bisherigen Erfahrungen geschlossen werden kann, schwankt die Zahl derjenigen Riechstoffe, die nicht lokalisiert werden k\u00f6nnen und einen ausgepr\u00e4gten Geruch besitzen, um 50. Sie l\u00e4fst sich nat\u00fcrlich nur ganz ann\u00e4hernd angeben, da uns der Chemiker jeden Tag einen neuen, bisher nicht bekannten liefern kann. Es liegt also durchaus kein Grund vor, aus der verwirrenden Mannigfaltigkeit der Riechstoffe auf eine ebenso grofse Zahl von Geruchsqualit\u00e4ten zu schliefsen. Diese erkl\u00e4rt sich vielmehr ohne Zwang aus dem Zusammenwirken mehrerer Sinne. Bei gleicher Geruchskomponente k\u00f6nnen n\u00e4mlich ganz verschiedene sinnliche Komplexe entstehen, je nachdem der eine K\u00f6rper gleichzeitig, z. B. st\u00e4rker auf den Schmerzsinn, der zweite mehr auf den K\u00e4ltesinn wirkt. So aber wird auch verst\u00e4ndlich, dafs uns jederzeit neue \u201eGer\u00fcche\u201c einheitlicher Stoffe begegnen k\u00f6nnen, die wir bis dahin nicht gekannt haben. Es erweist sich jetzt als dringend notwendig, alle diejenigen Stoffe, die nicht lokalisiert werden k\u00f6nnen, auch sprachlich von den \u00fcbrigen zu sondern und sie durch die Be-","page":114},{"file":"p0115.txt","language":"de","ocr_de":"Lokalisation der Empfindungen bei den niederen Sinnen.\n115\nZeichnung der \u201ereinen Riechstoffe\u201c von den Riechstoffen im allgemeinen auseinander zu halten.\nEine Begr\u00fcndung f\u00fcr die Tatsache, dafs man mit Hilfe des Geruchs Rechts- und Linkseindr\u00fccke nicht sondern kann, ist vorerst nicht zu geben. Der Geruch verh\u00e4lt sich hierin ann\u00e4hernd so wie das Geh\u00f6r, das sich bei der Ortsbestimmung einer Schallquelle auch als sehr mangelhaft erweist. Offenbar gilt die Gesetz-m\u00e4fsigkeit, dafs die Lokalisation mit Hilfe eines Sinneswerkzeugs um so schwieriger ist, je gr\u00f6fser die Zahl seiner sinnlichen Komponenten ist. Kann man also die Unf\u00e4higkeit des Geruchssinns zur Lokalisation auch nicht mit aller Sicherheit begr\u00fcnden, so l\u00e4fst sich doch wohl jetzt die Ursache angeben, warum die Externalisation der Geruchseindr\u00fccke in den Eingang zur Nase erfolgt. Da mit dem Geruch nicht lokalisiert werden kann, so erfolgt die Ortsbestimmung durch den Tastsinn, und zwar wird die Empfindung nach jener Stelle verlegt, wo die erste Ber\u00fchrung des Luftstroms mit dem K\u00f6rper stattfindet, und das ist der Naseneingang.\nAuf die \u00fcberraschende Tatsache, dafs mit Hilfe des Geruchs- \u2022 sinns Rechts- und Linkseindr\u00fccke nicht gesondert werden k\u00f6nnen, werfen nun die folgenden Beobachtungen neues Licht.\nVerschliefst man das eine Nasenloch und zieht durch das andere einen reinen Riechstoff ein, so hat man fortlaufend eine Geruchsempfindung, die sofort abklingt, wenn man die Flasche entfernt, und auch nicht wieder auftritt, wenn man durch dasselbe Nasenloch ausatmet. \u00d6ffnet man dagegen nach Entfernen der Flasche das zweite Nasenloch, so hat man jetzt eine deutliche Geruchsempfindung, die eine Zeitlang (2\u20144\u201c) unver\u00e4ndert bestehen bleibt, gleichg\u00fcltig, ob man den Atem anh\u00e4lt, oder ihn durch dieses Nasenloch einzieht oder ausbl\u00e4st. Diese Erscheinung wurde mir von mehreren unbeeinflufsten Vpn. best\u00e4tigt.\nIhre Deutung verursacht einige Schwierigkeiten. Jedenfalls kann sie nicht auf Erm\u00fcdung derjenigen Sinnesh\u00e4lfte zur\u00fcckgef\u00fchrt werden, auf der der Riechstoff dargeboten wurde. Eine solche k\u00f6nnte vorliegen, wenn zum Eintritt des Ph\u00e4nomens das Ausatmen durch das zweite Nasenloch unbedingt erforderlich w\u00e4re. Dann k\u00f6nnte gesagt werden; der durch Absorption in der Fl\u00fcssigkeit der Schleimh\u00e4ute an Quantit\u00e4t verringerte und durch das grofse Luftvolumen in den Lungen stark verd\u00fcnnte Riechstoff kann mit derjenigen H\u00e4lfte des peripheren Sinnesfeldes","page":115},{"file":"p0116.txt","language":"de","ocr_de":"116\nEmil v. Skramlik.\nnicht mehr wahrgenommen werden, an der er in st\u00e4rkerer Konzentration vor\u00fcbergestrichen ist, wohl aber mit der unbeeinflafsten. In diesem Falle k\u00f6nnte also von einer Erm\u00fcdung gesprochen werden. Da die Ausatmung aber gar nicht erforderlich ist, die Erscheinung vielmehr auch bei angehaltenem Atem, ja sogar bei der Einatmung von v\u00f6llig geruchloser Luft auftritt, ist diese Erkl\u00e4rung nicht zul\u00e4ssig.\nDas Ph\u00e4nomen weist eine gewisse \u00c4hnlichkeit mit Nachbildern auf, nur dafs dieser \u201eNachgeruch\u201c \u2014 wie man ihn bezeichnen k\u00f6nnte \u2014 nach der falschen Seite projiziert wird, n\u00e4mlich nach derjenigen, die in dem vorliegenden Falle nicht erregt wurde. Wahrscheinlich findet eine gegenseitige Beeinflussung der zentralen Projektionsfelder des Geruchs statt. Ist dies aber der Fall, so kann man verstehen, dafs eine Ortsbestimmung unm\u00f6glich wird. Denn wenn eine Empfindung nach beiden Seiten projiziert wird, so ist keine Aussage zu machen, an welcher Stelle die Einwirkung tats\u00e4chlich stattgefunden hat.\nUnter bestimmten Verh\u00e4ltnissen, die indessen vom Individuum ' stark abh\u00e4ngen, ist auf indirektem Wege eine Ortsbestimmung m\u00f6glich. Ein solcher Fall ist gegeben, wenn die Empfindung qualitativ oder quanti ta tv verschieden ist, je nachdem der Reiz links oder rechts dargeboten wird und man sich auf diesen Unterschied ein\u00fcbt. Qualitative Unterschiede sind relativ selten, quantitative dagegen sehr h\u00e4ufig, und sie bilden einen Hinweis, dafs auch unter normalen Bedingungen die beiden Sinnesh\u00e4lften des Geruchs nicht gleichartig arbeiten. Es ergibt sich hier ein gewisses Analogon zwischen Geruch und Geschmack, bei dem ja auch durch die vorliegende Untersuchung nachgewiesen wurde, dafs das rechte Zungenfeld z. T. eine andere Empfindlichkeit auf weist als das linke. Bei manchen Vpn. ist der Geruch einer Substanz qualitativ verschieden, je nachdem sie links oder rechts dargeboten wird. F\u00fcr mich gilt das z. B. vom Pinen in ganz ausgesprochener Weise. Dieser Unterschied ist aber im allgemeinen sehr schwer festzuhalten. Viel leichter f\u00e4llt dagegen das Einpr\u00e4gen quantitativer Differenzen. Zumeist ist der Geruch monorhin links schw\u00e4cher als wie rechts. Um aber auf diese Weise lokalisieren zu k\u00f6nnen, mufs man auf diesen Unterschied aufmerksam werden und bei der Darbietung einigemal gesagt bekommen, auf welcher Seite sich die Flasche mit dem Riechstoff befindet.","page":116},{"file":"p0117.txt","language":"de","ocr_de":"Lokalisation der Empfindungen bei den niederen Sinnen.\n117\nb) Lokalisation bei dichorhinem Verfahren.\nBietet man jedem Nasenloch gesondert je einen reinen Riechstoff dar, so kann nat\u00fcrlich ebensowenig lokalisiert werden, wie bei einer monorhinen Darbietung. Es ist aber in den meisten F\u00e4llen m\u00f6glich, die beiden Riechstoffe nebeneinander wahrzunehmen und auch zu erkennen. Solche Versuche sind nur an besonders Ge\u00fcbten anzustellen. Dazu geh\u00f6rt eine l\u00e4ngere und dauernde Besch\u00e4ftigung mit den Riechstoffen. Es gen\u00fcgt also nicht, dafs man \u00fcberhaupt einmal die Substanzen kennen und benennen gelernt hat. Jeder kann sich davon \u00fcberzeugen, wie rasch man beides, besonders aber das Benennen verlernt, wenn man l\u00e4ngere Zeit in dieser T\u00e4tigkeit pausiert.\nH\u00e4lt man einer ge\u00fcbten Vp. unter das eine Nasenloch Linalool, unter das andere Caprons\u00e4ure, so erlebt sie einen Empfindungskomplex, der kurze Zeit neu und fremdartig erscheint, sich aber sehr bald, oft schon beim ersten Atemzuge in seine Bestandteile sondern l\u00e4fst. Diese beiden bestehen also durchaus nebeneinander, d. h. es ist ohne besondere Schwierigkeit m\u00f6glich, sich mit der Aufmerksamkeit willk\u00fcrlich auf den einen oder anderen einzustellen, wobei dann der zweite gewisser-mafsen in den Hintergrund tritt, ohne aber v\u00f6llig zu verschwinden.\nIch habe diese Erscheinungen an 10 reinen Riechstoffen untersucht, die in allen bin\u00e4ren Kombinationen dargeboten wurden. Es waren dies Anethol, Benzylazetat, Caprons\u00e4ure, Carvon, Citral, Ionon, Limonen, Linalool, Pinen und Skatol. Da jedes Paar in verschiedener Rechts-Linksanordnung exponiert werden konnte, so handelte es sich um 90 Kombinationen. Dabei hat sich herausgestellt, dafs die Analyse des Empfindungskomplexes nahezu ausnahmslos m\u00f6glich ist, d. h. es werden stets zwrei Ger\u00fcche nebeneinander wahrgenommen, solange die Intensit\u00e4t der beiden nicht gar zu verschieden ist.\nDie psychische Analyse, vor allem aber das Erkennen der Riechstoffe verursacht verschieden grofse Schwierigkeiten. Es treten n\u00e4mlich sehr h\u00e4ufig Erscheinungen von Verschmelzung1 auf, die sich darin \u00e4ufsern, dafs der durch zwei dichorhin dargebotene Riechstoffe erzeugte Empfindungskomplex nur schwer\n1 \u00dcber fr\u00fchere Beobachtungen von Verschmelzungserscheinungen s. Zwaardemaker, Die Physiologie des Geruchs.\nZeitschrift f. Sinnesphysiol. 56.\t9","page":117},{"file":"p0118.txt","language":"de","ocr_de":"118\nEmil v. Skramlik.\nin seine Bestandteile zu sondern ist, Ph\u00e4nomene dieser Art sind yom Geh\u00f6r her wohlbekannt; es sei hier an die Verschmelzung von T\u00f6nen bei gewissen Intervallen erinnert, der Oktave, Sext und Terz. Verschmelzungserscheinungen begegnet man im Gebiete des Geruchssinns nicht nur bei dichorhiner Darbietung von Riechstoffen, sondern auch bei mono- und dirhiner Exposition objektiver Riechstoffgemenge.\nIn der Tabelle 5 sind alle diejenigen Paare eingetragen, die besonders leicht verschmelzen:\nTabelle 5.\nRechts\tLinks\tErfolg\t\tRechts\tLinks\tErfolg\nAnethol\tSkatol\tVerschmelzung\t\tCitral\tLimonen\tVerschmelzung\nBenzylazetat\tCarvon\tn\t\t55\tLinalool\t55\n\u00bb\tLimonen\tr>\t\t55\tSkatol\t55\n\u00bb\tPin en\t55\t\tIonen\tCarvon\t* 55\nCaprons\u00e4ure\tIonen\t55\t*\t55\tLimonen\t55\n55\tLinalool\t55\t*\t55\tLinalool\t55\n55\tPinen\t\u00bb\t*\t55\tPinen\t55\n55\tSkatol\t55\t\tLimonen\tPinen\t55\nCarvon\tPinen\t55\t\t55\tSkatol\t55\nCitral\tCaprons\u00e4ure\t55\t\tLinalool\tSkatol\t* 55\n)}\tIonon\t55\t\tPinen\tSkatol\t55\nBei den mit * bezeichneten Paaren tritt Verschmelzung mit besonderer Leichtigkeit nur in der angegebenen Anordnung ein ; bei der entgegengesetzten f\u00e4llt die psychische Analyse leichter. Bei allen \u00fcbrigen Paaren tritt die Verschmelzung in beiden Anordnungen ein; d. h. es ist f\u00fcr diesen psychischen Erfolg vollkommen gleichg\u00fcltig, ob sich das Benzylazetat rechts und das Limonen links befindet, oder umgekehrt.\nTab. 5 lehrt, dafs eine Verschmelzung nicht nur bei nah verwandten Riechstoffen zu verzeichnen ist, wie z. B. bei Citral und Limonen, sowie Ionon und Limonen, sondern auch bei sehr entfernten wie Citral und Caprons\u00e4ure oder Linalool und Capron-s\u00e4ure oder Ionon und Skatol. Die Verh\u00e4ltnisse liegen hier v\u00f6llig analog wie bei der objektiven Mischung zweier Riechstoffe, wobei Verschmelzungen bei den gleichen Paaren zu verzeichnen waren. Es hat sich hier aber auch die merkw\u00fcrdige Tatsache ergeben, dafs","page":118},{"file":"p0119.txt","language":"de","ocr_de":"Lokalisation der Empfindungen bei den niederen Sinnen.\n119\ndie Verschmelzung bei der einen Anordnung der Riechstoffe leicht erfolgt, bei der anderen dagegen nicht eintritt. So verschmelzen z. B. bei mir Citral und Caprons\u00e4ure leicht, wenn sich das erstere rechts, das zweite links befindet, nicht aber umgekehrt. Weiter kann geschehen, dafs infolge der Verschmelzung in Gegenwart des einen K\u00f6rpers der andere nur schwer oder \u00fcberhaupt nicht erkannt wird, freilich nur in einer bestimmten Anordnung. So werden z. B. Citral, Ionon und Linalool in Gegenwart von Anethol, Anethol und Linalool in Gegenwart von Limonen nicht erkannt. Ein Blick auf die nebenstehende Tabelle 6 lehrt, dafs es sich bei den K\u00f6rpern um solche handelt, die einander nicht zu ferne stehen. Auch diese Erscheinung weist darauf hin, dafs rechte und linke H\u00e4lfte des peripheren Sinnesfelds beim Geruch nicht gleichartig arbeiten.\nTabelle 6.\nRechts\tLinks\tErkannt\nCitral\tAnethol\tnur Anethol\nAnethol\tIonon\tnur Anethol\nAnethol\tLimonen\tvorwiegend nur Limonen\nAnethol\tLinalool\tvorwiegend nur Linalool\nCarvon\tBenzylazetat\tnur Carvon\nCitral\tBenzylazetat\tnur Benzylazetat\nIonon\tBenzylazetat\tmeist nur Ionon\nLinalool\tBenzylazetat\tvorwiegend nur Benzylazetat\nCitral\tIonon\tvielfach nur Citral\nLinalool\tLimonen\tnur Limonen\nDie hier entwickelten Gesetzm\u00e4fsigkeiten gelten, wenn die Intensit\u00e4t der beiden Riechstoffe nicht gar zu verschieden ist. Wird aber der eine absichtlich durch Verd\u00fcnnung geschw\u00e4cht, so tritt der Fall der Unterdr\u00fcckung ein, d. h. der schw\u00e4chere wird in dem Gesamtkomplex nicht mehr wahrgenommen, obgleich er f\u00fcr sich eine deutliche Empfindung ausl\u00f6st. Es ergeben sich also bei dichorhiner Darbietung von Riechstoffen in dem Nebeneinander, der Verschmelzung und der Unterdr\u00fcckung ganz analoge Erscheinungen, wie sie auch bei mono- und dirhiner Exposition von Mischungen zweier Riechstoffe festgestellt wurden.1\n1 E. v. Skramlik, Die physiologische Charakteristik der riechenden Stoffe. Naturwissenschaft 1924. S. 813.\n9*","page":119},{"file":"p0120.txt","language":"de","ocr_de":"120\nEmil v. Skramlik.\nEs mufs noch erw\u00e4hnt werden, dafs auch bei dichorhiner Darbietung zweier reiner Riechstoffe eine Lokalisation auf indirektem Wege m\u00f6glich ist. Und zwar in zweierlei Form. Einmal hat sich herausgestellt, dafs die Wahrnehmung der beiden Riechstoffe bei dichorhiner Darbietung niemals gleichzeitig erfolgt. Immer tritt einer zuerst ins Bewufstsein ein, geht also sozusagen voran. Nun zeigte sich, dais bei mancher Vp., auch bei Wiederholung desselben Versuches in durchaus gleichartiger Weise derjenige Riechstoff, der als erster wahrgenommen wird, sich objektiv links, bei einer anderen objektiv rechts befindet. Wird das der betreffenden Vp. mitgeteilt, so ist sie bei entsprechender Einstellung der Aufmerksamkeit imstande, zu lokalisieren. Ausdr\u00fccklich sei erw\u00e4hnt, dafs es bei dieser Art von Lokalisation nur darauf ankommt, festzustellen, welches die sinnliche Beschaffenheit desjenigen Riechstoffs ist, der zuerst wahrgenommen wird; es ist also durchaus nicht erforderlich, ihn etwa auch sofort zu erkennen.\nDie zweite Art von Lokalisationsm\u00f6glichkeit beruht darauf, dafs die beiden Riechstoffe in der einen Rechts-Linksanordnung zu einem anderen Empfindungserfolg f\u00fchren, als in der verkehrten. Bietet man z. B. Anethol links, Carvon rechts dar, so ist die Gesamtempfindung anders, als wenn sich das Carvon links und das Anethol rechts befindet. Vermag die Vp. den Komplex richtig festzuhalten und wird ihr die Anordnung mitgeteilt, so ist eine Lokalisation m\u00f6glich. Die sinnliche Ver\u00e4nderung der Gesamtempfindung beruht zum gr\u00f6fseren Teil auf quantitativen Verh\u00e4ltnissen, die ihre Erkl\u00e4rung in einer fr\u00fcheren Beobachtung finden, dafs bei der Exposition des gleichen Stoffes der Rechtsund Linkseindruck nicht gleich ist. Steht also z. B. bei gleichzeitiger Darbietung von Carvon und Anethol f\u00fcr Vp. 2 das Carvon im Vordergr\u00fcnde, so befindet es sich objektiv rechts, ist es schw\u00e4cher als das Anethol, links. F\u00fcr andere Vpn. gelten die angegebenen Verh\u00e4ltnisse in der gleichen Weise, z. T. allerdings auch seitenverkehrt.\nDie quantitativen Verh\u00e4ltnisse geben aber nicht den alleinigen Ausschlag. Genaue Selbstbeobachtungen haben vielmehr gelehrt, dafs der Empfindungskomplex auch qualitativ in der einen Anordnung ein anderer ist, als in der umgekehrten.1 Diese Fest-\n1 \"Vgl. auch F. Kiesow, \u00dcber bilaterale Mischung von Licht- und Geruchsempfindungen. Arch, n\u00e9erland. de physiol, de Vhomme et des anim. 7, 281. 1922.","page":120},{"file":"p0121.txt","language":"de","ocr_de":"Lokalisation der Empfindungen bei den niederen Sinnen.\t121\n\u2022 \u2022\nStellung steht in guter \u00dcbereinstimmung mit der Beobachtung, dafs ein und derselbe Riechstoff bei monorhiner Darbietung rechts oft anders erscheint als links. Indessen langt das vorliegende Beobachtungsmaterial noch nicht, um daraus bindende Schl\u00fcsse zu ziehen. Es mufs einer eigenen Untersuchung \u00fcberlassen bleiben, hier vollkommene Klarheit zu schaffen.\nBei allen Versuchen mit dichorhiner Darbietung von reinen Riechstoffen wurde auch streng auf das Auftreten eines \u201eWettstreits\u201c geachtet, der bekanntlich in der Geruchsliteratur eine grofse Rolle spielt und auf Valentin zur\u00fcckgef\u00fchrt wird.\nAuf Grund eines grofsen Untersuchungsmaterials kann ich aussagen, dafs ich einen Wettstreit der Eindr\u00fccke beim Geruch in Analogie mit dem der Sehfelder niemals beobachtet habe. Wo ein solcher bei weniger Ge\u00fcbten gelegentlich auftrat, konnte er mit Sicherheit auf Aufmerksamkeitsschwankungen zur\u00fcckgef\u00fchrt werden. Tats\u00e4chlich hat Valentin keinen Wettstreit beim Geruch festgestellt, der dem vom Auge bekannten analog zu setzen w\u00e4re.\nDer betreffende Artikel 4119 aus seinem Lehrbuch der Physiologie des Menschen, Braunschweig 1847, II., 292 lautet: \u201eWirken ein st\u00e4rkerer und ein schw\u00e4cherer Geruch gleichzeitig ein, so wird dieser von jenem \u00fcbert\u00e4ubt. Der Sieg des kr\u00e4ftigeren Eindrucks gibt sich schon unter gew\u00f6hnlichen Verh\u00e4ltnissen zu erkennen. H\u00e4lt man sich ein Gl\u00e4schen mit Schwefel\u00e4ther vor das eine und eine Schachtel mit chemischen Z\u00fcndh\u00f6lzchen vor das andere Nasenloch, so nimmt man oft nur die Ausd\u00fcnstung des \u00c4thers wahr. Besitzen dagegen beide Ger\u00fcche eine nicht unbedeutende St\u00e4rke, w\u00e4hlt man z. B. \u00c4ther und peruanischen Balsam zu einem Versuche, so kann man nach Belieben den einen oder den anderen mit vorz\u00fcglicher Deutlichkeit auffassen. Diese Erscheinung erinnert an den sogenannten Wettstreit der beiderlei Gesichtseindr\u00fccke.\u201c Valentin sagt also \u201eerinnert\u201c und damit ist sicher, dafs es sich um eine mifsverst\u00e4ndliche Ausdrucksweise, nicht um irrige Beobachtungen handelt\nEs soll hier noch ein Ph\u00e4nomen beschrieben werden, das auf die Zusammenarbeit der beiden Riechfeldh\u00e4lften einiges Licht wirft. Es besteht darin, dafs die Geruchsempfindung eine merkliche Verst\u00e4rkung erf\u00e4hrt, wenn man unter jedes Nasenloch eine mit dem gleichen reinen Riechstoff gef\u00fcllte Flasche h\u00e4lt, als wenn nur dem einen eine Riechstoffflasche dargeboten wird, dem","page":121},{"file":"p0122.txt","language":"de","ocr_de":"122\nEmil v. Skramlik.\nanderen ein Gef\u00e4fs mit Wasser zum Vexieren. Wir k\u00f6nnen also sagen, dafs unter sonst gleichen Bedingungen (gleich grofse Duftstoffmengen, gleich grofse Oberfl\u00e4che, gleiche Temperatur) das Maximum der Intensit\u00e4t der Empfindung erreicht wird, wenn beide H\u00e4lften des Sinnesfeldes gleichzeitig Zusammenarbeiten. Ich habe mich von dieser Tatsache in langen Versuchsreihen bei verschiedenen Vpn. \u00fcberzeugt, m\u00f6chte aber ausdr\u00fccklich bemerken, dafs f\u00fcr einzelne diese \u00f6rtliche Summation, wie die Erscheinung zweckm\u00e4fsig bezeichnet wird, gerade an der Grenze des Wahrnehmbaren liegt. Deshalb habe ich auch nur von einer \u201emerklichen\u201c Verst\u00e4rkung der Empfindung gesprochen. Bei diesen Versuchen hat sich wieder gezeigt, dafs die Intensit\u00e4t der Empfindung bei Darbietung des Reizes auf der linken Seite nicht gleichwertig ist mit der auf der rechten. Bei einer Vp. ist der Eindruck bei der Rechts-, bei einer anderen bei der Linksdarbietung st\u00e4rker.\nDie \u00f6rtliche Summation macht sich aber sofort in sehr viel ausgepr\u00e4gter Weise bemerkbar, wenn man gew\u00f6hnliche Riechstoffe zur Untersuchung heranzieht, also solche mit Nebenwirkungen. Arbeitet man mit Valerians\u00e4ure (saure Komponente), Chloroform (s\u00fcfse Komponente), Menthol (K\u00e4lte) \\ \u00c4thylolkohol (Brennen) oder Meth}dheptenon (Stechen), so ist die Verst\u00e4rkung bei dirhiner Darbietung eine sehr intensive. Dieses Verhalten l\u00e4fst den Schlufs zu, dafs es f\u00fcr die Intensit\u00e4t der Empfindung beim Geschmacks-, Temperatur- und Tastsinn von sehr viel gr\u00f6iserer Bedeutung ist, wieviele Sinneselemente gereizt werden, als beim Geruch.\nc) Zusammenfassung der Versuchsergebnisse.\nFassen wir die Ergebnisse dieses Teils der Untersuchung zusammen, so l\u00e4fst sich vor allem herausheben, dafs mit\n1 Im Zusammenhang mit diesen Erscheinungen m\u00f6chte ich noch ein Ph\u00e4nomen merkw\u00fcrdiger psychischer Hemmung beschreiben. Riecht man z. \u00df. mit dem linken Nasenloch an Menthol, so erlebt man auf dieser Seite eine starke K\u00e4ltempfindung, die 1\u20142* nach der schwachen Geruchsempfindung einsetzt und l\u00e4ngere Zeit, zumindest 5\u20146\", anh\u00e4lt (im allgemeinen um so l\u00e4nger, je st\u00e4rker man das Menthol eingezogen hat). Zieht man sofort nach der Einatmung durch das linke Nasenloch, also etwa 2\" sp\u00e4ter, das Menthol auch rechts ein, so tritt die Nachempfindung der K\u00e4lte nunmehr rechts auf, w\u00e4hrend die links sofort verschwindet. Der neue Eindruck unterdr\u00fcckt also den fr\u00fcheren.","page":122},{"file":"p0123.txt","language":"de","ocr_de":"Lokalisation der Empfindungen bei den niederen Sinnen.\n123\nHilfe des Geruch sinns nichtlokalisiert werden kann: Man vermag also nicht einmal Rechts- von Linkseindr\u00fccken zu unterscheiden. Im Anschlufs an diese Feststellung ergab sich die M\u00f6glichkeit, die grofse Anzahl von riechenden Substanzen in zwei Gruppen zu sondern; in eine kleinere, die aus Stoffen besteht, die als reine Riechstoffe zu bezeichnen sind und nicht lokalisiert werden k\u00f6nnen und eine grofse, mit Substanzen, die auf die dem Geruch benachbarten Sinneswerkzeuge einwirken und deshalb lokalisiert werden k\u00f6nnen. Bietet man jedem Nasenloch getrennt einen Riechstoff dar, so bestehen die Komponenten im Bewulstseinsinhalt streng nebeneinander; wir verm\u00f6gen also den auf diese Weise erzeugten Empfindungskomplex in seine Bestandteile aufzul\u00f6sen. Gelegentlich treten dabei Erscheinungen von Verschmelzung auf. Ist der eine Reiz sehr viel schw\u00e4cher als der andere, so beobachtet man Unterdr\u00fcckung. Ziehen wir eine Parallele zwischen dem Geruch und anderen Sinneswerkzeugen, so f\u00e4llt vor allem die Analogie mit dem Geh\u00f6rsinn auf, die sich vorwiegend darin \u00e4ufsert, dafs man nicht imstande ist, mit Hilfe des Geruchssinns zu lokalisieren. Ein Analogon zum Geh\u00f6r findet sich aber auch in den Verschmelzungserscheinungen, die bei dichorhiner Darbietung zweier Riechstoffe festgestellt wurden und deshalb von besonderem Interesse sind, weil sie nicht nur bei nah verwandten, sondern auch sehr verschieden riechenden K\u00f6rpern eintreten.\nC. Die Lokalisation der Temperaturempflndungen.\nAuch \u00fcber die Lokalisation der Temperaturempfindungen ist verh\u00e4ltnism\u00e4fsig wenig bekannt. Vor allem sind hier einige \u00e4ltere Arbeiten anzuf\u00fchren, in denen z. T. bei Gelegenheit anderer Untersuchungen auch Orientierungsversuche \u00fcber den vorliegenden Gegenstand angestellt wurden. Czermak1 arbeitete mit zwei Reagenzgl\u00e4sern, von denen das eine mit heifsem Ol, das andere mit einer K\u00e4ltemischung gef\u00fcllt war und findet, dafs man, \u201eden kalten Eindruck des einen Gegenstandes deutlich von dem warmen des anderen unterscheidet, allein (und dies versetzt den Beobachter in eine eigent\u00fcmliche, nicht zu beschreibende Verwirrung) man hat keine Ahnung von ihrem Nebeneinander; man kann\n1 Czermak, J. N., Physiologische Studien. Sitzungsber. der Akademie Wien 15, S. 500. 1855.","page":123},{"file":"p0124.txt","language":"de","ocr_de":"124\nEmil v. Skramlik.\ndurchaus nicht angeben, ob der warme Eindruck rechts oder links, nach vorn oder hinten von dem kalten Eindruck sich befindet. Erst wenn man die verschieden temperierten Gl\u00e4schen in solchem Abstand voneinander mit der Haut in Ber\u00fchrung bringt, als zur r\u00e4umlichen Unterscheidung zweier Zirkelspitzen erforderlich ist, erst dann nimmt man auch die r\u00e4umliche Disposition jener heterogenen r\u00e4umlichen Eindr\u00fccke wahr\u201c. In gleicherweise stellte R\u00e4uber 1 fest, dafs die W\u00e4rmeempfindungskreise mit den Druckempfindungskreisen zusammenfallen. Klug 1 2 bediente sich bei seinen Untersuchungen des Thermo\u00e4sthesio-meters von Kronecker und bestimmte die Entfernungen, bei denen die beiden gleich oder verschieden temperierten Ther-moden des Apparates als zwei getrennte Reize empfunden wurden. Er findet, dafs die Abst\u00e4nde im allgemeinen mit den f\u00fcr das Getast bestimmten Raumschwellen zusammenfallen, gelegentlich auch etwas kleiner sind. \u2014 Das Arbeiten mit zwei verschiedenartigen Temperaturreizen war zur Untersuchung der Raumschwellen an und f\u00fcr sich wohl geeignet, weil auf diese Weise der Einflufs der gleichzeitig erzeugten Ber\u00fchrungsempfindungen ausgeschaltet wird. Die Verwendung grofsfl\u00e4chiger Thermoden ist dagegen als unzweckm\u00e4fsig und die Vernachl\u00e4ssigung der \u00f6rtlichen Unterschiede in der Empfindlichkeit der Haut gegen\u00fcber Temperaturreizen als unzul\u00e4ssig zu bezeichnen, seit wir wissen3, dafs wohlausgepr\u00e4gte Temperaturempfindungen nur von ganz bestimmten Punkten der Haut auszul\u00f6sen sind. Weiter ist zu ber\u00fccksichtigen, dafs die Kaltpunkte sehr viel dichter zusammenstehen, als die Warmpunkte. Ist es also sehr wahrscheinlich, dafs bei Anwendung grofsfl\u00e4chiger Reize an den Stellen der Kaltreize auch Kaltpunkte getroffen werden, so ist nicht ohne weiteres anzunehmen, dafs sich an den Orten der Warmreize auch tats\u00e4chlich Warmpunkte befinden. Man kann aber so nicht entscheiden, ob die Lokalisation auch wirklich mittels derjenigen Sinneselemente erfolgte, die sich an den Ber\u00fchrungsstellen befanden, oder der benachbarten, da ja die\n1\tR\u00e4uber, \u00dcber den W\u00e4rmeortssinn. Zentralbl. f. d. medizinische Wissenschaft. 1869.\n2\tKlug, F., Zur Physiologie des Temperatursinnes. Arbeiten aus der physiologischen Anstalt zu Leipzig 11, 168. 1876.\n3\tBlix, M., Experimentelle Beitr\u00e4ge zur L\u00f6sung der Frage \u00fcber die spezifische Energie der Hautnerven. Zeitschr. f. \u00dfiol. 20, 142. 1884.","page":124},{"file":"p0125.txt","language":"de","ocr_de":"Lokalisation der Empfindungen bei den niederen Sinnen.\n125\nW\u00e4rme fortgeleitet wird. Jedenfalls ist es auf Grund dieser \u00e4lteren Untersuchungen nicht m\u00f6glich, sich ein Bild von der Feinheit des Lokalisationsverm\u00f6gens beim Temperatursinn zu machen, auch nicht auf Grund der Arbeit von Klug, der zum Vorwurf gemacht werden kann, dafs die Raumschwellen, die mit Hilfe von gleich temperierten Thermoden gefunden wurden, zweifellos durch die Ber\u00fchrungsempfindungen beeinflufst sind.\nIn neuerer Zeit hat dann Ponzo 1 mit Hilfe der von Weber\nf\u00fcr die Tastempfindungen angegebenen Methode untersucht, mit\n\u2022 \u2022\nwelcher Sicherheit die \u00d6rtlichkeit eines Kalt- und Warmreizes bei geschlossenen Augen mittels eines Fingers oder eines St\u00e4bchens gezeigt werden kann. Diese Untersuchung brachte insofern einen Fortschritt, als dabei die \u00f6rtlichen Unterschiede in der Empfindlichkeit der Haut gegen\u00fcber Temperaturreizen ber\u00fccksichtigt wurden. Ponzo suchte Kalt- und Warmpunkte an verschiedenen Stellen der K\u00f6rperoberfl\u00e4che (Handgelenk, Mittelfl\u00e4che der Volarseite des Unter- und Oberarmes) auf und reizte sie mit Hilfe feinster Tr\u00f6pfchen verschieden temperierten Wassers, die er aus einem Kapillarrohr austreten liefs. Dabei werden nach seinen Angaben keine Ber\u00fchrungsempfindungen erzeugt. Er stellte fest, dafs K\u00e4lte reize im allgemeinen besser, W\u00e4rmereize gleich gut lokalisiert werden wie Tastreize.\nWissen wir also, dafs Temperaturreize \u00fcberhaupt lokalisiert werden, so sind wir darum noch nicht \u00fcber die Feinheit der Raumschwellen orientiert. Es erschien mir daher notwendig, dieses Gebiet nach der angegebenen Richtung hin ausf\u00fchrlicher zu beurteilen.\nAls Vpn. waren t\u00e4tig aufser mir (Vp. 1), Fr\u00e4ulein cand. med. Margarethe Kehler ( Vp. 2) und Fr\u00e4ulein cand. med. Margarethe Liebers (Vp. 3). Ich danke meinen Mitarbeitern auch an dieser Stelle herzliehst f\u00fcr ihre treue M\u00fchewaltung.\nZuerst wurden Temperaturpunkte aufgesucht und zwar mittels konischer Thermoden, die eine Aufsatzfl\u00e4che von 0,5 mm1 2 besafsen und von kaltem bzw. warmem Wasser durchstr\u00f6mt waren. Die Temperatur der kalten Thermode betrug im Durchschnitt 3\u00b0 C, die der warmen zwischen 45 und 47\u00b0 C. Temperaturen unter 43\u00b0 C geben nicht immer eine deutliche W\u00e4rme-\n1 Ponzo, M., \u00c9tude de la localisation des sensations th\u00e9rmiques de\nchaud et de froid. Archives ital. de biol. 60, 218. 1913.","page":125},{"file":"p0126.txt","language":"de","ocr_de":"126\nEmil v. Skramlik.\nempfindung, w\u00e4hrend die \u00fcber 47\u00b0 C von manchen Vpn. schon als brennend empfunden wTerden. Als Orte f\u00fcr die Untersuchung wurden der Handr\u00fccken und die Volarfl\u00e4che des Oberarms ben\u00fctzt. Es sei bemerkt, dais die Temperatur punkte an symmetrischen Stellen der Hautdecke rechts und links ganz ungleich verteilt sind. Diese Feststellung bildet einen Hinweis, dafs man Temperaturreize auch unter sonst gleichen Vorbedingungen (vor allem gleichem Adaptationszustand) mit symmetrisch gelegenen Hautpartien nicht ohne weiteres vergleichen darf.\nDas Auf finden der Temperaturpunkte gestaltet sich um so leichter, je mehr man durch \u00dcbung seine Empfindungen richtig beurteilen gelernt hat. Vor allem mufs man erfahren haben, dafs die Empfindungen kalt und warm bei entsprechender Reizung nur dann sehr bald und deutlich auftreten, wenn ein Kalt- oder Warmpunkt getroffen wird. Die Hautsteilen, die zwischen den Temperaturpunkten gelegen sind, weisen eine geringe Empfindlichkeit auf. In der Umgebung eines isoliert stehenden Kaltoder Warmpunktes entsteht bei kleinfl\u00e4chigen Reizen eine Empfindung von wenig ausgepr\u00e4gtem Charakter. Auch verstreicht an solchen Stellen zwischen dem Augenblick des Reizes und dem Auftreten der Empfindung sehr viel mehr Zeit, als bei der Erregung eines Temperaturpunktes.\nDie Punkte wurden in mehreren Sitzungen gebraucht, deshalb markierte ich sie in der \u00fcblichen Weise mit Silbernitratstift. Zu ihrer Wiedererkennung empfiehlt es sich, Pl\u00e4ne auf durchsichtigem Papier aufzunehmen ; dieses wird der betreffenden Hautpartie aufgelegt und man verzeichnet dann darauf die beiden Gattungen von Punkten in verschiedenen Farben. Dieses Verfahren hat den Vorzug, dafs die in Frage kommenden Stellen jederzeit auffindbar sind, s. Abb. 10.\nEs ist meinen Mitarbeitern und mir wiederholt aufgefallen, dafs w\u00e4hrend der Reizung eines Kaltpunktes mit einer klein-fl\u00e4chigen Thermode die Empfindung der N\u00e4sse auftrat. Dabei konnte wirkliche Feuchtigkeit (etwa durch Kondensation von Wasserdampf auf der kalten Fl\u00e4che der Thermode) mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Bei dieser Erscheinung handelt es sich offenbar um ein Analogon zu jener von Thunberg1 zuerst\n1 Thunbeeg, T. in Nagels Handbuch III., S. 708. 1904.","page":126},{"file":"p0127.txt","language":"de","ocr_de":"Lokalisation der Empfindungen bei den niederen Sinnen.\t127\nbeschriebenen T\u00e4uschung, dafs n\u00e4mlich nach Wegnahme einer durch l\u00e4ngere Zeit der Stirn aufgelegten kalten Metallm\u00fcnze die Ber\u00fchrungsstelle nafs zu sein scheint. In meinen Versuchen hat sich gezeigt, dafs die Anwendung eines grofsfl\u00e4chigen Reizes gar nicht erforderlich ist. Es gen\u00fcgt dazu die isolierte Reizung eines Kaltpunktes; wohl aber ist von Interesse zu bemerken, dafs man nicht von jedem Kaltpunkt die Empfindung der N\u00e4sse hervor* rufen kann. Vielleicht ist dieses Verhalten darin begr\u00fcndet, dafs sich nicht immer in unmittelbarer N\u00e4he eines solchen Punktes auch ein Druckpunkt befindet. Nimmt man doch seit Helmholtz 1 an, dafs die Empfindung der N\u00e4sse durch das Zusammenwirken eines Druck- und K\u00e4ltereizes erzeugt wird.1 2\nAbbildung 10.\nDie Verteilung der Kalt- und Warmpunkte auf dem rechten Handr\u00fccken von Vp. 1.\t\u2022 Kalt-, o Warmpunkte. Mit den Doppelstrichen = ist der\nVerlauf der Venen angedeutet.\nZur Ermittlung der Raumschwellen wurde so vorgegangen,\ndafs man die beiden Thermoden, die kalte und die warme, den\nentsprechenden Temperaturpunkten m\u00f6glichst gleichzeitig auf-\n\u2022 \u2022\nsetzte und den Erfolg, sowie die \u00d6rtlichkeit der Empfindungen angeben liefs.\nVon einer gewissen Bedeutung f\u00fcr den Gang der Untersuchung ist einmal die bekannte Tatsache, dafs die Kaltpunkte\n1\tHelmholtz, H. v., Handbuch der physiologischen Optik. 3. Aufl. 3. Bd., S. 19 ff. 1910.\n2\tBershansky, Ida. Thunbergs Illusion. Am. Journ. of Psychol. 34, 291. 1923.","page":127},{"file":"p0128.txt","language":"de","ocr_de":"128\nEmil v. Skramlik.\nauf den ad\u00e4quaten Reiz mit einer geringeren Latenz ansprechen, als die Warmpunkte; zum zweiten das Auftreten von Nachempfindungen, die besonders im Gefolge von K\u00e4ltereizen so ausgepr\u00e4gt sind. Die erste Erscheinung konnte n\u00e4mlich unter Umst\u00e4nden die Bestimmung von Simultanschwellen illusorisch machen, wenn die kleine zeitliche Differenz zwischen dem Auftreten der Kalt- und Warmempfindung bemerkt wird. In diesem Falle w\u00fcrden Sukzessiv schwellen ermittelt, auch wenn die beiden Thermoden gleichzeitig aufgesetzt werden.\nIch habe mich indessen gleich anderen Vpn. \u00fcberzeugt, dais bei dem komplizierten, f\u00fcr die Lage- und Ortsangabe erforderlichen Urteilsprozefs die geringen zeitlichen Unterschiede zwischen dem Auftreten der Kalt- und Warmempfindung, die maximal 1\" betragen, gar nicht zur Wahrnehmung gelangen. Auch ist es durchaus nicht immer das kalt, das zuerst empfunden wird. Um den Einflufs der Nachempfindungen auszuschalten, l\u00e4fst man zwischen je zwei Proben entsprechende Pausen eintreten. Diese m\u00fcssen grofs genug gew\u00e4hlt werden, damit die Nachk\u00e4lte auch abklingen kann. Mit Pausen von etwa V kommt man aber wohl zurecht.\nAls wuchtiges Ergebnis soll gleich an dieser Stelle hervorgehoben sein, dafs man die beiden verschiedenartigen Empfindungen lokalisieren kann; d. h. setzt man auf einen Kaltpunkt\neine kalte, auf einen Warmpunkt eine warme Thermode, so wird\n\u2022 \u2022\ndie \u00d6rtlichkeit der erzeugten Empfindungen mit Sicherheit angegeben, vorausgesetzt, dafs sich die beiden Punkte in einer gewissen, nicht zu kleinen Entfernung voneinander befinden. Es ist dann f\u00fcr die Lokalisation zumeist gleichg\u00fcltig, ob die beiden Temperaturpunkte in der L\u00e4ngs- oder Querrichtung der Haut gelegen sind, gleichg\u00fcltig, ob sich warm oder kalt proximal oder medial befindet. Man projiziert die Empfindungen auch ann\u00e4hernd an die Stellen, wo die Reizung stattgefunden hat.\nGeht man also im Versuche so vor, dafs gleichzeitig mit zwei Temperaturreizen auch zwei Ber\u00fchrungen getrennt wahrgenommen werden, so lernt jeder sehr bald, meist schon am ersten Versuchstage, lokalisieren.\nDie RaumschwTellen k\u00f6nnen dagegen erst dann bestimmt\n\u2022 \u2022\nwerden, wenn die betreffende Vp. durch l\u00e4ngere \u00dcbung entsprechend vorbereitet ist. Je \u00f6fter ge\u00fcbt wird, um so mehr nimmt die Sicherheit in der Ortsbestimmung zu, um so niedriger werden","page":128},{"file":"p0129.txt","language":"de","ocr_de":"Lokalisation der Empfindungen bei den niederen Sinnen.\n129\ndie Schwellen gefunden. Dabei wird nat\u00fcrlich eine untere Grenze erreicht, die niemals unterschritten werden kann, ohne dafs die Lokalisation an Genauigkeit sofort stark einb\u00fcfst. Bei diesen Versuchen ergab sich die \u00fcberraschende Tatsache, dafs man noch mit Sicherheit lokalisieren kann, auch wenn die Punkte einander bereits so nahe sind, dafs nur eine einzige Ber\u00fchrung empfunden wird. Die beiden Empfindungen kalt und\nwarm bestehen dann durchaus nebeneinander. Bemerkenswert\n\u2022 \u00bb\nist, dafs man ihre \u00d6rtlichkeit am sichersten innerhalb 3 bis 4\"\nnach der Darbietung des Reizes beurteilt. Je l\u00e4nger man zu-\n\u2022 \u2022\nwartet, um so ungewisser wird man \u00fcber die \u00d6rtlichkeit des Warm- und Kaltreizes. Es tritt dann sehr oft der Fall ein, dafs wohl zwei Empfindungen erlebt werden, dafs aber scheinbar kalt und warm st\u00e4ndig ihren Ort wechseln. Darin ist dann die von Czermak beschriebene Erscheinung gegeben, die an einen Wettstreit der Temperatureindr\u00fccke erinnert.\nDie in der L\u00e4ngs- und Querrichtung gefundenen kleinsten Werte, bei denen die Ortsbestimmung noch mit Sicherheit gelang, sind f\u00fcr die 3 Vpn. in der folgenden Tabelle 7 zusammengestellt.\nTabelle 7.\nRaumschwellen des Temperatursinns.\nOrt\tVp.\tL\u00e4ngsrichtung\t\tQuerrichtung\t\n\t\td. warm\td. kalt\tm. warm\tm. kalt\n\t\tp. kalt\tp. warm\t1. kalt\t1. warm\nHandr\u00fccken\t1 2 3\t10.0\tmm 12.0\t\u201e 5,0 \u201e\t7,0 mm 13,0 \u201e 6,5 \u201e\t8.0\tmm 1 ibo \u201e 5.0\t\u201e\t9,0 mm 12,0 \u201e 3,5 \u201e\n\t1\t14,0 mm\t13,0 mm\t7,5 mm\t8,0 mm\nOberarm\t2\t21,0 \u201e\t19,0 \u201e\t14,0 \u201e\t16,0 \u201e\n\t3\t11,0 \u201e\t11,5 \u201e\t7,5 \u201e\t6,5 \u201e\nIn der Tabelle bedeuten d. distal, p. proximal, m. medial, 1. lateral; f\u00fcr den Handr\u00fccken wurde medial und lateral festgesetzt, wenn er\nnach oben gerichtet war.\nDie Tabelle lehrt, dafs die Raumschwellen f\u00fcr den Temperatursinn gewissen individuellen und \u00f6rtlichen Schwan-","page":129},{"file":"p0130.txt","language":"de","ocr_de":"130\nEmil v. Skramlik.\nkungen unterworfen sind. Auff\u00e4llig niedrig sind die f\u00fcr Yp. 3 gefundenen Zahlen. Die Schwellen sind im allgemeinen auf dem Handr\u00fccken tiefer als auf der Volarfl\u00e4che des Oberarms; auch sind sie in der Querrichtung etwas geringer als in der L\u00e4ngsrichtung. Ob sich warm proximal befindet oder distal, medial oder lateral, ist f\u00fcr den Erfolg ziemlich gleichg\u00fcltig.\nAus den Daten der Tabelle geht aber weiter die wichtige Tatsache hervor, dafs die Raumschwellen des Temperatursinns erheblich niedriger sind, als die f\u00fcr den Tastsinn. Legt man f\u00fcr den Vergleich diejenigen Werte zugrunde, die Weber f\u00fcr das Getast ermittelt hat (f\u00fcr den Handr\u00fccken 31, f\u00fcr die Volarfl\u00e4che des Oberarms 54 mm), so betragen die Raumschwellen des Temperatursinns ann\u00e4hernd ein Drittel davon. Nun wissen wir aber, dafs die Simultanschwellen f\u00fcr den Tastsinn bis zu einem gewissen Grade individuell schwanken.\nUm genaue Vergleichswerte zu besitzen, wurden deshalb eigens die Raumschwellen f\u00fcr Ber\u00fchrungsempfindungen bei den drei Vpn. auf dem Handr\u00fccken und dem Oberarm in der L\u00e4ngsund Querrichtung bestimmt. Aus den Zahlen der Tabelle 8 geht unzweideutig hervor, dafs die Raumschwellen f\u00fcr den Tastsinn doch erheblich h\u00f6her sind als f\u00fcr den Temperatursinn, wenn sie auch absolut nicht so hoch sind, wie die von Weber angegebenen Mittelwerte.\nTabelle 8.\nSimultanschwellen des Tastsinns.\nOrt\tVp.\tL\u00e4ngsrichtung\tQuerrichtung\n\t1\t18,0 mm\t12,0 mm\nHandr\u00fccken\t2\t21,0 \u201e\t14,0 \u201e\n\t3\t22,0 \u201e\t15,0\t\u201e\n\t1\t45,0 mm\t35,0 mm\nOberarm\t2\t48,0\t\u201e\t37,0\t\u201e\n\t3\t\u00ab.0 \u201e\tO CO\nAus diesen Befunden eine \u00dcberlegenheit des Temperatursinns \u00fcber das Getast hinsichtlich der Raumbeurteilung herleiten zu wollen, w\u00e4re indessen zu weit gegangen. Es darf nicht \u00fcbersehen werden, dafs die so auff\u00e4llig niedrigen Zahlen nicht f\u00fcr alle Hautstellen ausnahmslos, sondern nur f\u00fcr diejenigen gelten,","page":130},{"file":"p0131.txt","language":"de","ocr_de":"Lokalisation der Empfindungen bei den niederen Sinnen.\n131\nwo sich in der nahen Umgebung eines Kaltpunktes auch ein Warmpunkt befindet. Da nun die letzteren sehr viel sp\u00e4rlicher vertreten sind als die Kaltpunkte, so sind diejenigen Teile der Hautdecke, auf denen f\u00fcr den Temperatursinn niedrige Kaumschwellen gefunden werden, betr\u00e4chtlich seltener. Setzt man aber die Thermoden auf beliebige Hautstellen, also unabh\u00e4ngig von den Temperaturpunkten auf, so ist der Erfolg nicht ohne weiteres zu \u00fcbersehen. Die Gr\u00f6fse der Raumschwellen wird dann davon abh\u00e4ngen, in welcher Entfernung sich ein Warmpunkt von der Reizstelle befindet und ob die W\u00e4rmezufuhr durch Leitung zu seiner Erregung noch gen\u00fcgt. Im allgemeinen ist anzunehmen, dafs unter diesen Bedingungen h\u00f6here Raumschwellen gefunden werden. Wo aber die beiden Arten von Temperaturpunkten nah aneinander liegen, dort bedeutet die niedrige Schwelle aus zweierlei Gr\u00fcnden einen \u00fcberraschenden psychischen Erfolg: einmal weil man zwei Reize getrennt wahrnehmen und ihren Ort angeben kann, w\u00e4hrend gleichzeitig durch das Getast nur der Eindruck einer einfachen Ber\u00fchrung empfunden wird, zum zweiten, weil hier der bemerkenswerte Fall eintritt, dafs die durch den Temperatursinn wahrgenommene Entfernung der beiden Reize mit der objektiven, durch das Gesicht gegebenen, merklich \u00fcbereinstimmt, w\u00e4hrend dies f\u00fcr das Getast an den untersuchten Stellen nicht der Fall ist.\nDie Lokalisation im Gebiete des Temperatursinns ist aber auch eigent\u00fcmlichen T\u00e4uschungen unterworfen. So kann\nman oft beobachten, dafs die Richtung, in der die beiden Reize\n\u2022 \u2022\ngelegen sind, objektiv richtig angegeben, die \u00d6rtlichkeit von warm und kalt dagegen verwechselt wird. Wenn man also z. B. distal warm, proximal kalt darbietet, so wird wohl richtig angegeben, dafs die Reize in der L\u00e4ngsrichtung angeordnet sind, dagegen das warm proximal, das kalt distal projiziert. Die gleiche Verwechslung kommt auch in der Querrichtung der Gliedmafsen vor. Diese \u201eInversionen\u201c, wie die T\u00e4uschungen bezeichnet sein sollen, ergeben sich gelegentlich mit zwingender Deutlichkeit. Jeder Beobachter ist v\u00f6llig \u00fcberrascht zu finden, dafs das gerade Gegenteil seiner Angaben zutrifft, wenn man ihn nach erfolgter Aussage auffordert, die beiden Thermoden mit den Fingern der anderen Hand zu ber\u00fchren. Man kann bei diesen Inversionen nicht von konstanten Urteilst\u00e4uschungen sprechen, denn dazu treten sie zu regellos auf. Die Bedingungen f\u00fcr ihr","page":131},{"file":"p0132.txt","language":"de","ocr_de":"332\nEmil v. Skramlik.\nAuftreten m\u00fcssen noch eigens festgestellt werden. Es ist mir bisher nur aufgefallen, dafs sie sich dann besonders h\u00e4ufen, # wenn die Temperaturdifferenz zwischen den beiden Thermoden sehr grofs gew\u00e4hlt wird, also z. B. 0\u00b0 und 48\u201450\u00b0 C. Diese Inversionen sind gelegentlich auch bei grofser Entfernung der Thermoden zu verzeichnen, sowie bei Verwendung grofs-fl\u00e4chigerReize und sind dann nat\u00fcrlich besonders frappant. Sie ergeben sich besonders h\u00e4ufig an den Kuppen des 3., 4. und 5. Fingers jeder Hand. Legt man also z. B. der Fingerbeere des 3. Fingers eine grofsfl\u00e4chige heifse, dem des 5. eine kalte Thermode an, so wird in der Regel die Empfindung warm nach dem 5., kalt nach dem 3. projiziert. Vielleicht beruhen diese Erscheinungen darauf, dafs ein starker W\u00e4rmereiz oft als K\u00e4lte imponiert und umgekehrt.\nVon grofsem Interesse sind auch die Erscheinungen, die sich abspielen, wenn man die beiden Thermoden (die kalte und die warme) auf zwei einander so nahe gelegene Temperaturpunkte aufsetzt, dafs eine Ortsbestimmung nicht mehr m\u00f6glich ist. Bei mangelnder \u00dcbung in der Beurteilung des Bewufstseinsinhalts hat man den Eindruck, als ob ein pendelnder Wettstreit zwischen kalt und warm stattfindet. Jedenfalls ist der Unterschied zwischen der Empfindung kalt und warm schon von Anfang an derartig grofs, dafs eine Verschmelzung selbst f\u00fcr kurze Zeit v\u00f6llig unm\u00f6glich ist. Man kann sich aber sehr bald \u00fcberzeugen, dafs es sich bei dem Pendeln nur um unbeabsichtigte Schwankungen der Aufmerksamkeit handelt, da es m\u00f6glich ist, jede von den beiden Empfindungen willk\u00fcrlich festzuhalten. Achtet man auf das Warm, so tritt dieses in den Vordergrund, w\u00e4hrend das Kalt wohl zur\u00fccktritt, aber nicht verschwindet. Bei gleichzeitiger Einwirkung eines Kalt- und Warmreizes auf einander sehr nah gelegenen Temperaturpunkten erleben wir also keine psychische Mischung und auch keinen Wettstreit, sondern ein Nebeneinander. Die Verh\u00e4ltnisse liegen also beim Temperatursinn gleichartig wie bei Geh\u00f6r, Geschmack und Geruch, dafs man n\u00e4mlich den Bewufstseinsinhalt, der durch das Zusammenwirken zweier Reize ausgel\u00f6st wird, nach Erlangung einiger \u00dcbung in seine Bestandteile zerlegen kann. L\u00e4fst man auf benachbarten Temperaturpunkten die beiden Reize kalt und warm in verschiedenen Abstufungen einwirken, so beobachtet man niemals eine Unterdr\u00fcckung des schw\u00e4cheren, wie z. B. beim Geruch.","page":132},{"file":"p0133.txt","language":"de","ocr_de":"Lokalisation der Empfindungen bei den niederen Sinnen,\n133\nVielmehr bestehen die beiden Empfindungen durchaus nebeneinander, auch, wenn der eine Reiz so abgeschw\u00e4cht wird, dafs er f\u00fcr sich allein wirkend, nur einen eben merklichen Erfolg zeitigt.\nBis jetzt war die Rede von der Bestimmung der Raumschwellen nach der Simultanmethode. Es fragt sich nun, welches unter den gleichen Versuchsbedingungen die Sukzessivschwellen sind. Ganz allgemein l\u00e4fst sich die Frage dahin beantworten, dafs sie wohl niedriger sind als die Simultan-schwellen, dafs aber der Unterschied kein sehr grofser ist. Das h\u00e4ngt nat\u00fcrlich in erster Linie damit zusammen, dafs die Raumschwellen des Temperatursinns schon \u00fcberhaupt sehr niedrige sind.\nTabelle 9.\nSimultan- und Sukzessivschwellen des Temperatursinns.\nOrt: Rechter Oberarm (Volarseite Mitte).\nL\u00e4ngsrichtung\nVp.\td. warm\t\td. kalt\t\n\tp. kalt\t\tp. warm\t\n\tSimultan\tSukzessiv\tSimultan\tSukzessiv\n1\t14,0 mm\t5,5 mm\t13,0 mm\t6,5 mm\n3\t11,0 \u201e\t9,0\t\u201e\t11,5 \u201e\t10,0 \u201e\nVp.\tQuerrichtung\t\t\t\n\tm. warm\t\tm. kalt\t\n\t1. kalt\t\t1. warm\t\n\tSimultan\tSukzessiv\tSimultan\tSukzessiv\n1 3\t7,5 mm 7,5 \u201e\t8,5 mm 6,0 \u201e\t8,0 mm 6,5\t\u201e 1\t7,5 mm 6,0 \u201e\nIn der Tabelle bedeuten d. distal, p. proximal, m. medial, 1. lateral.\nDie Raumschwellen f\u00fcr kalt und warm getrennt zu bestimmen, ist von keinem besonderen Interesse. Aufserdem stellen sich jeglichem Verfahren gewisse Schwierigkeiten in den Weg. Die Warmpunkte liegen z. T. zu weit auseinander, so dafs die Raurn-schwellen schon aus anatomischen Gr\u00fcnden zu grofs gefunden werden. Wo aber die Temperaturpunkte sehr nahe aneinander-\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 56.\t10","page":133},{"file":"p0134.txt","language":"de","ocr_de":"134\nEmil v. Skramlik.\nliegen, st\u00f6rt bei der Bestimmung der Raumschwellen die Erscheinung der \u201e\u00f6rtlichen Summation\u201c. Diese \u00e4ufsert sich darin, dafs bei Aufbringen zweier gleichtemperierter Thermoden auf zwei Kalt- bzw. Warmpunkte der Empfindungserfolg gegen\u00fcber dem bei Applikation einer einzelnen Thermode wesentlich verst\u00e4rkt ist. Setzt man also z. B. auf zwei Kaltpunkte zwei Thermoden, die von 10\u00b0 C kaltem Wasser durchstr\u00f6mt sind, so erlebt man ann\u00e4hernd die gleiche Empfindung, wie wenn auf den einen von den beiden eine Thermode von ungef\u00e4hr 0\u00b0 C aufgesetzt wird. In gleicher Weise \u00e4ufsert sich auch die \u00f6rtliche Summation bei zwei gleichen Warmreizen auf Warmpunkten.\nWenn nun bei der Bestimmung der Raumschwellen einmal zwei gleich temperierte Thermoden, ein andermal nur eine und ein Hartgummistab zum Vexieren aufgesetzt wird, damit die Ber\u00fchrungsempfindung die gleiche ist, so merkt man im ersten Fall an der st\u00e4rkeren Empfindung sofort, dafs zwei Thermoden aufgesetzt wurden und eine Einengung der Werte ist nicht m\u00f6glich.\nDie Erscheinung der \u00f6rtlichen Summation lehrt von neuem die Bedeutung der Fl\u00e4che f\u00fcr die St\u00e4rke der Empfindung kennen. Tats\u00e4chlich handelt es sich aber hier gar nicht um eine Abh\u00e4ngigkeit von der Fl\u00e4che, sondern um eine von der Zahl der auf ihr vorhandenen Sinneselemente. Denn nur dort darf die Fl\u00e4che selbst f\u00fcr die Zahl der Empfangsapparate eingesetzt werden, wo deren Mosaik (wie z. B. in der Netzhautgrube) besonders dicht ist, oder aber, wo pro Fl\u00e4cheneinheit die gleiche Zahl von Elementen wiederkehrt. An allen Stellen aber, wo die peripheren Sinnesgebilde unregelm\u00e4fsig und sp\u00e4rlich verstreut sind, darf nur von einer Abh\u00e4ngigkeit der St\u00e4rke der Empfindung von der Zahl der getroffenen Sinneselemente gesprochen werden.\nZusammenfassung der Versuchsergebnisse.\nAuf Grund der vorliegenden Versuche l\u00e4fst sich sagen, dafs die Raum sch wellen des Temperatursinns von der gleichen Gr\u00f6fsenordnung sind wie beim Getast, ja dafs sie stellenweise sogar erheblich tief er sind, n\u00e4mlich dort, wo die beiden Arten von Temperaturpunkten nahe beieinander liegen. Die Raumschwellen des Temperatursinns sind gewissen individuellen und \u00f6rtlichen Schwankungen unter-","page":134},{"file":"p0135.txt","language":"de","ocr_de":"Lokalisation der Empfindungen bei den niederen Sinnen.\n135\nworfen. Sie sind in der Querrichtung der Hautdecke von Gliedmafsen etwas niedriger als in deren L\u00e4ngsrichtung. Ihre Abh\u00e4ngigkeit von der \u00d6rtlichkeit und der Richtung ist aber lang nicht so ausgepr\u00e4gt wie beim Tastsinn. F\u00fcr den Erfolg bleibt es gleichg\u00fcltig, welcher Reiz sich .proximal oder distal, medial oder lateral befindet. Gelegentlich machen sich aber Urteilst\u00e4uschungen bemerkbar, die als \u201eInversionen\u201c bezeichnet werden und darin bestehen, dafs die Richtung, in der die Verbindungslinie der beiden Reize verl\u00e4uft, objektiv richtig, die \u00d6rtlichkeit des Kalt- und Warmreizes aber gerade verkehrt angegeben wird. Setzt man die beiden Thermoden Temperaturpunkten auf, die sich in einem so geringen Abstande voneinander befinden, dafs eine Ortsbestimmung nicht mehr m\u00f6glich ist, so bestehen die beiden Empfindungen kalt und warm durchaus nebeneinander. Handelt es sich bei diesen beiden Empfindungen um Qualit\u00e4ten eines Sinnes, so findet dieses Nebeneinander ein Analogon beim Geschmacks- und Geruchssinn, wto ja auch der durch die gleichzeitige Einwirkung zweier Reize ausgel\u00f6ste Bewufstseinsinhalt sich in seine Bestandteile sondern l\u00e4fst. Handelt es sich dagegen um zwei Sinne, einen Kalt- und Warmsinn, so hat das Nebeneinander nichts besonders \u00dcberraschendes, denn dann liegen die Dinge genau so wie bei Gesicht und Geh\u00f6r, deren Empfindungen gesondert werden k\u00f6nnen und nebeneinander bestehen, auch wenn sie gleichzeitig erzeugt werden.\nDer Temperatursinn hat auch mit Geschmack und Geruch gemeinsam, dafs \u00f6rtlich summiert wird; dafs n\u00e4mlich zwei Reize objektiv gleicher Intensit\u00e4t auf zwei gleichartigen Temperaturpunkten gegeben eine Empfindung hervorrufen, die wesentlich st\u00e4rker ist als diejenige, die durch den gleichen Reiz, der auf einen Temperaturpunkt gegeben wird, entsteht.\nD. Die Lokalisation der Schmerzempfindungen.\nAn letzter Stelle soll die Lokalisation im Gebiete des Schmerzsinns besprochen werden. Auch hier wurde bereits von Ponzo eine Entscheidung gesucht und zwar mit Hilfe jener Methode, die er schon bei der Ortsbestimmung von Temperaturempfindungen\n1 M. Ponzo, Recherches sur la localisation des sensations tactiles et dolorifiques. Arch. ital. de biol. 55, 1. 1911.\n10*","page":135},{"file":"p0136.txt","language":"de","ocr_de":"136\nEmil v. Skramlik.\nben\u00fctzt hatte. Sie bestand darin, dafs die Vp. angewiesen war, die Stelle eines Schmerzreizes bei geschlossenen Augen mit Hilfe eines Fingers oder eines St\u00e4bchens zu zeigen. Dabei hat sich herausgestellt, dafs die \u00d6rtlichkeit von Schmerzempfindungen mit einem etwas gr\u00f6fseren Grad von Genauigkeit bestimmt wird, wie bei der einfachen Ber\u00fchrung. Sagen diese Versuche etwas dar\u00fcber -aus, mit welcher Sicherheit die \u00d6rtlichkeit einer Schmerzstelle erkannt wird, so geben sie noch keinen Auf&chlufs \u00fcber die Gr\u00f6fse der Raumschwellen, also die Leistungen des Schmerzsinns bei der Unterscheidung. Aufserdem leiden sie unter dem Mangel, dafs nicht recht klar wird, wie bei den Schmerzempfindungen die Ber\u00fchrung ausgeschaltet war.1 2 Denn erst in neuerer Zeit hat uns v. Fbey 2 gelehrt, wie man reine Schm er zem pf in dung en erzeugen kann, die also von begleitenden Ber\u00fchrungsempfindungen frei sind. Sein Verfahren besteht darin, dafs eine Stachelborste unter m\u00f6glichst geringem Druck einer unbehaarten Hautstelle mit zarter Oberschicht aufgesetzt wird. v. Feey empfiehlt die Stacheln der Distelart Carduus acanthoides. Diese sind nicht zu jeder Jahreszeit zu beschaffen \\ daher bediente ich mich der Stacheln von Onoperdon bracteatum, die ebenfalls sehr spitz sind und leicht in die Epidermis eindringen. Die maximale Kraft der verwendeten Borsten betrug 0,5 g bei Eichung auf einer empfindlichen Wage.\nEntsprechend den Angaben v. Feey\u2019s kommen als \u00d6rtlichkeit f\u00fcr die Untersuchung am besten eine Stelle der Volarfl\u00e4che des Oberarms sowie eine auf dem Schl\u00fcsselbein in Betracht. Als Vpn. waren t\u00e4tig die Herren : 1. cand. med. Dieteich Jahn, 2. Verf. und die Damen, 3. cand. med. Maegaeethe Liebees und 4. cand. med. Beetee Mayee. Es ist mir eine angenehme Pflicht, meinen Mitarbeitern auch an dieser Stelle f\u00fcr ihre treue Hilfe zu danken.\nEs mufs bemerkt werden, dafs fast jeder die Schmerzempfindungen, die auf die angegebene Weise erzeugt werden, erst richtig bewerten lernen mufs. Manche Vpn. reagieren allerdings schon von vornherein aufserordentlich empfindlich. Tats\u00e4chlich ist der bei diesem Verfahren ausgel\u00f6ste sinnliche Erfolg derart\n1\tMit der absoluten Erkennung des Reizortes durch den Schmerzsinn besch\u00e4ftigt sich eine Arbeit von Fri. B. Mayer, die im Anschlufs an diese Abhandlung erscheint. Zeitschr f. Sinnesphysiol. 56, 141. 1924.\n2\tM. v. Frey, Versuche \u00fcber schmerzerregende Reize. Zeitschr. f. Biol\n76, 1. 1922.\t'","page":136},{"file":"p0137.txt","language":"de","ocr_de":"Lokalisation der Empfindungen bei den niederen Sinnen.\t137\nmarkant, dafs sich jeder sehr bald dar\u00fcber klar wird, was als Schmerz, was als Ber\u00fchrung anzusehen ist. Es handelt sich um eine stichartige Empfindung, die einige Zeit, meist etwa 1\" nach erfolgtem Aufsetzen der Spitze auftritt und zumeist den Reiz \u00fcberdauert. Wurden auf einem Hautbereich wiederholt Schmerzreize erzeugt, so hat man das Bed\u00fcrfnis, sich wegen Juckens auf dieser Steife zu kratzen. Dies Verhalten bildet eine Best\u00e4tigung der Angaben v. Feey\u2019s, dafs das Jucken eine schwache Schmerzempfindung darstellt.\nF\u00fcr die entscheidenden Versuche werden zweckm\u00e4fsig verschiedene Schmerzpunkte ermittelt, die leicht und sicher ansprechen und in der L\u00e4ngs- und Querrichtung in wechselnder Entfernung angeordnet sind. Aufgefallen ist mir die leichte Beeinflufsbarkeit der Schmerzstellen, die sich darin \u00e4ufsert, dafs bei wiederholtem Aufsetzen der Stachelborste in kurzen Zwischenr\u00e4umen auf die gleiche Stelle sehr bald entweder keine Empfindungen ausl\u00f6sbar sind, oder nur eine Ber\u00fchrung versp\u00fcrt wird. Ob es sich bei dieser Erscheinung um eine leichte Erm\u00fcdbarkeit peripheren oder zentralen Ursprungs harfdelt, kann nicht entschieden werden, um so mehr, als sie nur im Anfang der Versuche so augenf\u00e4llig ist. Weiter ist zu bemerken, dafs der grofse Reichtum an Schmerzstellen nach diesem Verfahren nicht \u00fcberall ausgepr\u00e4gt ist. Es zeigte sich, dafs auf manchen Feldern die Schmerzpunkte nicht so dicht beieinander stehen, als man nach den Angaben der Autoren1 h\u00e4tte erwarten k\u00f6nnen. Offenbar sind die Rezeptoren nicht immer in der N\u00e4he der Oberfl\u00e4che, sondern auch an tiefer gelegenen Stellen vorhanden, die dann mit der Stachelborste nicht erreicht werden. Die ausgew\u00e4hlten Punkte wurden mit Tinte bezeichnet und zur Wiedererkennung und Erleichterung der Auffindung Pl\u00e4ne von ihnen auf Pauspapier aufgenommen.\nZur Bestimmung der Simultanschwellen macht man im Anfang den Abstand der beiden Schmerzpunkte recht grofs, etwa 120 mm und noch mehr, so dafs die beiden Schmerzreize deutlich getrennt wahrgenommen werden. Die Vpn. wurden angewiesen, streng darauf zu achten, dafs zwei Schmerzempfindungen, und nicht etwa eine Schmerz- und eine Ber\u00fchrungsempfindung lokalisiert werden. Die Versuche k\u00f6nnen, wenn man mit mehreren Schmerzpunkten arbeitet, leicht so mannig-\n1 Vgl. T. Thunbehg in Nagels Handb. d. Physiol. III., S. 691 ff. 1904.","page":137},{"file":"p0138.txt","language":"de","ocr_de":"138\nEmil v. Skramlik.\nfaltig gestaltet werden, dafs ein Raten aussichtslos ist; man braucht z. B. einmal zwei Schmerzpunkte in der L\u00e4ngs-, sodann wieder in der Querrichtung zu treffen, in der Folge nur einen einzelnen usf. Durch fortlaufendes Verzeichnen der Urteile kann man sich bald ein Bild davon machen, ob die Vp. ihre Empfindungen mit Sicherheit verwertet. Die kleinsten Entfernungen, in denen zwei Schmerzreize noch gesondert wahrgenommen werden, sind f\u00fcr 4 Vpn. in der Tabelle 10 zusammengestellt.\nTabelle 10.\nSimultanraumschwellen f\u00fcr Schmerz und Ber\u00fchrung auf der Volarseite des Oberarms.\nVp.\tL\u00e4ngsrichtung\t\tQuerrichtung\t\n\tSchmerz\tBer\u00fchrung\tSchmerz\tBer\u00fchrung\n1\t80 mm\t54 mm\t50 mm\t30 mm\n2\t75\t\u201e\t45\t\u201e\t45\t\u201e\t35\t\u201e\n3\t82 \u201e\t47\t\u201e\t50\t\u201e\t34\t\u201e\n4\t91\t\u201e\t87\t\u201e\t58\t\u201e\t52\t\u201e\nAus den Daten der Tabelle geht hervor, das die Raumschwellen ' des Schmerzsinns individuell etwas schwanken, dafs sie in der L\u00e4ngsrichtung gr\u00f6fser sind als in der Querrichtung, und dafs sie in beiden Richtungen h\u00f6her sind als die f\u00fcr das Getast. Macht man die Entfernung der beiden Schmerzreizstellen noch geringer, als sie f\u00fcr die einzelnen Vpn. angegeben sind, so werden die Aussagen schwankend und erwecken bald den Eindruck der grofsen Unsicherheit. Gelegentlich treten noch zwei Empfindungen auf, wenn der Versuchsleiter tats\u00e4chlich zwei Reize gesetzt hatte ; aber es ist dann nicht mehr m\u00f6glich, die Richtung der Verbindungslinie der beiden Reizstellen anzugeben.\nAuffallend ist, wie sehr man sich \u00fcber die objektive Entfernung der beiden Schmerzreizstellen t\u00e4uscht. Man nimmt z. B. zwei Schmerzreize gesondert wahr, die sich objektiv in einer Entfernung von 70\u201480 mm befinden und hat subjektiv den Eindruck, dafs ihr Abstand 2\u20143 mm betr\u00e4gt. \u00c4hnlichen Erscheinungen begegnet man bekanntlich auch im Gebiete des Drucksinns; auf Stellen geringerer Raumempfindlichkeit, z. B. auf dem Handr\u00fccken oder Oberarm, erscheint eine Strecke von der Gr\u00f6fse des Schwellenwerts sehr viel kleiner als die objektive.\nUntersucht man die Raumschwellen des Schmerzsinns nach der Sukzessivmethode, so gelangt man zu erheblich","page":138},{"file":"p0139.txt","language":"de","ocr_de":"Lokali&ation der Empfindungen bei den niederen Sinnen.\n139\nniedrigeren Werten als nach dem Simultanverfahren. Die gefundenen Werte sind in Tabelle 11 f\u00fcr 4 Vpn. zusammengestellt.\nAuch hierbei stellte sich heraus, dafs die Schwellenwerte individuell etwas schwanken. Sie sind in der L\u00e4ngsrichtung h\u00f6her als in der Querrichtung, aber insgesamt tiefer als die entsprechenden Werte, die nach der Simultanmethode gewonnen wurden. Dafs sie aber h\u00f6her sind, als die f\u00fcr die Tastreize bedarf keiner besonderen Erw\u00e4hnung mehr.\nTabelle 11.\nSukzessivschwellen f\u00fcr Schmerz und Ber\u00fchrung auf der Yolarseite des Oberarmes.\nVp.\tL\u00e4ngsrichtung\t\tQuerrichtung\t\n\tSchmerz\t, Ber\u00fchrung\tSchmerz\tBer\u00fchrung\n1\t40 mm\t25 mm\t15 mm\t10 mm\n2\t35\t\u201e\t22 \u201e\t15 \u201e\t12 \u201e\n3\t28 \u201e\t18 \u201e\t13\t\u201e\tio \u201e\n4\t29\t\u201e\t22 \u201e\t21 \u201e\t16 \u201e\nErscheinungen \u00f6rtlicher Summation in dem Sinne, dafs die gleichzeitige Reizung zweier Schmerzpunkte eine Empfindung erzeugt, die st\u00e4rker ist als diejenige, die bei Reizung eines Schmerzpunktes auftritt, konnten nicht festgestellt werden.\nZusammenfassung der Versuchsergebnisse.\nAls wichtigstes Ergebnis dieser Untersuchungsreihe ist zu verzeichnen, dafs die Raumschwellen des Schmerzsinns von s\u00e4mtlichen Hautsinnen am h\u00f6chsten sind.\nIII. Zusammenfassung.\nAufgabe der vorliegenden Untersuchung war es, die Lokalisation der Empfindungen bei den niederen Sinnen: Geschmack, Geruch, Temperatur- und bchmerzsinn zu pr\u00fcfen und zwar in zweierlei Weise: durch Bestimmung der Genauigkeit, mit welcher der Reizort erkannt wird und zwei Reizstellen auseinandergehalten werden. Im ersten Falle wird das absolute Erkennungs-, im zweiten das Unterscheidungsverm\u00f6gen des betreffenden Sinnes f\u00fcr r\u00e4umliche Ver-h\u00e4ltnisse untersucht.\nEine Zusammenfassung der Ergebnisse der mannigfaltigen Versuche ist \u2014 darauf sei ausdr\u00fccklich hingewiesen \u2014","page":139},{"file":"p0140.txt","language":"de","ocr_de":"140\nEmil v. Skramlik, Lokalisation der Empfindungen usw.\nf\u00fcr jeden einzelnen Sinn am Schl\u00fcsse des betreffenden Kapitels dieser Abhandlung gegeben.\nBei einem \u00dcberblick \u00fcber die gesamten Befunde hebt sich besonders die Tatsache heraus, dafs wir mit dem Geruch nicht lokalisieren k\u00f6nnen. Nunmehr ist es m\u00f6glich, s\u00e4mtliche Sinne in bezug auf ihre Leistungen bei der Lokalisation der ihnen zugeh\u00f6renden Empfindungen zu ordnen, wobei nat\u00fcrlich die bereits bekannten Tatsachen f\u00fcr Gesicht, Getast und Geh\u00f6r heran-gezogen werden.\nIn der absoluten Erkennung eines Reizortes leistet am meisten das Gesicht, es folgen Getast, Temperatur- und Geschmackssinn ungef\u00e4hr im gleichen Mafse, in einem gewissen Abstand der Schmerzsinn und in noch gr\u00f6fserem das Geh\u00f6r. In gleicher Weise ordnen sich unsere Sinnes Werkzeuge, wenn ihr Unterscheidungsverm\u00f6gen f\u00fcr zwei Reizstellen gepr\u00fcft wird. Vergleicht man es n\u00e4mlich mittels der Raumschwellen auf der peripheren Sinnesfl\u00e4che, so ist die Reihenfolge wieder Gesicht, Getast, Temperatur-, Geschmacks- und Schmerzsinn. F\u00fcr das Geh\u00f6r lassen sich vorerst keine Angaben machen. Absolutes Erkennungs- und Unterscheidungsverm\u00f6gen f\u00fcr r\u00e4umliche Verh\u00e4ltnisse gehen also parallel.\nAls ein einfaches, aber nicht unwichtiges Ergebnis geht weiter aus der Untersuchung hervor, dafs diejenigen Sinne, die sich bei der Gliederung in Komponenten als eine vieldimensionale Mannigfaltigkeit erweisen, ein wenig ausgebildetes Lokalisationsverm\u00f6gen besitzen. Von den beiden vieldimensionalen Sinnen Geh\u00f6r und Geruch vermag der erste nur unvollkommen, der zweite \u00fcberhaupt nicht zu lokalisieren.\nDoch besteht durchaus keine strenge Proportionalit\u00e4t zwischen der Mannigfaltigkeit der Komponenten eines Sinneswerkzeuges und seinem Lokalisationsverm\u00f6gen. Denn dieses ist beim vierdimensionalen Geschmack durchaus kein schlechteres, als beim eindimensionalen Getast und das dreidimensionale Gesicht \u00fcberragt darin beide.\nDie vorliegende Untersuchung wurde mit Hilfe einer Spende der Rockefellerstiftung durchgef\u00fchrt, der auch an dieser Stelle herzlichst gedankt sein soll.","page":140}],"identifier":"lit35972","issued":"1925","language":"de","pages":"69-140","startpages":"69","title":"\u00dcber die Lokalisation der Empfindungen bei den niederen Sinnen","type":"Journal Article","volume":"56"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:10:09.363846+00:00"}