Open Access
{"created":"2022-01-31T14:03:53.693062+00:00","id":"lit35974","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"Hildebrandt, Hubert","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 56: 154-170","fulltext":[{"file":"p0154.txt","language":"de","ocr_de":"154\nExperimentelle Untersuchungen zur Psychologie und Psychotechnik des Visiervorgangs.\nVon\nHubert Hildebrandt,\nBerlin.\nMit 4 Abbildungen.\nI. Einleitung und Versuchsanordnung.\nBei Visierversuchen, die im Laboratorium mit Gewehrvisieren stattfanden, trat h\u00e4ufig ganz auffallend zutage, dafs die Visierobjekte anders wahrgenommen wurden, als es ihren geometrischen und physikalischen Eigenschaften entsprach. Ein kreisf\u00f6rmiges Zielobjekt, dem im Gesichtsfelde ein Korn gen\u00e4hert wurde, zeigte z. B. in einem bestimmten Ann\u00e4herungsstadium eigenartige Deformationen; umgekehrt ver\u00e4nderte sich auch das Korn in bezug auf Helligkeit und Konturen, wenn es nahe dem Kreise lag oder sich mit ihm deckte. Eine n\u00e4here Untersuchung dieser Ver\u00e4nderungen war aus praktischen Gr\u00fcnden geboten; sie war aber auch von allgemeinerem Interesse f\u00fcr physiologische und psychologische Fragen des Sehens.\nBei weiteren Versuchen mufsten zwei Bedingungen, die beim Visieren Vorlagen, stets beachtet werden: Verschiedene Ent-fernung der Objekte vom Auge und N\u00e4he der Objekte im Gesichtsfelde. \u2014 Deshalb wurde eine optische Bank benutzt, die eine leichte Beweglichkeit der Objekte in jeder Richtung zuliefs. Um bei verschiedenen Entfernungen ann\u00e4hernd konstante Belichtung zu haben, erhielten die Objekte Lichtquellen (4-Voltl\u00e4mpchen), die mit ihnen beweglich waren. Alle Lichtquellen, auch die des Versuchsraumes, waren zur Vp. hin abgeblendet. Der Raum selbst war so erleuchtet, dafs die Helligkeit von der Vp. zum Hintergrund hin (graue Wand) zunahm, wodurch die genaue Beobachtung kleiner Ver\u00e4nderungen der","page":154},{"file":"p0155.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen zur Psychologie u. Psychotechnik des Visiervorgangs. 155\nObjekte erleichtert wurde. Ein Kopfhalter erm\u00f6glichte ruhige Haltung des Kopfes f\u00fcr l\u00e4ngere Zeit. Die Beobachtung geschah stets monokular.\nWenn sich nun ein Objekt a in 5 m, ein Objekt b in 0,50 m Entfernung vom Auge befanden und durch Fixieren von a ein Akkommodationszustand1 entsprechend seiner Entfernung hergestellt wurde, so konnte a deutlich und scharf gesehen werden, b dagegen, das im Gesichtsfelde dicht dar\u00fcber oder daneben lag, mufste zerstreut (verschwommen) erscheinen, entsprechend seiner Entfernung von a, dem Punkte, auf den das Auge akkommodiert war. F\u00fcr Deformationen, die jetzt bei Ann\u00e4herung der Objekte auftraten, waren unter diesen Bedingungen erstens physikalische Ursachen in Erw\u00e4gung zu ziehen. Die optische Zerstreuung des b abbildenden Lichtb\u00fcschels konnte Ver\u00e4nderungen hervor-rufen, dann war m\u00f6glich, dafs durch irregul\u00e4ren Linsen-astigmatismus bestimmte Erscheinungen ausgel\u00f6st wurden, und zuletzt konnte auch Blenden Wirkung vorliegen. (Das Objekt b, das zwischen a und dem Auge lag, beeinflufst das a abbildende B\u00fcschel.) Es war aber auch m\u00f6glich, dafs die Ver\u00e4nderungen psychophysische Ursachen hatten.\nIn der Psychologie ist bekannt, dafs, wenn die Reizwirk u n g in bestimmter Weise ab ge schw\u00e4cht wird (bei kurzer Exposition, geringer Lichtst\u00e4rke und Nachbildern) die ph\u00e4nomenalen Gebilde im Sinne immanenter Gestaltgesetzlichkeiten ver\u00e4ndert werden. -\nBeim Visieren ist die Reizwirkung der Objekte, auf die das Auge nicht akkommodiert hat, in gewissem Sinne als ge-\n1\tF\u00fcr diese ganzen Versuche war wichtig, zu wissen, ob auf Instruktion hin tats\u00e4chlich ein bestimmter Akkommodationszustand hergestellt werden kann und ob bei l\u00e4ngerer Beobachtung Schwankungen auftieten. In einer Voruntersuchung war die Frage dahin gekl\u00e4rt worden, dafs eistens Angaben der Vpn. \u00fcber ihren Akkommodationszustand meist richtig sind, zweitens, dafs auf Instruktion hin ein bestimmter Zustand hergestellt werden kann, und auch, dafs st\u00e4rkere Schwankungen der Akkommodation\nbei l\u00e4ngerer Beobachtung nicht auftreten.\n2\tW. K\u00f6hler, Die physischen Gestalten in Ruhe und im station\u00e4ren\nZustand. S. 259 ff.\nA. Gelb, Bericht \u00fcber den VI. Kongrefs f\u00fcr experimentelle Psychologie, herausgegeben von Schumann. S. 36 ff.\nGoldschmidt, daselbst S. 149 ff.\nVI. Wertheimer, Experimentelle Studien \u00fcber das Sehen von Bewegung.\nH. Frank, Festschrift f\u00fcr Stumpf. Psychologische Forschung 1923.","page":155},{"file":"p0156.txt","language":"de","ocr_de":"156\nH. H\u00fcdebrandt.\nschw\u00e4cht zu bezeichnen, und eine Erkl\u00e4rung der Erscheinungen unter dem letztgenannten Gesichtspunkt war so auch nahegelegt.\n(F\u00fcr die Unterst\u00fctzung der Untersuchung, die im Psychologischen Institut der Universit\u00e4t Berlin durchgef\u00fchrt wurde, spreche ich Herrn Prof. Dr. K\u00f6hler und Herrn Prof. Dr. Rupp meinen herzlichsten Dank aus. Gleichzeitig danke ich den Damen und Herren, die sich als Vpn. zur Verf\u00fcgung stellten, insbesondere Erl. Dr. Stern, Frl. cand. phil. Schur und den Herren Dr. v. Allesch, Dr. Lewin, Dr. L\u00e9onnard, cand. phil. Ross, Dr. Zitt.)\nII. Ergebnisse der Versuche.\nDie Ergebnisse sind nach sachlichen Gesichtspunkten geordnet wiedergegeben.\n1. Gegeben ein Objekt a in 6,80 m Entfernung vom Auge, schwarz, rund, Durchmesser 28 mm. Gegeben ein Objekt b in 0,30 m Entfernung vom Auge, schwarz, rund, Durchmesser 4 mm.\nInstruktion: Es soll auf das entferntere Objekt a akkommo-diert werden, dann sollen a und b durch Bewegen des Kopfes zur Deckung gebracht werden.\nWenn a von b noch ein St\u00fcck entfernt ist, wird allgemein angegeben, dafs a deutlich kreisrund und schwarz gesehen wird ; dafs b dagegen unregelm\u00e4fsig erhellt sei, in der Mitte liege ein dunkler Kern, der Kontur sei unsicher. Wird a dem Objekt b im Gesichtsfelde soweit gen\u00e4hert (die Entfernungen vom Auge bleiben dieselben), dafs sich die R\u00e4nder der Objekte ber\u00fchren, so buchtet sich b an der Ber\u00fchrungsstelle ein. Sowie a genau hinter o liegt, ist es in b sichtbar, b hellt sich in seiner Rand zone gleich m\u00e4fsig auf, der Kontur wird straff. Dafs man a wirklich in b sieht (es nicht etwa mit dem fr\u00fcheren dunkeln Kern von b verwechselt) ist nachpr\u00fcfbar, bei kleinen Bewegungen des Kopfes wandert a in b.\nGibt man statt eines kreisf\u00f6rmigen Objekts b ein dreieck-f\u00f6rmiges (5 mm Grundlinie, 7 mm H\u00f6he 0,40 cm entfernt), so tritt eine v\u00f6llig gleichartige Erscheinung auf. Das Dreieck erscheint, wenn es von a noch ein St\u00fcck entfernt ist, auch un-gleiehm\u00e4fsig erhellt (s. Abb. la). Aus dem Fufs des Dreiecks ragt dunkler Kern in das Dreieck hinein, der Kontur ist ganz unscharf.\nSowie sich aber Dreieck und Kreis decken, hellt sich das Dreieck auf, der Kontur wird scharf. Der Kreis ist im Dreieck sichtbar (Abb. 1 b).","page":156},{"file":"p0157.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen zur Psychologie u. Psychotechnik des Visiervorgangs. 157\nDie Erhaltungserseheinung wird noch krasser, wenn man den Kreis wegl\u00e4lst, statt dessen aber in 1 m Entfernung ein gr\u00f6fseres rechteckiges Objekt a w\u00e4hrend der Beobachtung so in die Visierlinie hineinbringt, dafs \u00fcber a gerade das Dreieck herausragt. Ganz auffallend wird bei Heranf\u00fchrung von a der dunkle Kern des Dreiecks \u201eheruntergezerrt\u201c, wie es von einigen Vpn. zum Ausdruck gebracht wurde.\nAbbildung la.\nAbbildung lb.\nAbbildung 2a.\nAbbildung 2b.\nAbbildung 3a.\nAbbildung 3b.\nDie Durchsichtigkeit von Objekt b ist allgemein abh\u00e4ngig von der St\u00e4rke der Zerstreuung des Objekts. Ordnet man die Objekte so an, dafs die Zerstreuung von b gering wird (im vorliegenden Falle: man entfernt b weiter vom Auge so, dafs es dem Akkommodationspunkt n\u00e4herr\u00fcckt oder man verringert die Pupillengr\u00f6fse), so beh\u00e4lt bei Deckung der Objekte b den dunklen Kern, der jetzt gr\u00f6fser ist, a ist dann vielleicht nur noch im Zerstreuungssaum von b sichtbar. \u2014 Weiterhin mufs nat\u00fcrlich ein bestimmtes Gesichtswinkelverh\u00e4ltnis von a und b gegeben sein. Das Netzhautbild a mufs kleiner sein als Netzhautbild b.\n2. Wenn nun bei entsprechender Variation der Bedingungen keine g\u00e4nzliche Erhaltung des einen Objekts auftritt, so lassen sich bei der Ann\u00e4herung eine Reihe interessanter Erscheinungen beobachten.\nZ. B. gegeben zwei Kreise: a 28 mm Durchmesser, 6,80 m vom Auge entfernt, b 4 mm Durchmesser, 35 cm vom Auge entfernt.","page":157},{"file":"p0158.txt","language":"de","ocr_de":"158\nH. Hildebrandt.\nNoch ehe die Kreise sich ber\u00fchren, findet eine Deformation, meist Einbuchtung des Kreises b, statt. Zuweilen deformiert sich auch a. zuweilen a und b.\nOder gegeben: Kreis und Dreieck in Gr\u00f6fsen wie oben. Der Kreis wird von oben her der Dreieckspitze gen\u00e4hert. Akkommodation auf den Kreis. W\u00e4hrend der Ann\u00e4herung deformiert sich zuerst der Zerstreuungssaum der Dreiecksspitze, er w\u00f6lbt sich nach innen, dr\u00e4ngt die Spitze zur\u00fcck entsprechend der Kreisform. Der Kreis plattet sich ab (Abb. 2 a). Bei weiterem Heranr\u00fccken des Kreises deformiert sich der Kreis, wird der Spitze gegen\u00fcber konkav. Der Zerstreuungssaum des Dreiecks w\u00e4chst und umschliefst den Kreis (Abb. 2 b).\nBei einer Vp., die das Dreieck mit 2 Spitzen sah (s. unten) w\u00f6lbten sich, als der Kreis an den dunklen Kern herankam, die Spitzen wie H\u00f6rner seitlich auseinander, dabei wurden sie ungef\u00e4hr doppelt so grofs als vorher. \u2014 Die Deformationen zeigen stets eine stark symmetrische Note. Was am einzelnen Objekt als Deformation auftritt, bedeutet f\u00fcr das Ganze eine Vereinheitlichung, eine festere Gestalt. Mit einer Reihe von anderen Figurationen, Kreis und geradlinige Kante u. dgl. ergaben sich gleichsinnige Ergebnisse.\n3. Unter prinzipiell den gleichen Bedingungen treten bei allen Vpn. Diplopien auf. Es war z. B. wieder ein Kreis gegeben, in 6,80 m Entfernung und ein Dreieck in einer Entfernung, die eine g\u00e4nzliche Erhellung nicht zuliefs. Akkommodation war auf Kreis. Fast allgemein erschien das Dreieck einfach, wenn der Kreis im Gesichtsfelde noch ziemlich weit entfernt war (1 a). Der Kreis war dann immer einfach. W\u00fcrde der Kreis jetzt von oben her der Spitze des Dreiecks gen\u00e4hert, so sah die H\u00e4lfte aller Vpn. das Dreieck mit zwei Spitzen zuweilen auch mit drei, wenn ein bestimmtes N\u00e4heverh\u00e4ltnis erreicht war (Abb. 3a u. 3b). Bei allen Vpn., bei denen die Spitze doppelt war, und bei denen sie einfach war, trat aber eine Verdoppelung des Kreises ein, sobald der Kreis hinter den dunklen Kern des Dreiecks wanderte. Bewegte man den Kopf jetzt in der Weise, dafs der Kreis noch weiter abw\u00e4rts sinken mufste, so wanderten die beiden Teilkreise am dunklen Kern des Dreiecks abw\u00e4rts, ihren Abstand stetig yergr\u00f6fsernd. Dabei nahmen sie zuweilen ovale Form an (Abb. 3 a). \u2014 Dazu wurde noch folgendes beobachtet. Bewegt","page":158},{"file":"p0159.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen zur Psychologie u. Psychotechnik des Visiervorgangs. 159\nman, wenn man Abb. 3 a hat, den Kopf nach links, so dafs der Teilkreis a2 dem Saum entgegenwandert, so wandert aL zun\u00e4chst ein St\u00fcck mit. Sowie a2 aber mit seinem linken Rande anf\u00e4ngt, den Saum zu \u00fcberschreiten, verschwindet a1 im dunklen Kern. Links vom Dreieck liegt dann nur ein Kreis.\nDie Verdoppelung des Fernkreises a ergab sich auch, wenn als Objekt b statt des Dreiecks ein Kreis gew\u00e4hlt wurde. An dem Kern des Nahkreises teilte sich der Fernkreis, sowie aber auch hier einer der Teilkreise den Saum des Nahkreises \u00fcberschritt, verschwand der andere.\n4. Wurden 3 Objekte in einer Visierlinie einander gen\u00e4hert bei Akkommodation auf eines derselben, so war besonders interessant die Elastizit\u00e4t der Zerstreuungsfelder der nicht scharf gesehenen Objekte. Die Ver\u00e4nderungen der Zerstreuungsfelder durch Zuwachse oder Verkleinerungen verliefen stets im Sinne der Formenanpassung an die Kernfiguration. Lagen die Kerne etwa so, dafs man ihnen ein Dreieck umschreiben konnte, so nehmen die Zerstreuungsfelder dieselbe Form ein, dabei L\u00fccken ausf\u00fcllend, oder zur\u00fccktretend.\nIII. Die Ursachen der Erscheinungen.\nai Lassen sich die Deformationen als Blenden-\nWirkung erkl\u00e4ren?\nBei einer Reihe von Deformationen, z. B. Abb. 2 a und b, war nahegelegt, sie als Blendenwirkung aufzufassen. Die Deformationen traten an den Stellen auf, die im Gesichtsfelde am engsten benachbart waren, und es war sehr wohl m\u00f6glich, dafs das n\u00e4here Objekt den Strahlengang des entfernteren beeinflufste, so dafs die Abbildung auf der Netzhaut unvollkommen wurde.\nDurch entsprechende Wahl der Objekte l\u00e4fst sich aber zeigen, dafs Deformationen auch an Stellen auftreten, die durchaus nicht eng benachbart sind.\nNimmt man 2 Objekte a und b (Abb. 4, a am unteren Rande schwach gew\u00f6lbt, ca. 90 cm vom Auge entfernt, b ca. 30 cm vom Auge entfernt, Akkommodation auf Punkt in ca. 120 cm Entfernung, Gesichtswinkelverh\u00e4ltnis der Objekte wie in Abb. 4). so tritt bei Ann\u00e4herung in vertikaler Richtung meist eine Deformation des ganzen Objekts a auf. Der untere Kontur schl\u00e4gt um, die unteren Ecken von a streben den Ecken des Dreiecks-","page":159},{"file":"p0160.txt","language":"de","ocr_de":"160\nH. Hildebrandt.\nausschnitts von b entgegen. Die seitlichen R\u00e4nder w\u00f6lben sich nach innen.\nVariiert man die Form von a, etwa durch Verbreiterung so, dafs a viel breiter ist als die Dreiecksbasis, so w\u00f6lben sich die seitlichen Kanten von a nach aufsen, der Abstand der unteren Eckpunkte wird geringer bis zu einer Breite, die der Dreicks-basis entspricht. Ganz auffallend verlaufen die Deformationen stets im Sinne einer besseren Gesamtgestalt. Eine Basis von a, die viel breiter ist als das Dreieck von b, ferner gerade Kanten von a und ein konvexer unterer Rand bilden ein unausgeglichenes, unbefriedigendes Bild. \u2014 Das Bild nach der Deformation (unterer Rand von a w\u00f6lbt sich konkav \u00fcber die \u00d6ffnung, Seitenkanten sind konkav oder konvex geschweift, verbreitern oder verengern ihren Abstand je nach der Dreiecksgr\u00f6fse), stellt ph\u00e4nomenal ein viel st\u00e4rkeres Ganzes dar.\nAbbildung 4.\nDiese Versuche, in denen nicht nur Ver\u00e4nderungen an den n\u00e4chstgelegenen Stellen der Objekte auftreten, machten die Annahme, dafs ganz allgemein Deformationen unter diesen Bedingungen auf Blendenwirkung zur\u00fcckzuf\u00fchren sind, unwahrscheinlich, ausgeschlossen war sie aber noch nicht.\nIn einer weiteren Versuchsanordnung wurde nun unter Zuhilfenahme von Mattscheibe und Linse versucht, klar nachzuweisen, dafs die Deformationen andere Ursachen haben m\u00fcssen.\nWaren die Deformationen auf Blendenwirkung zur\u00fcckzuf\u00fchren, so mufsten sie auch auf der Mattscheibe auftreten, wenn die Objekte vor der Linse entsprechend den fr\u00fcheren Versuchsbedingungen angeordnet wurden. Bei einem derartigen Versuch","page":160},{"file":"p0161.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen zur Psychologie n. Psychotechnik des Visiervorgangs. I\u00dfl\nwar jedoch zu beachten, dafs eine Wahrnehmung der Deformationen bei Beobachtung von zwei Objekten auf der Mattscheibe noch nicht entscheidet \u00fcber die Entstehung durch Blendenwirkung der Objekte vor der Mattscheibe. Auf der Mattscheibe konnte die Abbildung korrekt sein, die Deformationen brauchten ja, bildlich gesprochen, erst von der Mattscheibe zur Vp. hin vor sich zu gehen. \u2014 Wenn man aber bei bestimmter Lage der Objektabbildungen auf der Mattscheibe (der Lage, bei der Deformationen auftraten) die eine der Abbildungen von der Seite der Vp. her darauf verdeckte, so mufste die Deformation des sichtbaren Objekts (Verk\u00fcrzung oder Einbuchtung) erhalten bleiben, wenn die Ursache f\u00fcr sie eine Beeinflussung des Strahlenganges vor der Mattscheibe auf der Seite der Objekte war.\nZweitens war bei Benutzung von Linse und Mattscheibe m\u00f6glich, mehrere Objekte in eine Ebene vertikal zur Seh rieh tun g zu bringen und durch diese Bedingung die M\u00f6glichkeit der Blendenwirkung \u00fcberhaupt zu beseitigen.\nUm letzteres auszuschalten, h\u00e4tte man allgemein eine derartige komplizierte Anordnung nicht ben\u00f6tigt, aber die Deformationen waren vorzugsweise bei Zerstreuung, bei einer bestimmten Lichtschw\u00e4chung der R\u00e4nder der Objekte aufgetreten, die f\u00fcr die Deformationswahrnehmung eigent\u00fcmliche, g\u00fcnstige Bedingungen gaben, und diese Schw\u00e4chung wenigstens eines Objekts war durch die Anordnung am getreuesten nachzubilden.\nBeide Bedingungen, Zerstreuung eines Objekts und Lagerung der Objekte in einer Ebene wurden erf\u00fcllt, wenn man ein Objekt durch die Linse auf der Mattscheibe undeutlich zur Abbildung brachte und auf der der Vp. zugewandten Seite der Mattscheibe ein Objekt an die Abbildung heranf\u00fchrte.\nTrat dann eine Deformation auf, so war. dabei gleichfalls Blendenwirkung als Ursache ausgeschlossen, weiterhin waren Zerstreuungseinfl\u00fcsse verhindert; denn beide Objekte lagen in einer Entfernung und konnten deutlich gesehen werden, das eine Objekt war nur lichtgeschw\u00e4cht, weil es eine zerstreute Abbildung auf der Mattscheibe darstellte.\nDie Ergebnisse der unter diesem Gesichtspunkte angestellten Versuche waren nun folgende:\nVersuchsanordnung: Linse und Mattscheibe sind in einer Camera obscura zusammengestellt. Brennweite der Linse ist","page":161},{"file":"p0162.txt","language":"de","ocr_de":"162\nH. Hildebrandt.\nca. 30 cm. Vor der Camera werden auf einer optischen Bank die beiden Objekte a und b angebracht, die abgebildet werden sollten. Form und Abbildungsgr\u00f6fsenverh\u00e4ltnis ungef\u00e4hr wie in Abb. 4 (absolute Breite von a durchschnittlich 1 cm). Objekt a war 90 cm, b 60 cm von der Linse entfernt. Die Linse war scharf eingestellt auf etwas gr\u00f6fsere Entfernung, etwa 120 cm. Vp. beobachtet die Abbildung auf der Mattscheibe aus etwa 25 cm Entfernung.\nDie Wahrnehmung der Objektsbilder auf der Mattscheibe machte einigen Vpn. wegen der geringen Gr\u00f6fse der Objekte und wegen der Unsicherheit der Konturen Schwierigkeiten.\nAllgemein wurde jedoch eindeutig angegeben, dafs wenn beide Objekte auf der Mattscheibe sichtbar sind, die Deformation ganz wie fr\u00fcher vorhanden ist. Um zu entscheiden, ob die Abbildung von a auf der Mattscheibe bereits die Deformation zeigt, hatten die Vpn. auf der ihnen zugewandten Seite der Mattscheibe\nein gr\u00f6fseres, schwarzes Pappobjekt von unten her an a heranzuschieben, soweit, bis die Abbildung von b ganz verdeckt war. Das Ergebnis war, dafs die Deformation verschwand, sobald b verdeckt wurde. Objekt a wurde dann entsprechend seiner wirklichen geometrischen Figuration wahrgenommen, \u2014 a ist also auf der Mattscheibe so abgebildet, wie es den physikalischen Bedingungen von a ent-Abbildung 5. spricht. Die Deformation wird hervorgerufen\ndurch die Ann\u00e4herung von b.\nDa geringe Konturver\u00e4nderungen doch gewisse Schwierigkeiten f\u00fcr die Wahrnehmung boten, wurden zur Sicherung der Ergebnisse noch Objekte verwandt, bei denen die Deformationen noch auffallender waren z. B. (Abb. 5).\nObjekt a, ein einfaches, rechteckiges, l\u00e4ngliches Objekt, wurde b so gen\u00e4hert, dafs es die Verl\u00e4ngerung eines Schenkels von b bildete. Objekt a war wieder 90 cm, b 60 cm von der Linse entfernt. Die Linse war zuerst scharf eingestellt auf einen Punkt in ca. 120 cm Entfernung, sp\u00e4ter auch auf a. Bei Ann\u00e4herung von a an den a gegen\u00fcberliegenden Schenkel weicht dieser erheblich zur\u00fcck (punktierte Linie). Wird in diesem Stadium a auf der Mattscheibe wie vorher verdeckt, so w\u00e4chst der Schenkel sofort wieder zur\u00fcck zu seiner fr\u00fcheren L\u00e4nge.","page":162},{"file":"p0163.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen zur Psychologie u. Psychotechnik des Visiervorgangs. 163\nDie Versuche sprechen eindeutig gegen die Annahme, dafs hier die Verk\u00fcrzung des Schenkels durch irgendeine Blendenwirkung zustande kommt.\nEs k\u00f6nnte der Einwand erhoben werden, dafs die verdeckende Pappe die Wahrnehmung einer Abweichung, die bereits auf der Mattscheibe vorhanden sei, verhindere. Das w\u00fcrde aber besagen, dafs das verdeckende Objekt, dem beliebige Ausdehnung gegeben werden kann, in seiner Wirkung auf den Strahlengang zwischen Mattscheibe und Auge die Blendenwirkung vor der Mattscheibe ausgleiche, ihr \u00e4quivalent sei, was wenig wahrscheinlich ist, da man das verdeckende Objekt verschieden grofs machen kann. Eine psychologische Erkl\u00e4rung k\u00f6nnte hier wohl einsetzen, in der dem verdeckenden Objekt auch ein Wirkungsgrad f\u00fcr die Wahrnehmung von b zugeschrieben wird, dem es ja im Gesichtsfelde eng benachbart ist, damit w\u00e4re aber bereits der physikalische Boden verlassen.\nAls zweiter Gesichtspunkt, unter dem die Frage der Blendenwirkung entschieden werden k\u00f6nne, war oben angegeben worden, die Deformationen an Objekten, die in einer Ebene liegen, hervorzurufen, wobei keine Blendenwirkung entstehen kann.\nIn diesen Versuchen wurde auf der Mattscheibe ein ca. 1 m vor der Linse liegendes dreiecksf\u00f6rmiges Objekt etwas unscharf abgebildet und auf der Seite der Vp. an die Abbildung auf der Mattscheibe ein kreisf\u00f6rmiges Objekt herangef\u00fchrt. Die Wirkung war eine klare Konturbeeinflussung der Dreiecksseite, der das Objekt gen\u00e4hert wurde, es trat eine deutliche Einbuchtung des Dreiecks auf, die genau gleichartig war der Deformation, die entstand, wenn beide Objekte und die Beobachtung den Bedingungen der obigen Versuche unterlagen. \u2014 Auch nach diesem Versuch ist es nicht ang\u00e4ngig, allgemein Blendenwirkung als Ursache der Deformationen anzunehmen.\nb) Erkl\u00e4rung der D i p 1 o p i e n.\nDie oben beschriebenen Vielfachbilder (Abb. 3 b) zeigten ph\u00e4nomenal wie in ihren Bedingungen Gemeinsames mit bekannten Ph\u00e4nomenen des irregul\u00e4ren Linsenastigmatismus und wurden unter diesem Gesichtspunkt n\u00e4her untersucht unter An-","page":163},{"file":"p0164.txt","language":"de","ocr_de":"164\nH. Hildebrandt.\nbahnung an Combebg1, der wesentliche Beitr\u00e4ge und eine Theorie der Erscheinungen gibt.\nCombergt erhielt z. B. von einem Dreieck nach Ausgleich der hypermetropen Refraktion durch Versetzen eines Zylinderglases eine ganze Reihe unregelm\u00e4fsig erhellter Sonderbilder. (Zu erwarten war, wenn die Linse als optisch vollkommen angesehen wurde, unter den vorliegenden Bedingungen eine l\u00e4ngliche Fl\u00e4che mit Helligkeitsabstufung entsprechend der Zerstreuung.) Aus den Befund schlofs er auf Sonderteile der Linse, die unter der vorliegenden Bedingung wie auch bei einfacher hypermetroper Refraktion Sonderbilder hervorrufen, die sich teilweise decken k\u00f6nnen. Aus der Anzahl und Form der Sonderbilder bei Versuchen mit Spaltblenden schlofs er, dafs die Sonderfl\u00e4chen in grofser Anzahl und in l\u00e4nglich ovaler Form in der Augenlinse vorhanden sind. Die Frage, weshalb wir beim gew\u00f6hnlichen Sehen, bei dem ja das Auge stets f\u00fcr eine Reihe von Gegenst\u00e4nden hypermetrop ist, diese Sonderbilder nicht bemerken, wird mit der Annahme einer Kontrastwirkung beantwortet, die Nebenbilder und Nebenlicht \u00fcberwindet.\nDie hier vorliegenden Erscheinungen des Vielfachsehens sind zweifellos derartige normale astigmatische Erscheinungen ; denn meist bestand hyperm\u00e9trope Refraktion. Sie zeigen dabei aber manches Neuartige, was besonders psychologisch von Wert ist.\n1. Anzahl und Anordnung der Sonderbilder waren nie regellos. Wenn z. B. beim Dreieck (Abb. 3) Diplopie auftrat, so erschienen fast stets 2 Dreiecke, bei wenigen Vpn. 3. Die Dreiecke waren so angeordnet, dafs sie sich \u00fcberkreuzten (Abb. 3 a) und einen stark symmetrischen Charakter zeigten, oder, wenn 3 Dreiecke wahrgenommen w\u00fcrden, ergaben sie insgesamt wieder ein Dreieck (3 b).\nDiese Auswahl der Bilder kann auch nicht mit der Annahme von Kontrast erkl\u00e4rt werden. Die Frage der Auswahl best\u00e4nde dann f\u00fcr die Kontrasttheorie, von der sie nicht beantwortet werden kann. (Fafst man die Vielfachbilder als Zerstreuungsrand auf, so bleibt dieselbe Frage.) Es liegt hier nahe, die Anordnung der Bilder abh\u00e4ngig zu setzen von einem Ein-\n1 W. Comberg, \u00dcber irregul\u00e4ren Linsenastigmatismus. Archiv f\u00fcr Augenheilkunde 78.\t1921.","page":164},{"file":"p0165.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen zur Psychologie u. Psychotcchnik des Visiervorgangs. I\u00df5\nAufs, der in der Form der Spitze, in der speziellen Reizanordnung auf der Netzhaut, liegt.\n2.\tDie Polyopie des Dreiecks trat erst ein, wenn die Objekte im Gesichtsfelde eine bestimmte N\u00e4he erreicht hatten. Erst wenn der Kreis dicht \u00fcber der Spitze lag, verdoppelte oder verdreifachte sie sich. Dabei unterlag das Dreieck optisch bei N\u00e4he und Ferne des Kreises den gleichen Bedingungen. \u2014 Hier kann eine Art Kontrastwirkung von Kreis und Spitze vorliegen; denn es ist wahrscheinlicher, anzunehmen, dafs die Vielfachabbildung auf der Netzhaut bereits vorhanden ist, wenn der Kreis noch ein St\u00fcck entfernt ist, als an eine Innervation zur Ver\u00e4nderung der Linsengestalt zu glauben, die in dem N\u00e4heverh\u00e4ltnis von Kreis und Spitze liegt.\n3.\tAuch der Kreis wird doppelt gesehen, wenn er hinter die Spitze r\u00fcckt, trotzdem nach Instruktion und Vornahme auf ihn akkommodiert war. Nun war m\u00f6glich, dafs hier die Akkommodation auf den Kreis nicht aufrecht erhalten w\u00fcrde, dafs das Auge emmetrop w\u00fcrde 3, und dafs damit erst die Bedingung f\u00fcr das Vielfachsehen geschaffen wurde. Aber dasselbe Vielfachsehen trat auch bei myopen Personen auf, die den Kreis in 6,80 m Entfernung niemals ganz deutlich sahen. Hier konnte keine Ver\u00e4nderung zur Hyperm\u00e9tropie hin eintreten, trotzdem wurde er doppelt gesehen, sobald er hinter der Spitze lag. An eine Verst\u00e4rkung der Myopie in bezug auf den Kreis, die in diesem Stadium auftreten k\u00f6nnte, ist nicht zu denken; denn auch bei diesen Personen bestand stets der Anreiz bei Deckung der Objekte auf das entferntere Objekt zu akkommodieren.1 * Man mufs\n1 Es sei noch eine Beobachtung erw\u00e4hnt, die bei den Versuchen \u00fcber v\u00f6llige Erhellung und Konturstraffung gemacht wurde. Wenn a hinter b liegt (Abb. lb), so gelingt es, wenn man statt auf a einmal auf b akkommodieren l\u00e4fst, in einer Reihe von Versuchen, die entferntere Fl\u00e4che a zeitweise zu verdecken. Bei einer Reihe von Vpn. tritt nach wenigen Sekunden zwangsl\u00e4ufig eine Akkommodation auf die fernere Fl\u00e4che ein und a erscheint wie vorher in b. Die Vpn. k\u00f6nnen auch das Auge schliefsen und bei \u00d6ffnung sich vornehmen, nur auf das n\u00e4here Objekt akkommodieren zu wollen, es gelingt ihnen nicht. Sie sehen zun\u00e4chst nur b, nach ganz kurzer Zeit aber a in b. In diesen Versuchen wurde auch untersucht, ob das in b gesehene a mit einem bestimmten Tiefeneindruck auftritt,\nwenn seine Entfernung (dabei nat\u00fcrlich auch Gr\u00f6fse) variiert wird. Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dafs es nicht der Fall ist. Allerdings war dabei die Anordnung noch verbesserungsbed\u00fcrftig. Diese Erscheinung\nZeitschr, f. Sinnesphysiol. 56.\t12","page":165},{"file":"p0166.txt","language":"de","ocr_de":"166\nH. Hildebrandt.\nhier annehmen, wenn man die Vielfachbilder mit Astigmatismus erkl\u00e4rt: Der Kreis lag bei myopen Augen stets jenseits der deutlichen Sehweite, er wurde stets doppelt abgebildet, aber so erst wahrgenommen, unter der speziellen Bedingung der Deckung der Objekte im Gesichtsfelde, d. h. der N\u00e4he der Reiz Wirkungen auf der Netzhaut. Die N\u00e4he bewirkt die Ausl\u00f6sung der Diplopie. Allerdings besteht auch dann noch f\u00fcr eine Erkl\u00e4rung mit Astigmatismus die Schwierigkeit, dafs die Doppelbilder des Kreises ph\u00e4nomenal ab weichen von den Doppelbildern des Dreiecks. Beim Dreieck war klar zu erkennen, dafs sich 2 oder 3 Bilder deckten, nur die Deckungsstellen waren ganz dunkel, die einfachen Randabbildungen waren hell. Die Doppelkreise deckten sich nie und erschienen Sftets tief dunkel.\n4.\tAuffallend war weiterhin, dafs das Dreieck bei einzelnen Vpn. nie doppelt gesehen wurde, trotzdem es weit diesseits der jeweiligen deutlichen Sehweite lag, dafs aber auch bei diesen Personen der Kreis, der viel n\u00e4her der deutlichen Sehweite lag, verdoppelt wurde.\nWenn die Nebenbilder des Dreiecks nicht bemerkt w\u00fcrden, so w\u00e4re das an und f\u00fcr sich erkl\u00e4rlich, aber dafs dann die Kreise wahrgenommen w\u00fcrden, macht die Sachlage schwierig. \u2014 Hier wird wiederum nahegelegt, f\u00fcr die Verdoppelung des Kreises Blendenwirkung anzunehmen. Sie w\u00e4re dann so zu denken: Rechts und links vom Dreieck entstehen bei Deckung der Objekte nur teilweise Abbildungen des Kreises, die zu ovalen Figuren erg\u00e4nzt werden, was psychologisch zu verstehen w\u00e4re.\n5.\tEine weitere Schwierigkeit liegt in der Tatsache, dafs bei entsprechender Bewegung des Kopfes (Abb. 3 b) die Teilkreise rechts und links vom Dreieckskern abw\u00e4rts wandern, dabei ihren Abstand stetig vergr\u00f6fsernd.\nWenn die Teilkreise durch die Abbildung von kleinen Sonderfl\u00e4chen der Linse entstehen, so ist schwierig, sich vorzustellen, dafs die Abbildung w\u00e4hrend der verschiedenen Stadien nur durch 2 Sonderfl\u00e4chen entsteht. Sie mufste von verschiedenen Sonderfl\u00e4chen nacheinander \u00fcbernommen werden, was ph\u00e4nomenal aber\n\u00fcberhaupt gibt aber zweifellos eine Methode an die Hand f\u00fcr die Untersuchung der h rage, ob die einfache \u00c4nderung des Akkommodationszustandes mit einer \u00c4nderung des Tiefeneindrucks verbunden ist.","page":166},{"file":"p0167.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen zur Psychologie u. Psychotechnik des Visiervorgangs. 167\nirgendwie zum Ausdruck kommen mufste. Ebenso ist nicht verst\u00e4ndlich, weshalb ax in Abb. 3 sofort im Kern verschwindet, wenn a2 den Saum links durchbricht.\nWenn man die Teilkreise als astigmatische Wirkungen ansieht, so ist man durch die ph\u00e4nomenalen Tatsachen gen\u00f6tigt, daneben besondere psychophysische Einfl\u00fcsse zur Erkl\u00e4rung heranzuziehen.\nDie gleiche Notwendigkeit ergibt sich, wenn man die Teilkreise als Bien den Wirkungen auffafst.\nc) Sind die Erhaltung und die Kontur straff ung (Abb. 1) allein auf Zerstreuung zur\u00fcckzuf\u00fchren?\nWenn man die Objekte so gab, dafs das n\u00e4here b stark zerstreut wurde, und dann a und b zur Deckung brachte, hellte sich b in seiner Randzone bei gleichzeitiger Straffung des Konturs auf (Abb. 1). Um klar zu sehen, inwieweit diese Eigenschaften von b etwa mit der Zerstreuungstheorie erkl\u00e4rt werden konnten, wurde nach ihr die Lichtverteilung des Netzhautbildes von b berechnet unter Benutzung der von Dondeks 1 angegebenen Masse und Berechnungsweisen des reduzierten Auges.\nDa die Akkommodation bei den Versuchen nicht messend ermittelt wurde, und die M\u00f6glichkeit bestand, dafs sie trotz Instruktion und trotz Angabe der Vpn. auf einen Punkt war, der weiter entfernt lag als a, schien angebracht, f\u00fcr die Berechnung das emmetrope Auge anzunehmen. (Eine Akkommodation auf Punkt, der n\u00e4her lag als a ist ganz unwahrscheinlich, da sie sehr schwer herzustellen war, wie bereits ausgef\u00fchrt wurde.) Bei Zugrundelegung des emmetropen Auges war die f\u00fcr die Zerstreuungstheorie g\u00fcnstigste Sachlage angenommen in bezug auf g\u00e4nzliche Erhellung des zerstreut gesehenen Objekts.\nF\u00fcr die Berechnung der Zerstreuungskreise wurde als Pupillendurchmesser 4 mm angesetzt; denn bei der Mehrzahl der Vpn. zeigten sich nach Vorsetzen eines 4 mm-Diaphragmas noch gleichartige Resultate. (Einige Vpn. hatten die Erscheinung optimal bei Diaphragmagr\u00d6fse 5\u20146 mm. Die Werte der Zerstreuungskreise bei 6 mm Pupille werden deshalb gleichfalls angegeben.)\n1 F. C. Donders, Die Anomalien der Refraktion und Akkommodation. S. 35 ff. und S. 151.\n12*","page":167},{"file":"p0168.txt","language":"de","ocr_de":"168\nH. Hildebrandt.\nDie Berechnung ergibt folgende Gr\u00f6fsen:\nObjekt a Netzhautbildgr\u00f6fse \u2014 0,06 mm Durchmesser Kreisobjekt b\t\u201e\t=\t0,19\t\u201e\t\u201e\nDreiecksobjekt b \u201e\t\u2014\t0,26\t\u201e\tH\u00f6he\n= 0,18\t\u201e Breite\nGr\u00f6fse der Zerstreuungskreise (Dm.) bei 4mm-Pupille, Kreisobjekt b = 0,20 mm \u201e\t\u201e\t\u201e\t\u201e\t\u201e\t4\t\u201e\t\u201e ,Dreiecksobjektb = 0,15\t\u201e\n\u201e\t\u201e\t\u201e\t\u201e\t\u201e\t6\t\u201e\t\u201e , Kreisobjekt b = 0,31\t\u201e\n\u201e\t\u201e\t\u201e\t\u201e\t\u201e\t6\t\u201e\t\u201e, Dreiecksobjekt b = 0,23\t\u201e\nDie Beschaffenheit des Netzhautbildes in bezug auf Lichtverteilung und Erhellung wird nun durch das Gr\u00f6fsenver-h\u00e4ltnis vom Durchmesser des Netzhautbildes und\ndem Durchmesser des Zerstreuungskreises bestimmt.\n\u2022 \u2022 ______________________\nEine \u00dcberlegung zeigt: Ist R. Z. kleiner als R. B. (R. Z. = Radius des Zerstreuungskreises, R. B. = Radius des Netzhautbildes), so wird es in b Punkte geben, die von den Zerstreuungskreisen aller Punkte ihres Zerstreuungskreises Licht erhalten. Das Bild wird innen eine gleichm\u00e4fsig belichtete Fl\u00e4che haben. Die Gr\u00f6fse dieser Fl\u00e4che ist bestimmt durch die Differenz der Radien. Vom Rande der Fl\u00e4che ab nach dem Rande des Bildes zu wird das Bild stetig an Licht verlieren. Dagegen wird noch Licht nach aufserhalb des Bildes fallen und das Bild vergr\u00f6fsern nach der Gr\u00f6fse des R. Z.\nIst R. Z. \u2014 R. B., so wdrd es im Bilde nur einen Punkt geben, der von allen Punkten seines Zerstreuungskreises Licht erh\u00e4lt. Von diesem Punkte aus nach dem Rande des Bildes zu wird das Bild stetig an Licht verlieren. Vergr\u00f6fserung des Bildes entsprechend dem Radius des Zerstreuungskreises.\nIst R. Z. gr\u00f6fser als R. B., so entsteht wieder eine Fl\u00e4che, die gleichm\u00e4fsig belichtet ist. Diese Fl\u00e4che entsteht aber nicht dadurch, dafs alle ihre Punkte von allen Punkten ihres Zerstreuungskreises Licht erhalten, sondern die Punkte erhalten Licht von den Zerstreuungskreisen aller Bildpunkte. Jeder Zerstreuungskreis dieser Bildpunkte gibt aber Licht nach aufserhalb des Bildes ab, d. h. wenn die Belichtung auch gleichm\u00e4fsig ist, so ist sie doch schw\u00e4cher als in dem Falle, wo R. Z. kleiner ist als R. B. Lichtabnahme nach dem Rande zu findet wieder entsprechend obigen Ausf\u00fchrungen statt. Die Gr\u00f6fse der gleichm\u00e4fsig belichteten Fl\u00e4che ist bestimmt durch Differenz der Radien.","page":168},{"file":"p0169.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen zur Psychologie u. Psychotechnxk des Visiervorgangs. 169\n(Eine eingehendere Betrachtung h\u00e4tte den Wert des Lichtes bei verschieden grofsen Zerstreuungskegeln zu ber\u00fccksichtigen. F\u00fcr die vorliegende Frage ist zun\u00e4chst wesentlicher, aus der Zerstreuungstheorie die Gleiehm\u00e4fsigkeit oder die Art der Un-gleichm\u00e4fsigkeit der Belichtung des zerstreuten Objekts festzustellen.)\nF\u00fcr die Versuche kann der Fall angenommen werden, indem R. Z. = R. B. ist. (Wahrscheinlich war R. Z. allgemein etwas kleiner; f\u00fcr die Berechnung wurde ja die Refraktion zugrunde gelegt, die maximalen R. Z. ergibt, w\u00e4hrend nach Im struktion und Vornahme ein Akkommodationspunkt bestand, der kleineren R. Z. ergeben w\u00fcrde.) Schwankungen der Gr\u00f6fse des R. Z. in geringem Mafse sind nicht wesentlich. F\u00fcr eine Reihe von Grofsen des R. Z., bei denen R. Z. = oder in geringem Mafse gr\u00f6fser oder kleiner ist als R. B. kann man sagen : Die Netzhautbilder der Objekte b m\u00fcssen in der Mitte die F\u00e4rb- oder Helligkeitseigenschaft des Objekts am st\u00e4rksten zeigen; sie m\u00fcssen sich in der Mitte den Eigenschaften des Bildes, das bei passender Refraktion entsteht, am meisten ann\u00e4hern.\nNach dem Rande zu m\u00fcssen die gesehenen Objekte an Licht stetig verlieren, die Objekte erscheinen entsprechend der Gr\u00f6fse des R. Z. vergr\u00f6fsert. Der Kontur ist unsicher.\nBilder mit diesen Eigenschaften und ihnen entsprechende Wahrnehmungen waren unter den gegebenen Bedingungen zu erwarten.\nDie gleichm\u00e4fsige Erhellung wie die Konturstraffung bei Deckung der Objekte mufs demnach eine Wirkung dieser speziellen r\u00e4umlichen Lage der Reize auf der Netzhaut und der Reizschw\u00e4chung des einen Objekts sein.\nIY. Zusammenfassung.\nDie mannigfachen Erscheinungen, die beim Sehen unter den genannten Bedingungen auftreten, lassen sich allgemein nicht auf physikalische Ursachen zur\u00fcckf\u00fchren, wobei als physikalische Ursachen hier Einfl\u00fcsse gemeint sind, die r\u00e4umlich vor der Netzhaut ausgel\u00f6st werden.\nNur die Diplopien waren als astigmatisch und im bezeichneten Sinne physikalisch aufzufassen. Aber auch bei ihnen zeigten sich besondere psychologische Einfl\u00fcsse","page":169},{"file":"p0170.txt","language":"de","ocr_de":"170 H. Hildebrandt, Untersuchungen zur Psychologie u. Psychotechnik usw.\nin der Ausl\u00f6sung und Gestaltung der ph\u00e4nomenalen Gebilde. Wie nun diese Einfl\u00fcsse und die Deformationen zu denken sind, und ob der Ort ihrer Entstehung die Netzhaut oder der innere optische Sektor ist, sei dahingestellt.\nAls Bedingung f\u00fcr sie sind Reizschw\u00e4chung und N\u00e4he derReize auf der Netzhaut zu bezeichnen, und die Abh\u00e4ngigkeit der ph\u00e4nomenalen Gebilde von diesen Bedingungen l\u00e4fst sich in folgender Weise zum Ausdruck bringen.\n1.\tWerden 2 Objekte einander gen\u00e4hert, so findet einseitige oder wechselseitige Konturver\u00e4nderung im Sinne einer symmetrischen Gesamtgestalt statt.\n2.\tWerden 2 Objekte mit bestimmtem Gesichtswinkelverh\u00e4ltnis im Gesichtsfelde zur Deckung gebracht, so findet gleichm\u00e4fsige Erhellung und Straffung der Konturen des zerstreuten Objekts statt.\n3.\tDie Form eines Objekts hat Einflufs auf die Gesamtgestaltung seiner astigmatischen Vielfachbilder.\n4.\tEin bestimmtes N\u00e4he Verh\u00e4ltnis von Objekten im Gesichtsfelde beeinflufst bei irregul\u00e4rem Lins en -astigmatismus die Ausl\u00f6sung der Vielfachbilder.","page":170}],"identifier":"lit35974","issued":"1925","language":"de","pages":"154-170","startpages":"154","title":"Experimentelle Untersuchungen zur Psychologie und Psychotechnik des Visiervorgangs","type":"Journal Article","volume":"56"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:03:53.693067+00:00"}