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Fragmente über das Sehen im Traum

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{"created":"2022-01-31T16:21:41.811422+00:00","id":"lit35975","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"Streiff, Jakob","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 56: 171-194","fulltext":[{"file":"p0171.txt","language":"de","ocr_de":"171\nFragmente \u00fcber das Sehen im Traum.\nVon\nDr. Jakob Streiff (Genua).\nNachdem das Verst\u00e4ndnis des Aufbaus unserer Wahrnehmungswelt durch das Studium der subjektiven optischen Anschauungsbilder \u2014 visualising faculty (Francis Galton), eideti-scher Sehtypus (E. R. Jaensch) \u2014 bedeutend vertieft worden ist, scheinen mir auch die Traumbilder, bzw. die Bedingungen des Sehens im Traum, eine frische Betrachtung zu verdienen.\nObwohl dies Gebiet vielleicht mehr dem Psychologen zusteht, m\u00f6ge es doch dem Ophthalmologen gestattet sein, mit dem folgenden Versuch einer speziell die optische Seite ber\u00fccksichtigenden Einstellung gegen\u00fcber den Traumproblemen wenigstens eine Anregung zu geben.\nSo m\u00e4chtig die Traumliteratur in den letzten Jahren angewachsen ist, so galt dieselbe doch fast stets vorwiegend der psychanalytisehen Traumdeutung und ist eine engere Fragestellung in unserem Sinne meines Wissens kaum Gegenstand besonderer Bearbeitung geworden.\nSeit etwa einem Jahr von diesem Thema angezogen, begann ich zum erstenmal meine Tr\u00e4ume genauer zu beobachten und sofort beim Erwachen, sei es mitten in der Nacht oder am Morgen aufzuschreiben. Nach einiger \u00dcbung erlangt man darin eine immere gr\u00f6fsere Fertigkeit, erinnert sich an l\u00e4ngere Bilderreihen und mehr Einzelheiten und versteht dann erst, die Angaben anderer Selbstbeobachter zu bewerten.\nDie F\u00e4higkeit zu tr\u00e4umen oder vielmehr sich seiner Tr\u00e4ume zu erinnern ist \u00fcbrigens subjektiv sehr verschieden und nimmt zudem mit dem Alter ab. So bin ich auch nach erlangter \u00dcbung ein verh\u00e4ltnism\u00e4fsig wenig geeigneter Vertreter der introspektiven Methode und m\u00f6chte deshalb vor allem j\u00fcngere lebhafte Tr\u00e4umer zur Nachpr\u00fcfung der hier gestellten Fragen einladen.","page":171},{"file":"p0172.txt","language":"de","ocr_de":"172\nJ. Sir ei ff.\nW\u00e4hrend nun meine Selbstbeobachtungen und Rundfragen bei zuverl\u00e4ssigen Bekannten die Grundlage der folgenden Betrachtungen bilden, st\u00fctzt ihr Ergebnis sich aufserdem auf eine kritische Zusammenstellung von m\u00f6glichst einwandfreien Angaben der Monographien von Sigm. Freud: Die Traumdeutung1 und von N. Vaschide: Le Sommeil et les R\u00eaves.2\nMit Recht sagt Freud (S. 7), es d\u00fcrfe als unbestrittene Erkenntnis gelten, \u201edafs alles Material, was den Trauminhalt zusammensetzt, auf irgendeine Weise vom Erlebten abstammt, also im Traum reproduziert, erinnert wird\u201c.\nDieser Hauptsatz ist zweifellos am leichtesten an denjenigen Traumbildern zu erweisen, die ein Erlebnis vollst\u00e4ndig wiederholen.\nSo erw\u00e4hnt Str\u00fcmpell (nach Freud S. 11) \u201ewie der Traum mitunter gleichsam aus den tiefsten und massenhaftesten Versch\u00fcttungen, welche die sp\u00e4tere Zeit auf die fr\u00fchesten Jugenderlebnisse gelagert hat, die Bilder einzelner Lokalit\u00e4ten, Dinge, Personen ganz unversehrt und mit urspr\u00fcnglicher Frische wieder hervorziehtu. Und schon der Marquis D\u2019Hervey de Saint-Denis (neben Alfred Ma\u00fcry der passionierteste franz\u00f6sische Traumkenner) sagt, dafs man Orte, die man besuchte, Melodien, die man h\u00f6rte, und seiest ganzeSeiten, die man mehrere Jahre vorher gelesen hatte, im\nTraum bis in die geringsten Details wiederfinden kann fnach Vaschide S. 157).\nFreud (S. 14) gibt an, dafs Delboef von einem seiner Universit\u00e4tskollegen erz\u00e4hlt, dafs er im Traum eine gef\u00e4hrliche Wagenfahrt, bei welcher er einem Unfall nur wie durch ein Wunder entging, mit all ihren Einzelheiten wieder durchgemacht habe und dafs Miss Calkins zweier Tr\u00e4ume erw\u00e4hnt, welche die genaue Reproduktion eines Erlebnisses vom Vortage zum Inhalt hatten.\nIch selbst habe ein getreues Abbild einer vollst\u00e4ndigen erlebten Szene im Traum bisher nicht beobachtet und bei Erwachsenen scheint dies Vorkommnis auch verh\u00e4ltnism\u00e4fsig selten zu sein, h\u00e4ufiger dagegen bei Kindern, wie bei einem 10 j\u00e4hrigen Knaben, den Duprat (nach Vaschide S. 267) studierte, und der im Traum die Landschaften, die er alle Tage sieht, reproduziert und bei dessen 13j\u00e4hrigem Bruder, der im Traum die Stimme der Personen seiner t\u00e4glichen Umgebung h\u00f6rt, Beide Kinder sahen im Traum Szenen ihres wirklichen Lebens, z. B. die erste Kommunion eines ihrer Vettern.\n1\to. Aufl. Leipzig-Wien, Franz Deuticke. 1919.\n2\tParis, Ernest Flammarion. 1920.","page":172},{"file":"p0173.txt","language":"de","ocr_de":"Fragmente \u00fcber das Sehen im Traum.\n173\n\u2022 \u00bb\n\u00d6fters bringt der Traum dagegen auch bei Erwachsenen wenigstens Bruchst\u00fccke wirklicher, unver\u00e4nderter Reproduktionen. Solche Bilder erscheinen mir manchmal wie unvermittelt und, in der Erinnerung wenigstens, ohne irgendeinen nachweisbaren Zusammenhang mit dem \u00fcbrigen Trauminhalt aufzutauchen.\nSo notierte ich. z. B. das isolierte Bild eines Weckers in der Mitte des Gesichtsfeldes oder ein anderes Mal einen Acker mit aufgepfl\u00fcgten Erdschollen, frischen dunkleren und \u00e4lteren trockenen helleren, \u201ewie nat\u00fcrlich'*1, oder wieder einen an einem Huthaken aufgeh\u00e4ngten hellgraubraunen Filz-hut, ganz wie wirklich, mit den N\u00e4hten des Bandes und der Randeinfassung, oder die durch eine eigent\u00fcmlich livide glatte Plaut charakterisierten Finger der Hand eines alten Schulfreundes.\nEs scheint mir nun sehr wahrscheinlich, dafs solche un-verwandelte Reproduktionsbilder der Tr\u00e4ume der Struktur der eidetischen Urbild m\u00e4fsigen Wahrnehmungswelt (Jaensch l) nahestehen. Die F\u00e4higkeit zu optischen Anschauungsbildern ist bekanntlich eine Jugendanlage, eine Eigent\u00fcmlichkeit, die gew\u00f6hnlich um die Pubert\u00e4t herum verloren geht, die aber \u2014 ich erinnere an die zahlreichen Beispiele, die Francis Galton2 in seiner \u201eMental Imagery\u201c bekannt gegeben hat \u2014 ausnahmsweise auch lebensl\u00e4nglich bestehen kann. Der Traum w\u00fcrde also zeigen, dafs Bilder der eidetischen Ged\u00e4chtnisstufe als solche erhalten bleiben, dafs sie sich der eidetischen Entwicklungsphase entsprechend bei Jugendlichen h\u00e4ufig, bei Erwachsenen selten oder doch nur bruchst\u00fcckweise in der Traumwelt nachweisen lassen.\nGalton bemerkt \u00fcbrigens (a. a. O. S. 67), dafs die Bef\u00e4higung zu Wahrnehmungsbildern nicht auf eine besondere Neigung zu lebhaften Tr\u00e4umen schliefsen l\u00e4fst, dafs er F\u00e4lle kenne, wo bei ausgesprochenem \u201evisuellem Ged\u00e4chtnis\u201c Tr\u00e4ume selten sind oder ganz zu fehlen scheinen. Ein Freund sagte ihm, dafs seine Tr\u00e4ume nicht den hundertsten Teil der Intensit\u00e4t seiner \u201ewaking fancies\u201c besitzen.\nJ. Mouely Yold (nach Vaschide S. 98\u2014100) hat experimentelle Untersuchungen angestellt \u00fcber den Einflufs, den Objekte, die er 2\u201410 Minuten vor dem Einschlafen mit den Augen fixieren liefs (worauf die Augen zu schliefsen waren und die\n1 Bericht \u00fcber den 7. Kongrefs f\u00fcr experimentelle Psychologie in Marburg 1921. Verlag von Gustav Fischer in Jena 1922.\na Inquiries into Human Faculty 1883. Wiederabdruck in Everymans Library. London by J. M. Dent & Sons.","page":173},{"file":"p0174.txt","language":"de","ocr_de":"174\nJ. Streiff.\nLampe, ohne sie anzusehen, zu l\u00f6schen war) auf die Traumerscheinungen aus\u00fcbten. Dabei ergab sich nun zwar deutlich eine gewisse Beziehung zwischen dem fixierten Objekt und dem Traum, aber das Objekt erschien in der Mehrzahl der F\u00e4lle im Traum ver\u00e4ndert \u2014 modifiziert, transformiert. Dabei war die Farbe des fixierten Objekts das, was auch im Traumbild am meisten Bestand zu haben schien.\nDiese Eigent\u00fcmlichkeit einer meist zu beobachtenden Trans-formation in der Traumreproduktion auch von absichtlich vor dem Einschlafen den Augen und der besonderen Aufmerksamkeit dargebotenen Gegenst\u00e4nden ist um so mehr bemerkenswert, als auch die Anschauungsbilder der Eidetiker eine ausgesprochene Plastizit\u00e4t, d. h. eine starke Reaktionsf\u00e4higkeit sowohl auf Umweltreize als auf psychische Faktoren zeigen.\nVom wirklichen Traum zu unterscheiden sind die sog. hypnagogischen Halluzinationen. Ein Teil der bei vielen Menschen noch in der Periode des ersten Einschlafens auftauchenden Bilder d\u00fcrften ebenfalls der Struktur der Wahrnehmungsbilder nahestehen, so wenn Maury (nach Vaschide S. 131) eines Abends schon sehr erm\u00fcdet englische auf satiniertem Papier gedruckte B\u00fccher durchbl\u00e4tternd, im Augenblick, da er vom Schlaf \u00fcbermannt wurde, ein gl\u00e4nzendes Papier vor sich sah, auf dem er drei englische Worte lesen konnte oder ein anderes Mal nach Erm\u00fcdung in Betrachtung eines Spiegels nachher hypnagogisch deutlich sein eigenes Gesicht auf einem gl\u00e4nzenden Hintergrund erblickte.\nEin Teil der hypnagogischen Halluzinationen dagegen nimmt offenbar seinen Ursprung aus jenen \u201ephantastischen Gesichtserscheinungen\u201c (Joh. M\u00fcller), die bei dazu disponierten Personen beim ersten Einschlafen im Anschlufs an die bekannten Phosphene des dunklen Gesichtsfeldes entstehen und unter Illusionseinflufs zu Bildern erg\u00e4nzt werden. Wenn man nun auch in diesen F\u00e4llen besser noch nicht von eigentlichen Traumbildern spricht, so k\u00f6nnen aber auch solche hypnagogische Halluzinationen sp\u00e4ter vom wirklichen Traum reproduziert oder doch seinen Inhalt deutlich bestimmend \u00fcbernommen werden.\nSo hatte Maury mit gereizten Augen einschlafend die hypnagogische Halluzination von mikroskopischen kleinen Zeichen, die er mit \u00e4ufserster Anstrengung entziffern mufste; nach einer Stunde aus dem Schlafe geweckt, erinnerte er sich an einen Traum, in dem ein aufgeschlagenes Buch","page":174},{"file":"p0175.txt","language":"de","ocr_de":"Fragmente \u00fcber das Sehen im Traum.\n175\nmit sehr kleinen Lettern gedruckt vorkam, welches er m\u00fchsam hatte durchlesen m\u00fcssen. (Nach Ffe\u00fcd S. 23.)\nAuch bei den bisher besprochenen Arten von Traumbildern k\u00f6nnen wir uns zwar nicht r\u00fchmen, den Mechanismus der Bilderzeugung zu durchschauen, wohl aber stehen wir hier vor der verh\u00e4ltnism\u00e4fsig einfachsten Verkettung von Erlebtem und Getr\u00e4umtem, von reizbestimmtem Sehen und Traumbild. Im Falle der direkten Reproduktion von Erstgesehenem (man merke wohl, dafs es sich hier meist nur um Traumbruchst\u00fccke handelt) k\u00f6nnte man nach unserer Auffassung gleichsam von einfacher Fortdauer der Wahrnehmungsbilder der eidetischen Ged\u00e4chtnisstufe sprechen, bzw. von einem Wegfall von Schaltungen, die f\u00fcr gew\u00f6hnlich das Bewufstwerden dieser Fortdauer verhindern.\nSchon bedeutend komplizierter ist die Auffassung der aus den \u201ephantastischen Gesichtserscheinungen\u201c hervorgehenden Traumfragmente. Denn hier mufs bereits ein Illusionseinflufs zu Hilfe gezogen werden, ein Anfang von Phantasiebet\u00e4tigung. Vergleichung mit Erinnerungs- und Vorstellungsmaterial. Immerhin scheint sich der Vorgang der Bilderzeugung auch hier noch ganz innerhalb der optischen Bahnen und Zentren abzuspielen, der Zusammenhang zwischen Traumreiz und Traumbild noch ein ziemlich einfacher und gewissermafsen verfolgbarer zu sein.\nDafs aber die Quellen des Tr\u00e4umens viel mannigfaltigerer Art sein k\u00f6nnen, dafs \u00e4ufsere Erregungen auch des Geh\u00f6rs, des Tastsinns, Ber\u00fchrungs-, Druck-, Abk\u00fchlungsempfindungen, innere Erregungen des Muskelgef\u00fchls, Lagever\u00e4nderungen und organische Leibreize irgendwelcher Art und ebenso rein psychische Erregungen Anreiz zu Traumbildern werden k\u00f6nnen, ist wohl unbestrittenes Allgemeingut der Traumphysiologie und -psychologie und die Sammlung von \u00fcberzeugenden Beispielen ist eine reichhaltige.\nDamit gelangen wir bereits aus einem bisher ziemlich lichten Gebiet in die verschlungenen Wege der Assoziationsgesetze und der Phantasiet\u00e4tigkeit, aber noch viel komplizierter wird das Traumproblem durch die Aufdeckung des Infantilen als Traumquelle, durch die F\u00dfEUDsche Lehre von der Traumentstellung, der Verdichtungs- und Verschiebungsarbeit und der Bedeutung der Symbolik im Traumleben.\nVon unserem ophthalmologischen Standpunkt aus m\u00fcssen wir uns vorl\u00e4ufig mit einer Andeutung dieser Probleme begn\u00fcgen,","page":175},{"file":"p0176.txt","language":"de","ocr_de":"176\nJ. Streiff.\num wieder zu der \u201eoptischen Seite\u201c der Traumbilder und Iraum-Szenen zur\u00fcckzukehren.\nWenn ich auch nicht zu selten Traumszenen beobachtet und registriert habe, die sich gleichsam wie bei hellem Tage abzu-spielen schienen, so ist das doch f\u00fcr mich eine Ausnahme. Ich hatte schon immer den Eindruck, gew\u00f6hnlich in einem eigent\u00fcmlichen Traumlicht zu tr\u00e4umen. Meine genauere Selbstbeobachtung hat dies best\u00e4tigt und auch verschiedenen von mir interpellierten Bekannten scheint es \u00e4hnlich zu gehen.\nIch gebe einige Beispiele:\n1.\tBeispiel: Aus einem Traum mitten in der Nacht. \u2014 Es strecken sich mir wie zum Scherz eine Menge H\u00e4nde entgegen. Ich sage, es w\u00e4re am\u00fcsanter, wenn auch weibliche darunter w\u00e4ren, zum raten, wem sie angeh\u00f6ren. Direkt darauf, ganz unvermittelt (was mir auff\u00e4llt) sehe ich etwas am n\u00e4chtlichen Himmel brennen; ich denke erst \u201ewie ein Sessel in der Form\u201c, erkenne dann, dafs es ein Ballon ist, der brennend f\u00e4llt. Ich denke, er f\u00e4llt gewifs ins Meer, aber pl\u00f6tzlich h\u00e4ngt sich das letzte nicht mehr brennende St\u00fcck an einen Gartenzaun in meiner Heimatstadt und ich sehe mein T\u00f6chterchen darauf zulaufen in D\u00e4mmerlicht.\n2.\tBeispiel: Ich erwache um halb 4 Uhr nach einem Traum, in dem ich in einem grofsen Gesch\u00e4ft f\u00fcr Perlenhalsb\u00e4nder (bei k\u00fcnstlicher nicht sehr heller Beleuchtung) ein solches f\u00fcr meine Frau ausw\u00e4hlen will. Man zeigt mir dann ein Geh\u00e4nge von kirschgrofsen sonderbaren \u201ePerlen\u201c, wie schwarze Perlen aber mit heller quarzartiger Durchschichtung als \u201ealten Schmuck\u201c, dessen Echtheit ich bezweifle. Ich f\u00fchle das auffallende Gewicht des Geh\u00e4nges, hantiere ziemlich lange damit. Noch im selben Raum sehe ich mich dann selber im Bett und beim Erwachen bemerke ich, dafs ich dieselbe Stellung, wie im Traumbild \u2014 nach links gewandt, einnehme, w\u00e4hrend ich beim Einschlafen auf der rechten Seite lag.\n3.\tBeispiel: Auf einer b\u00fchnenartigen Fl\u00e4che sind wie bei Bahnhofautomaten Schlitze; man wirft 20 Ct.-St\u00fccke ein und erh\u00e4lt dann Musikst\u00fccke und Gesang, den ich jeweilen deutlich h\u00f6re, ohne jetzt sagen zu k\u00f6nnen, ob es sich um schon Geh\u00f6rtes handelte. Wie oft lief diese Vorstellung in einem leicht ged\u00e4mpften Traumlicht ab. \u2014 Gleich nachher vollst\u00e4ndig verschiedener Traum in voller sinnlicher Lebhaftigkeit. Abendliche Szene mit jungen Leuten, die bei Champagner von der m\u00f6glichen Vergiftung eines ihrer Kameraden (fr\u00fcherer Patient von mir) durch seine Geliebte sprechen. Nachforschung und Versuch mit einem H\u00fcndchen, das auf Auffinden dressiert ist. \u2014 Nachher ein dritter ganz verschiedener Traum: Auswahl von Pflanzen f\u00fcr ein Geschenk, Pflanzen mit farbigen Bl\u00fcten und besonders deutlich einzelne vorgelegte Farnbl\u00e4tter. Auch dies in k\u00fcnstlicher Abendbeleuchtung.","page":176},{"file":"p0177.txt","language":"de","ocr_de":"Fragmente \u00fcber das Sehen im Traum.\n177\n4. Beispiel: Ich tr\u00e4umte, ich h\u00e4tte im Bett \u201ein der Nacht\u201c eine nicht leuchtende elektrische Lampe in der rechten Hand und da ich sie nicht warm f\u00fchlte, wTollte ich mit der linken Hand tastend feststellen, ob der Steckkontakt richtig angesteckt sei. Dabei tastete ich eine offene Streichholzschachtel und leerte die Z\u00fcndh\u00f6lzchen aus. Im selben Augenblick umklammert eine Hand meine linke; ich versuche zu rufen und bringe schliefslich im Alpdruck den Namen meines Bruders heraus, glaube wirklich gerufen zu haben, als ob mein Bruder neben mir schliefe, wie in der Kinderzeit.\nSolche Alptr\u00e4ume spielen wohl stets in d\u00fcsterem Licht in Erinnerung an unsere Dunkelangst des Jugendalters. Im \u00fcbrigen erkl\u00e4rt sich die Vorliebe des Traums f\u00fcr die hier geschilderte eigent\u00fcmlich ged\u00e4mpfte Traumbeleuchtung vielleicht aus einer Mitempfindung des Dunkelfeldes der geschlossenen Augen. Jedenfalls habe ich bemerkt, dafs Morgentr\u00e4ume einem gew\u00f6hnlich helle Umgebung vorspiegeln. Immerhin besitze ich auch Beispiele von Tr\u00e4umen, an denen ich mitten in der Nacht erwachte, wo doch die Szene helle Tagesbeleuchtung aufwies.\nVgl. auch sp\u00e4teres 11. Traumbeispiel.\no. Beispiel: Nach einer langen Regenwoche sehe ich im Traum aufs Lebhafteste in wTeitem Horizont den Himmel \u201esich auftun\u201c, das Grau sich zerteilen und hell wrerden. Daran erwache ich mitten in der Nacht.\nIn diesem Falle ist es wahrscheinlich, dafs der Wunsch, wieder hellen Himmel zu sehen, die Beleuchtung suggerierte.\n6. Beispiel: Eine Art Rednerb\u00fchne aus Holz und geschm\u00fcckt, auf der ein Offizier in Uniform (offenbar l\u00e4ngst veraltetes Modell) pl\u00f6tzlich auf-tritt, d. h. da ist (gleichsam wie im Kasperltheater) und scheinbar ausprobiert, wie sich seine Stimme ausnehme. All dies sehr deutlich in Tagesbeleuchtung; dagegen bemerke ich, dafs Hintergrund und Umgebung des Traumobjekts ganz schwarz, ohne andere Einzelheiten sind.\nEine \u00e4hnliche Beobachtung betreffs des \u201eFonds\u201c, auf dem wir das Traumbild erblicken, konnte ich seither \u00f6fter machen und m\u00f6chte auch hier eine Mitempfindung des Dunkelfelds der geschlossenen Augen zur Erkl\u00e4rung heranziehen.\nW\u00e4hrend diese Eigent\u00fcmlichkeiten der Traumbeleuchtung und des Traumbildfonds meines Wissens bisher nicht beobachtet worden sind, haben dagegen die Intensit\u00e4t und Dauer der Bilder die Traumforschung von jeher interessiert.\nDafs beim selben Tr\u00e4umer sehr lebhafte, bis in jede Einzelheit erkennbare Bilder mit sehr unbestimmten, nur in ihren Umrissen nachgebildeten \u201ewie genial hingehauchten\u201c (Scheeler nach","page":177},{"file":"p0178.txt","language":"de","ocr_de":"178\nJ. Streift.\nFreud S. 31) abwechseln, entspricht jedermanns Erfahrung. Dagegen d\u00fcrfte weniger bekannt sein, dafs die Erinnerungsf\u00e4higkeit der Traumszenen nicht etwa mit der urspr\u00fcnglichen Intensit\u00e4t ihrer Bildhaftigkeit Hand in Hand geht. Nach Fkeud haben schon Str\u00fcmpell und andere Autoren (Calkins) bemerkt, dafs man h\u00e4ufig Traumbilder rasch vergifst, von denen man weifs, dafs sie sehr lebhaft waren, w\u00e4hrend unter den im Ged\u00e4chtnis erhaltenen sich sehr viele schattenhafte, sinnesschwache Bilder befinden. Ich selbst kann dies nach meinen Traumbeobachtungen best\u00e4tigen. Der Grund daf\u00fcr ist um so weniger leicht einzusehen, als wie Str\u00fcmpell (nach Freud S. 11) und andere erkannten, und wie ich ebenfalls best\u00e4tigen kann, Bilder von urspr\u00fcnglicher Frische sich nicht etwa blofs auf Eindr\u00fccke beziehen, die bei ihrer Entstehung im Wachleben ein lebhaftes Bewufstsein gewannen und nun sp\u00e4ter im Traum als eigentliche Erinnerungen wiederkehren. \u201eDie Tiefe des Traumged\u00e4chtnisses umfafst vielmehr auch solche Bilder von Personen, Dingen, Lokalit\u00e4ten und Erlebnissen der fr\u00fchesten Zeit, die entweder nur ein geringes Bewufstsein oder keinen psychischen Wert besafsen oder l\u00e4ngst das eine wie das andere verloren hatten und deshalb auch im Traum wie nach dem Erwachen als g\u00e4nzlich fremd und unbekannt erscheinen, bis ihr fr\u00fcherer Ursprung entdeckt wird\u201c (sog. hypermnestische Tr\u00e4ume).\nIch glaube nun, dafs es sich bei den vollst\u00e4ndig intensiv bildhaften Bestandteilen des Traumes um Bilder aus der Gruppe der Wahrnehmungsbilder der eidetischen Entwicklungsstufe handelt, w\u00e4hrend die wenigstens teilweise sinnesschwachen Traumbestandteile der Gruppe der Vorstellungsbilder nahestehen, worauf ich sp\u00e4ter zur\u00fcckkommen werde.1\n1 Freud spricht in seiner Traumdeutung im Kapitel, das \u00fcber die Traumarbeit bandelt, von den Qualit\u00e4ten der Lebhaftigkeit und der Deutlichkeit der einzelnen Traumgebilde (S. 225) und sagt, dafs man erwarten k\u00f6nnte, dafs Traumelemente, die von wirklichen Sensationen w\u00e4hrend des Schlafes (Nervenreizen) sich ableiten lassen, durch besondere Intensit\u00e4t hervorstechen, dafs aber seine Erfahrung eine solche Vermutung niemals best\u00e4tigt habe.\nFerner sagt Freud, dafs man auch glauben k\u00f6nnte, dafs die sinnliche Intensit\u00e4t der einzelnen Traumbilder eine Beziehung habe zur psychischen Intensit\u00e4t der ihnen entsprechenden Elemente in den Traumgedanken. Die den Mittelpunkt der Traumgedanken bildenden Elemente f\u00e4nden zwar der Traumzensur wegen meist gerade keine Aufnahme in den Trauminhalt,","page":178},{"file":"p0179.txt","language":"de","ocr_de":"Fragmente \u00fcber das Sehen im Traum.\n179\nWenn, wie Vaschide (S. 101) angibt, Weed, Hallam und Phinney, die w\u00e4hrend mehrerer Wochen experimentelle Studien an 7 Personen machten, feststellten, dafs die intensivsten Tr\u00e4ume die von kurz vor dem Erwachen waren, so steht diese Angabe in direktem Widerspruch zu der Erfahrung des Selbstbeobachters D\u2019Hekvey de Saint-Denis (Vaschide S. 151). Er fand, dafs die Lebhaftigkeit der Traumbilder immer mit der Tiefe des Schlafes in Beziehung steht, dafs mit anderen Worten die Bilder um so lebendiger sind, je tiefer der Schlaf ist und umgekehrt. Indem er sich oft zu verschiedenen Stunden der Nacht wecken liefs und die Tiefe des Schlafes nach der Schwierigkeit beurteilte, die es ihm machte, sich dem Schlaf zu entreifsen, bemerkte er, dafs der Traum um so lebhafter war, je gr\u00f6fser ihm diese Schwierigkeit erschien.\n,.Quant, par un simple effort de volont\u00e9, j\u2019ai su me r\u00e9veiller moi-m\u00eame (ayant conserv\u00e9 en r\u00eave le sentiment de ma v\u00e9ritable situation), j\u2019ai toujours remarqu\u00e9 qu\u2019il fallait un effort plus grand pour secouer un r\u00eave bien lucide que pour chasser des visions incoh\u00e9rentes, des tableaux p\u00e2les et ind\u00e9cis.\u201c\nWas die scheinbare Dauer der einzelnen Traumbilder an betrifft, so machte ich die Beobachtung, dafs ein urspr\u00fcnglich dem Trauminhalt nach sinnvolles Bild l\u00e4ngere Zeit dauernd vorschweben, aber dabei nach und nach immer undeutlicher werden kann. So sah ich z. B. kurz vor dem Erwachen eine helle Landschaft, die schliefslich nur noch wie eine verschwommene helle Fl\u00e4che ausgesehen hatte, w\u00e4hrend scheinbar pl\u00f6tzlich, ohne verst\u00e4ndlichen Zweck auftauchende Bilder meist sehr fl\u00fcchtig sind,\n\u2022 \u2022\nauch wenn die \u00dcberraschung \u00fcber das Besondere und oft gerade sehr sinnlich Lebhafte solcher Bilder sie festhalten m\u00f6chte.\naber es k\u00f6nnte doch sein, dafs ihre sie vertretenden n\u00e4chsten Abk\u00f6mmlinge im Traum einen h\u00f6heren Intensit\u00e4tsgrad aufbringen. Aber auch dies werde durch die Traumbeobachtung nicht best\u00e4tigt.\nNach Fkeud sind hingegen jene Elemente besonders intensiv dargestellt, durch welche die Wunscherf\u00fcllung sich ausdr\u00fcckt. Ferner lehre die Analyse, dafs von den lebhaftesten Elementen des Traumes auch die meisten Gedankeng\u00e4nge ausgehen bzw. dafs die gr\u00f6fste Intensit\u00e4t jene Elemente des Traumes zeigen, f\u00fcr deren Bildung die ausgiebigste Verdichtungsarbeit in Anspruch genommen wurde.\nIch glaube aber an Hand meiner Traumaufzeichnungen sagen zu k\u00f6nnen, dafs auch diesen Behauptungen Fjreuds keine allgemeine G\u00fcltigkeit zukommt. Vgl. meine Beispiele von scheinbar ganz isolierten lebhaften Traumbildern (S. 173).","page":179},{"file":"p0180.txt","language":"de","ocr_de":"180\nJ. Strciff.\n7.\tBeispiel (eines verh\u00e4ltnism\u00e4fsig l\u00e4nger andauernden Bildes). Ich befinde mich in Gesellschaft auf einem Waldweg. Zwei Personen fallen in eine pl\u00f6tzlich sich auftuende Schlucht, die nicht rechtzeitig beachtet wurde. Von der ersten herunterst\u00fcrzenden Person vernahm ich blofs, w\u00e4hrend ich die zweite, eine Frau, selbst st\u00fcrzen sah und unten auf-schlagen h\u00f6rte. Nun grofse Beratung, wie wir \u00fcbrigen da hinunterkommen k\u00f6nnten mit Hilfe eines sehr d\u00fcnnen Seiles. An der linken Wand, felsmauerartig, sind viele grofse N\u00e4gel und andere Eisen zur Auswahl als St\u00fctzpunkte f\u00fcr das Seil und diskutiere ich, welches Eisen fest genug sein m\u00f6chte. Ebenso sehe ich die Art der Anseilung einer Person. All dies sehr umst\u00e4ndlich, und das ganze Ereignis kommt lange nicht vom Fleck und scheint mir noch beim Erwachen ungew\u00f6hnlich lange gedauert zu haben im Gegensatz zur sonstigen Fl\u00fcchtigkeit der Traumbilder.\nVgl. auch das 2. Beispiel.\nInteressant ist es, genauer auf die Gr\u00f6fsenverh\u00e4ltnisse und auf die relativen Distanzen zu achten, in denen uns die Traumszenen oder Traumbruchst\u00fccke erscheinen. Wenn man anf\u00e4ngt, sich dar\u00fcber Rechenschaft zu geben, wird man einsehen, dafs Dinge und Personen uns kaum je in \u201enat\u00fcrlicher Grofse\u201c erscheinen, obschon man sich dessen f\u00fcr gew\u00f6hnlich nicht be-wufst wird und dafs die Traumszenen \u00f6fter gewissermafsen \u201eDistanz halten\u201c, \u00e4hnlich Szenen auf der Theaterb\u00fchne oder entsprechend den Verh\u00e4ltnissen in unseren blofsen Vorstellungsbildern.\n8.\tBeispiel: Ich safs mit zwei Studienfreunden am Tisch vor einem Glas Wein, kann nicht sagen, inwieweit ich mich selbst wahrnahm, aber alle drei waren wir kleiner als in Wirklichkeit, etwa wie aus einiger Entfernung gesehen.\n9.\tBeispiel: Ich sah sehr deutlich einen Mann mit rotem Gesicht und gelbem Strohhut, dem ich, nichts von ihm wissen wollend, eins auswischen wTollte und der mir dabei wie leibhaftig vorkam, bei genauer \u201eMessung\u201c (\u00dcberlegung im Traum), aber vielleicht nicht mehr als 30 cm mafs.\nDiese Beobachtung bezieht sich vor allem auf ganze Traumszenen, w\u00e4hrend Gegenst\u00e4nde, die wir im Traum \u201ein die Hand nehmen\u201c die richtig entsprechende Grofse haben k\u00f6nnen (so in einem Traum von kunstgewerblichen Gegenst\u00e4nden, Vasen und einer Art kunstreicher Falzbeine aus Schildpatt, wohl auf einem Tisch liegend (den ich aber nicht erinnerte), von denen ich einige herauszog und sie betrachtete). Auch Geschriebenes oder Gedrucktes, das wir im Traum lesen, erscheint mir in der Wirklichkeit entsprechender Grofse und Distanz.","page":180},{"file":"p0181.txt","language":"de","ocr_de":"Fragmente \u00fcber das Sehen im Traum.\n181\nVaschide (S. 182) erw\u00e4hnt, dafs Mauey von den hypnagogi-schen Halluzinationen angibt, dafs die Szenen und Landschaften, auch wenn sie wirkliche Objekte, Vorstellungen gesehener famili\u00e4rer Bilder darstellen und besonders Bilder von Menschen und Tieren gew\u00f6hnlich klein sind. Die Landschaften seien geradezu Miniaturen. Das \u201eAuge\u201c nehme die falschen Proportionen wahr.\nF\u00fcr den wirklichen Traum sind dagegen wirkliche Verkleinerungen durchaus eine Ausnahme und, wie gesagt, werden wir uns f\u00fcr gew\u00f6hnlich auch der relativen Gr\u00f6fsen- und Entfernungsverh\u00e4ltnisse gar nicht bewufst, sondern glauben in der Wirklichkeit drin zu stehen.\nF\u00fcr F\u00e4lle auff\u00e4lliger Verkleinerungen gibt es wohl gew\u00f6hnlich eine besondere Erkl\u00e4rung, wie bei meinen beiden folgenden Tr\u00e4umen.\n10.\tBei spiel: Ich sehe wie bei einem Turnfest eine Schaustellung von Fleuretfechtern in weifsem Kost\u00fcm, alle liliputartig klein, wobei dennoch einer der vordersten Reihe gegen mich ausf\u00e4llt; ich fechte also mit.\nIch glaube, dafs hier die Erinnerung an blofse Illustrationsbilder solcher Schaustellungen das Gr\u00f6fsen Verh\u00e4ltnis bestimmte oder eine Erinnerung, wie ich in meinen letzten Ferien in Bern\nvon der Kirchfeldbr\u00fccke aus auf einem Turnplatz weit unten\n\u2022 \u2022\njugendliche Turner an der \u00dcbung sah.\n11.\tBeispiel: Ich tr\u00e4ume, dafs ich einen Star operiere, sehe in \u00e4ufserster Lebendigkeit und Bildhaftigkeit vor allem den Schlufsakt der Entbindung der Linse und den noch zur\u00fcckbleibenden Starrest, der sich dann auch noch leicht ausstreichen l\u00e4fst und die nachher tadellos schwarze Pupille. Das Merkw\u00fcrdige ist aber, dafs die Verh\u00e4ltnisse des Auges alle ganz klein sind, etwa wie bei einem Neugeborenen. Offenbar handelt es sich um Engrammvermischung mit den unnat\u00fcrlich kleinen Abbildungen der Starextraktion eines bekannten Lehrbuchs der Augenoperationen ; im Traum aber ganz plastischer Eindruck und hellblaue Iris. Ferner ist charakteristisch, dafs so deutlich die Bildhaftigkeit des Staraustritts war, ich eigentlich nicht sagen k\u00f6nnte, auch die Instrumente gesehen zu haben ; wie bei der Starausziehung in Wirklichkeit die ganze Aufmerksamkeit auf den Akt des Austritts der Linse konzentriert ist. Beim Erwachen blieb noch das Gef\u00fchl der Spannung und der Befriedigung, also das Gef\u00fchlsm\u00e4fsige mit dem letzten Bild haften.\nNicht gar selten kommt es dagegen vor, dafs einzelne Traumbilder auffallend grofse Proportionen auf weisen. Besonders Architekturen sah ich im Traum mehrfach in aufsergewohnlichen\n13\nZeitschrift f. Sinnesphysiol. 58","page":181},{"file":"p0182.txt","language":"de","ocr_de":"182\nJ. Streif.\nphantastisch vergr\u00f6fserten Dimensionen, so z. B. k\u00fcrzlich ein Gew\u00f6lbe mit bildhafter Deutlichkeit merkw\u00fcrdigster Einzelheiten.\nWenn man seine eigenen Glieder m\u00e4chtig vergr\u00f6fsert wahrnimmt (z. B. schienen mir meine Beine im Fiebertraum w\u00e4hrend einer Pneumonie riesig vergr\u00f6fsert vor mir ausgestreckt, aber auch in einem nicht pathologischen, gew\u00f6hnlichen Traum sah ich meinen eigenen Unterschenkel und Fufs in doppelter \u201eLebens-gr\u00f6fse\u201c gerade vor dem Erwachen, wobei ich mein Bein aufgestellt an den Leib gezogen fand), so d\u00fcrfte es sich hier um eine bildliche Gr\u00f6fsenangleichung an Haut- und kin\u00e4sthetische Reize handeln, wie dem tastenden Gef\u00fchl nach unsere Glieder ein gr\u00f6fseres Volumen zu besitzen scheinen, als nach dem Eindruck des kontrollierenden Auges.\nIm \u00fcbrigen scheinen grofse Proportionen an Traumbildern auf infantile Erinnerungen zur\u00fcckzugehen.\nSo erw\u00e4hnt Freud (S. 277), dafs ihm eine Patientin einen Traum erz\u00e4hlte, in welchem alle handelnden Personen besonders grofs waren. \u201eDas will heifsen\u201c, setzte sie hinzu, \u201edafs es sich um eine Begebenheit aus meiner fr\u00fchen Kindheit handeln mufs, denn damals sind mir nat\u00fcrlich alle Erwachsenen so ungeheuer grofs erschienen.\u201c Diese Vermutung wird durch die Erfahrungen der Traumanalyse best\u00e4tigt. Freud selbst gibt an (Fufsnote S. 21), dafs das Auftreten riesenhafter Personen im Traum annehmen lasse, dafs es sich um eine Szene aus der Kindheit des Tr\u00e4umers handle.\nAndererseits sagt Freud (S. 277): \u201eDie Verlegung in die Kindheit wird in anderen Tr\u00e4umen auch anders ausgedr\u00fcckt, indem Zeit in Raum \u00fcbersetzt wird. Man sieht die betreffenden Personen und Szenen wie weit entfernt am Ende eines langen Weges oder so, als ob man sie mit einem verkehrt gerichteten Opernglas betrachten w\u00fcrde.\u201c\nEine solche Auslegung von Bildern in kleinen Proporzionen\nd\u00fcrfte nach den obigen Beispielen mit Vorsicht aufzufassen sein.\n\u2022 \u2022\t\u2022\u2022\n\u00fcbrigens scheint eine \u00c4nderung des Volumens der Objekte im Traum eine \u00f6fter beobachtete Erscheinung zu sein.\nBaillarger (nach Vaschide S. 208) gibt folgendes an : les objets deviennent de plus en plus petits ou de plus en plus gros; exemple: une araign\u00e9e remplissant une chambre. Le changement de volume est une apparition tr\u00e8s connue, aussi bien dans le sommeil que dans l\u2019\u00e9tat bypnagogique. Sur","page":182},{"file":"p0183.txt","language":"de","ocr_de":"Fragmente \u00fcber das Sehen im Traum.\n183\nle point de s\u2019endormir, on se voit grand ou petit, ou on voit les objets grandissant ou diminuant.\nEine gewisse Elastizit\u00e4t der Gr\u00f6fsenverh\u00e4ltnisse im Traum ist verst\u00e4ndlich, da uns bei diesem Sehen ohne \u00e4ufseres Objekt die Anhaltspunkte fehlen, die bei unseren Wahrnehmungen im Wachleben in der Kontrolle durch best\u00e4ndigen Vergleich der verschiedenen reizbestimmten Eindr\u00fccke von aufsen gegeben sind. Offenbar sind es aber die Engramme der Wahrnehmungsbilder, die auch im Traum doch meist eine relative Gr\u00f6fsen-konstanz der Bilder bedingen.\nInteressant ist es, dafs, wie mir zuerst an dem folgenden von Freud erz\u00e4hlten Traum auffiel, solche Wahrnehmungsbilder im 1 raum gleichsam mit dem Lokalzeichen der Richtung behaftet auftauchen.1\nFreud S. 10. \u201eIn sp\u00e4teren Jahren, als ich mich bereits intensiv mit dem Studium der Tr\u00e4ume besch\u00e4ftigte, wurde das h\u00e4ufig w'iederkehrende Traumbild einer gewissen merkw\u00fcrdigen Lokalit\u00e4t mir geradezu l\u00e4stig. Ich sah in bestimmter \u00f6rtlicher Beziehung zu meiner Person, zu meiner Linken2, einen dunklen Raum, aus dem mehrere groteske Sandsteinfiguren hervorleuchteten. Ein Schimmer von Erinnerung, dem ich nicht recht glauben wollte, sagte mir, es sei ein Eingang in einen Bierkeller ; es gelang mir aber weder aufzukl\u00e4ren, was dieses Traumbild bedeuten wolle, noch woher es stamme. Im Jahre 1907 kam ich zuf\u00e4llig nach Padua, das ich zu meinem Bedauern seit 1895 nicht wieder hatte besuchen k\u00f6nnen. Mein erster Besuch in der sch\u00f6nen Universit\u00e4tsstadt war unbefriedigt geblieben ; ich hatte die Fresken Giottos in der Madonna dell\u2019 Arena nicht besichtigen k\u00f6nnen und machte mitten auf der dahinf\u00fchrenden Strafse kehrt, als man mir mitteitte, das Kirchlein sei an diesem Tage gesperrt. Bei meinem zweiten Besuche, 12 Jahre sp\u00e4ter, gedachte ich mich zu entsch\u00e4digen und suchte vor allem den Weg zur Madonna dell\u2019 Arena auf. An der zu ihr f\u00fchrenden Strafse, linkerhand2 von meiner Wegrichtung, wahrscheinlich an der Stelle, wo ich 1895 umgekehrt war, entdeckte ich die Lokalit\u00e4t, die ich so oft im Traume gesehen hatte, mit den in ihr enthaltenen Sandsteinfiguren. Es war in der Tat der Eingang in einen Restaurationsgarten.\nAls ich jetzt auf die Orientierung der Traumbilder zu achten begann, bemerkte ich, dafs mir Geschriebenes oder Gedrucktes stets in der gew\u00f6hnlichen Leselage erscheint (merkw\u00fcrdigerweise sah ich einmal ein Buch mit grofsen r\u00f6mischen Buchstaben verkehrt vor mir liegen), dafs bei mir dagegen die\n1 \u00c4hnlich wie wir uns in der Erinnerung die Richtung eines Weges oder die relative Lage einer Lokalit\u00e4t zur\u00fcckrufen k\u00f6nnen.\n* Im Original nicht gesperrt.\n13*","page":183},{"file":"p0184.txt","language":"de","ocr_de":"184\nJ. Streift'.\nTraumszenen oft eine Orientierung nach links von der Medianebene erkennen lassen.\n' Man k\u00f6nnte denken, dafs dies zum Teil bei linker Seitenlage des Tr\u00e4umers der Fall sein m\u00f6chte (vgl. mein 2. Traumbeispiel, wo ich mich selbst im Bett sah und beim Erwachen bemerkte, dafs ich dieselbe Stellung wie im Traumbild \u2014 nach links gewandt \u2014 einnahm). Ich konnte aber einen solchen Zusammenhang \u00f6fter mit Sicherheit ausschliefsen, wobei ich die Tatsache registrierte, dafs ich beim Erwachen auf dem R\u00fccken liegend\nden bestimmten Eindruck hatte, dafs das letzte Traumbild mehr\n#\nlinks von der Medianebene erschien.\nDies Verhalten steht wohl im Zusammenhang mit einer anderen Eigent\u00fcmlichkeit von mir, die darin besteht, dafs ich beim Nachdenken, besonders beim Suchen in der Erinnerung gew\u00f6hnlich meine Augen und auch den Kopf ein wenig nach links wende und wohl auch beim gew\u00f6hnlichen Schauen eine gewisse Neigung habe, eine wenn auch kaum merkliche Linkswendung zu machen. Wahrscheinlich steht diese Eigent\u00fcmlichkeit wieder in Korrelation zu meiner angeborenen Linksh\u00e4ndigkeit.\nEs w\u00e4re interessant zu sehen, ob eine solche relative Linksorientierung der Traumbilder bei Linksh\u00e4ndigkeit \u00f6fter vorkommt.1\nJedenfalls ist im Traum einRaumbewufstsein vorhanden, indem wie im Wachen Empfindungen und Bilder in einen \u00e4ufseren Raum versetzt werden (Str\u00fcmpell nach Feeud S. 35) und besitzen die Bilder gew\u00f6hnlich eine ausgesprochene Plastizit\u00e4t und richtige Perspektive wie die Wahrnehmungen.\nIn all dem zeigt sich der m\u00e4chtige Einfluls unserer Wahr-nehmuugswelt bzw. ihrer ersten Stufe, der Wahrnehmungsbilder, auf unsere Traumwelt. Einen ebenso m\u00e4chtigen Einflufs \u00fcbt nun aber auch der Gegenpol dieser Stufe, unsere Vorstellungswelt, auf die Traumszenen aus.\nDie Vorstellungs- und Phantasiet\u00e4tigkeit ist es, die die Traumbilder bewegt, die Traumwelt dramatisiert und \u201edie Emanzipation der Vorstellung von der dem Individuum zukommenden Stelle in der \u00f6rtlichen und zeitlichen Ordnung ver-\n1 Nach Stekel sollen rechts und links im Traum ethisch aufzufassen sein: der r. Weg bedeutet immer den des Hechts, der 1. den des Verbrechens (Freud S. 244) !","page":184},{"file":"p0185.txt","language":"de","ocr_de":"Fragmente \u00fcber das Sehen im Traum.\n185\nleiht dem Traum sein charakteristisches Kennzeichen der Ort-und Zeitlosigkeit\u201c (Haffner nach Freud S. 36 Anmerkung).\nD\u2019Heryey de Saint-Denis geht so weit, zu sagen, dafs die Hauptsache, die Substanz des Traumes, die Idee sei und die Vision nur nebens\u00e4chlich (nach Vaschide S. 146). Die in den Traum \u00fcbernommenen hypnagogischen Halluzinationen zeigen aber, dafs manchmal auch eine Wahrnehmungsreproduktion oder eine \u201ephantastische Gesichtserscheinung\u201c die prim\u00e4re Traumerregung bilden kann. Immerhin ist dies wohl die Ausnahme und ist wohl die Verwandlung von Vorstellungen in Halluzinationen der Hauptvorgang der Traumbildung.\nDie Vorstellungen unterscheiden sich von den Wahrnehmungsbildern durch weitere Umarbeitung. Nach Bleuler1 gibt es eine kontinuierliche Stufenleiter von der Wahrnehmung zur Vorstellung und k\u00f6nnen Vorstellungen ohne jeden Sprung immer an Lebhaftigkeit zunehmen, bis sie zu Halluzinationen werden. Sie haben \u201edas Streben\u201c, in Einzelbilder \u00fcberzugehen (Wundt nach Bleuler a. a. O. S. 129) oder man k\u00f6nnte sagen, sich in Einzelbilder, aus denen sie hervorgegangen sind, zur\u00fcck zu verwandeln. Da andererseits die Vorstellungen nach Bleuler mit unserem Ich infolge ihrer Assoziation mit den \u00fcbrigen psychischen Vorg\u00e4ngen enger verkn\u00fcpft sind als die einzelnen Wahrnehmungsbestandteile, so spielen denn auch die Vorstellungshalluzinationen die Hauptrolle im Traum.\nDie Traumhalluzinationen von Vorstellungen sind nach meinen Beobachtungen besonders dadurch charakterisiert, dafs ihnen im Gegensatz zu den Reproduktionen von Wahrnehmungsbildern meist die genaueren Einzelheiten fehlen und dafs an ihnen oft nur die uns besonders interessierenden Teile leibhaftig sichtbar werden, w\u00e4hrend das \u00fcbrige nur unbestimmt wie in der Wachvorstellung erg\u00e4nzt ist. Dabei kann die betreffende Halluzination in dem f\u00fcr uns wichtigen ekphorierten Anteil ebenso intensiv sein wie eine Wahrnehmungsreproduktion, ja wir \u201eerleben\u201c im Traum die Vorstellungshalluzinationen gerade besonders intensiv, sie erscheinen uns doppelt vertraut, w\u00e4hrend uns die Wahrnehmungsbilderfragmente der Tr\u00e4ume \u00f6fter wie fremd anmuten. Entsprechend dem komplexen assoziativen\n1 Naturgeschichte der Seele und ihres Bewufstwerdens. Berlin, Verlag von Julius Springer. 1921.","page":185},{"file":"p0186.txt","language":"de","ocr_de":"186\nJ. S frei ff.\nCharakter der Vorstellungen besitzen die Vorstellungshalluzinationen eine viel gr\u00f6ssere Beweglichkeit als die bl\u00f6fsen Wahrnehmungsreproduktionen; sie sind fast stets nicht nur bildhaft sondern mit Gef\u00fchlsempfindungen und, insofern wir selbst mitspielen, mit kin\u00e4sthetischen Empfindungen, sowie auch mit Geh\u00f6rshalluzinationen oder auch mit Gedankenhalluzinationen kombiniert. Sie haben oft einen stark emotiven Charakter (vgl. Vaschide S. 285 ff.) oder eine kritische Urteilsbeigabe, kurz sie besitzen den ganzen Reichtum eines wirklichen Erlebnisses.\nEs handelt sich bei diesen Vorstellungsbildern auch kaum mehr um blofse Reproduktionen, sondern es kommt dabei in hohem Mafse die produktive Phantasiebef\u00e4higung unserer Seele zum Ausdruck und ihre ausgesprochene Neigung zur Symbolbildung.\nF\u00fcr das Verst\u00e4ndnis dieser komplizierten Ph\u00e4nomene verweise ich auf die \u201eTraumdeutung\u201c von Freud und auf das auf-schlufsreiche kleine Buch von Herbert Silberer 1 \u201eDer Traum\u201c, in dem der Vorgang der bildlichen Veranschaulichung des Vorstellungsmaterials an Hand von zahlreichen Beispielen besonders einleuchtend klargelegt wird.\nAus meinen Traumbeobachtungen gebe ich deshalb nur ein paar einfache Beispiele von Vorstellungshalluzinationen.\n12.\tBeispiel: Ich z\u00fcnde ein Streichholz an, um eine Treppe hinaufzusteigen; dabei bemerke ich auf einen Augenblick das Ger\u00e4usch des Streichh\u00f6lzchens an der Schachtel, dann das Auf flammen und f\u00fchle das Eisen des Treppengel\u00e4nders, all dies nur ganz momentan, w\u00e4hrend das viel deutlichere Bild der Treppe l\u00e4nger dauerte.\n13.\tBeispiel: Zwei J\u00fcnglinge in meiner \u201ePension\u201c haben bei meinem Eintritt ins Zimmer Geigen in der Hand und spielen jetzt ganz nah an meinem Ohr (wie ich es einst Zigeuner in Budapest tun sah) und ich h\u00f6re sinnlich lebhaft die Melodie, eine wie mir scheint noch nicht geh\u00f6rte. Dabei ist der akustische Eindruck entschieden deutlicher als der optische der Spieler.\n14.\tBeispiel: Offenbar bez\u00fcglich auf einen k\u00fcrzlich zum Geschenk bekommenen Reiserasierspiegel sehe ich im Traum unvermittelt, bzw. demonstriere jemanden einen grofsen, wie einen Klavierfl\u00fcgeldeckel aufstellbaren Spiegel und w\u00e4hrend ich als Traumbeobachter interessiert das sehr \u201eWirkliche\u201c des Gesichtseindrucks der Spiegelfl\u00e4che bemerke, demonstriere ich wreiter: \u201eund dann kann man zugleich spielen\u201c, indem\n1 Verlag von Ferdinand Enke. Stuttgart 1919.","page":186},{"file":"p0187.txt","language":"de","ocr_de":"Fragmente \u00fcber das Sehen im Traum.\n187\nich auf diesem Gedanken entsprechend erst jetzt auftretende Tasten dr\u00fccke, deutlich den Ton h\u00f6rend, wobei das Spiegelbild verschwunden ist.\n15.\tBeispiel: Eine kurze Szene zu einer offenbar depressiven Vorstellung, die die aufserordentliche Bildbereitschaft des Traumes zeigt. Ich befinde mich gegen Abend auf einer Art grofsen Besitztums. Aus der Ferne treten drei verd\u00e4chtige Individuen auf. Wie sie mich aber mit einer Baums\u00e4ge in der Hand sehen, die ich als Verteidigungswaffe erhebe, ziehen sie sich zur\u00fcck. Daf\u00fcr kommt jetzt pl\u00f6tzlich eine Kuh vehement auf mich zugerannt, die ich aber auch vertreibe, und nun sehe ich deutlich eine Stelle mit niedrigem Gestr\u00e4uch und Pflanzen, \u00fcber denen eine Menge Trauermantelfalter fliegen. Dann erblicke ich wie unversehens vorgelegt mein Studentenkommersbuch und vernehme das \u201eInteger vitae\u201c, woran ich erwache.\nZwei Beispiele der Amalgamierung einer rezenten Wahrnehmungsreproduktion mit einem Vorstellungsbild.\n16.\tBeispiel: Eine Studentin aus Bologna, die mit mir im florentinischen Apennin in Sommerferien weilte, sah im Traum den genau der Aussicht von ihrem Zimmer entsprechenden Landschaftsausschnitt, wobei aber frischer Schnee in wirbelnden Flocken fiel.\n17.\tBeispiel: Dieselbe Studentin tr\u00e4umte am n\u00e4chsten Tag, sie gehe in ihre Wohnung daheim. Wie sie ins Schlafzimmer treten will, in dem sie alle bekannten Einzelheiten erblickt, sieht sie eine ihr verhafste Altersgenossin in ihrem Bett und straft sie mit einem ver\u00e4chtlichen Blick \u201evon oben herab\u201c, wobei sie bemerkt, dafs der Zimmerboden mit dem Bett, offenbar dieser letzten Vorstellung entsprechend, gegen\u00fcber ihrem Standpunkt auf einem tieferen Niveau lag, w\u00e4hrend diese Eigent\u00fcmlichkeit bei den \u00fcbrigen R\u00e4umen, die sie nachher durchschritt, fehlte.\nEin variierendes Verhalten kann man beim \u201eLesen im Traum\u201c beobachten :\n1.\tIch tr\u00e4ume zu lesen: geschwind, geschwind, bemerke aber, dafs ich dabei keine Buchstaben erkenne.\n2.\tIch sah im Traum lauter gedruckte 0 und \u00e4rgerte mich, dafs sie alle nicht rund waren.\n3.\tIch schreibe f\u00fcr jemand meine Adresse auf ein Blatt mit schlechter Feder und daher nicht zufrieden mit den Buchstaben, die ich deutlich vor mir sehe.\n4.\tIch sehe eine Visitenkarte, worauf mit verschn\u00f6rkelter Schrift lithographiert der Name einer mir bekannten Frau zu lesen steht, an die ich seit Jahren nicht im entferntesten dachte und deren Visitenkarte ich sicher nie gesehen habe.\n5.\tIch tr\u00e4ume von einem Brief, den ich ohne den Inhalt zu kennen vom Geschriebenen, das ich deutlich erkenne, selbst mit einem eingeflickten Wort, ablese, wie man einen neuen Brief liest. Hier also scheinbar das Bild vor dem dem Tr\u00e4umenden bewufst werdenden Gedanken. \u00dcbrigens konnte ich beim Erwachen den Inhalt des Briefes nicht mehr erinnern.","page":187},{"file":"p0188.txt","language":"de","ocr_de":"188\nJ. Streift.\nBleuler (a. a. O. S. 153) erw\u00e4hnt: Wenn ich im Traum etwas lesen soll, so kommt es zuweilen vor, dafs ich die sinnlichen Engramme nicht aufbringe. Die Schrift ist undeutlich oder ohne Zusammenhang. Es ist vielleicht nicht Zufall, dafs das manchmal nach einem Stadium auftritt, indem ich ohne Schwierigkeit gelesen habe, aber, soweit ich mich auf die Traumerinnerung verlassen darf, oft, indem ich die Schrift mehr vorgestellt als gesehen habe (nat\u00fcrlich ohne dessen bewufst zu werden).\nEine besondere Beachtung verdienen die bekannten Mischbild ungen im Traum. Freud (S. 221) sagt, dafs die M\u00f6glichkeit, Mischbildungen zu schaffen, obenansteht unter den Z\u00fcgen, welche den Tr\u00e4umen so oft ein phantastisches Gepr\u00e4ge verleihen,\n\u201eindem durch sie Elemente in den Trauminhalt eingef\u00fchrt werden, welche niemals Gegenstand der Wahrnehmung sein konnten. Der psychische Vorgang bei der Mischbildung im Traum ist offenbar der n\u00e4mliche, wie wenn wir im Wachen einen Zentauren oder Drachen uns vorstellen und nachbilden. Der Unterschied liegt nur darin, dafs bei der phantastischen Sch\u00f6pfung im Wachen der beabsichtigte Eindruck des Neugebildes selbst das mafsgebendste ist, w\u00e4hrend die Mischbildung des Traumes durch ein Moment, welches aufserhalb ihrer Gestaltung liegt, das Gemeinsame in den Traumgedanken, determiniert wird. Die Mischbildung des Traumes kann in sehr mannigfacher Weise ausgef\u00fchrt werden. Ln der kunstlosesten Ausf\u00fchrung werden nur die Eigenschaften des einen Dinges dargestellt, und diese Darstellung ist von einem Wissen begleitet, dafs sie auch f\u00fcr ein anderes Objekt gelte. Eine sorgf\u00e4ltigere Technik vereinigt Z\u00fcge des einen wie des anderen Objektes zu einem neuen Bilde und bedient sich dabei geschickt der etwa in der Realit\u00e4t gegebenen \u00c4hnlichkeiten zwischen beiden Objekten\u201c.\nEs gibt nach Freud F\u00e4lle von Mischbildungen, bei denen die Vereinigung zu einem Bilde gleichsam nicht gelungen ist und die beiden Darstellungen einander \u00fcberdecken und etwas wie einen \u201eWettstreit der visuellen Bilder\u201c erzeugen.\nAn anderer Stelle (S. 201) sagt Freud, dafs bei der Herstellung von Sammel oder Mischpersonen ein Verfahren angewandt scheint, das demjenigen entspricht, nach welchem Galton seine Familienportr\u00e4ts erzeugt, n\u00e4mlich beide Bilder aufeinander projiziert, wobei die gemeinsamen Z\u00fcge verst\u00e4rkt hervortreten, die nicht zusammenstimmenden einander ausl\u00f6schen und im Bilde undeutlich werden.\nIch glaube nun, dafs f\u00fcr das Verst\u00e4ndnis dieser Mischbildungen Erfahrungen, die experimentell an Anschauungsbildern der Eidetiker gewonnen wurden, von Wichtigkeit sind. Wenn n\u00e4mlich einem Eidetiker mehrere individuell verschiedene Individuen des gleichen Gattungstypus zur Einpr\u00e4gung dargeboten werden, so ergeben sich nach Jaensch Anschauungsbilder nach zwei verschiedenen Synthesenformen. Bei einer sehr grofsen","page":188},{"file":"p0189.txt","language":"de","ocr_de":"Fragmente \u00fcber das Sehen im Traum.\n189\nZahl von Eidetikern erscheint am Schlufs einer solchen Einpr\u00e4gung eine eigenartige Synthese, die die einzelnen Bilder zu-sammenfafst; aber es ist gar kein ruhendes Bild, sondern ein Bild, das sich in st\u00e4ndiger Bewegung und Ver\u00e4nderung befindet. Es ist dies die als \u201eFluxion\u201c bezeichnete Synthesenform.\nEtwas \u00c4hnliches findet nun vielleicht auch im Traum in den F\u00e4llen statt, wo wir das Bild einer Person oder Sache sich in ein anderes verwandeln sehen, indem dabei offenbar ein \u00e4hnliches Schwanken zwischen einer erst auftauchenden Anschauungsbildreproduktion und einer assoziativ auftauchenden \u00e4hnlichen Reproduktion oder aber zwischen einem ersten Vorstellungsbild und einem assimilierten Vorstellungsbild eintritt.\nNach Wundt 1 l\u00e4fst die Allgemeinheit der Assimilationen nicht daran zweifeln, dafs diese auch zwischen reproduktiven Elementen Vorkommen, derart also, dafs irgendeine in uns auftauchende ErinnerungsVorstellung sofort durch Wechselwirkung mit anderen Erinnerungselementen ver\u00e4ndert wird.\nEine andere h\u00e4ufige Synthesenform, die an Wahrnehmungsbildern am Schlufs einer Darbietung verschiedener \u00e4hnlicher Dinge zu beobachten ist, ist die der \u201esinngem\u00e4fsen Komposition\u201c (Jaensch). Und eine solche an Anschauungsbildern experimentell erwiesene Synthese l\u00e4fst dann auch eine theoretisch zu suponierende \u00e4hnliche Art der Bildung von phantastischen Sammelformen im Traum leichter annehmbar erscheinen.\nBetreffs der eigentlich phantastischen Traumszenen scheint mir Fbeud recht zu haben, wenn er annimmt, dafs die Traumarbeit sich wohl oft einer bereits Vorgefundenen, im Wachleben konstruierten Phantasie bedient, anstatt eine solche aus dem Material der Traumgedanken erst zusammenzusetzen. Dieser Art d\u00fcrften zum Teil die Traumgeschichten Gottfried Kellers im \u201eGr\u00fcnen Heinrich\u201c (4. Bd. S. 95\u2014123) angeh\u00f6ren.\nSchwer verst\u00e4ndlich scheint die Eigent\u00fcmlichkeit, die darin besteht, dafs man im Traum sich selbst als Handelnden in die Traumszene verwickelt sehen kann. Aber auch dazu gibt es eine Parallele in der \u201eMental Imagery\u201c von ausgesprochenen Visualisten. Galton (a. a. O. S. 68) sagt:\n1 Grundrifs der Psychologie. 9. Aufl. Verlag von W. Engelmann. 1919. S. 285.","page":189},{"file":"p0190.txt","language":"de","ocr_de":"190\nJ. Strei/f.\n\u201eSome persons have the habit of viewing objects as though they ware partly transparent; thus, if they so dispose a globe in their imagination as to see both its north and south poles at the same time, they will not be able to see its equatorial parts. They can also perceive all the rooms of an imaginary house by a single mental glance, the walls and floors being as if made of glass. A fourth class of persons have the habit of recalling scenes, not from the point of view whence they were observed, but from a distance, and they visualise their own selves1 as actors on the mental stage.\u201c\nAuch bei pathologischen Pseudohalluzinationen kommt eine \u00e4hnliche Selbstwahrnehmung vor. Bleuler (a. a. O. S. 115 Fufs-note) erw\u00e4hnt, dafs ein Patient Bonhoeffers sich im Wachen selbst so lebhaft vor sich sah, dafs er die Tendenz hatte, sich auszuweichen.\nAn die Vermutung von G. Th. Fechner ankn\u00fcpfend, dafs der Schauplatz der Tr\u00e4ume ein anderer sei, als der des wachen Vorstellungslebens, hat Freud (S. 400\u2014406) ein Hilfsschema aufgestellt, das die Einreihung der Traumbilder innerhalb der Reihenfolge der Wahrnehmungsstufen versucht.\nFbeud nimmt den verschiedenen Instanzen des Erregungsverlaufs entsprechend verschiedene \u201eSysteme\u201c des \u201eseelischen Apparates\u201c an: \u201eAll unsere psychische T\u00e4tigkeit geht von (inneren oder \u00e4ufseren) Reizen aus und endigt in Innervationen. Somit schreiben wir dem Apparat ein sensibles und ein motorisches Ende zu; an dem sensiblen Ende befindet sich ein System, welches die Wahrnehmungen empf\u00e4ngt, am motorischen Ende ein anderes, welches die Schleusen der Motilit\u00e4t er\u00f6ffnet. Der psychische Vorgang verl\u00e4uft im allgemeinen vom Wahrnehmungsende zum Motilit\u00e4tsende.\u201c Ein vorderstes System (Wahrnehmungssystem) soll nach Freud die Wahrnehmungsreize mit der ganzen Mannigfaltigkeit der sinnlichen Qualit\u00e4ten zum Bewufstsein bringen, aber daf\u00fcr nichts von ihnen bewahren, kein Ged\u00e4chtnis haben. Hinter diesem System setzt das Schema Freuds weitere Systeme, welche die momentane Erregung des ersten in Dauerspuren um-setzen (Erinnerungssysteme). \u201eDas erste dieser ,Erinnerungssysteme* wird jedenfalls die Fixierung der Assoziation durch Gleichzeitigkeit enthalten, in den weiter entfernt liegenden wird dasselbe Erregungsmaterial nach anderen Arten des Zusammentreffens angeordnet sein, so dafs etwa Beziehungen der \u00c4hnlichkeit u. a. durch diese sp\u00e4teren Systeme dargestellt w\u00fcrden.\u201c Diese Dauerspuren, auch die tiefst eingepr\u00e4gten, k\u00f6nnen an sich unbewufst bleiben und im unbewufsten Zustand all ihre Wirkungen entfalten. Werden aber die Dauerspuren wieder bewufst erinnert, so zeigen\n1 Vom Autor nicht gesperrt.","page":190},{"file":"p0191.txt","language":"de","ocr_de":"Fragmente, \u00fcber das Sehen im Traum.\n191\nsie keine sinnliche Qualit\u00e4t oder eine sehr geringf\u00fcgige im Vergleiche zu den Wahrnehmungen. Das letzte System am motorischen Ende nennt Freud das Vorbewufste \u201eum anzudeuten, dafs die ErregungsVorg\u00e4nge [vom Wahrnehmungsende her] in demselben ohne weitere Aufhaltung zum Be-wufstsein gelangen k\u00f6nnen, falls noch gewisse Bedingungen erf\u00fcllt sind, z. B. die Erreichung einer gewissen Intensit\u00e4t, eine gewisse Verteilung seiner Funktion, die man Aufmerksamkeit zu nennen hat, u. dgl.\u201c Die Systeme der Dauerspuren dagegen haben nach Fkeud keinen Zugang zum Bewufstsein aufser durch eine kritisierende Instanz im Vorbewufsten. Diese kritisierende Instanz w\u00e4re \u201emit dem zu identifizieren, was unser waches Leben lenkt und \u00fcber unser willk\u00fcrliches, bewufstes Handeln entscheidet\u201c.\nNach Freuds Theorie von der Traumbildung stammt nun die Trieb, kraft f\u00fcr den Traum (Wunscherf\u00fcllung) vom Unbewufsten, obwohl die Traumbildung gen\u00f6tigt ist, an Traumgedanken anzukn\u00fcpfen, die dem System des Vorbewufsten angeh\u00f6ren. Die \u201eTraumerregung wird nun wie alle anderen Gedankenbildungen das Bestreben \u00e4ufseren, sich ins Vorbewufste fortzusetzen und von diesem aus den Zugang zum Bewufstsein zu gewinnen\u201c.\n\u201eDie Erfahrung lehrt uns, dafs den Traumgedanken tags\u00fcber dieser Weg, der durchs Vorbewufste zum Bewufstsein f\u00fchrt, durch die Widerstandszensur verlegt ist. In der Nacht schaffen sie sich den Zugang zum Bewufstsein; aber es erhebt sich die Frage, auf welchem Wege und dank welcher Ver\u00e4nderung. W\u00fcrde dies den Traumgedanken dadurch erm\u00f6glichen, dafs nachts der Widerstand absinkt, der an der Grenze zwischen Unbewufsten und Vorbewufsten wacht, so bek\u00e4men wir Tr\u00e4ume in dem Material unserer Vorstellungen, die nicht den halluzinatorischen Charakter zeigten, der uns jetzt interessiert.\u201c\n\u201eWas im halluzinatorischen Traum vor sich geht, k\u00f6nnen wir nicht anders beschreiben, als in dem wir sagen: Die Erregung nimmt einen r\u00fcckl\u00e4ufigen Weg. Anstatt gegen das motorische Ende des Apparates pflanzt sie sich gegen das sensible fort und langt schliefslich beim System der Wahrnehmungen an. Heifsen wir die Richtung, nach wTelcher sich der psychische Vorgang aus dem UnbewTufsten im Wachen fortsetzt, die progrediente, so d\u00fcrfen wir vom Traum aussagen, er habe regredienten Charakter.\u201c\n\u201eDiese Regr essi on ist dann sicherlich eine der wichtigsten psychologischen Eigent\u00fcmlichkeiten des Traumvorganges; aber wir d\u00fcrfen nicht vergessen, dafs sie den Tr\u00e4umen nicht allein zukommt. Auch das absichtliche Erinnern, das Nachdenken und andere Teil Vorg\u00e4nge unseres normalen Denkens entsprechen einem R\u00fcckschreiten im psychischen Apparat von irgendeinem komplexen Vorstellungsakt auf das Rohmaterial der Erinnerungsspuren, die ihm zugrunde liegen. W\u00e4hrend des Wachens aber reicht dieses Zur\u00fcckgreifen niemals \u00fcber die Erinnerungsbilder hinaus; es vermag die halluzinatorische Belebung der Wahrnehmungsbilder nicht zu erzeugen.\u201c\nDafs dies im Traum anders ist, sucht Freud durch die Annahme zu erkl\u00e4ren, dafs durch die Verdichtungsarbeit im Traum \u201edie an den Vor-","page":191},{"file":"p0192.txt","language":"de","ocr_de":"192\nJ. Streift\\\nStellungen haftenden Intensit\u00e4ten von einer zur anderen voll \u00fcbertragen werden. Wahrscheinlich ist es diese Ab\u00e4nderung des sonstigen psychischen Vorganges, welche es erm\u00f6glicht, das System der Wahrnehmungen bis zur vollen sinnlichen Lebhaftigkeit in umgekehrter Richtung, von den Gedanken her, zu besetzen\u201c.\nWenn Fej\u00ee\u00fcd von Regression spricht \u201ewenn sich im Traum die Vorstellung in das sinnliche Bild zur\u00fcckverwandelt, aus dem es irgendeinmal hervorgegangen ist\u201c, so ist er, wie er selbst sagt, sich wohl bewufst, dafs er damit im Grunde nur einen Namen f\u00fcr ein nicht zu erkl\u00e4rendes Ph\u00e4nomen gegeben hat, meint aber, dafs der Begriff der Regression insofern dient \u201eals er die uns bekannte Tatsache an das Schema des mit einer Richtung versehenen seelischen Apparates kn\u00fcpft\u201c.\nDas Schema Freuds hat aber m. E. gleich am Anfang einen wesentlichen Fehler, indem es ein vorderstes Wahrnehmungssystem annimmt, das die Wahrnehmungsreize mit der ganzen Mannigfaltigkeit der sinnlichen Qualit\u00e4ten zum Bewufstsein bringen aber daf\u00fcr nichts von ihnen bewahren soll.\nNun zeigt aber die neue Kenntnis der Wahrnehmungsbilder der Eidetiker, dals dieselben gerade aufserordentlich genaue Dauerspuren hinterlassen und andererseits ergibt die Erfahrung an hypnagogischen Halluzinationen und hypermnestischen Tr\u00e4umen, dafs ein Teil unserer Wahrnehmungen urspr\u00fcnglich nicht zum Bewufstsein zu gelangen brauchen. Ja wir werden uns eigentlich wohl bei jeder Wahrnehmung nur eines Teils der Wahrnehmungsreize bewufst, n\u00e4mlich desjenigen Teils, dem wir unsere Aufmerksamkeit zu wenden.\nWenn Freud ferner ein besonderes erstes Erinnerungssystem zur Fixierung der Assoziation durch Gleichzeitigkeit annimmt, so ist zu sagen, dafs die Gleichzeitigkeit ohne weiteres bereits im Wahrnehmungsbild fixiert ist.\nAndererseits d\u00fcrften reine Wahrnehmungen aufser beim Kind und etwa bei K\u00fcnstlern sehr selten sein und findet beim eigentlichen Erleben eine so blitzschnelle Verbindung von bewufsten und unbewufsten Wahrnehmungen und von bewufsten und unbewufsten Vorstellungen statt, dafs dieselbe f\u00fcr den Erlebenden als Gleichzeitigkeit erlebt und somit wohl auch als gleichzeitig fixiert wfird.\nDamit ist die M\u00f6glichkeit gegeben, dafs auch bei der Ekphorie im Traum fr\u00fcher Bewufstes und Unbewufstes, Wahr-","page":192},{"file":"p0193.txt","language":"de","ocr_de":"Fragmente \u00fcber das Sehen im Traum.\n193\ngenommenes und Vorgestelltes mit Leichtigkeit verbunden wird und auf diese Weise vielleicht die an den einst bewufsten Wahrnehmungen haftenden Intensit\u00e4ten auch besonders leicht auf die Reproduktion der unbewufsten Wahrnehmungen und die Reproduktion von blofsen Vorstellungen \u00fcbertragen wird.\nAm ehesten ist das FaEUDsche System der Fixierung der Assoziation nach den Beziehungen der \u00c4hnlichkeit gelten zu lassen, welche Annahme denn auch bei der Ekphorie im Traum die so h\u00e4ufigen Misch- und Sammelpersonen durch Assimilation verst\u00e4ndlich machen w\u00fcrde.\nDafs Wahrnehmungsfragmente im Traum vollst\u00e4ndig bildhaft erscheinen ist nach den Erfahrungen mit den Wachwahr-nehmungsbildern der Eidetiker am ehesten begreiflich. Aber auch die sinnliche Bildhaftigkeit der Vorstellungen ist nicht mehr so r\u00e4tselhaft, wenn Galton (a. a. O. S. 68) sagt: \u201eI find that a few persons can, by what they often describe as a kind of touch-sight, visualise at the same moment all round the image of a solid body. Many can do so nearly, but not altogether round that of a terrestrial globe. An eminent mineralist assures me that he is able to imagine simultaneously all the sides of a crystal with which he is familiar.\u201c\nEs liegt mir selbstverst\u00e4ndlich fern zu glauben, dafs wir damit das Ph\u00e4nomen, welches in diesen F\u00e4llen und im Traum Vorstellungen vollst\u00e4ndig sinnlich bildhaft macht, irgendwie erkl\u00e4rt haben, aber es d\u00fcrfte doch wertvoll sein, durch Hinweis auf die Wahrnehmungsbilder der Eidetiker und auf die obigen und fr\u00fcheren Beispiele von Galton, die wir anzuzweifeln keinen Grund haben, f\u00fcr das r\u00e4tselhafte Ph\u00e4nomen der Traumbilder eine Parallele im Wachleben aufgezeigt zu haben.\nInteressant ist es ferner, dafs sich die eidetische Anlage vor allem bei der Jugend vor dem Pubert\u00e4tsalter und in den F\u00e4llen, wo sie auch sp\u00e4ter andauert, vor allem bei K\u00fcnstlern, findet; interessant aus dem Grunde, weil nach Fkeud das Infantile im Traum eine so grofse Rolle spielt und andererseits auch bei Leuten, die f\u00fcr gew\u00f6hnlich kaum eine besondere Phantasieanlage erkennen lassen, im Traum eine fast als k\u00fcnstlerisch zu bezeichnende Phantasie zum Vorschein kommt, die auch dem Jugendalter offenbar in besonderem Mafs zu eigen ist, w\u00e4hrend","page":193},{"file":"p0194.txt","language":"de","ocr_de":"194\nJ. Streiff, Fragmente \u00fcber das Sehen im Traum.\nsie sp\u00e4ter den meisten Menschen mit Ausnahme der K\u00fcnstler wieder mehr oder weniger verloren geht.\nDa nun sowohl die eidetische Jugendanlage als die k\u00fcnstlerische Konstitution wahrscheinlich mit besonderen innersekretorischen Verh\u00e4ltnissen Zusammenh\u00e4ngen, so d\u00fcrfte vielleicht die Hypothese gewagt werden, dafs im Schlaf ein Wechsel der innersekretorischen Beziehungen in dem Sinne stattfindet, dafs dabei diejenigen Vorg\u00e4nge vor\u00fcbergehend das \u00dcbergewicht erhalten, die bei den Kindern w\u00e4hrend des Vorpubert\u00e4tsalters und bei K\u00fcnstlern dauernd vorwiegen.","page":194}],"identifier":"lit35975","issued":"1925","language":"de","pages":"171-194","startpages":"171","title":"Fragmente \u00fcber das Sehen im Traum","type":"Journal Article","volume":"56"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:21:41.811427+00:00"}

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