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{"created":"2022-01-31T16:45:18.846357+00:00","id":"lit35984","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"Brunzlow","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 56: 326-363","fulltext":[{"file":"p0326.txt","language":"de","ocr_de":"326\n(Aus dem Seminar f\u00fcr Psychologie der Westf\u00e4lischen Wilhelms-Universit\u00e4t.)\n\u2022 \u2022\n\u00fcber die F\u00e4higkeit der Schallokalisation in ihrer Bedingtheit durch die Schallqualit\u00e4ten und\ndie Gestalt der Ohrmuschel.\nVon\nGeneraloberarzt a. D. Dr. Brunzlow,\nFacharzt f. Ohren- Hals- u. Nasenleiden a. Versorg.-Krankenhause\nM\u00fcnster i. W.\nMit 12 Abbildungen im Text.\nIn seinem grofsen Sammelbericht \u201e\u00dcber die Lokalisation von Schallreizen\u201c aut dem 6. Kongrefs f\u00fcr experimentelle Psychologie in G\u00f6ttingen 1914 hat Otto Klemm die ganze umfangreiche Literatur \u00fcber diesen Gegenstand zusammengestellt und die verschiedenen Theorien \u00fcber diese F\u00e4higkeit des menschlichen H\u00f6rverm\u00f6gens gegeneinander abgewogen. Von den vier Theorien, welche sich um den Vorrang streiten und wTelche dem binauralen Zeitunterschied, der Phasenverschiebung, der Intensit\u00e4tsdifferenz oder der Klangfarbenabweichung je nach Neigung des Autors den Vorzug einr\u00e4umen, ist in letzter Zeit namentlich der ersten die Aufmerksamkeit zuteil geworden. Klemm, 1914 selbst noch ein Gegner der Zeittheorie (S. 229 a. a. 0.), hat sich ihr in sp\u00e4teren eigenen Untersuchungen 1 sehr weit gen\u00e4hert, wenngleich er nicht verkennt, dals auch durch sie noch l\u00e4ngst nicht alle Fragestellungen befriedigend beantwortet werden. Dagegen sind von Hornbostel und Wertheimer2 sp\u00e4ter zu der Ansicht gelangt,\nO. Klemm, Untersuchungen \u00fcber die Lokalisation von Schallreizen. Archiv f. Psychologie 38, S. 71\u2014114 und 40, S. 117\u2014146.\n2 Sitzungsberichte der Preu\u00dfischen Akademie der Wissenschaften 20 S 388 1920.\t\u2019","page":326},{"file":"p0327.txt","language":"de","ocr_de":"F\u00e4higkeit der Schallokalisation in ihrer Bedingtheit ustv.\n327\ndafs diese Theorie vollauf gen\u00fcge. Aus ihren Versuchen, durch Variation der Wegl\u00e4ngen von der Schallquelle zu den Ohren beim dichotischen H\u00f6ren die Bedeutung des Zeitunterschiedes zu bestimmen, folgern sie die G\u00fcltigkeit der Zeittheorie gegen\u00fcber allen anderen und weisen insbesondere die Intensit\u00e4tstheorie zur\u00fcck. Soweit aus den bekannten Akademieberichten zu ersehen ist, begr\u00fcnden sie ihre Anschauung, wenn man von ihren hier in K\u00fcrze nicht wiederzugebenden Berechnungen absieht, auf folgenden Versuch: Ein Schallreiz, der durch 2 Teleskop-R\u00f6hren beiden Ohren getrennt (dichotisch) zugeleitet wird, r\u00fcckt bei Verl\u00e4ngerung des einen Weges deutlich nach der Seite der k\u00fcrzeren Leitung d. h. nach der Seite des vorlaufenden Reizes. Schw\u00e4cht man nun die Schallintensit\u00e4t auf dieser Seite durch allm\u00e4hliches Zukneifen des H\u00f6rschlauches mehr und mehr ab, so h\u00f6rt man gleichwohl den Schall so lange auf dieser Seite, bis der Schlauch v\u00f6llig geschlossen ist; erst in diesem Augenblick springt er nach der anderen Seite hin\u00fcber.\nIm Seminar f\u00fcr experimentelle Psychologie der Westf\u00e4lischen Wilhelms-Universit\u00e4t entstand die Absicht, das Problem der Schallokalisation erneut in Angriff zu nehmen. Der Seminarleiter, Herr Professor Dr. med. et. phil. Goldschmidt, die Herren cand. med. et phil. Gkasshoff und cand. med. et phil. Haack stellten sich in liebensw\u00fcrdiger Weise als Mitarbeiter und Vpn. hierf\u00fcr zur Verf\u00fcgung, sp\u00e4ter wurde noch eine Anzahl Studenten, Zuh\u00f6rer des Seminars, und einige Soldaten der Garnison, meine Patienten, herangezogen, so dafs ich im ganzen \u00fcber 15 Vpn. verf\u00fcgte, darunter in psychologischen Beobachtungen geschulte und ungeschulte, musikalische und unmusikalische, sprachlich gewandte und ungewandte, Leute mit zwei normalen Ohren und solche, die durch Erkrankungen mehr oder weniger monotisch h\u00f6rten. Allen Mitarbeitern, die in 5 Versuchsreihen mit mir weit \u00fcber 1000 Einzel versuche vorgenommen haben, sage ich hier meinen besten Dank.\nWir gingen von der Tatsache aus, dafs die bisher angestellten Untersuchungen sich haupts\u00e4chlich mit dem binauralen (diotischen) H\u00f6rakte besch\u00e4ftigt haben, w\u00e4hrend das unaurale (monotische) H\u00f6ren noch wenig erforscht ist. Der Gr\u00fcnde hierf\u00fcr sind mehrere. Erstens liegt der Analogieschlufs aus dem binokularen Sehakt nahe, der bekanntlich f\u00fcr das k\u00f6rperliche Sehen Vorbedingung","page":327},{"file":"p0328.txt","language":"de","ocr_de":"328\nBrunzlow.\nund f\u00fcr das Tiefensch\u00e4tzungsverm\u00f6gen, wenn auch nicht uner-l\u00e4fslich, so doch h\u00f6chst wichtig ist. Zweitens ist in der Tat bewiesen, dafs die Schallokalisation diotisch viel sicherer ist als monotisch. Drittens ist es sehr schwer, rein monotisches H\u00f6ren im Versuche zu gew\u00e4hrleisten. Klemms Untersuchungen an einem durch Zerst\u00f6rung des einen Ohres monotisch H\u00f6renden betreffen wesentlich das Tiefensch\u00e4tzungsverm\u00f6gen. Sie zeigen gleich wie andere Beobachtungen, auch unsere eigenen in orientierenden Vorversuchen, dafs zwar der diotisch H\u00f6rende dem monotischen in der Sicherheit der Schallokalisation \u00fcberlegen ist, dafs aber auch der Monotische dieser F\u00e4higkeiten keineswegs ermangelt. Sonach konnte es nicht aussichtslos sein, einmal ganz allein den monotischen H\u00f6rakt auf \u201eLokalzeichen\u201c hin zu untersuchen. Diese Beschr\u00e4nkung hatte jedenfalls die Einengung der Fragestellung f\u00fcr sich, denn Zeit- und Phasenunterschied, die allein beim binauralen H\u00f6ren in Betracht kommen, schieden aus. Lassen sich monotisehe Lokalzeichen nachweisen, so k\u00f6nnen sie nur auf Intensit\u00e4ts- und Qualit\u00e4tsverschiedenheiten beruhen.\nEs war dann zun\u00e4chst zu untersuchen, in welcher St\u00e4rke uns ein bestimmter, immer gleicher, nach Entfernung und Intensit\u00e4t genau abgemessener Schall erscheint, je nachdem seine Stellung zur Vp. wechselt. In gleicher Weise wie der Wechsel der scheinbaren Schallintensit\u00e4t war die Abh\u00e4ngigkeit der Schallqualit\u00e4tsempfindung von der Stellung der Schallquelle zu untersuchen. Endlich mufsten die Versuche fr\u00fcherer Autoren (M\u00fcnsterberg, Kessler, Bloch u. a.) \u00fcber die Richtungsschwellen nachgepr\u00fcft werden und in Beziehung zu unseren Empfindungen von St\u00e4rke und Klangfarbe eines Schalles gesetzt werden d. h. es war die Frage zu beantworten, ob und wie die Genauigkeit, mit der wir die Richtung eines Schalles bestimmen, von dessen St\u00e4rke und Klangfarbe abh\u00e4ngt.\nDie Ergebnisse, die wir im folgenden darstellen, betrachten wir trotz der grofsen Zahl von Einzelversuchen zun\u00e4chst nur als eine Orientierung. Der Mannigfaltigkeiten, unter denen sich das Problem der Schallraumvorstellung und unserer Einordnung eines Schalleindruckes in ihn darbietet, sind so viele, dafs es noch sehr vieler Versuche bed\u00fcrfen wird, um sie alle zu ersch\u00f6pfen. Dennoch sind diese Ergebnisse derart, dafs sie richtungweisend f\u00fcr den Fortgang der Untersuchungen erscheinen. Denn wir suchten nach den Elementen der Richtungswahrnehmung und","page":328},{"file":"p0329.txt","language":"de","ocr_de":"F\u00e4higkeit der Schallokalisation in ihrer Bedingtheit usw.\n329\nfanden sie in anatomischen, psysiologischen und psychophysischen Tatsachen, welche bisher noch zu wenig erforscht worden sind.\nMit den Untersuchungen \u00fcber die Funktion der Ohrmuschel als des Auffangapparates auch am menschlichen H\u00f6rorgan kn\u00fcpfen wir an die Forschungen Blochs an, auf die am Schl\u00fcsse der Arbeit eingegangen werden wird. Sie sind bisher nur von Ohren\u00e4rzten gen\u00fcgend gew\u00fcrdigt.\nDie psychophysischen Untersuchungen werden gut tun, auch im weiteren Fortgang m\u00f6glichst einfache Fragestellungen zugrunde zu legen.\nI. Versuchsreihe: Die Beurteilung der Schallintensit\u00e4t beim\ndichotischen1 H\u00f6ren.\nEhe wir damit begannen, erschien es wichtig, sich mit der Zeittheorie insofern auseinanderzusetzen, als die Versuche, durch welche v. Hornbostel und Wertheimer (a. a. 0.) glaubten, als durch ein einfaches Experimentum crucis die Zeittheorie bewiesen und die Intensit\u00e4tstheorie beiseite geschoben zu haben, nachzupr\u00fcfen waren. So gingen wir nach einer Reihe von orientierenden Vorversuchen zun\u00e4chst daran, die v. Hornbostel-WERTHEiMERschen Apparate, soweit das nach den uns zug\u00e4ngigen Beschreibungen und gelegentlichem Augenschein des Prof. Goldschmidt m\u00f6glich war, nachzubauen.\nAbbildung 1.\nA H\u00f6rtrichter.\nB Festes Bohr.\nB' Verschiebliches Rohr. C Stativ.\nV. P. Versuchsperson.\nE Schallquelle.\n1 Wir folgen der Nomenklatur von C. Stumpf: monotisch = einohrig, cliotisch = beidohrig, dichotisch = getrenntohrig.\nZeitachr. f. Sinnesphysiol. 56.\n[Mmm^!THMrryiT1T1TT!Tf\n23","page":329},{"file":"p0330.txt","language":"de","ocr_de":"330\nBrunzlow.\nEs entstanden zwei Versuchsanordnungen (Abb. 1 u. 2). Bei der einen waren 2 U-f\u00f6rmige Rohre miteinander in einem Schenkel durchlaufend verbunden und an der Verbindungsstelle seitlich ein H\u00f6rtrichter angesetzt, w\u00e4hrend die 2 anderen Schenkel in entgegengesetzte Richtung abgebogen und mit H\u00f6rschl\u00e4uchen armiert waren. Das eine der beiden U-Rohre war teleskopartig ausziehbar. .Man beobachtete also dichotisch mit wechselnden relativen Wegl\u00e4ngen denselben Schall.\nDie zweite Versuchsanordnung bestand aus zwei spitzwinkligen H\u00f6rtrichtern, die mit H\u00f6rschl\u00e4uchen armiert auf einem Gestell verschiebbar und drehbar montiert waren. Mit den \u00d6ffnungen gegeneinander gestellt und verschoben, gestatteten sie eine zwischen ihnen stehende Schallquelle mit verschiedenen Wegl\u00e4ngen dichotisch abzuhorchen.\nEs gelang mit beiden Versuchsanordnungen unschwer, die Versuche der Autoren zu wiederholen und ihre Beobachtung zu best\u00e4tigen \u2014 nicht aber ihre Deutung. Hiergegen mufste der Ohrenarzt Widerspruch erheben.\nAbbildung 2.\nAB H\u00f6rtrichter.\nC D\u00e4mpfungstrichter.\nD Stativ.\nE Schallquelle.\nV. P. Versuchsperson.\n<\u25a0--> Verschie-\nbungsrichtung.\nZun\u00e4chst war einzuwenden, dafs man, sobald das subjektive H\u00f6rfeld1 aus der Medianebene heraus nach der Seite des k\u00fcrzeren Weges r\u00fcckt, auch sogleich die Empfindung der gr\u00f6fseren Intensit\u00e4t auf dieser Seite hat. Es ist ja an sich sehr schwer, zwei simultane oder sukzessive Schallreize auf ihr Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnis hin zu vergleichen. Es gelingt aber immer und mit grofser Genauigkeit, wenn man sukzessive Reize in den Rahmen des Rhythmus spannt. Wenn man in dem beschriebenen Versuch den Schlauch des k\u00fcrzeren Weges rhythmisch wechselnd v\u00f6llig zukneift und um ein Geringes freigibt, so erkennt man die gr\u00f6fsere\n1 Dieser von Uebantschitsch geschaffene Begriff bezeichnet die Vorstellung, welche wir uns von der Lage eines Schalleindrucks machen, den. wir dichotisch, z. B. mit zwei H\u00f6rsChl\u00e4uchen oder zwei Telephonen, wahrnehmen.","page":330},{"file":"p0331.txt","language":"de","ocr_de":"F\u00e4higkeit der Schallokalisation in ihrer Bedingtheit usw\n331\nIntensit\u00e4t auf der Seite des k\u00fcrzeren Weges auch bei kleinstem Spalte sehr genau. Eine einfache \u00dcberlegung lehrt nun, dafs der Schall auf dem k\u00fcrzeren Wege zwar einerseits um die Bruchteile eines (7 fr\u00fcher zum Ohre gelangt als auf dem l\u00e4ngeren andererseits aber auch auf dem l\u00e4ngeren Wege mehr an Intensit\u00e4t verlieren mufs, weil er sich nicht nur in der Lufts\u00e4ule fortpflanzt, sondern auch Ersch\u00fctterung an die W\u00e4nde des Rohres abgibt,* hier mehr als dort (Abb. 1). Woher aber nun das eigenartige Ph\u00e4nomen des pl\u00f6tzlichen \u00dcberspringens zur anderen Seite im Moment des vollkommenen Verschlusses?\nUns Ohren\u00e4rzten kommen fast t\u00e4glich Leute in die Sprechstunde mit der Klage, dafs sie auf einem Ohre pl\u00f6tzlich das Geh\u00f6r verloren haben, nachdem ihnen beim Baden oder Waschen Wasser ins Ohr gedrungen sei. Wir finden dann regelm\u00e4fsig einen grofsen, obturierenden Ohrenschmalzpfropf, nach dessen Beseitigung die Beschwerden verschwinden. Dieser Pfropf verstopfte sicher schon lange Zeit den Geh\u00f6rgang bis auf einen feinen Spalt, er liefs nur soviel Raum, dafs eingedrungenes Wasser durch Adh\u00e4sion an den W\u00e4nden haften bleiben mufste und nun den noch unvollst\u00e4ndigen Verschlufs zu einem vollst\u00e4ndigen machte. Der feine Spalt gen\u00fcgte, solange er Luft enthielt, die Schallwellen in fast unverminderter St\u00e4rke zum Trommelfell gelangen zu lassen, so dafs der Pfropftr\u00e4ger noch keine Schwerh\u00f6rigkeit sp\u00fcrte; erst der Verschlufs auch dieses Spalts brachte die Schwerh\u00f6rigkeit hervor.\nDie Analogie springt in die Augen und l\u00e4fst die an sich richtige Beobachtung v. Hornbostels und Wertheimers in einem anderen Lichte erscheinen. Das Zukneifen des Schlauches bedingt noch keine solche Schallabschw\u00e4chung, dafs sie den Wegunterschied \u00fcberkompensiert, auch durch einen engen Spalt dringen die Verdichtungswellen des Schalles mit gen\u00fcgender St\u00e4rke, daher springt der Schall erst \u00fcber, wenn der Schlauch v\u00f6llig verschlossen wird.\nDiese \u00dcberlegung an Hand der ohren\u00e4rztlichen Erfahrung zeigt also, dafs der Versuch, in der beschriebenen Weise per ex-clusionem darzutun, allein der binaurale Zeitunterschied bestimme im dichotischen H\u00f6ren die Lage des subjektiven H\u00f6rfeldes, nicht zwingend ist. Es k\u00f6nnen auch andere Momente im Spiele sein, unter denen der Intensit\u00e4tsunterschied sich hervordr\u00e4ngt. K\u00f6nnen weitere Beweise hierf\u00fcr beigebracht werden?\n23*","page":331},{"file":"p0332.txt","language":"de","ocr_de":"332\nBrunzlow.\nF\u00fcr unsere Deutung spricht weiterhin eine Beobachtung, die man mit unserem ersten Apparate (Abb. 1) an Vpn. machen kann, welche auf beiden Ohren eine verschiedene H\u00f6rsch\u00e4rfe haben. Diese empfinden bei gleichen Wegl\u00e4ngen das subjektive H\u00f6rfeld nicht median, sondern zur Seite des besseren Ohres verlagert. Sobald man aber den Schenkel dieser Seite verl\u00e4ngert, wandert das H\u00f6rfeld zur Mitte, und man kann aus der Strecke, um welche man diesen Schenkel ausziehen mufs, bis das H\u00f6rfeld genau median liegt, ein Mafs gewinnen, um welches das eine Ohr besser h\u00f6rt als das andere. Dieses Ph\u00e4nomen ist nur so zu erkl\u00e4ren, dafs die Schenkelverl\u00e4ngerung eine Abschw\u00e4chung der dem Ohre zugeleiteten Schallintensit\u00e4t bedingt. W\u00e4re das nicht der Fall, und w\u00fcrde durch ungleiche Wegl\u00e4ngen lediglich ein Zeitunterschied der Reizzuleitung bedingt, so liefse sich schlechterdings nicht verstehen, wieso bei gleichei Wegl\u00e4nge das H\u00f6rfeld auf der Seite des besseren Ohres und bei ungleicher Wegl\u00e4nge median erscheinen sollte.\nEinen dritten Aufschlufs gibt folgender Versuch. Was durch Zukneifen des einen H\u00f6rschlauches nicht gelingt, n\u00e4mlich die Schallintensit\u00e4t abzuschw\u00e4chen, l\u00e4fst sich mit Sicherheit erreichen, indem man einen geschlossenen Trichter mit 1 cm dicker Polsterung aus Zellstoffwatte (C auf Abb. 2) in den einen der beiden H\u00f6rtrichter hineinschiebt.1 Jetzt ist bei gleicher Wegl\u00e4nge der Schall auf der verstopften Seite deutlich ged\u00e4mpft, und in gleichem Mafse r\u00fcckt das subjektive H\u00f6rfeld zur unged\u00e4mpften Seite hin\u00fcber. Wenn man nun aber die Schallquelle nach der ged\u00e4mpften Seite verschiebt, so kommt ein Punkt, wo die D\u00e4mpfung durch die geringere Wegl\u00e4nge kompensiert wird, die Schalle gleich stark und das subjektive H\u00f6rfeld wieder median erscheinen.\nHiermit ist bewiesen, dafs das Ph\u00e4nomen des Wan-derns des subjektiven H\u00f6rfeldes sich in der lat durch Intensit\u00e4tsver\u00e4nderungen hervorrufen l\u00e4fst.\nAuf eine Nachpr\u00fcfung der sehr lehrreichen, aber auch komplizierten Telephonversuche Klemms mufsten wir mangels geeigneter Apparatur verzichten. Es ist aber zu seinen wie zu anderen Versuchen zu sagen, dafs \u00fcberhaupt Bedenken bestehen, aus Be* obachtungen \u00fcber das Wandern des subjektiven H\u00f6rfeldes und \u00fcber dichotisches H\u00f6ren allein die Frage des r\u00e4umlichen H\u00f6rens\n1 C liegt A fest an.","page":332},{"file":"p0333.txt","language":"de","ocr_de":"F\u00e4higkeit der Schallokalisation in ihrer Bedingtheit usw.\n333\nbeantworten zu wollen. Wir h\u00f6ren im gew\u00f6hnlichen Leben nicht dichotisch, sondern diotisch und der einseitig Schwerh\u00f6rige monotisch, und wir beurteilen die Richtung einer Schallquelle nicht mit Hilfe eines subjektiven H\u00f6rfeldes, sondern ganz unmittelbar.\nNach solchen Feststellungen und Erw\u00e4gungen bestanden keine Bedenken, f\u00fcr die weiteren Untersuchungen vorerst von der Theorie des binauralen Zeitunterschiedes ganz abzusehen.\nII. Versuchsreihe: Die Beurteilung der Schallintensit\u00e4ten\nheim monotisch en H\u00f6ren.\nEs lag nahe, nunmehr an erster Stelle zu erforschen, ob und wie durch Stellungswechsel einer Schallquelle f\u00fcr den monotischen H\u00f6rer Unterschiede der scheinbaren Schallintensit\u00e4t hervorgerufen werden.\nUm den Einflufs der Schallst\u00e4rke bestimmen zu k\u00f6nnen, mufste der Schallreiz mefsbar gegeben werden. Wir verwendeten deshalb einige nach dem Muster des W\u00fcNDTSchen Fallphonometers behelfsm\u00e4fsig selbstgebaute Ger\u00e4te, mit denen wir Stahl- oder Glaskugeln aus variabler, mefsbarer H\u00f6he, auf ein schr\u00e4g stehendes Brett fallen liefsen. Das Schallbrett lag lose auf verschiebbarem Stege am Fufse des Stativs, und die Abfallvorrichtung, an diesem verschiebbar, bestand aus einem Brett mit Falloch und Schiebe-verschlufs, der durch Fadenzug vom Versuchsleiter selbst bedient wurde. Der Versuchsleiter stand neben der Vp. Die Entfernung des Phonometers von der Vp. wurde mit einer Mafsleine gemessen. Fallh\u00f6he und Entfernung ergeben auch in dieser einfachen Form ein Mafs f\u00fcr die Schallst\u00e4rke von ausreichender Genauigkeit. Es war notwendig, die Versuche im Freien anzustellen, denn Vorversuche im Zimmer lehrten, dafs die Reflexion von den W\u00e4nden jede exakte Beobachtung verhindert. Dieser Umstand sollte bei allen k\u00fcnftigen Versuchen gen\u00fcgend gew\u00fcrdigt werden.\nVon vornherein war noch ein anderes Moment in Rechnung zu ziehen. Es ist bekannt, dafs wir Schallreize von irgend erheblicher St\u00e4rke nicht nur durch Luftleitung, sondern auch durch Knochenleitung h\u00f6ren. Klemm hat schon auf den Einflufs hingewiesen, den m\u00f6glicherweise dieser Umstand auf die diotische Schallokalisation haben k\u00f6nne. Den Ohren\u00e4rzten ist bekannt, dafs der blofse Verschlufs des einen Geh\u00f6rganges nicht vor dem Einflufs der Zuleitung des Schalles zu dem verschlossenen Ohre sch\u00fctzen kann. Wir bem\u00fchten uns, die Knochenleitung so weit wie m\u00f6glich auszuschalten, und fertigten zu diesem Zwecke einen Verschlufs, der aus zwei Teilen bestand: einer muschelf\u00f6rmigen Schale von Pappe und Filz, die, mit B\u00e4ndern am Kopf befestigt, einen Pfropf angefeuchteter Watte in Geh\u00f6rgang und Muschel des auszuschaltenden Ohres fest hineinprefst und diu Muschel ganz \u00fcberdeckt, sowie zweitens einer dicken Filzhaube, welche den ganzen Hirnsch\u00e4del fest umkleidet. So blieb nur Ohr und Ohrmuschel,","page":333},{"file":"p0334.txt","language":"de","ocr_de":"334\nBrunzlow.\ndie gepr\u00fcft werden sollten, frei. Immerhin k\u00f6nnte gegen diese Mafsnahme noch eingewendet werden, dafs nach den Feststellungen Sch\u00e4fers1 auch dann noch eine Zuleitung zum verschlossenen Ohre durch Knochenleitung vom freien Geh\u00f6rgang und Ohrmuschel aus m\u00f6glich sei. Diese theoretische M\u00f6glichkeit mufs einger\u00e4umt werden. Ob sie f\u00fcr die F\u00e4higkeit der Schalllokalisation bedeutungsvoll bleibt, w\u00fcrde nur dadurch zu entscheiden sein, dafs man an einseitig Tauben experimentiert. Wahrscheinlichkeit f\u00fcr einen Einflufs besteht nicht, wie wir unten er\u00f6rtern werden.\nDafs alle sonstwie den Kopf treffenden Schallwellen durch unsere D\u00e4mpfungshaube abgehalten wurden, konnten wir unschwer feststellen, indem wir das zu pr\u00fcfende Ohr mit sch\u00fcttelndem Finger (Sch\u00fcttelverschlufs nach Uffenorde) verschlossen, wobei dann jede Wahrnehmung der in unseren Versuchen zu beobachtenden Schallreize aufh\u00f6rte.\nZun\u00e4chst wurde den Vpn. die Aufgabe gestellt, zwei nacheinander aus verschiedener Richtung kommende Schl\u00e4ge nach ihrer St\u00e4rke zu vergleichen.\nTabelle 1.\n(Hierzu Abbildung 3.)\nScheinbare Reizst\u00e4rke im gegenseitigen Verh\u00e4ltnis von je 2 sukzessiven Reizen, festgestellt mit Fallphonometer im Freien, Abstand 8 m, Fallh\u00f6he\n50 cm und mit D\u00e4mpfungshaube.\nVp. stud. phil. D. Rechtes Ohr. Tag: 25. 6. 1924.\nStellung der Vp. (s. Abb.)\tDrehungs- richtung\t\tVersuchsreihe\t\t\tn\tSumme\tBemerkungen\n\t\t\t1\t2\t3\t4\t\t\n90\u00b0\ti i\t\tl i 1\t\t\t\tj\tFallphonometer steht\n60o\t\u00e0 s\tg r\t<\t<\t<\t<\t-f 4\tgegen\u00fcber 0\u00b0.\n30\u00b0\t\t\t=\t<\t<\t<\t! + 3\tZu Beginn des Ver-\n0\u00b0\t\t\ti <\t<\t<\t<\t1 + 4\tsuchs ist das gepr\u00fcfte\n330\u00b0\t\t\t<\t<\t\t<\t+ 3\t| Ohr abgewandt.\n300\u00b0\t\t\t<\t<\t\t<\t+ 3\t1 I\n270\u00b0\t\t\t\t\u2014\t>\t<\t4- i\t\n\u00a9 O <M\t\t!\t>\t\t>\t>\t\u2014 3\t<C Schall wurde st\u00e4rker\n210\u00b0\t\t\t\t>\t>\t\t\u2014 2\t\u201e\t,. schw\u00e4cher\n180\u00b0\t>\tf\t>\t>\t\t>\t\u2014 3\t=\t\u201e\tblieb gleich\n150\u00b0\t\t\t>\t\u2014\t\u2014\t>\t\u2014 2\t\n120\u00b0\t\t\t>\t>\t>\t>\t\u2014 4\t\n90\u00b0 !\t\t1\t>\t>\t>\t>\t\u2014 4\t\n1 K. L. Sch\u00e4fer, Ein Versuch \u00fcber die intrakranielle Leitung leisester T\u00f6ne von Ohr zu Ohr. Zeitschr. f. Psychol. 2, S. 111, 1891 und derselbe in Nagels Handbuch der Physiologie. Geh\u00f6rorgan. S. 576.","page":334},{"file":"p0335.txt","language":"de","ocr_de":"F\u00e4higkeit der Schallokalimti\u00f9n in ihrer Bedingtheit usw.\n335\nAbbildung 3.\nVersuchszweck : Feststellung der scheinbaren Reizst\u00e4rken im gegenseitigen\nVerh\u00e4ltnis von 2 sukzessiven Reizen.\n(Die L\u00e4ngen der Radien entsprechen den Ordnungswerten der scheinbaren\nReizst\u00e4rken.)\nVersuchsperson: stud. phil. D.\tTag: 25. 6. 24.\nRechts.\nX\nHorizontalkreis.\nStand des Phonometers.\nDie Figur veranschaulicht zugleich unser Schema der Versuchsprotokolle,\ndas wir umgedruckt vorr\u00e4tig halten.\nWir arbeiteten anfangs mit einem feststehenden Fallger\u00e4t und drehten die Vp., deren Augen verbunden waren, auf einem Drehsessel \u00fcber einem Kreisbogen um genau abgelesene Winkel. Die Angaben blieben sehr ungenau, weil es schwer war, 2 Schl\u00e4ge miteinander zu vergleichen, die auch nur etwa 8\u201410 Sek. Pause zwischen sich hatten. Es zeigte sich hier schon dasselbe mangelhafte Schallged\u00e4chtnis bei der Intensit\u00e4tsvergleichung, dafs uns sp\u00e4ter bei der Qualit\u00e4tsvergleichung wieder begegnen wird. Dies verdeutlicht das Protokoll Tabelle 1. Immerhin ergaben sich ausreichend brauchbare Werte aus der Durchschnittsberechnung, \u00fcber deren Resultate die Kurve Abbildung 3 Auskunft gibt. Sie zeigt deutlich, dafs das Maximum der scheinbaren Reizst\u00e4rke seitlich und vorne-seitlich liegt. Waren auch individuelle Varianten vorhanden, so bestand doch in der","page":335},{"file":"p0336.txt","language":"de","ocr_de":"336\nBrunzlow.\n\u2022 \u2022\nAngabe aller Vpn. soweit \u00dcbereinstimmung, dafs die wiedergegebene Kurve als typisch gelten kann.\n\u2022 \u2022\nEin Einflufs der \u00dcbung war nicht erkennbar. Auch diejenigen Vp., die sich durch eine scharfe Beobachtungsgabe auszeichneten, machten immer wieder in sich widersprechende Angaben im Sinne des Protokolls, soweit auch die Versuchsreihen vor schritten.\nImmer klarer wurde im Laufe der Versuche, dafs die Sicherheit des Urteils dann steigt, wenn die zwei aufeinander folgenden Reize in nicht zu grofsen, einander gleichen Abst\u00e4nden von etwa 1 oder 1*/2 Sek. dargeboten werden, wenn also ein Rhythmus zustande kommt. Das ist eine in der Psychologie bekannte Erscheinung, welche auch der in psychologischen Experimenten nicht Bewanderte sich leicht versinnbildlicht, wenn er daran denkt, mit welcher Genauigkeit es gelingt, den Schlag einer Pendeluhr zu regulieren.\nUm diesen Verh\u00e4ltnissen Rechnung zu tragen, setzten wir die Versuche in der Art fort, dafs wir zwei gleiche Fallphonometer der beschriebenen Bauart aufstellten, deren Schallintensit\u00e4t durch gleiche Fallh\u00f6he und gleiche Entfernung gleich gemacht wurden. Die Vp. safs nunmehr still, die Stellungen der Phonometer zu ihr aber wurden gemessen, indem die beiden Mefsleinen an einem im Mittelpunkt des Mefskreises, \u00fcber dem die Vp. safs, in den Boden getriebenen Haken befestigt wurden und so als Zeiger spielten.\nDiese Versuchsanordnung haben wir von da an f\u00fcr die meisten der anderen Versuche beibehalten.\nDas Ergebnis dieser zweiten Versuchsreihe k\u00f6nnen wir kurz dahin zusammenfassen, dafs sich dieselben Kurven fanden, wie wir sie in Abb. 3 dargestellt haben.\nDazu zeigte sich ein Weiteres. Es lag beim einohrigen H\u00f6ren\nnicht nur die gr\u00f6fste scheinbare Reizst\u00e4rke vorn-seitlich d. h.\n\u2022 \u2022\nentsprechend der \u00d6ffnung der Ohrmuschel, sondern es wurde auch ganz regelm\u00e4fsig der Schall als schw\u00e4cher bezeichnet, sobald das Phonometer hinter eine Verbindungslinie des Tragus mit dem freien Ohrmuschelrande gelangte. Bei der Verschiebung aus der Stellung der gr\u00f6fsten Reizst\u00e4rke nach vorne trat die Abschw\u00e4chung zwar gleichfalls, aber nicht so pr\u00e4gnant hervor.\nUm die Bedeutung der Ohrmuschel als eines schallauffangenden Organes und den Einflufs ihrer Gestalt auf die Beurteilung der Schallst\u00e4rke n\u00e4her kennen zu lernen, boten sich","page":336},{"file":"p0337.txt","language":"de","ocr_de":"F\u00e4higkeit der Schcillokalis\u00fction in ihrer Bedingtheit usw.\n337\nuns zwei Wege: ein direkter und ein indirekter. Wir beschritten den indirekten zuerst, weil uns Beobachtungen gelegentlich der H\u00f6rtrichterversuche dahin lockten.\nIII. Versuchsreihe. Die Beurteilung von Intensit\u00e4t und\nQualit\u00e4t im H\u00f6rtrichter.\nWir stellten auf unserem in Abb. 2 gezeichneten Gestell die H\u00f6rtrichter parallel, also die \u00d6ffnungen gleichgerichtet, und hatten nun die M\u00f6glichkeit, Schallquellen sowohl diotisch als auch monotisch zu beobachten (s. Abb. 4). Die Versuche fanden im Zimmer statt. Als Schallquellen dienten klopfende Schl\u00e4ge mit einem Hammer auf Tische u. dergl., eine BlRlNYSche L\u00e4rmtrommel und das Ger\u00e4usch mehrerer Bunsen-Gasbrenner mit scharfem Druck und folglich lautem Ton.\nAbbildung 4.\n\\\n\\\n\\\n\\\n4\n/\n/\n/\n/\n\\\n\\\n\\\n\\\n\\\n\\\n\\\n\\\n/\n/\n/\n/\n/\n/\n/\n>\nA, B H\u00f6rtrichter, D Stativ, E1? E2 Schallquellenstellungen, GV Drehungsrichtung der Trichter bei Beobachtung einer feststehenden Schallquelle, oder ~\t^ Verschiebung der\nSchallquelle bei feststehendem Trichter.\n^2\nX\nDafs solche Trichter den Schall aufserordentlich verst\u00e4rken, bedarf kaum der Hervorhebung, denn dieser Umstand ist allgemein bekannt, beruht doch die Konstruktion aller H\u00f6rrohre f\u00fcr Schwerh\u00f6rige darauf. Bedeutsamer als diese Tatsache erscheint aber etwas Anderes.","page":337},{"file":"p0338.txt","language":"de","ocr_de":"338\nBrunzlow.\nGibt man dem Schalltrichter eine spitzwinklige Gestalt, so bekommt man zwar eine etwas st\u00f6rende Resonanzwirkung gegen\u00fcber manchen T\u00f6nen, aber das r\u00e4umliche Schallbild wird auch aufserordentlich plastisch. Es wirkt geradezu frappierend, wie haarscharf genau (bei verschlossenen Augen) man bestimmen kann, ob die Schallrichtung innerhalb des \u00d6 f f n u n g s w i n k e 1 s des gedrehten Trichters liegt oder aufserhalb (Abb. 4 Ex und E2). Die Erscheinung ist diotisch eindringlicher, aber auch monotisch vollkommen deutlich. Macht man die Trichter flacher, so verschwindet mehr und mehr die st\u00f6rende Resonanz, mit ihr aber auch die Plastizit\u00e4t; trotzdem gelingt es noch sehr weitgehend, die \u00dcberschreitung der Schenkel des \u00d6ffnungswinkels zu erkennen.\nUnd noch etwas dr\u00e4ngte sich auf: der schallauff angende Trichter beeinflufst nicht nur die scheinbare St\u00e4rke, sondern sehr merkbar auch die Qualit\u00e4t des Schalles. Das war namentlich bei der Beobachtung der Bunsenflamme auffallend. War derTrichter genau der Schallquelle zugewendet, soh\u00f6rte man in dem Brausen undZischen der Flamme eine \u00fcberraschende F\u00fclle hoher und tiefer T\u00f6ne, welche sofort verschwand, wenn bei Drehung des Trichters die Schallquelle aufserhalb seines \u00d6ffnungswinkels zu stehen kam. Dieses Ph\u00e4nomen war so eindrucksvoll, dafs es m\u00fchelos gelang, bei geschlossenen Augen die Richtung der Schallquelle auf mindestens 3\u00b0 genau zu bestimmen.\nMan k\u00f6nnte den Einwand erheben, dafs dies Ph\u00e4nomen auf einer Resonatorwirkung beruhe, und dafs die im Trichter eingeschlossene Lufts\u00e4ule, indem sie in Mitschwingung ger\u00e4t, ihren Eigenton stark mitklingen lasse. Dagegen ist zu sagen, dafs ein HELMHOLTzscher Resonator bekanntlich jedesmal mit seinem Eigenton anspricht, wenn in seiner Umgebung dieser Ton erklingt, gleichg\u00fcltig, ob er mit der \u00d6ffnung der Schallquelle zugewendet ist oder nicht, dafs in unserem Versuch die beschriebene\nVerst\u00e4rkung aber nur dann eintrat, wenn die Schallquelle, wie\n\u2022\u2022\nerw\u00e4hnt, sich innerhalb des Trichter-Offnungswinkels befand. Wenn also selbst eine gewisse resonatorenm\u00e4fsige Tonverst\u00e4rkung mitspielt, so \u00e4ndert sie doch an dem geschilderten Ph\u00e4nomen nichts. Aufserdem tritt es bei Trichtern verschiedener Gestalt und Gr\u00f6fse gleich deutlich auf, ohne dafs dabei ein je nach der","page":338},{"file":"p0339.txt","language":"de","ocr_de":"F\u00e4higkeit der Schallokalisation in ihrer Bedingtheit usu\\\n339\nTrichtergr\u00f6fse wechselnder Eigenton bemerkbar wird. Endlich gleicht es durchaus dem Wechsel in Schallst\u00e4rke und Qualit\u00e4t, den man beobachtet, wenn man sich mit unbewaffnetem Ohre der Schallquelle n\u00e4hert und sich von ihr entfernt. Der Trichter mufs also in der mehrfach bezeichneten Stellung irgendwie eine Verst\u00e4rkung hervorbringen, welche zugleich die Wahrnehmung der Schallqualit\u00e4t ver\u00e4ndert, w\u00e4hrend jeder von einer aufserhalb des \u00d6ffnungswinkeis stehenden Quelle herkommende Schall dem ersteren gegen\u00fcber sowohl im allgemeinen ged\u00e4mpft erscheint, als auch einer Anzahl von Teilt\u00f6nen zu ermangeln scheint.\nEs.blieb hiernach die Frage zu beantworten, ob auch an der menschlichen Ohrmuschel \u00e4hnliche Ph\u00e4nomene zu beobachten sind, denn sie hat im gewissen Sinne Trichterform, wenn auch von wesentlich abweichendem Bau.\nZun\u00e4chst war die Beurteilung der Schallintensit\u00e4t bei wechselnder Stellung der Schallquelle zum unbewaffneten Ohre im monotischen H\u00f6rakte n\u00e4her zu untersuchen. Als wir nun aber sowohl Stellung als auch Schallintensit\u00e4t \u2014 durch verschiedene H\u00f6heneinstellung der Abfallvorrichtung \u2014 variierten, ergab sich folgendes. Wir hatten erwartet, T\u00e4uschungen der Vp. \u00fcber die Stellung der Schallquelle durch Variieren der Intensit\u00e4t bewirken zu k\u00f6nnen, indem etwa ein abgewandt stehendes Phonometer bei gr\u00f6fserer Fallh\u00f6he als in der Richtung der Ohrmuschel\u00f6ffnung stehend beurteilt w\u00fcrde. Dem war aber nicht so. Hatte man von den zwei Fallphonometern das eine gegen\u00fcber der Ohrmuschel\u00f6ffnung, das andere auf der abgewandten Kopfseite aufgestellt, so trat zwar der Unterschied der scheinbaren Reizst\u00e4rke sehr deutlich hervor, wurde nun aber die Fallh\u00f6he des schw\u00e4cher erscheinenden, abgewandt stehenden Phonometers auch nur um einige Zentimeter erh\u00f6ht, so war die gr\u00f6fsere Intensit\u00e4t dieses Schlages deutlich zu erkennen. Wir entschlossen uns deshalb zu einem anderen Vorgehen und nahmen zun\u00e4chst die schon von anderen Autoren (s. oben) angestellten Versuche zur Bestimmung der Richtungsschwelle auf. Denn aus der Genauigkeit, mit der die Vp. die gegenseitige Stellung zweier Schallquellen erkennt, durften Schl\u00fcsse auf ihre Empfindlichkeit f\u00fcr Intensit\u00e4tsunterschiede zu ziehen sein.","page":339},{"file":"p0340.txt","language":"de","ocr_de":"340\n\u00dfrunzlow.\nIY. Yersuchsreihe: Bestimmung der Richtungsschwelle in den verschiedenen Bereichen der Horizontal ebene.\nWir stellten die Fallphonometer im Freien in einer Entfernung von 8 m von der Vp. auf, w\u00e4hlten eine mittlere, deutliche, aber nicht laute Schallst\u00e4rke, die wir bei 50 cm Fallh\u00f6he fanden, und bestimmten so von 30 zu 30 Grad den Winkel, innerhalb dessen die Vp. die gegenseitige Stellung der beiden Schallquellen als nicht unterscheidbar bezeichnete oder vielfache Verwechslungen beging, \u00fcber den hinaus sie aber sicher und zuverl\u00e4ssig die Lage der beiden zueinander jedesmal richtig angab1 (Tabelle 2). Wir fanden das Maximum dieser Winkel seitlich oder vornseitlich, dagegen 2 Minima (d. i. Optima der Lokalisationsgenauigkeit):\nAbbildung 5.\nTr Trommelfell.\nT Tragus.\nC Concha.\nDie schraffierten Sektoren bedeuten den Zuwachs der von den Schallwellen getroffenen Lufts\u00e4ule im Raume Tr\u2014T\u2014C, sowieKnorpel-fl\u00e4che von Ohrmuschel und Geh\u00f6rgang.\nH\neins vorn und eins hintenseitlich (Abb. 7 u. 8). Schon bei der groben Betrachtung war zu erkennen, dafs das hintere Minimum etwa dem hinteren Ohrmuschelrande entsprach, wohl ein wenig hinter ihm liegend.\n1 Nat\u00fcrlich waren der Vp. hierbei, wie \u00fcberhaupt bei allen Versuchen, entweder die Augen verbunden, oder sie hielt sie dauernd geschlossen.\n180","page":340},{"file":"p0341.txt","language":"de","ocr_de":"F\u00e4higkeit der Schallokalisation in ihrer Bedingtheit usw.\n341\nStiefsen wir also bei der Bestimmung der Richtungsschwelle in analoger Weise auf den Einflufs des hinteren Ohrmuschelrandes wie bei Feststellung der Beurteilung der Schallst\u00e4rken, so ergab sich die Notwendigkeit, den gegenseitigen Beziehungen zwischen der Stellung der Schallquelle und der Gestalt der Ohrmuschel im Hinblick auf die Schallwahrnehmungen an der Hand genauer Messungen nachzugehen.\nAbbildung 6.\ny\nla >\n1, 2, 3, 4 sind die Ausgangsstellungen bei 0\u00b0, 30\u00b0, 60\u00b0, 90\u00b0; la, 2a, 3a, 4a die Punkte des Umkreises, an denen der Stellungsunterschied der Schallquelle jeweils sicher erkannt wurde.\nIn den gebr\u00e4uchlichen anatomischen Atlanten und Lehrb\u00fcchern finden sich zwar sehr viele senkrechte Schnitte durch das \u00e4ufsere Ohr, aber wenige horizontale; die zwei Horizontalschnitte, die ich in Henkes Atlas der topographischen Anatomie und in Br\u00fchls Ohrenheilkunde in Lehmanns Atlantensammlung finde, zeigen die Ohrmuscheln so stark an den Kopf gedr\u00fcckt und verunstaltet, dafs sie nach Leichengefrierschnitten gezeichnet zu sein scheinen und dem Ohre des Lebenden nicht entsprechen.","page":341},{"file":"p0342.txt","language":"de","ocr_de":"342\nBrunzlow.\nTabelle 2.\n(Hierzu Abb. 7 u. 8.)\nFeststellung der Richtungsschwelle im Horizontalkreis, einohrig, mit D\u00e4mpfungshaube, mit 2 Fallphonometern, Abstand 8 m, Fallh\u00f6he 50 cm,\nim Freien.\na) Vp. Gefreiter D. Rechtes Ohr. Tag: 17. 9. 1924.\nOhrbefund: Ohrmuschel\u00f6ffnung 20 mm.\nAbweichung der Ohrmuschelachse 42\u00b0. Trommelfelle getr\u00fcbt r = 1. H\u00f6rweite f\u00fcr Fl\u00fcstersprache r = 1 > 7 m.\nStandort de Ausgangs- stellung\t>r 2 Phonometer Richtig erkannte Abweichung\tKennzeichnung des Schallcharakters\nO\u00ae\t2\u00b0 nach rechts\tDer rechte ist lauter und n\u00e4her\n30\u00b0\t15\u00b0\t\u201e\tdesgl.\n40\u00b0\t15\u00b0 \u00bb\tdesgl.\n60\u00b0\t4^ o o 5*\tdesgl.\n90\u00ae\t35\u00b0 \u00bb\tdesgl.\n120\u00b0\t25\u00b0 r hinten\tDer linke ist n\u00e4her\n150\u00b0\t30\u20145\u00b0 n. \u201e\tdesgl.\n180\u00b0\t20\u00b0 nach rechts\tdesgl.\n225\u00b0\t15\u00b0\t\u201e links\t\n270\u00b0\t10\u00b0\t\u201e vorn\t\n315\u00b0\t5\u00b0\u201410\u00b0 n. \u201e\t\nb) Vp. stud. phil. Fr. Linkes Ohr, Tag: 5. 2. 1925 und 26. 2. 1925. Versuchsbedingungen: auf grofsem Speicher, 7 m Abstand,\nFallh\u00f6he 30 und 50 cm.\n0\u00bb\t5\u00b0\tnach\tlinks\tFallh\u00f6he 30\t\tcm\no O CO\t10\u00b0\t75\tT9\t75\t30\t75\n60\u00b0\t15\u00b0\tn\t99\t55\t30\t75\n90\u00b0\to O -<*\tnoch unsicher\t\t55\t30\t75\n90\u00b0\t40\u00b0\tgenau\t\t75\t50\t75\n120\u00b0\tO O rH A\tnach hinten\t\t55\t30\t55\n150\u00b0\t10\u00b0\t77\t99\t75\t30\t75\n30\u00b0\t15\u00b0\tn\trechts\t75\t30\t75\n0\u00b0\t2\u00b0\t77\t75\t51\t30\t75\n330\u00b0\t15\u00b0\t75\t75\t55\t30\t75\n300\u00b0\t25\u00b0\tn\t75\t75\t30\t75\n270\u00b0\t< 5\u00ae\tn\thinten\t75\t30\t75\n210\u00b0\t20\u00b0\tn\t99\t75\t30\t75\n180\u00b0\t5\u00b0\t75\trechts\t75\t30\t55","page":342},{"file":"p0343.txt","language":"de","ocr_de":"F\u00e4higkeit der Schallokalisation in ihrer Bedingtheit usw.\n343\nAbbildung 7.\nVersuchszwecke Feststellung der Riehtungsschwellen beim monotischen\nH\u00f6ren im Freien.\n(2 Fallphonometer in 8 m Abstand. Fallh\u00f6he 50 cm im \u00e4ufseren Kreise,\n10 u. 15 \u201e\t\u201e inneren \u201e\t)\nVersuchsperson: Gefreiter D.\tTag; 17. 9. 24.\nRechts.\tHorizontalkreis.\n/\nDie Pfeilspitzen bezeichnen die Punkte, an denen die Abweichung erkannt wurde.\n> 50 cm Fallh\u00f6he\n------->l\u00f6\n-------> 10\nn\nr>\nAbbildung 8.\nVersuchszweck wie Abb. 1 gepr\u00fcft auf grofsem Speicher. Fallphonometer in 7 m Abstand. Fallh\u00f6he \u00e4ufserer Kreis 30 cm\ninnerer \u201e\t50\t\u201e\nVersuchsperson: stud. phil. Fr.\t------> 1. Tag: 5. 2. 25.\n----> 2. .. : 26. 2. 25.\nLinks.\nHorizontalkreis.\n210","page":343},{"file":"p0344.txt","language":"de","ocr_de":"344\nBrunzlow.\nWir sahen uns gegen\u00fcber diesem Mangel vor die Notwendigkeit gestellt, die Gestalt der Ohrmuschel des Lebenden im Horizontalschnitt (denn auf diesen kam es f\u00fcr unsere zun\u00e4chst in der Horizontalebene vorgenommenen Messungen vor allem an) m\u00f6glichst genau festzulegen. Wir stellten durch Messungen die Mafse der Ohrmuscheln unserer Vp. in Millimetern, dazu Gr\u00f6fse und Lage ihrer \u00d6ffnungswinkel und Stellung der Muschel zum Kopf fest und zeichneten hiernach Querschnittsprofile. Die Durch-schnittsmafse unserer Vp. sind den halbschematischen Figuren auf Abb. 5\u20149 zugrunde gelegt.\nDie Betrachtung ergibt, dafs der \u00e4ufsere Geh\u00f6rgang mit der Ohrmuschel daran einem H\u00f6rrohre gleicht etwa von der Gestalt eines mehrfach gebogenen Hornes und einer trompetenf\u00f6rmigen Erweiterung daran, der Muschel. An dieser Trompete ist der vordere Rand herausgeschnitten und durch eine kleine zungenf\u00f6rmige Klappe ersetzt: den Tragus. Der Tragus legt sich in der Seitenansicht des Ohres wie ein Deckelchen halb vor den Geh\u00f6rgang. Die Kurve des hinteren Randes der Trompete zeigt eine becherrand\u00e4hnliche Einziehung; die Ohrmuschel ist also ersichtlich f\u00fcr das Auf fangen von vom kommender Schallwellen gebaut, und daran \u00e4ndert auch die bei einzelnen Menschen etwas abweichende Stellung zum Kopfe nichts Wesentliches.1\nBringt man nun dieses Ohrprofil mit einem Kreise zur Deckung, auf dem die Richtungsschwellenwinkel eingetragen sind, so ergeben sich eine Anzahl h\u00f6chst beachtenswerter Beziehungen, die an der Hand einer Auswahl aus unseren Protokollen und Zeichnungen (Tab. 2, Abb. 5\u20148) er\u00f6rtert werden sollen.2\n1. Betrachten wir die in diesen Schallbecher einfallenden Schallstrahlen (Abb. 5 u. 6), die wir im Hinblick auf die grofse Entfernung unserer Schallquelle zu der kleinen Ohrmuschel (in unseren Versuchen 8 m : 16\u201420 mm) als parallel ansehen k\u00f6nnen,\n1\tWie man sich das Auffangen des Schalles vorzustellen habe, soll durch besondere, schon begonnene Untersuchungen gekl\u00e4rt werden. Der n\u00e4chstliegende Gedanke einer Reflexion scheint nach Machs Einwendungen physikalisch nicht haltbar zu sein. Vielleicht handelt es sich um eine Resonanz, an der sich sowohl die von Muschel und Geh\u00f6rgang umschlossene Lufts\u00e4ule, als auch der Knorpel dieser Gebilde beteiligen.\n2\tWir haben in unseren Versuchen darauf verzichtet, Kopfschwankungen durch Fixation auszuschalten. Da wir jede einzelne Winkelbestimmung als Durchschnitt vieler Einzelversuche gewonnen haben, so darf angenommen werden, dafs die Schwankungsfehler sich untereinander ausgeglichen haben.","page":344},{"file":"p0345.txt","language":"de","ocr_de":"F\u00e4higkeit der Schallokalisation in ihrer Bedingtheit usw.\n345\nso sehen wir sie in breitester Masse in das Ohr fallen aus der Richtung, nach welcher das Lot zur Muschel\u00f6ffnung weist. Liegt der Einfallswinkel hinter diesem Lot, so verringert sich zwar die von der Muschel aufgefangene Schallmasse, sie trifft aber nun auch immer mehr direkt in die Geh\u00f6rgangs\u00f6ffnung hinein. In diesem Bereiche zeigen uns die Abb. 7 u. 8 grofse Richtungsschwellen. Liegt der Einfallswinkel vor dem Lot, so wird die aufgefangene Schallmasse immer kleiner, je mehr die Schallquelle nach vorn r\u00fcckt. Im gleichen Sinne wird auch die Richtungsschwelle immer kleiner.\n2.\tJe kleiner die aufgefangene Schallmasse ist, um so mehr macht sich gem\u00e4fs des WEBER-FECHNERschen Satzes jeder Zuwachs geltend, und eine um so geringere Verschiebung der Schallquelle gen\u00fcgt, eine merkliche Zu- oder Abnahme herbeizuf\u00fchren, um so genauer wird die Lokalisationssch\u00e4rfe, um so kleiner die Richtungsschwelle.\n3.\tEine besonders kleine Richtungsschwelle wird an 2 Stellen gefunden: gerade voraus in der Blickrichtung und hinten-seitlich. Die Figuren lehren, dafs es jene Punkte sind, an denen hinten durch die Ohrmuschel alle von hinten, vorn durch den Vorderkopf alle von der Gegenseite kommenden Schallwellen abgefangen werden. Sonach vollzieht sich hier etwas Analoges, wie wir es bei den H\u00f6rtrichterversuchen gefunden hatten, wenn die Schallquelle aufserhalb des \u00d6ffnungswinkels r\u00fcckte.\n4.\tEine Sonderstellung nimmt der H\u00f6rbereich ein, der ganz hinter die Ohrmuschel und auf die abgewandte Kopfseite f\u00e4llt. Aufmerksame Vpn. erkennen deutlich, dafs alle aus ihm kommenden Schallreize schw\u00e4cher empfunden werden auch als die von vorn kommenden. Es m\u00f6chte paradox erscheinen, entspricht aber doch wieder dem WEBER-FECHNERschen Satze, dafs hier die Lokalisationssch\u00e4rfe bedeutend, die Richtungsschwelle also klein gefunden w7urde. Aber diese Regel gilt \u2014 wieder gem\u00e4fs des W.-F. Satzes \u2014 nur f\u00fcr mittelstarke Reize, w\u00e4hrend f\u00fcr schwache sich das Verh\u00e4ltnis umkehrt und die Lokalisation ungenau wird. Wenn wir mit der Fallh\u00f6he unter 10 cm herabgingen, h\u00f6rte sogar\ndie F\u00e4higkeit der Lokalisation ganz auf. Unsere Befunde ent-Zeitschr. f. Sinnesphysiol. 56.\t24","page":345},{"file":"p0346.txt","language":"de","ocr_de":"346\nBrunzlow.\nsprachen dann ganz denen Blochs, auf die wir unten noch n\u00e4her zur\u00fcckkommen (Abb. 7, 8 u. 11, sowie Tab. 2 b).\nHier mufs eine Bemerkung eingeschaltet werden. In der Literatur kehrt oft das Wort vom Schallschatten des Kopfes wieder. Dieser bildliche Ausdruck ist unzweckm\u00e4fsig, weil er dem Wesensunterschiede in der Ausbreitungsweise des Schalles und des Lichtes nicht Rechnung tr\u00e4gt. F\u00fcr die Schallfortpflanzung gibt es nichts, was einem Schatten im Wesen entspricht, sondern nur eine D\u00e4mpfung, weil die Schallwellen nicht geradlinig sich fortpflanzen wie das Licht, sondern den ganzen Raum erf\u00fcllen. Die kugelf\u00f6rmig sich ausbreitenden Schallwellen wirken in jedem Punkte ihrer Ausbreitung wiederum als Erreger neuer Wellen, so dafs es also keinen Punkt eines wie immer gestalteten Raumes gibt, den die Verdichtungswellen des Schalles nicht erreichten.\nMan kann das sehr plastisch erleben, wenn man in einem der Strafse abgewandten Zimmer bei offenem Fenster den Strafsen-l\u00e4rm beobachtet. W\u00e4hrend der Schein der hellsten Bogenlichtlampen, die auf der Strafse stehen, ein solches Zimmer dennoch im Dunkeln l\u00e4fst, dringt der L\u00e4rm auch hier hinein und zwar deutlich durch das offene Fenster. Liegt das Haus in einer zusammenh\u00e4ngenden Reihe, erscheint er fern und verworren, liegt es frei, ist er ged\u00e4mpft, aber doch so deutlich, dafs man Einzelheiten genau unterscheiden kann. Die Schallwellen greifen um jedes Hindernis herum, sie werden nur verschieden stark ged\u00e4mpft je nach seiner Gr\u00f6fse.\nSonach wirkt jedes Hindernis, das sich zwischen eine Schallquelle und das perzipierende Ohr stellt, als D\u00e4mpfer, und wir sollten nicht von Schallschatten, sondern besser von ged\u00e4mpften und unged\u00e4mpften Schallen sprechen.\nEine solche D\u00e4mpfung wird dem Ohre gegen\u00fcber auch f\u00fcr alle von hinten und von der abgewandten Seite kommenden Schalle durch den Kopf und dazu durch die Ohrmuschel ausge\u00fcbt; auf ihr beruht der Unterschied der Schallintensit\u00e4t und Qualit\u00e4t beim monotischen H\u00f6ren f\u00fcr die verschiedenen Schallrichtungen wahrscheinlich in erster Linie.\n5. Gerade in dem hinterem H\u00f6rbereich ergeben sich nun sehr lehrreiche Beobachtungen hinsichtlich der Schallqualit\u00e4ten.","page":346},{"file":"p0347.txt","language":"de","ocr_de":"F\u00e4higkeit der Schallokalisation in ihrer Bedingtheit usw.\n347\nWir gingen an unsere Versuche mit der Erwartung heran, einen entscheidenden Einflufs der Schallintensit\u00e4t auf das r\u00e4umliche H\u00f6ren nachweisen zu k\u00f6nnen. Das Ergebnis war jedoch, dafs dem nicht so ist. Dem Bewufstsein dr\u00e4ngt sich vielmehr in erster Linie die r\u00e4umliche Beziehung auf, und bei eingehender Selbstbeobachtung werden h\u00e4ufiger Qualit\u00e4tsunterschiede bemerkbar als Intensit\u00e4tsverschiedenheiten. Legten wir unseren Vpn. die Frage vor, woran sie erkannten, dafs dieser Schall mehr von links, jener mehr von rechts herkomme, so gaben sie verschiedene Urteile ab. Der eine empfand den voll ins Ohr treffenden (im zentralen H\u00f6rbereich [s. unten] wahrgenommen) Schall ..n\u00e4her\u201c, jener \u201edeutlicher\u201c, ein anderer \u201eheller\u201c und im Gegensatz dazu den mehr von vorn oder hinten (peripher) her kommenden als \u201eferner\u201c, \u201eundeutlicher\u201c oder \u201etiefer\u201c, aber viel seltener gab jemand an, dafs dieser schw\u00e4cher, jener st\u00e4rker erscheine. Fast durchweg wurden Qualit\u00e4tsunterschiede als bestimmend empfunden, und diese Urteile wurden besonders scharf gef\u00e4llt, die Empfindung der Qualit\u00e4ts\u00e4nderung war besonders lebhaft in dem hinteren, im ganzen stark ged\u00e4mpften H\u00f6rbereich.\nDiese Beobachtung stimmt durchaus mit dem \u00fcberein, was wir bei Klemm finden. Seine Untersuchungen, welche er in der 3. Mitteilung 1 schildert, gipfeln in der Feststellung, dafs der Intensit\u00e4tsunterschied nicht mit der Genauigkeit unserer Richtungsauffassung parallel geht. Es mufs auch nach Klemms Versuchen etwas anderes sein, was das Wesen unserer r\u00e4umlichen Schallempfindung ausmacht, als die Empfindung verschiedener Schallst\u00e4rken, und da bleibt nur \u00fcbrig die Klangfarbe. Hierf\u00fcr spricht auch etwas anderes.\nEs ist bekannt und von verschiedenen Beobachtern immer wieder betont worden, dafs Ger\u00e4usche leichter zu lokalisieren sind als einfache T\u00f6ne. Je reicher eine Geh\u00f6rsempfindung aus T\u00f6nen verschiedener H\u00f6henlage zusammengesetzt ist, um so sch\u00e4rfer lokalisieren wir. Nun sind in einer solchen zusammengesetzten Tonmasse zun\u00e4chst nicht alle Teilt\u00f6ne gleich laut, und deshalb verschwunden unserem Ohre bei jeder D\u00e4mpfung eine Anzahl derselben fr\u00fcher als andere. Man beobachte das Ger\u00e4usch eines davonrollenden Wagens (am deutlichsten gelingt es, wenn\n1 0 Klemm. A. f. Psychologie 38, S. 90.\n24*","page":347},{"file":"p0348.txt","language":"de","ocr_de":"348\nBrunzlow.\nman ein Ohr zuh\u00e4lt: D\u00e4mpfung!) und man wird erkennen, dafs er mit wachsender Entfernung nicht nur an St\u00e4rke verliert, sondern auch seine Klangfarbe oder besser seine Qualit\u00e4t \u00e4ndert. Oder man beobachte das Ger\u00e4usch eines neben uns her fahrenden Wagens, indem man abwechselnd das eine und das andere Ohr verschliefst: dasselbe Ph\u00e4nomen. In diesen Beobachtungen wird das Klangbild jedesmal durch D\u00e4mpfung beeinflufst (auch wachsende Entfernung d\u00e4mpft zunehmend), und je st\u00e4rker die D\u00e4mpfung, desto deutlicher wird \u2014 innerhalb gewisser Grenzen \u2014 jeder Wechsel.\nHieraus ergab sich eine weitere Versuchsaul g\u00e4be.\nY. Versuchsreihe: Die Beurteilung der Schallqualit\u00e4ten in ihrer Abh\u00e4ngigkeit von der Stellung der Schallquelle zum Ohre.\nEs galt also, die Beziehungen klarzulegen, welche zwischen den wahrgenommenen Schallqualit\u00e4ten d. h. dem scheinbaren Charakter der klanglichen Zusammensetzung eines Schalles und der Stellung der Schallquelle zum Ohre bestehen. Ich vermeide in folgendem den Ausdruck \u201eKlangfarbe\u201c und setze daf\u00fcr \u201eQualit\u00e4t\u201c oder \u201eCharakter\u201c, weil der Begriff \u201eKlangfarbe\u201c vornehmlich im musikalischen Sinne gebraucht zu werden pflegt, w\u00e4hrend wir mit ger\u00e4uschartigen Reizen arbeiteten, die zwar auf eine gewisse Tonh\u00f6he abgestimmt werden konnten, aber doch keinen eigentlich musikalischen Klang besafsen; wir w\u00e4hlten solche Reize, weil auch im t\u00e4glichen Leben zumeist Ger\u00e4usche als richtunggegeben empfunden werden, und weil es bei ihnen am leichtesten ist, wechselnden Charakter wahrzunehmen.\nZun\u00e4chst sei \u00fcber einen (zuf\u00e4lligen) Vorversuch berichtet. Wir beobachteten von dem Garten, in dem wir experimentierten, aus die Musik einer jenseits des Hauses konzertierenden Milit\u00e4rkapelle. Dabei gelang es nun allen mit einigem musikalischen Geh\u00f6r begabten Teilnehmern der Versuche, den Unterschied in der Klangzusammensetzung zu erkennen, w7enn man bei Ver-schlufs des einen Ohres sich im Kreise drehte, also das h\u00f6rende Ohr der Musik bald zu-, bald abkehrte. Bei letzterer Stellung verschwanden mehr und mehr die B\u00e4sse, und damit zugleich erschien die Musik ferner. Diese Beobachtung ist ja wohl bekannt und sogar schon musikalisch-szenisch verwertet worden, aber sie erschien mir in diesem Zusammenh\u00e4nge richtungweisend.","page":348},{"file":"p0349.txt","language":"de","ocr_de":"F\u00e4higkeit der Schallokalisation in ihrer Bedingtheit usiv.\n349\nDer weitere Versuchsgang gestaltete sich folgendermafsen. Wir be-nuzten als Schallquellen unsere Fallphonometer, die wir mit verschiedenen Schallbrettern ausstatteten. Teils waren es 2 Holzbrettchen von 5 mm Dicke in den Ausmafsen von 10 : 12 cm von ann\u00e4hernd gleicher Tonh\u00f6henlage, sehr arm an Obert\u00f6nen, ferner ein flaches Zigarrenkistchen, das einen etwas tieferen und obertonreicheren Schall gab, sodann der Brettsitz eines schr\u00e4g gestellten Stuhles mit noch tieferem Ton. Im Unterschiede zu diesen im ganzen klangarmen, \u201eh\u00f6lzernen\u201c Schallen standen eine Reihe von 4 Blechdeckeln: 2 runden, 9 und 10 cm im Durchmesser und 2 viereckigen in den Mafsen 18 : 23 und 19 : 25 cm, alle mit einem etwa 1 cm hohen Rande; diese Blechplatten gaben neben dem Grundton sehr scharfe, klirrende Obert\u00f6ne. Nach der Abstimmung der Grundt\u00f6ne ordneten wir sie in folgende Reihe:\na) Holz\tb) Blech\nNr.\t1\t=\th1\t(Brettchen)\tNr.\t4\t=\td2\t^\trunde\n\u201e\t2\t=\tb1\t(Kistchen)\t\u201e\t5\t=\th1\t/\tBlechdeckel\n\u201e\t3\t=\te1\t(Stuhlsitz)\t\u201e\t6\t=\tb1\ti\tviereckige\n\u201e\t7\t=\ta1\tj\tBlechdeckel\nSchalierreger waren teils Kugeln aus Stahl (f\u00fcr Kugellager) oder Glas (Knicker), teils ein gummiarmierter Perkussionshammer ; letzteren vereinigten wir mit frei h\u00e4ngendem Schallbrett zu einer Art von Schallpendel. Wir legten Wert darauf, den Schallreiz stets in der Art eines kurzen Schlages zu geben. \u2014 Sp\u00e4ter verwendeten wir auch kontinuierliche Ger\u00e4usche; dar\u00fcber siehe unten.\nDie Schallbretter wurden teils so \u00fcber einen verschiebbaren Steg gelagert, dafs sie m\u00f6glichst frei schwingend einen klangreichen Schall ergaben, teils wurden sie durch Auflegen von Holzkl\u00f6tzchen verschiedener Gr\u00f6fse ged\u00e4mpft. Die Grade der D\u00e4mpfung sind in den Protokollen durch den Zusatz a, b, c, a -j- b usw. (je nach Gr\u00f6fse des D\u00e4mpfers) zu den Qualit\u00e4tennummern bezeichnet.\nDie Versuche fanden anfangs im Freien, sp\u00e4ter (der Jahreszeit wegen) auf einem sehr grofsen Speicherraum des Seminars, z. T. auch im Zimmer statt. Anfangs setzten wTir der Vp. stets die D\u00e4mpfungshaube auf, sp\u00e4ter liefsen wir sie bei manchen Versuchen weg. Es zeigte sich, dafs die Ergebnisse selbst dadurch nicht ver\u00e4ndert wurden, dafs aber die Sicherheit des Urteils mit Haube gr\u00f6fser war als ohne sie.\nZwei Versuchsreihen, welche bestimmen sollten, an welchen Punkten des Umkreises sich der Qualit\u00e4tswechsel vollzieht, wurden mit kontinuierlichen Ger\u00e4uschen angestellt, die ihre Lage zur Vp. st\u00e4ndig wechselten.\nZun\u00e4chst w\u00e4hlten wir das klappernde Ger\u00e4usch, welches mit freier Hand mittels eines leichten Holzschl\u00e4gels auf einem Holzbrettchen oder einem Blechdeckel trommelnd durch einen Gehilfen erzeugt wurde, der damit in 2 m Abstand um die mit geschlossenen Augen sitzende Vp. herumging. Die Ergebnisse waren ungenau.\nWir nahmen deshalb eine feststehende Schallquelle, teils einen Gas-Bunsenbrenner, teils eine Baranysche L\u00e4rmtrommel. Die Vp. safs mit geschlossenen Augen auf einem Drehsessel \u00fcber dem fr\u00fcher erw\u00e4hnten Krsie-","page":349},{"file":"p0350.txt","language":"de","ocr_de":"350\nBrunzlow.\nbogen in 2 m Entfernung und beobachtete das Brausen, Zischen und Schnarren dieser Schallquellen, sich nach eigenem Belieben hin und her drehend, bis sie den Punkt des Qualit\u00e4tswechsels gefunden zu haben meinte. Dieser wurde abgelesen. Der Vp. wurden dabei die Aufgaben gestellt, teils aus dem zentralen zum peripheren H\u00f6rbereich (s. \u00fcber diese Bezeichnung unten), teils umgekehrt dessen vordere und hintere Grenze tastend zu erlauschen.\nEine Auswahl aus unseren bez\u00fcglichen Versuchsprotokollen bilden die Tabellen 3\u20146. Das Ergebnis aus der Gesamtheit dieser und zugleich der fr\u00fcheren Versuche fassen wir folgender-mafsen zusammen:\n1. Die Wahrnehmung des Schallcharakters war von wesentlich unterschiedlicher Art je nach der Stellung, welche die Schallquelle zum Ohre hatte. Aus der Mannigfaltigkeit der abgegebenen Urteile traten 2 Gruppen von Qualit\u00e4ten deutlich hervor.\nZur besseren Verdeutlichung vergegenw\u00e4rtigen wir uns den schematischen Ohrmuschelquerschnitt in seiner Verbindung mit einem Kopfquerschnitt und erg\u00e4nzen das Bild durch eine Linie, welche den freien Rand der Ohrmuschel C (Concha) mit der Schl\u00e4fe (S) verbindet (Abb. 10). Dann leuchtet ein, dafs alle Schallwellen, welche von Schallquellen ausgehen, die innerhalb des Winkels Sx\u2014T\u2014Cx stehen, irgendwie unmittelbar den Geh\u00f6rgang oder die Ohrmuschel treffen, w\u00e4hrend aufserhalb der Schenkel dieses Winkels entstehende Schalle durch Kopf oder Ohrmuschel abgefangen, also ged\u00e4mpft werden.\nWir wollen demgem\u00e4fs einen zentralen H\u00f6rbereich und einen peripheren H\u00f6rbereich unterscheiden undinnerhalb des letzteren wiederum einen vorderen, hinteren, oberen und unteren peripheren H\u00f6rbereich trennen. Diese treffen auf der abgewandten Kopfseite zusammen.\nWir haben bisher nur den zentralen, sowie den vorderen und hinteren peripheren H\u00f6rbereich untersucht (s. Abb. 7, 8 und 9).\n2. Die Schallauffassung im zentralen H\u00f6rbereich ist gekennzeichnet einmal durch die gr\u00f6fsere scheinbare St\u00e4rke des Schalles als Ganzen, sodann durch die gr\u00f6fsere Klarheit des Empfindungskomplexes, indem die Einzelheiten der zusammengesetzten Klangempfindung mehr hervortreten (Tab. 5 a\u2014c). Was die einzelnen Vpn. aus dem Schallkomplex heraush\u00f6rten, war individuell sehr verschieden.","page":350},{"file":"p0351.txt","language":"de","ocr_de":"F\u00e4higkeit der Schallokalisation in ihrer Helligkeit usw.\n351\nTabelle 3.\nErkennung der gegenseitigen Lage und Qualit\u00e4tsbestimmung.\n2 Fallphonometer mit wechselnden Schallbrettern (Bezeichnung der\nQualit\u00e4tsnummern siehe im Text) und wechselnder D\u00e4mpfung (siehe\nText) im Freien, 8 m Abstand.\nVp. Gefr. D. Linkes Ohr. Tag: 10. 10. 1924.\nVersuchsreihe\tQualit\u00e4tsnummer, D\u00e4mpfung und Stellung der Phonometer 1. Schlag |j 2. Schlag\t\t\t\tAngabe d. Stellung -f- richtig, \u2014 falsch\tSchallcharakteristik 1. Schlag (rechts) 2. Schlag (links) 1\t\nA\t1\t0\u00b0\ti\t30\t+\t\u2014 .\tKlarer, heller, st\u00e4rker\n\t1\t0\u00b0\tla\t3\u00b0\t\u2014\tBeide klin^\t*en schw\u00e4cher\n\t1\t0\u00b0\tla\t10\u00b0\t~b\t\t\tReinerer, hellerer Ton\n\t\t\t\t\t\t\t(trotz D\u00e4mpfung!)\n\t1\t0\u00b0\tib\t10\u00b0\t+\t\u2014\tDasselbe.\n\t1\t0\u00b0\tle\t10\u00b0\t\u2014\t\u2014\t\u00bbMan kann es f\u00fchlen,\n\t1\t0\u00b0\tle\t10\u00b0\t-f-\t\u2014\tJdafs derTon mehr ins\n\t6\t0\u00b0\t7b\t10\u00b0\t-f\t\u2014\t(Ohr hinein kommt.\nB\t1\t90\u00b0\t3\t125\u00b0\t+\tReiner.\tDumpfer.\n\t1\t90\u00b0\t2\t125\u00b0\t\u2014\tKlarer.\tNicht so klar.\n\t1\t90\u00b0\t1\t125\u00b0\t\u2014\t\t\n\t1\t90\u00b0\t1\t140\u00b0\t\u2014\t\t\nC\t1\t30\u00b0\t1\t80\u00b0\t+\tDer gegenseitige 1\tLbstand wird zu klein,\n\t\t\t\t\t\tdie absolute Lage\tzu weit nach vorn an-\n\t\t\t\t\t\tgegeben.\t\n\t1\t30\u00b0\t2\t65\u00b0\t?\tStehen viel n\u00e4her zusammen. Quali-\t\n\t\t\t\t\t\tt\u00e4tsurteil nicht zu\terlangen.\nOrientierungsfigur\n116b\u00ab\n1180\u00b0-,\nII125* '","page":351},{"file":"p0352.txt","language":"de","ocr_de":"352\nBrunzlow.\nTabelle 4.\nQualit\u00e4tsbestimmung und Lokalisation.\n2 Fallphonometer im Freien wie in Tabelle 3, beide seitlich auf 90\u00b0 nahe beieinander (unter Richtungsschwelle!) ohne Stellungswechsel.\nVp. cand. phil. et med. H. Rechtes Ohr. Tag: 17. 10. 24.\nVer- suchs-\tQualit\u00e4tsnummer und D\u00e4mpfung\t\tUrteile \u00fcber Charakter und Stellung\t\nreihe\t1. Schlag\t2. Schlag\t1. Schlag\t2. Schlag\nA\tlb m. Stahlkugel !\tlb m. Stahlkugel\tDunkler, voller, runder, reicher zusammengesetzter ; steht vorn links von mir.\tHeller, k\u00fcrzer, spitzer, einfacher; steht vorn rechts von mir.\n\tn\tn\tDerselbe Ton, erst kommt das Dunkle, dann das Helle.\tDerselbe Ton wie vorhin.\nB\tlb Stahlkug.\t1 Stahlkug.\tFerner, d\u00fcnner, runder, weicher.\tHeller, fester, n\u00e4her, wie ein St\u00fcck Holz klingt.\n\tn\t\u00bb\tTiefer als zuvor, der Ton ist eingeh\u00fcllt durch etwas Weiches, steht ferner, kommt langsam ; steht vor mir etwas rechts und hoch.1\tKnallartig kurz, an mich anprallend, heller, einfacher; steht n\u00e4her heran, mehr nach rechts und tiefer.1\nC\t3 Glas- kugel\t1 Stahl- kugel\tTief, voll, breit, gedehnt, w\u00e4rmer ; steht vor mir, hoch.1\tHoch, d\u00fcnn, klein; steht neben mir rechts, tief.1\n\tV\t\tAnders! nicht so kugelig, sondern in die L\u00e4nge gezogen, breit, verschwommen, erst ein tiefer, warmer, rundlicher Ton, der \u00fcbergeht in einen kompakten, h\u00f6heren, helleren, l\u00e4ngeren Ton, der verhallt. (Die Kugel rollte nach dem ersten Aufschlag \u00fcber das Brett weiter.)\tWenig ausgedehnt, punktf\u00f6rmig, klarer als Ton. Beide stehen jetzt n\u00e4her beieinander, der erste mehr seitlich, der zweite davor.\nD\t3 Glas- kugel\t2 a-f b Stahlkugel\tViel ferner, dumpfer, dunkler, leichter einfacher, klingt anders als vorher.\tSchwerer, kr\u00e4ftiger, voller, n\u00e4her.\n| 1\t\t\tZwischen beiden kaum ein Richtungsunterschied* beide rechts vorn, der erste fern, mehr links* der zweite n\u00e4her, mehr rechts.\t\n\t\u00bb\tV\tD\u00fcnner, heller; steht links.\tDicker, runder, w\u00e4rmer; steht rechts.\n1 Vp. h\u00e4lt den Kopf hierbei etwas gesenkt.","page":352},{"file":"p0353.txt","language":"de","ocr_de":"F\u00e4higkeit der Schallokalisation in ihrer Bedingtheit usw.\n353\nDie Richtungsschwelle der Vp. war bei 90\u00b0 seitlich nach hinten f\u00fcr zwei einander gleiche Schl\u00e4ge 1 oder lb grob, die Unterscheidung ungenau noch bei Richtungsunterschieden von 22\u00b0 bzw. 40\u00b0; im Gegensatz dazu sind sehr differente Qualit\u00e4ten schon bei einem Phonometer-Abstand von nur etwa 5\u00b0 richtig in ihrer gegenseitigen Stellung erkannt werden. Wichtig ist zudem die falsche absolute Lokalisation, bei der im allgemeinen die d\u00fcnnen Qualit\u00e4ten (1, lb) in den peripheren, die volleren (2, 3) in den zentralen H\u00f6rbereich verlegt werden. Der Eindruck verschiedener H\u00f6henlage bei gesenktem Kopf entspricht einer analogen T\u00e4uschung in der Sagittalebene.\nOrientierungsfigur\n2. 1\nO 0\\B\n\\\n1\nO\nc\n2.\nO\nPhonometer- ! Stellungen I\n-f- wirkliche, konstante\nO scheinbare\n1\nO\n-f-1.1 Phono--j- 2./ meter\nTabelle 5.\nQualit\u00e4tsbestimmung und absolute Lokalisation, mittels Schallpendels im Zimmer, einohrig, ohne D\u00e4mpfungshaube Vp. stille sitzend, Schallquelle\nbewegt in 2 m Abstand.\na) Vp. stud. phil. L. Linkes Ohr. 20. 11. 24.\nStellung 1 0\u00b0 (vorn)\tStellung 2 45\u00b0\tStellung 3 90\u00b0 (zugewandt)\tStellung 4 135\u00b0\tStellung 5 180\u00b0\tStellung 6 270\u00b0 (abgewandt)\nTiefer, ge-\tKlang \u00e4hn-\tIst etwas\tEtwas\tEtwas\tDer tiefere\nd\u00e4mpfter\tlieh, etwas\theller ge-\tlinks, die\ttiefer,\tTon ist st\u00e4r-\nHolzton,\th\u00f6her, ein\tworden ; et-\tObert\u00f6ne\tschw\u00e4cher,\tker als die\nwenig Ober-\ttiefer Unter-\twas nach\tst\u00e4rker und\tnach rechts\tObert\u00f6ne\nt\u00f6ne; steht\tton und ein\tlinks ge-\teindring-\tger\u00fcckt.\tund klirren-\nvorn\tleises,\tr\u00fcckt, vorn,\tlicher 1 ;\t\tder ; ist be-\n1/2 rechts.\th\u00f6lzernes Nachklappern ; steht geradeaus.\tV2 links.\tStellung zweifelhaft (links ?)\t\tdeutend nach rechts ger\u00fcckt, steht Va rechts vorn.\n1 Anschlag unbeabsichtigt st\u00e4rker.","page":353},{"file":"p0354.txt","language":"de","ocr_de":"354\nBrunzloiv.\nb) Vp. stud. phil. F. Linkes Ohr. 20. 11. 24. Blechdeckel als Schallbrett, sonst wie bei a.\n1 0\u00b0 (vorn)\t2 45\u00b0\t3 90\u00b0 (zugewandt)\t4 135\u00b0\t5 180\u00b0\t6 270\u00b0 (abgewandt)\nKlingt ganz\tEtwas lauter\tDas Ganze\tDer Ton\tDer Ober-\tDumpfer\ndumpf, es\tund heller\tleiser, der\tscheint et-\tton kaum\tGongton,\nsind nicht\tals vorher,\tOberton\twas h\u00f6her\tzu merken ;\thaupts\u00e4ch-\ndeutlich\tmehr ein\tk\u00fcrzer ;\tgeworden,\thinten.\tlieh der\n2 T\u00f6ne da;\tblechernes\tlinks seit-\tbeide T\u00f6ne\t\ttiefe,\nsteht vorn.\tKlirren dazu ; steht vorn links.\tw\u00e4rts.\tsind eine Verbindung ein gegangen, wodurch der Unterton mit hinauf gezogen wird ; hinten links.\t\tdumpfe Ton, nur ganz schwach der hohe Ton mitschwingend; steht rechts.\nc) Vp. stud, phi]\t\t. H, Linkes\tOhr. 20. 11\t24. Wie bei b.\t\nWie ein\tEtwas tiefer\tWie zuvor;\tEin sch\u00f6ner,\tBeide T\u00f6ne\tTon im\nhoher Gong-\tals vorher,\tvorn V2 links\tvoller,\tnoch mehr\tganzen\nton, darin\tder untere\twie zuvor.\trunder\tzusammen,\tdumpf, der\nein tiefer\tTon ist\t\tGongton,\tGrundton\tOberton\nund ein\tdeutlicher\t\tmehr aus-\tund Oberton\tschwingt\nhoher Ton ;\tund st\u00e4rker\t\tgeglichen, beide T\u00f6ne\tnicht aus-\tnicht so\nsteht vorn,\tals der\t\t\teinander-\tdeutlich\n1/g rechts. .\tOberton ; steht vorn Vs links. Ta\tbelle 6.\tgleich stark wie bei 1 ; steht hinten links. Hierzu Abt\tzuhalten ; hinter mir. ). 9.\tnach ; rechts von mir.\nOrtsbestimmung des Qualit\u00e4tswechsels, mit kontinuierlichem Ger\u00e4usch, Schallquelle (Bunsenbrenner) stillstehend, Vp. dreht sich, auf Drehschemel \u00fcber Kreisbogen sitzend, Ohrverschlufs mit D\u00e4mpfungshaube, im Zimmer.\nYp. stud. phil. L. Linkes Ohr. 29. 1. 25.\nVersuchs- reihe\tDrehungs- richtung\tUmschlagsstelle\tQualit\u00e4tsangaben\n1\tAus dem zentralen H\u00f6rbereich nach vorn\t20\u00b0 nach rechts 40\u00b0\tNoch kein Wechsel. Deutlicher Qualit\u00e4tswechsel, Ton mehr ged\u00e4mpft, die hohen T\u00f6ne treten zur\u00fcck.\n2\tDesgl. nach\t115\u00b0 nach links, 1. Stufe\tDer Ton wird ged\u00e4mpft.\n\thinten\t135\u00b0\t\u201e\t\u201e\t2.\t\u201e\tStarker Umschlag wie oben.\n\t\t160\u00ab\t\u201e\t\u201e\t3.\t\u201e\tNochmals eine Abschw\u00e4chung.\n3 1\tVon rechts nach vorn\t50\u00b0 nach rechts 20\u00b0 n\tv\tNoch kein Wechsel. Deutlicher Umschlag, der Ton wird klar.\n4\tVon hinten\t145\u00b0 nach links, 1. Stufe\tDer Ton wird heller.\n\tnach links\t135\u00b0 ,.\t\u201e 2. \u201e H0\u00b0 \u201e\t\u201e 3. \u201e\tDeutlicher Umschlag. Nochmals eine Verst\u00e4rkung.","page":354},{"file":"p0355.txt","language":"de","ocr_de":"F\u00e4higkeit dev Schcilloka.lisa.tion in ihrer Bedingtheit usw.\n355\nDie wiedergegebene Protokollauswahl gibt ein Bild davon. Die Soldaten, selbst solche, die sich als scharfe Beobachter erwiesen, gaben nur sp\u00e4rliche Qualit\u00e4ten an (Tab. 2 a u. 3), vielleicht z. T. infolge ihres beschr\u00e4nkteren Wortschatzes; aber auch bei ihnen traten unabh\u00e4ngig davon starke individuelle Unterschiede hervor. Dagegen \u00fcberraschten uns manche unserer Studenten, namentlich musikalisch beanlagte und vor allem ge\u00fcbte psychologische Beobachter durch die schier \u00fcberw\u00e4ltigende F\u00fclle der Qualit\u00e4tsurteile, so dafs der Protokollf\u00fchrer zum Stenogramm greifen mufste, um folgen zu k\u00f6nnen (Tab. 4, 5 a\u2014c).\nDer Reichtum ihres Erlebens im zentralen H\u00f6rbereich gab Gew\u00e4hr f\u00fcr die Zuverl\u00e4ssigkeit ihrer anders gearteten Charakteristik der in den peripheren H\u00f6rbereichen gebotenen Schallreize. Hier ist einerseits die St\u00e4rke des Gesamteindruckes geringer, andererseits \u2014 und das erscheint uns als das Wichtigere, weil es in den Urteilen viel mehr hervortrat \u00e4ndert sich die Qualit\u00e4t. Vor allem verschwimmen die Teilt\u00f6ne ineinander, sie fliefsen zu einem Gesamteindruck zusammen, ferner treten manche (lautschw\u00e4cheren) Teilt\u00f6ne mehr zur\u00fcck, meist sind es der Grundton oder in einem stark zusammengesetzten Schallkomplex \u00fcberhaupt die tieferen T\u00f6ne, und daraus ergibt sich ein Hinaufr\u00fccken der Gesamttonh\u00f6he; manchmal verschwinden auch tiefere Obert\u00f6ne. So wechselnd individuell die Charakteristik auch immer gegeben wird, so tritt doch eines aus allem als gemeinsames hervor, dafs die Feinheit der Klanganalyse zentral gr\u00f6fser ist als peripher.\nDer Leser kann sich diesen Unterschied sehr leicht deutlich machen, wenn er in seinem Zimmer eine einigermafsen laut tickende Pendeluhr hat und diese monotisch belauscht, w\u00e4hrend er sich im Kreise dreht und abwechselnd sich n\u00e4hert und entfernt. In der N\u00e4he und zugewandt treten eine Menge von Teilt\u00f6nen hervor, die in der Ferne und abgewandt v\u00f6llig verschwinden. Diese Parallele von Entfernung und Stellung ist uns schon fr\u00fcher entgegengetreten (s. auch unten 4).\n3. Die Abgrenzung des zentralen H\u00f6rbereichs in der Horizontalebene gestaltete sich wie folgt :\na) Der Qualit\u00e4tswechsel tritt in 2 Gegenden ein, von denen die eine hinten-seitlich, die andere vorn liegt. Die hintere entspricht etwa einem Punkt, in welchem","page":355},{"file":"p0356.txt","language":"de","ocr_de":"356\nBrunzlow.\nder Umkreis, auf dem wir uns die Schallquelle wandernd denken, von einer Linie geschnitten wird, welche der Linie T\u2014C\u2014Cj gem\u00e4fs l\u00e4uft (s. Abb. 9 u. 10); die vordere liegt vor der Vp. um einige Grade zur Seite des geschlossenen Ohres hin verschoben (s. ebenda).\nb) Die hintere Umschlagsstelle, wie wir sie nennen wollen, entsprichtso genau dem hinteren Ohrmuschel* ran de, dafs man, wenn man sich auf den Umkreis stellt, vom Punkte C0 der Abb. 9 aus noch in die Geh\u00f6rgangsm\u00fcndung der Vp. hineinblickt, vom Punkte C2 aus nicht mehr.\nAbbildung 9.\nVersuchszweck: Feststellung der Umschlagstellen des Qualit\u00e4tswechsels.\nVersuchsperson: stud. phil. L.\tTag: 29. 1. 25.\nLinks.\tHorizontalkreis.\n\u2014 Die vordere Umschlagsstelle liegt dort, wo der Vorderkopf als d\u00e4mpfendes Hindernis vor den Ohreingang tritt. Hier erblickt man von Sj aus noch die Ohrmuschel, von S2 aus nicht mehr (Abb. 9 u. 10).\n\u2022 \u2022\nc) Die Art des \u00dcberganges aus dem zentralen in den peripheren H\u00f6rbereich wird vorn und hinten von scharfen Beobachtern nicht gleich empfunden, was angesichts der Verschiedenheit in der Abgrenzung des zentralen H\u00f6rbereichs nach vorn (Kopf) und hinten (Ohrmuschel) begreiflich ist. Eine unserer Vp. charakterisierte diese Verschiedenheit so, dafs sie hinten 3 Stufen unter-","page":356},{"file":"p0357.txt","language":"de","ocr_de":"F\u00e4higkeit der Schallokalisation in ihrer Bedingtheit usw.\n357\nschied, indem sie etwa bei 115\u00b0 (von der Blickrichtung als Nullpunkt aus gez\u00e4hlt) eine Abschw\u00e4chung des Tones, bei 135\u00b0 einen sehr deutlichen Umschlag und zwischen 145\u00b0 und 160\u00b0 nochmals eine D\u00e4mpfung empfand, w\u00e4hrend vom diese Stufen fehlten (Tab. 6 und Abb. 9). \u2014 Weitere Untersuchungen, namentlich auch des vorderen und unteren peripheren H\u00f6rbereichs werden diese Bedingungen noch mehr kl\u00e4ren m\u00fcssen.\nAbbildung 10.\nV\n^7^'\nV Blickrichtung, T Tragus, 0 Conchenrand. S Schl\u00e4fe, Gi-T-Si \u00d6ffnungswinkel des zentralen H\u00f6rbereichs.\n4.\tDer Wechsel der Qualit\u00e4ts\u00e4nderung, der durch Verschiebung der Schallquelle auf dem Umkreise entstand, liefs sich, soweit unsere Versuche in dieser Hinsicht reichten, genau so durch Entfernungs\u00e4nderung auf den Radien dieses Kreises her-vorrufen. Wenn sich diese Beobachtung in weiteren Versuchsreihen, die noch folgen m\u00fcssen, best\u00e4tigt, w\u00fcrde sie f\u00fcr die Theorie vom Wesen der Tiefensch\u00e4tzung nicht ohne Bedeutung sein.\n5.\tDer \u00c4nderung der Qualit\u00e4tsauffassung durch Verschiebung in der Horizontalebene entspricht \u2014 soweit wir das aus gelegentlichen (zuf\u00e4lligen) Angaben der Vp. entnahmen \u2014 jene in der","page":357},{"file":"p0358.txt","language":"de","ocr_de":"358\nBrunzlow.\nVertikalebene (s. Tab. 3). Die entsprechende Beobachtung eines hiesigen bedeutenden K\u00fcnstlers (Orgelspielers; verdient hier Erw\u00e4hnung. Stimmt er sein Werk, w\u00e4hrend er den Kopf zur Beobachtung des Pedales gesenkt h\u00e4lt, so sind nachher, wenn er den Kopf hebt, die Intervalle falsch. Also beurteilt unser Ohr die Intervalle in verschiedenen Stellungen verschieden. Genauere Versuche hier\u00fcber m\u00fcssen folgen.\nIn diesem Zusammenh\u00e4nge seien noch folgende Beobachtungen und daraus sich aufdr\u00e4ngende Schl\u00fcsse aufgef\u00fchrt:\n6.\tAnaloge Qualit\u00e4ts\u00e4nderungen nehmen wir wahr, wenn schalld\u00e4mpfende Hindernisse zwischen Schallquelle und Ohr treten, z. B. wenn man eine Platte nahe vor das Ohr h\u00e4lt. Ich verweise hier auch auf meine oben gemachten Ausf\u00fchrungen \u00fcber Beobachtung des Strafsenl\u00e4rms in einem der Strafse abgewandten Zimmer. Aus diesen einander pararallelen Beobachtungen folgt, dafs Erscheinungen, wie sie sich als peripherer Qualit\u00e4tsWechsel darbieten, durch D\u00e4mpfung hervorgerufen werden k\u00f6nnen. Im gleichen Sinne wirken schalld\u00e4mpfend nach hinten die Ohrmuschel, nach jeder abgewandten Richtung der ganze Kopf. Es liegt hier wohl mehr als nur eine Parallele vor; man wird also vom zentralen H\u00f6rbereich auch als von dem unged\u00e4mpften und von den peripheren als den ged\u00e4mpften H\u00f6rbereichen sprechen k\u00f6nnen.\n7.\tUnsere Versuche dr\u00e4ngen ferner dazu, in der Lokalisation e in e s S c h a 11 e s 2 verschiedene Formen zu unterscheiden, die wir in der Folge als die absolute Lokalisation, d. h. die absolute Bestimmung des Ortes der Herkunft des einzelnen Schalles und die relative Lokalisation, d. h. die Bestimmung der gegenseitigen Lage zweier sukzessiver (oder auch simultaner) Schallreize bezeichnen wollen. Diese Trennung hat sich uns f\u00fcr unsere weiteren theoretischen Betrachtungen bew\u00e4hrt.\n8.\tVon der absoluten Lokalisation ist festzustellen, dafs sie monotisch im allgemeinen sehr ungenau ist, wie das ja auch von anderen Experimentatoren schon beobachtet wurde. Man kann sagen, dafs klangreiche Schalle meist genauer lokalisiert werden als leere, hohe; scharfe genauer als tiefe, weiche. Letzteren schien meist die Ortsbestimmtheit zu fehlen, sie wurden","page":358},{"file":"p0359.txt","language":"de","ocr_de":"F\u00e4higkeit der Schallokalisation in ihrer Bedingtheit usw.\n359\nals \u201eraumf\u00fcllend\u201c, \u201eunbestimmt\u201c, \u201evon irgendwoher kommend\u201c bezeichnet, w\u00e4hrend erstere als \u201epunktf\u00f6rmig\u201c, \u201egenau bestimmt\u201c geschildert wurden. H\u00e4ufige Lokalisationsfehler bestanden darin, dafs von vorn kommende Schalle, die also\n\u2022 \u2022\nim Ubergangsbereich des zentralen zum vorderen peripheren H\u00f6rbereich dargeboten wurden, noch weiter in den peripheren hinein, ja sogar nach der Gegenseite hin verschoben, ferner dafs \u00fcberhaupt klangreiche zentral, d\u00fcnne peripher erschienen.\n9.\tDie Ungenauigkeit der absoluten Ortsbestimmung findet eine Parallele in der Ungenauigkeit des absoluten Klangged\u00e4chtnisses. Wird derselbe Schall mehrfach im Wechsel mit andersartigen dargeboten, so wird er selbst als ver\u00e4ndert bezeichnet. Ganz konstant erscheinen beide ver\u00e4ndert, wenn von 2 sukzessiven Schallen der eine durch D\u00e4mpfung ver\u00e4ndert wird. Das gilt sowohl von der Qualit\u00e4t als auch von der scheinbaren Intensit\u00e4t der Schalle. \u2014 Beil\u00e4ufig sei hier auf die Seltenheit des absoluten Tongeh\u00f6rs hingewiesen. Es bleibt zu erforschen, ob hier eine gegenseitige Bedingtheit angenommen werden kann.\n10.\tDie relative Lokalisation f\u00fcr 2 sukzessive Schallreize (simultane wurden nicht untersucht) war in unseren Versuchen auch mono tisch im allgemeinen genau, aber verschieden je nach\na)\tIndividualit\u00e4t der Vp.,\nb)\tStellung der Schallquelle und\nc)\tCharakter des Schallreizes.\na)\tVp. mit der F\u00e4higkeit feiner Klanganalyse haben ein besseres Verm\u00f6gen zu genauer relativer Lokalisation als solche, die dieser F\u00e4higkeit entbehren. Ihre pers\u00f6nliche, sehr kleine Richtungsschwelle tritt besonders gegen\u00fcber von vorn kommenden Schallen deutlich hervor.\nb)\tDie gr\u00f6fste Richtungsschwelle, also die schlechteste Beurteilung derRichtungsrelationen findetsichf\u00fcr alle beobachteten Intensit\u00e4ten im zentralen H\u00f6rbereich, also dort wo die Intensit\u00e4t am st\u00e4rksten und die Klangzusammensetzung am klarsten erscheint. Man kann das geradezu paradox so ausdr\u00fccken: wo wir am besten h\u00f6ren, lokalisieren wir am schlechtesten. Dagegen fanden wir die kleinste Richtungsschwelle an den Grenzen zum vorderen und hinteren peripheren H\u00f6rbereich. Auf der ab-","page":359},{"file":"p0360.txt","language":"de","ocr_de":"360\nBrunzlow.\ngewandten Kopfseite war das Verm\u00f6gen zu relativen Lokalisationen bei mittelstarken Reizen betr\u00e4chtlich, bei schwachen gering.\nc) Schalle von einander \u00e4hnlichem Charakter schienen n\u00e4her zusammenzustehen, sehr differente Charaktere (z. B. Holzton gegen Metallton) dagegen erweckten sowohl den Anschein eines weiten r\u00e4umlichen Abstandes, als auch wurden sie in ihrer gegenseitigen Stellung mit gr\u00f6fserer Sicherheit bestimmt (kleinere Richtungsschwelle).\n11.\tEs zeigten sich in unseren Versuchen konstante Beziehungen zwischen der Schallqualit\u00e4t und derrela-tiven Lokalisation:\na)\tvon 2 sukzessiven Schallen lag scheinbar der vollere, tiefere zentral, der h\u00f6here, leerere, d\u00fcnnere peripher ;\nb)\twurde von 2 bekannten Schallen der eine durch D\u00e4mpfung so ver\u00e4ndert, dafs er h\u00f6her, leerer, d\u00fcnner erschien, so wurde dadurch ein Stellungswechsel in vorstehendem Sinne vorget\u00e4uscht;\nc)\twurden beide Schalle in dieser Weise ver\u00e4ndert, so r\u00fcckten sie scheinbar in das periphere H\u00f6rbereich und zwar seitlich stehende nach hinten, vorn stehende zur Gegenseite hin.\n12.\tEndlich geht aus allen unseren Versuchen hervor, dafs man bei gleichem Schallcharakter, gleicher Intensit\u00e4t und gleicher Entfernung bei derselben Vp. die Richtungsschwelle in allen Richtungen als konstant betrachten kann, d. h. es haben sich an gleichen Stellen des Umkreises immer gleiche Winkelunterschiede ergeben. Ein Ein-flufs der \u00dcbung trat selbst bei wochenlanger Wiederholung nicht hervor. Dagegen machte sich Erm\u00fcdung sehr deutlich durch eine Zunahme des Schwellenwinkels erkennbar. Dasselbe trat ein bei akuter Erkrankung (Schnupfen mit Tubenkatarrh) im Verein mit einer St\u00f6rung im Intensit\u00e4tssch\u00e4tzungsverm\u00f6gen.\nEs l\u00e4ge nahe, unsere Versuchsergebnisse mit denen fr\u00fcherer Experimentatoren zu vergleichen und darzutun, wie den unsrigen parallele Beobachtungen bei vielen unter ihnen hervorgetreten sind. Wir stellen diese Aufgabe f\u00fcr eine sp\u00e4tere Zusammenfassung auf verbreiterter Grundlage zur\u00fcck und beschr\u00e4nken uns","page":360},{"file":"p0361.txt","language":"de","ocr_de":"F\u00e4higkeit der Schctllokuliscition in ihrer Bedingtheit usw.\n361\nhier mit einer Gegen\u00fcberstellung zu der Arbeit Blochs, der unter allen Untersucbern am meisten \u00fcber die Funktion der Ohrmuschel auszusagen vermochte.1 Zur besseren \u00dcbersicht diene die Abb. 11 welche auf Grund der BLocHschen Tabellen durch Umrechnung in Winkelgrade abgeleitet wurde. Das nach Bloch konstruierte Bild zeigt seitlich die gr\u00f6fste Richtungsschwelle, eine stetige Abnahme von da nach vorn und die\nAbbildung 11.\nVersuchszweck: Feststellung der Richtungsschwellen (umgerechnet und gezeichnet nach Bloch, das binaurale H\u00f6ren).\nHorizontalkreis.\nRechts, monaural; Schallquelle: Politzer-H\u00f6rmesser.\n1 m Abstand.\ny\n180\u00b0\nH\nkleinste vorn und hinten-seitlich. Das stimmt mit unseren Ergebnissen vollkommen \u00fcberein. Auf der abgewandten Seite ist sie bei Bloch unmefsbar grofs, so wie wir sie bei sehr schwachen Schallen fanden. Bloch arbeitete mit dem PoLiTZERschen H\u00f6rmesser, einer sehr lautschwachen und klangarmen Schallquelle. Die \u00dcbereinstimmung ist, trotz mancher Abweichungen an anderen Punkten, so grofs gerade in den wesentlichen Ergebnissen, dafs man eine gegenseitige Best\u00e4tigung der beiden Untersuchungen daraus entnehmen kann.\n1 Bloch, Das binaurale H\u00f6ren. Zeitschr. f. Ohrenheilkunde 24. S. 2h\u201415.\n1893.\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 56.\n25","page":361},{"file":"p0362.txt","language":"de","ocr_de":"362\nBrunzlow.\nWir betrachten unsere Untersuchungen hiermit nicht als abgeschlossen. Das diotische H\u00f6ren, der Einflufs von Verschiebungen in der Frontal- und Sagittalebene, das akustische Tiefensch\u00e4tzungsverm\u00f6gen, die physikalischen Bedingungen der Schallauffassung durch die Ohrmuschel sind erst gestreift. Aber uns erscheinen die erzielten Ergebnisse doch wichtig genug und ausreichend, um daraus eine vorl\u00e4ufige Antwort auf die Frage zu folgern, welche S chl\u00fcsse sich hier aus f\u00fcr die Er kenntnis vom Wesen unserer F\u00e4higkeit der Schallokalisation \u00fcberhaupt ziehen lassen. Folgendes l\u00e4fst sich denken:\nDie monotische Schallokalisation ist das Element unserer r\u00e4umlichen Schallvorstellung und sie besteht in der F\u00e4higkeit den Stellungswechsel zu erkennen, welchen eine Schallquelle gegen\u00fcber unseremOhre erf\u00e4hrt. Ob dieser Stellungswechsel durch Verschiebung der Schallquelle selbst oder durch Drehung unseres Kopfes hervorgerufen wird, ist gleichg\u00fcltig. Steht die Schallquelle still, so drehen wir lauschend den Kopf, bewegt sie sich, so erkennen wir ihre Lagever\u00e4nderung auch bei ruhendem Kopfe. Die Erkenntnis des Stellungswechsels beruht auf den Ver\u00e4nderungen in der Qualit\u00e4t des Schalleindruckes, die wir um so besser wahrnehmen, je feiner unser\nklanganalytisches Verm\u00f6gen ist; diese Qualit\u00e4tsver\u00e4nderung ist eine Funktion unserer Ohrmuschel, deren Wirkung jener eines H\u00f6rrohres gleicht, oder sie ist, genauer gesagt, eine Funktion des akustischen Apparats der aus dem Kopfe und den seitlich daran befestigten Ohrmuscheln besteht, und sie beruht letzten Endes auf dem wechselnden Ged\u00e4mpftwerden einer Schallmasse je nach der Zuwendung oder Abwendung der Ohrmuschel der Schallquelle gegen\u00fcber.\nUnd noch ein Weiteres sei hier gestattet, die Frage zu beantworten, welche Folgerungen sich aus den gewonnenen Erkenntnissen f\u00fcr den gew\u00f6hnlichen binauralen H\u00f6rakt ergeben. Zur Erl\u00e4uterung diene die Abb. 12. Die L\u00e4ngen der Radien stellen die scheinbaren St\u00e4rken dar und sind von der Abb. 3 \u00fcbertragen, die Gr\u00f6fsen der Kreise geben ein sch\u00e4tzungsweise gewonnenes Bild der Klangf\u00fclle des jeweiligen Schalleindrucks.","page":362},{"file":"p0363.txt","language":"de","ocr_de":"F\u00e4higkeit der Schallokalisation in ihrer Bedingtheit usw.\n363\nDie beiden zentralen H\u00f6rbereiche des rechten und linken Ohres sind getrennt, greifen aber vorn ineinander \u00fcber, \u00e4hnlich wie die Gesichtsfelder der Tiere, deren Augen seitlich am Kopfe stehen. Es gibt binaural nur einen H\u00f6rbereich, der durchaus den Charakter des peripheren (ged\u00e4mpften) tr\u00e4gt, das ist der hintere. Die Schalleindr\u00fccke, die irgendwoher seitlich kommen, sind nur f\u00fcr das eine (zugewandte) Ohr zentral, f\u00fcr das andere (abgewandte) peripher, m\u00fcssen mithin rechts und links wesentlich verschieden empfunden werden und zwar nach Intensit\u00e4t und Qualit\u00e4t, und das gegenseitige Verh\u00e4ltnis mufs wiederum\nAbbildung 12.\nDie beiderseitigen monotischen Geh\u00f6rswahrnehmungen in ihrer Verbindung.\nDie Radien dr\u00fccken das St\u00e4rkeverh\u00e4ltnis nach Abb. 3, die Kreise sch\u00e4tzungsweise das Mafs der Klangf\u00fclle aus (s. Abb. 5 u. 6).\nH\nverschieden sein, je nachdem ob der Schall rein seitlich, vorn seitlich oder mehr weniger durchaus von vorn kommt. Dieser qualitative Wechsel in der Verschiedenheit der beiderseitigen (simultanen) Schalleindr\u00fccke mufs nach unseren Versuchen sehr bedeutend sein, so bedeutend, dafs er vielleicht das Ausschlaggebende im binauralen Schalleindruck ist, dem gegen\u00fcber der Zeit- und Phasenunterschied stark zur\u00fccktreten. Dafs auch sie das Klangbild beeinflussen, soll darum hier nicht bestritten werden. Weitere Untersuchungen m\u00fcssen das gegenseitige Verh\u00e4ltnis kl\u00e4ren. Als Arbeitshypothese f\u00fcr die Fortf\u00fchrung der Untersuchungen zu dienen, d\u00fcrfen unsere vorstehenden \u00dcberlegungen wohl immerhin beanspruchen.","page":363}],"identifier":"lit35984","issued":"1925","language":"de","pages":"326-363","startpages":"326","title":"\u00dcber die F\u00e4higkeit zur Schallokalisation in ihrer Bedingtheit durch die Schallqualit\u00e4ten und die Gestalt der Ohrmuschel","type":"Journal Article","volume":"56"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:45:18.846363+00:00"}