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Das haptische rechtwinklige Koordinatensystem und seine Abhängigkeit von der Kopfhaltung

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{"created":"2022-01-31T13:36:09.333713+00:00","id":"lit35986","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"Sommer, Gerd","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 61: 1-27","fulltext":[{"file":"p0001.txt","language":"de","ocr_de":"1\n(Aus dem Physiologischen Institut der Universit\u00e4t Jena)\nDas haptische\trechtwinklige Koordinatensystem\tund\nseine Abh\u00e4ngigkeit von der Kopfhaltung\nVon\nGerd Sommee (Jena)\nMit 8 Abbildungen im Text\nInhalt\tSeite\nI.\tEinleitung............-............................. 1\nII.\tEigene Untersuchungen..................................... 5\nA.\tDas haptisch\tsubjektiv\trechtwinklige\tKoordinatensystem\t.\t.\t9\nB.\tDas Verhalten des haptischen Koordinatensystems bei \u00c4nde-\nrung der Kopflage...........................................15\n1.\tDurch ver\u00e4nderte\tKopfstellung............................19\n2.\tDurch ver\u00e4nderte\tK\u00f6rperstellung..........................24\nIII.\tZusammenfassung...............................................27\nI. Einleitung\nZu Vorstellungen von der Beschaffenheit des Raumes, der uns umgibt, gelangen wir haupts\u00e4chlich durch zwei Sinneswerkzeuge : den Gesichts- und den Tastsinn. Diese beiden Sinne reichen aber f\u00fcr sich zur Gewinnung eines Urteils \u00fcber die r\u00e4umliche Anordnung der Dinge in unserer Umwelt noch nicht aus. Sie m\u00fcssen zu diesem Zwecke durch die T\u00e4tigkeit bestimmter Muskelgruppen unterst\u00fctzt werden, welche die erforderliche Verlagerung der peripheren Sinnesfl\u00e4chen herbeif\u00fchren. Das ist der Fall beim Blicken, also beim Sehen mit bewegtem Auge, sowie beim Tasten, der Verwertung der Druckempfindungen bei bewegter Hand.\nW\u00e4hrend wir nun \u00fcber das Zustandekommen und die Art der auf optischem Wege gewonnenen Raumvorstellungen zu ziem-\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 61","page":1},{"file":"p0002.txt","language":"de","ocr_de":"2\nGerd Sommer\nlicher Klarheit gelangt sind, ist uns \u00fcber die auf haptischem Wege erzielten nur wenig bekannt. Dies ist wohl in erster Linie darauf zur\u00fcckzuf\u00fchren, da\u00df der Gesichtssinn \u00fcber andere Sinneswerkzeuge in mannigfacher Beziehung eine so gro\u00dfe \u00dcberlegenheit besitzt, da\u00df uns die Erforschung seiner Leistungen sehr viel n\u00e4her lag.\nUnd doch ist es von gro\u00dfer Wichtigkeit, genaueres \u00fcber den haptischen Raum zu erfahren. Spielt dieser schon im Leben des Normalen eine Rolle, z. B. bei der Orientierung in einem dunklen Raum. Infolge der zeitweisen Ausschaltung des Gesichtssinnes sind wir darauf angewiesen, uns mit der tastenden Hand zurechtzufinden. Sehr viel gr\u00f6\u00dfere Bedeutung als f\u00fcr den Normalen hat aber dies Geschehen f\u00fcr den Blinden, dem der Gesichtssinn dauernd v\u00f6llig fehlt. Deswegen erscheint es von Wichtigkeit, Aufschl\u00fcsse \u00fcber den \u201ehaptischen Raum\u201c zu gewinnen. Doch gen\u00fcgt dies f\u00fcr sich noch nicht, sondern wir m\u00fcssen uns auch \u00fcber die Ver\u00e4nderungen ins klare kommen, die er erf\u00e4hrt, wenn wir den Kopf in eine von der Norm abweichende Haltung bringen.\nBevor ich auf meine eigenen Untersuchungen zu sprechen komme, sei es mir gestattet, kurz auf die von anderen Forschern auf diesem Gebiete vorliegenden Befunde einzugehen.\nDelage 1 war wohl der erste, der hier einschl\u00e4gige Versuche vorgenommen hat, die von Aubert1 2 in mannigfacher Beziehung erg\u00e4nzt wurden. Er lie\u00df seine Vpn. einen Zeigestab mit beiden H\u00e4nden halten und diesen bei geschlossenen Augen in einer vorher bestimmten Richtung bei normaler und gegen\u00fcber der Norm ver\u00e4nderter Kopfhaltung einstellen. Im letzteren Falle wurden sehr wesentliche Zeigefehler begangen, die sich meistens darin \u00e4u\u00dferten, da\u00df der Stab in einem zur Lage\u00e4nderung des Kopfes entgegengesetzten Sinne ab wich. Eine Nachpr\u00fcfung der Delage-AuBERTschen Untersuchungen durch Nagel3 ergab allerdings,\n1\tDelage, Y., Etudes exp\u00e9rimentales sur les illusions statiques et dynamiques de direction pour servir \u00e0 d\u00e9terminer les fonctions des canaux semicirculaires de l\u2019oreille interne. Arch, de zool. exp\u00e9r. 2 me s\u00e9rie, T. IV. p. 535. (1886).\n2\tAtjbebt, H., Physiologische Studien \u00fcber die Orientierung. T\u00fcbingen 1888.\n3\tNagel, W. A., Das Aubertsche Ph\u00e4nomen und verwandte T\u00e4uschungen \u00fcber die vertikale Richtung. Zeitschr. f. Psychol, u. Physiol, d. Sinnesorgane 16, 373 (1898)","page":2},{"file":"p0003.txt","language":"de","ocr_de":"Das haptische rechtwinklige Koordinatensystem usw.\n3\nda\u00df die Fehler durchaus nicht bei allen Vpn. gleichartig verlaufen. Nach Nagel findet die Abweichung wohl vielfach im entgegengesetzten Sinne zur Kopfdrehung statt, gar nicht selten aber auch im gleichen Sinne.\nv. Cyon 1 ist bei seinen messenden Untersuchungen \u00fcber die Wahrnehmungen der drei Grundrichtungen mit Hilfe des Tastsinnes so vorgegangen, da\u00df er von seinen Vpn. im dunkeln Raum auf einer vertikal oder horizontal gestellten Tafel Linien zeichnen lie\u00df, die frontal-, sagittalhorizontal oder vertikal verlaufen sollten. Dabei hat sich herausgestellt, da\u00df selbst von ge\u00fcbten Zeichnern in normaler Kopfhaltung gewisse Fehler begangen werden. Diese erfahren allerdings eine wesentliche Verst\u00e4rkung, sowie man die Kopfhaltung gegen\u00fcber der Norm ver\u00e4ndern l\u00e4\u00dft, und sie sind besonders ausgepr\u00e4gt bei Personen, die im Zeichnen ge\u00fcbt sind. In seiner Abhandlung finden sich eine ganze Anzahl von Bildern, aus denen man Gr\u00f6\u00dfe und Art der T\u00e4uschung entnehmen kann. Sachs und Meller1 2 verglichen optische und haptische Lokalisation der Vertikalen bei Neigung des Kopfes um eine sagittale Achse. Bei ihren Versuchen hat sich ergeben, da\u00df bei reinen Kopf- und K\u00f6rperneigungen die optische Vertikale in demselben Sinne verlagert erscheint wie die haptische. In beiden F\u00e4llen rufen Kopfneigungen Verlagerungen der scheinbar Vertikalen im entgegengesetzten Sinne, K\u00f6rperneigungen Verlagerungen im gleichen Sinne hervor.\nDie eingehendsten Untersuchungen auf diesem Gebiete hat v. Skramlik3 angestellt. Er trachtete vor allem die Frage zu beantworten, wie ein Koordinatensystem beschaffen sein mu\u00df, um auf Grund von Tastwahrnehmungen als ein rechtwinkliges zu erscheinen. Untersuchungen an einem eigens zu diesem Zwecke von ihm konstruierten Apparate haben ergeben, da\u00df sich schon bei Normalhaltung des Kopfes Abweichungen vom optischen Koordinatensystem ergeben, die in gewohnheits-\n1\ty. Cyon, E., Beitr\u00e4ge zur Physiologie des Raumsinnes. III. T\u00e4uschung in der Wahrnehmung der Richtungen durch das Ohrlabyrinth. Pfl\u00fcgers Arch. 94, 139 (1903).\n2\tSachs, M. und Meller, J., Untersuchungen \u00fcber die optische und haptische Lokalisation bei Neigungen um eine sagittale Achse. Zeitschr. f. Psychol, u. Physiol, d. Sinnesorgane 31, 89 (1903).\n3\ty. Skramlik, E., Lebensgewohnheiten als Grundlage von Sinnest\u00e4uschungen. Aus Die Naturwissenschaften 13, 117 u. 134 (1925).\n1*","page":3},{"file":"p0004.txt","language":"de","ocr_de":"4\nGerd Sommer\nm\u00e4\u00dfigen Haltungen der Hand oder der beiden H\u00e4nde beim Arbeiten ihre Ursache haben. Die Koordinaten, die haptisch rechtwinklig zueinander liegen, bilden miteinander keine objektiv rechten Winkel. Dabei ist der Verlauf der Sagittalhorizontalen in zwei Ebenen, der der Vertikalen in einer Ebene abweichend. Ferner hat sich gezeigt, da\u00df das haptische Koordinatensystem durchaus nicht einfach bestimmt ist, sondern von einer ganzen Anzahl von Bedingungen abh\u00e4ngt, vor allem davon, welche Finger zum Tasten herangezogen werden.\nDiese Feststellungen bildeten die Grundlage, von welcher aus untersucht werden konnte, wie sich die Tastwahrnehmungen gestalten, wenn man den Kopf aus der \u00fcblichen Normalhaltung herausbringt. Bei jeder Kopf Verlagerung bleibt eine haptische Koordinate unver\u00e4ndert und zwar ist es jeweils diejenige, die mit der Achse, um die der Kopf gedreht wird, identisch verl\u00e4uft. Die beiden anderen erfahren dagegen stets subjektiv eine Verdrehung, deren Sinn identisch ist mit der Lage\u00e4nderung des Kopfes. Merkw\u00fcrdigerweise wird diese n\u00e4mlich psychisch nur in einem ganz bestimmten Umfange verwertet, so da\u00df man sich \u00fcber die Lage der beiden Tastpunkte im Raume t\u00e4uscht.\nDer Hauptfortschritt dieser Untersuchungen liegt darin, da\u00df man imstande ist, die haptisch gewonnenen Raumvorstellungen sowie ihre \u00c4nderung durch die Kopfhaltung messend zu verfolgen.\nIn neuester Zeit hat dann vom Hofe 1 \u00fcber die Beurteilung der K\u00f6rperrichtungen bei Ausschlu\u00df des Gesichtssinnes berichtet. Er findet sie sehr unsicher und vor allem leicht beeinflu\u00dfbar durch Kopfdrehungen.\nSelbst die genauen Messungen, die v. Skramlik vorgenommen hat, langen bisher zur Verallgemeinerung nicht aus, da die Ergebnisse an zu wenig Vpn. gewonnen wurden und m seiner Abhandlung nur zwei Spezialf\u00e4lle erl\u00e4utert sind. Deswegen habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, sein Untersuchungsmaterial wesentlich zu erweitern und bei extrem ver\u00e4nderter Kopf Stellung neue Erfahrungen beizubringen.\n1 vom Hofe, K., Die Beurte\u00fcung der K\u00f6rperrichtung. Z. Sinnesphysiol. 57, 147 (1926).","page":4},{"file":"p0005.txt","language":"de","ocr_de":"Das haptische rechtwinklige Koordinatensystem usw.\n5\nII. Eigene Untersuchungen\nBei meinen Versuchen bediente ich mich des von v. Skeamlik angegebenen Apparates, dessen Anordnung aus der Abb. 1 ersichtlich ist. Er besteht im wesentlichen aus drei abgestumpften Spitzen, die in verschiedener Richtung gegeneinander verstellt werden k\u00f6nnen. Dabei kann auch die Lage des ganzen Apparates ver\u00e4ndert werden, indem man ihn einmal horizontal lagert, das zweite Mal vertikal aufh\u00e4ngt. Um jegliche Fehler zu vermeiden, wurde die Lagerung des Apparates stets mit Hilfe einer\nAbb. 1. Apparat zur Ausmessung des haptischen Koordinatensystems\nin V12 der wirklichen Gr\u00f6\u00dfe\nWasserwage kontrolliert, so da\u00df z. B. bei Ausmessung der Vertikalen die Verbindungslinie der beiden zur Pr\u00fcfung verwendeten Spitzen zu Beginn des Versuches objektiv streng vertikal verlief. Zur Einspielung des Apparates dienen drei Stellschrauben.\nBei allen Versuchen mu\u00dfte die Lage der beiden Taststellen zueinander gepr\u00fcft werden an der Hand des Verlaufes ihrer gedachten Verbindungslinie. Bekanntlich entsteht eine Linie, wenn sich zwei Ebenen schneiden. Es mu\u00dfte also f\u00fcr den Verlauf der Linien in den drei Hauptrichtungen frontal-, sagittalhorizontal sowie vertikal die Lage der beiden Spitzen zueinander ermittelt werden in zwei aufeinander senkrecht stehenden Ebenen.\nDie Ausmessung der Koordinaten erfolgte daher bei allen Versuchen, gleichg\u00fcltig, ob sie bei normaler oder von der Norm","page":5},{"file":"p0006.txt","language":"de","ocr_de":"6\nGerd Sommer\nabweichender Kopfhaltung vorgenommen wurden, in zwei Ebenen und zwar:\n1.\tf\u00fcr die Frontalhorizontale in der Horizontal- und Frontalebene,\n2.\tf\u00fcr die Sagittalhorizontale in der Horizontal- und Sagittalebene,\n3.\tf\u00fcr die Vertikale in der Sagittal- und Frontalebene.\nFassen wir z. B. die Ausmessung der subjektiv Sagittalhori-zontalen ins Auge, so ist bei waagerechter Lagerung des Apparates die Stellung der Spitzen zueinander einmal in der Horizontal-, das zweite Mal in der Sagittalebene zu bestimmen. In der Horizontalebene erfolgt f\u00fcr diesen Fall die Einstellung durch Verlagerung der dem K\u00f6rper n\u00e4her stehenden Spitze weiter nach rechts bzw. weiter nach links von der Medianlinie des K\u00f6rpers in einer Laufrinne, in der Sagittalebene durch ihr H\u00f6her- bzw. Tieferstellen. Mit dem Apparat konnte eine Genauigkeit von \u00b10,1 cm erzielt werden. Diese war so gro\u00df, da\u00df sie allen Anforderungen im Versuche weitaus gen\u00fcgte.\nAls Vpn. waren t\u00e4tig:\n1. Fri. E. Beyek, 2. Dr. phil. W. Bielig, 3. Dr. med. W. Eichlek, 4. A. Schwakz, 5. Prof. E. v. Skkamlik, 6. Verf.\nIch danke meinen Mitarbeitern auch an dieser Stelle f\u00fcr die viele M\u00fche, die sie sich bei den Versuchen genommen haben.\nS\u00e4mtliche Bestimmungen fanden im unwissentlichen Verfahren statt. Die Augen der Vp. waren stets verbunden. Die Dauer einer Einzelmessung schwankte je nach der Sicherheit der Vp. im Durchschnitt zwischen 2 und 3 Minuten. Jede Bestimmung wurde etwa 4 mal nachgepr\u00fcft und aus den gefundenen Werten das Mittel genommen. Die Schwankungsbreite betrug im Durchschnitt \u00b1 1,0 cm. Gelegentlich war die Sicherheit eine gr\u00f6\u00dfere; es kam aber auch vor, da\u00df die Schwankungsbreite ein gr\u00f6\u00dferes Ausma\u00df erlangte.\nAuf die beiden abgestumpften Spitzen wurden stets die Mittelfinger der linken bzw. rechten Hand aufgesetzt. Die Vpn. waren angewiesen, m\u00f6glichst keinen Druck auf die Unterlage auszu\u00fcben, weil sich auf diese Weise, wie v. Skkamlik1 gefunden hat, T\u00e4uschungen ergeben. Je gr\u00f6\u00dfer n\u00e4mlich der aus-\n1 y. Skbamlik, E., \u00dcber die Beeinflussung der Tastwahrnehmungen durch Innervationsantriebe. Klin. Wschr. 3, 967 (1924).","page":6},{"file":"p0007.txt","language":"de","ocr_de":"Das haptische rechtwinklige Koordinatensystem usw.\n7\nge\u00fcbte Druck ist, um so st\u00e4rker ist subjektiv die Verlagerung des Raumpunktes. Dies macht f\u00fcr die Lage der Verbindungslinie nur wenig aus, wenn der Druck, der auf die beiden Tastpunkte ausge\u00fcbt wird, beiderseits gleich gro\u00df ist. Ist er aber auf der einen Seite st\u00e4rker als auf der anderen, so ergibt sich scheinbar eine sehr erhebliche Verlagerung der Verbindungslinie der beiden Tastpunkte, ohne da\u00df diese bei gleichem Auflagedruck der beiden Finger vorhanden w\u00e4re.\nDie Stellung der Vp. zum Apparat war im allgemeinen so, da\u00df er bei horizontaler Lagerung sich auf einem Tisch ann\u00e4hernd in Nabelh\u00f6he befand. War der Apparat vertikal auf geh\u00e4ngt, so befand sich sein querer Teil ebenfalls ann\u00e4hernd in Nabelh\u00f6he. Die Ausmessung erfolgte in beiden F\u00e4llen in einer f\u00fcr die Vp. bequemen Stellung.\nDer Abstand der beiden Tastpunkte wechselte etwas, je nachdem es sich um die Ausmessung der Frontal-, Sagittal-horizontalen oder Vertikalen handelte. Im ersten Falle betrug die Entfernung f\u00fcr alle Vpn. 50 cm, im zweiten Falle mu\u00dfte man sich etwas nach der L\u00e4nge der Arme der Vp. richten. Die L\u00e4nge wechselte dann zwischen 40 und 65 cm. Im dritten Falle endlich betrug die Distanz stets 60 cm.\nIm allgemeinen mu\u00df man sich in die Versuche etwas ein-arbeiten ; erst nach mehreren an verschiedenen Tagen vorgenommenen Messungen nahm die Sicherheit der Aussagen der Vpn. soweit zu, da\u00df man sich auf sie verlassen konnte. Um dies zu pr\u00fcfen, wurden \u00f6fters Vexierversuche eingeschaltet, die darin bestanden, da\u00df der VI. den einen Taster in einer bestimmten Richtung sehr stark verstellte und nun nach dem Verlauf der Verbindungslinie der beiden Tastpunkte fragte.\nBei den Versuchen sollten m\u00f6glichst alle optischen Vorstellungen von der Lage der Punkte zueinander im Raume ausgeschaltet sein. Dies ist von besonderer Wichtigkeit, da jede psychische Voreingenommenheit den Gang des Versuches au\u00dferordentlich beeintr\u00e4chtigt. Von diesem Einflu\u00df h\u00e4ngt es haupts\u00e4chlich ab, mit welcher Sicherheit die Vp. ihre Angaben macht.\nNat\u00fcrlich kommen auch Schwankungen der Aufmerksamkeit ins Spiel, besonders dann, wenn die Vpn. nicht oder nicht gen\u00fcgend ausgeruht an die Messungen herangingen oder aber die Zahl der Versuche so gro\u00df war, da\u00df eine Erm\u00fcdung eintrat.","page":7},{"file":"p0008.txt","language":"de","ocr_de":"8\nGerd Sommer\nDeshalb hat es sich als zweckm\u00e4\u00dfig herausgestellt, mit einer Vp. ohne gr\u00f6\u00dfere Unterbrechung nie l\u00e4nger als 1 Stunde zu arbeiten.\nVon Bedeutung f\u00fcr den Gang der Versuche ist auch, da\u00df eine bestimmte Kopfhaltung dauernd in der gleichen Weise eingenommen wird. Selbst bei Normalhaltung des Kopfes (Kopf mit dem Gesicht geradeaus nach vorn gerichtet, da\u00df seine Mediane mit den Schultern rechte Winkel einschlie\u00dft), mu\u00df darauf geachtet werden, da\u00df nicht gelegentlich unbewu\u00dft kleine Verstellungen erfolgen, die nat\u00fcrlich f\u00fcr den Gang der Versuche von Bedeutung werden k\u00f6nnen. Wie weit die Augenstellung einen Ausschlag gibt, wurde bei unseren Versuchen nicht weiter gepr\u00fcft, da wir \u2014 wie eingangs erw\u00e4hnt wurde \u2014 die Augen verbunden hatten. Sicher ist sie f\u00fcr den Erfolg nicht ohne Bedeutung.\nEs ist hier noch einiges \u00fcber den Gang der Versuche und die Messung der Ergebnisse zu sagen. Die beiden Taststellen wurden so eingestellt, da\u00df der Verlauf ihrer Verbindungslinie einer bestimmten Koordinate entsprach. Nun wurde die Vp. gefragt, ob sie auch subjektiv beim Betasten das Empfinden hatte, da\u00df die Verbindungslinie der beiden Tastpunkte in der gew\u00fcnschten Richtung verlief. War dies nicht der Fall, so wurde die eine Taststelle so lange verstellt, bis die Vp. sich mit dem Ergebnis einverstanden erkl\u00e4rte. Daraufhin wurde die Verstellung des einen Tastpunktes gemessen und aus dem Verh\u00e4ltnis: Gr\u00f6\u00dfe der Verstellung des einen Tastpunktes zu der L\u00e4nge der Verbindungslinie, der Winkel berechnet, den die jetzige Lage der Verbindungslinie mit ihrer urspr\u00fcnglichen einschlossen.\nAuf diese Weise wird \u2014 wie schon v. Skramlik entwickelt hat1 \u2014 nicht der Grad gemessen, in dem die Darbietung subjektiv ab weicht.\nDies l\u00e4\u00dft sich leicht an einem Falle erl\u00e4utern. F\u00fcr die Sagittalhorizontale liegen z. B. die Dinge so, da\u00df ihr objektiv richtiger Verlauf subjektiv nicht den gleichen Eindruck erweckt. Haptisch scheint die objektive Sagittalhorizontale im Raume schr\u00e4g nach vorn abzufallen. Der Winkel, der diese Abweichung zum Ausdruck bringen k\u00f6nnte, ist aber nicht direkt zu messen. Man mu\u00df vielmehr so Vorgehen, da\u00df man die eine Taststelle so lange verstellt, bis bei der Vp. der Eindruck auf-\n1 s. Fu\u00dfnote 3 S. 3.","page":8},{"file":"p0009.txt","language":"de","ocr_de":"Das haptische rechtwinklige Koordinatensystem usw.\n9\nkommt, da\u00df die Verbindungslinie der beiden Taststellen nunmehr sagittalhorizontal steht Es wird also auf diese Weise nicht der Winkel gemessen, den \u2014 siehe Abb. 2 \u2014 objektive und subjektive Lage der Koordinate, sondern derjenige, den objektive und subjektive Sagittalhorizontale miteinander bilden. Diese beiden Winkel sind allerdings \u2014 wie zahlreiche Versuche ergeben haben, durchaus gleich.\nEs kommt vor, da\u00df f\u00fcr die eine Vp. die Abweichung gerade in der entgegengesetzten Richtung erfolgt als f\u00fcr eine andere. Um diesen F\u00e4llen gerecht zu werden, ist es erforderlich die Art der Abweichung durch ein eigenes Vorzeichen anzugeben. Diese wurde stets so bestimmt, wie aus der Abb. 3-\u20145 hervorgeht. In dieser ist der Verlauf der einzelnen Koordinaten in den verschiedenen Ebenen wiedergegeben. Sie sind dargestellt\nAbb. 2. Schema zur Bestimmung des Winkels, den objektive und subjektive Lage der Verbindungslinie der beiden Taststellen miteinander einschlie\u00dfen. Mit der durchstrichelten Linie \u2014|\u2014|\u2014|\u2014|\u2014 ist der objektive Verlauf der Koordinaten gezeichnet, mit der Eisenbahnlinie -\u25a0\u25a0\u25a0 m \u2014 deren subjektiver Verlauf. Beide schlie\u00dfen zusammen den Winkel a ein. Man mi\u00dft aber nicht diesen selbst, sondern den Winkel a, den objektiver\nund subjektiver Verlauf der Sagittalhorizontalen, die gestrichelt-\ngezeichnet ist, miteinander einschlie\u00dfen\nvon vorn, von der rechten Seite und von oben gesehen. Erfolgte die Abweichung von der objektiven Lage scheinbar im Sinne des Uhrzeigers, so wurde der Winkel mit einem -f Zeichen versehen, im entgegengesetzten Falle mit einem \u2014Zeichen.\nA. Das haptische subjektiv rechtwinklige\nKoordinatensystem\nMan ordnet die Taststellen im Raume so an, da\u00df der Verlauf ihrer Verbindungslinien im strengen Sinne des Wortes frontal-oder sagittalhorizontal oder vertikal ist. L\u00e4\u00dft man nun durch dieselben Finger der rechten und linken Hand die Tast-","page":9},{"file":"p0010.txt","language":"de","ocr_de":"10\nGerd Sommer\nv\ni i\nAbb. 3\nv\nAbb. 4\npunkte ber\u00fchren, so stellt sich heraus, da\u00df nicht f\u00fcr s\u00e4mtliche Koordinaten objektiver und sub j ektiver Verlauf der betreffenden Koordinate miteinander \u00fcbereinstimmen.\nAls Regel kann man aufstellen:\n1.\tF\u00fcr s\u00e4mtliche Vpn., die bisher von mir und fr\u00fcher von v. Skeamlik gepr\u00fcft wurden, ist der Verlauf der Frontalhorizontalen objektiv und subjektiv gleich, unabh\u00e4ngig davon, ob man die Messung in der horizontalen oder frontalen Ebene vornimmt.\n2.\tDer Verlauf der Sagittal-horizontal e n weist nahezu f\u00fcr alle Vpn. in zwei Ebenen Abweichungen auf, der horizontalen und sagit-\ntalen.\n3.\tDer Verlauf der Vertikalen weist Abweichungen stets in einer Ebene auf, der sagittalen, gelegentlich aber auch in zwei Ebenen, der sagittalen und frontalen.\nBei allen diesen Versuchen stand die Vp. so zu den beiden","page":10},{"file":"p0011.txt","language":"de","ocr_de":"Das haptische rechtwinklige Koordinatensystem usw.\n11\nSpitzen, da\u00df sie bei Ausmessung der Frontalhorizontalen in der Horizontalebene sich mit ihrer Mittelachse genau in der Mitte zwischen den beiden Taststellen befand. Dies war auch der Fall bei Ausmessung der Sagittalhorizontalen in der gleichen Ebene. Zur Ausmessung der Vertikalen verlief die Mittelachse der Vp. parallel zur Verbindungslinie zwischen den beiden Punkten. Der\nGrad der Abweichung ist in der beistehenden Tab. 1 wiedergegeben.\nDie Frontalhorizontale\nAns Tab. 1 geht hervor, da\u00df bei der Frontalhorizontalen objektive und subjektive Lage streng miteinander \u00fcbereinstimmen.\nsh\nfh \u00bbi\u00bbninHHtm\u00bbm\nAbb. 5\nAbb. 3\u20145. Schemata zur Bestimmung f\u00fcr die Vorzeichen der Winkel bei Abweichung des subjektiven Verlaufs der Koordinate von ihrem objektiven.\nAbb. 3 von vorn gesehen, Abb. 4 von rechts gesehen, Abb. 5 von oben gesehen, fh bedeutet frontalhorizontal, sh sagit-talhorizontal, v vertikal, L und R die linke bzw. rechte K\u00f6rperseite des Beschauers\nDie Sagittalhorizontale\nAnders liegen die Dinge f\u00fcr die Sagittalhorizontale. In der Horizontalebene ist die Art der subjektiven Abweichung verschieden, je nachdem man die linke Hand auf die dem K\u00f6rper n\u00e4here Taststelle legt und die rechte auf die dem K\u00f6rper fernere oder aber umgekehrt. In beiden F\u00e4hen hat die Verbindungslinie subjektiv einen schr\u00e4gen Verlauf. Im ersten F\u00e4he scheint sie von links nach rechts, im zweiten von rechts nach links zu ziehen. Dies hat seinen Grund in der gewohnheitsm\u00e4\u00dfigen Haltung der Finger der beiden H\u00e4nde zueinander. Wenn wir beide H\u00e4nde mit der Dorsalseite nach oben auf einen","page":11},{"file":"p0012.txt","language":"de","ocr_de":"Tabelle 1\nAbweichungen des subjektiven vom objektiven Verlauf der Koordinaten bei Normalhaltung des Kopfes\n12\nGerd Sommer\nuoqo \u2022[\t&\ncd\nuo^un 'j:\nuo^un q o cd\nuoqo *J[\nlouiaj q \u00a75\nt-H\nj[0q\u00abu *i","page":12},{"file":"p0013.txt","language":"de","ocr_de":"Das haptische rechtwinklige Koordinatensystem usw.\n13\nGegenstand auf legen, so sind die Finger mit ihren Spitzen ungleich weit voneinander entfernt. Am n\u00e4chsten stehen einander bei der \u00fcblichen Schr\u00e4ghaltung der H\u00e4nde Daumen und Zeigefinger, am weitesten voneinander entfernt sind die kleinen Finger.\nAus dieser Normalhaltung der H\u00e4nde zueinander ergibt sich die Art der subjektiven Abweichung der Sagittalhorizontalen in der Horizontalebene. Der Winkel, der diese Abweichung mi\u00dft, wird in den beiden vorhin erw\u00e4hnten F\u00e4llen ein verschiedenes Vorzeichen auf weisen. Er wird im ersten Falle positiv, im zweiten Falle negativ sein. Wie die Messungen ergeben haben, sind diese beiden Winkel bei den verschiedenen Vpn. einander zumeist fast v\u00f6llig gleich, nur wechselt die Gr\u00f6\u00dfe der Winkel bei den einzelnen Vpn. Am gr\u00f6\u00dften sind sie bei Vpn. 1 und 6 mit etwa 20\u00b0. Bei den anderen Vpn. 3, 4 und 5 ist die Abweichung sehr viel geringer und schwankt um etwa 5\u00b0. Wenn die Winkel z. T. so gro\u00df gefunden werden, so liegt das daran, da\u00df zur Pr\u00fcfung der Taststellen stets die 3. Finger der beiden H\u00e4nde herangezogen wurden.\nBemerkenswert ist, da\u00df sich bei Vp. 2 \u00fcberhaupt keine Abweichung findet. Der Verlauf der Sagittalhorizontalen, ausgemessen in der Horizontalebene, ist bei dieser objektiv und subjektiv gleich. Diese Unregelm\u00e4\u00dfigkeit im Verhalten der einzelnen Vpn. hat sicher ihren Grund in gewissen gewohnheitsgem\u00e4\u00dfen Haltungen der H\u00e4nde bei der Arbeit. Wenn jemand vorzugsweise seine H\u00e4nde so bet\u00e4tigt, da\u00df sie einander bei nach oben gekehrter Dorsalseite ferner liegen, so wird man gr\u00f6\u00dfere Abweichungen zu erwarten haben. Dies wird z. B. der Fall sein bei Klavierspielern oder Leuten, die Schreibmaschine schreiben. Diese Vermutung trifft in dem vorliegenden Falle zu f\u00fcr Vpn. 5 bzw. 1. Verwendet man dagegen seine H\u00e4nde vorzugsweise in der sogenannten \u201eBetstellung\u201c, dann wird diese Abweichung gleich Null sein (Vp. 2). Ergeben sich verschiedene Abweichungen, je nachdem die rechte Hand beim Tasten sich ferner und die linke n\u00e4her befindet oder aber umgekehrt \u2014 wie bei Vp. 3 \u2014, so spricht dies daf\u00fcr, da\u00df gewohnheitsgem\u00e4\u00df die H\u00e4nde in der Horizontalebene in ungleicher Entfernung zueinander benutzt werden. Doch ist es durchaus nicht Aufgabe dieser Untersuchung gewesen, in der sehr verwickelten Frage der Abh\u00e4ngigkeit solcher Fehler im haptischen Koordinatensystem von der gewohnheitsm\u00e4\u00dfigen Haltung der H\u00e4nde bei der Berufst\u00e4tigkeit eine Entscheidung zu suchen. Das mu\u00df sp\u00e4teren Untersuchungen \u00fcberlassen bleiben.","page":13},{"file":"p0014.txt","language":"de","ocr_de":"14\nGerd Sommer\nAuch in der Sagittalebene ergeben sieb bei dieser Koordinate subjektiv Abweichungen von ihrer objektiven Lage. Bei allen Vpn. f\u00e4llt sie scheinbar nach vorn ab, wenn auch in ungleichem Ma\u00dfe.\nNach den fr\u00fcher gegebenen Erkl\u00e4rungen ist die Art dieser Abweichung als positiv zu bezeichnen. Nat\u00fcrlich ist es vollkommen gleichg\u00fcltig, ob man die Pr\u00fcfung so vornimmt, da\u00df die linke Hand auf dem dem K\u00f6rper n\u00e4her stehenden Taster aufliegt, die rechte auf dem dem K\u00f6rper ferneren oder aber umgekehrt. In beiden F\u00e4llen findet man den gleichen Winkel.\nSicher hat auch diese Normalt\u00e4uschung, die allerdings zumeist einen sehr geringen Grad auf weist, ihre Ursache in der gewohnheitsm\u00e4\u00dfigen Haltung der H\u00e4nde bei der T\u00e4tigkeit. Sie k\u00f6nnte darauf beruhen, da\u00df man beim Lesen oft den Kopf mit einer Hand st\u00fctzt, w\u00e4hrend die andere dem Tisch aufliegt, oder aber das Buch h\u00e4lt. Ich bin aber nicht imstande, mit Sicherheit Aufschlu\u00df zu geben, ob diese Vermutung zutrifft.\nDie Vertikale\nDer Verlauf der Vertikalen scheint in der Sagittalebene f\u00fcr alle Vpn. subjektiv nach dem K\u00f6rper zu geneigt zu verlaufen. Der gefundene Winkel pendelt zwischen \u2014 3 und \u2014 9\u00b0. Nach den fr\u00fcher gegebenen Erkl\u00e4rungen mu\u00df er ein negatives Vorzeichen haben. F\u00fcr den Ausfall der Messungen ist es gleichg\u00fcltig, ob man die linke Hand an der unteren und die rechte an der oberen Taststelle hat oder aber umgekehrt. Es gibt aber auch F\u00e4lle, bei denen in dieser Ebene objektiver und subjektiver Verlauf der Vertikalen miteinander vollkommen \u00fcbereinstimmen (Vp. 5 mit einem Winkel von nur \u2014 1\u00b0).\nIn der Frontalebene weichen bei den Vpn. bis auf 2 objektiver und subjektiver Verlauf der Vertikalen stets voneinander ab, und zwar macht es in v\u00f6lliger Analogie mit dem Verhalten der Sagittalhorizontalen in der Horizontalebene einen Unterschied aus, ob die linke Hand den unteren und die rechte Hand den oberen Tastpunkt ber\u00fchrt, oder aber umgekehrt. Im ersten Falle scheint die objektive Vertikale von links unten nach rechts oben zu steigen, im zweiten von rechts unten nach links oben. Der Grad der Abweichung ist in beiden F\u00e4llen derselbe, nur weisen die beiden Winkel verschiedene Vorzeichen auf.","page":14},{"file":"p0015.txt","language":"de","ocr_de":"Das haptische rechtwinklige Koordinatensystem, usiu.\n15\n\u2022 \u2022\n\u00dcberblicken wir die gefundenen Zahlenwerte, so geht aus ihnen ganz unzweideutig hervor, da\u00df nur die Gr\u00f6\u00dfen der Abweichung f\u00fcr die einzelnen Vpn. individuell schwanken. Besonders mu\u00df darauf hingewiesen werden, da\u00df qualitativ die Verh\u00e4ltnisse durchaus gleichartig liegen, da\u00df also f\u00fcr verschiedene Vpn. der Richtungsverlauf bei den Koordinaten nicht wechselt. In der Abb. 6\t8 ist f\u00fcr eine Vp. wiedergegeben wie ein optisch recht-\nwinkliges Koordinatensystem haptisch erscheint. Daraus geht hervor, da\u00df seine Koordinaten haptisch miteinander keine rechten Winkel einschlie\u00dfen. Es bildet keine Schwierigkeit, aus diesen Angaben den Verlauf des haptisch rechtwinkligen Koordinatensystems herzuleiten.\nB. Das Verhalten des haptischen Koordinatensystems\nbei \u00c4nderung der Kopflage\nBei den im ersten Abschnitt erw\u00e4hnten Messungen gestalteten sich die Verh\u00e4ltnisse relativ einfach, weil Vorstellungen von der Lage der beiden Tastpunkte im Raume nicht oder nur in einem sehr geringen Grade ins Spiel traten. Anders war dies bei allen Bestimmungen bei ver\u00e4nderter Kopflage. Die Sicherheit, mit der nunmehr die Angaben erfolgten, ist geringer. Dies ist vor allem auf folgende Ursachen zur\u00fcckzuf\u00fchren.\na)\tEs f\u00e4llt nicht jeder Vp. gleich leicht, den Kopf durch l\u00e4ngere Zeit unver\u00e4ndert in einer Lage zu halten, die von der normalen erheblich abweicht. Es st\u00f6ren hier aber schon ganz kleine Ver\u00e4nderungen, weil \u2014 wie bereits von anderer Seite hervorgehoben wurde \u2014 der Grad der scheinbaren Verlagerung der Koordinaten erst dann h\u00f6her wird, wenn man die Kopfhaltung gegen\u00fcber der Norm sehr stark ver\u00e4ndert. Der Kopf wird stets leicht aus seiner Normalhaltung gebracht und diese ver\u00e4nderten Lagen sind uns vom t\u00e4glichen Leben her so gel\u00e4ufig, da\u00df wir die Lage\u00e4nderung ganz unbewu\u00dft vollkommen verwerten. Wenden wir also \u2014 um ein Beispiel zu erw\u00e4hnen \u2014 den Kopf seitlich nur um 30\u00b0, so zeigt sich, da\u00df dadurch das bei der Normalhaltung gewonnene haptische Koordinatensystem kaum irgendeine Ver\u00e4nderung erf\u00e4hrt.\nb)\tBei ver\u00e4nderter Kopfhaltung spielen Vorstellungen von der Lage der Tastpunkte im Raume eine au\u00dferordentlich gro\u00dfe Rolle, sei es, da\u00df man vor dem Versuch die Anordnung des Apparates","page":15},{"file":"p0016.txt","language":"de","ocr_de":"16\nGerd Sommer\nvertikal\tgesehen hat und dieser\nr\toptische Eindruck\nnoch l\u00e4nger nachwirkt, sei es, da\u00df man sich pl\u00f6tzlich die Lage der Tastpunkte im Raume zu vergegenw\u00e4rtigen trachtet. In jedem Falle ist man \u201evoreingenommen\u201c, wodurch die Tastwahrnehmungen in sehr hohem Grade beeinflu\u00dft werden k\u00f6nnen. So kann geschehen, da\u00df die bis dahin ganz sicheren Angaben derVp. eine sehr wesentliche Ver\u00e4nderung erfahren. Die Ergebnisse der Messungen schwanken dann au\u00dferordentlich.\nEs darf weiter nicht vergessen werden, da\u00df f\u00fcr die Beurteilung der Tast-n/ Wahrnehmungen bei ver\u00e4nderter Kopfhaltung ins Spiel kommen: die M\u00f6glichkeit eines Wettstreites der Eindr\u00fccke bei normaler und ver\u00e4nderter Kopfhaltung. Diese k\u00f6nnen zu erheblichen Schwankungen in der Beurteilung der Lage der getasteten Dinge f\u00fchren. Gleich ung\u00fcnstig wirkt auch ein gewisser Wettstreit in der Beurteilung der Lage der getasteten Dinge und der der tastenden Finger zueinander. K\u00f6nnen wir","page":16},{"file":"p0017.txt","language":"de","ocr_de":"Das haptische rechtwinklige Koordinatensystem usw.\n17\ndoch ohne weiteres unsere Aufmerksamkeit einmal auf die Lage der getasteten Dinge, das andere Mal auf die der tastenden Fl\u00e4chen zueinander konzentrieren.\nSoweit ich auf Grund meiner Versuche aussagen kann, sind diese Faktoren sicherlich die bedeutungsvollsten. Damit ist allerdings nicht gesagt, da\u00df nicht noch andere ins Spiel kommen k\u00f6nnen. Hier ist z. B. an eine \u00e4u\u00dfere Beeinflussung der Vp. zu denken, wenn man sie w\u00e4hrend der Messung auf irgendeinen Umstand aufmerksam macht und dadurch ablenkt oder gar durch\nAbb. 6\u20148. Der haptische Verlauf des optisch rechtwinkligen Koordinatensystems, aufgel\u00f6st in den drei senkrecht zueinander stehenden Ebenen. Abb. 6 der frontalen und vertikalen von vorn gesehen, Abb. 7 der sagittalen und vertikalen von der rechten Seite aus gesehen, Abb. 8 der frontal und sagittal horizontalen von oben aus gesehen.\n1 und r bedeuten jeweils die linke bzw. rechte Taststelle, L und R linke bzw. rechte K\u00f6rperseite des Beobachters\nbestimmte Aussagen in grober Weise t\u00e4uscht. In beiden F\u00e4llen macht sich die Beeinflussung darin geltend, da\u00df die Angaben au\u00dferordentlich zu schwanken beginnen und die Sicherheit der Vp. in ihren Angaben vollkommen verloren geht. Deswegen wurde bei meinen Versuchen streng vermieden, w\u00e4hrend der Dauer einer Messung mit der Vp. zu reden. Auch kam nie ein gr\u00f6berer Vexierversuch vor. Man begn\u00fcgte sich stets blo\u00df mit Anfrage, ob die betreffende Einstellung der Vp. richtig erschien oder aber nicht.\nEs hat keinen Sinn, den Grad der Genauigkeit der Messung zu weit zu treiben. Feinere Einstellungsunterschiede als \u00b1 1,0 cm werden kaum mit Sicherheit erkannt. Es geh\u00f6rt schon ein gro\u00dfes\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 61\t2\nsagittalhorizontal\nfrontalhorizontal\nAbb. 8","page":17},{"file":"p0018.txt","language":"de","ocr_de":"18\nGerd Sommer\nMa\u00df von \u00dcbung und Erfahrung bei einer Vp. dazu, um unter diesen Schwankungsbereich herunterzukommen.\nUm die ver\u00e4nderte Kopflage zu definieren, seien hier folgende Angaben gemacht. Beim aufrechtst eh enden Menschen sei jede Drehung des Kopfes um eine frontalhorizontale Achse als Beugung des Kopfes nach vorn bzw. nach hinten bezeichnet, jede Drehung des Kopfes um eine sagittalhorizontale Achse als Neigung des Kopfes zur rechten bzw. linken Schulter, end lieh jede Drehung des Kopfes um eine vertikale Achse nach rechts oder links als Seitw\u00e4rtswendung.\nEs lag mir daran, den Grad der Kopflage Ver\u00e4nderung zu bestimmen. Dies geschah mit Hilfe eines in Winkelgrade geteilten Halbkreises, der horizontal oder vertikal gelagert werden konnte. Die Vp. hielt eine Hartgummiplatte im Munde, die vorn ein rechtwinkliges Stabkreuz trug. Bei jeder Kopfver\u00e4nderung machte dieses einen Ausschlag, dessen Gr\u00f6\u00dfe am Teilungskreise abgelesen werden konnte. Der Zeiger wies bei Normalhaltung des Kopfes stets auf den Nullpunkt des Teilungskreises.\nTabelle 2\nWinkel \u00ab, um den der Kopf bei den verschiedenen Vpn. gedreht\nwerden konnte\nKopfverlagerung\t1\t2\t3\t5\t6\nBeugung nach vorn Beugung nach hinten\t+75\u00b0 \u201460\u00b0\t+75\u00b0 \u201460\u00b0\t-j-60\u00b0 \u201460\u00b0\t+80\u00b0 \u201470\u00b0\t+75\u00b0 \u201475\u00b0\nNeigung nach rechts Neigung nach links\t+80\u00b0 \u201480\u00b0\t+45\u00b0 \u201445\u00b0\t+60\u00b0 \u201460\u00b0\t+40\u00b0 \u201440\u00b0\t+55\u00b0 \u201455\u00b0\nWendung rechts Wendung links\t+65\u00b0 \u201465\u00b0\t+55\u00b0 \u201455\u00b0\t+70\u00b0 \u201470\u00b0\t+60\u00b0 \u201460\u00b0\t+70\u00b0 \u201470\u00b0\nIm allgemeinen h\u00e4ngt (s. Tab. 2) der Grad der Beugung des Kopfes nach vorn von der Gr\u00f6\u00dfe des Kinns, der nach hinten von der \u00dcbung ab, in der die Vp. normalerweise ihren Kopf zu beugen gewohnt ist. Der Winkel betrug im Durchschnitt \u00b1 70\u00b0. Bei Neigung des Kopfes zur Schulter betr\u00e4gt er im allgemeinen nicht viel \u00fcber \u00b1 50\u00b0, bei Seitw\u00e4rtswendung des Kopfes erzielt man Winkelabweichungen von ungef\u00e4hr \u00b170\u00b0.","page":18},{"file":"p0019.txt","language":"de","ocr_de":"Das haptische rechtwinklige Koordinatensystem usw.\n19\nUm ganz extreme Lagen des Kopfes zum Apparat einnehmen zu lassen, habe ich zur Erh\u00f6hung der Beugung des Kopfes nach vorn die Versuche in Bauch-, nach hinten in K\u00fcckenlage angestellt. Um die Kopfneigung zur rechten bzw. linken Schulter zu verst\u00e4rken, kann man so Vorgehen, da\u00df sich die Vp. auf die rechte bzw. linke K\u00f6rperseite horizontal legt, das Gesicht dem Apparat zugewendet. Zur Erh\u00f6hung der Seitw\u00e4rtswendung des Kopfes nach rechts bzw. links war die betreffende Vp. dem Apparat entweder mit ihrer linken oder aber mit ihrer\nrechten K\u00f6rperseite zugekehrt.\n\u2022 \u2022\nZur leichteren \u00dcbersicht der im folgenden gemachten Angaben gliedere ich diesen zweiten Hauptabschnitt der Arbeit in zwei Unterabteilungen, wobei sich der erste mit der Beeinflussung des haptischen Koordinatensystems bei ver\u00e4nderter Kopfstellung, der zweite bei ver\u00e4nderter K\u00f6rperstellung besch\u00e4ftigt. Nat\u00fcrlich handelt es sich im zweiten Falle im wesentlichen um nichts anderes, als um die Einnahme ganz extremer Kopflagen, die durch Muskelzug allein nicht zu erzielen sind.\n1. An die Spitze der Besprechungen k\u00f6nnen wir die Tatsache stellen, da\u00df bei jeder Lage\u00e4nderung des Kopfes, die ein gewisses gewohnheitsgem\u00e4\u00dfes Ma\u00df \u00fcberschreitet, eine Beeinflussung der Tastwahmehmungen eintritt. Dies \u00e4u\u00dfert sich darin, da\u00df das haptische Koordinatensystem scheinbar eine Drehung ausf\u00fchrt, die wenigstens in den meisten F\u00e4llen im gleichen Sinne verl\u00e4uft, wie die \u00c4nderung der Kopflage, niemals aber den gleichen Grad auf weist. Auf diese Weise kommt es zu T\u00e4uschungen \u00fcber die objektive Lage der beiden Tastpunkte zueinander. Die Ursache der T\u00e4uschungen beruht darin, da\u00df die Lage\u00e4nderung des Kopfes psychisch nicht vollkommen, sondern nur teilweise verwertet wird.\nBei der Ausmessung der scheinbaren Lage\u00e4nderung kann man in gleicher Weise vorgehen, wie das in den fr\u00fcheren F\u00e4llen geschehen ist, d. h. man l\u00e4\u00dft die abgestumpften Spitzen des Apparates durch die Vp. wieder so einstellen, da\u00df die Koordinaten subjektiv frontal-, sagittalhorizontal und vertikal verlaufen. Ausdr\u00fccklich mu\u00df erw\u00e4hnt werden, da\u00df bei jeder Kopfverlagerung eine haptische Koordinate unver\u00e4ndert bleibt, und zwar ist es jeweils diejenige, die mit der Achse, um die der Kopf gedreht wird, identisch verl\u00e4uft. Die beiden anderen erfahren eine Ver\u00e4nderung.\n2*","page":19},{"file":"p0020.txt","language":"de","ocr_de":"20\nGerd Sommer\nDie Frontalhorizontale.\nBei dieser Koordinate liegen die Dinge deswegen so einfach, weil ihr Verlauf bei Normalhaltung des Kopfes subjektiv und objektiv vollkommen \u00fcbereinstimmt. Man stellt bei horizontal gelagertem Apparat die beiden abgestumpften Spitzen so ein, da\u00df ihre Verbindungslinie im strengen Sinne des Wortes frontal-horizontal verl\u00e4uft. Nunmehr l\u00e4\u00dft man Neigungen des Kopfes nach der rechten oder linken Schulter durchf\u00fchren. Es scheint dann jeweils diejenige Spitze tiefer im Raume zu stehen, die sich auf der K\u00f6rperseite befindet, nach der der Kopf zu geneigt wurde. Man verstellt daraufhin die eine Spitze so lange, bis beide gleich hoch zu stehen scheinen und bestimmt auf diese Weise den Winkel \u00df.\nIm Prinzipe gleichartig hegen die Verh\u00e4ltnisse, wenn man die Bestimmung der Frontalhorizontalen bei vertikal gestelltem Apparat und Seitw\u00e4rts Wendung des Kopfes nach rechts bzw. links durchf\u00fchrt. Es scheint dann die eine Spitze dem K\u00f6rper n\u00e4her zu sein als die andere, und zwar war dies ausnahmlos f\u00fcr alle Vpn. diejenige, die sich auf der K\u00f6rperseite befindet, nach der der Kopf zugewendet wurde.\nTabelle 3\nDie Beeinflussung der Frontalhorizontalen durch die ver\u00e4nderte Kopfhaltung, ausgedr\u00fcckt durch den Winkel \u00df\nEbene der Messung\tKopfhaltung\t1\t2\tVp. 3\t5\t6\nHorizontal\tWendung r.\t+4\u00b0\t+2,5\u00bb\t+2\u00b0\t+4,5\u00bb\t+11\u00b0\nn\tWendung 1.\t\u20144\u00b0\t\u20142,5\u00b0\t\u20142\u00b0\t\u20144,5\u00b0\t\u20148\u00b0\nFrontal\tNeigung r.\t+2,5\u00bb\t+3\u00b0\t+2,5\u00bb\t+2\u00b0\t+5\u00bb\nr>\tNeigung 1.\t\u20142\u00b0\t\u20141,5\u00b0\t\u20142,5\u00b0\t-2,5\u00b0\t\u20145\u00b0\nTabelle 4\nVerwertung der Lage\u00e4nderung des Kopfes bei Beurteilung der\nFrontalhorizontalen in Prozenten\nEbene der Messung\tKopfhaltung\t1\t2\tVp. 3\t5\t6\nHorizontal\tWendung r.\t95\t95,5\t97\t92,5\t84,5\nn\tWendung 1.\t95\t95,5\t97\t92,5\t88,5\nFrontal\tNeigung r.\t96\t93,5\t96\t95\t91\nn\tNeigung 1.\t97\t96,5\t96\t93,5\t91","page":20},{"file":"p0021.txt","language":"de","ocr_de":"Das haptische rechtwinklige Koordinatensystem usw.\n21\nIn Tab. 3 sind die Winkel \u00df mit den entsprechenden Vorzeichen f\u00fcr 5 Vpn. bei verschiedenen Kopfhaltungen zusammengestellt. Es zeigt sich, da\u00df der Winkel \u00df individuell etwas schwankt, da\u00df er aber bei Drehung des Kopfes um die gleiche Achse in der einen und anderen Richtung fast immer gleich ist.\nKennt man den Winkel er, um den der Kopf geneigt bzw. seitw\u00e4rts gewendet wurde, so kann man aus dem Zahlenverh\u00e4ltnis\n\u2014----\u00aein Prozenten den Grad bestimmen, in dem die Lage-\n\u00e4nderung psychisch verwertet wurde. Er betr\u00e4gt in diesem Falle zumeist \u00fcber 90 \u00b0/0 (siehe Tab. 4).\nDie Sagittalhorizontale\nIn diesem Falle liegen die Dinge komplizierter, weil schon bei Normalhaltung des Kopfes objektive und subjektive Sagittalhorizontale untereinander nicht \u00fcbereinstimmen. L\u00e4\u00dft man nunmehr die Kopflage ver\u00e4ndern, so w\u00e4re zu erwarten, da\u00df nach Ma\u00dfgabe der Art der Kopfverlagerung die Normalt\u00e4uschungen in dem einen Falle verst\u00e4rkt, im anderen abgeschw\u00e4cht werden.\nDies soll an einem Beispiel erl\u00e4utert werden. So wurde im ersten Teile der Abhandlung auseinandergesetzt, da\u00df bei den meisten Vpn. die objektive Sagittalhorizontale, ausgemessen in der Sagittalebene, subjektiv nach vorn abzufallen scheint. Beugt man nunmehr den Kopf nach vorn, so w\u00e4re zu erwarten, da\u00df der Grad des Abfalls eine Verst\u00e4rkung erf\u00e4hrt, dagegen eine Abschw\u00e4chung, wenn man den Kopf nach hinten beugt. Doch ist dies \u2014 wie dies die Tab. 5 lehrt \u2014 durchaus nicht ausnahmslos der Fall. Nur f\u00fcr die Vpn. 2 und 6 trifft dies zu. F\u00fcr 1 und 3 ist f\u00fcr die Beugung nach vorn keine Verst\u00e4rkung des Normalfehlers festzustellen, w\u00e4hrend eine gewisse Abschw\u00e4chung seiner Gr\u00f6\u00dfe bei Beugung des Kopfes nach hinten zu verzeichnen ist. Bei Vp. 5 verlaufen die Erscheinungen gerade invers. Wir beobachten bei Beugung nach vorn eine merkliche Abschw\u00e4chung, bei Beugung nach hinten eine wesentliche Verst\u00e4rkung des Normalfehlers. Bei allen Vpn. hat sich aber gezeigt, da\u00df es f\u00fcr die Gr\u00f6\u00dfe der Abweichungen gleichg\u00fcltig ist, ob man die rechte Hand ferner vom K\u00f6rper und die linke n\u00e4her zu ihm h\u00e4lt, oder aber umgekehrt.\nAnaloge Erscheinungen ergeben sich bei der Ausmessung der","page":21},{"file":"p0022.txt","language":"de","ocr_de":"22\nGerd Sommer\nSagittalhorizontalen in der Horizontalebene, wenn man eine Wendung des Kopfes nach rechts bzw. nach links vornehmen l\u00e4\u00dft.\nBei keiner Vp. verlaufen da die Erscheinungen ausnahmlos so, wie man erwarten k\u00f6nnte. Ohne da\u00df man eine bestimmte Regel auf stellen k\u00f6nnte, erfahren die Normalfehler einmal eine Verst\u00e4rkung, das andere Mal eine Abschw\u00e4chung.\nWir k\u00f6nnen aus diesem Verhalten den Schlu\u00df ziehen, da\u00df sich die durch die ver\u00e4nderte Kopflage herbeigef\u00fchrten T\u00e4uschungen mit den Normalt\u00e4uschungen nicht in einfacher Weise kombinieren, also etwa summieren bzw. subtrahieren.\nEine Berechnung der Gr\u00f6\u00dfe der psychischen Verwertung der Lage\u00e4nderung hat in allen diesen F\u00e4llen keinen rechten Sinn, da man die Art, in der sich die T\u00e4uschungen kombinieren, nicht zu durchschauen vermag.\nTabelle 5\nDie Beeinflussung der Sagittalhorizontalen durch die ver\u00e4nderte Kopflage, ausgedr\u00fcckt durch den Winkel \u00df\nEbene der Messung Kopfhaltung\t1\t\t\tYp. 2\t\t3\t\t\nHorizontal Wendung r. \u201e\tWendung\t1. Sagittal Beug. n. vorn \u201e\tBeug. n. hinten\tr. ferner 1. n\u00e4her +23\u00b0 +24,5\u00b0 +2\u00b0 \u20141\u00b0\tr. n\u00e4her 1. ferner \u201417,5\u00b0 \u201424\u00b0 +2\u00b0 \u20141\u00b0\t\tr. ferner 1. n\u00e4her 0\u00b0 \u20143\u00b0 +3\u00b0 \u20141,5\u00b0\tr. n\u00e4her 1. ferner 0\u00b0 \u20144,5\u00b0 +3\u00b0 \u20141,5\u00b0\tr. ferner 1. n\u00e4her +10\u00b0 +4,5\u00bb +3,5\u00bb +0,5\u00bb\t\tr.n\u00e4her l.ferner +3\u00b0 \u20142\u00b0 +3,5\u00bb +0,5\u00bb\nEbene der rr \u201e Messung Kopfhaltung\ty 5\t\t\t\tP- 6\t\t\t\nHorizontal Wendung r. \u201e\tWendung\t1. Sagittal Beug. n. vorn \u201e\tBeug. n. hinten\tr. ferner 1. n\u00e4her +4,5o +9\u00b0 Oo +9\u00b0\t\tr. n\u00e4her 1. ferner \u20143\u00b0 \u20148\u00b0 Oo \u2022\t+9\u00b0\t\tr. ferner 1. n\u00e4her +30\u00b0 +4lo +1,5\u00bb \u20143\u00bb\t\tr. n\u00e4her 1. ferner \u201418\u00b0 \u201423\u00b0 +1,5\u00bb \u20143\u00bb\t\nDie Vertikale\nWie die Tab. 6 lehrt, hegen die Dinge f\u00fcr die Vertikale bei Ver\u00e4nderung der Kopfhaltung ganz gleichartig wie f\u00fcr die","page":22},{"file":"p0023.txt","language":"de","ocr_de":"Das haptische rechtwinklige Koordinatensystem usw.\n23\nSagittalhorizontale. Dies ist ohne weiteres zu verstehen, da schon in Normalhaltung des Kopfes objektive und subjektive Vertikale untereinander nicht \u00fcbereinstimmen. Bestimmt man die Lage der Vertikalen in der Sagittalebene und l\u00e4\u00dft man den Kopf nach vorn bzw. nach hinten beugen, so ergibt sich durchaus nicht ausnahmslos eine Verst\u00e4rkung bzw. eine Abschw\u00e4chung des Normalfehlers. Eine solche beobachtet man nur bei den Vpn. 2, 3 und 5. Bei 1 und 6 findet bei Beugung des Kopfes nach vorn nicht \u2014 wie man erwarten sollte \u2014 eine Abschw\u00e4chung, sondern sogar eine Verst\u00e4rkung des Normalfehlers statt. F\u00fcr alle Vpn. erweist sich, da\u00df die Gr\u00f6\u00dfe des Winkels gleich gefunden wird, ob man die rechte Hand an der oberen Taststelle und die linke an der unteren h\u00e4lt oder aber umgekehrt.\nTabelle 6\nDie Beeinflussung der Vertikalen durch die ver\u00e4nderte Kopfhaltung,\nausgedr\u00fcckt durch den Winkel \u00df\nEbene der T7- n, ,, Messung Kopfhaltung\t1\t\t\tVp. 2\t\t3\t\t\nSagittal Beug. n. vorn \u201e\tBeug. n. hinten Frontal Neigung rechts \u201e\tNeigung links\tr. oben 1. unten \u20147\u00b0 \u20148,5o +12\u00b0 +8\u00b0\tr. unten 1. oben \u20147\u00b0 \u20148,5o \t70 \u2014110\t\tr. oben 1. unten \u20142\u00b0 \u20146\u00b0 \u20142\u00b0 +2,50\tr. unten 1. oben \u20142\u00b0 \u20146\u00b0 \u20145\u00b0 +i\u00b0\tr. oben 1. unten 0\u00b0 \u20146,5\u00b0 +5\u00b0 + 1\u00b0\t\tr.unten 1. oben 0\u00b0 \u20146,5\u00b0 \u20141\u00b0 \u20144,5o\nEbene der TZ-Messung Kopfhaltung\tV 5\t\t\t\tP- 6\t\t\t\nSagittal Beug. n. vorn \u201e\tBeug. n. hinten Frontal Neigung rechts \u201e\tNeigung links\tr. oben 1. unten +1\u00b0 \u20143,5o +6\u00b0 \u20143,5\u00b0\t\tr. unten 1. oben +10 \u20143,5\u00b0 \u20141,5\u00b0 \u20148\u00b0\t\tr. oben 1. unten \u2014120 \u2014140 +18\u00b0 +17\u00b0\t\tr. unten 1. oben \u201412\u00b0 \u201414\u00b0 \u20149\u00b0 \u201415\u00b0\t\nBei Ausmessung der Vertikalen in der Frontalebene und Neigung des Kopfes nach rechts bzw. links ergibt sich nur f\u00fcr die Vpn. 1, 3 und 5 eine einfache Kombination mit den Normalt\u00e4uschungen. Bei 6 ergibt sich eine Abweichung bei Neigung des Kopfes nach links, indem da der Normalfehler statt der er-","page":23},{"file":"p0024.txt","language":"de","ocr_de":"24\nGerd Sommer\nwarteten Abschw\u00e4ehung eine merkliche Verst\u00e4rkung erf\u00e4hrt. Bei Vp. 2 verlaufen die Dinge gerade invers, also umgekehrt als bei den Vpn. 1, 3 und 5.\nEine Berechnung der Gr\u00f6\u00dfe der psychischen Verwertung der Lage\u00e4nderung hat auch in diesem F\u00e4he keinen rechten Sinn, da man die Art, in der sich die T\u00e4uschungen kombinieren, nicht zu durchschauen vermag.\n2. Wie ich schon vorhin auseinandergesetzt habe, wurden ganz extreme Kopflagen zum Apparat auf die Weise erzielt, da\u00df ich die K\u00f6rper Stellung ver\u00e4ndern lie\u00df.\nDabei hat sich die interessante Tatsache ergeben, da\u00df die Fehler zumeist gleichsinnig verlaufen, wie bei der ver\u00e4nderten Kopfhaltung, da\u00df sie aber nicht immer in dem Ma\u00dfe an wachsen, als man erwarten sollte. Die Verwertung dieser Lage\u00e4nderungen ist vielfach sogar eine auffallend gute. Es ist dies ein Beweis daf\u00fcr, da\u00df wir oft im Leben darauf angewiesen sind, die Gegenst\u00e4nde der Umwelt nicht nur in aufrechter K\u00f6rperstellung, sondern auch in liegender zu beurteilen, wobei rechte und hnke Seitenlage des K\u00f6rpers nat\u00fcrlich h\u00e4ufiger in Frage kommen, wie Bauch- und R\u00fcckenlage. In Tab. 7 sind die f\u00fcr die ver\u00e4nderte K\u00f6rperstellung gefundenen Werte f\u00fcr Vpn. 1, 2, 3 und 6 zusammengestellt.\nBesonders bemerkenswert ist, da\u00df die Frontalhorizontale in den beiden Ebenen der Messung, der horizontalen und frontalen, durch die entsprechend ver\u00e4nderte K\u00f6rperstellung nur wenig beeinflu\u00dft wird, eigentlich kaum mehr, als durch die ver\u00e4nderte Kopfhaltung. Dabei sind die Winkel, die gefunden werden, in beiden Richtungen zumeist ann\u00e4hernd gleich gro\u00df, aber einander entgegengesetzt. Hervorzuheben ist, da\u00df man bei rechter bzw. linker Seitenstellung zum Apparat mit gro\u00dfer Sicherheit den Verlauf der objektiven Frontalhorizontalen angeben kann, ein Zeichen daf\u00fcr, da\u00df wir die rechte und linke Hand gleichzeitig geschickt nicht nur in dem unmittelbar vor uns gelegenen Raum benutzen k\u00f6nnen, sondern auch in dessen seitlich von uns befindlichen Anteilen. Damit \u00fcberhaupt st\u00e4rkere Abweichungen Vorkommen, ist in diesen Stellungen erforderlich, da\u00df der Kopf dann noch weiter nach rechts bzw. links gedreht wird. Er ist jetzt gegen\u00fcber dem Apparat nicht blo\u00df um 90\u00b0, sondern bis zu 120\u00b0 verstellt. Da\u00df die Verstellung nicht noch eine st\u00e4rkere ist, ist darauf zur\u00fcckzuf\u00fchren, da\u00df man sich niemals zu der Me\u00df-","page":24},{"file":"p0025.txt","language":"de","ocr_de":"Das haptische rechtwinklige Koordinatensystem usw.\n25\nVorrichtung zur Vornahme der Versuche so stellen kann, da\u00df der Winkel in der Ausgangslage schon 90\u00b0 betr\u00e4gt.\nBei der Sagittalhorizontalen ergibt sich durch Ausmessung der Werte in der Horizontalebene in den meisten F\u00e4llen bei gleichzeitiger K\u00f6rper- und Kopfdrehung nach rechts bzw. nach links eine Verst\u00e4rkung der fr\u00fcher gefundenen Fehler. Doch trifft dies nicht ausnahmslos zu (s. z. B. Vpn. 1 u. 6). Wie schon fr\u00fcher auseinandergesetzt wurde, ist auch jetzt die Art nicht ganz klar, in der sich die bei der Normalhaltung des Kopfes gefundenen Abweichungen mit denen durch ver\u00e4nderte Kopf-bzw. K\u00f6rper Stellung bedingten kombinieren.\nBei allen Vpn. ohne Ausnahme wurde aber ermittelt, da\u00df sich die Neigung der Sagittalhorizontalen ausgemessen in der Sagittalebene bei Bauchlage nicht gleichsinnig mit der K\u00f6rperstellung \u00e4ndert. Der Winkel \u00df erf\u00e4hrt also nicht eine Verst\u00e4rkung, wie man erwarten sollte, sondern eine Abschw\u00e4chung: wenn er also bei Normalhaltung des Kopfes positiv ist, so bekommt er nunmehr ein negatives Vorzeichen. Auff\u00e4llig ist ferner die gro\u00dfe Abweichung der Sagittalhorizontalen bei R\u00fcckenlage bei den Vpn. 2 und 6, die \u201431 bzw. \u201420\u00b0 betr\u00e4gt. Ob bei Bauch-und R\u00fcckenlage die rechte Hand ferner und die linke Hand n\u00e4her gehalten wird oder aber umgekehrt, macht f\u00fcr die Gr\u00f6\u00dfe der Winkel nichts aus; die gefundenen Werte sind einander stets gleich.\nEbenso kompliziert wie bei der Sagittalhorizontalen liegen die Verh\u00e4ltnisse auch bei der Vertikalen, sowie man die K\u00f6rperstellung zum Apparat ver\u00e4ndert. Einmal verl\u00e4uft die Abweichung in dem erwarteten Sinne, d. h. die Koordinaten erfahren eine Drehung entsprechend der ver\u00e4nderten K\u00f6rperstellung, ein andermal ist die Abweichung gerade umgekehrt. So ist bei Ausmessung in der Sagittalebene und Bauchlage bei den Vpn. 1, 2 und 3 ein inverser Verlauf der Drehung festzustellen. In R\u00fcckenlage fallen bei Vpn. 1 bzw. 3 die au\u00dferordentlich gro\u00dfen Abweichungen auf, die \u201481 bzw. \u201465\u00b0 betragen. Dies besagt, da\u00df die Vertikale in dieser Ebene nunmehr nahezu sagittalhorizontal zu verlaufen scheint. Ob bei Bauch- und R\u00fcckenlage die rechte Hand oben und die linke Hand unten gehalten wird, oder aber umgekehrt, macht f\u00fcr die Gr\u00f6\u00dfe der Abweichungen und ihren Sinn nichts aus.","page":25},{"file":"p0026.txt","language":"de","ocr_de":"Tabelle7\nDie Beeinflussung der Koordinaten durch die ver\u00e4nderte K\u00f6rperstellung, ausgedr\u00fcckt durch den Winkel \u00df\n26\nGerd Sommer\nrfl \u00d6\nfl \u00c6\nfl X2\nfl 05\n\u00d6 H\u201c +\nO O CO\n\u00d6 t-H\n\u00a9 b\u00a3","page":26},{"file":"p0027.txt","language":"de","ocr_de":"Das haptische rechtwinklige Koordinatensystem usw.\n27\nIII. Zusammenfassung\n1.\tDas haptische Koordinatensystem weicht bei Normalhaltung des Kopfes vom rechtwinklig optischen in mannigfacher Beziehung ab. Nur der Verlauf einer Koordinate, der Frontalhorizon-talen ist objektiv und subjektiv gleich, unabh\u00e4ngig davon, ob\nman die Messung in der horizontalen oder frontalen Ebene vornimmt.\nDer Verlauf der Sagittalhorizontalen weist nahezu f\u00fcr alle Vpn. in 2 Ebenen Abweichungen auf: der horizontalen und sagittalen. In der horizontalen verl\u00e4uft subjektiv die Sagittal-horizontale schr\u00e4g von links nach rechts bzw. von rechts nach links, je nachdem die linke Hand n\u00e4her am K\u00f6rper gehalten wird und die rechte Hand weiter weg oder aber umgekehrt. In der sagittalen Ebene f\u00e4llt sie subjektiv nach vorn zu ab.\nDer Verlauf der Vertikalen weist stets in einer Ebene und zwar der sagittalen, Abweichungen auf, gelegentlich aber auch in zweien, der sagittalen und frontalen. Die objektive Vertikale scheint in der Sagittalebene zum K\u00f6rper geneigt zu stehen. In der frontalen weist sie vielfach einen schr\u00e4gen Verlauf auf, indem sie von links nach rechts auf steigt oder von rechts nach links, je nachdem die linke Hand beim Tasten unten und die rechte oben verwendet wird, oder aber umgekehrt.\nDas optisch rechtwinklige Koordinatensystem erscheint also haptisch nicht rechtwinklig, und umgekehrt w\u00fcrde das haptisch rechtwinklige Koordinatensystem optisch nicht rechtwinklig erscheinen.\nDie beschriebenen Abweichungen des haptischen vom optischen Koordinatensystem haben etwas zu tun mit einer gewohnheitsm\u00e4\u00dfigen Haltung unserer tastenden Gliedma\u00dfen beim Arbeiten.\n2.\tJede starke Ver\u00e4nderung der Kopflage gegen\u00fcber der Norm bewirkt scheinbar eine Drehung des haptischen Koordinatensystems im Sinne der Kopfdrehung, bedingt dadurch, da\u00df die Lage\u00e4nderung psychisch nur teilweise verwertet wird. Diese Regel gilt ausnahmslos f\u00fcr die Frontalhorizontale. Bei den anderen Koordinaten erfolgt die Drehung des haptischen Koordinatensystems manchmal auch entgegengesetzt zu der der Kopfdrehung.","page":27}],"identifier":"lit35986","issued":"1930-31","language":"de","pages":"1-27","startpages":"1","title":"Das haptische rechtwinklige Koordinatensystem und seine Abh\u00e4ngigkeit von der Kopfhaltung","type":"Journal Article","volume":"61"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:36:09.333719+00:00"}

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