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Die Reizempfindungskurve

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{"created":"2022-01-31T15:06:16.520505+00:00","id":"lit35995","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"Zinner, E.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 61: 247-266","fulltext":[{"file":"p0247.txt","language":"de","ocr_de":"247\nDie Reizempfindungskurve\nVon\nE. Zinnek (Bamberg, Sternwarte)\nDie Sternforschung war wegen der Unerreichbarkeit ihres Forschungsgegenstandes und wegen der verh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfig langsamen Bewegung der meisten Himmelsk\u00f6rper von Anfang an darauf bedacht, ihre Beobachtungen durch Verfeinerung und Vervollkommnung ihrer Instrumente zu verbessern. Als dies durch die Verwendung des Fernrohres soweit gegl\u00fcckt war, da\u00df selbst die kleinsten fr\u00fcher unbeachtet gebliebenen Eigent\u00fcmlichkeiten im Laufe oder in der Stellung der Himmelsk\u00f6rper zur Verbesserung der Theorie herangezogen werden konnten, gab die im Anf\u00e4nge des 19. Jahrhunderts erfolgte Entdeckung, da\u00df die Beobachtungen verschiedener Beobachter nicht gleichwertig seien, da\u00df vielmehr jeder Beobachter bei gleicher Umsicht und Geschicklichkeit sich beim Beobachten anders verhalte, der Sternforschung einen neuen Impuls. Die pers\u00f6nlichen Eigent\u00fcmlichkeiten der Beobachter, auch \u201ePers\u00f6nliche Gleichung\u201c genannt, gaben sich nicht nur bei der Beobachtung von Sterndurchg\u00e4ngen hinter einem Faden, sondern auch bei der Messung des Abstandes von Doppelsternpaaren, beim Sch\u00e4tzen von Unterteilungen einer Skala, beim Helligkeitsmessen und -sch\u00e4tzen, bei der Beobachtung von Sternfarben zu erkennen und erforderten ihre eingehende Ber\u00fccksichtigung, bevor an die Verwertung der Beobachtungen herangegangen werden konnte. Durch diese Ber\u00fccksichtigung der Eigent\u00fcmlichkeiten der Beobachter, die seit dem Jahre 1820 erfolgte, erhielt die Sternforschung ihre besondere Stellung unter den Naturwissenschaften. Von diesen Eigent\u00fcmlichkeiten sollten die pers\u00f6nlichen Eigent\u00fcmlichkeiten beim Helligkeitsmessen und -sch\u00e4tzen eine besondere Bedeutung erlangen.","page":247},{"file":"p0248.txt","language":"de","ocr_de":"248\nE. Zimier\nVon den Griechen her \u00fcberliefert war eine Gr\u00f6\u00dfeneinteilung der Sterne, welche den hellsten Sternen die erste Gr\u00f6\u00dfe und den schw\u00e4chsten, mit blo\u00dfem Auge noch sichtbaren Sternen die sechste Gr\u00f6\u00dfe gab. Es handelte sich dabei nicht um eine physikalisch festgelegte Einteilung, sondern um eine Ged\u00e4chtniseinteilung, die zudem die Unterteilung in V3 Gr\u00f6\u00dfenklassen usw. zulie\u00df und im Laufe der Jahrhunderte auch auf schw\u00e4chere Sterne erweitert wurde. Im Anf\u00e4nge des 19. Jahrhunderts begannen die Versuche, die Helligkeit der Sterne nicht durch Sch\u00e4tzung, sondern durch Messung festzustellen und zu untersuchen, welche Beziehung zwischen den gesch\u00e4tzten Gr\u00f6\u00dfen und den gemessenen Lichtst\u00e4rken der Sterne bestehe. Bereits im Jahre 1835 gelang K. A. Steinheil der Nachweis, da\u00df eine logarithmische Beziehung zwischen Reiz (Lichtst\u00e4rke) und Empfindung (Gr\u00f6\u00dfenklasse) bestehe. Diese Beziehung wurde von Fechner auch f\u00fcr andere Empfindungsbereiche, haupts\u00e4chlich f\u00fcr Ton- und Gewichtsempfindungen besonders auf Grund von Untersuchungen Webers nachgewiesen und bildet die Grundlage des Weber-FECHNERschen Reizempfindungsgesetzes. Nachdem eine eindeutige Beziehung zwischen den gesch\u00e4tzten Gr\u00f6\u00dfen und den gemessenen Lichtst\u00e4rken festgestellt war, handelte es sich f\u00fcr die Sternforschung zun\u00e4chst darum, f\u00fcr die in der Formel 1) log J0\u2014log J~ a(m\u2014n^)1 zwischen den Lichtst\u00e4rken J und den Gr\u00f6\u00dfen m bestehenden Beziehung die Konstante a geeignet zu w\u00e4hlen, damit die gemessenen Lichtst\u00e4rken so in Gr\u00f6\u00dfen umgerechnet werden k\u00f6nnten, da\u00df sie in die gesch\u00e4tzte Gr\u00f6\u00dfeneinteilung der Sterne hineinpassen. Auf Vorschlag Pogsons wurde a = 2,52 gesetzt. Obwohl es sich sp\u00e4ter herausstellte, da\u00df diese Zahl zu klein gew\u00e4hlt war und besser 2,8 h\u00e4tte sein m\u00fcssen, wurde sie allen Helligkeitsmessungen zugrunde gelegt und ist demgem\u00e4\u00df bestimmend f\u00fcr den Zusammenhang der jetzt gebr\u00e4uchlichen gemessenen Gr\u00f6\u00dfen mit den gem\u00e4\u00df der \u00fcberlieferten Gr\u00f6\u00dfeneinteilung gesch\u00e4tzten Gr\u00f6\u00dfen, die allerdings im Laufe der Zeit eine immer kleinere Rolle spielten.\nMit der Festsetzung des Wertes a w\u00e4re die Angelegenheit f\u00fcr die Sternforschung erledigt gewesen, wenn sich nicht gezeigt h\u00e4tte, da\u00df sowohl bei der Ausdehnung der Gr\u00f6\u00dfeneinteilung auf sehr schwache Sterne und bei der Anwendung des Stufen-\n1 m bedeutet die Gr\u00f6\u00dfe (magnitudo) eines Sternes, ausgedr\u00fcckt in\nGr\u00f6\u00dfenklassen; siehe G. M\u00fcller, Die Photometrie der Gestirne. Leipzio-1897. S. 455.\t\u00b0","page":248},{"file":"p0249.txt","language":"de","ocr_de":"Die Reizempfindungskurve\n249\nSch\u00e4tzungsverfahrens auf die Helligkeitsbestimmung als auch bei der Vergleichung von Katalogen gemessener Helligkeiten sich betr\u00e4chtliche Abweichungen zeigten, welche auf die nicht vollst\u00e4ndige G\u00fcltigkeit der obigen Formel 1 und damit des ihr zugrunde liegenden Reizempfindungsgesetzes und au\u00dferdem auf besondere Eigent\u00fcmlichkeiten der einzelnen Beobachtungen hindeuteten. Bereits Fechner hatte Abweichungen von seinem Gesetz f\u00fcr zu gro\u00dfe Helligkeiten, wregen der Blendwirkung, und f\u00fcr zu schwache Helligkeiten, wegen des Eigenlichtes des Auges, vermutet, Solche oberen und unteren Abweichungen glaubten Physiologen f\u00fcr den Gesichtssinn, wie auch f\u00fcr den Geschmacksinn, Geh\u00f6rsinn und Drucksinn, feststellen zu k\u00f6nnen, allerdings meistens nicht sicher. Die Ergebnisse der physiologischen Untersuchungen \u00fcber das Reizempfindungsgesetz und \u00fcber seine Abweichungen befriedigen wenig. Die Streuung der Beobachtungen ist sehr gro\u00df. Angesichts dieser Umst\u00e4nde d\u00fcrfte der Versuch berechtigt erscheinen, die wahre Form des Reizempfindungsgesetzes auf Grund der astronomischen Helligkeitsbeobachtungen abzuleiten. Solche Beobachtungen d\u00fcrften auch aus folgenden Gr\u00fcnden dazu besonders geeignet sein: Ihre Anzahl ist sehr gro\u00df, handelt es sich doch z. B. bei Sch\u00f6neeld um mindestens 90000 Vergleichungen zweier Sterne, bei Hartwig um mindestens 70000 und bei Zinner um mindestens 40000 Vergleichungen, bei E. C. Pickering um mindestens 1000000 Helligkeitsmessungen, bei M\u00fcller und Kempe um mindestens 40000 Helligkeitsmessungen, um nur einige Beobachter zu nennen, wobei die sehr vielen Gr\u00f6\u00dfensch\u00e4tzungen au\u00dfer acht bleiben.1 Dazu kommt, da\u00df es sich hier um erfahrene Beobachter handelt, die durch st\u00e4ndige \u00dcbung ihre Genauigkeit gesteigert und jahrelang, Hartwig durch beinahe ein halbes Jahrhundert hindurch, ihre Beobachtungen fortgesetzt haben. Auch d\u00fcrfte der Umstand eine Rolle spielen, da\u00df es sich bei solchen Beobachtungen, die ihrer Genauigkeit nach zu den guten geh\u00f6ren, um die Aus\u00fcbung einer triebhaften T\u00e4tigkeit, um eine naturgem\u00e4\u00dfe Verfeinerung der menschlichen Sinnest\u00e4tigkeit und nicht um erzwungene Versuche handelt. Gewi\u00df lassen sich gegen die astronomischen Beobachtungen die Einw\u00e4nde erheben, da\u00df im\n1 Ver\u00f6ffentlichungen der Sternwarte zu Heidelberg, Bd. 1, Karlsruhe 1900; Ver\u00f6ffentlichungen der Sternwarte zu Bamberg, Bd. 1 und 3; Annals of Harvard College Observatory 50 (1508), S. 1; Publikationen des Astro-physikalischen Observatoriums zu Potsdam, Bd. 17, Potsdam 1907.","page":249},{"file":"p0250.txt","language":"de","ocr_de":"250\nE. Zinner\nGegensatz zu den Laboratoriumsversuchen das wechselnde Aussehen der Sterne, die oft unbequeme Stellung der Beobachter und die Erm\u00fcdung wegen der n\u00e4chtlichen T\u00e4tigkeit die Genauigkeit der Beobachtungen sehr beeintr\u00e4chtigen k\u00f6nne. Der Einwand wegen der Erm\u00fcdung ist nicht stichhaltig, sofern die Beobachtungen in jeder Nacht nicht allzusehr ausgedehnt werden. Der Umstand, da\u00df die Beobachtungen meistens zu nachtschlafender Zeit stattfinden, ist nicht ausschlaggebend; denn beim Beobachten pflegt man so wach zu sein, da\u00df man selbst nach vielst\u00fcndiger Beobachtungsdauer nicht gleich einschlaf en kann, sondern sich vielmehr dazu zwingen mu\u00df. Das wechselnde Aussehen der Sterne, hervorgerufen durch die Unruhe und verschiedene Durchsichtigkeit der Luft, ist sicherlich sehr st\u00f6rend; aber ein wesentlicher Fehler kann dadurch nicht entstehen, da die Helligkeitsvergleichungen auf den photographischen Platten, bei denen die so st\u00f6rende momentane Luftunruhe nicht in Betracht kommt, gleichgro\u00dfe Fehler aufweisen. Allerdings darf bei den Beobachtungen am Fernrohr die Luftunruhe eine gewisse Grenze nicht \u00fcberschreiten, da zu unruhige und aufbl\u00e4hende Sternb\u00fcdchen eine genaue Beobachtung unm\u00f6glich machen. Auch der Einflu\u00df der oft nicht bequemen Kopfhaltung beim Beobachten ist nicht allzu hoch einzusch\u00e4tzen, sind doch die Beobachtungen am Refraktor und mit dem Feldstecher, wo dieser st\u00f6rende Einflu\u00df sich besonders bemerkbar macht, den Helligkeitsmessungen mit dem Potsdamer Z\u00d6LLNEa-Photometer und mit dem PiCKEEiNGschen Meridianphotometer, wo das Auge seine Blickrichtung immer beibeh\u00e4lt, gleichwertig, wie der Vergleich der mittleren Fehler der Messungen von Picketing, M\u00fcllee und Kempe mit dem mittleren Fehler der besten und mittelguten Stufensch\u00e4tzer ergibt. Demnach sind die drei Einw\u00e4nde nicht so schwerwiegend, um den Wert der astronomischen Beobachtungen f\u00fcr die Feststellung der Reizempfindungskurve zu beeintr\u00e4chtigen. Allerdings mu\u00df bei solchen Beobachtungen die Voraussetzung erf\u00fcllt sein, da\u00df das Auge hinl\u00e4nglich an die Dunkelheit angepa\u00dft ist und gen\u00fcgend lange den Stern beobachtet, zur Erzielung gr\u00f6\u00dfter Leistung.\nZur Feststellung der Form der Reizempfindungskurve k\u00f6nnen, wie ich in 2 Arbeiten1 gezeigt habe, sowohl die Gr\u00f6\u00dfensch\u00e4tzungen,\n1 E. Zinnek, \u00dcber das Beizempfindungsgesetz und die Farbengleichung. Probleme der Astronomie. Festschrift f\u00fcr Hugo v. Seelinger. Berlin 1924.\nDerselbe, Helligkeitsverzeichnis von 2373 Sternen bis zur Gr\u00f6\u00dfe 5,50 Ver\u00f6ffentlichungen der Bemeis-Sternwarte zu Bamberg, Band II.)","page":250},{"file":"p0251.txt","language":"de","ocr_de":"Die Reizempfindungskurve\n251\nals auch die Stufensch\u00e4tzungen und sogar die Helligkeitsmessungen\nder Sterne dienen. Bei der Ableitung der Kurve ist die Farbe\nder Sterne zu ber\u00fccksichtigen, wovon sp\u00e4ter noch die Rede sein wird.\nDie Gr\u00f6\u00dfensch\u00e4tzungen, auf Grund der Ged\u00e4chtniseinteilung, ergeben beim Vergleich mit den gemessenen und auf Grund der obigen Formel errechneten Gr\u00f6\u00dfen der Sterne in auff\u00e4lliger Weise die obere Abweichung von der Reizempfindungskurve bei den hellen Sternen und die untere Abweichung bei den schwachen Sternen. Dabei \u00e4ndert sich der Begriff \u201ehell\u201c und \u201eschwach\u201c gem\u00e4\u00df der Lichtst\u00e4rke des ben\u00fctzten Fernrohres. F\u00fcr das blo\u00dfe Auge gelten die Sterne heller als 2. Gr\u00f6\u00dfe als hell und die Sterne schw\u00e4cher als 5. Gr\u00f6\u00dfe bis hinab zur Grenzgr\u00f6\u00dfe, den eben noch sichtbaren Sternen, als schwach. F\u00fcr die dazwischen liegenden Sterne mittlerer Gr\u00f6\u00dfe gilt angen\u00e4hert das WEBEB-FECHNEEsche Reizempfindungsgesetz ; nur entspricht die Gr\u00f6\u00dfe a der Formel 1 nicht ganz den Verh\u00e4ltnissen. F\u00fcr die hellen und f\u00fcr die schwachen Sterne \u00e4u\u00dfert sich die obere und untere Abweichung der Kurve derart, da\u00df den gleichen gesch\u00e4tzten Gr\u00f6\u00dfenunterschieden ein immer mehr wachsender Gr\u00f6\u00dfenunterschied entspricht wie aus den Zahlen der Tabelle 1 f\u00fcr die Gr\u00f6\u00dfen von 3 an aufw\u00e4rts und von 5 an abw\u00e4rts hervorgeht. Diese Tabelle 1 gibt die f\u00fcr die wei\u00dfen Sterne festgestellten Reizempfindungskurven von Abgelandeb und Heis, geltend f\u00fcr das blo\u00dfe Auge.\nTabelle 1\nGr\u00f6\u00dfen- sch\u00e4tzung\tArgelander\tHeis\tGr\u00f6\u00dfen- sch\u00e4tzung\tArgelander\tHeis\n1\tm 0,56\tm 0,50\t4\tm 4,34\tm 4,28\n1 'u\t1,35\t1,37\t47s\t4,64\t4,60\ni2/*\t1,90\t1,84\t42/3\t4,97\t4,91\n2\t2,33\t2,28\t5\t5,25\t5,21\n27\u00bb\t2,68\t2,67\t57s\t5,52\t5,51\n22/3\t3,05\t3,00\t5 */,\t5,81\t5,82\n3\t3,38\t3,37\t6\t6,19\t6,24\n^7\u00bb\t3,74\t3,65\t67s\t\u2014\t6,80\n37\u00bb\t4,04\t3,98\t\t\t\nDieselben Verh\u00e4ltnissen f\u00fcr die schwachen Sterne bestehen auch f\u00fcr die Gr\u00f6\u00dfensch\u00e4tzungen am Fernrohr, wie aus den gemessenen Gr\u00f6\u00dfen 8,13\u201c,\t8,67\u201c,\t9,41\u201c und 10,70\u201c f\u00fcr die","page":251},{"file":"p0252.txt","language":"de","ocr_de":"252\nE. Zinner\nSch\u00e4tzungsgr\u00f6\u00dfen 8,0, 8,5, 9,0 und 9,5 der Bonner Durchmusterung hervorgeht. \u00c4hnlich ist es mit den gesch\u00e4tzten Gr\u00f6\u00dfen der schwachen Sterne anderer Durchmusterungen.\nDen Gr\u00f6\u00dfensch\u00e4tzungen, die auf Vs oder h\u00f6chstens 1/10 Gr\u00f6\u00dfenklasse erfolgten, kommt keine gro\u00dfe Genauigkeit zu. Viel genauer sind die Stufensch\u00e4tzungen, die zur Bestimmung der Helligkeit eines ver\u00e4nderlichen Sternes dienen und gem\u00e4\u00df dem Vorschl\u00e4ge Aegelandees so angestellt werden, da\u00df der Helligkeitsunterschied zweier Sterne durch Stufen ausgedr\u00fcckt wird. Dabei bedeutet die Stufe 0 die v\u00f6llige Gleichheit beider Sterne, selbst bei mehrmaligen Vergleichen, die Stufe 1 den bei mehrmaligen Vergleichen eben noch merklichen Helligkeitsunterschied, entsprechend der Unterschiedsschwelle, Stufe 2 einen etwas gr\u00f6\u00dferen Helligkeitsunterschied und so fort f\u00fcr die gr\u00f6\u00dferen Stufenzahlen. Auf diese Weise lassen sich die Vergleichsterne jedes ver\u00e4nderlichen Sternes durch Stufensch\u00e4tzungen miteinander verbinden und einheitliche Vergleichsternfolgen auf stellen, die durch die Gleichsetzung der jedem Stern zukommenden Stufen mit seiner zugeh\u00f6rigen gemessenen Gr\u00f6\u00dfe erkennen lassen, ob eine lineare Beziehung zwischen den Stufen und den Gr\u00f6\u00dfen besteht, oder ob auch die obere und untere Abweichung wie bei den Gr\u00f6\u00dfensch\u00e4tzungen vorhanden ist. Die untere Abweichung war f\u00fcr die Stufensch\u00e4tzungen seit l\u00e4ngerer Zeit bekannt. Sie tut sich in der Vergr\u00f6\u00dferung des Stufenwertes, d. h. des einer Stufe entsprechenden Gr\u00f6\u00dfenunterschiedes, mit zunehmender Lichtschw\u00e4che der Sterne kund. Diese Vergr\u00f6\u00dferung zeigt sich z. B. deutlich in den Stufenwerten von Hagen, Heis und Nijland. Der Nachweis der oberen Abweichung war schwierig und zwar aus folgendem Grunde : Offenbar l\u00e4\u00dft sich in demjenigen Helligkeitsbereich, wo keine Abweichung vom Gesetze auftritt, d. h. im Bereiche der mittleren Helligkeiten am bequemsten beobachten ; das Auge f\u00fchlt sich nicht durch das Licht zu heller Sterne geblendet und braucht sich nicht so anzustrengen wie bei der Beobachtung zu schwacher Sterne. Jeder Beobachter wird daher bestrebt sein, die Sterne immer im Bereiche der bequemen Helligkeit zu beobachten, zumal dann auch die Beobachtungsfehler am kleinsten sind. Er wird daher bei hellen Sternen zu weniger lichtstarken Fernrohren \u00fcbergehen, zuletzt nur einen Feldstecher oder eine Brille ben\u00fctzen oder mit blo\u00dfem Auge beobachten. Der Beobachter kann auf diese Weise der oberen Abweichung immer ausweichen \u2014 falls","page":252},{"file":"p0253.txt","language":"de","ocr_de":"Die Reizempfindungskurve\n253\nes sich nicht um die allerhellsten Sterne wie Wega, Sirius handelt \u2014-, anders steht es mit der unteren Abweichung, der bei dem gro\u00dfen Helligkeitsumfang der langperiodischen Sterne nur die Beobachter mit sehr lichtstarken Fernrohren ausweichen k\u00f6nnen. Die anderen Beobachter m\u00fcssen ihre weniger lichtstarken Fernrohre bis zur Grenzgr\u00f6\u00dfe ausn\u00fctzen, weshalb sich in ihren Beobachtungen die untere Abweichung deutlich kundgibt. Die Kurven mit unterer und oberer Abweichung sind also nur dann zu erhalten, wenn man sich nicht auf den Bereich der bequemen Helligkeit beim Beobachten beschr\u00e4nkt, sondern mit demselben Fernrohr auch die zu hellen und zu schwachen Sterne mitbeobachtet. Dies ist der Fall bei den Gr\u00f6\u00dfensch\u00e4tzungen von Argelander und Heis und bei den Stufensch\u00e4tzungen verschiedener Beobachter. Um die Form der Kurve mit ihrer oberen und unteren Abweichung festzustellen, habe ich im Jahre 1917 mit einem Feldstecher 79 Sterne zwischen der 1. und 9. Gr\u00f6\u00dfe durch 149 Stufen miteinander verbunden. Die daraus folgenden Kurvenw^erte und die Formel dazu ist in meiner ersten Arbeit S. 365 mitgeteilt. Eine gr\u00f6\u00dfere Genauigkeit kommt der Kurve zu, die aus den Stufenwerten Hartwigs zwischen der 5. und 13. Gr\u00f6\u00dfenklasse abgeleitet worden und in der Tab. 2 in der Spalte K wiedergegeben ist; sie beruht auf Beobachtungen mit Fernrohren mittlerer Gr\u00f6\u00dfe, haupts\u00e4chlich mit dem siebenz\u00f6lligen Heliometer und mit dem sechsz\u00f6lligen Kometensucher und gelegentlich mit dem zehnz\u00f6lligen Refraktor.\nDie Spalten 1 und 2 enthalten die Stufenzahl und die entsprechende gemessene Gr\u00f6\u00dfe K, die der Normalkurve entnommen ist, die auf Grund von Vergleichsternfolgen der von Hartwig beobachteten ver\u00e4nderlichen Sterne entwarfen worden ist. Aus dem Vergleich der Zahlen St und K folgt, da\u00df keine lineare Beziehung zwischen ihnen besteht. Deutlich machen sich die obere und untere Abweichung bemerkbar. Der Helligkeitsbereich von der 25. bis zur 55. Stufe entspricht dem Bereich der bequemen Helligkeit. Zwischen den Gr\u00f6\u00dfen m und den Stufen E besteht eine Beziehung der Form\n2)\tm \u2014 m0 = B tg C (E \u2014 E0),\nwo m die Zahlen der Spalte K, E die Zahlen der Spalte St, B und C Konstanten bedeuten. Die Konstante m0 \u2014 8,08 liegt dem K-Werte 8,10 sehr nahe, dessen entsprechender St-Wert E0 = 40 ist. Mit Hilfe der Formel wurden die den Stufenwerten","page":253},{"file":"p0254.txt","language":"de","ocr_de":"254\nE. Zinner\nentsprechenden Werte m der Spalte K berechnet. Die Unterschiede K \u2014R = v sind nicht gro\u00df. Die daraus berechnete Summe der Fehlerquadrate Zv2 ist viel kleiner als sie sich bei der Wahl anderer m0 und anderer Konstanten B und C ergibt. Aus Z\\2 errechnet sich der mittlere Fehler eines der 20 Kurvenpunkte St \u2014 unter Ber\u00fccksichtigung der 4 Konstanten \u2014 zu + 0,050m, was angesichts der Unsicherheit der Stufensch\u00e4tzungen und der f\u00fcr die Vergleichsterne verwendeten HAEVAED-Gr\u00f6\u00dfen als recht befriedigend bezeichnet werden kann.\nTabelle 2\nNormalkurve f\u00fcr Hartwigs Stufensch\u00e4tzungen\nSt\tK\tR i\tK (Pup.)\tI\tII\n\tm\tm\t|\t\t|\n0\t5,00\t4,99\t5,02\t1330\ti 13 932\n5\t5,48\t5,46\t5,50\t\t\n10\t5,83\t5,89\t5,85\t809\t1280\n15\t6,33\t6,30\t6,34\t\t\n20\t6,74\t6,68\t6,75\t350\t345\n25\t7,13\t7,04\t7,13\t\t\n30\t7,48\t7,39\t7,48\t177\t185\n35\t7,78\t7,74\t7,78\t\t\n40\t8,10\t8,08\t8,10\t100\t100\n45\t8,41\t8,42\t8,41\t\t\n50\t8,74\t8,77\t8,74\t55\t54\n55\t9,07\t9,14\t9,07\t\t\n60\t9,45\t9,48\t9,44\t29\t29\n65\t9,81\t9,86\t9,80\t\t\n70\t10,22\t10,27\t10,20\t14\t08\n75\t10,67\t10,70\t10,65\t\t\n80\t11,18\t11,17\t11,16\t06\t00,7\n85\t11,71\t11,69\t11,69\t\t\n90\t12,30\t12,28\t12,28\t02\t00,005\n95\t12,93\t12,95\t12,91\t01\t\nDie obige Tangentenformel 2) vermag aber auch andere Reizempfindungskurven befriedigend darzustellen, wie aus der folgenden Tab. 3 hervorgeht.\nDie oberste Zeile enth\u00e4lt die f\u00fcr die Gr\u00f6\u00dfensch\u00e4tzungskurve von Heis abgeleiteten Konstanten, die anderen Zeilen die Kurven von Vergleichsternfolgen auf Grund von Stufensch\u00e4tzungen und","page":254},{"file":"p0255.txt","language":"de","ocr_de":"Die Reizempfindungskurve\n255\nzwar der Beobachter Heis, Winnecke, Hartwig, Zinner und Leiner. Bei Heis und Winnecke wurde ihre Vergleichsternfolge f\u00fcr o Ceti zugrunde gelegt, bei Hartwig die oben erw\u00e4hnte Normalkurve und die Vergleichsternkurve f\u00fcr den ver\u00e4nderlichen Stern E Serpentis, bei Zinner die erw\u00e4hnte mit dem Feldstecher erhaltene Kurve, bei Leiner die Vergleichsternkurve von X Trianguli.1 Die zugrunde gelegten Gr\u00f6\u00dfen sind entnommen bei der Gr\u00f6\u00dfensch\u00e4tzungskurve von Heis meinem Helligkeitsverzeichnisse und der Potsdamer Durchmusterung, bei meiner Stufensch\u00e4tzungskurve der Potsdamer Durchmusterung, bei den anderen Kurven den HARVARD-Messungen. Heis beobachtete mit blo\u00dfem Auge, Winnecke und Zinner mit Feldstecher, Deiner wohl mit einem Vierz\u00f6ller, Hartwig mit Kometensucher, Heliometer und selten mit Refraktor.\nTabelle 3\n1\t2 m\t3 ni]\t4 B\t5 C\t6 E0\t7 n\nHeis I\tm 4,28\tm 4,3\tm 4,571\t12,0\t4m\t17\nHeis II\t4,88\t4,9\t2,951\t1,5\t25st\t13\nWinnecke\t4,25\t3,1\t2,884\t2,0\t14\t16\nHartwig I\t8,08\t2,8\t4,584\t0,85\t40\t20\nHartwig II\t8.58\t3,3\t1,380\t2,0\t30\t13\nZinner\t4,84\t3,7\t2,77\t0,75\t80\t15\nDeiner\t10,29\t\u2014\t1,442\t3,0\t18\t16\n\t8 2w2\t9 m. F.\t10 G\t11 M\t12\t13 LTmfang\nHeis I\t0,257\tm \u00b10,141\tm 0,89\t61,6\tm 6,24 = 313\nHeis II\t0,0793\t0,094\t0,070\t63,2\t6,08= 270\nWinnecke\t0,0420\t0,059\t0,083\t69,5\t3,33 = 21\nHartwig I\t0,0408\t0,050\t0,067\t58,2\t7,93 =1486\nHartwig II\t0,0732\t0,090\t0,065\t42,5\t4,77= 81\nZinner\t0,1369\t0,111\t0,032\t64,9\t7,22 = 77\nLeiner\t0,0207\t0,042\t0,075\t57,8\t3,01= 16\n1 J. G. Hagen, Beobachtungen ver\u00e4nderlicher Sterne von Eduard Heis, Berlin 1903; M. B. Shapley, The orbit of Trianguli, Harvard Bulletin 840. Die Kurven von Winnecke und Hartwig sind den auf der Bamberger Sternwarte durchgef\u00fchrten Bearbeitungen dieser Beobachtungen entnommen.","page":255},{"file":"p0256.txt","language":"de","ocr_de":"256\nE. Zimier\nDie Tab. 3 enth\u00e4lt in der 1. Spalte den Beobachter, in der 2. bis 3. Spalte die Zahlen m0 der Tangentenformel und die zugeh\u00f6rigen Zahlen ml5 in der 4. bis 6. Spalte die Zahlenwerte B, C und E0 der Formel, in der 7. bis 9. Spalte die Zahl n der zur Formeldarstellung ben\u00fctzten Kurvenpunkte, die 2 v2 und den daraus berechneten mittleren Fehler m. F. jedes Kurvenpunktes, in der 10. Spalte den f\u00fcr die Umgebung von E0, also f\u00fcr den Bereich der bequemen Helligkeit, geltenden Stufenwert G, in der 11. Spalte die Gr\u00f6\u00dfe M, in der 12. bis 13. Spalte den Helligkeitsumfang der Kurve in Gr\u00f6\u00dfenklassen und in Lichtst\u00e4rken, bei Umwandlung der gemessenen Gr\u00f6\u00dfen in Lichtst\u00e4rken gem\u00e4\u00df der Formel 1.\nDie Spalten der 2 v2 und der m. F. lassen erkennen, da\u00df sich sowrohl die auf Gr\u00f6\u00dfensch\u00e4tzungen, als auch die auf Stufensch\u00e4tzungen beruhenden Kurven gut durch die Tangentenformel darstellen lassen. Bei der Gr\u00f6\u00dfensch\u00e4tzungskurve von Heis wird die Darstellung bedeutend besser, n\u00e4mlich 2 v2 = 0,045 und m. F. \u2014 0,059, wenn der nur auf 2 Sternen beruhende Gegenwert 0,50 zu der HEis-Gr\u00f6\u00dfe 1 unber\u00fccksichtigt bleibt.\nDie Formel m\u2014m0 =B tgC(F\u2014F0) besagt, da\u00df die wahre Reizempfindungskurve sich zu der Reizempfindungskurve des Weber-FECHNERschen Gesetzes, wie sie in der Formel 1 zum Ausdruck kommt, verh\u00e4lt wie der Kreisbogen zu der Tangente, welche den Kreisbogen im Bereich der bequemen Helligkeit ber\u00fchrt. Der Ber\u00fchrungspunkt entspricht den Zahlen m0 als Reiz und E0 als Empfindung. Bei der Zahl m0 mu\u00df noch dem Einflu\u00df der Lichtst\u00e4rke des ben\u00fctzten Fernrohres Rechnung getragen werden, durch die Ber\u00fccksichtigung des Verh\u00e4ltnisses der Fernrohr\u00f6ffnung zu der mittleren Pupillen\u00f6ffnung. Auf diese Weise ergeben sich die Zahlen ml5 die bei Wineecke, Hartwig und Zinner bei 3m und bei Heis, der so empfindliche Augen hatte, da\u00df er bei Sternenlicht lesen konnte und noch Sterne 8. Gr\u00f6\u00dfe mit blo\u00dfem Auge erkannte, bei 4 bis 5m liegen und dem Bereich der bequemen Helligkeit angeh\u00f6ren.\nBei Hartwig wurde die Vergleichsternkurve von R Serpentis mitberechnet, da sie eine besonders starke Kr\u00fcmmung der Kurve und damit besonders gro\u00dfe obere und untere Abweichungen zeigt Auch diese Kurve l\u00e4\u00dft sich durch die Tangentenformel gut darstellen, was auch f\u00fcr den anderen Grenzfall, n\u00e4mlich die Kurve mit kaum merklicher Kr\u00fcmmung, zutrifft. Demgem\u00e4\u00df l\u00e4\u00dft sich","page":256},{"file":"p0257.txt","language":"de","ocr_de":"Die Reizempfindungskurve\n257\nin weiten Grenzen jede Kurve durch diese Formel darstellen. Entsprechend der Kr\u00fcmmung der Kurven \u00e4ndern sich die Kon-stanten B und C.\nZwischen den Zahlen G, B und C bestehen anscheinend Be-\nB \u2022 C\nZiehungen in der Form M = \u2014^ = 62 \u00bb 5, wenn Kurven durchschnittlicher Kr\u00fcmmung in Betracht gezogen werden. Diesem Wert M kommen die M-Werte der Normalkurve Hartwigs, der Stufenkurven von Winnecke, Zinner und Leiner, der Gr\u00f6\u00dfensch\u00e4tzungskurve und der Stufensch\u00e4tzungskurve von Heis sehr nahe, wie die Zahlen der Spalte M beweisen; sie kann als ein Ma\u00df f\u00fcr die Kr\u00fcmmung der Kurve angesehen werden und scheint eine f\u00fcr den Gesichtssinn charakteristische Konstante zu bedeuten, da sie so verschiedenen Beobachtungsarten wie Gr\u00f6\u00dfensch\u00e4tzungen und Stufensch\u00e4tzungen gen\u00fcgt. Es w\u00e4re wichtig, f\u00fcr die anderen Sinne \u00e4hnliche Konstanten aufzufinden.\nBei der bisherigen Untersuchung war die selbstt\u00e4tige Pupillen\u00e4nderung, bei der \u00c4nderung der einfallenden Lichtst\u00e4rke, unber\u00fccksichtigt geblieben. Die Gr\u00f6\u00dfe der Pupillen\u00e4nderung mu\u00dfte man fr\u00fcher gem\u00e4\u00df den Beobachtungen von Lans als bedeutend ansehen, so da\u00df ein betr\u00e4chtlicher Teil der oberen und unteren Abweichung sich durch die gleichzeitig erfolgende Pupillen\u00e4nderung erkl\u00e4ren lie\u00dfe, falls man annahm, da\u00df die von Lans f\u00fcr das Tagessehen gefundene \u00c4nderung auch f\u00fcr das hier in Betracht kommende D\u00e4mmerungssehen g\u00e4lte. In meiner ersten Arbeit S. 361 habe ich Formeln zur Ber\u00fccksichtigung einer derartigen Pupillen\u00e4nderung aufgestellt. Sp\u00e4tere Untersuchungen von Blanchard1, ergaben eine wesentlich kleinere \u00c4nderung der Pupille f\u00fcr das D\u00e4mmerungssehen. Dieser kleineren \u00c4nderung, die \u00fcbrigens durch Potsdamer Messungen mit einem Photometer mit und ohne Blende best\u00e4tigt wird, habe ich in meiner zweiten Arbeit S. 10 Rechnung getragen und Formeln daf\u00fcr abgeleitet. Auch bei den hier vorliegenden Kurven von Heis, Hartwig, Zinner und Leiner wurde diese Pupillen\u00e4nderung ber\u00fccksichtigt (siehe Spalte K Pup. der Tab. 2). In keinem Falle erwies sich eine \u00c4nderung der Konstanten der Tangentenformel als notwendig. Wie die Zahlen f\u00fcr 2 v2 der folgenden Tab. 4 beweisen, bewirkt die Ber\u00fccksichti-\n1 J. Blanchard, The Brightness Sensibility of the retina. Physical Revue 11, 81 bis 99 (1918).\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 61\n18","page":257},{"file":"p0258.txt","language":"de","ocr_de":"258\nE. Zinner\ngung der Pupillen \u00e4nderung nur f\u00fcr Leinee eine geringe Verbesserung der Darstellung, sonst eine Verschlechterung. Es erscheint daher berechtigt, bis zum Vorliegen genauerer Werte\n\u2022\u2022\n\u00fcber die Gr\u00f6\u00dfe der Pupillen\u00e4nderung, diese \u00c4nderung nicht in Betracht zu ziehen.\nVerschiedene Versuche wurden gemacht, um die Reizempfindungskurve mit ihren Abweichungen zu erkl\u00e4ren und durch Formeln darzustellen, wor\u00fcber R. Pauli und A. Wenzl in ihrer Arbeit \u201eExperimentelle und theoretische Untersuchungen zum Webee-Fechnee-schen Gesetz\u201c 1 berichteten. Am besten eignet sich f\u00fcr diehier vorkommenden Kurven P\u00fcttees Formel2 E = H (l \u2014 e~~ h) zwischen den Reizen R und den Empfindungen E. Allerdings erwies es sich als notwendig, wie in meiner ersten Arbeit S. 364 nachgewiesen ist, einen Parameter p einzuf\u00fchren, so da\u00df die Formel\nE = H\\1 \u2014 e Hy lautet. Trotz dieser Verbesserung ist die Darstellung der wahren Form der Reizempfindungskurve durch diese Formel schlechter als durch die Tangentenformel, wie der Vergleich der Zahl Zinnee (Tab. 4) in der oberen Zeile (Tangentenformel) und in der unteren Zeile (verbesserte P\u00dcTTEESche Formel) lehrt,\nTabelle 4\nDarstellung der wegen Pupillen\u00e4nderung verbesserten Kurve\n\tAV2\tm. F.\nHeis II\t0,0981\tm \u00b1 0,118\nHartwig I\t0,0450\t0,059\nHartwig II\t0,0789\t0,106\nZinner\t0,1401\t0,125\nZinner\t0,1491\t0,129\nDeiner\t0,0208\t0,045\nP\u00fcttees Ansatz f\u00fchrte zu einer Umrechnungsformel, wobei als Ausgangshelligkeit 14,48m f\u00fcr Aegelandee und Heis und 15,05m f\u00fcr Zinnee sich ergibt. Diese der Helligkeit sehr schwacher\n1\tArch. f. d. ges. Psychol. 51 (1925).\n2\tA. Putter, Studien zur Theorie der Eeizvorg\u00e4nge. Pfl\u00fcg. Arch. 171, 201 bis 261 (1918).","page":258},{"file":"p0259.txt","language":"de","ocr_de":"Die Heiz empfindungskurve\n259\nSterne entsprechenden Helligkeiten k\u00f6nnen aber nicht die Grenzgr\u00f6\u00dfen bedeuten, da diese f\u00fcr die mit blo\u00dfem Auge beobachtenden Argelander und Heis bei 7,3m und 8,4m und bei Zinkers Beobachtungen mit dem Feldstecher bei 9,4m lagen; sie sind also physiologisch nicht begr\u00fcndet. Ganz anders steht es mit dem Ausgangswert m0 der Tangentenformel, der immer dem Bereich der bequemen Helligkeit angeh\u00f6rt und damit physiologisch eindeutig bestimmt ist. Kommt also selbst die verbesserte P\u00fcTTERsche Formel nicht in Betracht, so gilt dies auch f\u00fcr die von anderen Forschern, welche einen Stoffumsatz ihren Betrachtungen zugrunde legten, aufgestellten Formeln.\nDie Beziehung zwischen den Beizen R oder Lichtst\u00e4rken J und den Empfindungen E gestaltet sich nach der Tangentenformel sehr einfach. Es ist\n3) R0/R \u2014 I0/I = eBi c(e-Eo)^ wo bi \u2014 o,4 B ist.\nDie Beziehungen zwischen den Reizen und Empfindungen, wie sie gem\u00e4\u00df dem WEBER-FECHNERschen Gesetze und gem\u00e4\u00df dieser Formel bestehen, kennzeichnen die Zahlen der Spalten I und II der Tab. 2. Spalte I enth\u00e4lt die Kurvenwerte K in Lichtst\u00e4rken umgewandelt, so da\u00df der Vergleich der Spalten St und I unmittelbar die zusammengeh\u00f6rigen Empfindungen (Stufen) und Reize (Lichtst\u00e4rken) ergibt. Dagegen sind die Lichtst\u00e4rken der Spalte II so berechnet, als ob zwischen den Empfindungen und Reizen das WEBER-FECHNERsche Gesetz best\u00fcnde. Der Vergleich der Zahlen der Spalten I und II zeigt deutlich, da\u00df die Kurve zwischen Reiz und Empfindung gem\u00e4\u00df der Tangentenformel (Spalte I) sich viel weniger kr\u00fcmmt als gem\u00e4\u00df dem Fechner-schen Gesetz.\nBei der Ableitung der Reiz empfindungskurve wurde die Farbe der Sterne soweit wie m\u00f6glich ber\u00fccksichtigt. Die Farbe kann nur bei den hellsten Sternen, bis zur 2. bis 3. Gr\u00f6\u00dfe \u2014 bei Verwendung eines Fernrohres bis zu entsprechend schw\u00e4cheren Sternen \u2014 wahrgenommen werden ; bei schw\u00e4cheren Sternen macht sich die gelbe oder rote Farbe des Sternes insofern bemerkbar, als ein solcher Stern gegen\u00fcber einem wei\u00dfen Stern abgeschw\u00e4cht erscheint. Diese Abschw\u00e4chung wird um so gr\u00f6\u00dfer, je mehr man sich der Grenzgr\u00f6\u00dfe n\u00e4hert, so da\u00df die farbigen Sterne eher dem Blick entschwinden als die wei\u00dfen Sterne. Diese Abweichung l\u00e4\u00dft sich in der Form einer Farbengleichung\n18*","page":259},{"file":"p0260.txt","language":"de","ocr_de":"260\nE. Zinner\nF = b (m \u2014 m0)2 -f- c darstellen, wobei m0 die Ausgangsgr\u00f6\u00dfe, von welcher an der Farbeneinflu\u00df sich bemerkbar macht, bedeutet; m0 liegt meistens an der oberen Grenze des Bereiches der bequemen Helligkeit. Erw\u00e4hnung verdient der Umstand, da\u00df solche Sterne, die etwas schw\u00e4cher als m0 sind, bei guten Luftverh\u00e4ltnissen und l\u00e4ngerem Beobachten farbig erscheinen und dabei zugleich heller werden. Diese Helligkeitsabschw\u00e4chung \u00e4hnelt dem Helligkeitsverlust der farbigen Sterne auf den gew\u00f6hnlichen hoch-empfindlichen Platten gegen\u00fcber gleichzeitigen photovisuellen Aufnahmen. Der Helligkeitsverlust roter Sterne bei der Grenzgr\u00f6\u00dfe betrug bei den blo\u00df\u00e4ugigen Beobachtungen von Argelander und Heis l,24m und 0,90m, w\u00e4hrend f\u00fcr dieselben Sterne der Farbenindex, d. h. der Helligkeitsunterschied dieser Sterne auf gew\u00f6hnlichen und auf photo visuellen Platten,\tl,04m betrug.\nDemgem\u00e4\u00df kommt der gr\u00f6\u00dfte Helligkeitsverlust wegen des Farbeneinflusses dem Farbenindex gleich, ein gewi\u00df merkw\u00fcrdiger Umstand.\nDer Einflu\u00df der oberen und unteren Abweichung und der Farbe macht sich auch bei den Helligkeitsmessungen mit Photometern bemerkbar, wie in meiner zweiten Arbeit nachgewiesen ist ; allerdings haben erfahrene Beobachter wie G. M\u00fcller und P. Kempe es durch geschickte Auswahl ihrer Instrumente, so da\u00df sie die Sterne fast immer im Bereiche der bequemen Helligkeit ma\u00dfen, verstanden, diese Fehler klein zu halten. Diese Helligkeitsmessungen, bei denen es sich darum handelt, einen k\u00fcnstlichen oder nat\u00fcrlichen Vergleichstern gleichhell mit dem zu messenden Stern zu machen, haben zu interessanten Feststellungen hinsichtlich der Beobachter in solchen F\u00e4llen, wo sich an derselben Arbeit mehrere Beobachter beteiligten, gef\u00fchrt. Solche Messungen wurden gemacht an dem Potsdamer Astrophysikalischen Observatorium und am Harvard-Observatory und zwar arbeiteten in jedem Falle die Beobachter, M\u00fcller und Kempe in Potsdam und E. C. Pickering und S. J. Bailey an der Harvard-Sternwarte, an denselben Instrumenten und nach derselben Methode.1 In beiden F\u00e4llen zeigt der genialere und f\u00fchrende Beobachter, M\u00fcler und Pickering, einen gr\u00f6\u00dferen Farbeneinflu\u00df als der Mitbeob-\n1 Publikationen des Astrophykalischen Observatoriums zu Potsdam,\nBd. 9, 13, 14 und 16. Annals of Harvard College Observatory 14, 23, 24, 34, 44, 45, 46 und 50.","page":260},{"file":"p0261.txt","language":"de","ocr_de":"Die Reizempfindungskurve\n261\nachter. Bei Pickebing 1 hat sich im Laufe der zwanzigj\u00e4hrigen Beobachtungszeit die Empfindlichkeit f\u00fcr die Farben offenbar gesteigert und zwar um 10%. Auch bei M\u00fclleb scheint im Laufe seiner zwanzigj\u00e4hrigen Messungen die Farbenempfindlichkeit merklich zugenommen zu haben, Gleichzeitig mit der Zunahme der Farbenempfindlichkeit geht auch eine Zunahme der Genauigkeit, die zudem f\u00fcr alle vier Beobachter in Betracht kommt. Demgem\u00e4\u00df nimmt bei Pickeeing der mittlere Fehler einer Messung von 0,22m auf 0,15m und bei Bailey von 0,18m auf 0,10m ab. Bei M\u00fclleb, der bereits vor dieser gro\u00dfen Beobachtungsreihe die Helligkeit von Sternen h\u00e4ufig gemessen und darin \u00dcbung hatte, nahm der mittlere Fehler von 0,102m auf 0,084m und f\u00fcr Kempe von 0,121m auf 0,074ra ab. Obwohl sich bei Kempe die geringere \u00dcbung anfangs sehr bemerkbar macht, so \u00fcbertrifft er am Ende der Beobachtungsreihe M\u00fcllek in der Genauigkeit des Messens. Ebenso mi\u00dft auch Bailey genauer als Pickebing. Somit zeigt sich in beiden F\u00e4llen der genialere und f\u00fchrende Beobachter als farbenempfindlicher und weniger genau gegen\u00fcber der gleichm\u00e4\u00dfigeren T\u00e4tigkeit des Mitbeobachters, gleichsam als ob im genialeren Menschen ein immer neues Sichanpassen an den Beobachtungsgegenstand und ein tastendes Suchen nach neuen Erkenntnissen zutage tr\u00e4te.\nWie die Helligkeitsmessungen einen guten Einblick in die langj\u00e4hrigen \u00c4nderungen der Beobachtungsgenauigkeit gew\u00e4hren so die Stufensch\u00e4tzungen in die Auffassungsempfindlichkeit, n\u00e4mlich in die \u00c4nderungen des Stufenwertes im Laufe des Lebens des Beobachters. Die Empfindlichkeit des Auges f\u00fcr Helligkeitsunterschiede steigert sich im Laufe der Zeit durch \u00dcbung. Der Anf\u00e4nger kann nur grobe Helligkeitsunterschiede wahrnehmen;\nsein Stufenwert betr\u00e4gt % Gr\u00f6\u00dfenklasse und mehr. Durch an-\u2022 \u2022\ndauerndes \u00fcben verkleinert sich sein Stufenwert rasch bis zu Vis Gr\u00f6\u00dfenklasse und weniger, wie es bei den meisten Beobachtern der Fall ist. Wie diese erste Anpassung an das Beobachten in der Verkleinerung des Stufenwertes vor sich geht, l\u00e4\u00dft sich naturgem\u00e4\u00df nicht durch Zahlen nachweisen, da die Beobachter diese zur \u00dcbung angestellten und wenig genauen Beobachtungen nicht aufzubewahren pflegen. Wie verh\u00e4lt sich dann der Stufenwert, nachdem er sich infolge gro\u00dfer \u00dcbung verkleinert\n1 Meine zweite Arbeit S. 71 bis 72; Astron. Nachrichten 238, 71 (1930).","page":261},{"file":"p0262.txt","language":"de","ocr_de":"262\nE. Zinner\nhatte? Die langj\u00e4hrigen Beobachtungen Haetwigs von 1875 bis 1923 verm\u00f6gen dar\u00fcber Auskunft zu geben. Werden seine Beobachtungen in die Zeitr\u00e4ume 1875 bis 1890, 1891 bis 1910 und 1911 bis 1923 zusammengefa\u00dft und von dem letzten Zeitr\u00e4ume die Jahre 1920 bis 1923 f\u00fcr sich behandelt, so zeigt sich deutlich eine allm\u00e4hliche Verkleinerung und darauf folgende Vergr\u00f6\u00dferung des Stufenwertes, wobei sich der Kurve die Werte 0,0837m f\u00fcr 1880, 0,0763m f\u00fcr 1890, 0,0704m f\u00fcr 1900, 0,0677m f\u00fcr 1905, 0,0666m f\u00fcr 1910, 0,666m f\u00fcr 1915, 0,0683m f\u00fcr 1920 und 0,0690m f\u00fcr 1922 entnehmen lassen. Haetwig, geboren 1851, starb 1923 an pl\u00f6tzlichem Kr\u00e4fteverfall, der sich allerdings bereits in den Jahren seit 1920 in den h\u00e4ufig auf tretenden Verwechselungen andeutet und zugleich eine Erkl\u00e4rung f\u00fcr die nur geringe Vergr\u00f6\u00dferung seines Stufenwertes in den letzten Jahren gibt Bei allm\u00e4hlichem Kr\u00e4fte verfall h\u00e4tte die Vergr\u00f6\u00dferung erheblicher sein m\u00fcssen. F\u00fcr den pl\u00f6tzlichen Kr\u00e4fte verfall spricht auch der Umstand, da\u00df seine Sehsch\u00e4rfe bis in die letzten Jahre sich gleich blieb. Bei einem anderen langj\u00e4hrigen Beobachter M\u00fcllee (1851 bis 1925) zeigte sich in seinen Messungen seit 1919 ein starkes Nachlassen seiner Sehkraft und zugleich eine starke Abnahme seiner Me\u00dfgenauigkeit. Das Beispiel eines allm\u00e4hlichen Nachlassens der Beobachtungsgenauigkeit bietet der Pfarrer Stefan Peantnee (1782\u20141873), der bis zum 88. Lebenjahre regelm\u00e4\u00dfig seine Wetterbeobachtungen durchf\u00fchrte und oft mit dem Sextanten die Polh\u00f6he bestimmte. Aus seinen Beobachtungen lassen sich folgende mittlere Fehler einer Polh\u00f6henbestimmung ableiten: f\u00fcr 1821 \u00b116\u201c, f\u00fcr 1832 \u00b118\u201c, f\u00fcr 1844 \u00b124\u201c, f\u00fcr 1854 \u00b129\u201c. Deutlich zeigt sich ein Nachlassen seiner Genauigkeit, besonders von seinem 50. Jahre an. Dieses bereits ziemlich zeitig einsetzende Nachlassen d\u00fcrfte wohl auch darauf zur\u00fcckzuf\u00fchren sein, da\u00df ihm als einem Liebhaber der Sternkunde die n\u00f6tige \u00dcbung fehlte.\nBemerkenswert als Beobachter ist Winnecke (1835 bis 1897).\nInfolge anstrengender wissenschaftlicher Arbeiten von 1854 bis\n\u2022 \u2022\n1864 und der \u00dcberarbeitung durch die Verwaltung der Pulkowoer Sternwarte, deren Leitung er 1864 \u00fcbernommen hatte, erkrankte er geistig Ende 1864 und mu\u00dfte eine Heilanstalt aufsuchen. Demgem\u00e4\u00df zeigt seine Beobachtungsreihe f\u00fcr die Jahre 1865 bis 1866 eine L\u00fccke. Die Bearbeitung seiner Stufensch\u00e4tzungen ergab nun, da\u00df die geistige Erkrankung seine Beobachtungsf\u00e4higkeit nicht herabgemindert hatte, sondern da\u00df sein Stufenwert nach dieser","page":262},{"file":"p0263.txt","language":"de","ocr_de":"263\nDie Reizempfindungskurve\n<5\nErkrankung um 28 \u00b0/o kleiner als vorher und auch sein mittlerer Fehler kleiner geworden war, gleichsam als ob trotz der Erkrankung die bei jedem Beobachter in diesem Lebensalter zunehmende Empfindlichkeit und Genauigkeit des Beobachtens auch bei ihm eingetreten w\u00e4re. Leider sind von seinen Beobachtungen nur die Jahre 1856 bis 1872 erhalten, so da\u00df sich die weitere Entwicklung seiner Beobachtungsf\u00e4higkeit bis zu seiner zweiten endg\u00fcltigen Erkrankung im Jahre 1882 nicht nachweisen l\u00e4\u00dft.\nBei den Stufensch\u00e4tzungen zeigt sich ein enger Zusammenhang zwischen dem Stufenwert und dem mittleren Fehler einer\nBeobachtung: der mittlere Fehler w\u00e4chst mit dem Stufenwerte,\n\u2022 \u2022\u2022 '\nsei es da\u00df die \u00c4nderung des Stufenwertes in der Richtung zu gr\u00f6\u00dferen oder kleineren Helligkeiten, sei es da\u00df die \u00c4nderung im Laufe des Lebens des Beobachters in Betracht gezogen wird. Auch bei den Gr\u00f6\u00dfensch\u00e4tzungen ist der Gleichgang zwischen der Empfindungsgr\u00f6\u00dfe und der Sch\u00e4tzungsgenauigkeit vorhanden. So nimmt bei den mit blo\u00dfem Auge angestellten Gr\u00f6\u00dfensch\u00e4tzungen der Uranometria Argentina der m. F. von der 2. Gr\u00f6\u00dfe an zuerst bis zur 4. Gr\u00f6\u00dfe ab, um dann bis zur 7. Gr\u00f6\u00dfe wieder zuzunehmen. Der m. F. erreicht seinen kleinsten Wert bei 4,2ra, welche Helligkeit zum Bereich der bequemen Helligkeit der Beobachter geh\u00f6rt hat. Desgleichen nimmt bei Argelanders Gr\u00f6\u00dfensch\u00e4tzungen der m. F. zuerst bis zur 3. Gr\u00f6\u00dfe ab, um dann zuerst langsam, sp\u00e4ter rasch anzuwachsen. Die Reihungen J. Herschels zeigen auch den m. F. am kleinsten f\u00fcr die 2. und 3. Gr\u00f6\u00dfe mit einem Ansteigen zu den helleren und schw\u00e4cheren Sternen hin. Eine Abh\u00e4ngigkeit des m. F. von der scheinbaren Helligkeit der Sterne gilt nicht nur f\u00fcr Helligkeitsbestimmungen ; vielmehr verringert auch bei den Ortsbestimmungen zu gro\u00dfe und zu kleine Helligkeit die Genauigkeit der Beobachtung.\nBei den Stufensch\u00e4tzungen und Gr\u00f6\u00dfensch\u00e4tzungen wie auch bei anderen astronomischen Beobachtungen besteht offenbar ein enger Zusammenhang zwischen der Empfindlichkeit auf Reize und der Genauigkeit, was sich vielleicht so ausdr\u00fccken l\u00e4\u00dft : Das Auge stellt sich beim Beobachten auf einen ihm bequemen Hellig-keitsbereich ein, kann dort die feinsten Unterschiede erkennen und am genauesten beobachten. Zu den gr\u00f6\u00dferen und kleineren Helligkeiten hin arbeitet das Auge gr\u00f6ber und ungenauer, ohne sich dessen bewu\u00dft zu werden. \u00c4hnlich wie mit dem f\u00fcr jeden Augenblick geltenden Arbeitsverm\u00f6gen des Auges verh\u00e4lt es sich","page":263},{"file":"p0264.txt","language":"de","ocr_de":"264\nE. Zitmer\nmit seinem lebensl\u00e4nglichen Arbeitsverm\u00f6gen, wie es sich in den langj\u00e4hrigen Beobachtungsreihen der Astronomen kundgibt. Bei gleichbleibendem Reiz \u00e4ndert sich die Empfindung im Laufe des Lebens derart, da\u00df sie am gr\u00f6\u00dften zur Zeit der gr\u00f6\u00dften Arbeitsf\u00e4higkeit des Menschen ist; sie ist kleiner bei Beginn und am Ende seiner Beobachtungst\u00e4tigkeit. Die Zeit der gr\u00f6\u00dften Empfindlichkeit entspricht dem Bereich der bequemen Helligkeit, wo das Auge am genauesten und sch\u00e4rfsten arbeitet. Die geringere Empfindlichkeit zur Zeit der Ein\u00fcbung und des Nachlassens, wegen Kr\u00e4fte Verfalles, entspricht der oberen und der unteren Abweichung. Die Kurve der lebensl\u00e4nglichen Arbeitsf\u00e4higkeit des Auges wird von Beobachter zu Beobachter verschieden sein. Bei ge\u00fcbten Beobachtern wie M\u00fcllek und Hartwig wird sie in ihrem Hauptteil schwach gekr\u00fcmmt sein mit steilem Abfall zur\nAnfangs- und Endzeit; bei anderen Beobachtern senkt sie sich\n\u2022 \u2022\nbereits vom 40. Jahre an, zuerst langsamer, sp\u00e4ter rascher. \u00c4hnliche Unterschiede bestehen auch bei den Reiz empfindungskurven der einzelnen Beobachter, wie wir gesehen haben.\nDie Arbeitsweise des Auges eines Menschen, wie es sich in jedem Augenblicke und im Laufe des Lebens zur Erfassung der Reize verh\u00e4lt, ist vergleichbar der Arbeitsweise eines Volkes, das z. B. durch Beobachtung und Rechnung die Himmelsvorg\u00e4nge so genau wie m\u00f6glich \u2014 zum Zwecke der Vorhersage \u2014 erfassen will. Auch hier l\u00e4\u00dft sich deutlich eine Zeit der Ein\u00fcbung mit geringerer Ann\u00e4herung an die Wirklichkeit, die Zeit der Wirklichkeitsn\u00e4he und die Zeit der Entfernung von der Wirklichkeit unterscheiden. Die Zeit der Ann\u00e4herung entsprach z. B. bei den Griechen der Zeit von dem Heraustreten aus dem Volksaberglauben und den ersten Versuchen einer Berechnung und Vorhersage der Himmelsvorg\u00e4nge, also etwa der Zeit des 5. bis 3. vorchristlichen Jahrhunderts. Dann folgte die Zeit der Wirklichkeitsn\u00e4he, die sich durch eine allm\u00e4hliche Steigerung der Genauigkeit bis zu V10 Grad, wie es Hipparch um 130 v. Chr. gelang, und darauf folgendes allm\u00e4hliches Nachlassen der Genauigkeit bis zu 1,1 Grad des Ptolemaios kennzeichnet. Darauf setzte ein rasches Nachlassen der Genauigkeit und damit Entfernung von der Wirklichkeit ein, bis die Griechen im 14. Jahrhundert nicht mehr imstande waren, ihre eigenen astronomischen Tafeln zur Vorausberechnung der Himmelsvorg\u00e4nge zu verwenden und sich Tafeln von anderen V\u00f6lkern leihen mu\u00dften \u2014 wie sie es im 5. vorchristlichen Jahr-","page":264},{"file":"p0265.txt","language":"de","ocr_de":"Die Reizempfindungskurve\n265\nhundert taten \u2014 und nunmehr die griechische Sternkunde zum\nVolksaberglauben hinabsank, aus dem sie 2 Jahrtausende zuvor\n\u2022 \u2022\nemporgestiegen war. \u00c4hnlich steht es mit der germanischen Sternkunde: zuerst Verharren im Volksaberglauben, \u00dcbernahme arabischer Planetentafeln zur Vorausberechnung der Himmelsvorg\u00e4nge, dazu allm\u00e4hliche Verbesserung dieser Tafeln und Anf\u00e4nge selbst\u00e4ndiger Beobachtungen, entsprechend der Zeit der Ein\u00fcbung eines Beobachters. Dann seit dem 16. Jahrhundert eine zuerst allm\u00e4hlich wachsende, dann sich mehr und mehr steigernde Genauigkeit in der Erfassung der Himmelsvorg\u00e4nge. Der H\u00f6hepunkt in der Ann\u00e4herung an die Wirklichkeit ist anscheinend noch nicht erreicht, obwohl bis jetzt eine um das 3000fache gr\u00f6\u00dfere Ann\u00e4herung als zur Zeit der Bl\u00fcte der griechischen Sternkunde er-\n\u2022 \u2022\nreicht worden ist. \u00c4hnlich steht es mit den anderen Wissenschaften. Die Kurve der geistigen Arbeitsf\u00e4higkeit eines Volkes, die wohl auch als Kulturkurve bezeichnet werden kann, ist gekr\u00fcmmt; sie zeigt einen aufsteigenden und einen absteigenden Ast, deren untere Enden der Zeit der Ein\u00fcbung und des Kr\u00e4fteverfalles jedes Beobachters entsprechen. Demgem\u00e4\u00df kommen offenbar \u00e4hnliche Kurven in Betracht zur Darstellung der Einwirkung eines irdischen oder himmlischen Reizes auf das Auge w\u00e4hrend der Lebenszeit eines Beobachters und zur Darstellung der Einwirkung eines himmlischen Reizes wie der Himmelsvorg\u00e4nge auf ein Volk, und diese Kurven \u00e4hneln wiederum der Reizempfindungskurve, welche das Verhalten des an einen bestimmten Helligkeitsbereich angepa\u00dften Auges zu schw\u00e4cheren und gr\u00f6\u00dferen Lichtreizen regelt.\nZusammenfassung\n1.\tDas WEBEE-PECHNE\u00dfsche Reizempfindungsgesetz vermag die Beziehungen zwischen Reiz und Empfindung nur im Bereich der bequemen Helligkeit und auch dort nur angen\u00e4hert darzustellen. Die wahre Reizempfindungskurve verh\u00e4lt sich zu der Reizempfindungskurve des WEBEE-FECHNEEschen Gesetzes wie der Kreisbogen zu Tangente und l\u00e4\u00dft sich durch die Formel R0/R = e Bt\u00b0c (e\u2014E\u00bb) befriedigend darsteilen, w\u00e4hrend durch die urspr\u00fcngliche und durch die verbesserte P\u00fcTTEEsche Formel nur eine Ann\u00e4herung erzielt wird.\n2.\tEine Ber\u00fccksichtigung der Pupillen\u00e4nderung ist bei den astronomischen Beobachtungen nicht notwendig.","page":265},{"file":"p0266.txt","language":"de","ocr_de":"266\nE. Zinner, Die Reizempfindungskurve\n3.\tDer Einflu\u00df der Farbe ist bei den schw\u00e4chsten Sternen so gro\u00df wie der Farbenindex.\n4.\tAus den langj\u00e4hrigen Messungsreihen erfahrener Beobachter ergibt sich, da\u00df der genialere und f\u00fchrende Beobachter sich als farbenempfindlicher und weniger genau gegen\u00fcber der gleichm\u00e4\u00dfigeren T\u00e4tigkeit des Mitbeobachters erweist.\n5.\tDie Kurve der Empfindlichkeit und Genauigkeit jedes langj\u00e4hrigen Beobachters \u00e4hnelt der Reizempfindungskurve, indem sie einen steilen Abfall am Anf\u00e4nge und am Ende der Beobachtert\u00e4tigkeit, entsprechend der Ein\u00fcbung und dem Nachlassen, auf-weist und sonst nur wenig gekr\u00fcmmt ist.","page":266}],"identifier":"lit35995","issued":"1930-31","language":"de","pages":"247-266","startpages":"247","title":"Die Reizempfindungskurve","type":"Journal Article","volume":"61"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:06:16.520511+00:00"}

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