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{"created":"2022-01-31T12:32:01.122539+00:00","id":"lit360","links":{},"metadata":{"alternative":"Archiv f\u00fcr Physiologie","contributors":[{"name":"Du Bois-Reymond, Emil","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Archiv f\u00fcr Physiologie: 573-576","fulltext":[{"file":"p0573.txt","language":"de","ocr_de":"dee Berliner physiologischen Gesellschaft.\n573\ngenauere Beschreibung dieses Apparates, sowie die Belege f\u00fcr seine Leistungsf\u00e4higkeit, im Vergleiche mit derjenigen der anderen zum Tetanisiren auf elektrischem Wege gebrauchten Inductionsapparate, wird Hr. Cand. med. \u00c2. Fl\u00fcgel in seiner Dissertation geben. Mit H\u00fclfe dieser Vorrichtung zeigte der Vortragende, dass auch der minimale Tetanus continuirlich bleibt, sobald die Frequenz der Reize \u00fcber 20 in einer Secunde gestiegen ist. Es verl\u00e4uft dann die Tetanus-curve an dem Kymographioncy linder nahe \u00fcber der Abscisse, in spiraligem, nahezu geradlinigem Verlaufe derselben sich n\u00e4hernd, in dem Maasse, als die Erm\u00fcdung fortscbreitet. Nur wenn Unregelm\u00e4ssigkeiten im Contacte auftreten (wenn die bewegende galvanische Kette so stark ist, dass das Pendel geschleudert schwingt), zeigen sich einzelne Zuckungen verschiedener H\u00f6he in unregelm\u00e4ssigen Intervallen. Diese r\u00fchren (wie die \u00fcbermaximalen Zuckungen bei den Fallhammerschliessungen) vom Spritzen des Quecksilbers her, sind also Summationszuckungen, was daraus ersichtlich ist, dass sie auch bei solcher Stromst\u00e4rke auftreten, bei der Einzelreize unwirksam sind.\nEs sind also klonische Kr\u00e4mpfe des Muskels h\u00f6chst wahrscheinlich in allen F\u00e4llen durch die reizenden Mittel verschuldet. Es sind hierbei die unreinen Contacte an den Inductorien in gleiche Linie zu stellen mit den chemischen Substanzen, die, auf R\u00fcckenmark, Nerv oder Muskel gebracht, den noch erregbaren Theilen in wechselndem Strome zufliessen und somit die discontinuirlichen Contraction en des Strychninkrampfes, des Kochsalz- und Ammoniak-Tetanus veranlassen.\nDer Muskel giebt in seinen Bewegungen wahrscheinlich stets ein treues Bild der Reize, welche ihn treffen. Der k\u00fcnstliche Muskelton zeugt f\u00fcr die ausnehmende Beweglichkeit und Folgsamkeit der Muskelelemente.\nMan muss daher wohl auch in den F\u00e4llen krankhaften oder senilen Muskelzitterns auf mangelhafte Innervation, nicht auf besch\u00e4digte Muskelern\u00e4hrung schliessen. Sch\u00e4digungen der Muskelsubstanz, wie sie durch mechanische, thermische oder chemische L\u00e4sionen, oder durch Erm\u00fcdung herbeigef\u00fchrt werden, \u00e4ussern sich nicht so sprungweise, sondern vornehmlich in allm\u00e4hlicher Ver\u00e4nderung der Zuckungscurve. Es wird der absteigende, der Erschlaffung entsprechende Theil abnorm verl\u00e4ngert (Contractor), so dass selbst in Intervallen von mehreren Secunden folgende Reize einen partiellen Tonus hervorrufen.\nIY. Sitzung am 30. November 1877.\nHr. du Bois-Retmond begleitete Versuche am Telephon mit folgenden Bemerkungen :\nDas Telephon hat f\u00fcr die Physiologie der Sprache eine Wichtigkeit, welche bisher nicht geb\u00fchrend hervorgehoben ward, wie denn \u00fcberhaupt die richtige Erkl\u00e4rung seiner Wirkung dem Vortragenden noch nicht gedruckt vorkam. Sie soll hier in gr\u00f6sster Einfachheit gegeben werden, wobei der Bau des Graham Be IT sehen Telephons als bekannt vorausgesetzt wird.\nNach Hm. Helmholtz vernehmen wir eine Klangmasse mit besonderer Klangfarbe, weil sie aus sinuso\u00efden Elementen verschiedener Schwingungszahl und bestimmter verh\u00e4ltnissm\u00e4ssiger Amplitude besteht. Die Lage, welche die verschiedenen Sinusolden auf der Abscissenaxe zu einander einnehmen, oder","page":573},{"file":"p0574.txt","language":"de","ocr_de":"574\nVerhandlungen\ndie dadurch bedingte (restait der regulierenden Carve, kommt dabei nicht in Betracht Diese Lehre wurzelt in der Lehre von den specifischen Energien der Nerven in der ihr von Hm. Helmholtz ertheilten Gestalt, wonach dieselbe Nervenfaser nur quantitativ verschiedene Empfindungen vermittelt Sobald gewisse H\u00f6rner venfasem in einem gewissen Verh\u00e4ltnisse der Starke erregt werden, h\u00f6ren wir mit besonderer Klangfarbe, gleichviel welche Phasen der Sinusolden, mit welchen die schwingbaren Endigungen jener Fasern consoniren, zeitlich zusammenfallen, oder, wie man sich ausdrfickt, gleichviel was der Phasenunterschied jener Sinusolden sei.\n' Um zu verstehen, wie der Empf\u00e4nger am Telephon B vernehme, was der Absender in das Telephon A hineinspricht, gen\u00fcgt es also zu zeigen, dass ein sinusoldes Element der die Luft bei A ersch\u00fctternden Klangmasse sich als verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig gleich starkes sinuso\u00efdes Element gleicher Schwingungszahl der an B grenzenden Luft mittheile.\nDass die Eisenmembran von A durch die sinusolden Schwingungen der angrenzenden Luft in ebensolche Schwingungen versetzt werde, welche den eben aufgestellten Bedingungen entsprechen, bedarf nicht der Er\u00f6rterung. Bei der Kleinheit der Ausbiegungen der Eisenmembran darf man aber auch die Aende-rang, welche diese Ausbiegungen im magnetischen Potentiale der Membran und des Stabes auf die Bolle hervorbringen, der Excursionsweite ohne merklichen Fehler proportional setzen. Dann schwankt, bei einer bestimmten sinusolden Schwingung der Membran, jenes Potential bezogen auf die Zeit auf und ab in einer Sinuso\u00efde, und diese Sinuso\u00efde hat gleiche Schwingungszahl, und, in Bezug auf die anderen Sinusolden derselben Klangmasse, gleiche verh\u00e4ltniss-m\u00e4ssige Amplitude mit der in\u2019s Auge gefassten Sinuso\u00efde der Membran und der angrenzenden Luft. Nennt man das Potential P, so ist\nP = const, sin t.\nDie Schwankungen von P induciren in der Spirale Str\u00f6me, deren elektro-\nmotorische Kraft in jedem Zeittheilchen proportional ist\tNun aber ist\ndt\nin diesem Falle\ndP\ndt\n= const, cos t,\nmit anderen Worten, der die Luft vor der Membran ersch\u00fctternden Sinuso\u00efde entspricht im Leitungsdraht des Telephons ein Str\u00f6mungsvorgang, welcher, abgesehen von der Induction des Drahtes auf sich selber, in der Zeit dargestellt wird durch eine Cosinusolde, d. h. durch eine um 90\u00b0 auf ihrer Abscissenaxe verschobene Sinuso\u00efde.\nDieser Str\u00f6mungsvorgang ruft im Magnet des Telephons B wieder eine Schwankung seiner Kraft hervor, welche nach bekannten Erfahrungen der sie erzeugenden Stromst\u00e4rke proportional ist, und wegen ihrer Kleinheit auch proportionale Ausbiegungen der Eisenmembran von B und der angrenzenden Luftschicht erzeugt.\nSo also bleibt von Eisenmembran zu Eisenmembran im Wesentlichen Schwingungszahl und verh\u00e4ltnissm\u00e4ssige Amplitude aller sinusolden Elemente gewahrt, aus denen eine Klangmasse besteht, weil, verm\u00f6ge des Grundgesetzes elektrischer Induction, sinuso\u00efde Schwingungen im Baume* cosinusolde Stromwellen in der Zeit erregen. Die h\u00f6chste Beachtung verdient nun aber, dass in Folge","page":574},{"file":"p0575.txt","language":"de","ocr_de":"dee Berliner physiologischen Gesellschaft.\n575\ndieser Umwandlung die bis zur Erregung der Inductionsstr\u00f6me zusammenfallenden Phasen der verschiedenen Sinusolden vollst\u00e4ndig gleichsam durcheinandergeworfen werden, indem jede Sinuso\u00efde um eine Viertelschwingungsdauer verschoben wird, dass also die Gestalt der resultirenden Curve f\u00fcr die an B grenzende Luft eine ganz andere wird, als die der resultirenden Curve f\u00fcr die an A grenzende Luft war.\nMan sieht somit, dass die M\u00f6glichkeit des Telephonirens auf dem gl\u00fccklichen Zusammentreffen zweier Umst\u00e4nde beruht, erstens, der Art wie die St\u00e4rke der Induction mit der Aenderung des Potentials verkn\u00fcpft ist, zweitens, der Unabh\u00e4ngigkeit der Klangfarbe vom Phasenunterschied der in die Klangmasse eingehenden Sinusolden.\nBei seinem ber\u00fchmten Versuch \u00fcber Vocal-Synthese bewies Hr. Helmholtz diese Unabh\u00e4ngigkeit auf einem etwas verwickelten Wege, indem er theils durch Verstimmung Phasenunterschiede der Stimmgabeln hervorrief, theils den Strom im Elektromagnet der betreffenden Gabel umkehrte. Eine einfache und vollkommen durchsichtige Art, diese Wahrheit in Vorlesungen vorzuf\u00fchren, besteht beil\u00e4ufig darin, eine K\u00f6nig\u2019sehe Gabel u^ und eine ut\u00e9 mit dem Violinbogen zu streichen, und letztere pl\u00f6tzlich zum Schweigen zu bringen. Dabei \u00e4ndert sich die Klangfarbe von a zu u: sichtlich ganz unabh\u00e4ngig vom Phasenunterschiede, der bei dieser Versuchsweise nicht zweimal derselbe sein wird. Ein schlagenderer Beweis f\u00fcr die Bichtigkeit der Helm holt z\u2019sehen Lehre liesse sich aber nicht geben, als der, welcher jetzt in der M\u00f6glichkeit telephonischer Uebertragung der Klangfarbe liegt\nObgleich hier immer von T\u00f6nen die Bede war, bei welchen allein von Zusammensetzung der Klangmasse aus regelm\u00e4ssigen Sinusolden gesprochen werden kann, l\u00e4sst sich das Gesagte doch mit hinreichender Genauigkeit auch auf die unregelm\u00e4ssigen Ersch\u00fctterungen der Ger\u00e4usche ausdehnen.\nSo beansprucht denn die Theorie des Telephons kein neues Princip, und, was das Wesen der Vorg\u00e4nge betrifft, wiederholt sich darin nur Bekanntes. Aus den vorhandenen Lehren h\u00e4tte man das Telephon schon vor Jahren ableiten und a priori construiren k\u00f6nnen. Allein was Niemand vorherseben konnte, und was, auch nachdem das Telephon erfunden istf noch immer \u00fcberrascht, ist die St\u00e4rke, mit welcher darin die Wirkungen sich fortpflanzen. An diesem merkw\u00fcrdigen Beispiele zweimaliger Verwandlung und Zur\u00fcckverwandlung von Kr\u00e4ften mit zuletzt so massigem Verlust an mechanischer Kraft zeigt sich aufs Neue, worauf schon Manches deutete, dass bei Fortpflanzung von Molecularwirkungen weniger Kraft W\u00e4rme wird, als bei der mit Reibung verbundenen Uebertragung der Bewegung von Masse auf Masse.\nUnter diesen Umst\u00e4nden erscheint es aber der M\u00fche werth, die elektrischen Str\u00f6me im Draht des Telephons noch anders als akustisch nachzuweisen. Da es um Wechselstr\u00f6me sich handelt, muss deren Wirkung an der Bussole sich aufheben. Das Weber\u2019sehe Elektrodynamometer w\u00e4re geeignet, diese Str\u00f6me sichtbar zu machen, und ihre St\u00e4rke bei verschiedenen Kl\u00e4ngen zu erforschen. Es giebt aber noch eine andere Art, solche Str\u00f6me nachzuweisen. Wie Hr. B. Gross mann zeigte, tetanisiren die durch musikalische Schwingungen eines Magnetstabes inducirten Str\u00f6me den strompr\u00fcfenden FroschschenkeL1 Es ge-\n1 E. du Boi s\u00bb Reymond, Gesammelte Abhandlungen zur allgemeinen Muskel\u00bb und Nervenphysik. Bd. I. Leipzig 1875. S. 170.","page":575},{"file":"p0576.txt","language":"de","ocr_de":"576\nVBEHANDLUNGEN\nlingt nun leicht, auch durch die Str\u00f6me des Telephons Zuckung zu erregen. Man braucht nur die beiden Drahtenden, statt mit den Klemmschrauben von B, mit denen der feuchten Reizungsr\u00f6hre1 zu verbinden, deren Bingelektroden der Nerv aufliegt, so ger&th der Schenkel in Zuckungen, sobald man in das Telephon A hineinspricht, -singt, -pfeift, oder auch nur dessen Trichter etwas kr\u00e4ftig auf den Tisch autsetzt. Dabei zeigt sich, dass der Nerv f\u00fcr gewisse Laute empfindlicher ist, als f\u00fcr andere. Ruft man ihm zu: Zucke! so zuckt der Schenkel; auf das erste i in: Liege still! reagirt er nicht. Die Kl\u00e4nge mit tieferen charakteristischen Obert\u00f6nen sind also wirksamer, als die mit h\u00f6heren, wie der Grossmann\u2019sche Versuch besser geht, wenn der Stab nur transversal um seine Mitte, als wenn er mit Knoten schwingt\nHierauf spricht Hr. E. B\u00e4umann \u201eUeber die Synthese von Aether-schwefels\u00e4uren im Organismus und die Phenolvergiftung.\u201c\nUnter normalen Verh\u00e4ltnissen entstehen im S\u00e4ugethierk\u00f6rper und zwar in erster Linie im Darme eine Anzahl aromatischer Verbindungen, welche im Harne dieser Thiere in Form von Aetherschwefels\u00e4uren austreten, als Phenol-, Kresol-, Brenzcatechin - Schwefels\u00e4ure, Indican; wahrscheinlich geh\u00f6rt nach Brieger auch eine Scatolschwefels\u00e4ure zu diesen Verbindungen. F\u00fchrt man von aussen Phenol, Kresol, Brenzcatechin, Indol in den Thierk\u00f6rper ein, so k\u00f6nnen dadurch die Aetherschwefels\u00e4uren des Harns so weit vertnehrt werden, dass die Schwefels\u00e4ure bez. die schwefelsauren Salze vollkommen verschwinden. Der Schwefelgehalt dieser gepaarten Verbindungen stammt aus im Thierk\u00f6rper fertig gebildeter Schwefels\u00e4ure; denn vergiftet man einen Hund mit einer gr\u00f6sseren Menge Phenol und giebt ihm, nachdem die Schwefels\u00e4ure im Harn verschwunden ist, abgewogene Mengen von schwefelsaurem Natron, so erscheint der gr\u00f6ssere oder kleinere Theil auch von diesem in Form von phenolschwefelsaurem Alkali.\nDie Menge der normal vom Thierk\u00f6rper ausgeechiedenen Aetherschwefels\u00e4uren h\u00e4ngt lediglich ab von der Menge der haupts\u00e4chlich im Darme gebildeten, aromatischen Paarlinge; und diese ist wiederum bedingt 1) durch die Nahrung und 2) durch den Zustand des Darmcanals, d. h. die verschiedene Intensit\u00e4t der in demselben verlaufenden F\u00e4ulnissprocesse. Mit dieser Definition der Abstammung der gepaarten Schwefels\u00e4uren stimmen auch die Untersuchungen des Hrn. Salkowski \u00fcber den Einfluss der Darmverbindung auf dieselben \u00fcberein.\nDer Thierk\u00f6rper besitzt nun aber nicht bloss das Verm\u00f6gen, die in ihm selbst gebildeten Verbindungen, wie Phenol, Kresol, Indol u. s. w., in Aetherschwefels\u00e4uren \u00fcberzuf\u00fchren; nach Untersuchungen von E. Herter2 und dem Vortragenden zeigt vielmehr ein sehr grosser Theil der aromatischen Verbindungen \u00fcberhaupt ein dem Phenol oder Indol analoges Verhalten im Organismus ; in ausgezeichneter Weise kommt diese Eigenschaft allen den Hydroxylderivaten aromatischer Kohlenwasserstoffe zu, die man als Phenole bezeichnet, ferner einem sehr grossen Theile der Derivate derselben; bei letzteren wurde die be-merkenswerthe Thatsache beobachtet, dass isomere Substanzen ein verschiedenes Verhalten im Thierk\u00f6rper zeigen k\u00f6nnen; so bildet z. B. die Salicyls\u00e4ure niemals eine bemerkbare Menge von gepaarter Schwefels\u00e4ure, w\u00e4hrend nach Eingabe\n1\tA. a. 0. S. 211.\n2\tHoppe-Seyler, Zeitschrift f\u00fcr physiol. Chemie. Bd. I. Hfl. 4.","page":576}],"identifier":"lit360","issued":"1877","language":"de","pages":"573-576","startpages":"573","title":"\u00dcber das Telephon","type":"Journal Article"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:32:01.122545+00:00"}