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Die elektrische Erregbarkeit des menschlichen Auges während der Dunkeladaptation

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{"created":"2022-01-31T16:42:51.364039+00:00","id":"lit36002","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"Achelis, J. D.","role":"author"},{"name":"J. Merkulow","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 60: 95-125","fulltext":[{"file":"p0095.txt","language":"de","ocr_de":"95\n(Aus dem physiologischen Institut der Universit\u00e4t Leipzig)\nDie elektrische Erregbarkeit des menschlichen Auges\nw\u00e4hrend der Dunkeladaptation\nVon\nJ. D. Achelis und J. Merkulow Mit 6 Abbildungen im Text\nBezeichnet man als Zonentheorie1 eines Sinnesorgans jede Auffassung, die f\u00fcr das Zustandekommen einer Wahrnehmung die Aufeinanderfolge von mehreren Prozessen mit verschiedenen Ordnungsprinzipien als Voraussetzung annimmt (und die Mehrzahl der Physiologen wird in irgendeiner Form dieser Ansicht sein), so kann man sagen, dafs bei der Mehrzahl der Sinne die erste und zweite Zone weitgehend erforscht und bekannt sind: die Dioptrik des Auges und die T\u00e4tigkeit der Retina, der schallleitende Apparat und die Funktion der Schnecke, die Deformation der Haut und die Erregbarkeit der Endorgane sind Themen, die die Sinnesphysiologie in erster Linie bearbeitet hat. Die Untersuchung der n\u00e4chsten Zone, des leitenden Nerven und des zentralen Graus ist dagegen erheblich zur\u00fcckgetreten. Die Gr\u00fcnde daf\u00fcr sind zum Teil methodischer Art, zum Teil glaubt man aber auch die Ergebnisse der Hirnanatomie ohne weiteres in die Physiologie \u00fcbertragen zu k\u00f6nnen. Das starre Schema der Leitungsbahnen ist so ein wesentlicher Bestandteil der zentralen Sinnestheorie geworden.\nMan kann nun aber das Nervensystem nicht mehr als ein so starres System ansehen. Erfahrungen, die zun\u00e4chst wesentlich\n1 Vgl. v. Kries: Nagels Handbuch III, 269ff. Klin. Mbl. Augenheilk. 70, 577 (1923). \u2014 G. E. M\u00fcller, Bericht \u00fcber den I. Kongrefs f\u00fcr experimentelle Psychologie. Giefsen 1904. S. 6-10. \u2014 H. K. Schjelderup: Z. Sinnes-physiol. 51, 19 (1920).","page":95},{"file":"p0096.txt","language":"de","ocr_de":"96\nJ. D. Aehelis und J. Merkulow\nan der Motorik gewonnen wurden, zwangen zur Einf\u00fchrung von Begriffen wie Schaltung, Gestaltwandel der Reflexe u. a., und man wird \u00e4hnliches auch f\u00fcr die Sensibilit\u00e4t erwarten k\u00f6nnen. Die Untersuchungen von Goldstein 1 sowie von Stein und v. Wetz-sacker 2 u. a. zeigen von der Pathologie her, dafs ein Funktionswandel und kein Ausfall starr festgelegter Funktionen beim Abbau des Nervensystems eintritt. Jedenfalls besteht danach durchaus die M\u00f6glichkeit, dafs z. B. zentrale Funktions\u00e4nderungen die Umstimmung der Retina begleiten.\nEs er\u00f6ffnen sich mit dieser Wandlung unserer Auffassung vom Nervensystem eine ganze Reihe von Problemen f\u00fcr die Sinnesphysiologie. Die Untersuchung des Sinnesnerven zun\u00e4chst, der dritten Zone wenn man so sagen darf, wird von Wichtigkeit f\u00fcr die sinnesphysiologische Theorie. Wenn man die Verh\u00e4ltnisse am motorischen Nerven auf den sensiblen \u00fcbertragen darf, w\u00fcrde dieser jedenfalls ein in seiner Erregbarkeit sehr wandelbares Gebilde darstellen.3 Die zerebralen Einstellungen, die v. Kries 4 auf Grund psychologischer Erw\u00e4gungen postuliert hat, f\u00e4nden so auch eine konkret physiologische Grundlage.\nF\u00fcr die Dunkeladaptation gilt heute das gleiche: ihr diop-trischer Anteil (Pupillenreaktion) und ihr retinaler Anteil (morphologische Ver\u00e4nderungen der St\u00e4bchen und Zapfen, Sehpurpurregeneration) machen den gr\u00f6fsten Teil ihrer Theorie aus. Es gibt zwar eine Reihe von Befunden, die f\u00fcr eine Mitbeteiligung des Zentrums sprechen: v. Kries hat wiederholt darauf hingewiesen, Behr5 konnte an Patienten mit verschiedenen St\u00f6rungen der Sehbahn zeigen, dafs Adaptationsst\u00f6rungen bei Ver\u00e4nderungen zwischen Retina und dem subkortikalen Zentrum h\u00e4ufig sind, die Bestimmung der \u201eFR\u00d6HLicnschen Zeit\u201c6 und das Pulfrich-ph\u00e4nomen 7 bei Dunkeladaptation sprechen auch daf\u00fcr,\u2014 doch hat dies alles in der Theorie noch keinen festen Ort. Br\u00fcckner 8 hat\n1 Goldstein: Bethes Handbuch X, 600ff.\n8 Stein und v. Weizs\u00e4cker, Dtsch. Z. Nervenheilk. 99, 1 (1927).\n3\tJaederholm, Pfl\u00fcgers Arch. 114, 248 (1906). \u2014 J. D. Achelis, Pfl\u00fcaers Arch. 219, 411 (1928).\n4\tJ. v. Kries, Z. Psychol. 8, 1 (1895).\n5\tC. Behr, Arch. Ophthalm. 75, 201 (1910).\n6\tK. Vogelsang, Erg. Physiol. 26, 122 ff. (1927).\n7\tC. P\u00fclfrich, Die Stereoskopie im Dienste der Photometrie und Pyrom\u00e9trie. Berlin 1923.\n8\tA. Br\u00fcckner, Schw. med. Wschr. 55, 245 (1925).","page":96},{"file":"p0097.txt","language":"de","ocr_de":"Elektr. Erregbarkeit des menschlichen Auges w\u00e4hrend der Dunkeladaptation 97\nimmer die zentralen Ver\u00e4nderungen bei verschiedenen Adaptationen des Auges besonders betont.\nWir glauben nun, dafs man in der elektrischen Reizung des Auges eine Methode hat, die ein Urteil \u00fcber den Zustand der Sehnervenfasern eventl. sogar eines Zentrums erlaubt. Das wesentliche Argument daf\u00fcr, dafs dabei nicht der lichtempfindliche Apparat sondern Nervenfasern gereizt werden, sehen wir darin, dafs das dunkeladaptierte Auge ein Vielfaches der Schwellern werte des helladaptierten Auges aufweist. Es ist schwer vorzustellen, dafs dasselbe Substrat sich f\u00fcr verschiedene Reizarten v\u00f6llig gegensinnig \u00e4ndern sollte. Im einzelnen werden die Argumente daf\u00fcr im theoretischen Teil der Arbeit noch einmal zusammengefafst. \u2014 Bei der schon mehrfach vorgenommenen elektrischen Reizung des Auges 1 bei Dunkeladaption ist bisher wohl wesentlich aus methodischen Gr\u00fcnden kein einheitliches Ergebnis erzielt worden und meist wurde jede Ver\u00e4nderung geleugnet. Es haben sich daher aus diesen Befunden auch keine Argumente f\u00fcr die Lokalisation der Reizung gewinnen lassen. Trotzdem kam die Mehrzahl der Untersucher zu der Ansicht, dafs die Fasern und nicht St\u00e4bchen und Zapfen gereizt wurden.\nMethodik\nZur elektrischen Reizung diente die \u00fcbliche \u201eChronaxieschaltung\u201c (vgl. Abb. 1) mit Spannungsteiler am Stadtnetz und Pr\u00e4zisionskondensator, die Bestimmung der Rheobase (unter Einschaltung eines grofsen Blockkondensators von 32 ^uF) und der Schwellenkondensatoren f\u00fcr beliebige Spannungen zu bestimmen erlaubt. Vor dem Auge lag ein selbstinduktions- und kapazit\u00e4tsfreier Widerstand von 15000 Q.\nStromzuf\u00fchrung durch indifferente Elektrode von 50 qcm, (meist Anode) an beliebiger K\u00f6rperstelle und differente Elektrode von 0,5 qcm, die am Hellauge am angulus lateralis zu jeder Messung mit Hand aufgesetzt wurde. Zur Dunkeladaptation diente eine Brille bzw. eine lichtdichte Augenkappe mit eingebauter Elektrode. Bestimmt wurde 1. Rheobase und Chronaxie (Versuchsreihe 1), 2. vollst\u00e4ndige Spannungs-Kapazit\u00e4tskurven (Ver-\n1 Literatur siehe bei Mekkulow, Ber. s\u00e4chs. Akad. Wi 80, 291 (1928), Zusammenstellung der qualitativen Reizeffekte bei A. Tschermak, Erg. Physiol. 29, 343 (1925).\nZeitsehr. f. Sinnesphysiol. 60\n7","page":97},{"file":"p0098.txt","language":"de","ocr_de":"98\nJ. D. Achelis und J. Merkulow\nsuchsreihe 2).1 In beiden Reihen wurden untersucht a) Hellauge bei Helladaptation des anderen Auges, b) Hellauge bei Dunkeladaptation des anderen Auges, c) Dunkelauge bei Helladaptation des anderen, d) Dunkelauge bei Dunkeladaptation des anderen. Beobachtet wurde das leicht gelblich gef\u00e4rbte Phosphen, w\u00e4hrend die Vp. auf die Wand des Zimmers sah. \u2014 Die Schwellen wurden stets von unten, von zu kleinen Werten her aufsteigend also, auf-gesucht. Die Zahl der Vpn. betrug 17. Zahl der Versuche insgesamt 79, davon in Versuchsreihe 1: 54, in Versuchsreihe 2: 25, bei ungef\u00e4hr gleichm\u00e4fsiger Verteilung auf die Unteigruppen. \u00dcber die Ergebnisse wurde von einem von uns (M.) schon kurz berichtet2, sie sollen hier noch ausf\u00fchrliche Darstellung und theoretische Diskussion erfahren.\n\\AAWAVVWWWV\n1. Rheo\nAbbildung 1\nSchaltungsschema :\nWi Vorschaltwiderstand von 600\nW2 Vorschaltwiderstand von 15000 \u00a32 selbstinduktionsfrei,\nS Widerstand von 1000 \u00a32 ais Spannungsteiler,\nV Voltmeter,\nC Variabler Pr\u00e4zisionskondensator,\nEi E2 Elektroden T Taster.\nErgebnisse\nbase und Chronaxie\nVersuchsreihe la: Hellauge bei Helladaptation des an-deren Auges.\nBei der verwendeten Schaltung liegt der Rheobasenwert im Durchschnitt bei 3,81 Volt, die Chronaxie bei 0,130 ftF. Es ent* spricht das der Gr\u00f6lsenordnung nach den Ergebnissen Bour-\n1\tVgl. hierzu weiter unten \u201eExkurs \u00fcber die chronaxiemetrische\nMethode.\u201c\n2\ta. a. O.","page":98},{"file":"p0099.txt","language":"de","ocr_de":"Elektr. Erregbarkeit des menschlichen Auges w\u00e4hr end der Dunkeladaptation 99\nguignons1 2, der Rheobasen um 6 Volt, Chronaxien um 2 ms (entsprechend 0,318 pF in unserer Schaltung) fand. Die \u00e4ufsersten Werte waren 8 bzw. 1,2 Volt, 0,07 bzw. 0,360 pF. Diese an sich erheblichen Schwankungen sind zun\u00e4chst individueller Art. Bei verschiedenen Vpn. erh\u00e4lt man bei der einen gew\u00f6hnlich grofse, bei der anderen kleine Werte, die wahrscheinlich zu einem Teil auf Verschiedenheit der Haut zur\u00fcckzuf\u00fchren sein werden. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dafs etwa \u201enerv\u00f6se\u201c Vpn. kleinere Werte h\u00e4tten als \u201eruhige\u201c, wie man vermuten k\u00f6nnte. Es lassen sich aber noch eine Reihe von Einfl\u00fcsse aufweisen, die die Schwellenwerte variieren: zun\u00e4chst braucht die Beobachtung des Lichtblitzes bei offenen helladaptierten Auge eine gewisse, wenn auch geringe \u00dcbung. Die erste Versuchsreihe, wie auph bei den weiteren Versuchen die ersten Messungen, zeigen erh\u00f6hte Werte. Bei der Berechnung des Durchschnitts wurden sie mit einbezogen. Man darf also die eigentlichen Versuche erst beginnen, wenn ein \u00dcbungsversuch vorhergegangen ist und darf den ersten, bisweilen auch den zweiten Wert nicht mit einbeziehen. Die Vp. mufs jedesmal erst wieder wissen, worauf sie zu achten hat. \u2014 Eine einwandfreie Lokalisation des Phosphens wie es Bourguignon 2 beschreibt, zu erhalten, gelang uns nur selten. Wenn \u00fcberhaupt, traten Angaben \u00fcber Lokalisation nur am Hellauge auf. Schl\u00fcsse auf St\u00e4bchen- und Zapfenchronaxie, wie sie Bourguignon aus seinen Ergebnissen gezogen hat, waren f\u00fcr uns deshalb nicht m\u00f6glich. Es wird sich aufserdem in Reihe 2 zeigen, wie bedenklich hier Schl\u00fcsse aus der Chronaxie allein sind.\nDer Ort der differenten Elektrode am Auge hat, wie schon Verriyp3 zeigte, einen deutlichen Einflufs. Dagegen ist die Stromrichtung von geringer Bedeutung. Untersucht wurden 3 Elektrodenlagen bei stets gleicher Blickrichtung auf Mitte des Oberlids, Mitte Unterlid und seitlichem Augenwinkel. Die erste Lage ergab im Vergleich mit den beiden anderen, die innerhalb der Fehlergrenzen gleich waren, erh\u00f6hte Rheobasen-und Chronaxiewerte. Bei den weiteren Versuchen wurde in der Regel mit der Elektrode am seitlichen Augenwinkel gearbeitet, weil sie am wenigsten st\u00f6rt. Die folgende Tabelle zeigt noch\n1\tBourguignon, Cpt. rend. hebd. acad. d. scienc. 180, 169 (1924).\n2\tBourguignon a. a. O.\na Verriyp, Cpt. rend. 98, 55 (1925).","page":99},{"file":"p0100.txt","language":"de","ocr_de":"100\nJ. D. Achelis und J. Merkulow\neinmal den Einflufs der Elektrodenlage und Stromrichtung an einigen Beispielen.\nTabelle 1\nRheobase und Chronaxie bei verschiedener Stromricht\u00fcng\nund Elektrodenlage\n\tOberlid\t\tUnterlid\t\tAngul. lat.\nAnode\t6,0\t0,170\t4,5\t0,120\t4,0\t0,120\nKathode\t6,5\t0,140\t4,5\t0,125\t4,5\t0,125\nWeiter war von Einflufs der Grad der Helladaptation. Es wurde nicht von extremer Helladaptation sondern dem Zustand des Auges bei gutem Tageslicht im Zimmer mit dunkeln W\u00e4nden ausgegangen. So variieren die Hellwerte mit dem Wetter, eine pl\u00f6tzliche Bew\u00f6lkung ergibt erh\u00f6hte Schwellenwerte.1 Tabelle 2 gibt hierf\u00fcr einige Belege.\nTabelle 2\nRheobase und Chronaxie bei verschiedener Beleuchtung\nVp.\t1 Vormittags\t\tSp\u00e4ter Nachmittag\t\tVormittags bei bew\u00f6lktem Himmel\t\n1 D.\t2,5\t0,120\t4,0\t0,145\t_\t_\nK.\t3,5\t0,115\t4,2\t0,105\t\u2014\t\u2014\nJ.\tj\t5,0\t0,137\t\u2014\t\u2014\t6,5\t0,095\nM.\tj\t5,0\t0,146\t\u2014\t\u2014\t6,0\t0,118\nF\u00fcr das Absinken der Chronaxien in diesem Fall finden sich weiter unten M\u00f6glichkeiten der Erkl\u00e4rung. Doch ist der Einflufs verschiedener Grade der Helladaptation auf die elektrische Erregbarkeit ebenso wie der Einflufs farbigen Lichtes noch quantitativ zu untersuchen.\nDagegen zeigte sich kein Einflufs der Farbent\u00fcchtigkeit auf die elektrischen Schwellenwerte. Unter den Vpn. befindet sich ein Protanoper. Seine Werte sind gute Mittelwerte. Der\n1 Die Helligkeit des Zimmers sch\u00e4tzen wir dabei auf 100\u2014200 Lux. Jedenfalls befindet man sich wohl oberhalb der oberen Grenze f\u00fcr das P\u00fcKKiNjEsche Ph\u00e4nomen, die Rosenberg [Z. Sinnes physiol. 59, 103 (1928)] bei 50\u201460 Lux fand.","page":100},{"file":"p0101.txt","language":"de","ocr_de":"Elektr. Erregbarkeit des menschlichen Auges w\u00e4hrend der Dunkeladaptation 101\nauch sonst bekannten weitgehenden Unabh\u00e4ngigkeit des Adaptationsverlaufs von der Farbent\u00fcchtigkeit f\u00fcgt sich das gut ein, einerlei ob man St\u00e4bchen und Zapfen allein oder auch noch verschiedene Hirnteile f\u00fcr Farben- und D\u00e4mmerungssehen verantwortlich macht. Auch haben Myope mittleren Grades, Emmetrope, Hyperm\u00e9trope wesentlich die gleichen Werte. Die Schwankungen vor und nach dem Mittagessen liegen innerhalb der Fehlergrenzen.\nAls wesentliches Ergebnis dieser Reihe kann bezeichnet werden, dafs die elektrische Erregbarkeit des Auges, zum mindesten die Rheobasenerregbarkeit mit steigender Helladaptation ansteigt. Diese Verbesserung der Leistung steht in gutem Einklang mit den sonstigen Beobachtungen \u00fcber die Verbesserung der Sehsch\u00e4rfe und der zeitlichen Unterscheidungsf\u00e4higkeit (Verschmelzungsfrequenz) bei steigender Beleuchtung. \u2014 Dagegen weist es darauf hin, dafs der Angriffsort der elektrischen Reizung ein anderer ist wie der des Lichts. Bei gleichem Angriffspunkt w\u00fcrde man Unterschiedsschwellen bestimmen, bei starker Beleuchtung w\u00e4re auch ein st\u00e4rkerer Reizzuwachs durch die elektrische Reizung zur \u00dcberschreitung der Schwelle n\u00f6tig. (Weber-FECHNERsches Gesetz.)1 Kurz, am helladaptierten Auge geht die elektrische Erregbarbeit bei wechselnder Helladaptation nicht im gleichen Sinn wie die Lichtschwelle, sondern wie komplexe Sehleistungen insbesondere wie das Unterscheidungsverm\u00f6gen. Es entsprechen den differenzierten Sehleistungen die kleinen Inten-sit\u00e4ts- und Zeitwerte, wie sich im folgenden noch wiederholt zeigen wird.\n6\n5\nV\n3\n2\n7\n\t\t\t\nX-\n\u25a0X------x--------X\nJ I 11*111.\n0\t10\t20\t30 W\nAbbildung 2\nRheobase (\u2014X\u2014X\u2014) und Chronaxie (--X\u2014X\u201c\") bei gleichbleibender Beleuchtung Abszissenteilung in Minuten Ordinate f\u00fcr Rheobase 1 Teilstrich = 1 Volt, f\u00fcr Chronaxie = 0,05 pF.\n1 Folgt man der neuen Deutung, die v. Weizs\u00e4cker dem Gesetz gegeben hat [Pfl\u00fcgers Arch. 201, 317 (1923) (v. KRiES-Festschrift)], wird damit die Leistung der Netzhaut beim Sehakt eine ungleich aktivere, als man bisher annahm.","page":101},{"file":"p0102.txt","language":"de","ocr_de":"102\nJ. D. Achelis und J. Merkulow\nDie Kurve kann noch einmal die Konstanz der Werte bei gleichbleibender Beleuchtung zeigen.\nVersuchsreihe lb: Hellauge bei Dunkeladaptation des anderen Auges.\nDie Dunkeladaptation wird durch einen lichtdichten Verband erreicht. Irgendwelche St\u00f6rungen in der Beobachtung durch den Verband wurden von den Vpn. nicht angegeben. Das Ergebnis ist, dafs in 15 von 16 Versuchen die Rheobase nach Anlegung des Verbandes allm\u00e4hlich ansteigt, in einem Fall bleibt sie konstant. Die Chronaxie dagegen h\u00e4lt sich in 8 F\u00e4llen konstant, in den 8 anderen steigt oder sinkt sie in geringem Aus-mafse. Bei der durch die Methode gegebenen Abh\u00e4ngigkeit der Chronaxie von der Rheobase sind diese geringen Schwankungen der Chronaxie zu erwarten. Die Ver\u00e4nderung der Rheobase betr\u00e4gt im Maximum 180 \u00b0/0, die der Chronaxie 30\u00b0/o.\nDurch die Dunkeladaptation des Gegenauges wird also am Hellauge die Rheobase deutlich erh\u00f6ht, die Chronaxie bleibt konstant oder verschiebt sich wenig nach oben oder unten.\nEs ist wieder festzustellen, dafs nach dem bisher bekannten\ndiese Ver\u00e4nderungen mit Ver\u00e4nderungen der Lichtschwelle nicht\nzusammenfallen. Die binokulare und monokulare Schwelle sind\n\u2022 \u2022\nbei Helladaptation gleich. Uber Sehsch\u00e4rfe usw. sind soweit wir sehen, noch keine Untersuchungen gemacht, wenn das Gegenauge hinreichend dunkeladaptiert war. Zu erwarten ist ein Verhalten, das in irgendeiner Weise dem des Hellauges bei herabgesetzter Beleuchtung entspricht.\nIm einzelnen mufs auf die zweite Reihe verwiesen werden. Das Ergebnis der vorliegenden Reihe kann vorl\u00e4ufig dahin formuliert werden, dafs mit der Verkleinerung der in Helladaptation befindlichen peripheren Sinnesfl\u00e4che (wenn man beide Augen zusammen als eine Sinnesfl\u00e4che auffafst) eine Erh\u00f6hung des Intensit\u00e4tsbedarfs, dagegen keine sichere Erh\u00f6hung des Zeitbedarfs eintritt.\nEs ist hier schon der Schlufs unausweichlich, dafs die gemessenen Ver\u00e4nderungen sich nicht auf die Retina beschr\u00e4nken, sondern auf zentral vom Chiasma gelegene Hirnteile \u00fcbergreifen. Nur auf diesem Wege, durch Vermittlung von Hirnteilen, zu denen Fasern von beiden Augen ziehen, ist eine Beeinflussung des Hellauges durch das Dunkelauge denkbar, wenn man nicht","page":102},{"file":"p0103.txt","language":"de","ocr_de":"Elektr. Erregbarkeit des menschlic %en Auges w\u00e4hrend der Dunkeladaptation 103\neine humorale \u00dcbertragung annehmen will, die f\u00fcr den Menschen bisher nicht nachgewiesen ist.\nEs gibt aufserdem zu dieser Erscheinung der erh\u00f6hten\nRheobase bei konstanter Chronaxie Parallelen bei Pr\u00fcfungen der\n\u2022\u2022\nHautsensibilit\u00e4t, die eine Annahme der humoralen \u00dcbertragung sehr unwahrscheinlich machen. Darauf wird zur\u00fcckzukommen sein.\nEin Schema mag auch diese Ergebnisse an einem typischen Fall illustrieren.\nC 5' 10\n18' 23' Abbildung 3\nHellauge bei Dunkeladaptation des anderen Auges (Rheobase und Chronaxie)\nTeilung der Koordinaten wie Abb. 2. Die Pfeile bezeichnen Auf-\nund Absetzen der Augenkappe\nEs bliebe zu untersuchen, ob sich nicht Elektrodenlagen finden lassen, bei denen die Rheobasenver\u00e4nderung ausbleibt und sich so die gefundene Erregbarkeits\u00e4nderung auf St\u00e4bchenoder auf Zapfenfasern beziehen liefse. Wir halten das nicht f\u00fcr wahrscheinlich, da wir wie erw\u00e4hnt, den Reiz bzw. das Phosphen niemals so streng lokalisieren konnten.\nVersuchsreihe lc: Dunkelauge bei Dunkeladaptation des anderen Auges.\nWie schon einleitend erw\u00e4hnt, ergibt diese Versuchsreihe eine starke Erh\u00f6hung der Schwellenwerte. In 12 von 16 Versuchen zeigt sich im Verlauf der Dunkeladaptation eine langsam zunehmende Schwellensteigerung, die nach Abnahme der Dunkelbrille in wenigen Minuten auf die Ausgangsschwelle zur\u00fcckgeht, ein Verhalten, dafs dem der Lichtempfindlichkeit der Retina durchaus","page":103},{"file":"p0104.txt","language":"de","ocr_de":"104\nJ. D. Achelis und J. Merkulow\nentgegengesetzt ist. Einer Schwellenerniedrigung dort entspricht in unserem Fall eine Erh\u00f6hung der Intensit\u00e4ts- und Zeitschwelle. Es kann dabei durchaus Vorkommen, dafs die Rheobasenver-\u00e4nderung vorauseilt und die Chronaxie noch nicht deutlich ver\u00e4ndert ist, oder scheinbar sogar wegen der Abh\u00e4ngigkeit beider Gr\u00f6fsen zun\u00e4chst geringer wird. Nach wenigen Minuten ist dann aber auch die Chronaxie auf einen h\u00f6heren Wert angekommen.\nAnders verhalten sich 4 Versuche. Hier bleibt die Chronaxie w\u00e4hrend der Dunkeladaptation unter den Werten der Helladaptation, nur die Rheobase ist um ca.J.OO\u00b0/o erh\u00f6ht. Die Erkl\u00e4rung f\u00fcr diese Abweichungen gibt Versuchsreihe 2. Als typisches Verhalten kann man bezeichnen, dafs Rheobase und Chronaxie bei beiderseitiger Dunkeladaptation eine wesentliche Erh\u00f6hung erfahren. Die folgende Kurve zeigt einen derartigen typischen Fall.\nI0r 9 -\nAbbildung 4\nDunkelauge bei Dunkeladaptation des anderen Auges (Rheobase und Chronaxie)\nTeilung der Koordinaten wie Abb. 2\nVersuchsreihe ld: Dunkelauge bei Helladaptation des anderen Auges.\nDie Versuche zeigen wesentlich den gleichen Kurven verlauf wie 1 c. Rheobase und Chronaxie steigen an, nur ist diese Ver\u00e4nderung nicht so ausgepr\u00e4gt wie dort. Es zeigt sich hier deutlich, dafs eine \u201epsychische St\u00f6rung\u201c durch das Hellauge bei der Beobachtung des Phosphens am Dunkelauge nicht in Frage kam. Man h\u00e4tte dann bei einseitiger Verdunkelung st\u00e4rkere Schwellen-","page":104},{"file":"p0105.txt","language":"de","ocr_de":"Elektr. Erregbarkeit des menschlichen Auges w\u00e4hrend der Dunkeladaptation 105\nerh\u00f6hungen erwarten m\u00fcssen als bei doppelseitiger Verdunkelung. Wesentlich Neues zeigt diese Reihe sonst nicht.\nZusammenfassung 1 a\u2014d\n\u2022 \u2022\nUbersieht man diese Versuchsreihen zun\u00e4chst im ganzen und ordnet nach der Form der Erregbarkeits\u00e4nderung, so kann man 3 Typen unterscheiden:\nDie erste findet sich im Hellauge bei abnehmender Helladaptation des untersuchten Auges (nur wenige Versuche bisher) und am Hellauge bei Dunkeladaptation des Gegenauges: sie besteht in einem Steigen der Rheobase und ann\u00e4herungsweisem Konstantbleiben der Chronaxie. (Versuchsreihe 1 a und 1 b.)1\nDie zweite findet sich am Dunkelauge bei einseitiger oder doppelseitiger Dunkeladaptation : sie besteht in einem Ansteigen der Rheobasen- und Chronaxie werte, also einer Vermehrung des Intensit\u00e4ts- und Zeitbedarfs. Vereinzelt kommt sie auch in Versuchsreihe 1 b vor.\nDie dritte Form: Steigen der Rheobase bei gleichzeitigem Ab sinken der Chronaxie findet sich hin und wieder in allen Versuchsreihen. In \u00dcbergangsstadien, z. B. w\u00e4hrend des Ansteigens der Dunkeladaptation ist sie am h\u00e4ufigsten. Sie ist u. E. nur scheinbar ein gesonderter Typ. Ihr Zustandekommen l\u00e4fst sich, wie wir sehen werden, auf methodische M\u00e4ngel der Chronaxiemessung zur\u00fcckf\u00fchren.\nFafst man die bisherigen Ergebnisse entsprechend den Ver\u00e4nderungen des Retinazustandes zusammen, zeigt sich zun\u00e4chst folgendes Ergebnis:\nBeiderseitige Helladaptation (Versuchsreihe la): konstante Schwellen bei konstanter Belichtung. Bei wechselnder Belichtung wechselnde Rheobase. Ver\u00e4nderung der Chronaxie wechselnd. Einseitige Hellad aptation (Versuchsreihe lb): Hellauge steigende Rheobase konstante Chronaxie in 50 \u00b0/0 der F\u00e4lle, steigende Rheobase, steigende oder sinkende Chronaxie in 50\u00b0/0 der F\u00e4lle. Beiderseitige Dunkeladaptation (Versuchsreihe 1 c): steigende Rheobase und Chronaxie in 70\u00b0/0 der\n1 Unter gewissen Widerstandsverh\u00e4ltnissen k\u00f6nnte auch eine Ver\u00e4nderung der Haut solche Schwellenschwankungen ergeben. Hier ist das auszuschliefsen.","page":105},{"file":"p0106.txt","language":"de","ocr_de":"106\nJ. D. Achelis und J. Merkulow\nF\u00e4lle, steigende Rheobase sinkende Chronaxie in 30\u00b0/0 der F\u00e4lle. Einseitige Dunkeladaptation (Versuchsreihe ld): Dunkelauge steigende Rheobase und Chronaxie in 86 \u00b0/0 der F\u00e4lle.\nDiese Ergebnisse k\u00f6nnen nur eine erste Orientierung geben. F\u00fcr eine theoretische Auswertung erscheint die Zahl der Abweichungen zu grofs. Wir wenden uns deshalb zun\u00e4chst zu einer kurzen Diskussion der chronaximetrischen Methode, die wie wir glauben f\u00fcr die Mehrzahl der Abweichungen insbesondere f\u00fcr den dritten Typus der Erregbarkeits\u00e4nderung verantwortlich zu machen ist.\nExkurs \u00fcber die ehronaximetrische Methode\nDurch die Einf\u00fchrung der Reizzeitbestimmungen in die Physiologie und Pathologie, deren praktisch am leichtesten zu handhabende Methode die Chronaxiemessung mit Kondensatoren darstellt, ist zweifellos ein entscheidend neuer Gesichtspunkt f\u00fcr die Forschung gewonnen worden. Man kann jetzt nicht mehr vom Sinken oder Steigen \u201eder\u201c Erregbarkeit sprechen. Mit der Verbreitung der Methode mehren sich die Untersuchungen, die die Chronaxie an allen m\u00f6glichen Organen unter den verschiedensten Bedingungen bestimmen. Es w\u00e4re gegen diese meist nur Zahlenwerte festlegende Experimente nicht das geringste einzuwenden, wenn die Chronaxie unter allen Umst\u00e4nden eine Konstante des betreffenden Objekts w\u00e4re, wie das im Physikalischen etwa f\u00fcr den Ausdehnungskoeffizienten oder die Dielektrizit\u00e4tskonstante gilt. Die zahlreichen Messungen w\u00fcrden dann schliefslieh zu einer Tabelle der \u201eMaterialkonstanten\u201c f\u00fchren.\nNun sind aber Ergebnisse von der Art wie wir sie bisher\ndarstellten, durchaus typisch: es ist immer wieder nur ein ge-\n>\nwisser, oft nur geringer Prozentsatz der Versuche, der einen eindeutigen Verlauf nimmt. Bei dem Rest ist immer wieder festzustellen, die Chronaxie verh\u00e4lt sich wechselnd. Die Ver\u00e4nderungen der Chronaxie sind also selten eindeutig.\nMan wird diese zweifelhaften Ergebnisse erst dann auf biologische Schwankungen zur\u00fcckf\u00fchren d\u00fcrfen, wenn methodische Gr\u00fcnde v\u00f6llig ausgeschlossen sind. Es geht nun aber auch aus unseren Kurven hervor, dafs die Rheobasenwerte meist ganz kontinuierliche Ver\u00e4nderungen aufweisen, dafs von vereinzelten F\u00e4llen abgesehen, die Richtung der Ver\u00e4nderung der Rheobasen werte in allen Versuchen eindeutig gegeben ist,","page":106},{"file":"p0107.txt","language":"de","ocr_de":"Elektr. Erregbarkeit des menschlichen Auges w\u00e4hrend der Dunkeladaptation 107\nandererseits aber die Chronaxie beide Bedingungen nicht erf\u00fcllt. Sie \u00e4ndert sich weder kontinuierlich noch ist in einer Versuchsgruppe die Richtung der Ver\u00e4nderung eindeutig gegeben. Das scheint uns den Gedanken sehr nahezulegen, dafs nicht biologische Schwankungen sondern methodische Fehler entscheidend sind. Es ist unwahrscheinlich, dafs sich sonst Rheobase und Chronaxie so verschieden verhalten.\nDie Rheobase ist die galvanische Schwelle f\u00fcr zeitlich nicht begrenzte Reize. Sie ist eindeutig definiert, ihre Bestimmung f\u00fchrt zu eindeutigen Ergebnissen.\nDie Chronaxie dagegen ist nur unter folgenden Bedingungen definiert :\na)\tDie Kurve, die die Erregbarkeit charakterisiert, mufs eine Hyperbel sein, das HooRWEGsche Gesetz mufs gelten.\nb)\tEs mufs die zugeh\u00f6rige Rheobase vorher schon richtig bestimmt sein.\nEs ist das ohne weiteres abzuleiten aus dem erw\u00e4hnten Gesetz :\n_j.\te = \u2014h b\nc\nwobei b die Rheobase, e die Spannung, c den Kondensator und a eine Konstante bedeutet. Die Chronaxie ergibt sich daraus zu\na\nb\u2019\nals das Verh\u00e4ltnis der beiden Konstanten. Das heifst aber,\ndafs zu ihrer Definition das Hyperbelgesetz vorausgesetzt ist, und dafs jeder Fehler in der Bestimmung von b (Rheobase) den als Chronaxie gefundenen Wert beeinflussen mufs.\nDie erste Bedingung ist nun nach allem was wir aus neueren\n\u2022 \u2022\nUntersuchungen wissen in vielen F\u00e4llen nicht erf\u00fcllt.1 \u00dcberzeugt man sich also nicht vorher von der G\u00fcltigkeit des Hoorweg-gesetzes bei jedem untersuchten Objekt, arbeitet man mit einer Undefinierten Gr\u00f6fse.\nDie zweite Bedingung l\u00e4fst sich bei einigermafsen schnell verlaufenden \u00c4nderungen der Erregbarkeit wie etwa in den ersten Minuten der Dunkeladaptation offenbar unm\u00f6glich erf\u00fcllen. Zwischen der Rheobasenbestimmung und der Chronaxiebestimmung verl\u00e4uft einige Zeit, in der sich das Objekt weiter\n1 Neuerdings legt auch Lapicque Wert darauf, dafs die Chronaxie eine empirische Gr\u00f6fse ohne Fundierung durch das Hyperbelgesetz sei (vgl. Lapicque, Cpt. rend. soc. biol. 96, 1368 (1927), siehe auch v. Br\u00fccke Kongrefs-bericht Frankfurt 1927. \u00dfer. Physiol. 42, 578 (1928).","page":107},{"file":"p0108.txt","language":"de","ocr_de":"108\nJ. D. Achelis und J. Merkulow\nver\u00e4ndert hat. Man arbeitet also immer mit einer schon \u00fcberholten Rheobase und findet so bei an sich ansteigender Rheobase relativ zu grofse Chronaxien. Die Chronaxie wird so abh\u00e4ngig von der Schnelligkeit, mit der der Untersucher die beiden Bestimmungen aufeinander folgen l\u00e4fst.\nIn unseren Versuchen ist also die Chronaxie im Gegensatz zur Rheobase eine nicht scharf definierte Gr\u00f6fse,* und dem entspricht die Ungenauigkeit der Messung.\nEs sind also nicht biologische Schwankungen, sondern wieder das Arbeiten mit Undefinierten Reizen, dafs die Ergebnisse st\u00f6rt, ein Faktor, der ja die Erregbarkeitspr\u00fcfungen mit Induktionsschl\u00e4gen so zweifelhaft macht. Es mufs ausdr\u00fccklich hierauf hingewiesen werden, weil man sonst zu leicht meint, in der theoretisch gut fundierten Chronaxiemessung die exakte Reizmethode schlechthin zu besitzen. Schematisch l\u00e4sst sie sich nicht anwenden.\nNun gibt es zweifellos F\u00e4lle, in denen beide Bedingungen erf\u00fcllt sind \u2014 am Auge sind sie es nicht. Es bleibt zu fragen, ob die Chronaxiebestimmung dann die Methode der Wahl ist.\nWill man ein in sich konstantes Objekt, dessen Erregbarkeit sicher durch eine Hyperbel richtig wiedergegeben ist, kurz durch zwei Werte charakterisieren, sind Rheobase und Chronaxie nach der Theorie und praktischen Erfahrung ausreichend. Es l\u00e4fst sich aus ihnen jederzeit die ganze HooRWEGsche Kurve zeichnen. \u2014 Ein derartiger Fall kann gegeben sein, wenn man z. B. verschiedene biologische Objekte in ihrer Erregbarkeit vergleichen will, wie es etwa Lapicque f\u00fcr Pflanzenzellen, Wirbellose, Kaltbl\u00fcter, Warmbl\u00fcter durchgef\u00fchrt hat. Man wird dabei sogar auf den Rheobasewert verzichten k\u00f6nnen und die Angabe der Chronaxie allein gilt als Mafsstab f\u00fcr die \u201eSchnelligkeit\u201c des Objekts.\nWill man nicht verschiedene Objekte vergleichen sondern langsame Ver\u00e4nderungen der Erregbarkeit bestimmen, setzt die Chronaxiemessung voraus, dafs in jedem Augenblick das Hyperbelgesetz gilt, eine Annahme, die man wohl machen darf, wenn Anfang und Ende der Erregbarkeits\u00e4nderung ein Hyperbel darstellen.\nMathematisch w\u00fcrde das heifsen, dafs sich in der Formel nur die Konstanten a und b \u00e4ndern. Immerhin erscheint es dann","page":108},{"file":"p0109.txt","language":"de","ocr_de":"Elektr. Erregbarkeit des menschlichen Auges w\u00e4hrend der Dunkeladaptation 109\n\u00fcbersichtlicher zur Darstellung der \u00c4nderung nicht den Verlauf\nder Konstanten b (Rheobase) und des Verh\u00e4ltnisses\na\nb\n(Chronaxie)\nzu w\u00e4hlen, vielmehr direkt den Verlauf von a und b f\u00fcr sich zu bestimmen. Es ist das durch eine einfache Ver\u00e4nderung der Methode m\u00f6glich, wie einer von uns an anderem Ort gezeigt hat.1 Da es offenbar in Nerven h\u00e4ufig der Fall ist, dafs die Konstante b allein variiert, w\u00e4hrend a konstant bleibt, ergibt die \u00fcbliche Bestimmung eine Ver\u00e4nderung beider Werte, (bei steigender Rheobase (b) offenbar eine Verkleinerung\ndes Bruches der Chronaxie, wenn a konstant bleibt), w\u00e4hrend\ntats\u00e4chlich nur eine Ver\u00e4nderung vorliegt. Hierher w\u00fcrden wir die oben erw\u00e4hnten F\u00e4lle rechnen, dafs die Chronaxie absinkt, w\u00e4hrend die Rheobase ansteigt. Ein sicherer Fall von kleinerem a bei gr\u00f6fserem b ist uns bisher nicht bekannt geworden. Wir haben in der vorliegenden Arbeit noch einmal die echte Chronaxiebestimmung durchgef\u00fchrt, um ihre Schwierigkeiten praktisch zu erproben, w\u00fcrden aber in Zukunft immer die Bestimmung der Konstanten a vorziehen.\nIn allen anderen F\u00e4llen ist Chronaxie eine willk\u00fcrliche Gr\u00f6fse, die theoretische Schl\u00fcsse nicht erlaubt. Wichtiger ist noch, dafs die dann bestimmten Werte nicht untereinander verglichen werden k\u00f6nnen, es also keinen Sinn mehr hat, von einer Ver\u00e4nderung \u201eder\u201c Chronaxie zu reden, da die Willk\u00fcr bald diesem, bald jenem Punkt der Kurve herausgreift, die die Be-ziehnung von Reizzeit und Intensit\u00e4t darstellt. Die Art der Reizung ist also jeweils der gestellten Aufgabe anzupassen. Es wird nachzuweisen sein im folgenden, dafs in den F\u00e4llen, in denen sich Schwierigkeiten ergaben, einer der angef\u00fchrten Gr\u00fcnde die Ursache ist. Man wird auf die Chronaxiebestimmung bzw. die erw\u00e4hnte Modifikation zur Orientierung \u00fcber die Erregbarkeit nicht verzichten k\u00f6nnen, sie wird bei einigermafsen starken Ver\u00e4nderungen, wie in der Pathologie, durchaus brauchbare Werte ergeben, nur wird man sich bei der theoretischen Auswertung ihrer Grundlagen erinnern m\u00fcssen. Und man wird immer, wenn sich Unstimmigkeiten ergeben, auf die Bestimmung vollst\u00e4ndiger Spannungskapazit\u00e4tskufven, also eine Kontrolle des Hyperbelgesetzes zur\u00fcckgreifen m\u00fcssen.\n1 vgl J. D. Achelis, Pfl\u00fcgers Arch. 219, 411 (1928).","page":109},{"file":"p0110.txt","language":"de","ocr_de":"110\nJ. D. Achelis und J. Merkulow\nVersuchsreihe 2\nDamit ist der Weg f\u00fcr die weiteren Untersuchungen gegeben. Es ist zu pr\u00fcfen ob das Hyperbelgesetz am Auge gilt. Es sind dazu aufser der Rheobase und dem Kondensator f\u00fcr doppelte Rheobase noch eine Reihe anderer Kondensatorwerte zu bestimmen. Man erh\u00e4lt bei Eintragung dieser Werte in ein Koordinatensystem eine Kurve, die nach Hoorweg eine Hyperbel sein soll.\nVersuchsreihe 2 a, b: Hellauge.\nDie Ergebnisse der zweiten Versuchsreihe werden am besten durch die beifolgenden Zeichnungen belegt. Bei beiderseitiger Helladaptation zeigt das Auge, wie zu erwarten war, keinen einfachen Hyperbelverlauf. Vielmehr hat die Kurve bei einem C-Wert von ca. 0,130 (.iF. einen deutlichen Knick. Die Schwellenkurve des Hellauges ist also aus mindestens 2 deutlich geschiedenen Teilen zusammengesetzt. Jeder von diesen Teilen kann bei bescheidenen Anspr\u00fcchen als Hyperbel gelten. Ihre Konstanten sind in einem ausgesuchten (nicht dem abgebildeten) Fall\na = 0,274 u. 0,150 b = 4,66 u. 6,50\nalso die Rheobasen 4,3 u. 6,5 Volt, die Chronaxien 0,063 u. 0,023 fiF. Man kann also leicht in der ersten Versuchsreihe die Rheobase in dem einen Kurventeil, die Chronaxie der Gesamtkurve im anderen Kurventeil bestimmen.\nDer charakteristische Kurvenknick findet sich zun\u00e4chst in etwas wechselnder Lage bei allen untersuchten Hellaugen, also sowohl in Versuchsreihe 2 a wie 2 b. Er findet sich schliefslich auch am Dunkelauge bei einseitiger Dunkeladaptation. Das Ergebnis l\u00e4fst sich also auch so formulieren, dafs, wenn \u00fcberhaupt Licht von hinreichender Intensit\u00e4t in die Augen dringt, der hier untersuchte Teil des Sehapparats sich in einem Zustand befindet, die eine Doppelfunktion erkennen l\u00e4fst. Wir haben bisher wenigstens keine Abweichung von dieser Regel gefunden. Man mufs allerdings bedenken, dafs es sich bei den Messungen immer um Schwellenbestimmungen handelt, die kein Urteil dar\u00fcber erlauben, was sich oberhalb der Schwelle und das heifst bei den meisten Sehakten, dann abspielt.\nHinreichende Belichtung des optischen Systems ergibt also einen Zustand, der durch eine zweigeteilte Kurve charakterisiert","page":110},{"file":"p0111.txt","language":"de","ocr_de":"Elektr. Erregbarkeit des menschlichen Auges w\u00e4hrend der Dunkeladagjtation Hl\nist. Diese Kurvenform tritt nur auf, wenn sich irgendwo in einer Retina der Zustand der Helladaptation findet. Die Beteiligung der Zentren ist hier wieder offensichtlich.\nVersuchsreihe 2c: Dunkelauge bei beiderseitiger Dunkeladaptation.\n100 200 300 WO 500 600 700 800 900\t1000\t-\nAbbildung 5\nKapazit\u00e4tsspannungskurven am Hell- und Dunkelauge bei beiderseitiger Adaptation. Ausgezogene Kurven: 2 kurz aufeinander folgende Messungen am helladaptierten Auge. Gestrichelte Kurven: desgleichen am dunkeladaptierten Auge. Teilung, der Ordinate in Volt, der Abszisse in\ntausendstel\nNach halbst\u00fcndiger beiderseitiger Dunkeladaptation zeigt die Kurve einen v\u00f6llig anderen Verlauf. Das Auffallendste ist, dals der Kurvenknick geschwunden ist, die Kurve jetzt stetig verl\u00e4uft. Aufserdem ist sie um ein betr\u00e4chtliches in der Richtung auf h\u00f6here Intensit\u00e4ts- und Zeitwerte verschoben. Die nach Versuchsreihe 1 als typisch bezeichnete Vermehrung des Intensit\u00e4tsund Zeitbedarfs best\u00e4tigt sich also. Ann\u00e4hernd kann auch diese Kurve als Hyperbel gelten. Ihre Konstanten, wieder in einen besonderen Fall, sind a = 2,0, b = 7,0, Chronaxie also 0,28 pF.","page":111},{"file":"p0112.txt","language":"de","ocr_de":"112\nJ. D. Achelis und J. Merkulow\nDer vollst\u00e4ndigen (beiderseitigen) Dunkeladaptation ist also eine einfache Kurve zuzuordnen. Es liegt aufserordentlieh nahe, in dem Wechsel von Doppelkurve zur Einfachkurve einen der Doppelfunktion der Hellnetzhaut und der Einfachfunktion der Dunkelnetzhaut entsprechenden Prozefs zu sehen. Die obige Kurve zeigt die Umwandlung einer typischen Hellkurve durch die Dunkeladaptation. Soweit man aus Kurven mit unvollst\u00e4ndiger Dunkeladaptation Schl\u00fcsse ziehen kann, ist es die untere Hyperbel die verschwindet. Es w\u00e4re dann diese Kurve den Zapfenfasern zuzuordnen, wenn man dar\u00fcber eine Vermutung \u00e4ufsern will.\nVersuchsreihe 2d: Dunkelauge bei einseitiger Adaptation.\nEine sichere Unterscheidung der Kurve des Dunkelauges bei einseitiger Adaptation von der des Hellauges im gleichen Fall war uns bisher noch nicht m\u00f6glich. Die abgebildeten Kurven f\u00fcr Hell- und Dunkelauge k\u00f6nnten vertauscht werden, ohne dafs das Ergebnis entstellt w\u00fcrde. Sie zeigen beide einen Kurvenknick und sind beide um einen erheblichen Betrag nach oben, d. h. in der Richtung h\u00f6herer Intensit\u00e4ten verschoben. Dagegen ist die Lage des Kurvenknicks, die in der Abbildung die beiden Kurven unterscheidet, nicht typisch f\u00fcr Hell- bzw. Dunkelauge.\nDagegen k\u00f6nnen hier vielleicht die in Versuchsreihe 1 gewonnenen Chronaxiewerte einen Hinweis geben: sie waren im hall b konstant oder wenig ver\u00e4ndert, w\u00e4hrend im Fall d eine Chronaxiever\u00e4nderung fast die Regel war. Da nun die Chronaxie stets im steilen Kurventeil gemessen wird, weist das darauf hin, dafs im Fall b sich dieser Kurventeil in seiner Lage zur Ordinate wenig ver\u00e4ndert, w\u00e4hrend im Fall d dieser Kurventeil von der Ver\u00e4nderung wesentlich mit getroffen ist. Auch dieser Befund w\u00fcrde im Sinn der oben angedeuteten Zuordnung der Kurven zu St\u00e4bchen* bzw. Zapfenfasern sprechen. Die folgende Abbildung zeigt die Ver\u00e4nderung beider Augen bei einseitiger Dunkeladaptation.\nZusammenfassung 2 a\u2014d\nZusammenfassend l\u00e4fst sich sagen, dafs beiderseitige Hellund Dunkeladaptation durch typische Erregbarkeitskurven gekennzeichnet sind. Die Hellkurve ist zweiteilig. Ihre Teile sind selbst\u00e4ndig variabel. Bei einseitiger Dunkeladaptation zeigen","page":112},{"file":"p0113.txt","language":"de","ocr_de":"Elektr. Erregbarkeit des menschlichen Auges w\u00e4hrend der Dunkeladaptation 113\nzun\u00e4chst beide Augen eine Vermehrung des Intensit\u00e4tsbedarfs*\n_ _ \u2022\u2022\nauf dem Dunkelauge scheinen in diesem Fall noch \u00c4nderungen der Kurvenform hinzuzukommen. Die Einzelheiten sind aus den Abbildungen zu ersehen.\n100\t200\t300\t4-00\t500\t600\t700\t800 900 1000\nAbbildung 6\nKapazit\u00e4tsspannungskurven vor (I) und nach (II) einseitiger\nDunkeladaptation. Rechtes Auge (------X---- X--------)\ndunkeladaptiert (60 Minuten). Linkes Auge (----X-------X-------)\nbleibt helladaptiert. Koordinatenteilung wie Abb. 5\nNur in den F\u00e4llen mit geknickter Kurve (a, b, d) waren die chronaximetrischen Messungen nicht eindeutig. Die Abweichungen in der ersten Versuchsreihe sind also wohl darauf zur\u00fcckzuf\u00fchren, dafs die erste der erw\u00e4hnten Bedingungen jeder Chronaxiemessung, die G\u00fcltigkeit des Hyperbelgesetzes nicht streng erf\u00fcllt war. Die Abweichungen sind nicht grofs, aber doch hinreichend, um die schwankenden Ergebnisse zu erkl\u00e4ren.\nDiskussion der Ergebnisse\nEs sind im wesentlichen 3 Fragen, die noch der ausf\u00fchrlichen Diskussion bed\u00fcrfen. Zun\u00e4chst sind die Argumente noch einmal zusammenzustellen, die f\u00fcr eine nicht rein retinale Lokalisation der Reizung sprechen (1). Dann wird zu fragen sein, ob die nachgewiesenen Ver\u00e4nderungen rein quantitative Kurvenverschiebungen darstellen oder ob sie nicht Symptome einer qualitativen Ver\u00e4nderung sind (2 a). Dabei wird die Pathologie\nZeitsehr. f. Sinnesphysiol. 60\t^","page":113},{"file":"p0114.txt","language":"de","ocr_de":"114\nJ. D. Achelis und J. Merkulow\nder Hautsensibilit\u00e4t heranzuziehen sein, die mannigfache Parallelerscheinungen zeigt (2 b). Aus der Zusammenstellung der Befunde am Auge und der Hautsensibilit\u00e4t werden sich einige allgemeine Erw\u00e4gungen \u00fcber den Aufbau der Sinnesfunktion n\u00f6tig erweisen (3).\n1. Es wurde oben schon wiederholt darauf hingewiesen, dafs die elektrische Schwellen\u00e4nderung der Lichtschwellen\u00e4nderung entgegengesetzt verl\u00e4uft. Es sind das folgende F\u00e4lle: a) bei beiderseitiger Dunkeladaptation sinkt die Lichtschwelle, die elektrische Schwelle steigt, b) Bei Verst\u00e4rkung der Helladaptation m\u00fcssen Lichtreize um so st\u00e4rker sein, je besser die Helladaptation ist. Dagegen gen\u00fcgen bei steigender Helladaptation immer\n\u2022 \u2022\nschw\u00e4chere elektrische Reize zur \u00dcberschreitung der Schwelle, mindestens bei Pr\u00fcfung der Rheobasen. Beides l\u00e4fst sich schwer verstehen, wenn man den gleichen Angriffspunkt f\u00fcr Licht und elektrischen Reiz annimmt.\nDie Versuchsreihe 1 b, 2b und 2d zeigen eine gegenseitige Beeinflussung beider Augen, die an die konsensuelle Pupillenreaktion erinnert. Es liegt ein konsensuelles Adaptationsph\u00e4nomen vor. Wie die Pupillenweite ergibt sich die Schwellenkurve aus der Beleuchtung beider Augen. Die Mitbeteiligung eines Zentrums ist darnach sicher.1\nAus diesen Beobachtungen folgt zun\u00e4chst mit Sicherheit, dafs ein retinaler Prozefs nicht die alleinige Grundlage der Kurven\u00e4nderung sein kann. Zugrunde liegt jedenfalls ein Geschehen zwischen Retina und einem optischen Zentrum unter Vermittlung von Optikusfasern. Da die einmal erzielten Ver\u00e4nderungen festgehalten werden, solange sich an den Bedingungen nichts mehr \u00e4ndert, kann es sich dabei nicht um einfache Reflexe handeln, sondern h\u00f6chstens um \u201etonische\u201c Reflexe. Dadurch ist der Anschlufs gewonnen an Ph\u00e4nomene, die wir als\n1 In der Kontroverse um die Unabh\u00e4ngigkeit der Dunkeladaptation beider Augen hat man sich in letzter Zeit immer auf die Widerlegung der BuHEschen Hypothese (Behr a. a. 0.) von der reflektorischen Hemmung der Sehpurpurbildung beschr\u00e4nkt. Doch finden auch die Gegner der Reflextheorie Ver\u00e4nderungen der Dunkeladaptation eines Auges durch die Belichtung der anderen. Vgl. G. E. Rutgers Klin. Mbl Augenheilk. 71, 458 (1923). Eine Erkl\u00e4rung dieser Beeinflussung ist bisher, soweit wir sehen, nicht gegeben.","page":114},{"file":"p0115.txt","language":"de","ocr_de":"Elektr. Erregbarkeit des menschlichen Auges w\u00e4hrend der Dunkeladaptation 115\nUmstimmung der Nerven bezeichneten 1 und w\u00fcrden, es f\u00fcr das Wahrscheinlichste halten, dafs auch am Auge Nervenfasern auf ihre Erregbarkeit gepr\u00fcft wurden.\nWir halten zudem die Frage nach der eindeutigen Lokalisierung nicht f\u00fcr ausschlaggebend f\u00fcr die Deutung der Ergebnisse. Es ist h\u00f6chst wahrscheinlich, dafs sich im optischen Apparat niemals isoliert etwas ver\u00e4ndert, sondern dafs er sich stets als Ganzes umstellt. Weiter unten werden sich aus dem Vergleich der Hautsensibilit\u00e4t noch einige Argumente gewinnen lassen, die die Lokalisation im Sinnesnerven weiter st\u00fctzen.\nDie geknickte Kurve bei Helladaptation und die einfache Kurve bei Dunkeladaptation weist darauf hin, dals eine Duplizit\u00e4t der Funktionen im ersten Fall, eine einfache Funktion im zweiten Fall vorliegt. Bevor man jedoch versucht den einen Kurventeil den Zapfenfasern, den andern den St\u00e4bchenfasern zuzuordnen, ist zu bedenken, dafs von Jinnaka und Azuma2 3 * * * * ein \u00e4hnlicher Kurvenbefund am Muskel (entgegen der Deutung Keith Lucas\u2019, der auch verschiedene Substanzen im Muskel annahm, die je einen Kurventeil liefern sollten) auf Deformierung des Stromes im Gewebe zur\u00fcckgef\u00fchrt wurde. Der Kurvenknick schwand, wenn einzelne Muskelfasern untersucht wurden. Es ist also der Schlufs von geknickter Kurve auf mehrere Substrate der Heizung nicht ohne weiteres statthaft. In unserem Fall scheint eine derartige Erkl\u00e4rung nicht stichhaltig: die Zuordnung der Knrvenformen zu physiologischen bekannten Ver\u00e4nderungen ist zu deutlich. Es m\u00fcfste sich aufserdem wohl die Stromdeformierung auch am dunkeladaptierten Auge in einem Kurvenknick aus wirken.\nNimmt man aber einmal an, dafs die beiden selbst\u00e4ndig variabeln Kurventeile verschiedenen Substraten zuzuordnen sind, so spricht alles daf\u00fcr, dafs der steile Kurventeil zu den St\u00e4bchenfasern 8 und der flache Anteil zu den Zapfenfasern geh\u00f6rt. Die\n1\tSchon vor l\u00e4ngerer Zeit werden \u00e4hnliche Ph\u00e4nomene von J\u00e4derholm unter Bethe [.Pfl\u00fcgers Arch. 114, 248 (1906)] gezeigt.\n2\tJinnaka u. Azuma, Proc. Roy. Soc. London 94, 49 (1922).\n3\tPi\u00e9ron [Cpt. rend, hebdom. acad. de sciences 170, 1203 (1920)] schliefst\nauch aus seinen Versuchen \u00fcber die Lage des \u201eEnergieminimums\u201c bei ver-\nschiedener Lichtreizdauer, dafs w\u00e4hrend der Helladaptation der \u201eSt\u00e4bchen-\nprozefs\u201c schneller abl\u00e4uft als der Zapfenprozefs. Das w\u00fcrde in \u00dcber-\neinstimmung sein mit unserer Vermutung.\n8*","page":115},{"file":"p0116.txt","language":"de","ocr_de":"116\nJ. D. Achelis und J. Merkulow\na-Kurve (Abb. 5) ist diejenige, welche bei der Dunkeladaptation in ver\u00e4nderter Form erhalten bleibt. Die Versuche mit einseitiger Dunkeladaptation zeigen deutlich das allm\u00e4hliche Verschwinden der \u00df-Kurve in Richtung gr\u00f6fserer Zeitwerte. Um eine v\u00f6llige Aufser-funktionssetzung wird es sich hierbei kaum handeln. Es lassen sich ja nur Schwellenwerte bestimmen, \u2014 die \u00df-Kurve k\u00f6nnte also oberhalb der a-Kurve auch am dunkeladaptierten Auge noch vorhanden sein \u2014 genau wie man auch berechtigt ist, eine Fortsetzung der a-Kurve in Richtung gr\u00f6fserer Intensit\u00e4ten anzunehmen.\nMit aller Vorsicht l\u00e4fst sich also folgende Deutung wahrscheinlich machen: es handelt sich um Optikusumstimmungen. Am helladaptierten Auge finden sich zwei erregbare Substrate, die sich bei Dunkeladaptation beide ver\u00e4ndern.1 Die eine wird in der Schwellenkurve nicht mehr nachweisbar, die andere verschiebt sich zu gr\u00f6fseren Intensit\u00e4ten und Zeiten.\nDer in Frage stehende Prozefs unterscheidet sich also von der retinalen Umstimmung nicht nur durch die Richtung der Ver\u00e4nderung, sondern auch dadurch, dafs sie f\u00fcr beide Komponenten sehr stark ist, w\u00e4hrend ja in der Retina einer sehr grofsen Zunahme der St\u00e4bchenempfindlichkeit eine relativ nur sehr geringe Zunahme der Zapfenempfindlichkeit entspricht. Hierin sehen wir das letzte Argument f\u00fcr die Ablehnung der rein retinalen Deutung unserer Befunde.\nEs \u00fcberkreuzen sich also jedenfalls zwei verschiedene Prozesse : die Kurvenform erkl\u00e4rt sich ungezwungen aus der Duplizit\u00e4tstheorie der Retina (wenn man wenigstens f\u00fcr den Menschen eine Duplizit\u00e4t auch des Tagessehens annimmt), \u2014 dagegen weist die Kurvenverschiebung auf einen anderen unabh\u00e4ngig davon verlaufenden Vorgang hin. Wenn dieser zweite Prozefs im folgenden zun\u00e4chst als der zentrale Anteil der Dunkeladaptation bezeichnet wird, soll damit nur der Gegensatz zur retinalen Adaptation betont werden. \u2014\n2. Zur Diskussion steht im folgenden wesentlich dieser \u201ezentrale\u201c Anteil der Dunkeladaptation. Die Erregbarkeitsver\u00e4nderung bei verschiedener Helladaptation und die konsensuelle\n1 Damit ist \u00fcber die reine Dunkelfunktion des St\u00e4bchens selbst, bzw. ihre Beteiligung am Tagessehen nichts ausgesagt. Die Beziehung unserer Ergebnisse zur Duplizit\u00e4tstheorie l\u00e4fst sich erst diskutieren, wenn noch mehr experimentelles Material vorliegt.","page":116},{"file":"p0117.txt","language":"de","ocr_de":"Elektr. Erregbarkeit des menschlichen Auges w\u00e4hrend der Dunkeladaptation 117\nReaktion sollen erst weiter unten besprochen werden. Es ist zu fragen: a) Bedeutet die Kurvenverschiebung ein einfaches Mehr oder Weniger oder sind mit ihr qualitative \u00c4nderungen des Sehens verbunden? b) Finden sich an anderen Stellen des Nervensystems analoge Ver\u00e4nderungen?\na) Der gr\u00f6fseren Empfindlichkeit des Auges f\u00fcr kurzdauernde Reize im helladaptierten Zustand entspricht eine Verschmelzungsfrequenz bei intermittierender Lichtreizung von 60\u201470 pro Sek.1 Das Dunkelauge dagegen hat eine wesentlich geringere Verschmelzungsfrequenz (18 pro Sek.2), entsprechend seiner geringeren Empfindlichkeit f\u00fcr kurze Reize und seiner ja auch sonst bekannten tr\u00e4gen Reaktionsweise. Das Dunkelauge verschmilzt schon bei Frequenzen, die das Hellauge noch unterscheidet. Dabei ist es hier nicht wesentlich ob etwa, wie wohl anzunehmen ist, die zeitliche Reaktion der perzipierenden Elemente den Ausschlag gibt. Man mufs ja auch dann die Annahme machen, dafs der Sinnesnerv der frequenten Beanspruchung folgen kann. Die elektrische Untersuchung steht jedenfalls damit in \u00dcbereinstimmung, dafs sich die zeitliche Unterscheidungsf\u00e4higkeit des Auges durch die Dunkeladaptation verschlechtert, die F\u00e4higkeit zum Verschmelzen dagegen verbessert. Die Chronaxiewerte zeigen in ungef\u00e4hrer Entsprechung zur Verschmelzungsfrequenz eine Erh\u00f6hung auf das doppelte bis dreifache des Hellwertes.\nGleichzeitig mit dieser Leistungs\u00e4nderung findet sich aber auch eine Abnahme der Sehsch\u00e4rfe 3 d. h. der r\u00e4umlichen Unterscheidungsf\u00e4higkeit, wenigstens wenn man mit Schwellenreizen arbeitet. Auch diese Leistung des Sehorgans \u00e4ndert sich also in anderer Richtung wie die Lichtschwelle, dagegen gleichlaufend mit der elektrischen Schwelle. Wir k\u00f6nnen diese Tatsache hier nur feststellen ohne auf eine Diskussion der Theorie der Sehsch\u00e4rfe einzugehen.\nAndererseits ist in weiterer Paralelle zu den zeitlichen Verh\u00e4ltnissen die Bedeutung der Fl\u00e4che f\u00fcr den Reizeffekt erheblich ver\u00e4ndert. Das dunkeladaptierte Auge verschmilzt leichter die Erregungen benachbarter Netzhautelemente.\n1\tv. Kries, Z. Psychol. 31, 113 (1903). Vg). auch Perter, Proc. Boy. Soc. London 70, 313 (1902).\n2\tSchaternikoee, Z. Psychol. 29 241 (1902).\n3\tBloom u. Garten, Pfl\u00fcgers Arch. 72, 372 (1898).","page":117},{"file":"p0118.txt","language":"de","ocr_de":"118\nJ. D. Achelis und J. Merkulow\nEs entsprechen also der zeitlichen Verschmelzung und Unterscheidungsf\u00e4higkeit genau die r\u00e4umliche Verschmelzung und Unterscheidung (Sehsch\u00e4rfe) bei den beiden Zust\u00e4nden des Auges. Die zeitlichen Ver\u00e4nderungen lassen sich aus unseren Kurven unmittelbar verstehen, die analogen r\u00e4umlichen Ver\u00e4nderungen erweisen sich als damit gekoppelt.\nAus dem Gesagten ergibt sich ohne weiteres, dafs am dunkel-adaptierten Auge bewegte Reize besser wirken als ruhende, was der Erfahrung entspricht: der bewegte Reiz ist ein Fl\u00e4chenreiz der am besten wirkt, wTenn die gegenseitige Verst\u00e4rkung der Einzelerregungen am deutlichsten ist. Beg\u00fcnstigend mufs auch ein tr\u00e4ger Ablauf der Erregung wirken. Je l\u00e4nger die Erregung in den zuerst gereizten Netzhautteilen nachwirkt, desto mehr wird der bewegte Reiz zu'einem Fl\u00e4chenreiz. Beide Bedingungen sind am Dunkelauge erf\u00fcllt. Die gr\u00f6fsere Empfindlichkeit des Dunkelauges f\u00fcr bewegte Reize ergibt sich also aus den Ver\u00e4nderungen, die wir f\u00fcr zeitliche und r\u00e4umliche Unterscheidungsf\u00e4higkeit feststellten.\nDa die Sehsch\u00e4rfe geringer geworden ist, ergibt sich, dafs es sich bei geringen Reizintensit\u00e4ten am Dunkelauge nur um Wahrnehmung von Bewegtem \u00fcberhaupt1 handeln kann, was wohl eine der primitivsten Sehleistungen darstellt.2 Der eigent\u00fcmlich huschende und unbestimmte Charakter dieser Wahrnehmungen erkl\u00e4rt sich also aus der Verkn\u00fcpfung der herabgesetzten Sehsch\u00e4rfe mit guter Bewegungswahrnehmung.\nDamit sind wir aber schon bei ausgesprochen qualitativen Ver\u00e4nderungen angekommen. Das Hellauge sieht, wenn man schematisieren will, nicht Bewegung \u00fcberhaupt, sondern verm\u00f6ge seiner besseren r\u00e4umlichen und zeitlichen Unterscheidungsf\u00e4higkeit einen bestimmten Gegenstand an verschiedenen Orten 1, d. h. einen Gegenstand in Bewegung. Es sind das aber zwei wesentlich verschiedene Leistungen, die in Grenzf\u00e4llen ganz rein auf-weisbar sind und sich in den Zwischenf\u00e4llen \u00fcberkreuzen.\nDie Farbblindheit im D\u00e4mmerungssehen, die allerdings nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit unseren Untersuchungen steht, unterst\u00fctzt noch die erw\u00e4hnten Ver\u00e4nderungen. Auch hier tritt an Stelle der hohen Differenzierung im Hellen die\n1\tExner, Ber. Wien. Akad. 72, 156 (1875).\n2\tAnaloge Gedankeng\u00e4nge bei Jaensch, Z. Psychol. 106, 129 (1928).","page":118},{"file":"p0119.txt","language":"de","ocr_de":"Elektr. Erregbarkeit des menschlichen Auges w\u00e4hrend der Dunkeladaptation H9\nMonotonie des Dunkelsehens, solange man das Hauptgewicht auf das objektiv Erkannte, nicht auf die biologische \u2014 reflektorische \u2014 Auswirkung legt.\nDie Symptome f\u00fcr das ver\u00e4nderte Sehen nach Dunkeladaptation liefsen sich leicht vermehren. Was man auch auf greift, liegt alles in der gleichen Richtung die sich aus dem bisher Aufgez\u00e4hlten ergibt: die tr\u00e4ge Reaktion des Dunkelapparats wirkt sich, auch wenn man von der Farbenblindheit absieht, in einer qualitativen \u00c4nderung des Sehens aus. Die einzelnen Symptome verkn\u00fcpfen sich dabei deutlich zu einer neuen Wahrnehmungsform. Das D\u00e4mmerungssehen ist vom Hellsehen nicht durch eine Schwellenverschiebung unterschieden, sondern stellt eine andere Art zu sehen dar.\nEs mufs noch darauf hingewiesen werden, dafs dies wesentlich undifferenzierte fast primitive Dunkelsehen affektiven Reaktionen sehr viel n\u00e4her steht als das Tagessehen. In anderen als Laboratoriumsituationen erschrickt man \u00fcber schwache Lichterscheinungen im Dunkeln leichter als im Hellen. Cum grano salis kann man sagen: Im Hellen wird erkannt, im Dunkeln gef\u00fchlt.\nUnsere Kurvenver\u00e4nderung ist also keine isolierte Erscheinung. Sie ist ein Symptom unter vielen, die in gleicher Richtung liegen. Es scheint uns berechtigt, die elektrische Erregbarkeit als einfachen Test f\u00fcr den Funktionswandel zu nehmen, da die \u00fcbrigen Untersuchungsmethoden ihm gegen\u00fcber sehr viel schwerer zu handhaben sind. Mit anderen Worten: die Ver\u00e4nderung der z eit liehen Erregbarkeit zeigt an, das die optimale Reizgestalt eine andere geworden ist. Und damit ist jedesmal auch die Ansicht der Umwelt ver\u00e4ndert. (Dabei bleibt die Frage noch uner\u00f6rtert, ob nicht elektrische Reize verschiedener Dauer auch verschiedene Ionenverteilungen hervor-rufen, wenn man einer der NEKNSTschen Theorie \u00e4hnliche Auffassung des elektrischen Reizes zugrunde legt.)\nb) Vergleicht man nun diese Ergebnisse mit den von Stein, v. Weizs\u00e4ckek u. a. an der Pathologie der Hautsinne erhobenen Befunde1, so ergibt sich eine auffallende Parallele zwischen dem\n1 Stein und v. Weizs\u00e4ckek, Ergebnisse der Physiologie 27, 657 (1928). \u2014 Stein, Handbuch der Geisteskranken, herausgegeben von Bumke, Bd. 1, 352 ff. (1928).","page":119},{"file":"p0120.txt","language":"de","ocr_de":"120\nJ. D. Achelis und J. Merkulow\nFunktionsabbau bei einigen Erkrankungen des Z. N. S. und dem\n\u2022 \u2022\nFunktionswandel beim \u00dcbergang zum Dunkelsehen. \u2014 Diese Untersuchungen zeigen, dafs der Abbau des Nervensystems sich nicht im Ausfall einiger Funktionen \u00e4ufsert, sondern dafs sich dann vielmehr eine durchgehend ver\u00e4nderte Funktion einstellt. Die Formulierung: \u201enicht Funktionsausfall sondern Funktionswandel44 l\u00e4fst sich w\u00f6rtlich auf den Vorgang der Dunkeladaptation \u00fcbertragen, \u2014 und die Ergebnisse der elektrischen Untersuchung sind die gleichen.\nDie Bedeutung der Fl\u00e4che, die Bevorzugung bewegter Reize, die verl\u00e4ngerten Nachempfindungen, die erh\u00f6hten Chronaxie werte sind jedenfalls Fakten, die in beiden F\u00e4llen in gleicher Weise und in gleicher Kombination deutlich werden. Bei Ausfall zentraler d. h. z. B. kortikaler Substanz verh\u00e4lt sich also die Hautsensibilit\u00e4t \u00e4hnlich wie das Dunkelsehen. Die Einzelheiten m\u00fcssen in den zitierten Arbeiten nachgelesen werden.\nWir haben aufserdem eine Reihe von Beobachtungen die die Parallele noch vervollst\u00e4ndigen: setzt man die Haut strahlender W\u00e4rme aus, findet sich eine der steigenden Helladaptation analoge Ver\u00e4nderung des zugeh\u00f6rigen sensiblen Hautnerven, wenn man ihn chronaximetrisch untersucht. Nicht nur der Funktionswandel \u00fcberhaupt ist analog, sondern auch die Wirkung von aufsen zugef\u00fchrter Energie. Licht am Auge und W\u00e4rme an der Haut wirken \u00e4hnlich. Diese Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen, weil die Reaktion auf Temperaturreize mit der individuellen Konstitution wechselt (was der Klimaforschung ja schon lange bekannt ist). Es bleibt aber auff\u00e4llig, dafs auch zwischen W\u00e4rmeentziehung und Dunkeladaptation eine gewisse \u00c4hnlichkeit insofern besteht, als beide am Sinnesnerven eine Erh\u00f6hung der Schwellen hervorrufen. In weiteren Einzelheiten sind die Beobachtungen nat\u00fcrlich nicht vergleichbar schon aus dem Grunde, weil Abk\u00fchlungen und Erw\u00e4rmungen gleich wieder einreguliert werden, w\u00e4hrend hell oder dunkel dem Organismus von aufsen gegebene Zust\u00e4nde sind. Immerhin wird man an die alte Hypothese Preyers erinnert, nach der der Lichtsinn sich aus dem W\u00e4rmesinn der Haut entwickelt haben soll.\nNoch auf eine weitere Parallele ist hinzuweisen: die Bestrahlung der Haut mit ultraviolettem Licht ergab uns eine Ver\u00e4nderung der Nervenerregbarkeit.1 Wir deuteten dieses Ph\u00e4nomen\n1 J. D. Achelis und H. Rothe, Pfl\u00fcgers Arch. 218, 427 (1927).","page":120},{"file":"p0121.txt","language":"de","ocr_de":"Elektr. Erregbarkeit des menschlichen Auges w\u00e4hrend der Dunkeladaptation 121\nhypothetisch so, dafs eine \u00c4nderung des physiko-chemischen Milieus, in dem sich bei der beginnenden Hautentz\u00fcndung die Nervenendigungen befinden, den Gesamtzustand des Nerven be-einflufst. Das f\u00fchrt uns auf den Gedanken, dafs auch am Auge mit der Adaptation Milieu\u00e4nderungen humoraler Art verbunden s\u00e7ien, die \u00fcber die bisher bekannten \u00c4nderungen der H- Ionenkonzentration hinausgehen. Einer von uns (M.) wird demn\u00e4chst \u00fcber die Ergebnisse dieser Untersuchungen berichten, die einen humoralen Hilfsmechanismus der Adaptation, einen wohl anorganischen Stoff der bei Hell- und Dunkeladaptation verschieden wirkt, wahrscheinlich machen.\nDiese Parallelen best\u00e4rken uns in der Annahme, dafs wir hier am Auge nur den deutlichsten Fall eines allgemeinen Mechanismus des Nervensystems vor uns haben.\n3. Wir sagten oben, dafs Hell- und Dunkelsehen verschiedene Funktionsarten des optischen Systems darstellten, f\u00fcr die ein Kardinalsymptom die Erregbarkeitskurve ist. Nimmt man nun die von Lapicque aufgestellte Isochronismustheorie des Nervensystems hinzu, die besagt, dafs Erregungen am leichtesten zu Regionen gleicher zeitlicher Erregbarkeit weitergeleitet wird \u2014 eine Theorie, die in dieser starren Form freilich der Nachpr\u00fcfung bedarf \u2014, liegt die Annahme sehr nahe, dafs die Ver\u00e4nderung im Sinnesnerven Leitung zu anderen Teilen des Nervensystems bedeutet. Es w\u00fcrden sich dann mit einem Schlage der Zusammenhang zwischen ver\u00e4nderter Erregbarkeit und ver\u00e4nderter Funktion kl\u00e4ren.\nVon klinischer Seite ist gezeigt worden, dafs der Prozefs der Dunkeladaptation gest\u00f6rt werden kann durch Ver\u00e4nderung der Sehbahn bis einschliefslich der subkortikalen Zentren. Dagegen haben kortikale L\u00e4sionen bzw. solche der Sehstrahlung in der Regel keinen Einflufs auf den Ablauf der Dunkeladaptation. Will man also lokalisatorisch zuordnen, mufs man sagen, dafs das Dunkelsehen gewifs nicht ausschliefslich aber doch zu einem Teil eine subkortikale Funktion ist, w\u00e4hrend beim Tagessehen ein kortikaler Prozefs im Vordergrund steht.\nWenn wir im folgenden bisweilen die Hellkurven dem kortikalen Sehen, die Dunkelkurven dem subkortikalen Sehen zuordnen, geschieht das mit allem Vorbehalt. Sie lassen sich, wie sich zeigen wird, gar nicht so scharf voneinander trennen. Wir fragen also nur noch nach den Bedingungen f\u00fcr das Ein-","page":121},{"file":"p0122.txt","language":"de","ocr_de":"122\nJ. D. Achelis und J. Merkulow\ntreten der einen oder anderen Erregbarkeitsform, soweit unsere Untersuchungen das schon erlauben.\nEs l\u00e4fst sich das in wenigen S\u00e4tzen zusammenfassen, da schon bei Darstellung der Ergebnisse auf die wichtigsten Punkte hingewiesen wurde. \u2014 Die geknickte Kurve fand sich immer dann, wenn Licht hinreichender Intensit\u00e4t in die Augen fiel. Sie wurde durch den Dauereinflufs der Helligkeit hervorgerufen und aufrecht erhalten. Wechselte die Beleuchtung, wechselte auch die Kurve ihre Lage zu den Koordinaten. Doch beschr\u00e4nkten sich diese Verschiebungen wesentlich auf Ver\u00e4nderungen der Rheobase, der Konstanten b der oben erw\u00e4hnten Formel. \u2014 Analoge Ver\u00e4nderungen der elektrischen Erregbarkeit fand Stein am Hautnerven, wenn er durch Leitungsan\u00e4sthesie langsam die Zahl der erregbaren Fasern verminderte, und bezeichnete diesen Typus als peripheren Typus der Erregbarkeits\u00e4nderung. Das best\u00e4tigt sich hier. Ein Funktionswandel war mit der Erregbarkeitsverschiebung dort nicht gegeben.\nDurch Vermehrung und Verminderung der Beleuchtung innerhalb gewisser Grenzen lassen sich also \u00fcber die Retina hinaus, wie wir annehmen m\u00f6chten, charakteristische Umstimmungen erzielen, die sich meist auf den Intensit\u00e4tsfaktor beschr\u00e4nken. Betrachtet man beide Augen als eine Sinnesfl\u00e4che, die durch Verdunkelung eines Auges verkleinert wird, kann man sagen dafs Verkleinerung der Sinnesfl\u00e4che und Herabsetzung der Beleuchtung bei gleichbleibender Sinnesfl\u00e4che in der Wirkung gleich sind. Es liegt wahrscheinlich eine einfache quantitative Gesetzm\u00e4fsigkeit \u00fcber die Beziehung von Intensit\u00e4tsschwelle und erregter Masse vor. Die Erregbarkeit des optischen Systems im helladaptierten Zustand ist abh\u00e4ngig von der Ausdehnung und dem Grad der Dauererregung der Retina. \u2014 Es w\u00e4re zu erw\u00e4gen, ob nicht dieser nerv\u00f6se Zustand und seine Ver\u00e4nderungen allein schon hinreichen, um die Helligkeit am Tage zur Empfindung zu bringen. Es w\u00fcrde dann erst das jeweilige Neuauftreten von Beleuchtungsunterschieden zu wirklichen fortgeleiteten Erregungen im Sehnerven f\u00fchren. \u2014 Sowie die Einstellung auf die hohe Erregbarkeit gleichsam das Niveau abgibt, auf dem sich die Erregungen abspielen, in gleicher Weise ist die Helligkeit des Tages ja die Voraussetzung f\u00fcr das erkennende Sehen.\nDiese erste Form der Erregbarkeit war von aufsen bestimmt: zun\u00e4chst war sie in ihrer Existenz von Aufsenbedingungen ab-","page":122},{"file":"p0123.txt","language":"de","ocr_de":"Elektr. Erregbarkeit des menschlichen Auges w\u00e4hrend der Dunkeladaptation 123\nh\u00e4ngig. Das Licht schafft sich physiologisch gesehen bis in den zentralen Apparat hinein erst die Bedingungen unter denen differenziertes Erkennen m\u00f6glich ist. Dann war auch der Grad der Ausbildung dieser \u201ekortikalen44 Funktion in einer noch n\u00e4her zu bestimmenden Abh\u00e4ngigkeit vom Grade der Ausdehnung der \u00e4ufseren Einwirkung.\nF\u00fcr die zweite Form der Erregbarkeit, die symptomatisch war f\u00fcr das D\u00e4mmerungssehen, mufs von aufsen nur eine negative Bedingung erf\u00fcllt sein: der \u00e4ufsere Reiz mufs fehlen. Es handelt sich hier wohl um einen Eigenzustand des Nervensystems der sich einstellt, wenn das optische System sich selbst \u00fcberlassen wird. Der \u00dcbergang von dem von aufsen bewirkten Erregbarkeitszustand zu diesem Eigenzustand vollzieht sich im Gegensatz zu Ver\u00e4nderungen innerhalb der \u201ekortikalen44 Funktion unter gleichzeitigem starkem Wechsel auch der zeitlichen Verh\u00e4ltnisse. Die Kurve der Erregbarkeit zeigt einen v\u00f6llig anderen Verlauf. Gleichzeitig mit dieser zeitlichen Ver\u00e4nderung stellen sich die Zeichen des Funktionswandeis ein. Funktionswandel im oben angedeuteten Sinn ist verkn\u00fcpft mit einer \u00c4nderung der Kurvenform.\nAuch zu dieser Funktionsart lassen sich aus unseren Versuchen Variationsm\u00f6glichkeiten wenigstens vermuten. Sie scheint beeinflufsbar zu sein durch Vorg\u00e4nge die aufserhalb des optischen Systems liegen, ohne dabei die charakteristische Form zu verlieren. Dahin weisen die schwankenden Werte bei verschiedener Stimmung der Vp., die leichte Ablenkbarkeit w\u00e4hrend der Dunkeladaptation etwa durch akustische Reize oder gef\u00fchrte Gespr\u00e4che, die zun\u00e4chst als St\u00f6rungsfaktoren erscheinen aber doch wohl auch eine physiologische Grundlage haben. Die Untersuchung am Hellauge l\u00e4fst sich nach ganz kurzer \u00dcbung bei fast jeder Vp. mit guter Exaktheit durchf\u00fchren, am Dunkelauge dagegen bekommt man auch bei geschulten Vp. leicht hin und wieder schwankende Werte. Eine Vp. zeigte sogar deutlich die Erscheinung der Schwellenlabilit\u00e4t wie sie Stein beschrieben hat. Die Anstrengung der Vp. zur Ausschaltung dieser st\u00f6renden Einfl\u00fcsse ist im Dunkeln viel gr\u00f6fser als im Hellen \u2014 nach der \u00fcblichen Ablenkungstheorie sollte man das Entgegengesetzte erwarten. Doch sind diese Variationsm\u00f6glichkeiten der 2. (\u201esubkortikalen44) Erregbarkeitsform noch experimentell festzulegen.\nDie beiden Formen der Erregbarkeit sind also auch in den","page":123},{"file":"p0124.txt","language":"de","ocr_de":"124\nJ. D. Achelis und J. Merkulow\nBedingungen ihres Eintretens und soweit die bisherigen Versuche ein Urteil dar\u00fcber erlauben auch in ihrer Variation durchaus gegens\u00e4tzlich. Auch das weist darauf hin, dafs man fehlgreift, wenn man in ihnen nur ein Mehr oder Weniger an Erregbarkeit sieht. Die Zuordnung zu verschiedenen Hirnteilen wird dadurch weiter gest\u00fctzt. Es ist wahrscheinlich, dafs verschiedene Hirnteile das Zusammenarbeiten eines Sinnesgebietes mit anderen Vorg\u00e4ngen des Organismus und das reine optische Geschehen bedingen. Nahe liegt es auch wieder, das \u201eSammelbecken der gesamten Sensibilit\u00e4t\u201c den Thalamus der einen, die scharfgegliederte Cortex der anderen Sehfunktion zuzuordnen.1\nNun zeigen aber unsere Versuche auch schon, dafs diese scharfe Scheidung wie wir sie bisher aus Gr\u00fcnden der Darstellung durchf\u00fchrten, in dieser Form nicht haltbar ist. Die Versuchsreihen mit einseitiger Dunkeladaptation weisen darauf hin, dafs der Erregbarkeitszustand eine Funktion beider Einfl\u00fcsse ist: es fand sich dort ein Mittelzustand zwischen v\u00f6lliger Hell- und v\u00f6lliger Dunkeladaptation ein. \u2014 Diese Verh\u00e4ltnisse werden immer gegeben sein: immer arbeiten beide Funktionen mit- und gegeneinander. Eigenfunktion und Aufsenfunktion oder hypothetisch Thalamus und Cortex sind eine funktionelle Einheit und es ist ein besonders gl\u00fccklicher Fall, dafs sich am Auge durch Dunkeladaptation die eine Seite der Gesamtfunktion ein St\u00fcck weit isoliert herausheben l\u00e4fst. In anderen F\u00e4llen sind dazu erhebliche Zerst\u00f6rungen im Nervensystem n\u00f6tig.\nEs sind mannigfache Fragen die sich hier anschliefsen. Es ist zu fragen, in welcher Weise die Duplizit\u00e4tstheorie nach unseren Ergebnissen n\u00e4her zu pr\u00e4zisieren ist. Es liefsen sich die verschiedensten Beziehungen zu Ergebnissen der physiologischen Optik zeigen, viele Erfahrungen, die bei der Untersuchung hirnpathologischer F\u00e4lle von \u201eSehrindenverletzung\u201c, f\u00fcgen sich hier ein. Krankheitserscheinungen wie die Hemeralopie und die Wirkung farbiger Umstimmung w\u00e4ren von hier aus erneut zu untersuchen. Wir verzichten auf diese Diskussion mangels experimenteller Belege.\n1 Auch Erfahrungen aus der Pathologie sprechen daf\u00fcr, dafs wenigstens zwischen \u201eZapfensehen\u201c und Cortex im engen Zusammenhang besteht. Ygl. dazu z. B. den von Lanz ver\u00f6ffentlichten Fall [Z. f.ges. Nenr. u. Psych. 71, 135 (1921)]. Nach kortikaler Verletzung verh\u00e4lt sich der Patient wie ein \u201eZapfenblinder\u201c.","page":124},{"file":"p0125.txt","language":"de","ocr_de":"Elehtr. Erregbarkeit des menschlichen Auges w\u00e4hrend der Dunkeladaptation 125\nZusammenfassung\n1.\tEs wird die elektrische Erregbarkeit des menschlichen Auges bei Hell- und Dunkeladaptation mit Kondensatorentladungen gepr\u00fcft (Feststellung von Rheobase und Chronaxie, sowie vollst\u00e4ndiger Kapazit\u00e4tsspannungskurven).\n2.\tDabei ergaben sich charakteristische Erregbarkeitskurven f\u00fcr die verschiedenen Adaptationszust\u00e4nde.\n8. Diese Kurven weichen in mehreren Punkten von den bei Pr\u00fcfung mit Lichtschwellen gewonnenen Resultaten ab: Erh\u00f6hung der elektrischen Schwelle bei Dunkeladaptation, gegenseitige Beeinflussung beider Augen.\n4.\tEs wird damit wahrscheinlich gemacht, dafs das gereizte Substrat nicht mit den lichtempfindlichen Elemente der Retina identisch ist, dafs vielmehr ein zentraler Anteil der Dunkeladaptation anzunehmen ist.\n5.\tParallelerscheinungen in der Pathologie der Hautsensibilit\u00e4t sowie die M\u00f6glichkeiten der zentralen Lokalisation werden diskutiert.","page":125},{"file":"p0126.txt","language":"de","ocr_de":"\n\n\n\n\n\n\n\n\n\n\n\n\n\n\n\n\n\n","page":126}],"identifier":"lit36002","issued":"1930","language":"de","pages":"95-125","startpages":"95","title":"Die elektrische Erregbarkeit des menschlichen Auges  w\u00e4hrend der Dunkeladaptation","type":"Journal Article","volume":"60"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:42:51.364044+00:00"}

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