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{"created":"2022-01-31T16:43:50.632486+00:00","id":"lit36006","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"Hahn, Helmut","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 60: 162-197, 198-232","fulltext":[{"file":"p0162.txt","language":"de","ocr_de":"162\n(Aus der I. Medizinischen Klinik der Charit\u00e9, Berlin)\nDie psycho-physischen Konstanten und Variablen\ndes Temperatursinnes\nI. Die Konstanz der Empfindlichkeit der Temperaturnerven\nVon\nHelmut Hahn 1\nIn Gemeinschaft mit Ingeborg Goldscheider und Robert Bruch\nMit 2 Abbildungen im Text\nInhalt\nSeite\nEinleitung..................................................\nPrinzip und Technik der Methode.............................\nExperimenteller Teil nebst Besprechung der Versuchs ergebnisse .................................................\na)\tDie Unterschiedsempfindlichkeit....................\nb)\tDas Gesetz der konstanten Summe....................\nc)\tDie Bedeutung der Beizfl\u00e4che.......................\nd)\tDie Adaptationsbreite..............................\n162\n165\n167\n167\n180\n186\n188\nEinleitung\nMit der folgenden Darstellung der Adaptationserscheinungen im Bereich des Temperatursinnes schliefsen wir eine seit nunmehr 5 Jahren durchgef\u00fchrte Reihe von Untersuchungen ab, die sich nach und nach als eine Art Neubearbeitung der Physiologie dieses h\u00f6chst merkw\u00fcrdigen Sinnes auf die Mehrzahl seiner Gebiete ausgedehnt hat. Zu einer Neubearbeitung des Temperatursinnes sahen wir uns nicht nur deswegen veranlafst, weil wir durch die Widerlegung der bisher grundlegenden Theorie Webers zu einem von den geltenden Anschauungen grunds\u00e4tzlich ab-\n1 Der Medizinischen Fakult\u00e4t der Universit\u00e4t Berlin am 22. November 1928 als Habilitationsschrift vorgelegt.","page":162},{"file":"p0163.txt","language":"de","ocr_de":"Psycho-physische Konstanten u. Variablen des Temperatur Sinnes. I 103\nweichenden Standpunkt gelangt waren. Entscheidend f\u00fcr unsere Bem\u00fchungen wurde erst der Umstand, dafs es uns zum ersten Male gelang, s\u00e4mtliche Beziehungen zwischen Reizst\u00e4rke und Erregungsintensit\u00e4t der Temperaturneryen quantitativ mefsbar zu gestalten, f\u00fcr die stets inkonstanten, fl\u00fcchtigen Temperaturempfindungen nach Mafs und Zahl genau verfolgbare klare Gesetzm\u00e4fsigkeiten zu entwickeln.\nZum besseren Verst\u00e4ndnis dieser \u00fcbrigens recht einfachen Gesetzm\u00e4fsigkeiten, deren Inhalt und Bedeutung wir als das \u201eGesetz derkonstantenSumme (bzw. konstanten Differenz)\u201c an verschiedenen Stellen 1 2 3 4 5 eingehend besprochen haben, geben wir nochmals unseren Grundversuch wieder.\nGrundyersuch\nDie linke Hand wird bis zur Handwurzel in Wasser von 17\u00b0 getaucht und 3 Minuten darin belassen, gleichzeitig befindet sich die rechte Hand in Wasser von 35\u00b0. Nunmehr wird die linke Hand in Wasser von 37\u00b0 getaucht und gewartet, bis die langsam anschwellende W\u00e4rmeempfindung nach ca. 3 Sekunden ihr Maximum erreicht. Erst jetzt wird die rechte Hand aus dem Wasser von 35\u00b0 ebenfalls in das Wasser von 37\u00b0 getaucht und das Maximum der W\u00e4rmeempfindung, das an dieser Hand schon in Bruchteilen von 1 Sekunde erreicht wird, mit der maximalen W\u00e4rmeempfindung an der rechten Hand verglichen: man kann dann keinen Unterschied in der Intensit\u00e4t der beiden W\u00e4rmeempfindungen feststellen, trotzdem die linke Hand um 20\u00b0, die rechte Hand nur um 2\u00b0 erw\u00e4rmt wird!\nAus der leicht ersichtlichen Verallgemeinerung dieses Versuches lassen sich eine Anzahl S\u00e4tze ableiten, von denen wir die f\u00fcr die Einf\u00fchrung in die Adaptation wichtigsten hier noch einmal kurz zusammenfassen m\u00f6chten:\n1.\tBis zum Eintritt des Empfindungsmaximums entspricht die St\u00e4rke einer Temperaturempfindung genau der tats\u00e4chlichen Temperatur der Nervenendorgane, in vollkommener Unabh\u00e4ngigkeit von der Gr\u00f6fse bzw. Geschwindigkeit ihrer Temperaturver\u00e4nderung.\n2.\tDie Nervenendorgane erreichen infolge ihrer aufserordent-\n1\tH. Hahn, Pfl\u00fcgers Arch. 215, 1\u20142 (1926), 122.\n2\tH. Hahn, K. Boshamer und Ingeborg Goldscheider, Pfl\u00fcgers Arch. 217, 1 (1927), 36.\n3\tH. Hahn, Dtsch. med. Wschr. 15 (1927).\n4\tH. Hahn, Arch. f. Psychol. 65, 1/2 (1928), 41.\n5\tK. Strauss und H. v. Versen, Z. Sinnesphysiol. 58, 166 (1927).","page":163},{"file":"p0164.txt","language":"de","ocr_de":"164\nHelmut Hahn\nlieh oberfl\u00e4chlichen Hantlage bereits binnen weniger Sekunden und darunter die Temperatur des Reizobjektes.\n3.\tBis zum Eintritt des Empfindungsmaximums wird die St\u00e4rke einer Temperaturempfindung aufser von der Temperatur des Reizobjekts ausschliefslich von der Empf indlieh keit der beteiligten Temperaturnerven bestimmt.\n4.\tDie Empfindlichkeit der Temperaturnerven ist eine absolut konstante.\n5.\tDie Endorgane der Temperaturnerven sind von der Bluttemperatur praktisch isoliert.\nDiese S\u00e4tze enthalten zwar zun\u00e4chst nichts, was dem Temperatursinn eine Sonderstellung unter den Sinnen zuzuweisen geeignet w\u00e4re. Es entspricht durchaus den Erfahrungen an den h\u00f6heren Sinnen, dafs die Erregung ihrer Nerven der tats\u00e4chlichen konstanten St\u00e4rke ihrer Reize entspricht, dafs ihre Reizbarkeit in gewissen Grenzen konstant ist, dafs die auf die Aufsenwelt gerichteten Sinnesempfindungen m\u00f6glichst wenig durch endogene Vorg\u00e4nge beeintr\u00e4chtigt werden. H\u00f6chst wichtig aber und reizphysiologisch \u00e4ufserst bemerkenswert werden diese S\u00e4tze erst im Hinblick auf die Adaptation. Unter dem Einflufs der Adaptation verlieren die S\u00e4tze n\u00e4mlich sofort ihre G\u00fcltigkeit bis zur Unkenntlichkeit, woraus sich erkl\u00e4rt, dafs sich die ihnen zugrundeliegenden an sich sehr einfachen Tatsachen bisher vollkommen dem Nachweis entzogen hatten.\nUnter Adaptation des Temperatursinnes versteht man gemeinhin die Erfahrung, dafs die Temperaturempfindungen nach einer begrenzten Zeit wieder zu erl\u00f6schen pflegen, ohne dafs diesem Erl\u00f6schen eine Ver\u00e4nderung der Reiztemperaturen entspricht. Es l\u00e4fst sich auf Grund der angef\u00fchrten S\u00e4tze nun leicht zeigen, dafs unter der Einwirkung eines Temperaturreizes die Erregbarkeit der Temperaturnerven gegen den betreffenden adaptierenden Reiz sinkt. Es erfolgt eine Umstimmung der Temperaturnerven, wie sie bisher einzig Hering richtig als Ursache der Adaptationserscheinungen erkannt hat.\nF\u00fcr unsere Darstellung der Adaptation als Ergebnis genauer Messung der Umstimmung der Temperaturnerven kommt nun alles darauf an, den Begriff der Adaptation auf das sch\u00e4rfste von dem Begriff der Empfindlichkeit der Temperaturnerven zu trennen. Aus diesem Grunde haben die eingangs entwickelten S\u00e4tze eine so besondere Bedeutung,","page":164},{"file":"p0165.txt","language":"de","ocr_de":"Psycho-physische Konstanten u. Variablen des Temperatur Sinnes. I 165\nals eben die Konstanz der Empfindlichkeit nicht adaptierter Temperaturnerven erst dasexakteMafs f\u00fcr dieUmstimmung ihrer Erregbarkeit durch die Adaptation gibt. Und mit der exakten Messung der Adaptation in allen ihren Phasen glauben wir unseren Anschauungen vom Temperatursinn nunmehr die Sicherheit einer Theorie verliehen zu haben.\nPrinzip lind Technik der Methode\nZur Untersuchung der Adaptation des Temperatursinnes haben wir die durch Temperaturreize verursachten Empfindungen an nicht adaptierten und an adaptierten Hautgebieten miteinander verglichen. Und zwar haben wir f\u00fcr alle Phasen der Adaptation an einer Hand die Reiztemperaturen bestimmt, die an der anderen nicht adaptierten Hand im gegebenen Augenblick gleichstarke Temperaturempfindungen verursachten. Da ja an einer nicht adaptierten Hand die Temperaturempfindungen zun\u00e4chst genau der physikalischen Reiztemperatur entsprechen, so k\u00f6nnen wir damit den gesamten Adaptationsverlauf zum ersten Mal graphisch nach physikalischen Temperaturen zur Darstellung bringen. Das Verfahren erlaubt, alle Phasen der Adaptation mit einer auf einige Zehntelgrad Celsius bemessenen Sicherheit bequem zu erfassen, welche Fehlerbreite sich in besonderen F\u00e4llen auf Vio Grad Genauigkeit einengen liefs.\nDie Untersuchung baut sich auf unseren Feststellungen \u00fcber die Adaptationsbreite1 auf. Zur Erl\u00e4uterung dieses neuen Begriffes diene nochmals der vorerw\u00e4hnte Grundversuch. Bei ihm sind die W\u00e4rmenerven der linken Hand bis auf eine Reizst\u00e4rke von 17\u00b0, der rechten Hand bis auf 35\u00b0 adaptiert; trotzdem wird an beiden H\u00e4nden 37\u00b0 als gleichwarm empfunden. Das kann offenbar nur der Fall sein, weil sich die Herabsetzung der Erregbarkeit durch die Adaptation ziemlich ausschliefslich auf die St\u00e4rke des adaptierenden Reizes beschr\u00e4nkt, die Adaptation der W\u00e4rmenerven in dem Versuch bei 17\u00b0 bzw. 35\u00b0 Reizst\u00e4rke scharf abschneidet. Die Adaptationsbreite umfafst nun alle Reiztemperaturen von der Reizschwellentemperatur bis zur St\u00e4rke des adaptierenden Reizes. Nicht adaptiert sind die Temperaturnerven dagegen allen Reizen gegen\u00fcber, die um ein weniges st\u00e4rker als der adaptierende Reiz sind. Aufserhalb\n1 s. S. 188ff.","page":165},{"file":"p0166.txt","language":"de","ocr_de":"166\nHelmut Hahn\nder Adaptationsbreite liegt der Bereich der Konstanz der Empfindlichkeit, in dem sich die Temperaturnerven wie \u00fcberhaupt nicht adaptierte verhalten ; i n n e r h a 1 b der Adaptationsbreite herrschen die Gesetze der Adaptation, die wir untersuchen, indem wir die durch neue Reize verursachten Erregungen innerhalb und aufserhalb der Adaptationsbreite vergleichen.\nVon der Anwendung komplizierter Untersuchungsmethoden sind wir bald abgekommen, als wir uns des Umfanges unserer Aufgabe bewufst wurden. So k\u00f6nnen wir die Besprechung der Technik der Methode kurz fassen. Die Methode stellt an Geduld und Sorgfalt recht erhebliche Anforderungen, an die Technik so gut wie gar keine.\nDas ganze Versuchsmaterial besteht aus Wasserbeh\u00e4ltern, in denen Thermometer schwimmen, die Temperaturen auf 1I10 0 Celsius sicher abzulesen erlauben. Als Reizobjekt dient stets Leitungswasser. Die Temperaturen des Wassers m\u00fcssen w\u00e4hrend der Dauer eines Versuches peinlichst konstant erhalten bleiben, wozu es einiger \u00dcbung und st\u00e4ndiger Kontrollen bedarf. Einen Teil der Wassertemperaturen kontrolliert die Vp. selber, die Reiztemperaturen, die zur streng unwissentlichen Pr\u00fcfung dienen, nat\u00fcrlich ausschliefslich der Versuchsleiter.\nDie Konstanterhaltung der Wassertemperaturen f\u00fcr die Dauer der Versuche gelingt um so leichter, je gr\u00f6fser die Wasserbeh\u00e4lter gew\u00e4hlt werden, weswegen wir Wannen mit einem Wasserinhalt von mindestens 40 Litern verwandten. Eine Schichtung der Wassertemperaturen mufs durch st\u00e4ndige Durchmischung des Wassers in den Beh\u00e4ltern verhindert werden. Hierzu gen\u00fcgen kr\u00e4ftige r\u00fchrende Bewegungen mit Sch\u00f6pfl\u00f6ffeln oder auch die Handbewegungen der Vp. selber. Die Temperaturen wurden an den Thermometern so lange abgelesen, bis sich deren Quecksilbers\u00e4ulen w\u00e4hrend mindestens 5 Sekunden nicht im geringsten mehr bewegt hatten, auch wenn die Thermometer ihren Platz im Wasser ausgiebig ver\u00e4nderten. Die Temperaturen des zu den eigentlichen Reizungen dienenden Wassers wurden stets mindestens 2 mal vor und nach dem Aufenthalt der H\u00e4nde in dem Wasser abgelesen. Ihr Aufenthalt verursachte bei kurzen Reizungen von bis zu 15 Sekunden durchweg keine ablesbare st\u00f6rende Temperaturver\u00e4nderung des Wassers, infolge des gew\u00e4hlten Verh\u00e4ltnisses zwischen Hand- und Wasservolumen und der zu geringen W\u00e4rmeleitungsf\u00e4higkeit der Haut.","page":166},{"file":"p0167.txt","language":"de","ocr_de":"Psycho-physische Konstanten u. Variablen des Temperatursinnes. I J 67\nDie Wannen standen nebeneinander auf einem 3Vo m breiten\n__ \u2022 \u2022\t*\nWaschtisch. Uber jeder Wanne m\u00fcndete die Wasserleitung der Klinik in 2 H\u00e4hnen, aus deren einem unter 12 0 kaltes, aus dem anderen \u00fcber 50\u00b0 warmes Wasser zur Verf\u00fcgung stand. W\u00e4hrend l\u00e4ngerdauernder Versuche lief zur Konstanterhaltung der Wassertemperaturen in ganz schmalem Strahl st\u00e4ndig etwas kaltes und warmes Wasser nach, je nachdem die Abk\u00fchlung des warmen Wassers durch Verdunstung oder die Erw\u00e4rmung des kalten Wassers durch die H\u00e4nde im ca. 16\u201418\u00b0 warmen Raum ausgeglichen werden mufste, unter unabl\u00e4ssiger Kontrolle der Thermometer.\nVersuchsobjekt waren die H\u00e4nde. Die W\u00e4rmekonvektion wurde in der Weise geregelt, dafs die H\u00e4nde m\u00f6glichst gleich-m\u00e4fsig rudernde Bewegungen von ca. 15\u201420 cm Ausmafs innerhalb jeweils ca. 1 Sekunde in einer Richtung ausf\u00fchrten. W\u00e4hrend einer h\u00e4ufig \u00fcber 1 Stunde dauernden Versuchsserie befanden sich die H\u00e4nde st\u00e4ndig im Wasser, bis auf die kurzen Unterbrechungen, wenn die H\u00e4nde von einer Wanne in die andere \u00fcberf\u00fchrt wurden. Diese \u00dcberf\u00fchrung wurde m\u00f6glichst schnell bewerkstelligt, damit der Temperaturbestand der Haut in der Luft keine erheblichere unkontrollierbare Ver\u00e4nderung erfuhr. Hierzu gen\u00fcgte f\u00fcr die Vp., die vor dem Waschtisch stand, ein seitlicher Schritt, um die H\u00e4nde in den Bereich der zu wechselnden Wasserbeh\u00e4lter zu verbringen.\nDie Versuche wurden mit wenigen Unterbrechungen von Mai 1927 bis Oktober 1928 in durchschnittlich dreist\u00fcndiger t\u00e4glicher Arbeitszeit durchgef\u00fchrt. Die Auswahl der Versuche mufste bei dem ben\u00f6tigten grofsen Zeitaufwand auch die Zeit\u00f6konomie ber\u00fccksichtigen, zumal infolge des Vorhandenseins mehrerer Unbekannten eine Unzahl orientierender Versuche den folgenden mitgeteilten vorangingen.\nExperimenteller Teil nebst Besprechung der Versuchtergebnisse\na) Die Unterschiedsempfindlichkeit des\nTemperatursinnes\nvon Helmut Hahn und Ingeborg Goldscheider\nDas von uns zur Untersuchung der Adaptation eingeschlagene Verfahren beruht auf der Bestimmung gleichstarker Temperaturempfindungen unter der Auswahl unterschiedlich starker Empfin-","page":167},{"file":"p0168.txt","language":"de","ocr_de":"168\nHelmut Hahn\nd\u00fcngen. Die Genauigkeit des Verfahrens h\u00e4ngt offenbar von der Sicherheit ab, mit der der Temperatursinn Empfindungen zu unterscheiden erlaubt. Ferner m\u00fcssen die besonderen Gesetz-m\u00e4fsigkeiten der Unterschiedsempfindlichkeit des Temperatursinnes bekannt sein, die den Verlauf der Untersuchungen beeinflussen k\u00f6nnten.\nVon diesen hat besonders die von Fechner aufgeworfene Frage der G\u00fcltigkeit des WEBERschen Gesetzes f\u00fcr den Temperatursinn zahlreiche Untersucher1 auf den Plan gerufen. Da es indessen infolge des bisher ungen\u00fcgenden Einblickes in das Wesen der Adaptation keinem unter ihnen gegl\u00fcckt ist, dieEmpfind-1 ichkeit und entsprechend die Unterschiedsempfindlichkeit des Temperatursinnes getrennt von der Adaptation zu untersuchen, d\u00fcrften die vorliegenden Ergebnisse einer strengeren Kritik kaum standhalten. Schon die weit auseinandergehenden Angaben der fr\u00fcheren Untersucher, die zwischen einigen hundertstel Graden und mehreren ganzen Graden Unterscheidungsverm\u00f6gen schwanken, machten uns eine erneute Pr\u00fcfung dieses Gegenstandes unabweisbar.\nMethode\nAngaben \u00fcber die Unterschiedsempfindlichkeit von Sinnesnerven k\u00f6nnen nat\u00fcrlich nur dann Anspruch auf allgemeine G\u00fcltigkeit erheben, wenn die Erregbarkeit der beteiligten Nerven gegen\u00fcber den jeweils gebotenen Reizst\u00e4rken eine konstante Gr\u00f6fse darstellt und nicht nur ein Situationsergebnis ist. Letzteres ist offenbar der Fall innerhalb des Zustandes, den wir als Adaptationsbreite charakterisiert haben, da ja in ihm die Erregbarkeit der Temperaturnerven gegen denselben Reiz ausgiebigen Umstimmungen unterworfen ist. Aufserhalb der Adaptationsbreite steht aber die gesuchte Konstanz der Empfindlichkeit zur Verf\u00fcgung und damit derjenige Zustand, in dem das Verh\u00e4ltnis von Reizst\u00e4rke zur Erregungst\u00e4rke stets und unter allen Umst\u00e4nden das gleiche ist, die Unterschiedsempfindlichkeit also den gesuchten immer g\u00fcltigen Wert haben mufs.\nUm an konstant erregbaren Temperaturnerven zu arbeiten, ist es also n\u00f6tig, die zu unterscheidenden Temperaturreize so zu w\u00e4hlen, dafs sie aufserhalb der jeweils vorhandenen Adaptations-\n1 Literatur s. E. Gkrtz, Z. Sinnesphysiol. 52, 1 (1921).","page":168},{"file":"p0169.txt","language":"de","ocr_de":"Psyclio-physische Konstanten u. Variablen des Temperatursinnes. I 169\nbreite liegen, d. h. w\u00e4rmer als die Adaptationstemperatur zur Untersuchung der W\u00e4rmenerven, k\u00e4lter zur Untersuchung der K\u00e4ltenerven sind. Da nun jeglicher Temperaturreiz auch seine Adaptation hinterl\u00e4fst, so ist das erste Erfordernis : Es darf die gereizte Hautstelle auf keinen Fall \u2014 wie bisher meist \u00fcblich \u2014 Angriffspunkt auch des zu unterscheidenden zweiten Reizes sein. Es m\u00fcssen also zum Vergleich jeweils zwei getrennte Hautgebiete verwandt werden, als die wir aus noch zu besprechenden Gr\u00fcnden die beiden H\u00e4nde gew\u00e4hlt haben.\nMit dem Augenblick, in dem der Temperaturreiz abgesetzt wird, beginnt die Adaptation mehr minder rasch abzuklingen und der Konstanz der Empfindlichkeit wieder Platz zu machen. Hierzu k\u00f6nnte man die H\u00e4nde sich selbst und damit der R\u00fcckkehr zu ihrer normalen Hauttemperatur \u00fcberlassen. Zweck-m\u00e4fsiger aber bringt man ihre Hauttemperatur k\u00fcnstlich auf eine diesseits der Pr\u00fcfungstemperatur gelegene bekannte Zwischentemperatur. Die Geschwindigkeit, mit der die Adaptation gegen einen Temperaturreiz zugunsten der Konstanz der Empfindlichkeit abklingt, war uns aber unbekannt, und orientierende Versuche liefsen recht erhebliche Zeitbetr\u00e4ge erwarten. Zur Vermeidung des damit verbundenen Zeitverlustes bei Anstellung serienweiser Versuche, haben wir ein einfaches Verfahren in Anwendung gebracht: Die Versuche k\u00f6nnen offenbar unmittelbar au feinanderfolgen, wenn die Reizst\u00e4rken eines jeden folgenden Versuches stets um ein geringes gesteigert werden, so dafs die Reizst\u00e4rken des nachfolgenden Versuches immer aulserhalb der Adaptationsbreite des vorhergehenden Versuches liegen. Es ist dann nur einmal n\u00f6tig, n\u00e4mlich zu Beginn jeder Versuchsserie, das Abklingen aller Adaptationseinfl\u00fcsse abzuwarten, wozu uns nach den orientierenden Versuchen ein Zeitraum von 15 Minuten als ausreichend erschien.\nEntgegen den sonst \u00fcblichen Gepflogenheiten waren wir gezwungen, zu den Reizungen beide H\u00e4nde gleichzeitig in die Reizwasser zu tauchen, trotzdem die Unterscheidung zweier aufeinanderfolgender Sinnesreize bekanntlich sicherer gelingt als zweier gleichzeitig dargebotener. Die Notwendigkeit zu diesem Vorgehen liegt in der Eigenart des Temperatursinnes, dafs die Intensit\u00e4t seiner Empfindungen zum grofsen Teil einen kurven-m\u00e4fsigen Verlauf nimmt. Bis zum Eintritt des Empfindungsmaximums steigt die Empfindungsintensit\u00e4t rasch an, wobei sie der Geschwindigkeit","page":169},{"file":"p0170.txt","language":"de","ocr_de":"170\nHelmut Hahn\nder durch die Reiztemperatur verursachten Temperaturver\u00e4nderung der Haut folgt. Bald nachdem diese Temperaturver\u00e4nderung beendet ist, die Temperatur der Nervenendorgane die Reiztemperatur erreicht hat und weiterhin konstant bleibt, sinkt die Intensit\u00e4t der Empfindung unter dem Einflufs der Adaptation wieder ab. Zwecks Pr\u00fcfung der Unterschiedsempfindlichkeit m\u00fcssen also unter Umst\u00e4nden zwei Empfindungskurven verglichen werden. Ein solcher Vergleich ist offenbar nur m\u00f6glich, wenn die Kurven zeitlich parallel laufen, so dafs zu jedem gew\u00e4hlten Zeitpunkt ihr Abstand der gleiche ist.\nF\u00fcr den Zeitpunkt der Urteilsbildung haben wir den ansteigenden Teil der Empfindungskurve \u00fcberhaupt zu vermeiden gesucht, da er von der Geschwindigkeit der Temperaturver\u00e4nderung abh\u00e4ngt, f\u00fcr deren ganz gleich-m\u00e4fsigen Verlauf an beiden H\u00e4nden die willk\u00fcrlichen Bewegungen der H\u00e4nde im Wasser keine ausreichende Gew\u00e4hr bieten. Wann die Temperaturver\u00e4nderung beendet, das Empfindungsmaximum erreicht wird, h\u00e4ngt von der Gr\u00f6fse des Abstandes zwischen Haut- und Reiztemperatur ab. Wir haben diesen Abstand verh\u00e4ltnism\u00e4fsig klein gew\u00e4hlt, und zwar einheitlich f\u00fcr alle Versuche auf 5\u00b0 festgesetzt. Bei diesem Abstand wird das Empfindungsmaximum n\u00e4mlich bereits innerhalb der ersten Sekunde erreicht, wie wir bei unserer Berechnung der Tiefenlage der Temperaturnervenenden in der Haut bereits dargelegt haben und worauf wir sp\u00e4ter nochmals zur\u00fcckkommen werden.\nIm \u00fcbrigen hatten wir f\u00fcr den Zeitpunkt der Urteilsbildung der Vp. urspr\u00fcnglich volle Freiheit gelassen. Es hat sich aber bald herausgestellt, dafs die Urteilsbildung innerhalb h\u00f6chstens 10 Sekunden, meist schon vor der 5 Sekunde fertig beendet wurde und dafs ein l\u00e4ngeres Verweilen der H\u00e4nde im Wasser keine Vorteile bot. Tats\u00e4chlich ist das Empfindungsmaximum innerhalb dieser Zeit ganz konstant, das Absinken der Empfindung unter dem Einflufs der Adaptation beginnt erst nach der 5. Sekunde, und man vermeidet als Vp. schon rein gef\u00fchlsm\u00e4fsig, sein Urteil von dem Teil der Empfindung abh\u00e4ngig zu machen, in dem sie rasch wieder an Intensit\u00e4t einb\u00fcfst.\nAuch sonst wurde der Vp. hinsichtlich des Vorgehens bei der Urteilsbildung jegliche Freiheit belassen. Die Vp. fand bald eine Erleichterung heraus, die ihr gestattete, zur Urteilsbildung die Empfindung an beiden H\u00e4nden zeitlich abwechselnd zu beobachten, trotzdem der Reiz gleichzeitig dargeboten wurde. Nachdem n\u00e4mlich stets zun\u00e4chst die beiden H\u00e4nde gleichm\u00e4fsig in den Reizwassern bewegt wurden, liefs die Vp. von der zweiten Sekunde ab die eine Hand einen Augenblick ruhen und richtete die Aufmerksamkeit nur auf die andere Hand, um im n\u00e4chsten Augenblick letztere ruhen zu lassen und sich der Empfindung der nunmehr kr\u00e4ftig bewegten ersten Hand zuzuwenden. Dieses Vorgehen 'wiederholte die Vp. mehrere Male, bis sie den Eindruck gewann, dafs eine weitere Wiederholung ihr keinen Nutzen mehr bringen konnte.\nIn dem Bestreben, die Unterschiedsempfindlichkeit des Temperatursinnes aufs \u00e4ufserste auszunutzen, haben wir das Urteil, dafs zwei Empfindungen gleichstark seien, \u00fcberhaupt nicht gelten lassen. Wir hielten","page":170},{"file":"p0171.txt","language":"de","ocr_de":"Psycho-physische Konstanten u. Variablen des Temperatur shines. I 171\ndie Gefahr f\u00fcr zu grofs, dafs die Vp. aus Bequemlichkeit das verlockende Urteil \u201egleichstark\u201c einem eventuell falschen Urteil zu h\u00e4ufig vorziehen k\u00f6nnte. Tats\u00e4chlich entschlofs sich die Vp. unter dieser Bedingung auch regelm\u00e4fsig zu einer positiven, wenn auch sehr h\u00e4ufig mit Zweifeln abgegebenen Angabe, und nur ausnahmsweise kam sie \u00fcberhaupt nicht zu dem Entschlufs eines Urteils, in welchen F\u00e4llen wir den Versuch gar nicht gewertet haben.\nDie Notwendigkeit, sieh bei der Untersuchung der Unterschiedsempfindlichkeit des Temperatursinnes zweier getrennter Hautgebiete bedienen zu m\u00fcssen, enth\u00e4lt noch eine weitere Schwierigkeit. Bekanntlich ist die Temperaturempfindlichkeit \u00fcber der K\u00f6rperoberfl\u00e4che nicht gleichm\u00e4fsig verteilt, so dafs ein konstanter Temperaturreiz auch unabh\u00e4ngig von Adaptationseinfl\u00fcssen recht verschieden starke Temperaturempfindungen auszul\u00f6sen imstande ist. Es schien uns nun ein wenig aussichtsreiches Beginnen, zur Pr\u00fcfung der Unterschiedsempfindlichkeit nach zwei Hautstellen zu fahnden, deren K\u00e4lte- und W\u00e4rmeempfindlichkeit ganz gleich w\u00e4ren.\nWir haben statt dessen einen anderen Weg eingeschlagen, der uns gleichzeitig noch einen tieferen Einblick in das Wesen der Empfindlichkeit der Temperaturnerven er\u00f6ffnen sollte. Statt zu untersuchen, wie verschieden zwei Reiztemperaturen sein m\u00fcssen, um an gleichempfindlichen Temperaturnerven unterscheidbare Empfindungen zu vermitteln, haben wir diejenigen Reiztemperaturen aufgesucht, die an verschieden empfindlichen Temperaturnerven gleichstarke Temperaturempfindungen vermittelten. Die Feststellung des Empfindlichkeitsunterschiedes geschah dabei auf Grund einer Berechnung, wobei die gleichlaufende Untersuchung der Unterschiedsempfindlichkeit den errechneten Empfindlichkeitsunterschied zu eliminieren erlaubt. Zur Erl\u00e4uterung diene das Beispiel, das eine Wassertemperatur von 20\u00b0 c. p. an der linken Hand eine ebenso starke K\u00e4lteempfindung verursacht wie an der rechten Hand eine Reiztemperatur von 19\u00b0; es betr\u00e4gt dann der Empfindlichkeitsunterschied einen Grad. Zur Pr\u00fcfung der Unter-schiedsempfindlichkeit w\u00fcrde unter diesen Umst\u00e4nden eine Pr\u00fcfung dienen, bei der die Reiztemperatur f\u00fcr die linke Hand stets 20\u00b0 bliebe, f\u00fcr die rechte Hand die Reiztemperaturen zwischen 19,1 und 18,9\u00b0 gewechselt und bestimmt w\u00fcrde, in einem wie grofsen Prozentsatz von F\u00e4llen richtige bzw. falsche Urteile dar\u00fcber abgegeben werden, ob 18,9 rechts k\u00e4lter bzw.","page":171},{"file":"p0172.txt","language":"de","ocr_de":"172\nHelmut Hahn\n19,1\u00b0 rechts weniger kalt empfunden w\u00fcrde als links 20\u00b0. In diesem Beispiel ist die Bekanntschaft des Empfindlichkeitsunterschieds der beiden H\u00e4nden vorausgesetzt. Ist er wie bei unserer Untersuchung zun\u00e4chst unbekannt, so l\u00e4fst er sich aus der Anzahl Urteile berechnen, die 18,9; 18,8; 18,7 usw. an der rechten Hand als k\u00e4lter, 19,1; 19,2; 19,3 usw. als weniger kalt bezeichnen als an der linken Hand 20\u00b0.\nV ersuche\nUnsere ersten beiden Versuchsserien galten der Pr\u00fcfung der Unterschiedsempfindlichkeit der W\u00e4rmenerven. Einen Empfindlichkeitsunterschied hatten wir bei den Versuchen an den W\u00e4rmenerven nicht in Rechnung gestellt, er trat erst sp\u00e4ter bei der Zusammenstellung der Ergebnisse zum Vorschein.\nZu Beginn jeder Versuchsreihe beliefs die Vp. zun\u00e4chst 15 Minuten lang beide H\u00e4nde und das untere Drittel der beiden Unterarme in Wasser von 21\u00b0. Unterdessen bereitete der Versuchsleiter die beiden ersten Reiztemperaturen vor, f\u00fcr die linke Hand 26\u00b0, f\u00fcr die rechte Hand 26,1\u00b0 oder 25,9\u00b0 oder auch ebenfalls 26\u00b0. Die Vp. tauchte nunmehr gleichzeitig beide H\u00e4nde bis zu den Handwurzeln, nicht aber die Unterarme, in die Reizwasser. Nachdem das Urteil \u201erechts\u201c oder \u201elinks\u201c (w\u00e4rmer) abgegeben war, wurden die H\u00e4nde sofort wieder in das Vorbereitungswasser zur\u00fcckgehoben. Dieses stellte der Vp. jetzt auf eine um 3\u00b0 h\u00f6here Temperatur von 24\u00b0 ein und widmete sich dann der Einstellung der beiden neuen Reiztemperaturen von 29\u00b0 f\u00fcr die linke Hand, 28,9 oder 29 oder 29,1\u00b0 f\u00fcr die rechte Hand. Zur genauen Einstellung dieser Temperaturen ben\u00f6tigte der VI. stets zum mindesten 2 Minuten, w\u00e4hrend welcher Zeit die Haut der Versuchsh\u00e4nde bis weit \u00fcber die Tiefe der Nervenendorgane hinaus die Temperatur des Vorbereitungswassers annahm. Nach erfolgter zweiter Reizung wurden in gleicher Weise die Vorbereitungstemperatur und die beiden Reiztemperaturen erneut um 3\u00b0 erw\u00e4rmt, so dafs zwischen dem Vorbereitungswasser und dem Reizwasser f\u00fcr die linke Hand stets eine Temperaturdifferenz von genau 5\u00b0, f\u00fcr die rechte eine Differenz von 4,9 oder 5 oder 5,1\u00b0 bestand. In einer Serie wurden so im ganzen 5 Reizungen mit Reiztemperaturen von 26, 29, 32, 35, 38\u00b0 f\u00fcr die linke Hand und die entsprechenden Temperaturen f\u00fcr die Vergleichshand durchgef\u00fchrt. Dann trat","page":172},{"file":"p0173.txt","language":"de","ocr_de":"Psycho-physische Konstanten u. Variablen des Temperatur Sinnes. I 173\neine Erholungspause von mindestens zwei Stunden in ihr Recht, oder der VI. und die Vp. tauschten ihre Funktionen aus. Nachdem f\u00fcr jeden Reiz 10 Urteile gesammelt waren, wurden 10 neue Urteile bei einer Differenz der beiden Reiztemperaturen von 0,2\u00b0 (statt + 0,1\u00b0 bzw. 0\u00b0) in derselben Weise erzielt. Das gleiche Vorgehen wurde mit den weiteren Differenzen eingehalten, bis die in den Tabellen 1 und 2 (S. 174 u. 175) zusammengestellten Werte ermittelt waren.\nErl\u00e4uterung der Tabellen\nIn den Tabellen \u00fcber die Unterschiedsempfindlichkeit des Temperatursinnes sind eingetragen:\nunter L die Reiztemperaturen f\u00fcr die linke Hand,\nunter 1 die Anzahl Urteile, bei denen die Temperaturempfindung an der linken Hand, unter r an der rechten Hand als st\u00e4rker angegeben wurde.\nIn der ersten Querkolonne am Kopfende jeder Tabelle sind die Differenzen zwischen den Reiztemperaturen f\u00fcr die linke und rechte Hand angegeben. Ihr Vorzeichen -j- besagt, dafs die Reiztemperaturen f\u00fcr die rechte um den angegebenen Betrag h\u00f6her, das Vorzeichen.\u00bb\u2014, dafs sie um den angegebenen Betrag tiefer lagen als f\u00fcr die linke Hand.\nAls Abschlufs der Tabellen sind unter S die Summen aller Urteile zusammengestellt, die f\u00fcr die angegebenen Differenzen der Reiztemperaturen an der linken bzw. rechten Hand die Empfindung als st\u00e4rker be-zeichneten.\nIn den letzten L\u00e4ngskolonnen der Tabellen haben wir unter U die Differenzen zwischen den Reiztemperaturen f\u00fcr die linke und rechte Hand eingetragen, die an den beiden H\u00e4nden gleichstarke Temperaturempfindungen verursacht haben m\u00fcssen. Diese Differenzen bezeichnen wir weiterhin als Unterschiedstemperaturen, weil sie den Empfindlichkeitsunterschied der beiden H\u00e4nde in physikalischen Temperaturmafsen angeben. Ihr Wert U ist das Ergebnis der folgenden mathematischen Auswertung der Urteilsreihen, die wie alle weiteren Berechnungen in dieser Arbeit uns in dankenswerter Weise Herr cand. phil. Weener Kleinsteubee geliefert hat.\nBei einer Temperatur Tv m\u00f6ge h Mal links und rv Mal rechts geurteilt sein, ly + rr ist f\u00fcr eine Querkolonne konstant (meist gleich 10). F\u00fcr T = U\nmufs lr = rv sein. Man bilde f(T*) = lv \u2014 T~^-- Bei graphischer Auftragung\ndieser Werte f(Tr) erkennt man, dafs die ausgleichende Kurve die Bedingung erf\u00fcllt f(U + T) = \u2014 f(U \u2014 T), f(U) = 0. Wir nehmen eine ungerade\nAnzahl von Messungen einer Querkolonne: f(T\u2014 2), f(T-i), f(To), f(Ti),\n+P\nf(T2),... Es sei U = To \u2014 d. Man bilde J\u00a3f(Tr)=D. Es ist T*=To + *'d,\n\u2014p","page":173},{"file":"p0174.txt","language":"de","ocr_de":"Tabelle 1\nUnterschiedsempfindlichkeit der W\u00e4rmenerven. Mai bis Juni 1927\nVp. Goldscheideb, VI. Hahn\n174\nHelmut Hahn\n00 o ^\nO O O O CO\nO CM O O O\no o o o o\nO CM O r-H tH\nO GO O 05 05\nCO H (M h* CM\n1\u00db (M T# IM lO\nO 00 CD 00 O\nTtf iQ CO O* CO\nCM\tt>- I> C0\n00 CO CO CO i>\nCD t)I iQ CO lO\nCD iO [> IO\no* VO 00 CM 05\nCO iO CM 00 rH\nCO O tH CO o\n05\t05 O 00\nI> 00 05 o 05\nCO <M i\u2014I O tH\nCO 05 03 lO 00\n<M CM CO CO C0\nO\tCM\t05\tCO\n00\t\u00bb\u00df\t00\trH\t>Q\nCO\tCM\t1\u20141\tCM\tCM\no'\to'\tcT\to'\to'\n+\nCM CM\trH tH\nGO 00 O 05\t05\n\"'th O rH rH 03\nCO O 05 05 00\nCM rH CO CO CO\nCO\n\nGO\nCM\nhH\nCM\n^\tGO\t05\tt>\tI>\tt>\nQ\nI\u2014I\t\u2014 \u25a0\t\u25a0\nm\nr-\tW\nCM\tO\tCM\tlO\trH\tCO\tCO\n05\t\u00bb\nrH\tO\n^ ----------------------\n^3\to\n0\t0\t00\t\u00bbG\t05\tI>\n1-5\nCE K.\n\u2022rH K*\n\u2022 r-4\t\u00c4\nc3\tW\n^\tw\nd\n>\nCM CO CO CO i\u00df\n00\tiO\nco io ^ co\n\u00bb\u00df CO CO D-\nvO iO CO iQ CD\niQ iQ\tO\n00\nCO\nCO\nCO\ni\u00df\nCM\ni\u00df\nCM\n05\nCO\nCM\nCO\nCM\nCD O CO CO I>\n^ O (M ^ CO\nD\u00bb M CO CO\nO CO (M ^ rdi\nCM\nCO\n00\nCM\nco\n00\nCO\t05\tCM\ti\u00df\t00\tI rA\nCM\tCM\tCO\tCO\tCO\tI \u0153\n+0,260","page":174},{"file":"p0175.txt","language":"de","ocr_de":"T\u00e2D\u00ebl\u00ee\u00eb 2\t----------- ---------\nUnterschiedsempfindlichkeit der K\u00e4ltenerven. August bis September 1927. Vp. Goldscheider, VI. Hahn\nPsycho-physische Konstanten u. Variablen des Temperatur Sinnes. I\n\t\t00\t02\to\ti\u00df\tCO\t\t00\to\n\t\t\u00bbo\tCO\tCO\t(M\tco\tco\tTh\t00\n\t\t02\t02\t02\t02\t02\to\to\t02\n\u00a3>\t\tO 1\to 1\to\t\u00f6 1\to 1\trH i\trH i\tcT 1\n\t\tco\trH\tCM\trH\trH\trH\tCM\trH\nCO\t\t\t\t\t\t\t\t\trH\ncT\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n1\t\t\t02\t00\t02\t02\t02\t00\t02\n\t\t\t\t\t\t\t\t\ti\u00df\n\t\tCM\tCM\trH\tTU\ti\u00df\tCM\tCM\tGO\nr-\t\t\t\t\t\t\t\t\trH\no\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n1\t\t00\t00\t02\tCO\ti\u00df\t00\t00\tCM\n\t\t\t\t\t\t\t\t\ti\u00df\n\t\tCM\ti\u00df\tCO\tco\tCO\trH\trH\tGO\nCO\t\t\t\t\t\t\t\t\trH\ncT\t\t\t\t\t\t\t\t\t\ni\t1\u20141\t00\ti\u00df\tD-\t\tD\u201d\t02\t02\t52\n\t\ti\u00df\tCO\t00\ti>\tT*\tt*\tco\th\n02 I\t\t\t\t\t\t\t\t\tco\no\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n1\t\ti\u00df\to\u00bb\tCM\tco\tCO\tCO\tl>*\tco\n\t\t\t\t\t\t\t\t\tco\n\t\ti\u00df\tCO\tCO\tl\u00df\ti\u00df\tCO\tco\tco\n\t\t\t\t\t\t\t\t\tco\nT\u201cH\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n1\t\ti\u00df\t[>\u2022\tT*\ti\u00df\ti\u00df\ttH\tTh\tTh\n\t\t\t\t\t\t\t\t\tco\n\t!\tCO\tCO\tI>\ti\u00df\tCO\ti\u00df\ti\u00df\to\ntH\t\t\t\t\t\t\t\t\tTh\n\u2022N\t\t\t\t\t\t\t\t\t\nrH\t1\t\t\t\t\t\t\t\t\n!\t\tT*\ttu\tCO\ti\u00df\tTj<\ti\u00df\ti\u00df\to\n\t\t\t\t\t\t\t\t\tco\n\t\u00a3-1\t02\t02\t\t\t\tco\t00\tI\tco\n(M\t\t\t\t\t\t\t\t\ti\u00df\nrH\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n1\t\ttH\trH\tco\tco\tco\tTh\tCM\tt>\n\t\t\t\t\t\t\t\t\trH\n\t1 SLj\tCO\to\tCO\t02\tt>\t02\t02\t00\nCO\t!\t\trH\t\t\t\t\t\ti\u00df\nrH\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n1\t1\t(M\to\tT*\trH\tco\trH\ttH\t!\tCM\n\t1\t\t\t\t\t\t\t\ti\u2014l\n\t\t\ttH\t00\ti\u00df\tCM\t02\tCO\tGQ\nM\t\tCO\tCO\tCM\tCM\tCM\trH\trH\t;\t\n\t\t\t\t\t\t\t\t\t\nZeitsclir. f. Sinnesphysiol. 60\nr-\nCM\n02\nQD\n\u00df\nbl\n\u00df\n<1\n\u00a9\nN\n\u2022 F\"H\n\u00a9\n\u00a9\n:o3\n\u00a9\nCO <D\no>\n,\u00a31 \u00a9 c3 +3 tH w\nPS\nw\no\nt\u2014I\nw\nw\no\n02\no\n\u00df\no\nO\nd\n>\n! \u00a3> i\t\nCM \u2022s O\t\ni\trH\n0,3\tl \u00df\ni\t\nTh cT\t*-i\n1\trH\n0,5\tJh\n1\t^ I I\nCO cT\t*H\nl\trH\n\tu\n\t\no\t-\n-\t5\nCO\no\nTt<\n00\nCM\no\ni\u00df\nCO\nO\tCM\no\tX\nrH\t\nco\tTh\no*\tco\nco\tco\nTh\tTU\nco\t\nTh\tCO\nCO\n\\D\t\t1,033 0,731\ni\u00df r\\ O -t\tu\tCM\n\t-\tX\nco cT +\tf-4 1\ti\u20141 H\n\trH\t02 X\ni\u20180 +\tu\tCM i\u00df\n\trH\tX i\u00df\n+\tu\ti\u00df X\n\trH\ti\u00df H\no I\t\u00df\tTh co\n\trH\tX Th\nrH +\t\u00df\ti\u00df t>\n\trH\ti\u00df x\nrH rH +\t+i\tTti 02\n\tr-H\tX H\nrH +\t\u00ceH\tX\n\t-\tTh\n+ 1,3\t\t!>\u2022\n\t\tX\nrH +\tfH\t02\n\trH\trH\nHi\t\t12 46\n12\n'","page":175},{"file":"p0176.txt","language":"de","ocr_de":"176\nHelmut Hahn\nwo d gleich 0,1 ist. Wir bilden jetzt die Summe um :\n+lflT,)=^f(U + /'d + ^),\n\u2014p\t\u2014p\n+P\t+P\t$2 -fp\n= 27f(u + *d) + *27f(u + *d)+ *\t27f\"(u + *d) +....\n\u2014p\t\u2014p\t\u2014 p\nDie erste und dritte Summe ist wegen der Symmetriebedingung null. Also\n+P\nist o 27 ^(U + ^d) = D bis auf Glieder dritter und h\u00f6herer Ordnung. Wir\n\u2014P\nersetzen die Summe durch ein Integral:\n+p\n27f (U + rd)\nu\nif\n+ (p+y)d\t,\t.\t,\nf(T)dT = f(u + (p + \u00ffd -f \u00fc-(p + l)d\nu-(P+y)d\nund |f\t+\t\u2014 f ^U \u2014 (p + i)dj) durch {f (T+p) \u2014 f (T_p)}.\nDer Fehler der letzten Ann\u00e4herung ist\n{f(u+(P+\u00ffd)-f(u-(p+iy\n\u2014 <^f (T+p) \u2014 f (T\u2014p)|\n2(|-^)f(U + pd)+ ....\nDa aber f'(U + pd) mit wachsendem p schnell gegen null geht, so k\u00f6nnen wir die Differenz vernachl\u00e4ssigen; sie ist sicher kleiner als 1. Wir erhalten\nDd\t,\t\u201e\t\u201e\tDd\nalso 8 =\noder U = To \u2014\n8 wurde als Mittel\nf(T+p) - f(T-p)\tf(T+P) \u2014 f(T\u2014p)\nvon mehreren Serien von Urteilen mit der Anzahl 5, 7, ... bestimmt. Das Mittel ist dasselbe, wenn wir im Nenner statt [f(T-f p) \u2014 f(T\u2014 P)J setzen\n[f(T+p) f(T\u2014P) + 1}.\nZur analogen Pr\u00fcfung der Unterschiedsempfindlichkeit der K\u00e4ltenerven bei J. Goldscheider (Tabelle 2, S. 175) begannen wir die Versuche nach einer Vorbereitungszeit von ebenfalls 15 Minuten, w\u00e4hrend der sich beide H\u00e4nde und ein Teil der Unterarme in Wasser von 39\u00b0 befanden. In genau entsprechender Weise wie bei den W\u00e4rmeversuchen wurde danach die linke Hand in 5\u00b0 k\u00e4lteres Wasser, die rechte Hand in ein noch etwas k\u00e4lteres, gleichkaltes oder etwas weniger kaltes Wasser getaucht. Zur Weiterf\u00fchrung der Versuche wurden entsprechend das Vorbereitungswasser und die Reizwasser jeweils um 3\u00b0 abgek\u00fchlt usw.\nHierbei stellte sich indessen bald heraus, dafs die K\u00e4lteempfindung bei der Vp. regelm\u00e4fsig an der linken Hand st\u00e4rker ausfiel. Erst bei einer um 10 st\u00e4rkeren Abk\u00fchlung der rechten Hand schienen deren K\u00e4lteempfindungen denen an der linken Hand gleichzukommen. Dieser erhebliche Empfindlichkeitsunterschied zugunsten der linken Hand liefs uns eine Modifikation der Versuchsanordnung ratsam erscheinen. Wir wagten n\u00e4mlich nicht mehr, f\u00fcr beide H\u00e4nde das gleiche Vorbereitungswasser zu","page":176},{"file":"p0177.txt","language":"de","ocr_de":"Psycho-phy8ische Konstanten u. Variablen des Temperatursinnes. I\nbenutzen, dessen Temperaturdifferenz zu dem Reizwasser der rechten Hand ja nunmehr um 6\u00b0 betrug, wenn die Reiztemperatur f\u00fcr die linke Hand wie gewohnt 5\u00b0 tiefer lag. Aus denselben Gr\u00fcnden, die uns den gleichzeitigen Reizbeginn f\u00fcr beide H\u00e4nde notwendig erscheinen liefsen, bef\u00fcrchten wir ein \u00dcberschneiden der Empfindungskurven, wenn an der linken Hand bei einer Abk\u00fchlung von 5\u00b0 die endg\u00fcltige Reiztemperatur etwas fr\u00fcher die K\u00e4lteorgane erreichte, als an der rechten Hand bei einer Abk\u00fchlung um 6\u00b0. Wir haben deshalb die Vorbereitungswasser getrennt, dasjenige f\u00fcr die rechte Hand stets um 10 weniger warm eingestellt, so dafs ihre Temperaturen zu Beginn links 39, rechts 38 und folgend 36 bzw. 35\u00b0 usw. betrugen.\nBesprechung der Yersuchsergebnisse\nDie in den Tabellen zusammengestellten Versuchsergebnisse lassen sowohl bez\u00fcglich des Empfindlichkeitsunterschiedes als auch bez\u00fcglich der Unterschiedsempfindlichkeit der Temperaturneryen h\u00f6chst eindeutige Verh\u00e4ltnisse erkennen.\nDie in den Kolonnen U eingetragenen Werte f\u00fcr die Differenzen zwischen 2 Temperaturreizen, die als genau gleichstark empfunden wurden, stimmen recht genau untereinander \u00fcberein. Ihr geringes Abweichen von nur h\u00f6chstens 0,136 \u00b0, meist weniger als 0,050 von den jeweiligen Gesamtdurchschnittswerten erlaubt mit grofser Sicherheit die Folgerung, dafs der Empfindlichkeitsunterschied zwischen verschiedenen Temperaturnerven allen Reizst\u00e4rken gegen\u00fcber konstant zu sein pflegt. Dafs zwei verschieden starke Temperaturreize an zwei verschieden empfindlichen Hautstellen gleichstarke Temperaturempfindungen verursachen, h\u00e4ngt also ausschliefslich von der Gr\u00f6lse ihres Temperaturabstandes ab und ist vollkommen unabh\u00e4ngig von den gew\u00e4hlten Reizst\u00e4rken. Dieses sehr einfache Ergebnis war nicht ohne weiteres vorauszusehen; ist man doch beim Vergleich der verschiedenen Empfindlichkeit beispielsweise der Sehnerven gew\u00f6hnt, vom aliquoten Teil der normalen Sehsch\u00e4rfe zu sprechen und nicht etwa von einer konstanten Differenz gegen\u00fcber allen Reizintensit\u00e4ten.\nDer Empfindlichkeitsuntersehied der K\u00e4ltenerven und der W\u00e4rmenerven ist dabei an gleichen Hautgebieten ersichtlich keineswegs von gleicher Gr\u00f6fse. Die W\u00e4rmeempfindungen an den beiden H\u00e4nden von I. Goldscheider sind bei einem Unterschied der Reiztemperaturen von 0,064\u00b0, die K\u00e4lteempfindungen von 0,981\u00b0 gleichstark ; bei Hahn betr\u00e4gt der Unterschied an W\u00e4rmeempfindlichkeit 0,260\u00b0, an K\u00e4lteempfindlichkeit (die Versuche folgen S. 185) 2,227\u00b0. Auffallend ist, dafs bei beiden Versuchspersonen die linke Hand die empfindlichere ist und dafs der Empfindlich-\n12*","page":177},{"file":"p0178.txt","language":"de","ocr_de":"178\nHelmut Hahn\nkeitsunterschied an den K\u00e4ltenerven bei beiden Personen um ungef\u00e4hr das Zehnfache gr\u00f6fser ist, als der Unterschied an den W\u00e4rmenerven. Da wir aber diese Untersuchung an den W\u00e4rmenerven von nur zwei Versuchspersonen vorgenommen haben, m\u00f6chten wir hinsichtlich der Beziehungen zwischen der st\u00e4rkeren Empfindlichkeit der K\u00e4ltenerven und der W\u00e4rmenerven innerhalb gleicher Hautgebiete keine weiteren Schl\u00fcsse ziehen.\nDagegen haben wir mit Frohwein1 den Empfindlichkeitsunterschied allein der K\u00e4ltenerven an den beiden H\u00e4nden einer gr\u00f6fseren Anzahl normaler Versuchspersonen, meist Akademikern, genau durchpr\u00fcft. Bei nur einer Vp. konnten wir hierbei \u00fcberhaupt keinen Unterschied feststellen, bei den anderen Vpn. war ausnahmslos die linke Hand um 0,2\u20142,8\u00b0 k\u00e4lteempfindlicher. Eine entsprechende Angabe findet sich bei Goldscheider2, der den Unterschied besonders bei Handarbeitern hervorhebt. Schon Weber3 hat \u00fcbrigens berichtet, \u201edafs W\u00e4rme und K\u00e4lte an seiner linken Hand einen etwas st\u00e4rkeren Eindruck mache\u201c. \u00dcber eine st\u00e4rkere W\u00e4rmeempfindlichkeit der gesamten linken K\u00f6rperseite berichtet Veress.4 Hinsichtlich einer st\u00e4rkeren Temperaturempfindlichkeit der rechten Hand haben wir nur eine einzige Angabe bei Gertz 5 \u00fcber eine Vp. gefunden, \u201eder ein W\u00e4rmereiz von 40\u00b0 regelm\u00e4fsig an der rechten Hand st\u00e4rker erschien als an der linken Hand\u201c. Man kann danach die st\u00e4rkere K\u00e4lteempfindlichkeit der linken Hand wohl als physiologische Regel gelten lassen, die nur bei Tr\u00e4gern eines Situs viscerum inversus eine interessante Ausnahme erf\u00e4hrt, nicht aber bei Linksh\u00e4ndern (Hahn und Frohwein a. a. O.).\nAuch hinsichtlich des eigentlichen Gegenstandes unserer Untersuchung, der Unterschiedsempfindlichkeit des Temperatursinnes, liefern die Tabellenwerte recht eindeutige Ergebnisse. Entgegen unserer Erwartung haben wir dabei f\u00fcr die von Fechner6 behauptete G\u00fcltigkeit des WEBERschen Gesetzes f\u00fcr den Temperatursinn nicht den geringsten Anhalt gefunden. Auch die von der Mehrzahl der fr\u00fcheren Autoren behauptete gr\u00f6fste Feinheit der Unterschiedsempfindlichkeit f\u00fcr in der N\u00e4he der normalen Hauttemperatur gelegenen Reiz temperaturen k\u00f6nnen wir nicht best\u00e4tigen. Die bemerkenswerte Monotonie der Urteilsreihen bei allen Reizst\u00e4rken ergibt ein so klares Bild, dafs eine mathematische Auswertung sich er\u00fcbrigt* Es ist zweifellos die Unterschiedsempfindlichkeit des Temperatursinnes vollkommen unabh\u00e4ngig von\n1\tH. Hahn und G. Froh wein, Z. f. Ther. 35, 4 (1928), 138.\n2\tA. Goldscheider, Arch f. Psychol. 18, 1 (1887).\n3\tE.H. Weber, Tastsinn und Gemeingef\u00fchl. Leipzig 1905. S. 113. Verlag Engelmann.\n4\tE. Veress, Pfl\u00fcgers Arch 24, 266 (1911).\n5\tE. Gertz, Z. Sinnesphysiol. 52, 106 (1921).\n6\tG. Th. Fechner, Elemente der Psychophysik I. 1907.","page":178},{"file":"p0179.txt","language":"de","ocr_de":"Psycho-physische Konstanten u. Variablen des Temperatursinnes. I 479\nden Reizst\u00e4rken, die Feinheit der Unterschiedsempfindlichkeit gegen\u00fcber allen Reizst\u00e4rken eine absolut konstante.\nBei der Anwendung k\u00e4lterer Reiztemperaturen als tiefstens 14\u00b0 treten Schmerzempfindungen auch bei kurzfristigen Reizungen so sehr in den Vordergrund, dafs die Versuche keine reine Untersuchung nur der Temperaturnerven mehr erlauben. Oberhalb ca. 39\u00b0 gelegene W\u00e4rmereize f\u00fchren zu Hitzeempfindungen, bei W\u00e4rmereizungen oberhalb ca. 44,5\u00b0 \u00fcberwiegt in der Qualit\u00e4t der Empfindungen ein brennender und stechender W\u00e4rmeschmerz. Unsere Ergebnisse mit diesen extremsten Reiztemperaturen haben wir in der Tabelle 3 (S. 175) gesondert zusammengestellt.\nDer Vergleich der in dieser Tabelle 3 unter U eingetragenen Werte f\u00fcr gleichstarke Empfindungen verursachende Temperaturdifferenzen zeigt nicht unerhebliche Abweichungen gegen\u00fcber den mit reinen Temperaturreizungen ermittelten Werten. Bei den schmerzhaften K\u00e4ltereizen an J. Goldscheider erhobenen Befunden sinkt der Empfindlichkeitsunterschied von 0,981\u00b0 auf 0,406\u00b0 bzw. 0,35\u00b0 ab, weil die K\u00e4lteschmerzen an der rechten st\u00e4rker abgek\u00fchlten Hand noch kr\u00e4ftiger waren und daher die an sich st\u00e4rkeren K\u00e4lteempfindungen der linken Hand verdr\u00e4ngt haben.\nBei den W\u00e4rmeversuchen an Hahn steigt der Empfindlichkeitsunterschied von 0,2\u00b0 auf 1,033\u00b0 bzw. 0,731\u00b0. Diese Beobachtung betrachten wir als einen weiteren neuen Beweis f\u00fcr die Theorie von Alrutz, der die spezifische Hitzeempfindung als das Ergebnis gleichzeitiger starker Erregung der W\u00e4rmenerven und paradoxer Reizung der K\u00e4ltenerven auffafst. Es entspricht offenbar dieser Theorie, dafs der Empfindlichkeitsunterschied f\u00fcr Hitzereize zwischen demjenigen f\u00fcr reine K\u00e4ltereize und dem f\u00fcr reine W\u00e4rmereize liegt, welche Folgerung aus der Theorie bei Hahn mit 2,2\u00b0 f\u00fcr K\u00e4lte, 0,26 f\u00fcr W\u00e4rme und 1,033 f\u00fcr Hitze erf\u00fcllt ist. Eine eingehendere Besprechung dieser Versuche ist bereits an anderer Stelle1 erfolgt, wir erw\u00e4hnen nur noch, dafs bei den Hitzeversuchen jede Hand um genau 5\u00b0 erw\u00e4rmt und nach jeder Urteilsgabe 3 Minuten lang in Wasser von 38\u00b0 zum Abklingen der Adaptation belassen wurde. Die in Tabelle 3 zusammengestellten Versuche zeigen jedenfalls, dafs die f\u00fcr die reinliche Untersuchung der K\u00e4lte- und W\u00e4rmenerven an den H\u00e4nden zur Verf\u00fcgung stehenden Reizst\u00e4rken mit ca. 16\u00b0 (tiefstens 14\u00b0) bzw. ca. 38\u00b0 praktisch begrenzt sind.\nAlle diese Angaben gelten zwar nur f\u00fcr Versuche mit fl\u00fcssigen Reizmitteln an durchfeuchteter Haut, sie lassen aber eine andere Verallgemeinerung zu. Da n\u00e4mlich die Unterschiedsempfindlichkeit des Temperatursinnes gegen\u00fcber schwachen und starken Temperaturreizen sich als gleich herausgestellt hat, so gelten die von uns gefundenen Werte mit guter Wahrscheinlichkeit nicht nur f\u00fcr die H\u00e4nde, sondern f\u00fcr die gesamte K\u00f6rperoberfl\u00e4che. Denn es ist kaum zu erwarten, dafs f\u00fcr\n1 H. Hahn, Arch. f. Psychol. 65, 1\u20142 (1928), 41.","page":179},{"file":"p0180.txt","language":"de","ocr_de":"180\nHelmut Hahn\ndie Feinheit der Unterschiedsempfindlichkeit aufser der St\u00e4rke der Empfindungen noch andere \u00f6rtlich verschiedene Einfl\u00fcsse nenens-wert mafsgebend sind. Aus der gefundenen Konstanz der Unterschiedsempfindlichkeit und des Emfindlichkeitsunterschiedes im Bereich des Temperatursinnes k\u00f6nnen wir schliefslich noch den weiteren Satz1 ableiten, dafs einem gleichen Reizzuwachs ein stets gleicherErregungszuwachs der Temperaturnerven entspricht, wobei das Verh\u00e4ltnis von Reizzuwachs und Erregungsz u w a c h s also unabh\u00e4ngig von der Empfindlichkeit der Nerven und der gew\u00e4hlten absoluten Reizst\u00e4rke ist.\nb) Das Gesetz der konstanten Summe\nWir hatten eingangs als Prinzip unserer Untersuchung der Adaptation die Gegen\u00fcberstellung der Konstanz der Empfindlichkeit und der Umstimmung der Erregbarkeit der Temperaturnerven angek\u00fcndigt. Im vorliegenden Abschnitt behandeln wir zun\u00e4chst die Konstanz der Empfindlichkeit, indem wir unter diesem Begriff alle diejenigen physiologischen Konstanten im Bereich des Temperatursinnes zusammenstellen, durch die wir f\u00fcr die von der Situation bedingten Erregbarkeitsver\u00e4nderungen der Temperaturnerven einen festen Mafsstab gewinnen. Zwei derartige Konstanten haben wir bereits im vorigen Abschnitt als Konstanz des Empfindlichkeitsunterschiedes und Konstanz der Unterschiedsempfindlichkeit kennen gelernt. Es folgt nunmehr die Besprechung der als Gesetz der konstanten Summe bezeichneten Erscheinung, dafs es f\u00fcr die Konstanz der Empfindlichkeit entgegen der Theorie Webers keinerlei Unterschied bedeutet, ob ein und dieselbe Reiztemperatur durch eine grofse oder durch eine kleine Temperaturver\u00e4nderung hergestellt wird.\nFerner werden wir uns mit der allseits dem Temperatursinn zugebilligten F\u00e4higkeit zu Summation bei der Reizung wachsend grofser Hautgebiete auseinanderzusetzen haben, die ja die Konstanz der Empfindlichkeit von der Gr\u00f6fse der Reizfl\u00e4che abh\u00e4ngig machen w\u00fcrde. Eine weitere Untersuchung wird die Feststellung des geringsten Betrages betreffen, um den die Reiztemperatur sich mindestens von der Adaptationstemperatur unterscheiden mufs, damit der Reizerfolg unabh\u00e4ngig von den Gesetzen der Adaptation ausschliefslich der konstanten Empfindlichkeit entspricht. Diese Feststellung, die endg\u00fcltige Abgrenzung der Adaptationsbreite, enth\u00e4lt gleichzeitig eine erneute Nachpr\u00fcfung des Grund-\n1 Siehe hier\u00fcber auch H. Hahn, Klin. Wschr. 22, 1929.","page":180},{"file":"p0181.txt","language":"de","ocr_de":"Psycho-physische Konstanten u. Variablen des Temperatursinnes. I\nVersuchs auf breitester Basis unter Anwendung der verschiedensten Reizintensit\u00e4ten. Die genaue Bestimmung der Adaptationsbreite wird auch die Erkl\u00e4rung f\u00fcr die von den unseren abweichenden Feststellungen anderer Autoren \u00fcber die Unterschiedsempfindlichkeit des Temperatursinnes liefern und erlauben, die fr\u00fcher \u00fcber diesen Gegenstand erhobenen Befunde in die von uns vertretene Lehre vom Temperatursinn einzuordnen.\nUnsere irn vorigen Abschnitt \u00fcber die Empfindlichkeit des Temperatursinnes mitgeteilten Beobachtungen enthalten zun\u00e4chst nichts, was dem Kausalit\u00e4tsbed\u00fcrfnis besondere Schwierigkeiten zu bereiten geeignet w\u00e4re und zur Statuierung besonderer Gesetze Veranlassung geben k\u00f6nnte. Lenken wir nunmehr aber die Aufmerksamkeit auf einen anderen Bestandteil des Grundversuchs, seine Bezugnahme n\u00e4mlich auf die Adaptation, so stehen wir vor einer Erscheinung, die unter den gesamten Erfahrungen jeglicher Reizphysiologie u. W. ganz einzig dasteht. Bei der Beschreibung des Grundversuchs besprachen wir, dafs die W\u00e4rmenerven w\u00e4hrend ihres 3 Minuten langen Aufenthaltes in Wasser von 17\u00b0 bzw. 35\u00b0 ihre Erregbarkeit gegen\u00fcber diesen beiden Reiztemperaturen vollkommen einb\u00fcfsen. Es l\u00e4ge nun nahe, diese Herabsetzung der Erregbarkeit unter dem Einflufs und als Folge des Reizes mit dem einleuchtenden biologischen Erm\u00fcdungsbegriff in Verbindung zu bringen. Dieser Analogieschlufs entspricht aber durchaus nicht den weiteren Tatsachen. Denn die auf 17\u00b0 und auf 35\u00b0 voll adaptierten W\u00e4rmenerven haben ja nicht das Geringste an Erregbarkeit gegen\u00fcber der Reiztemperatur von 37\u00b0 und jeglichem st\u00e4rkeren W\u00e4rmereiz verloren, und es widerspricht doch wohl jeder Erfahrung und Erwartung, dafs ein durch einen Reiz beliebig vollkommen erm\u00fcdetes Organ trotzdem jeweils mit optimaler Erregung ansprechen soll, so oft die Reizst\u00e4rke sogar noch vermehrt wird! Es erscheint uns danach doch am Platz, die unter dem Begriff der Adaptation zusammengestellten Tatsachen vorl\u00e4ufig in der Form eines allgemeinen Gesetzes zu veranschaulichen, das auch dann seine G\u00fcltigkeit beh\u00e4lt, wenn sich die von uns beschrittenen Wege zu seiner Erkl\u00e4rung sp\u00e4ter als falsch heraussteilen sollten.\nVersuche und Ergebnisse\nDer Eindruck, mit den zur Statuierung eines neuen Gesetzes zwingenden Tatsachen auf noch ganz unerforschtem Wissensgebiet zu stehen, stellte uns vor die unerl\u00e4fsliche Aufgabe,","page":181},{"file":"p0182.txt","language":"de","ocr_de":"182\nHelmut Hahn\nden Tatsachen auch eine jeglicher berechtigten Kritik standhaltende experimentelle Grundlage zu geben. Gerade dieses Bestreben veranlafste uns in erster Linie zu unserer Untersuchung der Unterschiedsempfindlichkeit des Temperatursinnes. Denn fr\u00fcher hatten wir nach der Methode des eben merklichen Unterschiedes die Temperaturempfindungen stets nur entweder in deutlich oder in nicht nennenswert verschieden starke einteilen k\u00f6nnen, wobei wir Gleichheit der Empfindungsst\u00e4rken auch dann noch angeben mufsten, wenn tats\u00e4chlich ein mehreren Zehntelgraden Reizst\u00e4rke entsprechender Empfindungsunterschied vorlag. Erst unser jetziger Einblick in die Unterschiedsempfindlichkeit erm\u00f6glicht uns, nach der Methode der richtigen und falschen F\u00e4lle die Gleichheit zweier Temperaturempfindungen auf ca. y^0 genau zu bestimmen bzw. mit derselben Genauigkeit die Verschiedenheit zweier Empfindungsst\u00e4rken zu messen.\nDie hierdurch gewonnene ungleich erh\u00f6hte Sicherheit unserer Angaben w\u00fcnschten wir vor allen Dingen in den Dienst einer exakten Nachpr\u00fcfung unseres Grundversuches zu stellen. Denn seine Genauigkeit ist nicht nur theoretisch f\u00fcr die Richtigkeit unserer Ablehnung der Temperatursinnestheorie von Webeb bestimmend, sondern auch methodisch eine der Grundbedingungen f\u00fcr unsere gesamten weiteren Untersuchungen \u00fcber die Adaptation.\nZu diesem Zweck haben wir die Reiztemperaturen nicht mehr wie im vorigen Abschnitt durch eine Temperaturver-\u00e4nderung der H\u00e4nde um beiderseits den ann\u00e4hernd gleichen Betrag von 5\u00b0 hergestellt, sondern die Betr\u00e4ge der Temperaturver\u00e4nderungen an beiden H\u00e4nden weitgehend variiert. Die Reiztemperaturen selber haben wir dabei nach den genau gleichen Gesichtspunkten wie im vorigen Abschnitt behandelt, so dafs ein Einflufs der Temperaturver\u00e4nderungen auf die St\u00e4rke der Empfindungen gegebenenfalls das bisher allein durch den Empfindlichkeitsunterschied bedingte Verh\u00e4ltnis der Empfindungsurteile zahlenm\u00e4fsig zugunsten der einen oder anderen Hand h\u00e4tte verschieben m\u00fcssen.\nHierbei konnten wir die H\u00e4nde nun nicht wie bisher gleichzeitig in die Reizwasser tauchen, da bei verschiedengrofsen Temperaturver\u00e4nderungen der H\u00e4nde in ihren temperaturempfindlichen Hautschichten der endg\u00fcltige Temperaturausgleich mit","page":182},{"file":"p0183.txt","language":"de","ocr_de":"Psycho-physische Konstanten u. Variablen des Temperatursinnes. I\nden Reiztemperaturen auch erst nach verschieden langen Zeiten erreicht wird. Entsprechend dem Grundversuch und unter Ber\u00fccksichtigung unserer fr\u00fcheren Berechnungen der Tiefenlage der temperaturempfindlichen Hautschichten1 haben wir daher die um den geringeren Betrag erw\u00e4rmte bzw. abgek\u00fchlte Hand um mindestens 3 Sekunden sp\u00e4ter in ihr Reizwasser tauchen m\u00fcssen. Die Versuchsanordnung haben wir dann noch erweitert, indem wir statt des Zeitraumes von 3 Sekunden l\u00e4ngere Zeiten gew\u00e4hlt und untersucht haben, um wieviel sp\u00e4ter wir die eine Hand als die andere reizen konnten, ohne dafs das Reizergebnis sich dadurch nennenswert \u00e4nderte. Dieser Versuchsanordnung lag unsere Vermutung zugrunde, dafs jede Temperaturempfindung einige Zeit eine konstante St\u00e4rke aufweist, so dafs f\u00fcr den Zeitpunkt der Vergleichsreizungen ein gewisser Spielraum zur Verf\u00fcgung steht.\nDer Empfindungsvergleich selber fand in den ersten \u00f6Sekunden nach dem Eintauchen der 2. Hand in ihr Reizwasser statt. Auch hierbei wurden die H\u00e4nde abwechselnd kr\u00e4ftig in ihrem Wasser bewegt, so dafs ihre Empfindungen nacheinander beobachtet und verglichen werden konnten.\nIm einzelnen sind wir von der fr\u00fcheren Versuchsfolge noch insofern abgewichen, als wir in einer stets 10 Versuche umfassenden Versuchsserie st\u00e4ndig die gleichen Reizst\u00e4rken wiederholt haben, statt wie bisher mit jedem nachfolgenden Versuch die Temperaturreize um 3\u00b0 zu verst\u00e4rken. Statt dessen befanden sich die H\u00e4nde zwischen den Reizungen 5 Minuten lang ununterbrochen in zwei Wasserbeh\u00e4ltern, deren Temperaturen um die zu untersuchenden Betr\u00e4ge von den Reiztemperaturen abwichen. Diese Verl\u00e4ngerung der Zwischenzeiten auf 5 Minuten sollte uns sowohl das vollkommene Abklingen der Adaptation als auch den vollkommenen Temperaturausgleich der H\u00e4nde mit den Zwischentemperaturen gew\u00e4hrleisten.\nDie Ergebnisse finden sich in Tabelle 4 (S. 185) unter folgenden Bezeichnungen zusammengestellt:\nunter Vp. die Versuchsperson, n\u00e4mlich G. = Goldscheider H. = Hahn;\nunter Al bzw. Ar die Zwischentemperaturen f\u00fcr die linke bzw. rechte Hand ;\nunter RI die Reiztemperaturen f\u00fcr die linke Hand;\n1 H. Hahn mit K. Boshamer, Pfl\u00fcgers Arch. 217, 1\u20142 (1927), 38.","page":183},{"file":"p0184.txt","language":"de","ocr_de":"184\nHelmut Hahn\nunter 1 bzw. r die Anzahl Urteile, die die Empfindung an der linken bzw. rechten Hand als st\u00e4rker bezeichnet hatten; unter Zt die Zeiten, um die die rechte Hand sp\u00e4ter in ihr Reizwasser getaucht wurde;\nunter U die in der \u00fcblichen Weise errechneten Unterschiedstemperaturen, um die sich die Reiztemperaturen f\u00fcr die linke und rechte Hand zur Gleichheit der Empfindungsst\u00e4rken unterschieden haben m\u00fcssen.\nDie Reiztemperaturen f\u00fcr die rechte Hand sind in den Querkolonnen hinter dem Zeichen Rr vermerkt.\nIn der letzten L\u00e4ngskolonne sind die f\u00fcr die reine Unterschiedsempfindlichkeit ermittelten Werte U aus den Tabellen 1 u. 2 zum Vergleich in Klammern beigef\u00fcgt, und zwar dienen die eingeklammerten Werte U zum Vergleich mit den unmittelbar unter ihnen eingetragenen Werte U. Die in der letzten Querkolonne (x) zusammengestellten Versuche ergeben den Wert U f\u00fcr die reine Unterschiedsempfindlichkeit der K\u00e4ltenerven von Hahn bei Abk\u00fchlung seiner beiden H\u00e4nde um gleichgrofse Betr\u00e4ge, den wir ebenfalls zum Vergleich hier in extenso beif\u00fcgen.\nBesprechung der Versuchsergebnisse\nDer Vergleich der so ermittelten Werte f\u00fcr U mit den eingeklammerten Werten ergibt keinen Anhalt f\u00fcr einen erheblicheren Einflufs der Gr\u00f6fse der Temperaturver\u00e4nderung auf die St\u00e4rke der Temperaturempfindungen. Die Werte U der Tabelle 4 weichen ein wenig ausgiebiger von den Gesamtdurchschnittswerten nur bei den kurzen Zeiten von 3 und den langen Zeiten von 20 bzw. 22 Sekunden ab, worauf wir sp\u00e4ter noch zur\u00fcckkommen werden. Die im ganzen vielleicht etwas gr\u00f6fsere durchschnittliche Unsicherheit in den Urteilen d\u00fcrfte von der ungewohnten Versuchsanordnung herr\u00fchren.\nDa der Empfindungsvergleich innerhalb der ersten 5 Sekunden nach den unter Zt angegebenen Zeiten stattgefunden hat, so liefern die unter Zt eingetragenen Zeiten (3 \u2014 22 Sekunden) den Beweis, dafs tats\u00e4chlich die Temperaturempfindungen der rechten Hand zwischen sp\u00e4testens der 8., fr\u00fchestens der 22. Sekunde praktisch konstant waren. Erst wenn wir bei der gleichen Versuchsanordnung die Zeiten auf \u00fcber 30 Sekunden ausdehnten, sanken die Temperaturempfindungen der rechten Hand unverkennbar unter die Empfindungen der linken Hand ab.\nMit diesen Feststellungen betrachten wir die experimentellen Voraussetzungen f\u00fcr die Statuierung unseres \u201eGesetzes der konstanten Summe\u201c als endg\u00fcltig erf\u00fcllt. Das Gesetz soll \u2014 unbeschadet von allen Erkl\u00e4rungsversuchen \u2014 nur die Tatsache festhalten, dafs f\u00fcr die St\u00e4rke jeder Temperaturempfindung","page":184},{"file":"p0185.txt","language":"de","ocr_de":"Psy clio-physische Konstanten u. Variablen des Temperatur Sinnes. I 185\n\t\t\tP\t(0,260)\tco iO r* cT\t(0,260)\t\u00bbC H X \u00a9\tX o\t0,290\t\t(0,981)\t1,081\tCM CM o\u00e7f\t2,268\t(2,227)\t2,228\t(2,227)\t\u2014*\u2022 o iq CM*\t2,227\t\n\t\t\t\tM\tco\t\t(M\t\to\t\t\tX\t\tX\t\tCM\t\tCM\t\t\n\t\t\ttS3\t\u00a9\t\t\t\u25bcH\t\t(M\t\t\t\t\t\t\trH\t\tCM\t\t\n\t\t\t\t02\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\t\t\tFi\tOO\tco\tX.\tX\tl>-\tX\t\tX\to\tX\tX\tX *\u25a0\u00bb\tiO\tr-H #N\tX\t\t\n\t\t\t\tl>\t\tr\u2014\t\tr-\t\t\tX\t\u2022 \u2022\tr>*\t\u2022 \u2022\t\t\tO\u201d\t\t\t\n\t\t\tr\u2014H\tCO\tCM\tco\tCM\tX\tCM\t\trH\to\trH\tCM\trH\tO\trH\tT-t\t\t\n\t\t\tFh\t\tCO\t\tX\t\tX\t\t\tX\t\tX\t\t\t\tX\t\tX\n\t\t\t\t\t\t\t\tZD\t# .\t\tt>-\t\th<\t\ths\t\tCM\t\tTfs\t\n\t\t\tr\u2014<\tr-\u2019 CO\tCM\tD- co\tCM\to- X\t(M\t\tCG rH\tH\t*\\\tCM\trH\trH\ttH\tCM\tiO rH\tT\u20141\n\t\t\t\t\tt>*\t\tZD\t\tX\t\t\tH<\t\tX\t\tCM\t\tX\t\tD-\n\t\t\t\tCO\t\tco\t\t\u2022-O\t\t\tX\t\tiO\t\t\u00bbo\t\tX\t\tuo\t\n\t\t\tj\tI>-\t\to-\t\tr\u2014\t\t\tCG\t* *\to-\"\t* *\t\t* *\t[>-\t\u2022 \u2022\t>o\t* *\n\t\t\t! ,-h\tco\tCO\tX\t\tX\tHS\t\tr-H\tX\trH\tT*\trH\tX\tH\tCM\trH\tX\n\t\t\t\t\tCO\t\tX\t\tX\t\t\tX\t\tT*\t\t\t\tX\t\t!>\u2022\n\tr-\t\tVh\tlO\t\tiO\t\t\t\t\tX\t\tX\t\tX\t\t\t\tX\t\n\tCM\t\t\tr-\t\to\t\t[>\t\t\tr> X\t\u2022 \u2022\t!>\u25a0\t\u2022 *\tD-\u201c\t* *\to-*s\t# *\tioT\t\u2022 *\n\t\t\t\u2014<\tCO\t\tco\t(M\tX\tHS\t\trH\tHS\trH\tX\trH\t\trH\t\trH\tX\n\t\tCO\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\t\tCM\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\t0)\tX\t\t\t\t\tX\t\tX\t\t\tX\t\tX\t\tCM\t\tTfS\t\tX\n\tr\u00b1J a\trH\tF-i\tTtl \u2022N r-\t* *\t\t\u2022*\tx^ r-\"\t\u2022 \u2022\t\t19\t\tD'-~\t\t**\t\to>\"\t\t\u00bbo'\t\u2022 \u2022\n\t\u00a9\t\u00a9\tp-H\tco\tco\tco\t\tX\tHS\t\t\tCM\trH\t(M\trH\tX\trH\tX\trH\t\n\t>\tr\u00a9\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\t\tg\tj\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\t5z;\t<D\tj\t\tCM\t\tX\t\tHS\t\t\tCM\t\tT*\t\tX\t\t\t\tX\n\t\t-4->\t; \u00bbh\tCO\t\tco\t\t(M\t\t\tr-\"\t\tX\t\tX\t\tX\t\tX\t\n\t\u00d6D\tA\t\trs O\u201d\t* *\tr*\t\"\tr-\t\t0)\tX\t* *\tr-\"\t\u2022 \u2022\t\u00bb\\ o-\t\u2022 \u2022\t\t\u2022 *\t\u00ab\\ \u00bbo\t\u2022 \u2022\nCD\t\t\u00a9\tr\u20144\tCO\tCO\tX\t\tX\tX\t\u2022 rH\trH\tX\trH\tX\trH\tCM\trH\tX\t\t\nF-H\t\tGO\t\t\t\t\t\t\t\t\u00a9\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n<U\tn\too \u2022 rH\t1\t\tCM\t\tCM\t\tCM\tO -P\t\tH<\t\tCM\t\tCM\t\tX\t\t\n-O\to\trO\tFh\t<M \u00abS\t\tM\t\u2022 \u2022\trH\t\u2022 .\tici\tCM\t\tX\t\tX.\t\ti>_\t\tX \u2022N\t\nm\t\t+3\t\tr-\t\tr\u00bb\t\tr-\t\tbd\tX\t\to-\t\tL''-\t\tt>\t\t>o\t\n\t_bd\tCO\tf\u20141\tco\tX\tX\tX\tX\tX\tHH\tt*h\tX\trH\tX\trH\tX\trH\t\trH\tX\nH\tO\tS3\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\t\tCJ\u00dc\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\t\u00a9\tO <!\t\tr\u2014i\tx\trH\tTjl\tO\u00bb\tHS\t\tX\tco\tX\tX\tX\t(M\tx^\tCM\tX\tCM\n\t\u00a9\tr\u00f6 S3\t-\ti>- CO\tl>\tD-\"~ X\tX\tX\tX\t\tr\\ X rH\tX\trH\tH<\trH\tX\trH\tX\trH\tX\n\tS3\tO\t\t\trH\t\tCM\t\tCM\t\t\tCM\t\to\t\tSM\t\to\t\trH\n\tJ-\t\tU\tc-\t\t!>\u25a0\t# ,\tX\t# .\t\th< <r\\\t\trH\t\trH\t\u2022 \u2022\tX\t\trH\t\n\t\u2022WSJ\t\t\tco\t\tX\t\tX\t\t\tX\t\t\u2022N\t\tX\t\t\t\tX\t\n\t\u00a3\t\t\t\t05\t\tX\tX\tX\t\t\tX\tGKJ rH\to rH\trH\tX\trH\to r\u20141\trH\tX\n\t\t\t\t\tO\t\to\t\to\t\t\tCM\t\tCM\t\trH\t\trH\t\to\n\t\t\tf-1\t05\t\t05__\t\tX <r\\\tm #\t\tiO \u2022N\t, m\tco_\t\tco \u2022N\t\u2022 \u2022\tX\tM.\tCM\t\n\t\t\t\t\t\tCO\t\tX\t\t\tX\t\tX\t\tX\t\trH\t\tX\t\n\t\t\t\t\tO\tX\to\tX\to\t\trH\tCG\trH\tX\trH\t\t\tX\trH\to\n\t\t\t\tU\u00bb J\trH\t\trH\t\trH\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\tT\u201d'\n\t\t\t\tM\t\tFh\t\tFh\t\t\tM\t\tFh\t\tm\t\tm\t\ts\u00bb\t\n\t\t\t\t\u00ab\t\tE\t\t\u00ab\t\t\tE\t\tE\t\tE\t\tE\t\tE\t\n\t\t\tU\t\tr-\t\tc-\t\tr'-\t\t\tX\t\tX\t\t\t\tX\t\t\n\t\t\t*<\t\tH\t\trH\t\trH\t\t\tX\t\tX\t\t\t\tX\t\t(M\n\t\t\t\t\tr~\t\tt'\u201d\t\to-\t\t\tO\t\to\t\to\t\to\t\tX\n\t\t\tE\t\tX\t\tX\t\tX\t\t\tCM\t\tCM\t\t(M\t\tCM\t\trH\n\t\t\t\t\tlO\t\tCM\t\tCM\t\t\tH\t\tHS\t\t\t\t\t\tX\n\t\t\t<1\t\tco\t\tX\t\tX\t\t\tCM\t\tCM\t\tCM\t\tCM\t\tCM\n\t\t\t.\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n\t\t\tPh \u00ee>\t\tE\t\tE\t\t0\t\t\tG.\t\tE\t\tE\t\tE\tM\tW","page":185},{"file":"p0186.txt","language":"de","ocr_de":"186\nHelmut Hahn\nunter der Voraussetzung des Zustandes der konstanten Empfindlichkeit der Nerven die arithmetische Summe der Adaptationstemperatur -)- dem Betrag an Temperaturver\u00e4nderung bestimmend ist, gleichg\u00fcltig wie grofs dieser Betrag gew\u00e4hlt wird. Da somit die Gr\u00f6fse bzw. Geschwindigkeit der Temperaturver\u00e4nderung f\u00fcr den Reizerfolg belanglos ist, so schliefsen wir, dafs die Reiztemperatur selber physikalisch die Empfindungsst\u00e4rken bestimmt.\nc) Die Bedeutung der Reizfl\u00e4che\nWeber1 hat darauf hingewiesen, dafs, wenn man in die gleiche Fl\u00fcssigkeit gleichzeitig einen Zeigefinger und die ganze andere Hand eintaucht, die Temperaturempfindung an der Hand eine st\u00e4rkere zu sein pflegt. Aus diesem Versuch schlofs Weber, dafs die Temperaturempfindung mit der Gr\u00f6fse der gereizten Fl\u00e4che wachse. Seitdem hat man gegen die F\u00e4higkeit der Temperaturnerven zur Summation (Verst\u00e4rkung) noch nie experimentell gest\u00fctzte Bedenken geltend gemacht.\nNachdem wir aus unseren Untersuchungen \u00fcber die Reizschwellen der Temperaturnerven 2 bereits das gr\u00f6fste Mifstrauen gegen das Vorhandensein von echten Summationserscheinungen im Bereich des Temperatursinnes gesch\u00f6pft hatten, berichten wir nunmehr \u00fcber neue Versuche, auf Grund derer wir ihr Vorhandensein \u00fcberhaupt als widerlegt betrachten.\nZu den in der Tabelle 5 zusammengestellten Versuchen haben wir jeweils beide H\u00e4nde um 5\u00b0 abgek\u00fchlt und wie \u00fcblich ihren Empfindlichkeitsunterschied gepr\u00fcft. Vergleichshand war bei diesen Versuchen die rechte, die im \u00fcbrigen mit verschiedenen Reizst\u00e4rken zwischen 30\u00b0 und 15\u00b0 in der \u00fcblichen raschen Folge durchgepr\u00fcft wurde. Die linke Hand wurde bei diesen Versuchen zu den Reizungen nun nicht bis zur Handwurzel, sondern mit ihr der ganze linke Unterarm bis zur Ellenbeuge eingetaucht. Bei dieser Anordnung h\u00e4tte also K\u00e4lteempfindung an der linken Hand eine st\u00e4rkere sein m\u00fcssen, als wenn wir sie allein ohne den Unterarm eingetaucht h\u00e4tten, falls die gr\u00f6fsere Reizfl\u00e4che die K\u00e4lteempfindung durch Summation verst\u00e4rken w\u00fcrde.\n1\tE. H. Weber, Tastsinn und Gemeingef\u00fchl. Leipzig, Verlag Engelmann. 1905. S. 107.\n2\tH. Hahn und K. Boshamer, Pfl\u00fcgers Arch. 215, 1\u20142 (1926), 166.","page":186},{"file":"p0187.txt","language":"de","ocr_de":"Psycho-physische Konstanten u. Variablen des Temperatur Sinnes. I 437\nTabelle 5\nVp. J. Goldscheider, April 1928\n- 1,3\t\t- 1,2\t\t- bl\t\t\u2014 1\t\t\u2014 0,9\t\t\u2014 0,8\t\t- 0,7\t\tU\n1\tr\t! 1\tr\t1\tr\t1\tr\t! 1 j\tr\t1\tr\t1\tr\t\n2\t8\t3\t7\t7\t3\t5 Vp\t5 Ha\t7 HN, ^\t3 Lpril\t7 1928\t3\t8\t2\t\u2014 1,082 (0,981)\n-\t2,5\t\t\u2014 2,4\t\t- 2,3\t\t- 2,2\t\t! \u2014 2,1 ! 7\t\t\u2014 2 j\t\t- 1,9\t\tU\n1\tr\t1\tr\t1\tr\t1\tr\ti i l\tr\t1\t1 r\t1\tr\t\n2\t8\t5\t5\t4\t6\t! 5\t5\t6\t4\t6\t4\t8\t2\t\u2014 2.250 (2,227)\nAuch bei diesen Versuchen ist die Unterschiedsempfindlichkeit bei beiden Vpn. etwas unsicherer als sonst, wiederum in wahrscheinlichem Zusammenhang mit der ungewohnten Versuchs-anordnung. Die Werte f\u00fcr U stimmen aber so genau mit den bei Pr\u00fcfung der Unterschiedsempfindlichkeit an beiden H\u00e4nden allein gefundenen Werten (in Klammern beigef\u00fcgt) \u00fcberein, dafs wir einen Einflufs des Armes auf die Empfindlichkeit der Hand ablehnen k\u00f6nnen.\nWenn wir somit dem Temperatursinn die F\u00e4higkeit zur Summation der Erregung seiner Nerven absprechen m\u00fcssen, so geht aus diesen Versuchen auch noch die experimentell wichtige Folgerung hervor, dafs bei beiden Vpn. auch die linken H\u00e4nde st\u00e4rker k\u00e4lteempfindlich sind als s\u00e4mtliche Handgebiete am linken Unterarm. Denn bei Fortfall von Summationseinfl\u00fcssen m\u00fcssen offenbar diejenigen Nerven allein die Leitung f\u00fcr die Empfindungsst\u00e4rke \u00fcbernehmen, die am empfindlichsten sind. Auf Grund von Selbstbeobachtung m\u00f6chten wir urteilen, dafs die dominierenden Temperaturempfindungen von dem Handr\u00fccken auszugehen pflegen. Die eingangs angef\u00fchrte Beobachtung Webers erkl\u00e4rt sich damit einfach so, dafs ein Finger weniger temperaturempfindlich zu sein pflegt als die Mittelhand nnd aus diesem Grunde bei gleicher Reiztemperatur schw\u00e4chere Temperaturempfindungen als sie verursacht. In diesem Zusammenhang m\u00f6chten wir auch Versuche erw\u00e4hnen, bei denen wir neuerdings mittels unserer Temperatoren die W\u00e4rmereizschwelle an den Fingerballen von Hahns rechter Hand bestimmt haben.1 Die Schwellen lagen am Daumenballen bei 85\u00b0, am Zeigefinger bis zum kleinen Finger bei 31, 27. 33 und 33\u00b0 (nach jeweils 5 Minuten langer Abk\u00fchlung der Reizfl\u00e4che auf 20\u00b0). Da die Reizschwellen der W\u00e4rmenerven an Hahns Hohlhand stellenweise schon\n1 Methode siehe H. Hahn, Pfl\u00fcgers Arch. 215, 1\u20142 (1926), 136.","page":187},{"file":"p0188.txt","language":"de","ocr_de":"188\nHelmut Hahn\nbei 25\u00b0 liegen, so zeigen auch diese Versuche die bevorzugte Temperaturempfindlichkeit der Mittelhand.\nAus diesen Beobachtungen ergab sich uns die leicht verst\u00e4ndliche Wahl der ganzen Hand zu unseren s\u00e4mtlichen Reizversuchen. Denn bei ihr haben wir eine verschiedene Beeinflussung der Empfindungsst\u00e4rke nicht zu bef\u00fcrchten, falls wir sie nicht immer ganz gleichm\u00e4fsig tief in das Reizwasser tauchten, wenn f\u00fcr den Reizerfolg nur die Benetzung des Handr\u00fcckens entscheidend ist.\nBei dieser Gelegenheit m\u00f6chten wir noch darauf aufmerksam machen, wie gut die Werte von U an derselben Vp. untereinander \u00fcbereinstimmen, trotzdem sie von Versuchen herr\u00fchren, die zu sehr verschiedenen Jahreszeiten durchgef\u00fchrt worden sind. Auch bei allen unseren weiteren Untersuchungen haben wir innerhalb eines Jahres nicht den geringsten Anhalt f\u00fcr Schwankungen des Empfindlichkeitsunterschiedes der beiden H\u00e4nde unserer Vp. gewonnen. Diese weitere Konstanz des Empfindlichkeitsunterschiedes \u00fcber lange Zeitr\u00e4ume wird durch unsere Untersuchungen an Tr\u00e4gern eines Situs inversus (Hahn und Frohwein 1. c.) besser verst\u00e4ndlich, durch die wir den Empfindlichkeitsunterschied als das Ergebnis einer angeborenen Anlage und nicht als eine im Laufe der Zeiten ver\u00e4nderliche erworbene Eigenschaft erweisen konnten.\nd) Die Adaptationsbreite von Helmut Hahn und Robert Bruch\nMit den folgenden Untersuchungen ber\u00fchren wir bereits unmittelbar das Gebiet der Umstimmung der Erregbarkeit der Temperaturnerven, die wir zun\u00e4chst mit der Bestimmung der A d a p t a ti o n s b r e i t e von der K o n s t an z der Empfindlichkeit nur genau abzugrenzen bezwecken. Es handelt sich dabei um die Bestimmung des geringsten Betrages, den eine Temperaturver\u00e4nderung zum mindesten auf weisen mufs, damit ihr Reizerfolg frei von allen Adaptationseinfl\u00fcssen rein der Empfindlichkeit der Temperaturnerven gem\u00e4fs dem Gesetz der konstanten Summe entspricht.\nMan kann als absolute Adaptation den Zustand der Temperaturnerven bezeichnen, bei dem der Temperaturbestand ihrer Endorgane \u00fcberhaupt keine Temperaturempfindungen vermittelt. Die absolute Adaptation ist aber nichts als ein Sonder-","page":188},{"file":"p0189.txt","language":"de","ocr_de":"Psycho-physische Konstanten u. Variablen des Temperatursinnes. I 189\nfall des viel h\u00e4ufiger zu beobachtenden Zustandes einer relativen Adaptation, wie wir das Vorhandensein von Tem-peraturempfindungen bezeichnen, zu deren g\u00e4nzlicher Unterdr\u00fcckung die Umstimmung der Temperaturnerven nicht ausreicht, deren St\u00e4rke aber doch noch nicht ihrer konstanten Empfindlichkeit entspricht. Als Adaptationsbreite m\u00f6chten wir nun die Gesamtheit aller relativer und absoluter Adaptation zusammenfassen, innerhalb derer \u00fcberhaupt noch die Gesetze der Adaptation ihren \u00e4ufsersten Einflufs geltend machen.\nEs hat sich uns n\u00e4mlich gezeigt, dafs der Einflufs einer Adaptationstemperatur noch um einen gewissen Temperaturbetrag \u00fcber ihre physikalischen Grenzen hinausreicht. Adaptiert man eine Hand auf eine Temperatur und l\u00e4fst hernach einen um etwa nur 0,10 st\u00e4rkeren Temperaturreiz folgen, so erzielt man bei einer so geringf\u00fcgigen Temperaturver\u00e4nderung wohl meist eine Temperaturempfindung, aber von stets erheblich geringerer St\u00e4rke, als sie der jeweils gew\u00e4hlten Reiztemperatur nach Mafsgabe der konstanten Empfindlichkeit der Hand entsprechen m\u00fcfste. Zur Erzielung einer rein der Empfindlichkeit der Temperaturnerven entsprechenden Empfindung bedarf der Temperaturreiz eines ganz bestimmten Mindestbetrages, um den er sich von der jeweiligen Adaptationstemperatur unterscheiden mufs, andernfalls er noch in die bestehende Adaptionsbreite f\u00e4llt. Erst mit der Bestimmung dieses Mindestbetrages erreichen wir daher die gesamte Adaptationsbreite und ihre \u00e4ufserste Abgrenzung von der Konstanz der Empfindlichkeit.\nMethode\nZur Bestimmung der Adaptationsbreite haben wir die eine Hand als Versuchshand auf verschiedene Temperaturen l\u00e4ngere Zeiten hindurch adaptiert und danach zur Reizung ihre Temperatur um geringe Betr\u00e4ge ver\u00e4ndert. Die St\u00e4rke der so erzielten Temperaturempfindungen haben wir mit den Empfindungen verglichen, die an der anderen Vergleichshand durch Temperaturver\u00e4nderungen verursacht wurden, bei deren Gr\u00f6fse der Reizerfolg sicher aufserhalb der Adaptationsbreite liegen mufste.\nDie Reiztemperaturen haben wir hierbei so gew\u00e4hlt, dafs sie an der Versuchshand eine merklich st\u00e4rkere Temperaturempfindung h\u00e4tten verursachen m\u00fcssen, im Falle sie an beiden H\u00e4nden aufserhalb der Adaptationsbreite gelegen w\u00e4ren. Zur Erzielung","page":189},{"file":"p0190.txt","language":"de","ocr_de":"190\nHelmut Hahn\ndes eben merklichen Empfindungsunterschiedes bedienten wir uns dabei f\u00fcr die Versuchshand stets eines Temperaturreizes, der um 0,5\u00b0 st\u00e4rker war als wir ihn zur Erzielung gleichstarker Temperaturempfindungen ben\u00f6tigt h\u00e4tten. Unter Ber\u00fccksichtigung des Empfindlichkeitsunterschiedes von 2,2(27)\u00b0 mufsten wir hierzu beispielsweise Hahns rechte Hand als Versuchshand um 2,7\u00b0 st\u00e4rker abk\u00fchlen als die linke, die linke Hand als Versuchshand aber um 1,7\u00b0 weniger stark abk\u00fchlen als die rechte Vergleichshand, um in beiden F\u00e4llen an der Versuchshand die merklich st\u00e4rkere K\u00e4lteempfindung zu verursachen.\nBei einem Mehrbetrag von 0,5\u00b0 Reizst\u00e4rke konnten wir in Anbetracht der Unterschiedsempfindlichkeit des Temperatursinnes darauf rechnen, dafs bei Fehlen von Adaptationseinfl\u00fcssen in 5 Versuchen auch 5 mal die Empfindung an der Versuchshand als st\u00e4rker bezeichnet werden m\u00fcfste oder dafs doch h\u00f6chstens einmal ein Fehlurteil unterliefe. Der Einflufs der Adaptation auf die St\u00e4rke der Empfindungen der Versuchshand mufste sich dann darin geltend machen, dafs mit zunehmendem Einflufs ihre Empfindungen trotz des \u00dcberwiegens ihrer Reizst\u00e4rken zunehmend zu Fehlurteilen f\u00fchren mufsten. Dabei l\u00e4fst sich aus dem Auftreten gleichviel richtiger und falscher Urteile schliefsen, dafs die Empfindung an beiden H\u00e4nden gleichstark, die Erregbarkeit der Versuchshand als um den Mehrbetrag ihrer Reizst\u00e4rken von 0,5\u00b0 durch die Adaptation herabgesetzt sei. Wurden gar ausschliefslich oder doch in 5 Versuchen mindestens 4 Fehlurteile abgegeben, so d\u00fcrfte die Herabsetzung der Erregbarkeit der Versuchshand 0,5\u00b0 \u00fcberschreiten und mindestens ca. 1,0\u00b0 betragen.\nVersuche\nBei der Bestimmung ihrer Adaptationsbreiten mufsten wir zweierlei Eigenschaften der Adaptationstemperaturen ber\u00fccksichtigen, einmal ihren Reizwert selber, zum zweiten die Ausgiebigkeit der Umstimmung der Nerven gegen diesen Reizwert.\nZur Pr\u00fcfung des letzteren Einflusses haben wir die Versuchshand auf stets die n\u00e4mliche Temperatur adaptiert und untersucht, um einen wie grofsen Betrag ihre Temperatur zur Erzielung einer adaptationsfreien K\u00e4lteempfindung ver\u00e4ndert werden mufste, wenn wir die Adaptationszeiten ver\u00e4nderten. Denn da die Ausgiebigkeit der nerv\u00f6sen Umstimmung mit wechselnden Zeiten zunehmend bis zur absoluten Adaptation fortschreitet, so m\u00fcfste ein Einflufs der Ausgiebigkeit der Adaptation gegebenenfalls sich an einem Anwachsen der Adaptationsbreite mit wachsenden Adaptationszeiten kundtun.\nVersuchshand war Hahns linke Hand, die w\u00e4hrend V2 bzw. 1 bzw. 2 bzw. 3 Minuten auf stets 20\u00b0 adaptiert und hernach um den zu ermitteln-","page":190},{"file":"p0191.txt","language":"de","ocr_de":"Psycho-physische Konstanten u. Variablen des Temperatursinnes. I 191\nden Betrag weiter abgek\u00fchlt wurde. Zum Vergleich dienten die K\u00e4lteempfindungen, die wir an der rechten Vergleichshand durch deren Abk\u00fchlung von 38\u00b0 auf den physiologisch um 0,5\u00b0 schw\u00e4cheren K\u00e4ltereiz erzielten. Die Vergleichshand wurde dabei 5 Sekunden fr\u00fcher in ihr Reizwasser getaucht, damit im Zeitpunkt des Vergleiches ihre Temperaturver\u00e4nderung auch sicher beendet war. Die Vp. hatte zu entscheiden, ob die K\u00e4lteempfindung der Versuchshand innerhalb der n\u00e4chsten 5 Sekunden nach dem Eintauchen in ihr Reizwasser die Empfindung der Vergleichshand \u00fcberhaupt \u00fcberschritt oder nicht erreichte. Nach jedem Versuch wurden beide H\u00e4nde zur vollkommenen R\u00fcckbildung ihrer Adaptation 5 Minuten lang auf 38\u00b0 erw\u00e4rmt. VI. bei allen Versuchen dieses Abschnittes an Hahn war Bruch, bei den Versuchen an J. Goldscheider Hahn. Die Versuche fanden im April bis August 1928 statt. Die Ergebnisse haben wir unter folgenden Zeichen in der Tabelle 6 (S. 192) eingetragen:\nunter Zt die Dauer der Adaptationszeiten;\nunter TD die Betr\u00e4ge, um die die Versuchshand zur K\u00e4ltereizung abgek\u00fchlt wurde;\nunter RI die tats\u00e4chlichen Reiztemperaturen der Versuchshand;\nunter Rr die Reiztemperaturen der Vergleichshand;\nunter 1 bzw. r die Anzahl Urteile, die die K\u00e4lteempfindung an der linken Versuchshand bzw. an der rechten Vergleichshand als st\u00e4rker bezeichneten.\nAus den Tabellen werten m\u00fcssen wir schliefsen, dafs die Zeitdauer der Adaptation auf die endg\u00fcltige Adaptation s breite \u00fcberhaupt keinen Einflufs hat. Denn bei allen 4 Adaptationszeiten ben\u00f6tigten wir zu den 5 1-Urteilen, die uns den Beweis f\u00fcr die adaptationsfreie Empfindlichkeit der Versuchshand liefern sollten, eine beinahe gleiche Temperaturver\u00e4nderung von 0,9\u20141,0\u00b0.\nDa wir ja mit der Adaptationsbreite nichts weiter als den \u00e4\u00fcf sers ten Einflufs einer Adaptationstemperatur bestimmen wollen, haben die weiteren Tabellenwerte f\u00fcr die vorliegende Betrachtung keine besondere Bedeutung, die Durchf\u00fchrung ihrer Versuche sollte uns vorwiegend nur die unwissentliche Pr\u00fcfung erm\u00f6glichen. Methodisch ist an diesen Ergebnissen aber doch von Belang, dafs danach innerhalb der Adaptationsbreite die Adaptationszeiten allerdings einen nicht unbetr\u00e4chtlichen Einflufs auf die Erregbarkeit der Nerven haben. Denn mit steigenden Adaptationszeiten nimmt die Umstimmung der Versuchshand gegen\u00fcber den Temperaturver\u00e4nderungen von weniger als 0,9\u00b0 steigend zu, so dafs bei der l\u00e4ngsten Adaptationszeit von 3 Minuten eine Temperaturver\u00e4nderung von 0,7\u00b0 bereits 5 r-Urteile zeitigt, die bei einer nur 30 Sekunden w\u00e4hrenden Adaptation noch 3 1 Urteile erm\u00f6glicht hatte. Die l\u00e4ngeren Adaptationszeiten erlauben dadurch eine genauere Abgrenzung der Adaptationsbreiten, weshalb wir bei allen weiteren Versuchen die Adaptationszeiten immer auf 3 Minuten ausgedehnt haben.\nZeitschr. f. Sinnespliysiol. 60\n13","page":191},{"file":"p0192.txt","language":"de","ocr_de":"192\nHelmut Halm\nTabelle 6\nMai bis Juni 1928 Vp. Hahn\nzt Min.\tTD Grad\tRI Grad\tRr Grad\t1\tr\n1/2\t1 1,0\t19\t17,3\t5\t0\n1/2\t0,9\t19,1\t17,4\t5\t0\n1/2\t0,8\t19,2\t17,5\t4\t1\n1/2\t0,7\t19,3\t17,6\t3\t2\n1/2\t0,6\t19,4\t17,7\t3\t2\n1/2\t0,5\t19,5\t17,8\t2\t3\n1/2\t0,4\t19,6\t17,9\t1\t4\n1/2\t0,3\t19,7\t18\t1\t4\n1/2\t0,2\t19,8\t18,1\t1\t4\n1/2\t0,1\t19,9\t18,2\t0\t5\n1\t1,0\t19\t17,3\t4\t1\n1\t0,9\t19,1\t17,4\t5\t0\n1\t0,8\t19,2\t17,5\t4\t1\n1\t0,7\t19,3\t17,6\t2\t3\n1\t0,6\t19,4\t17,7\t3\t2\n1\t0,5\t19,5\t17,8\t2\t3\n1\t0,4\t19,6\t17,9\t0\t5\n1\t0,3\t19,7\t18\t0\t5\n2\t1,0\t19\t17,3\t5\t0\n2\t0,9\t19,1\t17,4\t5\t0\n2\t0.8\t19,2\t17,5\t3\t2\n2\t0,7\t19,3\t17,6\t1\t4\n2\t0,6\t19,4\t17,7\t2\t3\n2\t0,5\t19,5\u2019\t17,8\t0\t5\n3\t1,0\t19\t17,3\t5\t0\n3\t0,9\t19,1\t17,4\t2\t3\n3\t0,8\t19,2\t17,5\t2\t3\n3\t0,7\t19,3\t17,6\t0\t5\n3\t0,6\t19,4\t17,7\t0\t5\nZur Untersuchung des Einflusses, den der Reizwert der Adaptationstemperaturen auf ihre Adaptationsbreiten hat, haben wir Hahns linke Versuchshand in der gleichen Weise untersucht, sie aber statt auf 20\u00b0 auf 25\u00b0 bzw. 30\u00b0 bzw. 35\u00b0 3 Minuten lang adaptiert.","page":192},{"file":"p0193.txt","language":"de","ocr_de":"Psycho-physische Konstanten u. Variablen des Temperatursinnes. I 193\nVor jeder Versuchsserie mit diesen Adaptationstemperaturen wurden beide H\u00e4nde zun\u00e4chst 15 Minuten auf 38\u00b0 erw\u00e4rmt, damit ihre K\u00e4ltenerven beim Beginn der Versuche ihre volle Empfindlichkeit hatten. Die Ergebnisse sind in Tabelle 7 zusammengestellt, in der wir unter A die verwandten Adaptationstemperaturen und unter Rdie Temperaturver\u00e4nderungen eingetragen haben, deren Betrag die Erzielung einer adaptationsfreien K\u00e4lteempfindung eben erm\u00f6glichte. Zwischen A und R haben wir am Kopfende der Tabelle das Verh\u00e4ltnis von 1- zu r-Urteilen vermerkt, und in den zugeh\u00f6rigen L\u00e4ngskolonnen die Temperaturver\u00e4nderungen, die das be-zeichnete Urteilsverh\u00e4ltnis ergeben hatten.\nTabelle 7\nJuni bis Juli 1928. Vp. Hahn\nA\t5 1 : 0 r\t4 1 : 1 r\t3 1 2 r\t2 1 : 3 r\t1 1 : 4 r\t0 1 : 5 r\tR\n20\t1,0\t\t\t0,9\tGO cT\t0,7\t1,0\n25\t1,7\t1,6\t1,5\t\t1,4\t1,3\t1,7\n30\t2,5\t\t2,4 h. 2,3\t\t2,1\t2,1\t\n35\t2,9\t2,8 u. 2,7\t\t\t\t2,6\t2,9\nDie Ergebnisse dieser Tabelle haben wir in ein Koordinatensystem eingetragen (Abb. 1), dessen Abszissenwerte die Adaptationstemperaturen (A), dessen Ordinaten den zur Erzielung einer adaptationsfreien K\u00e4lteempfindung ben\u00f6tigten Mindestbetrag an Temperaturver\u00e4nderung (R) entsprechen. Um diese Kurve noch weiter zu erg\u00e4nzen, haben wir Hahns Versuchshand auf s\u00e4mtliche vollen Temperaturgrade zwischen 35 und 15 0 adaptiert und in der beschriebenen Weise um die zu ermittelnden Betr\u00e4ge abgek\u00fchlt. Hierbei haben wir jeden Einzelbetrag aber nicht mehr 5mal durchgepr\u00fcft, sondern uns mit einem einzigen Versuch begn\u00fcgt. Und zwar haben wir mit den Betr\u00e4gen so lange um 0,1\u00b0 gewechselt, bis wir 3 mal hintereinander eine st\u00e4rkere K\u00e4lteempfindung an der linken Hand erzielt hatten, und dann den geringsten der 3 hierzu ben\u00f6tigten Betr\u00e4ge als den gesuchten Mindestbetrag in die Kurve eingezeichnet. Wenn eine geringere Temperaturver\u00e4nderung schon ein 1*Urteil herbeif\u00fchrte, eine gr\u00f6fsere dann aber doch noch ein r-Urteil veranlafste, so verlor das 1-Urteil dadurch seine G\u00fcltigkeit, doch war eine derartige \u00dcberkreuzung der Versuchsergebnisse bei der grofsen Deutlichkeit dieser Versuche kein sehr h\u00e4ufiges Vorkommnis.\nIn der gleichen Weise haben wir eine Reihe Versuche unter\n13*","page":193},{"file":"p0194.txt","language":"de","ocr_de":"194\nHelmut Hahn\nBenutzung Hahns rechter Hand als Versuchshand mit Adap-tationstemperaturen von 30\u00b0, 25\u00b0, 20\u00b0 und 15\u00b0 durchgef\u00fchrt. Bemerkens werterweise stimmten die Ergebnisse dabei trotz des grofsen Empfindlichkeitsunterschiedes von Hahns beiden H\u00e4nden so genau mit den Ergebnissen an Hahns linker Versuchshand \u00fcberein, dafs wir sie nicht getrennt in die Kurve einzeichnen mochten. Der gr\u00f6fste Unterschied betrug n\u00e4mlich nur einmal 0,3\u00b0. Die gleiche Untersuchung an J. Goldscheiders linker Versuchshand ergab aber das Vorhandensein gr\u00f6fserer individueller Unterschiede der Adaptationsbreiten bei verschiedenen Versuchspersonen. Ihre in gestrichelter Linienf\u00fchrung in der Abb. 1 beigef\u00fcgten Versuchsergebnisse weichen ersichtlich nicht unbetr\u00e4chtlich von der an Hahn ermittelten Kurve ab.\n?____________________i___________________i___________________i__________________\n15\t20\t25\t30\t35\nAbbildung 1\nK\u00e4ltereize. Abszissen werte: Adaptationstemperaturen. Ordinatenwerte : Temperaturdifferenzen zwischen Adaptations- und Reiztemperaturen. Kurve I: Versuchsergebnisse an Hahn. Kurve II: Versuchsergebnisse\nan J. Goldscheider\nAbbildung 2 W\u00e4rmereize. Vp. Hahn\nZur analogen Untersuchung der Adaptationsbreiten an den W\u00e4rmenerven wurde Hahns linke Hand als Versuchshand auf alle ganzen Temperaturgrade zwischen 26\u00b0 und 38\u00b0 5 Minuten lang adaptiert und um die zu ermittelnden Betr\u00e4ge erw\u00e4rmt. Die Vergleichshand befand sich w\u00e4hrenddessen in Wasser von 20\u00b0 und wurde \u00f6 Sekunden vor dem Zeitpunkt des Vergleiches in ihr Reizwasser getaucht, dessen Temperatur einen um 0,5\u00b0 physiologisch geringeren Reiz wert als das Reiz wasser f\u00fcr die Versuchs-","page":194},{"file":"p0195.txt","language":"de","ocr_de":"Psycho-physische Konstanten u. Variablen des Temperatursinnes. I 195\nhand hatte. Vor jeder Versuchsserie mit einer neuen Adaptationstempe-ratur befanden sich beide H\u00e4nde 15 Minuten in Wasser von 20\u00b0. Die Ergebnisse haben wir in Abb. 2 eingezeichnet; ihnen liegt der Durchschnittswert einer 3 maligen Durchpr\u00fcfung jedes angewandten Betrages von Temperaturver\u00e4nderungen zugrunde.\nBei allen Versuchen waren der Vp. nur die Adaptationstemperaturen ihrer beiden H\u00e4nde bekannt, die sie selber sorgf\u00e4ltig kontrollierte, w\u00e4hrend der VI. die Einstellung der zur unwissentlichen Pr\u00fcfung dienenden beiden Reiztemperaturen besorgte.\nAus den Versuchen geht mit grofser Deutlichkeit ein nicht unerheblicher Einflufs des Reizwertes einer Adaptationstemperatur auf die Adaptationsbreite hervor. Und zwar nimmt die Adaptationsbreite sowohl der W \u00e4rmenerven wie der K\u00e4ltenerven mit zunehmen der Reizst\u00e4rk e off en-bar ziemlich gleichm\u00e4fsig ab, wobei der Verlauf unserer Kurven sich einer Geraden ann\u00e4hert.\nBesprechung der Yersuclisergebnisse\nDie genaue Bekanntschaft der Adaptationsbreite jedes Temperaturreizes ist in verschiedener Beziehung von gr\u00f6fster methodischer Bedeutung. Auch wir haben bei einzelnen unserer fr\u00fcheren Untersuchungen diesen Umstand trotz aller orientierender Versuche nicht immer gen\u00fcgend ber\u00fccksichtigen k\u00f6nnen. Zum Vergleich des Reizerfolges grofser und kleiner Temperaturver\u00e4nderungen haben wir beispielsweise sogar beim Grundversuch1 urspr\u00fcnglich die eine Hand von 35\u00b0 um nur einen ganzen Grad erw\u00e4rmt, trotzdem ihre ganz adaptationsfreie W\u00e4rmeempfindung an Hahn erst bei einer Erw\u00e4rmung um 1,1\u00b0 gew\u00e4hrleistet wird. In der Einleitung dieser Arbeit haben wir deshalb bereits den Grundversuch mit einer Erw\u00e4rmung der Hand um 2\u00b0 angegeben. Einige andere W\u00e4rmeversuche2, bei denen wir ebenfalls fr\u00fcher die Adaptationsbreite um ein geringes \u00fcberschritten hatten, sind erst jetzt durch unsere letzten genauen Bestimmungen \u00fcber das Gesetz der konstanten Summe methodisch gen\u00fcgend sichergestellt, ohne dafs wir deswegen \u00fcbrigens an unseren fr\u00fcheren Schlufsfolgerungen das Geringste zu \u00e4ndern h\u00e4tten.\nVon besonderem theoretischen Interesse ist die von uns als Adaptationsbreite bezeichnete Erscheinung f\u00fcr diejenigen Bestimmungen, die urspr\u00fcnglich ebenfalls der Unterschiedsempfindlichkeit zugerechnet wurden, von Thunberg3 und neuerdings besonders von Gertz4 als Reizsch wellenbestimmungen be-\n1\tH. Hahn, Pfl\u00fcgers Arch. 215, 1\u20142 (1926), S. 149.\n2\tEbenda S. 151.\n3\tT. Thunberg, Nagels Handbuch der Physiologie des Menschen. III. 1904.\n4\tE. Gertz, Zeitschr. /'. Sinnesphysiol. 52, 43.\t1921.","page":195},{"file":"p0196.txt","language":"de","ocr_de":"196\nHelmut Hahn\ntrachtet werden. Wenn n\u00e4mlich die Temperatur eines absolut adaptierten Hautgebietes um immer kleinere Betr\u00e4ge ver\u00e4ndert wird, so mufs offenbar die dadurch erzielte Temperaturempfindung zunehmend schw\u00e4cher werden, da ja der Einflufs der Adaptation auf die St\u00e4rke der Empfindungen mit wachsendem Abstand von der Konstanz der Empfindlichkeit st\u00e4ndig anw\u00e4chst. Eingehende Untersuchungen von Gertz1 haben nun ergeben, dafs zur Erzielung einer K\u00e4lteempfindung an absolut adaptierter Haut deren Temperatur um mindestens 0,15\u00b0, zur Erzielung einer W\u00e4rmeempfindung um 0,2\u20140,25\u00b0 in der Minute ver\u00e4ndert werden mufs, anderenfalls eine Temperaturempfindung \u00fcberhaupt ausbleibt. In derselben Gr\u00f6fsenordnung bewegen sich die Angaben von Kuller2, der einen Abstand von mindestens 0,0035\u00b0\u20140,0053\u00b0 zwischen Adaptations- und Reiztemperatur bei 2 Sekunden langer Einwirkung der Reiztemperatur zur Erzielung einer Temperaturempfindung ben\u00f6tigte. Unter Zugrundelegung der Theorie Webers w\u00fcrde hierbei die Temperaturver\u00e4nderung allerdings durch die angegebenen Geschwindigkeiten die Reizschwellen der Temperaturnerven bestimmen. Tats\u00e4chlich m\u00fcssen wir aber alle die Bestimmungen den Messungen unserer Adaptationsbreite zurechnen. Denn Gerrz und Kuller haben offenbar denjenigen Betrag festgestellt, um den die absolute Adaptation \u00fcber die physikalische Adaptationstemperatur hinausreicht, w\u00e4hrend unsere eigenen Untersuchungen die Grenzen der relativen Adaptation bestimmen.\nBemerkenswert erscheint uns ferner an den Untersuchungen\no\nvon Gertz und Kuller, dafs nach ihnen die Umstimmung der Erregbarkeit der Temperaturnerven von der Erregung des zentralsten Anteiles des beteiligten Nervensystems unabh\u00e4ngig ist, da ja bei der Anwendung der sehr langsamen Temperaturver\u00e4nderungen die Adaptation auch ohne begleitende Temperaturempfindungen fortschreitet. Diese Tatsache enth\u00e4lt bereits einen Beitrag zu unserer Auffassung von dem Wesen der Adaptation, die wir als \u00fcberhaupt unabh\u00e4ngig von der eigentlichen Erregung der Temperaturnerven betrachten und an die \u00e4ufserste Peripherie der Nerven verlegen, wof\u00fcr wir sp\u00e4ter noch unmittelbarere Beweise anf\u00fchren werden.\n1\tEbenda S. 32 ff.\n2\tE. A. K. Kuller, Archives of Psychol. 81, 1. 1926.","page":196},{"file":"p0197.txt","language":"de","ocr_de":"Psycho-physische Konstanten u. Variablen des Temperatursinnes. I 197\nDie aufserordentlich geringf\u00fcgigen Betr\u00e4ge der Temperaturver\u00e4nderungen, die an absolut adaptierten Hautstellen bereits zur Ausl\u00f6sung von Temperaturempfindungen ausreichen, liefern auch die Erkl\u00e4rung, warum Fechner u. a. die Unterschiedsempfindlichkeit des Temperatursinnes so sehr viel feiner als wir fanden, so dafs sie Temperaturen von weniger als V100 Unterschied noch sicher unterscheiden konnten. Bei dem Verfahren Fechners wird n\u00e4mlich die betreffende Hautstelle auf die erste der beiden zu unterscheidenden Temperaturen adaptiert. Die zweite Temperatur braucht dann offenbar um nur einen sehr geringen Betrag von der ersten abzuweichen, damit sie aufserhalb der absoluten Adaptationsbreite zu einer neuen Temperaturempfindung f\u00fchren kann, die dann allein schon durch ihre Qualit\u00e4t die Richtung der Temperaturver\u00e4nderung verraten mufs. Um die so erzielte Unterscheidung von Temperaturreizen auch begrifflich von der Unterschiedsempfindlichkeit streng zu trennen, schlagen wir ihre Benennung als Unterscheidungs verm\u00f6gen vor, das also beim Temperatursinn unter dem Einflufs der Adaptation gegen\u00fcber der reinen Unterschiedsempfindlichkeit im engeren Sinne wesentlich gesteigert werden kann. (Die Zusammenfassung und Schlufsfolgerungen befinden sich am Schlufs des II. Teiles.)","page":197},{"file":"p0198.txt","language":"de","ocr_de":"198\n(Aus der I. Medizinischen Klinik der Charit\u00e9, Berlin)\nDie psycho-physischen Konstanten und Variablen\ndes Temperatursinnes\nII* Umstimmung der Erregbarkeit der Temperaturnerven\nVon\nHelmut Hahn Mit 9 Abbildungen im Text\nInhalt\nEinleitung.............................\nExperimenteller Teil nebst Besprechung der ergebnisse ................................\na)\tDie Abstimmung der Erregbarkeit.........\nb)\tDie Anstimmung der Erregbarkeit.........\nc)\tErg\u00e4nzende Beobachtungen................\nScblufsfolgerungen .... ;\nZusammenfassung.................\nSeite\n.............198\nV ersuchs-\n.............199\n.............199\n...........208\n.............214\n...........220\n.............230\nEinleitung\nAls Abschlufs unserer Neubearbeitung des Temperatursinnes haben wir den u. E. wichtigsten aber auch schwierigsten Gegenstand, die Adaptation, bis zum Schlufs unserer Untersuchungen zur\u00fcckstellen m\u00fcssen. Eine fr\u00fchere Behandlung dieses Gegenstandes war auch gar nicht m\u00f6glich; k\u00f6nnen wir doch bei der Darstellung der Adaptation kaum eine einzige unserer bisherigen Feststellungen entbehren.\nUnter dem Begriff der Konstanz der Empfindlichkeit haben wir einen genauen Einblick gewonnen, wTie zwei Temperaturreize beschaffen sein m\u00fcssen, damit die durch sie verursachten Temperaturempfindungen die gleiche St\u00e4rke aufweisen. Wir haben gesehen, unter wie mannigfache Versuchsbedingungen","page":198},{"file":"p0199.txt","language":"de","ocr_de":"Psy clio-physische Konstanten u. Variablen des Temperatursinnes. II 199\nman dabei die Reiztemperaturen bringen kann, ohne ihren Reizerfolg zu beeintr\u00e4chtigen, so dafs wir f\u00fcr den Reizwert eines Temperaturreizes einzig seine physikalische Temperatur verantwortlich machen konnten. Nunmehr werden wir Versuche schildern, bei denen dieselbe Reiztemperatur unter dem Einflufs der Adaptation sehr wechselnd starke Temperaturempfindungen verursacht. Da bei diesen Versuchen die Reiztemperaturen unter den ganz gleichen physikalischen Bedingungen wie bei unseren fr\u00fcheren Untersuchungen stehen, so kann der Unterschied in der St\u00e4rke der Empfindungen also nur von einer Ver\u00e4nderung der Erregbarkeit der Temperaturnerven herr\u00fchren.\nDie Ver\u00e4nderung der Erregbarkeit der Temperaturnerven unter dem Einflufs der Adaptation besteht nun ausnahmlos in ihrer Herabsetzung, so dafs wir die konstante Empfindlichkeit der Nerven auch als ihre optimale Erregbarkeit bezeichnen k\u00f6nnten. Die Herabsetzung der Erregbarkeit der Nerven kommt zustande, wenn die Dauer einer Temperaturreizung einen bestimmten Zeitbetrag \u00fcberschritten hat. Nach Beendigung der Temperaturreizung steigt die Erregbarkeit der Nerven sofort wieder an und erreicht schliefslich wieder den Ausgangspunkt ihrer optimalen konstanten Empfindlichkeit. F\u00fcr diese noch nie n\u00e4her untersuchten Ver\u00e4nderungen der Erregbarkeit der Temperaturnerven steht uns in dem bekannten HEaiNGschen Begriff der Umstimmung der Erregbarkeit eine gen\u00fcgend zutreffende allgemeine Bezeichnung zur Verf\u00fcgung. Zur Vermeidung st\u00e4ndiger Wiederholungen schlagen wir vor, diese Bezeichnung in der Weise sinngem\u00e4fs abzuwandeln, dafs wir das Absinken der Erregbarkeit der Temperaturnerven unter dem Einflufs eines konstanten Temperaturreizes als ihre Abstimmung, das Wiederansteigen ihrer Erregbarkeit nach Absetzen des Reizes als ihre An Stimmung benennen.\nExperimenteller Teil nebst Besprechung der Yersuchsergebnisse\na) Die Abstimmung der Erregbarkeit\nMethode\nZu allen Versuchen dieses Abschnittes dienten die beiden H\u00e4nde der Vp. getrennten Zwecken und befanden sich unter ganz verschiedenen Versuchsbedingungen:","page":199},{"file":"p0200.txt","language":"de","ocr_de":"200\nHelmut Hahn\nAn der Versuchshand, von jetzt ab stets der linken Hand, wurde der Einflufs der Adaptation auf die Intensit\u00e4t ihrer Temperaturempfindungen beobachtet. Die Versuchshand wurde daher stets mindestens so lange in dem jeweiligen Reizwasser belassen, bis sie sich auf dessen Temperatur zu adaptieren begann. An der rechten Vergleichshand dagegen vermieden wir den Eintritt in die Adaptation dadurch, dafs wir sie jeweils nur so kurz mit ihrem Reizwasser in Ber\u00fchrung brachten, dafs der Zustand ihrer konstanten Empfindung nicht \u00fcberschritten wurde. An der Vergleichshand entsprachen also die Temperaturempfindungen rein der St\u00e4rke der angewandten Temperaturreize nach Mafsgabe ihrer konstanten Empfindlichkeit.\nDas Ziel unserer Versuche war, f\u00fcr jedes Stadium der Adaptation an der Versuchshand diejenige Reiztemperatur f\u00fcr die Vergleichshand zu finden, bei der die Intensit\u00e4t der Temperaturempfindungen an beiden H\u00e4nden im gegebenen Augenblick die gleiche war. Damit hatten wir unmittelbar den gesuchten Betrag, um den die Erregbarkeit der Temperaturnerven der Versuehshand gegen\u00fcber ihrer konstanten Empfindlichkeit umgestimmt war. Hierbei mufsten wir nur noch den Empfindlichkeitsunterschied der beiden H\u00e4nde ber\u00fccksichtigen. Da indessen zwei Gr\u00f6fsen untereinander gleich sind, wenn sie einer dritten Gr\u00f6lse gleichen, so k\u00f6nnen wir aus der Tatsache gleichstarker Temperaturempfindungen an der abgestimmten Versuchshand und der konstant empfindlichen Vergleichshand leicht die Reiztemperaturen berechnen, die auch an der Versuchshand im Zustande ihrer konstanten Empfindlichkeit die entsprechenden Temperaturempfindungen verursacht h\u00e4tten.\nDa der Empfindlichkeitsunterschied der H\u00e4nde nur eine individuelle Variable darstellt, haben wir der einfacheren \u00dcbersicht halber vorgezogen, ihn bei s\u00e4mtlichen Angaben dieses Abschnittes durch eine Umrechnung zu beseitigen. Alle folgenden Angaben \u00fcber die Reiztemperaturen der rechten Hand stimmen daher nicht mit unseren tats\u00e4chlichen Versuchsergebnissen \u00fcberein, sondern weichen von ihnen um den bekannten Wert U des Empfindlichkeitsunterschiedes ab. Zur Wiederherstellung der tats\u00e4chlichen Verh\u00e4ltnisse w\u00e4re also bei den Angaben und Kurven \u00fcber die Umstimmung der K\u00e4ltenerven von Hahn ein Betrag von + 2,25\u00b0 zu addieren, f\u00fcr die W\u00e4rmereize ein Betrag von 0,25 zu subtrahieren. Entsprechend lagen die Temperaturen der","page":200},{"file":"p0201.txt","language":"de","ocr_de":"Psycho-physische Konstanten u. Variablen des Temperatursinnes. II 201\nW\u00e4rmereize f\u00fcr die Vergleichshand von J. Goldscheider tats\u00e4chlich stets um 0,05\u00b0 h\u00f6her als die angegebenen, die K\u00e4ltereize um 0,95\u00b0 tiefer. Dadurch erzielen wir Verh\u00e4ltnisse, wie sie bei einer Vp. mit gleich temperaturempfindlichen H\u00e4nden vorl\u00e4gen, wodurch der Einblick in die Adaptation an Eindeutigkeit und seine Besprechung an K\u00fcrze gewinnt.\nDie Versuchsanordnungen f\u00fcr die Versuchshand und f\u00fcr die Vergleichshand unterschieden sich folgendermafsen : Vor Beginn jeder Untersuchungsserie der Abstimmung der K\u00e4ltenerven befand sich die Versuchshand stets zun\u00e4chst mindestens 5 Minuten in Wasser von 38\u00b0. Hierauf wurde sie f\u00fcr 3 Minuten in ein Wasser getaucht, dessen Temperatur um 3\u00b0 h\u00f6her lag als das Reizwasser, und erst dann in das eigentliche Reizwasser getaucht, so dafs sie zu den eigentlichen Reizungen stets gleichm\u00e4fsig um 3\u00b0 abgek\u00fchlt wurde. In dem Reizwasser verblieb sie unter den gewohnten rudernden Bewegungen, bis zu einem gew\u00e4hlten Augenblick ihre K\u00e4lteempfindung mit der K\u00e4lteempfindung der Vergleichshand verglichen wurde. Dann wurde die Versuchshand sofort in das Wasser von 38\u00b0 zur\u00fcckgehoben und in ihm wieder 5 Minuten belassen, danach der Versuch in der gleichen Weise wiederholt. Bei der Pr\u00fcfung der W\u00e4rmenerven befand sich die Versuchshand entsprechend zun\u00e4chst 5 Minuten in Wasser von 35\u00b0 und wurde dann stets unmittelbar in das Reizwasser von 38\u00b0 getaucht, aus dem sie nach stattgefundenem Vergleich mit der Empfindung der Vergleichshand wieder f\u00fcr 5 Minuten in das Wasser von 35\u00b0 zur\u00fcckkehrte. Bei der zweiten W\u00e4rme-Reiztemperatur von 33\u00b0 betrugen die entsprechenden Zwischentemperaturen und \u2014 Zeiten 30\u00b0 und ebenfalls 5 Minuten, so dafs auch die W\u00e4rmereizungen durch eine Temperaturver\u00e4nderung von stets 3\u00b0 erzielt wurden.\nDie Vergleichshand befand sich zur Pr\u00fcfung der K\u00e4ltenerven w\u00e4hrend der gesamten Versuchsdauer in dem Wasser von 38\u00b0 und wurde jeweils nur f\u00fcr 5 Sekunden in ihr Reizwasser getaucht. Zur Pr\u00fcfung der W\u00e4rmenerven blieb die Hand st\u00e4ndig in Wasser von 21\u00b0 bei einer jeweiligen Reizdauer von ebenfalls 5 Sekunden. Vor Beginn jeder Versuchsserie befand sich die Vergleichshand stets bereits 10 Minuten in ihrem Vorbereitungswasser. Alle diese letzteren Temperaturangaben sind tats\u00e4chliche, die Umrechung von Temperaturen zur Ausschaltung","page":201},{"file":"p0202.txt","language":"de","ocr_de":"202\nHelmut Hahn\ndes EmpfindlichkeitsuDterschiedes bezieht sich ausschliefslich auf die Rei z temperaturen der Vergleich shand.\nDie Vp. kontrollierte st\u00e4ndig die Temperaturen der beiden Vorbereitungswasser und des Reizwassers f\u00fcr die Versuchshand. Der VI. besch\u00e4ftigte sich vorwiegend nur mit der Einstellung der Temperaturen des Reizwassers f\u00fcr die Vergleichshand, die allein der Vp. unbekannt waren, und versorgte die anderen Wassertemperaturen nur nach den Angaben der Vp. Die verabredeten Zeiten wurden nach dem Sekundenzeiger einer bequem sichtbaren Taschenuhr von der Vp. selber eingehalten. Bereits 3 Sekunden vor dem Augenblick des Emptindungsvergleiehes tauchte die Vp. die Vergleichshand in ihr Reizwasser, bewegte dabei besonders kr\u00e4ftig die Versuchshand und merkte sich deren Temperaturempfindung. Im gew\u00e4hlten Augenblick des Vergleiches richtete die Vp. dann ihre Aufmerksamkeit auf die kr\u00e4ftig bewegte Vergleichshand, wiederholte dann nochmals rasch ihre Beobachtung an beiden H\u00e4nden und gab ihre Aussage zu Protokoll, an welcher Hand die Temperaturempfindung st\u00e4rker war.\nVersuche und Besprechung der Ergebnisse\nBei der Zeitbeanspruchung durch jeden einzelnen dieser Versuche von durchschnittlich ca. 8 Minuten und der grofsen Anzahl der zu treffenden Bestimmungen waren wir begreiflicherweise ver-anlafst, die Versuchszahl nach dem Gesichtspunkt des wirklich Notwendigen einzuschr\u00e4nken. Durch Massenversuche die Genauigkeit des Verfahrens auf 710\u00b0 einzuengen lagen auch keine zwingenden Gr\u00fcnde vor, da die Gr\u00f6fsenordnung der Umstimmungserscheinungen auch bei einer Fehlerbreite von mehreren Zehntelgraden einen gen\u00fcgend eindeutigen Einblick in ihren Verlauf erlaubt.\nUm au8 einer m\u00f6glichst beschr\u00e4nkten Anzahl Versuche einen f\u00fcr unsere Zwecke ausreichenden Durchschnittswert zu ermitteln, haben wir schliefslich ein Vorgehen erw\u00e4hlt, das wir am besten an einem Beispiel erl\u00e4utern. Die Versuchshand befand sich 5 Minuten in Wasser von 38\u00b0, dann 3 Minuten in 22\u00b0, danach zur K\u00e4ltereizung 1 Minute in 19\u00b0. 3 Sekunden vor dem Ende dieser letzten Minute wurde die Vergleichshand aus dem Wasser von 38\u00b0 in Wasser von 29\u00b0 getaucht und 3 Sekunden sp\u00e4ter ihre K\u00e4lteempfindung mit derjenigen der Versuchshand verglichen. Da die K\u00e4lteempfindung der Vergleichshand als deutlich (sch\u00e4tzungsweise 1\u00b0) st\u00e4rker bezeichnet wurde, stellte der VI. ihre Reiztemperatur zum n\u00e4chsten Vergleich auf 31\u00b0 ein, worauf die K\u00e4lteempfindung an der Versuchshand st\u00e4rker ausfiel. Es sollten nunmehr Reiztemperaturen f\u00fcr die Vergleichshand zwischen 29,1 und 30,9\u00b0 folgen, und zwar solange, bis 10 Reiztemperaturen ermittelt waren, die sich untereinander in einer Reihe um 0,1\u00b0 unterschieden und bei denen in 5 Versuchen eine st\u00e4rkere K\u00e4lteemp-","page":202},{"file":"p0203.txt","language":"de","ocr_de":"Psycho-physische Konstanten u. Variablen des Temperatursinnes. II 203\nfindung an der Vergleichshand, in den anderen 5 Versuchen sie st\u00e4rker an der Versuchshand verursacht wurde. Es ergab sich so das folgende Protokoll, in dem die Zahlen die Reiztemperaturen f\u00fcr die Vergleichshand angeben, dafs 1 bzw. r hinter den Zahlen besagt, ob die K\u00e4lteempfindung an der linken Versuchshand oder an der rechten Vergleichshand als st\u00e4rker bezeichnet wurde.\n29 r 31 1 29,9 r 30,3 1 30 r 30,4 r 30,7 1 30,6 r 30,5 1 30,1 r 30,2 1 30,8 1.\nSortiert ergeben die Versuche (unter Fortfall der beiden ersten orientierenden) folgendes Bild:\n29,9 r 30 r 30,1 r 30,2 1 30,3 1 30,4 r 30,5 1 30,6 r 30,7 1 30,8 1.\nZur Berechnung des Durchschnittswertes braucht nur die Summe der Zahlen halbiert zu werden. Er betr\u00e4gt hier 30,35\u00b0 und wurde in die Kurve als 32,6 eingetragen, da es sich nm eine Versuchsserie an Hahn handelt, dessen Unterschiedstemperatur U = 2,25\u00b0 zu dem Ergebnis jedes K\u00e4lteversuches hinzugef\u00fcgt wurde. Dieser wie die meisten weiteren Werte wurde \u00fcbrigens in einer einzigen pausenlosen Sitzung ermittelt.\nMehr als bei allen fr\u00fcheren Versuchen machte sich bei diesem Verfahren der Einflufs der \u00dcbung 1 deutlich bemerkbar. Das angef\u00fchrte Beispiel entstammt einer Zeit, zu der wir schon das 1. Drittel unserer Versuche beendet hatten, und ist leidlich gut gegl\u00fcckt. Sp\u00e4terhin und besonders zum Schlufs gelang es uns h\u00e4ufig, ohne jede \u00dcberkreuzung der Urteile 31 \u2014 und 3r \u2014 Urteile in steigender Reihe zu erzielen, in welchem Falle wir uns mit 6 Versuchen (abz\u00fcglich den orientierenden) begn\u00fcgten. Anfangs ben\u00f6tigten wir manchmal \u00fcber 20 Versuche bis zu einem eindeutigen Ergebnis, und unsere 1. Kurve haben wir sogar 2 mal anfertigen m\u00fcssen, da ihr erstes Ergebnis nur andeutungsweise schon einer Kurve \u00e4hnlich sah. Auch sp\u00e4terhin fielen manchmal noch einzelne Punkte so weit aus dem sonst typischen Verlauf der Kurven, dafs wir um ihre Be seitigung in Verlegenheit gerieten. Wir haben uns dann so geholfen, dafs der Verf. derartige unwahrscheinliche Werte nach Einblick in die Kurve strich und die Versuche nach fr\u00fchestens 8 Tagen wiederholte, zu welchem Zeitpunkt ihm die Gr\u00f6fse und Richtung der Abweichung nicht mehr erinnerlich war. Wir glauben dieses Vorgehen um so mehr verantworten zu k\u00f6nnen, als der Verlauf aller unserer Kurven eine so auffallende Eigent\u00fcmlichkeit aufweist, dafs wir sie mit den uns gel\u00e4ufigen mathematischen Figuren gar nicht in Verbindung zu bringen vermochten und uns deren tats\u00e4chliche mathematische Typicit\u00e4t bei der erst nach Abschiufs unserer Untersuchungen erfolgten Auswertung eigentlich \u00fcberraschte.\nId der Abb. 3 haben wir den Verlauf der Temperaturempfindungen an Hahns Versuchshand bei der Abstimmung ihrer K\u00e4ltenerven auf 19\u00b0, 26\u00b0 und 30\u00b0 eingezeichnet, in Abb. 4 den\n1 Wie weit die \u00dcbung die reine Unterschiedsempfindlichkeit des Temperatursinnes beeinflussen kann, l\u00e4fst sich \u00fcbrigens nach unseren Untersuchungen (S. 174\u2014175) nicht beurteilen, da wir zu Beginn unserer Versuche bereits durch zahlreiche orientierende fr\u00fchere Versuche vorge\u00fcbt waren.","page":203},{"file":"p0204.txt","language":"de","ocr_de":"204\nHelmut Hahn\nentsprechenden Abstimmungsverlauf ihrer W arme nerven gegen\u00fcber 38\u00b0 und 33\u00b0. Die Zahlen der Abszissen geben den Zeitpunkt des Empfindungsvergleiches in Minuten an (beginnend mit dem Eintauchen der Versuchshand in ihr Reizwasser); die Zahlen der Ordinaten die (umgerechneten) Reiztemperaturen f\u00fcr die Vergleichshand, bei denen die Empfindungen im gegebenen Augenblick an beiden H\u00e4nden gleichstark waren. Die Versuchsergebnisse sind in diesen Koordinatensystemen mit Punkten bzw. Kreuzen vermerkt. Diese werden zum Teil durch ihnen mit grofser Wahrscheinlichkeit zugrundeliegende theoretische Kurven durchkreuzt, zum Teil unmittelbar zu empirischen Kurven verbunden. Die Abweichungen der empirischen Werte von den theoretischen Kurven gew\u00e4hren einen angen\u00e4herten \u00dcberblick \u00fcber die Fehlerbreite unserer Methode. Die mathematischen Formeln der theoretischen Kurven sind unter den Abbildungen f\u00fcr jede Kurve einzeln vermerkt. Die Kurven sind unabh\u00e4ngig von ihrer Bedeutung gleichm\u00e4fsig in der Reihenfolge von oben nach unten mit r\u00f6mischen Ziffern, die an das rechte Ende der Kurven ger\u00fcckt sind, gekennzeichnet. Die mit Pfeilen versehenen Punkte sind das Ergebnis gr\u00f6fserer, jeweils 45 Versuche umfassender Versuchsserien, deren Durchschnittswerte wir mit dem zur Berechnung der Werte U verwandten Verfahren (S. 173\u2014175) ermittelt haben. Die konstanten Endwerte, in die die Kurven I und II der Abb. 3 und die Kurve I der Abb. 4 auslaufen, sind nach ihren Unterbrechungen in der 4. bzw. 3. Minute zwischen der 30. und 120. Minute ermittelt und zwischen der 30. Minute und oo eingezeichnet. S\u00e4mtliche Versuche zu den Abstimmungskurven entstammen den Monaten April bis Juli 1928.\nZur Erzielung der mathematischen Grundlagen f\u00fcr unsere theoretischen Umstimmungskurven sind wir folgendermafsen vorgegangen. Wir haben versucht, f\u00fcr s\u00e4mtliche die Anstimmung und Abstimmung der Temperaturnerven wiedergebende Kurven eine gemeinsame mathematische Formel zu\nx\nO /\u2022'\nfinden. Benutzten wir das GA\u00fcss\u2019sche Fehlerintegral (P (x) = -= / e\u2014u2 du\ny ?tJ\nmit einem Argument x = \u2014 .\u2014 ,\nB\u2014|\u2014t\nso gelang es uns, die Konstanten A, B, a, \u00df\nso zu bestimmen, dafs die Empfindungsst\u00e4rke durch T = A-}-B $\ndargestellt wurde. Dabei ist t die Vergleichszeit. Die Unterschiede der experimentellen und der durch die Formeln gelieferten Empfindungskurven waren \u2014 bis auf ganz vereinzelte Ausnahmen \u2014 kleiner als 0,4\u00b0. Dieser Fehler","page":204},{"file":"p0205.txt","language":"de","ocr_de":"Psycho-physiscke Konstanten u. Variablen des Temperatur Sinnes. TI 205\nGrad\n30 oc Minuten\nAbbildung 3\nEmpirische Kurven des Abstimmungsverlaufes der K\u00e4ltenerven von Hahns linker Hand; Kurve I gegen\u00fcber der konstanten Reiztemperatur von 19\u00b0, Kurve II gegen\u00fcber 26\u00b0, Kurve III gegen\u00fcber 30\u00b0\nU oo\nMinuten\nAbbildung 3 a\nTheoretische Kurven des Abstimmungsverlaufes der K\u00e4ltenerven gegen\u00fcber den Reiztemperaturen von 19\u00b0 (Kurve I) und 26\u00b0 (Kurve II)\nFormeln: (Hinsichtlich der Bedeutung der Formeln vgl. S. 204)\nf\u00fcr Kurve I :\nT = 37,4-20,4 \u2022 * (Af^)\nGrad\n30 oc Minuten\nAbbildung 4\nEmpirische Kurven des Abstimmungsverlaufes der W\u00e4rmenerven Kurve I gegen\u00fcber 38\u00b0, Kurve II gegen\u00fcber 33\u00b0\nf\u00fcr Kurve II\n0,16 \\\n38 4\u201424 \u2022 0 ... \u00bb \u2014. -\n\u2019\t\\0,234 + t/\nMinuten\nAbbildung 4 a\nTheoretischer Verlauf der Kurve I von Abb. 4\nFormel der Kurve:\nT = 25 + 15,8 \u2022 # \u00dfl\u00dc","page":205},{"file":"p0206.txt","language":"de","ocr_de":"206\nHelmut Hahn\nentspricht der wahrscheinlichen Gr\u00f6fsenordnung nach unseren Befanden \u00fcber die Untersehiedsempfindlichkeit des Temperatursinnes. Nur bei den Kurven der Figuren 7 und 8 gelang eine solche Darstellung nicht. Statt\ndessen f\u00fchrte die Formel T = A + B \u25a0 0\nzu einer Kurve mit denselben\nAbweichungen von den experimentellen Werten. Dabei ist x in unseren F\u00e4llen gleich 1, 2, 3, 4. Es ist durchaus m\u00f6glich, dafs die letzte Formel auch f\u00fcr die \u00fcbrigen Kurven gilt, oder eine Kombination der beiden\nj. x braucht nicht notwendig ganz zu sein. Eine\nEntscheidung \u00fcber den genauen Wert von x ist bei der relativen Ungenauigkeit der vorliegenden Versuchsergebnisse nicht m\u00f6glich. Allgemein gilt f\u00fcr die Bestimmung der Konstanten, dafs sie nicht nach einer bestimmten Ausgleichsmethode ermittelt wurden, sondern dafs sie nur roh den expeiimentellen Daten angepafst wurden. Es l\u00e4fst sich also noch eine bessere Ann\u00e4herung an die empirischen Daten ermitteln, auf die wir aber im Hinblick auf die genannte Unsicherheit verzichtet haben.\nT = A-j-B.<p\na\n\u00df-\\-t\nAls Beginn der Abstimmung haben wir in den Kurven der Abb. 3 und 4 gleichm\u00e4fsig einen Zeitpunkt von 6 Sekunden nach Reizbeginn eingetragen, dessen ann\u00e4hernde Berechtigung sich sp\u00e4ter (S. 73\u201477) aus der Besprechung der Dauer anf\u00e4nglich konstanten Intensit\u00e4t der Temperaturempfindungen ergeben wird.\nIn einem Teil der Kurven schreitet die Abstimmung nicht bis zum vollkommenen Erl\u00f6schen der Empfindungen fort, sondern erreicht schliefslich einen konstanten Wert, im Einklang mit der Beobachtung von Gertz1, dafs bei Einwirkung st\u00e4rkerer Temperaturreize die Temperaturempfindungen \u00fcberhaupt nicht vollkommen erl\u00f6schen. Die betreffenden konstanten Werte haben wir ermittelt, indem wir die Versuchshand jeweils 2 Stunden lang ununterbrochen in dem Reizwasser von 38\u00b0 bzw. 26\u00b0 bzw. 19\u00b0 beliefsen und beginnend mit der 30. Minute alle 3 Minuten die Vergleichshand in ihr Reizwasser tauchten und in der \u00fcblichen Weise die Empfindungen verglichen. Die in der 1. halben Stunde hierbei ermittelten Werte f\u00fcr die Gleichheit der beiderseitigen Temperaturempfindungen stimmten mit den im Verlauf der n\u00e4chsten Stunde gefundenen Werten jeweils so genau \u00fcberein, dafs nach 72 Stunde die Zeit keinen Einflufs auf die Konstanz diesei Empfindungsst\u00e4rken mehr haben kann. Die Streuung der Ergebnisse um die eingetragenen Durchschnittswerte hielt sich dabei in den \u00fcblichen Grenzen von einigen Zehntelgraden. Nach\n1 E. Gertz, Z. Sinnesphysiol. 52, 119 (1921).","page":206},{"file":"p0207.txt","language":"de","ocr_de":"Psycho-physische Konstanten u. Variablen des Temperatur Sinnes. II 207\neiner solchen Versuchsreihe haben wir \u00fcbrigens an demselben Tag keine weiteren Untersuchungen mehr vorgenommen.\nEine um so gr\u00f6fsere Unsicherheit enth\u00e4lt dagegen der Ab-schlufs der letzten beiden mit schwachen Temperaturreizen erzielten Kurven (Abb. 3, III, Abb. 4, II). Nach ungef\u00e4hr 3/4 Minuten waren n\u00e4mlich die Temperaturempfindungen an der Versuchshand in dem Wasser von 30\u00b0 bzw. 33\u00b0 soweit erloschen, dafs ein Vergleich mit den Empfindungen an der Vergleichshand schwierig wurde, wie auch die grofse Streuung der Ergebnisse zeigte. W\u00e4hrend sich diese Streuung bei der K\u00e4ltereizung von 30\u00b0 aber immerhin noch in Grenzen von bis zu \u00b1 0,6\u00b0 hielt, \u00fcberschritt sie bei der W\u00e4rmereizung von 33\u00b0 um ein vielfaches das gewohnte Mafs. Wir konnten n\u00e4mlich die in Wasser von 21\u00b0 vorgek\u00fchlte Vergleichshand wechselnd auf Temperaturen zwischen 23\u00b0 und 25\u00b0 erw\u00e4rmen, ohne dafs sich die Ergebnisse irgendwie folgerichtig um einen erkennbaren Durchschnittswert gruppierten, und als wir die Vergleichshand dann in Wasser von 15\u00b0 vork\u00fchlten, erreichten wir auch durch ihre Erw\u00e4rmung auf 18\u201425\u00b0 keine eindeutigeren Ergebnisse.\nEs widerspricht nun aber allen unseren Erfahrungen mit der Unterschiedsempfindlichkeit der Temperaturnerven, dafs bei einem wechselnden Angebot von 7\u00b0 (Reiztemperaturen zwischen 18\u00b0 und 25\u00b0) kein sicheres Vergleichsurteil \u00fcber die St\u00e4rke der W\u00e4rmeempfindungen m\u00f6glich sein sollte. Ferner: wenn die Abstimmung der W\u00e4rmenerven vor ihrem g\u00e4nzlichen Erl\u00f6schen doch vergleichbar starke W\u00e4rmeempfindungen unterhalten mufs, und die Reizschwellen der W\u00e4rmenerven an den H\u00e4nden tats\u00e4chlich bei -f-10\u00b0 liegen sollten, wie Thunberg1 und Gertz2 angegeben haben, so w\u00fcrden Verlauf und Richtung dieser Abstimmungskurve ersichtlich unvereinbar mit dem Verlauf s\u00e4mtlicher unserer \u00fcbrigen Kurven nach 3/4 Minuten in eine ganz andere Gr\u00f6fsenordnung Umschl\u00e4gen.\n\u2022 \u2022\nAuf Grund dieser Erw\u00e4gung sind wir zu der \u00dcberzeugung gekommen, dafs der nach relativer Erw\u00e4rmung einer Hand auf Reiztemperaturen unterhalb ca. 25\u00b0 erfolgende W\u00e4rmeeindruck \u00fcberhaupt nicht auf einer\n1\tT. Thunberg, Nagels Handbuch der Physiologie des Menschen. III.\n1904.\n2\tE. Gertz a. a. O. S. 114.\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 60\n14","page":207},{"file":"p0208.txt","language":"de","ocr_de":"208\nHelmut Hahn\ntats\u00e4chlichen Erregung der W\u00e4rmenerven beruhen kann. Diese \u00dcberzeugung st\u00fctzt sich auch auf unsere fr\u00fcheren Untersuchungen1 der Reizschwellen der W\u00e4rmenerven, die an den von uns untersuchten Hautgebieten stets oberhalb 25\u00b0 lagen. Und es bleibt die Frage zu kl\u00e4ren, inwiefern eine w\u00e4hrend einer Minute auf 12%\u00b0 abgek\u00fchlte Hand in Wasser von 18\u00b0, wie Weber2 beschrieben hat, den Eindruck von W\u00e4rme hervor-rufen kann, den Thunberg und Gertz sogar bei der Erw\u00e4rmung eines Fingers auf nur ca. + 10\u00b0 beobachtet haben.\nZur Aufhellung dieser Frage haben wir den Versuch Webers wiederholt daraufhin nachgepr\u00fcft, ob der Eindruck von W\u00e4rme in dem 18\u00b0 kalten Wasser tats\u00e4chlich mit einer W\u00e4rmeemp-findung identisch ist oder nicht nur durch das pl\u00f6tzliche Erl\u00f6schen der vorangehenden starken und schmerzhaften K\u00e4lteempfindung in dem unangenehm kalten Wasser von 12 72\u00b0 vorget\u00e4uscht wird. Da wir uns indessen zugunsten letzterer Deutung befangen f\u00fchlen, wagen wir keine Entscheidung, stellen aber die Nachpr\u00fcfung des Versuches zur Diskussion. Gegebenenfalls w\u00fcrde man sonst eine Erkl\u00e4rung des Versuches unschwer in einem Sukzessivkontrast zentralen Ursprungs ohne Beteiligung der peripherischen W\u00e4rmenerven finden k\u00f6nnen.\nb) Die Anstimmung der Erregbarkeit\nMethode\nW\u00e4hrend unter der Voraussetzung konstanter Empfindlichkeit der Verlauf der Abstimmung der Temperaturnerven allein durch die jeweilige Reizst\u00e4rke bestimmt wird, liegen die Verh\u00e4ltnisse bei ihrer Anstimmung ungleich verwickelter. Der Verlauf der Anstimmung ist n\u00e4mlich mindestens drei ganz verschiedenen Einfl\u00fcssen unterworfen, deren jeden wir von den beiden anderen getrennt untersuchen mufsten. Dadurch erhielten wir eine Mehrzahl von Kurven, deren gegenseitige Bedingtheit erst den Verlauf der Anstimmung im konkreten Fall ergibt.\nEin gesonderter Einflufs auf die Anstimmung ist offenbar von der Reiz st\u00e4rke einerseits, der Reiz d au er andererseits zu erwarten. Mit diesen beiden Einfl\u00fcssen werden wir uns zun\u00e4chst zu besch\u00e4ftigen haben, um dann mit ihrer Hilfe das h\u00f6chst be-\n1\tH. Hahn und K. Boshameb, Pfl\u00fcgers Arch. 215, 136 (1926).\n2\tE. H. Weber, Tastsinn nnd Gemeingef\u00fchl. Leipzig 1905. S. 101. Verlag Engelmann.","page":208},{"file":"p0209.txt","language":"de","ocr_de":"Psycho-physische Konstanten u. Variablen des Temperatur Sinnes. II 209\nmerkenswerte Eingreifen der Hauttemperatur zu analysieren. Zur Untersuchung der Reizst\u00e4rke und -dauer haben wir uns dabei eines Sonderfalles bedient, indem wir ihren Einflufs auf die Anstimmung nur der K\u00e4ltenerven w\u00e4hrend ihrer Erw\u00e4rmung auf 38\u00b0 beobachtet haben.\nDer Gang der Untersuchung der Anstimmung entsprach in den meisten Einzelheiten den Abstimmungsversuchen. Vor Beginn der Versuche wurden die H\u00e4nde mindestens 5 Minuten auf 38\u00b0 erw\u00e4rmt. Die Versuchshand wurde dann unmittelbar in das Reizwasser getaucht, dessen Reizst\u00e4rke gepr\u00fcft werden sollte, und f\u00fcr die Zeit der zu untersuchenden Reizdauer in ihm belassen. Hiernach wurde die Versuchshand in das Wasser von 38\u00b0 zur\u00fcckgehoben und nach verabredeten Zeiten zur Vergleichsreizung in das gleiche Reizwasser zur\u00fcckgetaucht. W\u00e4hrend des Aufenthaltes in dem Wasser von 38\u00b0 bildete sich die Adaptation gegen die Reiztemperatur wechselnd weit zur\u00fcck, wobei dem Vorr\u00fccken der Anstimmung mit der Zeit eine K\u00e4lteempfindung von steigender St\u00e4rke bei der erneuten Abk\u00fchlung der Versuchshand auf die urspr\u00fcngliche Reiztemperatur entsprach. Die St\u00e4rke dieser Empfindung wurde wieder an der konstant empfindlichen Vergleichshand gemessen, die sich st\u00e4ndig in dem Wasser von 38\u00b0 aufhielt und zum Vergleich gleichzeitig mit der Versuchshand in ihr Reizwasser von unbekannter Temperatur getaucht wurde, worauf die K\u00e4lteempfindungen 3\u20147 Sekunden sp\u00e4ter verglichen und protokolliert wurden.\nVersuche und Besprechungen der Ergebnisse\nIn der Abb. 5 haben wir den Verlauf der Anstimmung der K\u00e4ltenerven von Hahns Versuchshand w\u00e4hrend ihrer Erw\u00e4rmung auf 38\u00b0 gegen\u00fcber K\u00e4ltereizen von 26\u00b0 und 19\u00b0 bei einer Reizdauer von stets 1 Minute eingezeichnet. Bei der Anstimmungskurve I gegen\u00fcber der Reiztemperatur von 17\u00b0 war J. Goldscheider Vp. Die Zahlen der Abszissen der Kurven geben den Zeitpunkt des Empfindungsvergleiches an (beginnend mit dem Ende des 1. Aufenthaltes der Versuchshand in dem Reizwasser), die Zahlen der Ordinaten die als gleichkalt empfundenen (umgerechneten) Reiztemperaturen der Vergleichshand. Die den Reiztemperaturen f\u00fcr die Versuchshand entsprechenden Ordinaten\nhaben wir noch besonders markiert, da ihr Schnittpunkt mit den\n14*","page":209},{"file":"p0210.txt","language":"de","ocr_de":"210\nHelmut Hahn\nAnstimmungskurven den wichtigen Zeitpunkt des Endes der Anstimmung bzw. des Wiedereintritts der konstanten Empfindlichkeit an der Versuchshand wiedergibt.\nMinuten\nAbbildung 5\nAnstimmungsverlauf der K\u00e4ltenerven nach K\u00e4ltereizen von 1 Min. Dauer (theoretische Kurven)\nKurve I gegen\u00fcber einem K\u00e4ltereiz\nvon 17\u00b0.\nFormel : T = 17 + 7,8 <2> (^)\nKurve II gegen\u00fcber 19\u00b0. Formel: T ~ 19 + 8,8 *\nKurve III gegen\u00fcber 26\u00b0. Formel : T == 26 + 7,6 0\nMinuten\nAbbildung 6\nKurve II und IV geben den Anstimmungsverlauf der K\u00e4ltenerven nach K\u00e4ltereizen von 3 Min., Kurve I und III nach 1 Min. Reizdauer (== Kurve II und III der Abb. 5) wieder; Kurve I und II gegen\u00fcber einem K\u00e4ltereiz von 19\u00b0, Kurve III und IV gegen\u00fcber 26\u00b0. Die eingezeichneten experimentellen Werte beziehen sich nur auf Kurve II und IV.\n\u2022 \u2022\nUber die Zeichen *, X und \u00a9 siehe unten\nFormel der theoretischen Kurve II\nt=19+16\u20192*(to)\nFormel der theoretischen Kurve IV\nT-26+ioHpSp)\nln Abb. 6 haben wir entsprechend den Anstimmungsverlauf an den K\u00e4ltenerven von Hahn gegen\u00fcber den Reiztemperaturen von 26\u00b0 und 19\u00b0 bei einer aber l\u00e4ngeren Reizdauer von 3 Minuten eingetragen. Zum Vergleich haben wir als Kurven I und II nochmals die mit den gleichen Reiztemperaturen bei einer Reizdauer von nur einer Minute erzielten Kurven (s. Abb. 5, II u. III) hinzugef\u00fcgt. Bei allen diesen wie bei den folgenden Kurven \u00fcber den Anstimmungsverlauf der W\u00e4rmenerven mufsten nur ganz vereinzelte Werte wegen zu grofsen Abweichungen zweimal","page":210},{"file":"p0211.txt","language":"de","ocr_de":"Psycho-physische Konstanten u. Variablen des Temperatursinnes. II 211\nbestimmt werden; die mit K\u00e4ltereizen von 19\u00b0 und 3 Minuten Dauer erzielte Anstimmungskurve II ist das Ergebnis einer nur einmaligen Durchpr\u00fcfung.\nAls Ergebnis besagen die Kurven vor allem, dafs allerdings mit steigender Reiz d au er der Verlauf der Anstimmung sich verz\u00f6gert, dafs aber entgegen den Erwartungen auf die Anstimmung gegen den gleichen Reizwert die Reiz st\u00e4rke keinen erheblicheren Einflufs hat. Zur Erg\u00e4nzung dieses Ergebnisses haben wir noch die Reizdauer weiter variiert und ihren Einflufs auf die Anstimmung nach einem stets 30 Sekunden langen Aufenthalt der Versuchshand in dem Wasser von 38\u00b0 gepr\u00fcft. Die so erzielten Einzelwerte sind in dem Koordinatensystem der Abb. 6 mit besonderen Zeichen vermerkt. Bei einer Reizdauer von 2 Minuten in 19\u00b0 haben wir uns des Zeichens * bedient, eine Reizdauer von 4 Minuten durch ein X und 5 Minuten durch ein \u00a9 bezeichnet. Den letzteren Wert fanden wir bei einer 15 Minuten dauernden K\u00e4ltereizung noch 0,2\u00b0 tiefer.\nAls Ausgangspunkt der Anstimmungskurven haben wir uns derjenigen Werte bedient, die f\u00fcr den Zustand der Abstimmung im Augenblick des Endes der K\u00e4ltereizung bei der gleichen Versuchsanordnung (S. 218, Abb. 9) ermittelt haben, unmittelbar bevor n\u00e4mlich die Versuchshand aus dem Reizwasser gehoben und zur Wiederanstimmung auf 38\u00b0 erw\u00e4rmt wird. In diesem Augenblick fallen ja das Ende der Abstimmung und der Beginn der Anstimmung zusammen und m\u00fcssen einem identischen Umstimmungszustand der Nerven entsprechen.\nZu den weiteren Versuchen (Abb. 7 u. 8) haben wir stets die gleiche Reiz st\u00e4rke und Reiz d au er angewandt, n\u00e4mlich einen K\u00e4ltereiz von 19\u00b0 und 1 Minute Dauer. Daf\u00fcr haben wir einen Wechsel in den Zwischentemperaturen eintreten lassen, n\u00e4mlich zur Beobachtung der Anstimmung der K\u00e4ltenerven die Versuchshand statt auf 38\u00b0 auf 30\u00b0 bzw. nur auf 22\u00b0 erw\u00e4rmt. Nach Beendigung jedes Einzel Versuches wurde dabei \u00fcbrigens die Versuchshand noch 3 weitere Minuten auf 38\u00b0 erw\u00e4rmt, um an ihr die vollkommene Anstimmung zur konstanten Empfindlichkeit gegen\u00fcber 19\u00b0 sicherzustellen. Unter diesem Gesichtspunkt haben wir auch die Anstimmung der W\u00e4rmenerven untersucht, wobei wir zur W\u00e4rmereizung die Versuchshand stets f\u00fcr 1 Minute von 35\u00b0 auf 38\u00b0 erw\u00e4rmten und hernach","page":211},{"file":"p0212.txt","language":"de","ocr_de":"212\nHelmut Rahn\nihre Anstimmung in Wasser von 20\u00b0 bzw. 27\u00b0 und 34\u00b0 beobachteten. Zur Sicherstellung ihrer vollkommenen Wiederan-stimmung verblieb hierbei die Versuchshand nach jedem Versuch 3 Minuten in Wasser von 35\u00b0.\nMinuten\nAbbildung 7\nTheoretische Kurven des Anstimmungsverlaufes der K\u00e4ltenerven nach einem K\u00e4ltereiz von stets 19\u00b0 und 1 Min. Dauer unter dem Einflufs verschiedener Hauttemperaturen.\nKurve I w\u00e4hrend der Erw\u00e4rmung der Versuchshand auf 38\u00b0.\nFormel : T = 19 + 8,4 0\nKurvell bei Erw\u00e4rmung auf nur\u201922\u00b0(!)\n3\t____\nFormel : T = 19 + 8,4 <5 jj/0>(*26j Kurve III bei Erw\u00e4rmung auf 80\u00b0 (!)\n4\nFormel: T = 19 -f 8,4 0\nMinuten\nAbbildung 8\nTheoretische Kurven des Anstimmungsverlaufes der W\u00e4rmenerven nach einem W\u00e4rmereiz von stets 38\u00b0 und 1 Min. Dauer unter dem Einflufs verschiedener Hauttemperaturen.\nKurve I w\u00e4hrend der Abk\u00fchlung der Versuchshand auf 34\u00b0\nFormel: T\n= 38 \u2014 11,2 0\nKurve II bei Abk\u00fchlung auf 27\u00b0.\nFormel: T = 38 \u2014\nKurve III bei Abk\u00fchlung auf 20\u00b0\nFormel : T = 38 \u2014\nDer Vergleichshand wurde zu den meisten Versuchen w\u00e4hrend ihrer Zwischenzeiten die gleiche Hauttemperatur mitgeteilt wie der Versuchshand, aber nur dann, wenn ihre Reiztemperaturen sich trotzdem um mindestens 5\u00b0 von den Zwischentemperaturen unterschieden. Zu den restlichen K\u00e4lteversuchen befand sich die Vergleichshand in Wasser von 38 , zu den W\u00e4rmeversuchen in 21\u00b0 und wurde dann bereits 3 Sekunden fi\u00fcher in ihr Reizwasser getaucht. Die angef\u00fchrten und noch zahlreiche weitere Anstimmungskurven entstanden zu verschiedenen Zeiten zwischen Oktober 1927 und September 1928.","page":212},{"file":"p0213.txt","language":"de","ocr_de":"Psycho-physische Konstanten u. Variablen des Temperatursinnes. II 213\nDas Ergebnis der so erzielten Kurven ist, dafs dieWieder-anstimmung der Temperaturnerven im allgemeinen um so rascher fortschreitet, je h\u00f6her die Zwischentemperaturen liegen. Eine Sonderstellung nimmt dabei nur die Zwischentemperatur von 30\u00b0 bei der Anstimmung der K\u00e4ltenerven ein, die unter dem Einflufs dieser (der normalen Hauttemperatur entsprechenden) Zwischentemperatur ganz ungew\u00f6hnlich langsam zu ihrer konstanten Empfindlichkeit zur\u00fcckkehren. Diese Ergebnisse sind deshalb bemerkenswert, weil danach die Zwischentemperaturen gar keine B e -ziehungenzu ihrem eigentlichen Reiz wert erkennen lassen, da sie ja die Anstimmung der Temperaturnerven eher gleichsinnig beeinflussen, w\u00e4hrend sie vom Gesichtspunkt ihres Reizwertes aus die K\u00e4ltenerven doch umgekehrt wie die W\u00e4rmenerven beeinflussen m\u00fcfsten.\nDie gesamten Anstimmungskurven sind von prinzipieller methodischer Bedeutung f\u00fcr alle quantitativen Untersuchungen im Bereich des Temperatursinnes. Erh\u00e4lt man doch bei ihrer nicht gen\u00fcgenden Ber\u00fccksichtigung in allen serienweisen Untersuchungen, wie beispielsweise schon den Ermittlungen der Unterschiedsempfindlichkeit, nichts als Situationswerte \u2014 als das Ergebnis der St\u00e4rke, der Dauer und des Zeitabstandes des zuvorgehenden Temperaturreizes. F\u00fcr den Zeitabstand, in dem gleichstarke Temperaturreize unbedenklich aufeinander folgen k\u00f6nnen, haben wir aus dieser Erkenntnis heraus schon in allen unseren fr\u00fcheren Arbeiten bei Anwendung kurzfristiger Temperaturreize von nur einigen Sekunden Dauer als Regel eine Zeit von 5 Minuten eingehalten. Bei dem vorliegenden langfristigen Reizen reicht aber offenbar dieser Zeitbetrag noch gar nicht einmal immer aus. F\u00fcr die Zeit\u00f6konomie g\u00fcnstiger liegen die Versuchsbedingungen, bei einer je h\u00f6heren Hauttemperatur die Anstimmung abgewartet wird, da ja deren Geschwindigkeit im allgemeinen mit steigender Hauttemperatur beschleunigt wird. Wir haben uns diesen Umstand dadurch zu Nutzen gemacht, dafs wir die Hauttemperatur der Versuchshand nach jeder Temperaturreizung m\u00f6glichst hoch gehalten haben. Deshalb wurde zu den Abstimmungsversuchen nach bis zu 3 Minuten dauernden K\u00e4ltereizen die Versuchshand stets w\u00e4hrend 5 Minuten, und nach den vereinzelten K\u00e4ltereizungen von 4 und 5 Minuten Reizdauer zur Vorsicht sogar w\u00e4hrend 10 Minuten in Wasser von 38\u00b0 erw\u00e4rmt. Bei den W\u00e4rmereizen haben wir aus denselben Gr\u00fcnden die vollkommene Wiederanstimmung der W\u00e4rmenerven in Wasser von 35\u00b0 bzw. 30\u00b0 w\u00e4hrend 5 Minuten abgewartet. Eine Betrachtung der Anstimmungskurven zeigt, dafs wTir mit der Wahl dieser Zeiten und Hauttemperaturen die ausreichende Gew\u00e4hr f\u00fcr den tats\u00e4chlich jeweils erfolgten Wiedereintritt der Konstanz der Empfindlichkeit hatten, wie ihn unsere Methoden erfordern. Dafs die Vergleichshand zu dem Zeitpunkt ihrer Reizungen sich stets im Zu-","page":213},{"file":"p0214.txt","language":"de","ocr_de":"214\nHelmut Hahn\nstand ihrer konstanten Empfindlichkeit befunden haben mufs, ist nach den Kurven nicht zu bezweifeln, da ihre Reizdauer ja immer nur wenige Sekunden w\u00e4hrte, wonach ihr zur vollkommenen Wiederanstimmung stets mindestens 6 Minuten zur Verf\u00fcgung standen.\nc) Erg\u00e4nzende Beobachtungen\n1. Von den m\u00f6glichen Kombinationen der Aufeinanderfolge verschieden starker gleichsinniger Temperaturreize hatten wir uns bisher stets nur mit einer Reihenfolge besch\u00e4ftigt, bei der der st\u00e4rkere Reiz auf den schw\u00e4cheren unmittelbar folgte, wobei nach dem Gesetz der konstanten Summe die Temperaturnerven gegen\u00fcber dem st\u00e4rkeren Reiz \u00fcberhaupt nicht abgestimmt werden. Wir hatten ferner gesehen, dafs bei der Wiederholung gleichstarker Temperaturreize die Reizst\u00e4rke als solche keinen erheblicheren Einflufs auf den Anstimmungsverlauf aus\u00fcbt. Um so ausgiebiger und nachhaltiger ist dagegen der Einflufs des st\u00e4rkeren Temperaturreizes auf die Erregbarkeit der Nerven gegen den nachfolgenden schw\u00e4cheren Reiz, in einem Ausmafs, der unsere Absicht auf genauere Messungen bald zunichte machte und uns zur Beschr\u00e4nkung auf nur oberfl\u00e4chlich orientierende Angaben veranlafste.\nBei diesen Versuchen wurde Hahns Versuchshand nach den \u00fcblichen Vorbereitungen beispielsweise 1 Minute lang auf 19\u00b0 abgek\u00fchlt und dann zur Wiederanstimmung auf 38\u00b0 erw\u00e4rmt. Jm gew\u00e4hlten Augenblick des Vergleiches wurde sie nun aber nicht wieder auf 19\u00b0, sondern auf eine schw\u00e4chere Reiztemperatur von 26\u00b0 zur Vergleichsreizung abgek\u00fchlt. Zur Pr\u00fcfung ihres Anstimmungszustandes begn\u00fcgten wir uns dabei, die auf 38 erw\u00e4rmte Vergleichshand gleichzeitig mit einem K\u00e4ltereiz zu erregen, dessen Temperatur um (umgerechnet) 1\u00b0 h\u00f6her lag als der schw\u00e4chere K\u00e4ltereiz der Versuchshand, so dafs also im Zustand konstanter Empfindlichkeit die K\u00e4lteempfindung an der Versuchshand mindestens merklich h\u00e4tte \u00fcberwiegen m\u00fcssen. In unserem Beispiel dauerte es nun nicht weniger als 12 Minuten, bis die K\u00e4lteempfindung an der Versuchshand in Wasser von 26\u00b0 deutlich st\u00e4rker als an der Vergleichshand in Wasser von 27\u00b0 (umgerechnet, tats\u00e4chlich 24,8\u00b0) ausfiel. Zur genauen Bestimmung des Zeitpunktes der vollst\u00e4ndigen Wiederanstimmung der Versuchshand bis zu ihrer konstanten Empfindlichkeit gegen\u00fcber dem K\u00e4ltereiz von 26\u00b0 h\u00e4tten wir in diesem Beispiel also mit Versuchsserien rechnen m\u00fcssen, bei denen jeder Versuch erheblich mehr als 12 Minuten beansprucht h\u00e4tte, da nach 12 Minuten die Anstimmung der Versuchshand sich ja nur auf ca. 1/i\u20141 Grad ihrer konstanten Empfindlichkeit angen\u00e4hert hat. Bei einem gleichen Beispiel, nach einer st\u00e4rkeren K\u00e4ltereizung von aber 3 Minuten in Wasser von 19\u00b0, dauerte die Wiederanstimmung bis auf einen Grad gegen\u00fcber 26\u00b0 \u00fcber 20 Minuten. Nach einer st\u00e4rkeren W\u00e4rmereizung von 38\u00b0 und","page":214},{"file":"p0215.txt","language":"de","ocr_de":"Psycho-physische Konstanten u. Variablen des Temperatur Sinnes. II 215\n3 Minuten Dauer mufsten wir die Versuchsband sogar 23 Minuten in Wasser von 20\u00b0 belassen, bevor der schw\u00e4chere W\u00e4rmereiz von 30\u00b0 eine merklich st\u00e4rkere W\u00e4rmeempfindung an ihr verursachte als die Erw\u00e4rmung der Vergleichshand von 20\u00b0 auf 29\u00b0.\n\u00dcber etwas zahlreichere Versuche verf\u00fcgen wir mit Anwendung nicht so extremer st\u00e4rkerer Temperaturreize. Ein K\u00e4ltereiz von 26\u00b0 hinterliefs nach 1 Minute eine entsprechende Abstimmung gegen\u00fcber 30\u00b0 von ca. 7 Minuten, nach 3 Minuten und ebenso nach 5 und 8 Minuten betrug die Anstimmungszeit der Versuchshand in Wasser von 38\u00b0 ca. 12 Minuten, Ein W\u00e4rmereiz von 35\u00b0 hinterliefs nach 1 Minute eine entsprechende Abstimmung von 8 Minuten und nach 5 Minuten eine Abstimmung von 12 Minuten gegen\u00fcber dem schw\u00e4cheren W\u00e4rmereiz von 30\u00b0 (bei einem Zwischenaufenthalt der H\u00e4nde in Wasser von 20\u00b0). K\u00fcrzer waren die Anstimmungszeiten durchweg nach beliebig langdauernden K\u00e4lte- und W\u00e4rmereizungen von 30\u00b0, nach denen der schw\u00e4chere K\u00e4ltereiz von 33\u00b0 bzw. der schw\u00e4chere W\u00e4rmereiz von 26\u00b0 jeweils schon nach sp\u00e4testens 2 Minuten merklich st\u00e4rker empfunden wurde als der um 1\u00b0 geringere Vergleichsreiz.\nDiese nur orientierenden Angaben sollen unsere Regel begr\u00fcnden, nach der wir den \u00dcbergang von einem st\u00e4rkeren Temperaturreiz auf einen schw\u00e4cheren innerhalb einer Sitzung stets peinlich vermieden haben, sofern nicht eine mindestens zweist\u00fcndige Pause der Anwendung des st\u00e4rkeren Reizes gefolgt war. Ferner mufsten wir darauf sehen, dafs vor der Anwendung schw\u00e4cherer Temperaturreize (24\u201433\u00b0) die H\u00e4nde mehrere Stunden im normal temperierten Raum vor zuf\u00e4lligen Temperatureinfl\u00fcssen wie Waschungen bewahrt wurden. Zudem pflegten wir vor Beginn von Versuchen mit schw\u00e4cheren Reizen die vollkommene Anstimmung der H\u00e4nde von allen adaptierenden Tageseinfl\u00fcssen in Wasser von 38\u00b0 bzw. 20\u00b0 10\u201420 Minuten lang abzuwarten.\n2. Infolge der st\u00e4ndigen Handbewegungen ist es nicht m\u00f6glich, die Haut immer bis zu einer ganz gleichen Grenze mit dem Wasser in ununterbrochener Ber\u00fchrung zu halten. Dadurch, dafs diese Grenze sich dauernd etwas verschiebt, adaptieren sich die Temperaturnerven des Grenzgebietes zwischen Wasser und Luft nicht kontinuierlich und unkontrollierbar. Es erhalten sich daher auch bei langdauernder Adaptation in diesem Grenzgebiet h\u00e4ufig st\u00e4rkere an- und abschwellende Temperaturempfindungen als an der \u00fcbrigen Handoberfl\u00e4che. Zu ihrer Vermeidung haben wir bei allen Versuchen die H\u00e4nde stets einschliefslich des unteren Drittels des Unterarmes ins Wasser getaucht und sie kurz vor dem jeweiligen Empfindungsvergleich bis zur Handwurzel aus","page":215},{"file":"p0216.txt","language":"de","ocr_de":"216\nHelmut Hahn\ndem Wasser zur\u00fcckgezogen, wodurch das Grenzgebiet am Unterarm der Temperaturreizung pl\u00f6tzlich entzogen wurde und die st\u00f6renden Empfindungen an ihm sofort erloschen.\nBei pl\u00f6tzlicher und ausgiebiger Temperaturver\u00e4nderung der Haut treten zuweilen unerw\u00fcnschte Begleiterscheinungen auf, Brennen, stechende Schmerzen, paradoxe K\u00e4lteempfindungen, spannende, sogar schwirrende Druckempfindungen. Diese Empfindungen waren uns besonders anfangs l\u00e4stig, weil ihr Auftreten recht inkonstant schien und uns die Bedingungen f\u00fcr ihr Zustandekommen auch noch nicht gekl\u00e4rt erscheinen. Im allgemeinen stellte es sich aber heraus, dafs sie meistens nur den ersten Versuch jeder Sitzung begleiteten und dafs schon bei der 1. Wiederholung des Versuches die Temperaturempfindungen rein zum Vorschein kamen, wodurch deren Messung nat\u00fcrlich erst die notwendige Sicherheit erhielt. Eine gr\u00f6fsere St\u00f6rung bei unseren Versuchsanordnungen, deren Auswahl diesen Mitempfindungen Rechnung trug, verursachte nur ein schwaches bis zu 15 Sekunden dauerndes Brennen, wenn eine Hand l\u00e4ngere Zeit auf 17\u00b0 abgek\u00fchlt und dann pl\u00f6tzlich um ca. 20\u00b0 erw\u00e4rmt wurde. Das Auftreten kr\u00e4ftiger Druckempfindungen haben wir in st\u00f6rendem Ausmafs nur zu Beginn von Versuchsserien im Gefolge einer pl\u00f6tzlichen Abk\u00fchlung an auf 42\u00b0 und dar\u00fcber vorgew\u00e4rmten H\u00e4nden beobachtet. Individuellen Verschiedenheiten d\u00fcrfte man bei allen geschilderten Versuchen durch eine\ngeringe Minderung der von uns gew\u00e4hlten Reizst\u00e4rken begegnen k\u00f6nnen.\n3. Die folgenden Beobachtungen \u00fcber die Dauer der anf\u00e4nglichen konstanten Intensit\u00e4t der Temperaturempfindungen vor ihrem Eintritt in die Adaptation enthalten den einzigen Einflufs auf die Erregung der Temperaturnerven aufserhalb ihrer Adaptationsbreite, den wir tats\u00e4chlich der Gr\u00f6fse der Temperatur Ver\u00e4nderung als ad\u00e4quaten Reizfaktor f\u00fcr den Temperatursinn zuschreiben m\u00fcssen. Nicht die Intensit\u00e4t selber, wohl aber die Dauer1 der anf\u00e4nglichen konstanten Intensit\u00e4t aller Temperaturempfindungen entspricht n\u00e4mlich eindeutig der Gr\u00f6fse der Temperaturver\u00e4nderung der Nervenendorgane. Jede Temperaturempfindung bewahrt n\u00e4mlich ihre allein durch die tats\u00e4chliche Reiztemperatur bestimmte\n1 s. dagegen K. G. Holm, Skand. Arch. Physiol. 14, 242 u. 249 (1903).","page":216},{"file":"p0217.txt","language":"de","ocr_de":"Psycho-physische Konstanten u. Variablen des Temperatursinnes. II 217\nSt\u00e4rke um so l\u00e4nger konstant, je gr\u00f6fser der Abstand zwischen der Haut- und der Reiztemperatur und damit die durch die Reiztemperatur verursachte Temperaturbewegung in der temperaturempfindlichen Hautschicht ist.\nDiesem Umstand, auf den wir erst sehr sp\u00e4t aufmerksam wurden, verdanken wir eine nicht unerhebliche Mehrarbeit, da wir seinethalben unsere s\u00e4mtlichen Anstimmungskurven einer Nachpr\u00fcfung unterziehen und zum grofsen Teil durch neue ersetzen mufsten. Die Abstimmungskurven konnten wir dagegen belassen, da wir bei ihnen schon einheitlich zu den Temperaturreizungen eine stets gleichgrofse Temperaturver\u00e4nderung von 3\u00b0 verwandt hatten.\nDen Einflufs gr\u00f6fserer Temperaturver\u00e4nderungen und damit l\u00e4ngerdauernder konstanter Temperaturempfindungen auf den Abstimmungsverlauf veranschaulichen die folgenden beiden Abstimmungskurven I und III in Abb. 9 (S. 218), bei denen wir die Reiztemperaturen durch eine Abk\u00fchlung der Versuchshand um 23\u00b0 bzw. 12\u00b0, n\u00e4mlich von 42\u00b0 auf 19\u00b0 bzw. von 38\u00b0 auf 26\u00b0 erzielt haben. Zum Vergleich haben wir als Kurve II und IV unsere beiden fr\u00fcheren Abstimmungskurven (Kurve I und II der Abb. 3, S. 205) hinzugef\u00fcgt, die das Ergebnis der gleichen Versuchsanordnung bei einer Abk\u00fchlung der Versuchshand um aber stets nur 3\u00b0 von 22\u00b0 auf 19\u00b0 bzw. von 29\u00b0 auf 26\u00b0 waren.\nDas Ergebnis ist, dafs die Dauer der konstanten Temperaturempfindungen offenbar nicht den geringsten weiteren Einflufs auf den Verlauf der Abstimmung aus\u00fcbt, sondern lediglich den gesamten Verlauf um den gleichen Zeitbetrag in allen Abschnitten verz\u00f6gert. Dieser rein zeitlichen Verschiebung durch die Dauer der konstanten Temperaturempfindungen mufs man also bei der Herstellung jeder Umstimmungskurve Rechnung tragen, wobei mit der Bestimmung des Zeitbetrages der Dauer selber bereits die gesamte zeitliche Verschiebung der Kurven in allen ihren Punkten festgestellt ist.\nZur ann\u00e4hernden Bestimmung dieses Zeitbetrages haben wir uns eines Verfahrens bedient, dafs sich aus den beiden Kurven unschwer begr\u00fcnden l\u00e4fst. Mit dem Beginn der Abstimmung sinkt n\u00e4mlich die Intensit\u00e4t der Temperaturempfindungen ganz pl\u00f6tzlich um den Reizwert vieler Temperaturgrade ab. Hierdurch mufs offenbar die Bestimmung des Beginnes der Abstimmung bzw. des Endes der konstanten Empfindungsintensit\u00e4t sehr erleichtert werden.","page":217},{"file":"p0218.txt","language":"de","ocr_de":"218\nHelmut Hahn\nGrad\nMinuten\nAbbildung 9\nEinfiufs der Gr\u00f6fse der Temperaturver\u00e4nderung auf die Abstimmung der\nK\u00e4ltenerven. Experimentelle Kurven Kurve I: Abstimmungsverlauf der K\u00e4ltenerven bei Abk\u00fchlung der Ver-suehshand von 42\u00b0 auf 19\u00b0; Kurve II: bei Abk\u00fchlung von 22\u00b0 auf 19\u00b0 (vgl. S. 205 Abb. 3, Kurve I); Kurve III: bei Abk\u00fchlung von 38\u00b0 auf 26\u00b0; Kurve IV:\nbei Abk\u00fchlung von 29\u00b0 auf 26\u00b0 (vgl. Abb. 3 Kurve II)\nDie mit einem Pfeil versehenen Punkte entsprechen den Durchschnittswerten von 45 Einzelversuchen\nZur Ausnutzung dieses Umstandes haben wir jeweils die Vergleichshand mit einem um (umgerechnet) 1\u00b0 schw\u00e4cheren Temperaturreiz gereizt, so dafs deren konstante Empfindungsintensit\u00e4t zun\u00e4chst merklich schw\u00e4cher als die gleichzeitige Empfindungsst\u00e4rke der Versuchshand war. Wir mufsten dann nur daf\u00fcr sorgen, dafs an der Vergleichshand die Empfindung noch konstant weiterdauerte, wenn die Empfindung der Versuchs hand unter dem Einfiufs der Umstimmung pl\u00f6tzlich rasch absank. In diesem Augenblick mufs die Empfindung der V er gl ei chs hand pl\u00f6tzlich und bald recht betr\u00e4chtlich \u00fcberwiegen, tats\u00e4chlich so erheblich, dafs diese Versuche keinerlei Schwierigkeiten bereiten.\nDamit die konstanten Temperaturempfindungen an der Vergleichshand gen\u00fcgend lange den Beginn der Abstimmung der Versuchshand \u00fcberdauerten, haben wir die Temperatur der Vergleichshand meist um einen m\u00f6glichst grofsen Betrag ver\u00e4ndert, sie n\u00e4mlich vor ihrer K\u00e4ltereizung 5 Minuten auf 42\u00b0 erw\u00e4rmt und dann auf (umgerechnet!) 20\u00b0 bzw. 25\u00b0 bzw. 30\u00b0 abgek\u00fchlt. Bei den Versuchen, bei denen wir die Temperatur der Versuchshand ebenfalls um einen grofsen Betrag ver\u00e4ndern mufsten, haben wir die Vergleichshand erst 10 Sekunden sp\u00e4ter in ihr Reizwasser getaucht, so dafs auch deren Abstimmung erst 10 Sekunden sp\u00e4ter als die der Versuchshand beginnen konnte. Bei einer Temperaturver\u00e4nderung der Versuchshand um","page":218},{"file":"p0219.txt","language":"de","ocr_de":"Psycho-physische Konstanten u. Variablen des Temperatur Sinnes. II 219\nnur einschliefslich 10 und weniger Graden wurden die beiden H\u00e4nde gleich-\n*\nzeitig in die Reizwasser getaucht, da die Dauer der konstanten Empfindungen hierbei an der Versuchshand ohnehin erheblich k\u00fcrzer ausfiel als an der um meist \u00fcber 20\u00b0 abgek\u00fchlten Vergleichshand. Bei den analogen W\u00e4rmeversuchen befanden sich die H\u00e4nde ebenfalls 5 Minuten in ihren Zwischentemperaturen. Die Vergleichshand wurde dabei stets 10 Sekunden sp\u00e4ter als die Versuchshand gereizt; nur bei deren Erw\u00e4rmung um 5\u00b0 wurden beide H\u00e4nde gleichzeitig in ihre Reizwasser getaucht.\nTabelle 8\nJuni 1928. K\u00e4ltereize. Vp. Hahn\nT. D. Grad\tA 1 Grad\tRI Grad\tA r Grad\tRr Grad\tZt. Sek.\tX mm\n23\t42\t19\t42\t20\t33,80\t0,047\n20\t39\t19\t42\t20\t29,04\t0,043\n15\t34\t19\t42\t20\t21,68\t0,037\n10\t29\t19\t42\t20\t15,64\t0,034\n5 1\t24 1\t19 '\t42\t20\t10,02\t0,035\n15\t39\t24\t42\t25\t17,92\t0,053\n10\t34\t24\t42\t25\t11,72\t0,042\n5\t29\t24\t42\t25\t8,14\t0,049\n10\t39\t29\t42\t30\t8,52\t0,055\n5\t34\t29\t42\t30\t5,04\t0,055\nJuli 1928. W\u00e4rmereize\nT. D. Grad\tAl Grad\tRI Grad\tAr Grad\tRr Grad\tZt. Sek.\tX mm\n20\t18 |\t38\t18\t37\t30,33\t0,050\n15\t23\t38\t23\t37\t23,38\t0,046\n10\t28\t38\t28\t37\t17,12\t0,043\n5\t33 1\t38\t28\t37\t10,38\t0,041\nDie Ergebnisse sind in der Tabelle 8 unter folgenden Kennzeichen eingetragen :\nUnter A 1 und A r die Zwischentemperaturen f\u00fcr die linke Versuchshand und die rechte Vergleichshand;\nunter R 1 und R r die Reiztemperaturen f\u00fcr die Versuchshand und die Vergleichshand;\nunter T. D. die Temperaturdifferenzen zwischen den Zwischentempe","page":219},{"file":"p0220.txt","language":"de","ocr_de":"220\nHelmut Hahn\nraturen und den Reiztemperaturen, also die Gr\u00f6fse der Temperaturver\u00e4nderung der Versuchsstand ;\nunter x die Ergebnisse einer sp\u00e4ter zu besprechenden mathematischen Auswertung der Versuche;\nunter Z t die Zeitbetr\u00e4ge zwischen dem Eintauchen der Versuchshand in ihr Reizwasser und dem Beginn ihrer Abstimmung, bestimmt durch den ersten Augenblick des deutlichen \u00dcberwiegens der Temperaturempfindungen an der \\ ergleichshand. Die Zeiten wurden mit einer Stoppuhr gemessen, die in Gang gebracht wurde, sobald die Versuchshand in ihr Reizwasser getaucht wurde, und die abstoppte, wenn die Vp. die Empfindung an der Versuchshand pl\u00f6tzlich als schw\u00e4cher angab als an der Vergleichshand.\nAls Zeitbetr\u00e4ge sind die Durchschnittswerte von jeweils 5 Versuchen eingetragen; zu den T. D. von 5\u00b0 bei den K\u00e4lteversuchen und von 20\u00b0 bei den W\u00e4rmeversuchen standen 10 Versuche zur Verf\u00fcgung. Die einzelnen Zeiten bei letzteren beiden Beispielen betrugen:\n1. Versuchshand stets von 24\u00b0 auf 19\u00b0 abgek\u00fchlt; Beginn der Abstimmung ihrer K\u00e4ltenerven nach 10,6 10,5 11\t10,2 9 11,2 10 9 9 3\n9,4 Sekunden; Durchschnittswert 10,02 Sekunden,\n2 Versuchshand von 18\u00b0 auf 38\u00b0 erw\u00e4rmt; Beginn der Abstimmung ihrer W\u00e4rmenerven nach 34,2 33,6 30,5 26,5 29,5 26,9 31,5 29 29 32,6 Sekunden; Durchschnittswert 30,33 Sekunden.\n#\nSchlu\u00dffolgerungen\nWenn man in der Temperatursinnestheorie von Hebing nichts weiter sehen will als die Erkenntnis, dafs der Adaptation der Temperaturnerven Ver\u00e4nderungen in der Erregbarkeit der Nerven zugrundeliegen, so d\u00fcrfte der Anerkennung der Theorie Hebings nichts mehr im Wege stehen. Als Ein wand m\u00f6chten wir gegen diese Theorie nur geltend machen, dafs Hebing ihre Beweisf\u00fchrung methodisch nicht gegl\u00fcckt ist. Gegen\u00fcber unseren Methoden, die auf dem Nachweis konstanter Erregbarkeitszust\u00e4nde der Temperaturnerven beruhen, befand sich Hebing in einem nicht zu untersch\u00e4tzenden Nachteil \u2014 allein schon durch seine Annahme \\ \u201edafs die St\u00e4rke der Temperaturempfindungen im wesentlichen von der Differenz zwischen der Reiztemperatur und der Nullpunktstemperatur abh\u00e4nge\u201c. Denn da Hebing die \u201eNullpunktstemperatur\u201c lediglich als eine variable Gr\u00f6fse einf\u00fchren konnte, so entzog er mit diesem Satz seiner Theorie die M\u00f6glichkeit exakter quantitativer Beweisf\u00fchrung.\nIm Vergleich zu unseren Bedenken gegen den methodischen Ursprung der Theorie Herings sind unsere theoretischen Einw\u00e4nde weniger schwer-\nE. Hering, Sitz.-Ber. d. Kaiserl. Akad. d. Wiss., mathem.-naturwissensch. Klasse III, 1\u20142 (1877) S. 121\u2014122.","page":220},{"file":"p0221.txt","language":"de","ocr_de":"Psycho-physische Konstanten u. Variablen des Temperatursinnes. II 221\nwiegend. Ihr wesentlichster richtet sich gegen Herings Auffassung von der Einheitlichkeit der Temperaturnerven, die durch den von Blix und von Goldscheider erbrachten Nachweis getrennter K\u00e4lte- und W\u00e4rmenerven ohnehin widerlegt ist. Infolgedessen ist auch Herings Begr\u00fcndung hinf\u00e4llig, nach der die Adaptation nicht auf Erm\u00fcdung der Nerven beruhen k\u00f6nne, weil bei der Adaptation gegen die eine Reizqualit\u00e4t die Empfindlichkeit gegen die andere Reizqualit\u00e4t steige. Wenngleich wir \u00fcber gesondert auf die Frage der Dualit\u00e4t der Temperaturnerven gerichtete Untersuchungen selber nicht verf\u00fcgen, so m\u00f6chten wir doch von unseren gesamten Versuchsergebnissen behaupten, dafs allein im Hinblick auf sie der Beweis einheitlicher Temperaturnerven eine \u00dcberraschung bedeuten w\u00fcrde, sich somit unsere Versuchsergebnisse im Gegensatz zur Theorie Herings in gutem Einklang mit dem Vorhandensein getrennter Temperaturnerven befinden.\nEine andere f\u00fcr die gesamte Sinnesphysiologie hochbedeutsame Auffassung Herings haben wir noch vor kurzem1 in einer Hinsicht best\u00e4tigen zu k\u00f6nnen geglaubt. Als Ursache der Umstimmungserscheinungen des Temperatursinnes nahm Hering eine \u201eSinnessubstanz\u201c an, in der ein Gegenspiel von (chemischen) \u201eassimilatorischen\u201c und \u201edissimilatorischen\u201c Vorg\u00e4ngen f\u00fcr die Empfindungsqualit\u00e4t und -st\u00e4rke bestimmend sein solle. F\u00fcr diese am Sehorgan gewonnene, auf die Gesamtheit aller Lebensvorg\u00e4nge \u00fcbertragbare Vorstellung Herings vermeinten wir einen exakten Beweis gefunden zu haben. Nach unseren erstangelegten Kurven glich n\u00e4mlich die Beschleunigung der Anstimmung der Temperaturnerven unter dem Einflufs des Steigens der Hauttemperatur der van \u2019t HoFFSchen Regel, und aus der G\u00fcltigkeit dieser Regel f\u00fcr die Anstimmungsgeschwindigkeit h\u00e4tten sich als Ursache der Umstimmungserscheinungen chemisch-physikalische Vorg\u00e4nge innerhalb der Haut ergeben. Diese Folgerung hat aber in unseren neuesten unter Ber\u00fccksichtigung der Dauer der konstanten Temperaturempfindungen erhobenen Befunden keine eindeutige Best\u00e4tigung gefunden. Denn nach ihnen folgt die Anstimmung der Temperaturnerven doch nicht der arithmetisch steigenden Hauttemperatur in genau geometrisch steigender Progression, welches Verh\u00e4ltnis das Vorliegen der van \u2019t HoFFsehen Regel erst wirklich wahrscheinlich gemacht h\u00e4tte. Vollends die unverh\u00e4ltnis-m\u00e4fsig langsam erfolgende Anstimmung der K\u00e4ltenerven unter dem Einflufs der normalen Hauttemperatur kompliziert die Verh\u00e4ltnisse bei der Anstimmung allzusehr.\nDagegen glauben wir einen anderen aus den Anstimmungsgeschwindigkeiten gezogenen Schlufs aufrecht erhalten zu k\u00f6nnen, dafs n\u00e4mlich die Anstimmungsvorg\u00e4nge sich an der \u00e4ufsersten Peripherie der Temperaturnerven abspielen m\u00fcssen. An den K\u00e4itenerven k\u00f6nnte n\u00e4mlich die Erh\u00f6hung der Hauttemperatur im Sinne einer Abschw\u00e4chung des K\u00e4ltereizes die Anstimmung zwar zentral beg\u00fcnstigen; zu einer gleichen zentralen Deutung der Anstimmung der W\u00e4rmenerven m\u00fcfste diese aber umgekehrt\n1 H. Hahn, Arch. f. Psychol. 65, H. 1\u20142 (1928) S. 41.","page":221},{"file":"p0222.txt","language":"de","ocr_de":"222\nHelmut Hahn\nmit fallender Hauttemperatur beschleunigt werden. Die ge-meins am e Beschleunigung der Anstimmung beider Temperaturnervenarten durch das Steigen der Hauttemperatur ist nur unter der Annahme einer unmittelbaren Einwirkung der Hauttemperatur auf die Temperaturnerven verst\u00e4ndlich, so dafs die Besprechung der Anstimmungsvorg\u00e4nge im Bereich des Temperatursinnes in das allgemeine Gebiet der zahlreichen biologischen Vorg\u00e4nge m\u00fcndet, deren Reaktionsgeschwindigkeit durch ihre Temperatur entscheidend mitbestimmt wird. Da ferner die Anstimmung und die Abstimmung einer mathematisch identischen Kurvenf\u00fchrung folgen, so machen unsere Kurven f\u00fcr die gesamte Umstimmung der Temperaturnerven eine einheitliche Deutung wahrscheinlich. Wir k\u00f6nnen somit die Adaptation als das Ergebnis eines einzigen reversiblen (vielleicht chemischen) Prozesses im oder am Nerven-ende auf fassen.\nZugunsten der peripherischen .Lokalisation der Adaptationsvorg\u00e4nge hatten wir bereits (S. 196) Beobachtungen aus dem Gebiet der Adaptationsbreite geltend gemacht, nach denen sich eine Ver\u00e4nderung des Adaptationszustandes bei gen\u00fcgend langsamem Fortschreiten der Temperaturver\u00e4nderung der Nervenenden ganz ohne zentrale Erregung der beteiligten Nerven vollziehen kann. Bemerkens werterweise wird ferner das Zustandekommen paradoxer K\u00e4lteempfindungen durch tiefe und hohe Hauttemperaturen beg\u00fcnstigt, dagegen durch die normale Hauttemperatur erschwert1, in offenbarem Zusammenhang mit der auffallenden Hemmung der Anstimmung der K\u00e4ltenerven durch die normale Hauttemperatur. Auch dieser Zusammenhang spricht f\u00fcr einen unmittelbaren Einflufs der Hauttemperatur auf die Erregbarkeitszust\u00e4nde der Nerven, da ein zentraler Einflufs der Hauttemperatur auf die paradoxe Errregbarkeit der K\u00e4ltenerven kaum in Betracht kommen d\u00fcrfte. Die Gesamtheit dieser Erw\u00e4gungen erlaubt uns somit zum erstenmal eine bestimmte Aussage \u00fcber den Ort der \u201eSinnessubstanz\u201c der Temperaturnerven, \u00fcber den sich Hering selber \"nie ge-\u00e4ufsert hat.\nAls den wichtigsten Gewinn f\u00fcr den Einblick in den Temperatursinn betrachten wir aber unsere erstmals gegl\u00fcckte graphische Darstellung des Umstimmungsverlaufes der Temperaturnerven und die mathematische Identifizierung der gesamten Umstimmungskurven mit dem GAUss\u2019schen Fehlerintegral. Damit haben wir\nnunmehr ein uns seit langem gestecktes Ziel erreicht, die Synthese n\u00e4mlich des gesamten Ablaufes jeder Tempe-\n1 H. Hahn, Pfl\u00fcgers Arch. 215, H. 1\u20142 (1926), 154 ff und 217 H 1 (1927) S. 44.","page":222},{"file":"p0223.txt","language":"de","ocr_de":"Psycho-physische Konstanten u. Variablen des Temperatursinnes. II 223\nraturempfindung in allen ihren Zeitpunkten unter Ber\u00fccksichtigung und Analysierung s\u00e4mtlicher beteiligter Faktoren. Den mit der graphischen Darstellung eines Sinneserlebnisses verbundenen theoretischen Gewinn m\u00f6chten wir abschliefsend noch durch eine physikalische Deutung unseres von uns urspr\u00fcnglich am wenigsten erwarteten Befundes erh\u00e4rten, dafs n\u00e4mlich jede Temperaturempfindung anf\u00e4nglich eine konstante Intensit\u00e4t von teilweise recht betr\u00e4chtlicher Zeitdauer aufweist, und den diese Zeitdauer mit den physikalischen Versuchsbedingungen verkn\u00fcpfenden physikalischen Faktor heraussteilen.\nHierzu erinnern wir an unsere fr\u00fcheren Bestimmungen1 der Tiefenlage der Temperaturnervenenden in der Haut, soweit wir sie aus den Zeiten berechnet hatten, die bis zum Beginn der konstanten Temperaturempfindungen verstreichen. Diese Untersuchungen betrafen lediglich die am oberfl\u00e4chlichsten in der Haut gelegenen Nervenenden, in deren Hautschicht mit dem Beginn der konstanten Empfindung die Temperaturver\u00e4nderung praktisch zum Stillstand gekommen sein mufs. Wir hatten damals darauf hingewiesen, dafs man sich unter der temperaturempfindlichen Hautschicht nat\u00fcrlich keine mathematische Ebene vorstellen darf, deren s\u00e4mtliche Punkte den gleichen Abstand von der Hautoberfl\u00e4che einn\u00e4hmen. Je tiefer nun unter den oberfl\u00e4chlichsten Nervenden noch weitere Nervenenden liegen, um so sp\u00e4ter mufs offenbar in deren Hautschicht die Temperaturver\u00e4nderung zum Stillstand kommen. Dann m\u00fcssen auch die tiefergelegenen Nervenelemente erst sp\u00e4ter ihre maximale Erregung erlangen, so dafs die maximale Temperaturempfindung auch dann noch konstant fortdauern mufs, wenn die oberfl\u00e4chlichsten Nerven bereits mit der Beendigung ihrer Temperaturver\u00e4nderung in die Adaptation eingetreten sind. Die Temperaturver\u00e4nderung der tief st gelegenen Nervenenden mufs aber auch um so sp\u00e4ter zum Stillstand kommen, je gr\u00f6fser die Temperaturver\u00e4nderung an der Hautoberfl\u00e4che ist. Somit erfordert also die Ber\u00fccksichtigung der physikalischen Verh\u00e4ltnisse sogar das Vorhandensein konstanter Temperaturempfindungen \u00fcber eine gewisse Dauer sowie eine Abh\u00e4ngigkeit dieser Dauer von der Gr\u00d6fse der Temperaturver\u00e4nderung an der Hautoberfl\u00e4che.\n1 H. Hahn und K. Boshamer, Pff\u00fcgers Arch. 217, H. 1 (1927), S. 39 ff. Zeitschr. f. Sinnesphysiol. 60\t15","page":223},{"file":"p0224.txt","language":"de","ocr_de":"224\nHelmut Hahn\nDiese Erkl\u00e4rung eines zwangsl\u00e4ufigen Zusammenhanges zwischen der Gr\u00f6fse der Temperaturver\u00e4nderung und der Dauer der konstanten Empfindung enth\u00e4lt nun einige Besonderheiten. Wir stellten uns n\u00e4mlich die Aufgabe, aus diesem Zusammenhang auch noch den Ort der am tiefsten gelegenen Nervenenden zu berechnen. Dabei gelangten wir schliefslich zu der Bestimmung eines letzten f\u00fcr die Temperatursinnestheorie schwer entbehrlichen Gliedes. Bevor die Temperaturver\u00e4nderung praktisch zum Stillstand kommt, erreicht sie n\u00e4mlich eine Mindestgeschwindigkeit, mit deren Unterschreiten die Beiztemperatur erst ihre nervenerregende Wirkung einb\u00fcfst.\nZum Ausgangspunkt unserer beabsichtigten Berechnungen machten wir die Tatsache, dafs am Ende der konstanten Empfindungen sich die Temperatur der Nervenenden auf mindestens ca. 0,3 0 der Reiztemperatur angen\u00e4hert haben mufs. Dieser Temperaturabstand von 0,3\u00b0 ergibt sich n\u00e4mlich aus den Werten U der Tabelle 4 (S. 185). Denn nach ihnen bleibt die Empfindungsst\u00e4rke bei einer grofsen an der Hautoberfl\u00e4che 20\u00b0 umfassenden Temperaturver\u00e4nderung um ca. 0,3\u00b0 hinter denjenigen Empfindungen zur\u00fcck, die von der gleichen Reiztemperatur nach einer Temperaturver\u00e4nderung von nur 2 bis 5\u00b0 verursacht werden. Bei den kleinen Temperaturver\u00e4nderungen mufs sich die Temperatur der Nervenenden zum Zeitpunkt des Empfindungsvergleiches auf h\u00f6chstens 0,135\u00b0 der Reiztemperatur angeglichen haben, welchen geringen Temperaturabstand wir als unerheblich aufser acht lassen, zumal er in die Fehlerbreite mit eingeht. Wenn also der Gleichheit zweier Empfindungsst\u00e4rken eine Gleichheit der Temperaturen am Reizort entsprechen soll, so zeigt das Zur\u00fcckbleiben der Empfindungsst\u00e4rken um 0,3\u00b0 nach den grofsen Temperaturver\u00e4nderungen an, dafs nach ihnen sich die Temperatur der Nervenenden von der Reiztemperatur um 0,3\u00b0 (um h\u00f6chstens ca. 0,5\u00b0 unter Einbeziehung der den Werten \u00fc anhaftenden Fehlerbreite von h\u00f6chstens 0,2\u00b0) unterscheiden mufs.\nWir bezeichnen weiterhin die Gr\u00f6fse der Temperaturver\u00e4nderungen an der Hautoberfl\u00e4che (die Differenzen zwischen A 1 und R1 in Tabelle 8 S. 219) als Ver\u00e4nderungsgr\u00f6fse D, und den gesuchten Abstand der am tiefsten gelegenen Nervenenden als imax. Zur Berechnung von Xmax setzten wir die Temperaturleitungsf\u00e4higkeit der Epidermis mit y = 0,035 cm sec-Va an, ein Wert, den Putter1 mit gen\u00fcgender Wahrscheinlichkeit aus der chemischen Zusammensetzung der Epidermis berechnet hat und der eine Unsicherheit von nur einigen Prozent enth\u00e4lt. Wir machen zun\u00e4chst die vereinfachende Annahme, dafs vor Beginn der Temperaturreizungen die Temperatur der Haut in allen Tiefen eine gleiche und gleich den unter Al und Ar in Tabelle 8 angegebenen Temperaturen ist. Dann wird2 die Temperatur T in der Tiefe x zu der Zeit t gleich\n1\tA. P\u00fctter, Zeitschr. f. Biol. 74 (1922), S. 269.\n2\tH. Hahn, K. Boshamer und J. Goldscheider, Pfl\u00fcqers Arch 217 H 1\n(1927), S. 42.\t\u2019\t\u2018","page":224},{"file":"p0225.txt","language":"de","ocr_de":"Psycho-physische Konstanten u. Variablen des Temperatur Sinnes. II 225\nx\n2yW\n\u00df_A)i\u00c4/e~*2dx-\no\nEs sollen der Temperaturabstand von der Reiztemperatur am gesuchten Orte kleiner als 0,3\u00b0 sein und die berechneten Werte f\u00fcr xmax eine Fehlerbreite nicht \u00fcberschreiten, die einem Fehler von ca. 10% (siehe Versuchsbeispiele S. 220) f\u00fcr die Zeiten ann\u00e4hernd entspricht. Unter unserer ersten Annahme, dafs der Temperaturabstand von 0,3\u00b0 f\u00fcr alle Versuchsbedingungen gleichm\u00e4fsig zutr\u00e4fe, ergab sich bei einer Reiztemperatur von 19\u00b0 folgendes Ergebnis: Bei einer Aufsenver\u00e4nderung D = 5\u00b0 wird xmax = 0,118 mm, bei D = 15\u00b0 wird xmax = 0,059 mm, bei D = 23\u00b0 wird xmax = 0,047 mm. Da aber die Streuung dieser Ergebnisse f\u00fcr xmax die experimentelle Fehlerbreite von 10% um ein mehrfaches \u00fcberschreitet, haben wir die Tiefenlage unter einer zweiten Voraussetzung berechnet, dafs n\u00e4mlich nach den Zeiten Zt der Tabelle 8 die Temperaturver\u00e4nderung eine gleiche Geschwindigkeit habe. An diese Temperaturgeschwindigkeit stellten wir die Forderung, dafs sie eine Temperatur am gesuchten Orte liefern mufs, die h\u00f6chstens um 0,3\u00b0 von der Reiztemperatur abweicht. Es stellte sich zwar dabei heraus, dafs diese Geschwindigkeiten immer nur f\u00fcr ein und dieselbe Reiztemperatur zutrafen. Dann betrugen aber bei diesem Vorgehen die Abweichungen vom Mittelwert f\u00fcr Xmax weniger\nals 20 %. Der Ausdruck f\u00fcr die Geschwindigkeit v D x\ndT\td Tv /R\n- = D dt dt\nv2y Vt\n-----i= zeigt, dafs bei einem Fehler von 10% f\u00fcr t der Fehler f\u00fcr x\n7t 2 y t b t\nnur bis zu 15% betr\u00e4gt; wir haben also eine gen\u00fcgende \u00dcbereinstimmung f\u00fcr die x max.-Werte erhalten, die beiden vorgenannten Forderungen sind damit erf\u00fcllt.\nNehmen wir die Aufsenver\u00e4nderungen noch kleiner als 5\u00b0, z. B. 3\u00b0 oder 1 \u00b0, so ergibt sich f\u00fcr eine Tiefenlage xmax = 0,055 mm zu der Zeit, wo die obige Geschwindigkeit gerade unterschritten wird, ein Abstand von der Reiztemperatur, der kleiner als 0,135\u00b0 bzw. 0,065\u00b0 ist. Hieraus ergibt sich die Berechtigung zu unserem Vorschlag, bei kleinen Aufsenver\u00e4nderungen den Temperaturabstand in die Fehlerbreite f\u00fcr U mit ein-gehen zu lassen. Die Einzelwerte f\u00fcr xmax finden sich in Tabelle 8 unter x. Die gesuchten Mindestgeschwindigkeiten betragen f\u00fcr den K\u00e4lte-\nreiz von 19\u00b0 0,264\nGrad liri?\nf\u00fcr den K\u00e4ltereiz von 24\u00b0 0,510\nGrad\nMin)\u2019\nf\u00fcr den\nK\u00e4ltereiz von 29\u00b0 1,08\nGrad\nund f\u00fcr den W\u00e4rmereiz von 38\u00b0 0,270\nGrad\nMin.\t\" Min.\nDie Berechnung des geringsten Abstandes (\u2014xmin) der Temperaturnervenenden von der Hautoberfl\u00e4che folgt entsprechend aus der Tatsache, dafs, wie aus Tabelle 4 (S. 185) hervorgeht, sp\u00e4testens nach 8, am wahrscheinlichsten nach 6 Sekunden nach Reizbeginn die Temperatur in dieser Hautschicht sich auf ca. 0,3\u00b0 der Reiztemperatur angen\u00e4hert haben mufs. Wir erhalten dabei einen Wert von 0,023 mm f\u00fcr xmin.\n15*","page":225},{"file":"p0226.txt","language":"de","ocr_de":"226\nHelmut Hahn\nBei allen unseren Rechnungen haben wir einen etwaigen Einflufs der Bluttemperatur unber\u00fccksichtigt gelassen, weil er aus folgenden Gr\u00fcnden allzu unwahrscheinlich ist. Es stehen n\u00e4mlich die ermittelten Zeiten bei gleichen Aufsenver\u00e4nderungen f\u00fcr die K\u00e4lte- und W\u00e4rmenerven in gar keiner Abh\u00e4ngigkeit von der Richtung der Temperaturver\u00e4nderung und in keiner deutlichen Abh\u00e4ngigkeit von den Reiztemperaturen. Machen wir aber den Ansatz, dafs in einer Tiefe von d mm eine konstante Bluttemperatur herrscht, so kommen wir zur Formel\noo\nT = R+ B\u2014R\nx\n~d\nR\u2014A\n7t\n2\n1\n1\n\u2014 e n\nn2 ?r2y21\nd2\nn re\nsin \u2014\u2014 x.\nDiese Formel mit d 3 mm erlaubt f\u00fcr Zeiten von der Gr\u00f6fsenordnung 20 Sekunden und h\u00f6her Schwankungen von 100 %, die f\u00fcr die Temperatur T nur Schwankungen von weniger als 1 % verursachen. Irgendeine physikalische Bedeutung k\u00f6nnten die ermittelten Zeiten nach dieser Formel praktisch \u00fcberhaupt nicht haben. Hinzu kommt, dafs sowohl die Temperaturabst\u00e4nde von der Endtemperatur wie die Geschwindigkeiten f\u00fcr die einzelnen Aufsenver\u00e4nderungen nicht miteinander vergleichbar sind. Diese Gr\u00f6fsen erhalten wir erst dann von derselben Ordnung, wenn wir d 5 mm w\u00e4hlen. Wir haben f\u00fcr d = 7 mm dieselben Rechnungen ausgef\u00fchrt wie zu Beginn des Abschnittes unter der Voraussetzung gleicher Temperaturen in allen Hauttiefen, und zwar f\u00fcr die Reiztemperatur 19\u00b0. Bei einer konstanten Bluttemperatur von 37\u00b0 ergab sich eine Geschwindigkeit von Grrficl\n0,31 Min\u201d\u2018 Bei den Aufsenver\u00e4nderungen 5; 10; 15; 20 und 23\u00b0 betrugen\ndie Werte f\u00fcr xmax 0,042; 0,041; 0,045; 0,051; 0,061. Sollte sich also tats\u00e4chlich die Gewebstemperatur in gr\u00f6fseren Tiefen trotz der grofsen Aufsenver\u00e4nderungen ganz konstant halten, so w\u00fcrde das die Gr\u00f6fsenordnung von x praktisch nicht nennenswert beeinflussen.\nEs lag nun der Versuch nahe, unsere aus den Berechnungen hervorgehende Mindestgeschwindigkeit auch unmittelbar zu messen. Hierzu schienen uns zun\u00e4chst die als Adaptationsbreite geschilderten Beobachtungen geeignet, nach denen sich die Reiztemperatur um einen bestimmten Mindest-betrag von der Adaptationstemperatur zur Erzielung einer adaptationsfreien Empfindung unterscheiden mufs. Dieser notwendige Mindestbetrag k\u00f6nnte daher r\u00fchren, dafs die Temperaturver\u00e4nderung am Reizort die zum Reizerfolg ben\u00f6tigte Mindestgeschwindigkeit erst erreicht, wenn sich Haut-und Reiztemperatur um die Adaptationsbreite unterscheiden. Dem Begriff der Adaptationsbreite l\u00e4ge dann gar kein physiologischer Nervenzustand zugrunde, die Nerven w\u00e4ren tats\u00e4chlich nur auf die Adaptationstemperatur selber adaptiert und ihre dar\u00fcber hinausgehende Untererregbarkeit w\u00e4re durch die Notwendigkeit einer mindesten Geschwindigkeit an Temperaturver\u00e4nderung nur vorget\u00e4uscht. Diese Erw\u00e4gung h\u00e4lt aber einer einfachen Berechnung nicht stand. Es sind n\u00e4mlich die den Adaptationsbreiten entsprechenden Geschwindigkeiten viel zu grofs, so dafs gr\u00f6fsere Temperaturver\u00e4nderungen um viele Grade schw\u00e4chere Empfindungen von derselben Reiztemperatur vermitteln m\u00fcfsten, wenn sie nur bis zum Erreichen der durch die Adaptationsbreite bestimmten Maximalgeschwindigkeit ihre","page":226},{"file":"p0227.txt","language":"de","ocr_de":"Psycho-physische Konstanten u. Variablen des Temperatursinnes. II 227\nReizwirkung entfalten k\u00f6nnten. Bei Adaptationsbreiten zwischen 0,5 und 3\u00b0 w\u00fcrden sich die Empfindungen bei einer Aufsenver\u00e4nderung von 20\u00b0 um nicht weniger als 5, 1 bis 9,3\u00b0 unterscheiden!\nDer Weg zu einer unmittelbaren Messung der gesuchten Mindestgeschwindigkeit hat sich uns erst durch einen Zufall er\u00f6ffnet. Die einzigen Untersucher n\u00e4mlich, die sich vor uns mit der Bedeutung von Mindestgeschwindigkeiten im Bereich des Temperatursinnes \u00fcberhaupt messend befafst haben, sind dabei zu Ergebnissen gelangt, deren Gr\u00f6fsenordnung bemerkenswerterweise mit den unseren \u00fcbereinstimmt. Die mindeste Geschwindigkeit, die eine Temperaturver\u00e4nderung der Hautoberfl\u00e4che zum Zustandekommen einer Temperaturempfindung auf weisen mufs, ist von Gertz (a. a. O.) mit 0,150 in der Minute f\u00fcr die K\u00e4ltenerven, 0,2\u20140,250 f\u00fcr die W\u00e4rmenerven ; von Kuller (a. a. O.) mit 0,0035\u20140,0053\u00b0 in 2 Sekunden, also in der Minute gr\u00f6fser als 0,105\u20140,159\u00b0, f\u00fcr beide Temperaturnervenarten gefunden worden, w\u00e4hrend unsere Werte zwischen 0,264\u20141,08\u00b0 i. d. Min. liegen. Diese uns ganz unerwartet gekommene \u00dcbereinstimmung der Ergebnisse ist deshalb so auffallend, weil die von Gertz und Kuller beschriften en Wege nicht das geringste mit den unseren gemeinsam haben, ihr Ziel sogar dem unseren eigentlich widerspricht. Denn bei ihnen wurden die Bedingungen f\u00fcr das Zustandekommen einer minimalen, bei uns f\u00fcr die Beendigung einer maximalen Temperaturempfindung untersucht. Soll die auffallende \u00dcbereinstimmung der Ergebnisse trotzdem mehr als ein schwer verst\u00e4ndlicher Zufall sein, so kann sie sich offenbar nicht auf die St\u00e4rke der Nervenerregungen beziehen, sondern nur auf die Bedingungen, unter denen ein Erregungszuwachs der Nerven \u00fcberhaupt zustandekommt. Dieser Erregungszuwachs kann aber bei den Untersuchungen von Gertz und Kuller zu einer nur minimalen Empfindung f\u00fchren, weil beide Untersucher an absolut adaptierten Hautgebieten arbeiten, ihre Reiztemperaturen mithin in die Adaptationsbreite fallen, w\u00e4hrend bei unseren Versuchen die am tiefsten liegenden Temperaturnervenenden zum Zeitpunkt ihres Erregungszuwachses noch keinen Adaptationseinfl\u00fcssen ausgesetzt sind. Da ja der abstimmende Einflufs der Adaptationsbreite mit der Adaptationszeit anw\u00e4chst (s. S. 191), so mufs offenbar mit absinkender Geschwindigkeit der Temperaturver\u00e4nderung einmal ein Zeitpunkt eintreten, in dem die weitere Temperaturver\u00e4nderung bereits in die Adaptationsbreite","page":227},{"file":"p0228.txt","language":"de","ocr_de":"228\nHelmut Hahn\nder zuletzt noch adaptationsfrei erregenden Temperatur hineinf\u00e4llt und der abstimmende Einflufs der Adaptationsbreite \u00fcber den erregenden Anteil der Reiztemperatur die Oberhand gewinnt. Daraus, dafs also auch die relative Adaptation schliefslich einmal schneller vorschreitet als die Temperaturver\u00e4nderung, ergibt sich zudem ein unschwer verst\u00e4ndlicher Zusammenhang zwischen den von uns beobachteten wechselnd grofsen Adaptationsbreiten und den gleichsinnig wechselnden Mindestgeschwindigkeiten bei verschiedenen Reizst\u00e4rken.\nMit der Bestimmung der Mindestgeschwindigkeiten der die Nervenerregung unterhaltenden Temperaturver\u00e4nderungen am Reiz ort haben unsere Feststellungen \u00fcber die Lage dieses Reizortes noch weiter an Sicherheit gewonnen. W\u00e4hrend wir fr\u00fcher1 nur aussagen konnten, dafs die am oberfl\u00e4chlichsten gelegenen Nervenenden mit Bestimmtheit oberfl\u00e4chlicher als 1/10 mm von der Hautoberfl\u00e4che entfernt liegen mufsten, sind wir nunmehr in den Besitz ihrer tats\u00e4chlichen Lage gelangt und k\u00f6nnen dar\u00fcber hinaus auch noch die Hautlage der am tiefsten endenden Temperaturnerven und damit die gesamte Breite der temperaturempfindlichen Hautschicht angeben. Mit einer Breite dieser Hautschicht von ca. 0,03 mm, einem geringsten Abstand von der Hautoberfl\u00e4che von ca. 0,02 mm, einem \u00e4ufsersten Abstand von ca. 0,05 mm kommen die Nervenenden der Hautoberfl\u00e4che um ein Vielfaches n\u00e4her, als alle bisher \u00fcber ihre Hautlage ge-\u00e4ufserten Vermutungen erwarten liefsen. Da auch eine ersichtlich m\u00f6gliche etwas weitere Verbreiterung der von uns in Betracht gezogenen wahrscheinlichen Fehler breite hieran nichts Nennenswertes \u00e4ndern w\u00fcrde, so k\u00f6nnen wir uns nunmehr unbedenklich der Besprechung der anatomischen Wahrscheinlichkeit unserer Ergebnisse zuwenden.\nDie Breite der Hornschicht der Epidermis stimmt an beinahe allen K\u00f6rperregionen hinreichend mit den von uns ermittelten Werten f\u00fcr den Mindestabstand der Nervenenden von der Hautoberfl\u00e4che \u00fcberein. Bis auf wenige Ausnahmen gibt Drosdorff2 die Breite des Stratum corneum der menschlichen Epidermis mit 0,021\u20140,059 mm an, gemessen an Osmiums\u00e4ure-Pr\u00e4paraten von einem 56 j\u00e4hrigen Mann und einer 50 j\u00e4hrigen\n1\tH. Hahn und K. Boshamer, Pfl\u00fcgers Arch. 217, 1 (1927). 38ff.\n2\tnach Vierordts Tabellen S. 144.","page":228},{"file":"p0229.txt","language":"de","ocr_de":"Psycho-physische Konstanten u. Variablen des Temperatursinnes. II 229\nFrau. An diesen Hautgebieten k\u00f6nnten also die Temperatur nerven bis gerade an die Hornschicht heranreichen, und das Vorhandensein so oberfl\u00e4chlich endender Hautnerven ist gen\u00fcgend wahrscheinlich.\nUn\u00fcbersichtlicher liegen aber die Verh\u00e4ltnisse an den Hautgeb ieten, f\u00fcr die Drosdorff eine gr\u00f6fsere Mindestbreite der Horn-Schicht angibt. An der Wange soll sie n\u00e4mlich mindestens 0,035, an der Fufssohle 0,525, an der uns besonders interessierenden Hohlhand 0,473 und an der Fingerbeere 0,761 mm betragen. An der Hohlhand und Fingerbeere w\u00fcrde die temperaturempfindliche Hautschicht also sogar noch innerhalb der Hornschicht liegen. Und diese M\u00f6glichkeit zugegeben, k\u00f6nnte dasselbe auch an s\u00e4mtlichen anderen Hautgebieten der Fall sein, an denen die gr\u00f6fste Breite der Hornschicht ja ebenfalls mit unseren Werten zusammenf\u00e4llt.\nEin bestimmtes Urteil, ob tats\u00e4chlich die Hornschicht der Epidermis als Tr\u00e4gerin der unmittelbar reizempfindlichen Bestandteile des Temperaturnervensystems in Betracht zu ziehen ist, l\u00e4fst sich aber mangels ausreichender anatomischer Details nicht f\u00e4llen. K\u00f6nnte doch immerhin das Stratum lucidum der Epidermis auch an Hohlhand und Fingerbeere an den relativ sp\u00e4rlichen Stellen, an denen die Temperaturpunkte liegen, tiefer in die Hornschicht hineinragen. Vor allem sind aber die individuellen Unterschiede der Breite der Hornschicht zu ber\u00fccksichtigen, so dafs sich auch an der Hohlhand die Temperaturnervenenden unschwer jenseits der Hornschicht verlegen lassen.\nVor kurzem ist nun Boeke1 sehr nachdr\u00fccklich f\u00fcr Befunde eingetreten, nach denen die bisherige Auffassung einer intraepithelialen Lage frei endigender Nerven in der Epidermis \u00fcberhaupt nicht zutrifft, sondern die Enden dieser Nerven ausnahmslos intercellul\u00e4r liegen. Diese Befunde zeigen einmal, wie wenig sicher die bisherigen Angaben \u00fcber die letzten Endausbreitungen der Hautnerven zu werten sind. Andererseits scheint uns durch die Befunde Boekes die Vorstellung von den unmittelbar reizbaren Bestandteilen des Temperaturnervensystems an Anschaulichkeit zu gewinnen. Wenn n\u00e4mlich diese Bestandteile den Inhalt von Zellen bilden, so scheint uns die Anwendung des Hering-schen Begriffes der \u201eSinnessubstanz\u201c auf das unmittelbar reiz-\n1 Boeke, Z. mikrosk.-anat.-Forschg. Anatomie, II. Abt. 2, 391 (1925).","page":229},{"file":"p0230.txt","language":"de","ocr_de":"230\nHelmut Hahn\nempfindliche Substrat der Temperaturneryenenden nicht unangebracht, nachdem wir f\u00fcr den Ort der Sinnessubstanz die \u00e4ufserste Peripherie der Temperaturnerven wahrscheinlich gemacht haben.\nZusammenfassung\nDie vorliegenden Untersuchungen bezwecken s\u00e4mtliche Beziehungen zwischen JReizst\u00e4rke und Empfindungsst\u00e4rke im Bereich des Temperatursinnes quantitativ zu bestimmen. F\u00fcr diese Bestimmungen hat sich keine der bisher aufgestellten Pemperatursinnestheorien als geeignete Grundlage erwiesen. Die f\u00fcr die St\u00e4rke und den Verlauf von Temperaturempfindungen mafsgebenden Faktoren mufsten neu ermittelt und untereinander abgegrenzt werden. S\u00e4mtliche die Temperaturempfindungen beeinflussenden Faktoren haben sich dabei auf letzten Endes drei Ursachen zur\u00fcckf\u00fchren lassen; den Reizwert des Temperaturreizes, die Empfindllichkeit der Temperaturnerven und die Adaptation. Der Einflufs jedes einzelnen dieser Faktoren liefs sich erst untersuchen, als es uns zum erstenmal gelang, die Empfindlichkeit der Temperaturnerven von ihren Adaptationszust\u00e4nden abzutrennen und f\u00fcr den Reizwert der Temperaturreize einen physikalisch exakten Mafsstab zu gewinnen. Aus der gesonderten Untersuchung jedes einzelnen der f\u00fcr die Temperaturnervenerregung mafsgebenden drei Faktoren haben sich folgende neue Tatsachen sicherstellen lassen.\n1.\tUnter der Voraussetzung, dafs Adaptationseinfl\u00fcsse vermieden werden, entspricht der Reizwert eines thermischen Reizobjektes genau seiner physikalischen Temperatur. Ein Erregungszuwachs der Temperaturnerven kommt zwar nur zustande, wenn die Temperaturbewegung in der Haut am Reizort der nerv\u00f6sen Rezeptoren eine Mindestgeschwindigkeit von 0,264 bis h\u00f6chstens 1,08\u00b0 C (abh\u00e4ngig von der Reizst\u00e4rke) in der Minute \u00fcberschreitet. Jenseits dieser Mindestgeschwindigkeit ist aber die Geschwindigkeit der Temperaturver\u00e4nderung f\u00fcr den Reizwert eines Temperaturreizes entgegen der Theorie Webees absolut belanglos. Der Reizwert ist unabh\u00e4ngig von der Gr\u00f6fse der Reizfl\u00e4che.\n2.\tUnter der Voraussetzung, dafs Adaptationseinfl\u00fcsse vermieden werden, ist die Empfindlichkeit der Temperaturnerven eines Hautgebietes eine absolut konstante. Es wird ein","page":230},{"file":"p0231.txt","language":"de","ocr_de":"Psycho-physische Konstanten u. Variablen des Temperatursinnes. II 231\nVerfahren beschrieben, das die reine Un ter schied s empfindlich keit des Temperatursinnes unter m\u00f6glichster Einschr\u00e4nkung von Zeitverlusten nach der Methode der richtigen und falschen F\u00e4lle zu bestimmen erlaubt. Weder ist, wie meist angegeben wird, die Unterschiedsempfindlichkeit gegen in der N\u00e4he der normalen Hauttemperatur gelegene Reiztemperaturen eine besonders feine, noch trifft das Weber-FechnerscIle psychophysische Grundgesetz f\u00fcr den Temperatursinn zu; sondern die Unterschiedsempfindlichkeit ist gegen\u00fcber allen Reiztemperaturen absolut konstant und unabh\u00e4ngig von den Reizwerten. Der Empfindlichkeitsunterschied der Temperaturnerven zweier Hautgebiete ist ebenfalls absolut konstant und vom Reizwert unabh\u00e4ngig. Einem gleichen Reiz Zuwachs entspricht ein gleicher Erregungs Zuwachs der Temperaturnerven unabh\u00e4ngig von der Empfindlichkeit der beteiligten Nerven und der gew\u00e4hlten absoluten Reizst\u00e4rke.\n3. Gegen\u00fcber diesen zwischen Reizwert und Empfindlichkeit im Bereich des Temperatursinnes bestehenden einfachen psychophysischen Konstanten bildet allein die Adaptation eine variable Gr\u00f6fse. Die Adaptation beruht auf einer Ver\u00e4nderung der Erregbarkeit der Nerven, ihrer Umstimmung. Die Umstimmung setzt sich aus zwei Phasen zusammen, der Herabsetzung der Erregbarkeit (= Abstimmung) unter dem Einflufs des Reizes, der R\u00fcckkehr der Erregbarkeit zur konstanten Empfindlichkeit (= Anstimmung) als Folge der Reizaufhebung. Der Abstimmungsverlauf ist abh\u00e4ngig vom Reizwert des Reizes; sein Endergebnis ist unter der Einwirkung st\u00e4rkerer Reize eine konstante Empfindung, unter der Einwirkung schwacher Reize vollkommene Empfindungslosigkeit. Die Anstimmung ist gegen\u00fcber dem gleichen und dem st\u00e4rkeren Reiz vom Reizwert unabh\u00e4ngig; nur gegen\u00fcber dem schw\u00e4cheren Reiz ist der Reizwert von mit der Reizst\u00e4rke steigendem Einflufs. Die Anstimmung vollzieht sich um so schneller, je k\u00fcrzer die Reizdauer ist und (im allgemeinen, aber nicht ausnahmslos) je tiefer die Hauttemperatur nach Absetzen des Reizes liegt. Die Umstimmung beginnt sich erst nach einem bis zu 30 Sekunden w\u00e4hrenden Zeitraum geltend zu machen, w\u00e4hrend dessen die Temperaturempfindungen eine konstante Intensit\u00e4t aufweisen.\nDie Umstimmung umfafst eine Ver\u00e4nderung der Erregbarkeit der Nerven gegen\u00fcber allen Reiz werten bis zur St\u00e4rke des","page":231},{"file":"p0232.txt","language":"de","ocr_de":"232 Hahn, Psycho-physische Konstanten u. Variablen des Temperatur Sinnes. II\nadaptierenden Reizes, und \u00fcber diesen hinaus bis zu einem H\u00f6chstabstand von ca. 4\u00b0. Nur innerhalb dieses Gebietes, der Adaptationsbreite, gelten die Gesetze der Adaptation. Der H\u00f6chstabstand der Adaptationsbreite von der Adaptationstemperatur sinkt mit steigendem Reizwert der Adaptationstemperatur. Die Adaptationsbreite ist von der Adaptationszeit unabh\u00e4ngig. \u2014\nDie geschilderten Bestimmungen erlauben zum erstenmal eine graphische Darstellung des typischen Verlaufes jeder Temperaturempfindung zu allen ihren Zeitpunkten und unter Ber\u00fccksichtigung s\u00e4mtlicher beteiligter Faktoren zu geben. Die Kurve der Temperaturempfindungen nimmt unter dem Einflufs der Adaptation einen Verlauf, der mit grofser Wahrscheinlichkeit\ndem Gauss sch en Fehlerintegral folgt. Die theoretische \u2022 \u2022\n\u00dcbereinstimmung der Abstimmungs- und Anstimmungskurven beweist als Ursache der Adaptation einen reversiblen Vorgang, als dessen Ort sich die \u00e4ufserste Peripherie der Temperaturnerven nachweisen l\u00e4fst. Die der Adaptation zugrundeliegenden biologischen (vielleicht chemischen) Prozesse lassen sich auf einige Vxoo mm genau in der Haut lokalisieren.\nDie gesamte Temperaturnervenerregung vollzieht sich in einer Hautschicht von ca. 0,03 mm Breite in einem Abstand von ca. 0,02\u20140,05 mm unterhalb der Hautoberfl\u00e4che am wahrscheinlichsten unmittelbar unterhalb des Stratum corneum der Epidermis.","page":232}],"identifier":"lit36006","issued":"1930","language":"de","pages":"162-197, 198-232","startpages":"162","title":"Die psycho-physischen Konstanten und Variablen des Temperatursinnes [I. Die Konstanz der Empfindlichkeit der Temperaturnerven / II. Die Umstimmung der Erregbarkeit der Temperaturnerven]","type":"Journal Article","volume":"60"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:43:50.632491+00:00"}