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{"created":"2022-01-31T16:43:13.604745+00:00","id":"lit36009","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"Skramlik, Emil v.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 60: 249-255","fulltext":[{"file":"p0249.txt","language":"de","ocr_de":"Johannes v. Kries f\nAm 30. Dezember 1928 verstarb in Freiburg i. Br. im 76. Lebensjahre Johannes von Keies. Mit ihm sank eine der letzten Pers\u00f6nlichkeiten ins Grab, die uns noch mit der grofsen Zeit der Physiologie verbanden; denn bei seiner Nennung steigen die Erinnerungen an Helmholtz und Ludwig empor, in deren Arbeitsst\u00e4tten zu wirken und in deren Gedankenkreis einzudringen er Gelegenheit hatte. Die Wissenschaft erleidet durch sein Hinscheiden einen sehr schweren Verlust, da er sich als Forscher weit \u00fcber sein eigentliches Arbeitsgebiet hinaus bet\u00e4tigt hat:\nEr war nicht nur ein Physiologe, sondern auch ein Psychologe, Philosoph und Mathematiker ganz hervorragenden Ranges.\nEs ist nicht einfach dieses an Arbeit und Erfahrungen so reiche Leben in knappen Z\u00fcgen darzustellen. Er wurde am 6. Oktober 1853 in Roggenhausen geboren, auf einer preufsischen. Dom\u00e4ne in der N\u00e4he von Graudenz, die sein Vater durch Jahrzehnte als P\u00e4chter innehatte. Er stammte aus einer kinderreichen Familie. In seinen sp\u00e4teren Lebensjahren hat er \u00f6fters darauf hingewiesen, welch guten Einflufs es auf die Entwicklung seiner Pers\u00f6nlichkeit gehabt hat, dafs er in einem grofsen Kreise von Geschwistern aufwuchs und seine erste Jugend auf dem Lande zu verleben Gelegenheit hatte. Diese ersten haftenden Eindr\u00fccke des gesunden Landlebens m\u00f6gen auch der Anlafs gewesen sein, dafs er der Universit\u00e4tsstadt Freiburg i. Br. treu geblieben ist, trotzdem er oft Gelegenheit hatte, seine dortige Stellung mit Lehrst\u00fchlen an Universit\u00e4ten in Grofsst\u00e4dten zu vertauschen.\nDie Frage des ersten Unterrichts, die ja auf dem Lande immer gewisse Schwierigkeiten verursacht, wurde in einer sehr gl\u00fccklichen Weise gel\u00f6st. Er kam n\u00e4mlich von seinem\nZeitschr. f. Sinnespkysiol. 60\n17","page":249},{"file":"p0250.txt","language":"de","ocr_de":"250\nEmil v. Skramlik\n9.\u201412. Lebensjahre zu einem jungen Kandidaten der Theologie in die Lehre, der vor allem die humanistischen F\u00e4cher beherrschte, aber auch imstande war, die Ausbildung des Sch\u00fclers in den Naturwissenschaften gr\u00fcndlich und gewissenhaft zu leiten. Diesem ersten Unterricht hatte es der junge von Kries zu danken, dafs er sp\u00e4ter auf dem Gymnasium so gut und rasch vorankam.\nMit 12 Jahren mufste er das Elternhaus verlassen und sich zum Besuch des humanistischen Gymnasiums nach Marien-w er der begeben. In dankbarem Ged\u00e4chtnis blieb ihm aus dieser Zeit \u2014 wie er in seiner Selbstbiographie berichtet \u2014 nur der Leiter der Anstalt, der offenbar ein sehr t\u00fcchtiger Schulmann war und sich des begabten Knaben warm annahm. Talente und Vorbildung des Sch\u00fclers waren so gut, dafs er gleich in die Obertertia aufgenommen wurde. Unter diesen Umst\u00e4nden vermochte er die Reifepr\u00fcfung noch vor Beendigung seines 16. Lebensjahres abzulegen.\nNun schwankte er kurze Zeit, ob er das Studium der Philosophie oder das der Medizin aufnehmen solle. Er entschied sich f\u00fcr das letztere und bezog im Herbst 1869 die Universit\u00e4t Halle. Dort hat A. W. Volkmann auf ihn einen besonders starken Eindruck gemacht, haupts\u00e4chlich durch sein Kolleg \u00fcber Sinnesphysiologie.\nSchon in seinen ersten Studiensemestern rang er sich zu der \u00dcberzeugung durch, dafs die Physiologie dasjenige Feld der Medizin darstellte, auf dem er sich wissenschaftlich am besten auswirken konnte. Deshalb \u00fcbersiedelte er zur Fortsetzung seiner Studien an die Universit\u00e4t Leipzig, die damals durch Carl Ludwig eine hoch entwickelte und gl\u00e4nzend geleitete physiologische Anstalt besafs. Neben der Medizin betrieb er eifrig Mathematik und Physik. In seinen Mufsestunden safs er am Klavier, das er vortrefflich beherrschte.\nNach Ablegung der \u00e4rztlichen Vorpr\u00fcfung begab er sich auf den Rat Ludwigs an die Universit\u00e4t Z\u00fcrich, deren klinische Einrichtungen durch hervorragende Lehrkr\u00e4fte zu grofser Ber\u00fchmtheit gelangt waren. Zur Beendigung des medizinischen Studiums kehrte er nach Leipzig zur\u00fcck, bestand in seinem 22. Lebensjahre sein Staatsexamen und legte wenige Zeit sp\u00e4ter seine Doktorpr\u00fcfung ab. 1876 arbeitete er im Physikalischen Institut zu Berlin unter Leitung von Helmholtz. Aus der Zeit des einj\u00e4hrigen Berliner Aufenthaltes entstammt seine erste Ab-","page":250},{"file":"p0251.txt","language":"de","ocr_de":"Johanne^ v. Kries f\n251\nhandlung \u00fcber die \u201eErm\u00fcdung des Sehnerven\u201c. Zu Ostern 1877 trat er als Assistent im Leipziger Physiologischen Institut ein.\nDort war f\u00fcr eine Entwicklung auf den verschiedenartigsten Gebieten der Physiologie reichlichst Gelegenheit gegeben. Das lag haupts\u00e4chlich an der Vielseitigkeit der Probleme, mit denen Ludwig seine Leute besch\u00e4ftigte und an dem regen Gedankenaustausch, der zwischen allen Sch\u00fclern des Instituts, z. T. unter pers\u00f6nlicher Leitung des Meisters stattfand. Er selbst gedachte stets mit tiefstem Danke jener Zeit, die er an der \u201eber\u00fchmtesten aller physiologischen Anstalten\u201c zu verbringen Gelegenheit hatte. 1878, also mit 25 Jahren, habilitierte er sich f\u00fcr das Fach der Physiologie. Es entstanden einige sinnesphysiologische Arbeiten, z. B. \u00fcber Unterscheidungszeiten, sowie eine Untersuchung \u00fcber die Bestimmung des Mitteldruckes durch das Quecksilbermanometer, die beweist, dafs er Mathematik und Physik vortrefflich in den Dienst der physiologischen Technik zu stellen verstand. Zu seinen damaligen Mitstrebenden geh\u00f6rten M. von Frey und Robert Tigerstedt, mit denen ihn eine innige Freundschaft verband. 1880 wurde der 27 j\u00e4hrige als Nachfolger 0. Funkes als planm\u00e4fsiger a. o. Professor nach Freiburg i. Br. berufen und drei Jahre sp\u00e4ter zum Ordinarius bef\u00f6rdert.\nvon Kries Arbeiten 1 bewegen sich, wie die weitere Gestaltung seines Lebens gezeigt hat, nahezu auf s\u00e4mtlichen Gebieten der Physiologie. Bei aller Vielseitigkeit blieb aber die Physiologie der Sinneswerkzeuge, besonders des Gesichtssinnes, sein Lieblingsgegenstand.\nDa er Mitarbeiter dieser Zeitschrift seit deren Gr\u00fcndung war, so geziemt es sich wohl, dafs man seine sinnesphysiologische T\u00e4tigkeit zuerst zur Sprache bringt. Bei Arbeiten \u00fcber die Leistungen des Gesichtssinnes fand er vor allem die Tatsache, dafs die physiologisch optischen Gleichungen von dem Zustande des Sehorganes unabh\u00e4ngig sind, soweit die Stelle des deutlichsten Sehens bei der Beobachtung ben\u00fctzt wird. Zwei Lichter oder Lichtgemische, die bei einem Zustand des Sehorgans gleich aussehen, bleiben auch bei beliebiger Erm\u00fcdung oder Umstimmung gleich.\n1 Wegen des Schriftennachweises siehe am besten J. v. Kries in : Die Medizin der Gegenwart in Selbstdarstellungen. Leipzig, Verlag Felix Meiner. 1924.\n17*","page":251},{"file":"p0252.txt","language":"de","ocr_de":"252\nEmil v. Skramlik\nSeine Untersuchungen \u00fcber die angeborene partielle Farbenblindheit f\u00fchrten zu der Feststellung, dafs diese tats\u00e4chlich in zwei scharf verschiedenen Formen auftritt, was sich mit der von Yo\u00fcng-Helmholtz aufgestellten Sehtheorie sehr gut in Einklang bringen l\u00e4fst. Er hat vorgeschlagen, die beiden Arten von Farbenblinden als Protanope bzw. Deuteranope zu bezeichnen, wodurch zum Ausdruck gebracht ist, dafs den einen ein erster, den anderen ein zweiter von den 3 Bestandteilen des normalen Sehorgans fehlt.\nFerner verdanken wdr ihm auf physiologisch optischem Gebiete die Aufstellung der Duplizit\u00e4tstheorie, durch die das Tages- und D\u00e4mmerungssehen als T\u00e4tigkeitsweise zweier gesonderter Netzhautelemente, der Zapfen und St\u00e4bchen, erkannt wird. Die Zapfen sind dabei die farbent\u00fcchtigen, weniger adaptationsf\u00e4higen, die besonders durch die langwelligen Lichter erregt werden, w\u00e4hrend die St\u00e4bchen sehr stark adaptationsf\u00e4hig sind, dabei aber nur eine farblose Helligkeitsempfindung vermitteln.\nEr hat \u00f6fteis Gelegenheit genommen, sich in breiter Form \u00fcber die wichtigsten Grundtatsachen der Lehre von den Gesichtsempfindungen auszusprechen. Ich erinnere an seinen Aufsatz in Nagels Handbuch der Physiologie aus dem Jahre 1905, sowie an die \u201edichromatischen Farbensysteme\u201c und die \u201eDuplizit\u00e4tstheorie\u201c im BETHEschen Handbuch der Physiologie aus dem Jahre 1928.\nEs lag nahe, dals ein Forscher wrie von Kkies, bei seinem bedeutenden mathematischen Talent sich auch mit der f\u00fcr unsere ganzen geometrischen Vorstellungen bedeutungsvollen r\u00e4umlichen Ordnung der Sehdinge besch\u00e4ftigte. Dies lehrt die ausgezeichnete Darstellung \u00fcber die Natur der Raumvorstellung im 3. Bande der Neuauflage der HELMHOLTzschen physiologischen Optik aus dem Jahre 1909, die er gemeinsam mit G\u00fcllstrand und Nagel besorgte. In diesem Aufsatz hat er sich auch mit der nativistischen und empiristischen Theorie der Entstehung der Raumvorstellung in ruhiger sachlicher Weise auseinandergesetzt und dabei die goldene Mittellinie zwischen den beiden extremen Theorien als die richtige Bahn gezeigt.\n\u00dcber der Lieblingsbesch\u00e4ftigung mit der physiologischen Optik hat v. Kries die grofsen bedeutungsvollen Fragen auf anderen Sinnesgebieten durchaus nicht vernachl\u00e4ssigt. Er war es, der zuerst eine genaue Untersuchung \u00fcber das Erkennen der","page":252},{"file":"p0253.txt","language":"de","ocr_de":"Johannes v. Kries f\n253\nSchallrichtung anstellte, die auch heute noch als Grundlage f\u00fcr weitere Forschungen dient. Als eine Frucht seiner Besch\u00e4ftigung mit musikalischen Fragen ist eine Abhandlung \u00fcber das absolute Geh\u00f6r 1892, sowie eine Monographie \u201e Wer ist musikalisch ? 1926 hervorgegangen.\nEndlich hat er die grofsen Probleme der gesamten Sinnesphysiologie in einem seiner letzten grofsen Werke der \u201eAllgemeinen Sinnesphysiologie\u201c aus dem Jahre 1923 meisterhaft herausgearbeitet.\nDie Besch\u00e4ftigung mit Fragen der Sinnesphysiologie hat ihn zwangsl\u00e4ufig auch auf das Gebiet der Psychologie und Philosophie gef\u00fchrt. Schon in der Jugendzeit hat er sich auf Anregung des Leiters der Marienwerder Anstalt mit Lotzes Mikrokosmos besch\u00e4ftigt, als Student mit Kants Kritik der reinen Vernunft. Unter seinen philosophischen Arbeiten sind haupts\u00e4chlich drei hervorzuheben: die Pr in zip ien der Wahrscheinlichkeitsrechnung aus dem Jahre 1886, eine Schrift, die nach den Urteilen bedeutender Mathematiker auch heute noch als eine der wichtigsten und erkenntnisreichsten auf diesem Gebiete aufzufassen ist ; die \u00fcber den \u201eBegriffderobjektiven M\u00f6glichkeit und einige Anwendungen derselben\u201c aus dem Jahre 1888, endlich seine umfangreichste Arbeit \u201eDie Logik\u201c aus dem Jahre 1916, ein wahrhaft klassisches Werk, das insofern ganz besonderen Wert besitzt, weil es von einem streng naturwissenschaftlich geschulten Geist geschrieben ist.\nAus der grofsen F\u00fclle seiner sonstigen Arbeiten, die sich auf nahezu s\u00e4mtlichen Gebieten der Physiologie bewegen, seien hier besonders die \u00fcber den Kreislauf und das Herz hervorgehoben. Er pr\u00fcfte die Str\u00f6mungsverh\u00e4ltnisse in den Arterien und untersuchte die Erregungsleitung von einem Herzteil auf den anderen. Dabei fand er die eigenartigen, durch \u00f6rtlich ungleiche Temperierung der einzelnen Herzanteile hervorgerufenen Allorhythm ien. Aus dem Bestreben, die Behelfe der Krankenuntersuchung zu erweitern, entstand seine Methode der Flammen-tachographie, die es gestattet, die Geschwindigkeit des Pulses unmittelbar aufzunehmen.\nVon hohem theoretischen Interesse sind auch seine Untersuchungen \u00fcber den Einflufs des Wechselstroms auf den Nerven. Sind sie es doch, die geradezu ein klassisches Beispiel f\u00fcr die Tatsache darstellen, dafs die stille Arbeit des Naturforschers ihre","page":253},{"file":"p0254.txt","language":"de","ocr_de":"254\nEmil v. Skramlik\nvolle Fruchtbarkeit oft erst nach Jahrzehnten erweist, v. Kries mafs die Intensit\u00e4t des elektrischen Stromes bei verschiedener Frequenz, die gerade zu einer Nervenerregung hinreicht. Die damals gefundenen Werte hat 25 Jahre sp\u00e4ter Nernst zur St\u00fctzung seiner Theorie des elektrischen Reizes verwendet.\nVon nicht minder grofser theoretischer Bedeutung sind auch seine Untersuchungen \u00fcber die Wirkung von Momentan- und Zeitreizen auf den Nerven. Bei diesen zeigte er durch die Erfindung des Federrheonoms, dafs er auch die physiologische Technik in h\u00f6chst eleganter Weise beherrschte und zu bereichern verstand.\nTrotz dieser gewaltigen Arbeitsleistungen ist die Lehrt\u00e4tigkeit bei ihm niemals zu kurz gekommen. Jede seiner Vorlesungen war ein abgeschlossenes Ganze. Das wichtigste Wesentliche wurde stets aufs sch\u00e4rfste herausgearbeitet und der Zuh\u00f6rer erfreute sich an der feinen Gliederung des wissenschaftlichen Geb\u00e4udes, das vor ihm in meisterhafter Sprache erstellt wurde. Besonderen Ehrgeiz verwandte er darauf, den Vortragsstoff durch entsprechende Experimente zu st\u00fctzen und so dem Verst\u00e4ndnis leichter zug\u00e4nglich zu machen.\nEin wichtiger Zug seines Wesens war, mit der Zeit, einem der kostbarsten G\u00fcter des Menschen, sparsam umzugehen und sie nicht ungen\u00fctzt verstreichen zu lassen. Dies \u00e4ufserte sich besonders im Verkehr mit seinen wissenschaftlichen Mitarbeitern. Er hat da nur das notwendigste geredet. Jeder, der Gelegenheit hatte, mit ihm greifbare Probleme zu besprechen, war stets von neuem erstaunt \u00fcber die ruhige Sachlichkeit und Klarheit, mit der er alle Fragen behandelte. Besonders \u00fcberraschend war, mit welcher Schnelligkeit und Sch\u00e4rfe des Geistes er aus dem ihm vorgelegten Tatsachenmaterial die neuen und allgemeinen Gesichtspunkte herauszugreifen verstand.\nEin gewisses Sichabschliefsen von seiner Umgebung und eine sich daraus ergebende Unnahbarkeit waren bei ihm wirklich nur rein \u00e4ufserliche Merkmale. Unter einem gemessenen, etwas zur\u00fcckhaltenden Wesen besafs er ein teilnehmendes, mitf\u00fchlendes Herz f\u00fcr alle menschlichen Dinge.\nEbenso wenig wie an wissenschaftlichen Erfolgen hat es v. Kries an \u00e4ufseren Ehren gefehlt. Er war Ehrenmitglied zahlreicher gelehrter Gesellschaften, Ehrendoktor verschiedener Hochschulen und besafs die h\u00f6chste deutsche Auszeichnung, die Friedensklasse des Ordens Pour le m\u00e9rite. Als ein Zeichen seiner","page":254},{"file":"p0255.txt","language":"de","ocr_de":"Johannes v. Kries f\n255\ngrofsen Wertsch\u00e4tzung auf wissenschaftlichem Gebiet soll auch die Festschrift in Pfl\u00fcgers Archiv f\u00fcr die gesamte Physiologie Erw\u00e4hnung finden, die ihm im Jahre 1923 aus Anlafs seines 70. Geburtstages von seinen Verehrern, Freunden und Sch\u00fclern \u00fcberreicht wurde. Alle an ihn ergangenen Rufe, wie 1895 nach Leipzig als Nachfolger seines Lehrers Ludwig, 1897 nach Berlin als Nachfolger du Bois-Reymonds und 1908 nach M\u00fcnchen als Nachfolger Voits hat er abgelehnt und ist der Stadt seines ersten \u00e4ufseren Erfolges Freiburg i. Br. treu geblieben.\nEs war ihm nicht verg\u00f6nnt die Lebensjahre nach seinem Ausscheiden aus dem Lehramt im Herbst 1923 in ruhiger Arbeit zu verbringen, wie er sich das stets gew\u00fcnscht und gedacht hatte. Ein langsam fortschreitendes Siechtum, verbunden mit vielen Schmerzen, behinderte seine Arbeitsf\u00e4higkeit und brachte viel Bitternis in sein Dasein. Wenn auch seine Lebenskraft aufs schwerste ersch\u00fcttert war, so ist sein Wille zum Wirken bis zum letzten Augenblicke ungebeugt geblieben. \u00dcber alle Mafsen bewundernswert bleibt, mit welch z\u00e4her Energie er seinen Krankheitszustand bek\u00e4mpfte und wie er jeden arbeitsf\u00e4higen Augenblick zu schriftstellerischer T\u00e4tigkeit benutzte. Die Feder, die er meisterhaft zu f\u00fchren verstand, ist seiner, Hand nicht entsunken, sie ist ihm allm\u00e4hlich entwunden worden.\nWir, die wir Gelegenheit hatten, mit ihm zusammenzuarbeiten, m\u00fcssen uns erst langsam an die harte und bittere Tatsache gew\u00f6hnen, dafs er nicht mehr unter uns weilt. In unserem Ged\u00e4chtnis lebt er weiter, grofs, gedankenreich und gebend, wie wir ihn bis zuletzt gekannt haben.\nEmil v. Skkamlik-Jena.","page":255}],"identifier":"lit36009","issued":"1930","language":"de","pages":"249-255","startpages":"249","title":"Johannes v. Kries [Nachruf]","type":"Journal Article","volume":"60"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:43:13.604751+00:00"}