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{"created":"2022-01-31T15:33:30.350267+00:00","id":"lit36017","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"Eichler, W.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 60: 325-333","fulltext":[{"file":"p0325.txt","language":"de","ocr_de":"325\n(Aus dem Physiologischen Institut der Universit\u00e4t Jena)\n\u00dcber die Reaktionszeiten bei Schmerzreizen\nVon\nW. EiCHLER-Jena Mit 1 Abbildung im Text\nI. Einleitung\nBekanntlich haben uns erst die Untersuchungen von v. Frey 1 gelehrt mit Hilfe der sogenannten Stachelborste reinen Oberfl\u00e4chenschmerz zu erzeugen. Dabei hat sich die interessante Tatsache herausgestellt, da\u00df zwischen dem Auftreffen der Stachelborste auf der Haut und dem Auftreten der Schmerzempfindung ein merkliches Zeitintervall vergeht. Dieses betr\u00e4gt etwa eine Sekunde, oft sogar noch mehr und ist um vieles gr\u00f6\u00dfer, als das Intervall zwischen Auftreffen eines Druckreizes und Auftreten der zugeh\u00f6rigen Ber\u00fchrungsempfindung. Der Unterschied zwischen diesen beiden Intervallen kommt dann besonders deutlich zum Bewu\u00dftsein, wenn man mit der Stachelborste gleichzeitig einen Druck- und Schmerzpunkt trifft. Das ist ohne Schwierigkeiten m\u00f6glich, da diese beiden Sinnespunkte einander in den oberfl\u00e4chlichen Anteilen der Haut vielfach eng benachbart sind. War der Reiz kein zu starker, so erlebt man zuerst eine reine Ber\u00fchrungsempfindung, die in einem deutlichen zeitlichen Abstand von einer Schmerzempfindung gefolgt ist.\nAuf Grund dieser Tatsache w\u00e4re der Schlu\u00df zul\u00e4ssig, da\u00df die sogenannten Reaktionszeiten auf Druck- und Schmerzreize verschieden lang sind und zwar in dem Sinne, da\u00df die aut Schmerzreize entschieden l\u00e4nger sind. Dies w\u00fcrde unter der Annahme gelten, da\u00df die Zeiten, die vom Auftreten der betreffenden\n1 v. Frey, M., Versuche \u00fcber schmerzerregende Reize. Z. Biol. 76, l (1922).","page":325},{"file":"p0326.txt","language":"de","ocr_de":"326\nW. Eichler\nEmpfindung, sei es Schmerz oder Ber\u00fchrung, bis zur ersten muskul\u00e4ren Reaktion vergehen, gleich lang sind. Jedenfalls m\u00fc\u00dfte die Reaktionszeit auf Schmerzreize immer l\u00e4nger gefunden werden, als das Intervall, das vom ersten Auftreten der Ber\u00fchrungsempfindung bis zu dem der Schmerzempfindung vergeht. Die bisherigen Befunde widersprechen aber dieser Annahme. Auf Druckreize wurden Reaktionszeiten gefunden, die zwischen\n120\u2014210 o schwanken (v. Kries und Auerbach 1, Kiesow 2, Be-\n_ \u00ab \u00bb\nHague und Beyne.3) Pi\u00e9ron4\u20195 fand den etwas gr\u00f6\u00dferen Wert\nvon durchschnittlich 451 a, freilich bei Verwendung von Schwellenreizen. Bei schmerzhaften Stichreizen fand dagegen Kiesow 6 Reaktionszeiten zwischen 136 und 214 o am Unterarm, sowie 116 und 152 a an der Lippe, schwankend, je nachdem es sich um eine \u201emuskul\u00e4re\u201c oder \u201esensorielle\u201c Einstellung der Vp. handelte. Sonnenschein 7 fand am Daumenballen und der Hohlhand f\u00fcr Nadelstiche, die nach seinen Angaben die Haut nicht durchdrangen, Reaktionszeiten von durchschnittlich 375 a. Wenn Sonnenschein gr\u00f6\u00dfere Werte ma\u00df als Kiesow, so mag das seinen Grund darin haben, da\u00df bei seinen Untersuchungen eine besondere Wahlreaktion in Frage kam. Er lie\u00df seine Vpn. 2 Taster bedienen, einen f\u00fcr die Ber\u00fchrungs- und einen f\u00fcr die Schmerzempfindung. Dieses Vorgehen kann eine Verl\u00e4ngerung der Zeiten herbeif\u00fchren.\nAus den bisherigen Untersuchungen geht also hervor, da\u00df entgegen den Erwartungen die Reaktionszeiten bei Schmerzreizen\n__________ o\n1\tv. Kries, J. und Auerbach, F., Zeitdauer einfachster psychischer Vorg\u00e4nge. Arch Anat. u. Physiol. 1877, 356.\n2\tKiesow, F., \u00dcber die einfachen Reaktionszeiten der taktilen Belastungsempfindung. Z. Psychol. 35, 8 (1904).\n3\tBehague, P. und Beyne, J., Etude des temps de reactions psychomotrices tactiles chez l\u2019homme normale. Cpte. rend, hebd, des s\u00e9ances de Vacad. des sciences 174, 1259 (1922).\n4\tPi\u00e9ron, H., Recherches sur les lois de variation des temps de latence sensorielle en fonction des intensit\u00e9s excitatrices. L\u2019ann\u00e9e psychol. 20, 17 (1914).\n5\tPi\u00e9ron, H., Nouvelles recherches sur l\u2019analyse du temps de latence sensorielle et sur la loi qui relie ce temps \u00e0 l\u2019intensit\u00e9 d\u2019excitation. L\u2019ann\u00e9e psychol. 22, 67 (1919).\n6\tKiesow, F., Beobachtungen \u00fcber die Reaktionszeiten der schmerzhaften Stichempfindung. Arch. f. Psychol. 18, 265 (1910).\n7\tSonnenschein, C. A., Neue Untersuchungen \u00fcber Schmerzreaktionszeiten. Inauguraldissertation, Gie\u00dfen. Med. Fakult\u00e4t 1920.","page":326},{"file":"p0327.txt","language":"de","ocr_de":"Die Reaktionszeiten bei Schmerzreizen\n327\nentweder gleich lang oder sogar etwas k\u00fcrzer sind als bei Druck-reizen. Sie sind sogar kleiner als das Intervall zwischen Schmerz-nnd Druckempfindung, das bei vorsichtiger Reizgebung zu verzeichnen ist. Es ist aber nicht zul\u00e4ssig aus diesen Befunden irgendwelche weitere Schl\u00fcsse zu ziehen, da es offenbar die Methodik ist, die diese Resultate veranla\u00dft hat. Weder Kiesow noch Sonnenschein haben mit Hilfe ihrer Vorrichtung reine Schmerzreize erzeugt, sondern sogenannte Stichschmerzreize, z. T. in der Absicht die Hautoberfl\u00e4che sehr intensiv zu irritieren (Kiesow).\nW\u00fcnscht man aber wirklich die Reaktionszeiten bei reinen Schmerzreizen im Gegensatz zu reinen Druckreizen zu bestimmen, so mu\u00df man sich der von v. Frey angegebenen Stachelborste bedienen, welche es nach seinen Angaben etwa in der H\u00e4lfte der F\u00e4lle gestattet, reine Schmerzreize zu erzeugen, ohne vorangegangene Ber\u00fchrungsempfindung. Da dies bisher nicht geschehen ist, so habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, auf diesem Gebiete eine Anzahl von Experimenten anzustellen und die Reaktionszeiten bei reinen Schmerz- und Druckreizen zu messen.\nII. Eigene Untersuchungen\nWegen der Eigenart des Gegenstandes der Untersuchung und der Abh\u00e4ngigkeit der Ergebnisse von dem Verfahren, erscheint es durchaus berechtigt, da\u00df ich meine Methodik ausf\u00fchrlich beschreibe.\nDie Untersuchungen wurden an 4 Vpn. vorgenommen und zwar an 1. Fri. E. Beyer, 2. Verf., 3. A. Schwarz, 4. Prof. v. Skramlik. Ich danke meinen Mitarbeitern auch an dieser Stelle f\u00fcr ihre Unterst\u00fctzung.\nAls Reizort diente die Volar- bzw. Radialseite des linken Unterarms. Dieser ruhte dabei horizontal in einer mit Stoff ausgekleideten Rinne. Die Stelle, an der die Borste auftraf, wurde st\u00e4ndig gewechselt. Zur Vermeidung der Ber\u00fchrung von Haaren wurde der Vorderarm in allen F\u00e4llen vor dem Versuche rasiert.\nDie Reizgebung f\u00fcr Schmerz erfolgte mit Hilfe eines Stachels von Onoperdon bracteatum, der von einer 30\u201435 mm langen Borste getragen wurde. Die Dicke dieser Borste betrug in einem Falle 0,28 mm, in einem zweiten 0,50 mm. Der maximale Druck, mit dem der Stachel im ersten Falle auf die Haut aufgesetzt","page":327},{"file":"p0328.txt","language":"de","ocr_de":"328\nW. Eichler\nwurde, war dann 0,60 g, im zweiten Falle 1,5 g, bezogen auf die Druckfl\u00e4che des m\u00f6glichst feinen Stachels.\nDie Reizgebung f\u00fcr Druck erfolgte mit Hilfe einer Borste von 35 mm L\u00e4nge und 0,28 mm Durchmesser. Sie war am unteren Ende glatt abgeschnitten und hatte dort einen Querschnitt von 0,06 mm2. Der maximale Druck dieser Borste betrug unter Beziehung auf den Radius 2,1 g/mm. Die Reizgebung erfolgte also in der gleichen Weise, wie es v. Fbey bei seinen zahlreichen Untersuchungen \u00fcber Schmerz- und Druckreize getan hat.\nDie Borste war an einem d\u00fcnnen Metahblech Fx befestigt (siehe Abb. 1). Zur Vermeidung von Schwingungen des Bleches war der B\u00fcgel B angebracht, dem die Feder in der Ruhelage unter sehr geringem Drucke auflag. Beim Aufsetzen der Borste auf die Haut erfuhr sie eine Durchbiegung und wurde dadurch\n---D\nAbb. 1. Reiz und Kontaktapparat in 2/3 der wirklichen Gr\u00f6\u00dfe. Es bedeuten D den Distelstachel, Fx und F2 untere und obere Metallfeder, B den B\u00fcgel als Auflage f\u00fcr die untere Metallfeder, J das geschlitzte Isolierst\u00fcck zur Ver\u00e4nderung der Federl\u00e4nge, S die Stellschraube f\u00fcr die obere Metallfeder.\ngegen ein zweites d\u00fcnnes Metahblech F2 gedr\u00fcckt. Auf diese Weise kam bei der Reizgebung ein Kontaktschlu\u00df zustande, der durch Verwendung eines Platinpl\u00e4ttchens auf Fx (dem Metallblech, das die Borste trug) und eines Platinstiftes, der sich auf F2 befand, ganz sicher gestaltet wurde.\nDie L\u00e4nge beider Federn konnte durch Verschiebung des geschlitzten Isolierst\u00fcckes J ver\u00e4ndert werden. Im Zusammenhang damit \u00e4nderte sich auch der Widerstand der Feder F1 gegen die Durchbiegung. Je weiter das Isolierst\u00fcck gegen die Stachelborste vorgeschoben war, um so gr\u00f6\u00dfer war dieser Widerstand. Der Weg, den F1 zur\u00fccklegen mu\u00dfte, um auf F2 zu sto\u00dfen, konnte bis auf weniger als 0,25 mm verk\u00fcrzt werden. Dies geschah mit Hilfe der Schraube S, durch welche die obere Feder in die N\u00e4he der unteren heruntergedr\u00fcckt werden konnte. Diese Stellschraube","page":328},{"file":"p0329.txt","language":"de","ocr_de":"Die Reaktionszeiten bei Schmerzreizen\n329\nkonnte gleichzeitig mit dem Isolierst\u00fcck J verlagert werden, so da\u00df einmal eine gr\u00f6\u00dfere, das andere Mal eine kleinere Kraft erforderlich war, um das Metallblech F2 zu durchbiegen. Dies hatte besondere Bedeutung zur endg\u00fcltigen Festlegung des Widerstandes der Stachel- oder Tastborste nach Kontaktschlu\u00df.\nDie ganze Vorrichtung war mit Hilfe eines Halters in einem Universalstativ mit Zahntrieb befestigt. Kurz vor Beginn des einzelnen Versuches wurde der Stachel bzw. die Borste bis dicht in die N\u00e4he der Haut heruntergelassen und dann pl\u00f6tzlich auf die Haut aufgesetzt. Die Geschwindigkeit, mit der dies geschah, kann im gro\u00dfen ganzen als konstante bezeichnet werden, da vor Inanspruchnahme entscheidender Messungen der VI. bereits eine gr\u00fcndliche \u00dcbung erworben haben mu\u00dfte. Sie betrug nach meinen Messungen etwa 5 cm/sec.\nDie Aufgabe der Vp. bestand darin, beim ersten Auftreten\nder Empfindung den Druckknopf eines Keaktionstasters loszulassen.\n\u2022 \u2022\nDadurch kam ein Offnen des Stromes zustande, der bei der Reiz-gebung selbst geschlossen wurde und durch den Magneten meines Hippschen Chronoskops hindurch ging, das die Zeiten bis auf 1 o genau abzulesen gestattete und eine Einstellungszeit von 0,5 o besa\u00df. Der Morsetaster wurde stets von der rechten Hand der Vp. bedient, die Reizgebung erfolgte auf deren linken Arm. Es war der Vp. \u00fcberlassen, ob ein Finger oder die ganze Hand auf dem Morsetaster ruhte. Ich lie\u00df sie stets in der ihr bequemsten Weise reagieren. W\u00e4hrend des Versuches hielt die Vp. die Augen geschlossen oder sie hatte sie verbunden. Die ganze Apparatur zur Reizgebung arbeitete v\u00f6llig ger\u00e4uschlos, so da\u00df die Vp. keine M\u00f6glichkeit hatte, etwa auf einen akustischen Reiz beim Schlie\u00dfen des Kontaktes zu reagieren. Der VI. gab etwa 1 Sek. vor Beginn des Versuches ein Signal durch den Zuruf \u201ejetzt!\u201c.\nUnter Reaktionszeit im strengen Sinne des Wortes verstehen wir die Zeit, die vergeht von dem Augenblicke, wo der Reiz gesetzt wird, bis zu dem Augenblicke des ersten Erfolges. Eine Messung dieser Zeit setzt voraus, da\u00df der Kontaktschlu\u00df des Apparates in dem Augenblick erfolgt, wo die Borste auf die Haut auftrifft. Das ist streng genommen nicht m\u00f6glich, denn es mu\u00df erst eine gewisse Durchbiegung der Feder zustande gekommen sein, damit der Kontaktschlu\u00df verwirklicht ist. Es geht also eine gewisse Zeit f\u00fcr die Messung verloren. Doch ist diese wegen der\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 60\t22","page":329},{"file":"p0330.txt","language":"de","ocr_de":"330\nW. Eichler\ngro\u00dfen Aufsetzgeschwindigkeit der Borste und der geringen Entfernung der Kontaktstellen voneinander au\u00dferordentlich gering. Sie wurde eigens gemessen und betrug h\u00f6chstens 5 o.\nBei Benutzung des v. FuEYschen Distelstachels hat sich herausgestellt, da\u00df man nur in einer relativ geringen Anzahl von F\u00e4llen imstande ist, eine reine Schmerzempfindung zu erzeugen, bei der also eine Ber\u00fchrung zuvor nicht empfunden wurde. In den meisten F\u00e4llen erlebt man zuerst eine Ber\u00fchrungs- und nach Ablauf einer gewissen Zeit eine Schmerzempfindung oder aber es bleibt nur bei der Ber\u00fchrungsempfindung. Der prozentuelle Anteil der im Versuche hervorgerufenen reinen Schmerzempfindungen an der Gesamtzahl der Versuche schwankt individuell etwas. Bei manchen Vpn. wie z. B. bei Vp. 4 betrug er bis 40\u00b0/0, bei anderen wie bei Vp. 3 blo\u00df etwa 10 \u00b0/0. Die Vp. war deshalb angewiesen bei jedem einzelnen Versuch \u00fcber die Art der Empfindung Aufschlu\u00df zu geben. Im Anfang waren damit gewisse Schwierigkeiten verbunden. Sp\u00e4ter wickelte sich das relativ rasch und sicher ab. Z. T. mu\u00dften allerdings sehr lange Serien von vielenhunderten von Versuchen gemacht werden, ohne da\u00df man zu einem entsprechenden Ergebnis kam.\t*\nSehr viel einfacher gestaltete sich das Verfahren bei Verwendung der Tastborste. Im allgemeinen erzeugten 90\u00b0/0 aller Reize die gew\u00fcnschte Empfindung.\nIm folgenden sollen nun die Ergebnisse der Messungen der Reaktionszeiten zusammengestellt werden: 1. auf reine Schmerzreize, 2. auf reine Druckreize.\n1. Die f\u00fcr die 4 Vpn. gefundenen Werte f\u00fcr die Reaktionszeiten sind in Tabelle 1 zusammengestellt. Sie schwanken zwischen 740\u2014930 o. Gleichzeitig ist beigef\u00fcgt aus wieviel Versuchen sie bei jeder einzelnen Vp. das Mittel darstellen. Bei allen diesen Versuchen bediente ich mich eines Distelstachels, dessen maximaler Druck \u2014 wie eingangs auseinandergesetzt wurde \u2014 0,60 g betrug. Als eine sehr wichtige Feststellung ist zu erw\u00e4hnen, da\u00df die Werte f\u00fcr die Reaktionszeiten bei reinen Schmerzreizen recht betr\u00e4chtlich schwanken und niemals so gleichm\u00e4\u00dfig gefunden werden, wie etwa bei Druckreizen. Sie schwanken zwischen 300 o als minimalem und 1500 o als maximalem Wert. Hervorzuheben ist, da\u00df sie aber in 68,3 \u00b0/0 aller F\u00e4lle gr\u00f6\u00dfer sind als 700 \u00f6, und da\u00df ferner kein einziger Wert kleiner gefunden wurde als 300 a.","page":330},{"file":"p0331.txt","language":"de","ocr_de":"Die Reaktionszeiten bei Schmerzreizen\n331\nTabelle 1\nReaktionszeiten auf reine Schmerzreize\nVp.\tZahl der Versuche\tMittlere Reaktionszeit in 6\n1\t21\t870\n2\t15\t992\n3\t19\t740\n4\t60\t930\nDie gro\u00dfen Schwankungen lassen sich nicht ohne weiteres erkl\u00e4ren. Wahrscheinlich h\u00e4ngt dies haupts\u00e4chlich damit zusammen, da\u00df die Reizgebung niemals ganz gleichm\u00e4\u00dfig erfolgen kann. Sicher ist aber auch die Lage des Rezeptors in den oberfl\u00e4chlichen Anteilen der Haut f\u00fcr das Ergebnis von Bedeutung. Liegt er der Oberfl\u00e4che n\u00e4her, so kann eine Erregung leichter zustande kommen, als wenn er tiefer gelegen ist. Dementsprechend m\u00fc\u00dfte sich im ersten Falle eine k\u00fcrzere, im zweiten eine l\u00e4ngere Reaktionszeit ergeben. Es m\u00f6gen aber auch individuelle Unterschiede eine gewisse Rolle spielen. So reagierte Vp. 3 auf Schmerzreize vielfach relativ rasch, so da\u00df sich bei ihr die Werte bei etwa 450\u2014500 o h\u00e4uften. Es kamen aber bei ihr gar nicht etwa selten auch tr\u00e4gere Reaktionen vor, mit etwa durchschnittlich 900 o Zeitdauer.\nUm mich zu \u00fcberzeugen, welches die Reaktionszeiten bei Anwendung des Distelstachels sind, wenn als erste Empfindung nicht Schmerz, sondern Ber\u00fchrung auftritt, habe ich an Vp. 3 eine eigene Serie angestellt. Aus 39 Einzelversuchen berechnete ich dann eine Schmerzreaktionszeit von 654 a. 79 % aller gefundenen Werte wraren gr\u00f6\u00dfer als 500 o, 28% gr\u00f6\u00dfer als 700 a. Es stellte sich also heraus, da\u00df man in diesem Falle, wo der Schmerzempfindung eine Ber\u00fchrungsempfindung vorangeht, durchaus in den Bereich der Reaktionszeiten bei reinen Schmerzreizen kommt. Hat doch diese Vp. bei reinen Schmerzreizen eine Reaktionszeit von 740 a !\nZur Pr\u00fcfung des Einflusses starker Schmerzreize auf die Dauer der Reaktionszeiten machte ich eine Serie von Versuchen mit der st\u00e4rkeren Borste von 1,5 g maximalen Druck. Durch diese wird sogenannter Stichschmerz erzeugt. Dabei\nstellte sich heraus, da\u00df die Reaktionszeit eine gewisse Abk\u00fcrzung\n22*","page":331},{"file":"p0332.txt","language":"de","ocr_de":"332\nW. Eichler\nerf\u00e4hrt (s. Tab. 2), da\u00df aber immer noch ein Mittelwert von etwa 460 o herauskommt, der betr\u00e4chtlich gr\u00f6\u00dfer ist, als die bei Stichschmerz bisher von anderen Autoren ver\u00f6ffentlichten Werte. Kein Wert war kleiner als 200 o.\nTabelle 2\nReaktionszeiten auf Stichschmerz\nVp.\tZahl der Versuche\tMittlere Reaktionszeit in 6\n1\t12\t515\n2\t8\t455\n3\t19\t376\n4\t20\t493\nDiese Versuchsergebnisse lehren, da\u00df sowohl Kiesow^ als auch Sonnenschein mit ihren Metallnadeln offenbar sehr starke Stichschmerze erzeugten.\nDer Unterschied in den Reaktionszeiten bei reinem Schmerz und bei Stichschmerz findet ein gewisses Anologon auch in der Lokalisation dieser Empfindungen. Wie sich bei verschiedenen Untersuchungen 1 2\u20193 herausgestellt hat, werden Orte, an denen Stichschmerzreize gesetzt werden, viel sicherer lokalisiert, als die Orte, an denen reine Schmerzreize die Haut treffen.\n2. Die Druckreize wurden mit einer v. FREYschen Stachelborste von maximalem Druck von 2,1 g pro mm erzeugt. Im allgemeinen war die dadurch erzeugte Empfindung an der gew\u00e4hlten Stelle eine recht deutliche. Die mittleren Reaktionszeiten auf Druckreize sind in Tab. 3 zusammengestellt. Die Reaktionszeiten pendeln nunmehr selbst bei langen Serien au\u00dferordentlich wenig. Oft stimmen die zu verschiedenen Zeiten bei der gleichen Vp. gefundenen Werte bis auf wenige Sigmen \u00fcberein. Wie man aus dem Mittelwert von 268 o f\u00fcr s\u00e4mtliche Vpn. erkennen kann, handelt es sich um Reaktionszeiten, die etwTas l\u00e4nger sind als die\n1\tMayer, B., Beitrag zur Lokalisation der Schmerzempfindungen. Z. Sinnesphysiol. 56, 141 (1924).\n2\tv. Skramlik, E., Zur Frage der Lokalisation der Schmerzempfindungen. Z. Sinnesphysiol. 58, 28 (1926).\n3\tMayer, B., \u00dcber die Ortsbestimmung von reinen Schmerzempfindungen. Z. Sinnesphysiol, 58, 32 (1926).","page":332},{"file":"p0333.txt","language":"de","ocr_de":"Die Reaktionszeiten bei Schmerzreizen\n333\nWerte, die von den fr\u00fcheren Autoren gefunden wurden. Das\n\u2022 \u2022\nsteht aber in \u00dcbereinstimmung mit der Tatsache, da\u00df es sich um schwellennahe Reize gehandelt hat.\nTabelle 3\nReaktionszeiten auf Druck reize\nVp.\tZahl der Versuche\tMittlere Reaktionszeit in g\n1\t166\t340\n2\t26\t240\n3\t162\t255\n4\t86\t238\nIII. Zusammenfassung\nEs wurden die Reaktionszeiten auf reine Schmerzreize mit Hilfe einer v. FuEYschen Stachelborste von 0,6 g maximalen Drucks auf der Volar- bzw. Radialseite des Unterarms bei 4 Vpn. gepr\u00fcft. Dabei ergab sich ein Mittelwert von 883 o. Auf Stichschmerz, der mit einer Stachelborste von 1,5 g maximalen Drucks erzeugt wurde, ergab sich eine Reaktionszeit von 460 a. Die gefundenen Werte zeigen, da\u00df die Reaktionszeiten bei reinen Schmerz reizen sehr viel l\u00e4nger sind als sie bisher in der Literatur angegeben wurden. Dies trifft aber auch f\u00fcr Stichschmerzreize zu.\nDie bei reinem Oberfl\u00e4chen- und Stichschmerz gefundenen Reaktionszeiten sind bei allen Vpn. erheblich l\u00e4nger, als die bei Druckreizen mit Hilfe einer Borste von 2,1 g pro mm maximalen Drucks gesetzt wurden. Dabei ergab sich ein Mittelwert von 268 o.","page":333}],"identifier":"lit36017","issued":"1930","language":"de","pages":"325-333","startpages":"325","title":"\u00dcber die Reaktionszeiten bei Schmerzreizen","type":"Journal Article","volume":"60"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:33:30.350272+00:00"}